DIENSTLEISTUNG Druckluft-Controlling – eine 7-8/2005 ... · Das Investment (ROI) sich also...

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DIENSTLEISTUNG Druckluft-Controlling – eine Markterschließung hat begonnen Hemmnisse, Strukturen und Lösungen eines Kosten- und Qualitätspotenzials Peter Otto Dass Druckluft Geld kostet, ist seit der nun abgeschlossenen Kampagne „Druckluft-effizient“ (ausführliche Informationen unter www.druckluft- effizient.de) in das Bewusstsein ge- treten. Doch wie viel Anteil des laten- ten Milliarden-Einsparpotenzials wurde bisher von den Unternehmen tatsächlich erschlossen? Szenenwech- sel: Neben der effizienten Erzeugung, Verteilung und Nutzung der Druck- luft – also des Kosten-Einsparpotenzi- als, spielt die Qualität der Druckluft eine immer größere Rolle. Welche In- dustrie kann hier auf die Kontrolle der Druckluftqualität verzichten? Effizienz und Qualität können technisch ge- sehen durch Messtechnik kontrolliert und kontinuierlich optimiert werden. Warum aber beträgt der Markt für diese Messtech- niken nur rund 8 Mio. Euro in Deutschland, obwohl das Potenzial dahinter eine Milliar- de beträgt? Fehlt es an der Investitionsfä- higkeit europäischer Unternehmen oder an zuverlässiger Messtechnik? Dass Druckluft in der Industrie ein zu- nehmend sensibles Gut ist und für Produk- tionszwecke immer unerlässlicher wird, steht außer Frage. Ob sie in Pulverbeschich- tungsanlagen von Automobilzulieferern oder bei der pneumatischen Energieförde- rung auf Bohrinselplattformen wird – Druckluft hat an Qualität und Quantität ge- wonnen. Mit zunehmenden Automatisie- rungsprozessen steigt die Komplexität der pneumatischen Anwendungen. Druckluft gelangt auch verstärkt in Berührung mit Produkten, die für uns Menschen bestimmt sind, wie z. B. Lebensmittel und Arzneimit- tel. Qualitäts- und Messklassen Historisch gesehen wurden Qualitäts- und Messklassen zunächst aus Marketingzwe- cken geschaffen. Mit der Gewissheit, keiner könnte dies prüfen, wurden in DIN ISO 8573-1 Klassen auf dem Papier „erfunden“ – oder glaubte bei Offenlegung wirklich je- mand, 0,0099998 mg/m³ Öl hätte einen technischen Ursprung bzw. eine messtech- nisch bezogene Relevanz? Ungeachtet dessen gelten diese Grenz- werte für Qualität und Quantität der Druck- luft. Erst vor drei Jahren kamen Messklas- sen für die Verbrauchsmessung dazu. Diese sollen unabhängig von Messbereichen für die Zuordnung von Messgrößen gelten. Durch Transparenz treten historische Versäumnisse zutage Mittlerweile sind sowohl die Qualität als auch die Quantität der Druckluft lückenlos und permanent messbar. Ein lückenloses Druckluft-Controlling ermöglicht die voll- ständige Online-Messung nach den Quali- täts- und Messklassen. Diese Messtechnik eröffnet zunächst Schwachstellen im Sys- Autor: Dipl.-Ing. P. Otto ist Geschäftsführer der Postberg+Co. Druckluftcontrolling GmbH in 34131 Kassel Eine Strukturierung des Druckluftsystems in definierte Messebenen schafft Transparenz Werkbilder: Postberg+Co. Druckluftcontrolling GmbH, 34131 Kassel Druckluft ist in der Industrie ein zunehmend sensibles Gut und wird für Produktions- zwecke immer unerlässlicher erschienen in der Drucklufttechnik 7-8/2005

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DIENSTLEISTUNG

Druckluft-Controlling – eine Markterschließung hat begonnenHemmnisse, Strukturen und Lösungen eines Kosten- und Qualitätspotenzials

Peter Otto

Dass Druckluft Geld kostet, ist seit der nun abgeschlossenen Kampagne „Druckluft-effi zient“ (ausführliche Informationen unter www.druckluft-effi zient.de) in das Bewusstsein ge-treten. Doch wie viel Anteil des laten-ten Milliarden-Einsparpotenzials wurde bisher von den Unternehmen tatsächlich erschlossen? Szenenwech-sel: Neben der effi zienten Erzeugung, Verteilung und Nutzung der Druck-luft – also des Kosten-Einsparpotenzi-als, spielt die Qualität der Druckluft eine immer größere Rolle. Welche In-dustrie kann hier auf die Kontrolle der Druckluftqualität verzichten?

Effi zienz und Qualität können technisch ge-sehen durch Messtechnik kontrolliert und kontinuierlich optimiert werden. Warum aber beträgt der Markt für diese Messtech-niken nur rund 8 Mio. Euro in Deutschland,

obwohl das Potenzial dahinter eine Milliar-de beträgt? Fehlt es an der Investitionsfä-higkeit europäischer Unternehmen oder an zuverlässiger Messtechnik?

Dass Druckluft in der Industrie ein zu-nehmend sensibles Gut ist und für Produk-tionszwecke immer unerlässlicher wird, steht außer Frage. Ob sie in Pulverbeschich-tungsanlagen von Automobilzulieferern oder bei der pneumatischen Energieförde-rung auf Bohrinselplattformen wird – Druckluft hat an Qualität und Quantität ge-wonnen. Mit zunehmenden Automatisie-rungsprozessen steigt die Komplexität der pneumatischen Anwendungen. Druckluft gelangt auch verstärkt in Berührung mit Produkten, die für uns Menschen bestimmt sind, wie z. B. Lebensmittel und Arzneimit-tel.

Qualitäts- und Messklassen

Historisch gesehen wurden Qualitäts- und Messklassen zunächst aus Marketingzwe-cken geschaff en. Mit der Gewissheit, keiner könnte dies prüfen, wurden in DIN ISO 8573-1 Klassen auf dem Papier „erfunden“ – oder glaubte bei Off enlegung wirklich je-mand, 0,0099998 mg/m³ Öl hätte einen technischen Ursprung bzw. eine messtech-nisch bezogene Relevanz?

Ungeachtet dessen gelten diese Grenz-werte für Qualität und Quantität der Druck-luft. Erst vor drei Jahren kamen Messklas-sen für die Verbrauchsmessung dazu. Diese sollen unabhängig von Messbereichen für die Zuordnung von Messgrößen gelten.

Durch Transparenz treten historische Versäumnisse zutageMittlerweile sind sowohl die Qualität als auch die Quantität der Druckluft lückenlos und permanent messbar. Ein lückenloses Druckluft-Controlling ermöglicht die voll-ständige Online-Messung nach den Quali-täts- und Messklassen. Diese Messtechnik eröff net zunächst Schwachstellen im Sys-

Autor: Dipl.-Ing. P. Otto ist Geschäftsführer der Postberg+Co. Druckluftcontrolling GmbH in 34131 Kassel

Eine Strukturierung des Druckluftsystems in definierte Messebenen schafft Transparenz

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Druckluft ist in der Industrie ein zunehmend sensibles Gut

und wird für Produktions-zwecke immer unerlässlicher

erschienen in der

Drucklufttechnik 7-8/2005

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tem und damit das erste Hemmnis für wei-tere Transparenz. Herstellerangaben wer-den hinterfragt und auch Versäumnisse des eigenen Fachpersonals werden off ensicht-lich. Welche Konsequenz zieht ein Unter-nehmen, das entweder jahrelang Millionen an Leckagen förmlich zum Fenster hinaus-geworfen hat oder Öl-Wasser-Gemische durch Druckluft in Lebensmittel förderte? Wird ein neuer Kompressor oder ein weite-rer Filter die Lösung sein oder geht man den tatsächlichen Ursachen auf den Grund?

Durch die einfach zu bedienende und zuverlässige Messtechnik der Firma Post-berg+Co., die über modernste Sensorik von ifm electronic verfügt, ist es z. B. gelungen, den Gesamtverbrauch an Druckluft des in Bad Wildungen ansässigen Unternehmens illbruck Sanitärtechnik zu erfassen. In einer druckluftintensiven Halle wurden 80 % des Gesamtverbrauchs nachgewiesen.

Passende Struktur: Vereinfachung des ProblemsDie Gleichung erzeugte Menge Druckluft ist gleich verbrauchte Menge ging auf, als man an Maschinen mit über 160 m/s, einer Re-aktionszeit (t

90t

90t ) von < 0,1 s und einem Mess-

bereich von 1:300 messen konnte, um so-

wohl die extremen Verbrauchsspitzen als auch die Leckage mit zu erfassen. Der Er-folg lag in der Strukturierung des Problems in Messebenen. So konnte in der Ebene 2b der Gesamtverbrauch und die Gesamt-leckagemenge gemessen und ermittelt wer-den. In der Ebene 4 lag jedoch das eigentli-che Problem.

Nur durch die Eingrenzung des Problems gelang es, durch eine kontinuierliche Opti-mierung der Parameter, Leckageminimie-rung und Oberfl ächenveredelung der Werk-zeuge, 75 % des Druckluftverbrauchs einzu-sparen! Der technische Verantwortliche in Produktion und Werksinstandsetzung be-trachtet nun wöchentlich die im Internet dargestellten stündlichen Verbrauchswerte der Messebene 2b, denn Einsparungen in dieser Größenordnung reduzieren den Ge-samtverbrauch erheblich.

Notwendige Budget- und KostenstellenplanungMit so viel Erfolg können die weiteren Schritte angegangen werden. Vorausset-zung dabei ist eine exakte Budget- und Kos-tenstellenplanung. Sie kann zeitlich so ab-gestimmt sein, dass das Einspartotenzial und damit die Amortisationszeit weniger als ein Jahr beträgt. Das Investment (ROI) sich also richtig lohnt. Denn klar ist: Spätestens jetzt entscheidet der Kaufmann. Druckluft-Controllin ist fest in die nächste Budget-Planung zu integrie-ren. Genau wie beim Neuanlagenbau, bei Produktionsverlagerungen in die Ostländer sowie notwendigen Investitionen im Stammwerk sind entsprechende Gelder für Druckluft-Controlling bereit zu stellen. Denn Investitionen, die den Cash-Flow för-dern und die Profi tabilität des Unterneh-mens steigern, sind zunehmend gefordert. Druckluft-Con trolling ist weniger eine strate-gische Entscheidung, vielmehr eine rein kauf-männische!

Dass Druckluft Geld kostet, hat der Kauf-mann zwar verstanden, aber da die Kosten-stelle Druckluft nicht vorhanden ist, gerät diese wieder schnell aus seinem Gedächt-nis. Auch Druckluft aus der Steckdose be-nötigt den Druckluftzähler und die Kosten-

stellenzuordnung, so dass ein Controlling stattfi nden kann.

Alternatives Finanzierungs-modellDa für die Erschließung des Einsparpoten-zials das Risiko der Investition allein auf dem Unternehmen liegt, muss dieses abwä-gen, ob es in den Ausbau der eigenen Ferti-gung investiert oder die Erschließung eines Einsparpotenzials in Höhe von 40 000 bis 700 000 Euro pro Jahr einem Dritten über-lässt. Auch große Automobilunternehmen wie Volkswagen oder Ford verlieren viel Zeit und somit auch Geld, da die Budgetpla-nung keine längeren Investitionszeiträume als ein Unternehmensquartal zulassen.

Da Produktionsausbau und -umbau vor-gehen, liegt die Investition auf Eis – aus Sicht der Budgetplaner ganz verständlich, oder? Obwohl das Geld in einem Jahr zu-rückfl ießt. Neue Finanzierungsmodelle sind hierfür notwendig, so dass die Er-schließung des Marktpotenzials in Europa nicht scheitert. Alle Unternehmen sollten bereit sein, in diesen Markt zu investieren!

Anlagen-Contracting in den verschiede-nen Ebenen wäre solch ein Modell. GE Ka-pital erwägt, in den Niederlanden ein sol-ches Modell zu etablieren. Dieses beinhal-

Messklasse Klasse 0,5 Klasse 1 Klasse 2Bezeichnung Referenzklasse Abrechnungsausführung Industrieausführung

Messfehler vom Messwert 2% 5% 10%

Anwendung Kalibrierprüfstände Kontrollmessung industrielle Messung

Prüfstand DKD-Prüfstand nach ISO 6358 kein Prüfstand

Der Druckluftzähler im industriellen Umfeld –

ein Massenprodukt ver-gleichbar mit einem

Wasserzähler

Auslesen der Mess-daten vor Ort

Messklassen für Druckluftmessung in Anlehnung an die Genauigkeits-klassen der elektrischen Leistungs- und Energiemessung

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Druckluft-Controlling ist weniger eine strategische

Entscheidung, vielmehr eine rein kaufmännische!

DIENSTLEISTUNG

Page 3: DIENSTLEISTUNG Druckluft-Controlling – eine 7-8/2005 ... · Das Investment (ROI) sich also richtig lohnt. Denn klar ist: Spätestens jetzt entscheidet der Kaufmann. Druckluft-Controllin

tet Kompressoren-Container sowie Mess-technik auf Leihbasis und externe Manpower zur Unterstützung des schwin-denden Personals an Instandhaltung. Un-abhängige Dienstleister von Kompresso-renherstellern und Energieunternehmen sind gefragt, das mangelnde Vertrauen in solche Finanzierungsmodelle zu fördern.

Lösungsvorschläge für Unternehmen1. Mit einer Schwachstellenanalyse eines un-

abhängigen Fachspezialisten wird die Ba-sis gelegt. Dieser prüft, ob die Druckluft-

DIENSTLEISTUNG

qualität eingehalten wird und welches Ein-sparpotenzial erschlossen werden kann.

2. Strukturierung und Eingrenzung der Pro-bleme in verschiedenen Messebenen und Defi nition der Ziele.

3. Maßnahmenentwicklung auf Basis von Pilotprojekten mit anschließender Prü-fung der Ergebnisse durch kontinuierli-che Messungen.

4. Spätestens jetzt ist Druckluft Chefsache: Budgetplanung für die Flächenerschlies-sung mit Prüfung von Möglichkeiten durch den freien Kapitalmarkt.

5. Umsetzung der Maßnahmen und ein kontinuierliches Druckluft-Controlling

durch permanente Messung und Aus-wertung der Kennzahlen.

Wir Europäer sollten hier nicht ins Hinter-treff en gelangen und die südkoreanische Industrie als Beispiel nehmen, die erkannt hat, dass Leckagen mehr als nur eine Ge-dankenlosigkeit der Instandhaltung sind.