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Wirkmechanismen der dieselmotorischen NO2-Bildung

Während die Entstehung von Stickstoffmonoxid bei der dieselmotorischen Verbrennung in der Vergangenheit umfassend untersucht wurde, sind die Vorgänge bei der motorinternen Bildung von Stickstoff dioxid hingegen kaum bekannt. Obwohl Stickstoffdioxid nur einen geringen Anteil der gesamten Stickoxidemissionen ausmacht, spielt die hoch reaktive Spezies dennoch eine bedeutende Rolle bei der Abgasnach behandlung. Die aktuellen FVV-Forschungsarbeiten am KIT schaffen ein Grundlagenverständnis für die Vorgänge und Wirkmechanismen bei der innermotorischen Bildung von Stickstoffdioxid.

AUTOREN

Dipl.-Ing. Michael Rößler

ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Prof. Dr. sc. techn. Thomas Koch

ist Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Dipl.-Chem. Corina Janzer

ist Wissenschaftliche Mit-arbeiterin in der Abteilung

für Molekulare Physika-lische Chemie am Institut für Physikalische Chemie

am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Prof. Dr. rer. nat. Matthias Olzmann

ist Leiter der Abteilung für Molekulare Physikalische

Chemie am Institut für Physikalische Chemie

am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

© molekuul.be | Fotolia | KIT

Dieselmotoren

FORSCHUNG DIESELMOTOREN

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1 STICKSTOFFDIOXID IM MOTORABGAS

Aktuelle Diskussionen rund um den Schadstoffausstoß von Diesel-motoren und die resultierende städtische Immissionsbelastung wei-sen besonders auf die Relevanz der motorischen Stickstoffdioxide-missionen (NO2) hin. Deren schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind dabei unumstritten. So stellt NO2 bei starker Son-neneinstrahlung eine relevante Vorläufersubstanz für die Bildung von bodennahem Ozon (O3) dar und gilt damit als Hauptursache photochemischen Smogs. Zudem führt die Verbindung von NO2 mit Feuchtigkeit zur Entstehung salpetriger Säure (HNO2) oder auch direkt von Salpetersäure (HNO3). Diese wirken einerseits besonders schädlich auf menschliche Atmungsorgane, und darüber hinaus als saurer Regen auch belastend auf das Ökosystem.

Bei der Abgasnachbehandlung moderner Dieselmotoren ist NO2 im Gegenzug sogar von großem Nutzen. Hochreaktives NO2 unterstützt hier beispielsweise die Rußoxidation und trägt somit wesentlich zur passiven Regeneration von Dieselpartikelfiltern bei. Auch bei der Stickoxidnachbehandlung mittels SCR-Techno-logie ist ein erhöhter NO2-Anteil von Vorteil, denn der katalyti-sche Wirkungsgrad steigt mit zunehmender NO2-Konzentration erheblich an. Motorintern gebildetes NO2 wird daher im Abgas-trakt sehr schnell aufgebraucht und in der Regel nicht mehr emit-tiert. Allerdings kann NO2 auch außerhalb des Brennraums ent-stehen. An einem Oxidationskatalysator reagiert Stickstoffmon-oxid (NO) mit überschüssigem Sauerstoff leicht zu NO2, weshalb die Anordnung der katalytischen Komponenten im Abgastrakt auch elementar für die Effizienz des gesamten Abgasnachbe-handlungssystems ist.

2 ANALYSE DER INNERMOTORISCHEN PROZESSE

Bei der motorischen Verbrennung entsteht vorwiegend NO, das im Anschluss zu NO2 weiterreagieren kann. Die verschiedenen Ent-stehungsmechanismen von NO sind bereits sehr gut untersucht und umfassend beschrieben. Hingegen sind die Prozesse und Mechanismen bei der innermotorischen Entstehung von NO2 kaum bekannt. Im Rahmen des FVV-Forschungsvorhabens Bildung/

Modellierung NO2 soll daher unter Verwendung experimenteller und simulativer Werkzeuge das Grundlagenverständnis für die NO2-Bildung unter dieselmotorischen Bedingungen erarbeitet wer-den. An einem Motorprüfstand werden hierfür umfassende Unter-suchungen zur Identifikation und Analyse der thermodynamischen und motorischen Einflussgrößen auf die innermotorischen Bil-dungsvorgänge durchgeführt. Zur Beschreibung der Reaktions-pfade und Entstehungsprozesse von NO und NO2 wird zudem ein detaillierter reaktionskinetischer Mechanismus erarbeitet. Für die Ermittlung relevanter Konzentrations-Zeit-Verläufe zur Parametrie-rung und Validierung des Mechanismus werden außerdem Unter-suchungen an einem Stoßrohr durchgeführt.

3 VERSUCHSTRÄGER UND RANDBEDINGUNGEN

Bei dem verwendeten Versuchsmotor handelt es sich um ein Ein-zylinder-Forschungsaggregat, basierend auf dem mittelschweren Euro-VI-Nutzfahrzeugdieselmotor OM 936 von Mercedes-Benz. Die technischen Daten des Versuchsträgers sind in TABELLE 1 auf-geführt. Der Prüfstandsaufbau ermöglicht die individuelle und reproduzierbare Einstellung aller Betriebsparameter. Kühlmittel und Motoröl werden über separate Konditionierkreisläufe zuge-führt, und die Kraftstoffversorgung erfolgt über eine autark ange-triebene Hochdruckpumpe. Zur Vorgabe der Einspritzparameter wird ein modifiziertes Seriensteuergerät verwendet. Die Bereit-stellung des benötigten Ladedrucks erfolgt durch einen externen wassergeschmierten Kompressor. Ladedruck, Ladelufttempera-tur und Luftfeuchtigkeit können für weite Bereiche sehr präzise vorgegeben und eingestellt werden. Mithilfe einer Stauklappe im Abgastrakt wird der Abgasdruck eingestellt und das Spülgefälle reguliert. Auf diese Weise werden seriennahe Betriebszustände des turboaufgeladenen Vollmotors abgebildet und zudem die Hochdruck-AGR realisiert. Zur Kühlung und Dosierung des rück-geführten Abgases wird ein Kühlmittelwärmetauscher mit ange-bautem Drehflügelventil verwendet. Beide Komponenten entspre-chen dem Serienstand.

Für die Analyse der Abgaszusammensetzung werden eine Abgas-messanlage AVL AMA4000 und ein FTIR vom Typ MKS MG2030 verwendet. Die AMA4000 beinhaltet einen Zwei-Kanal-Chemilu-mineszenzdetektor (CLD), der mithilfe eines thermokatalytischen NO2-Konverters zeitgleich die Konzentrationen von NO und NOx ermittelt. Aus der Differenz dieser beiden Messgrößen ergibt sich dann die NO2-Konzentration. Ergänzend wird die NO2-Konzentra-tion mit einem schnellen Infrarotanalysator selektiv detektiert. DEGAS (Dynamic Exhaust Gas Analyser System) ermittelt dafür die schmalbandige Absorption von NO2 im mittleren Infrarotbe-reich (Wellenlänge = 6,135 µm) und ermöglicht somit die dyna-mische Messung von NO2 mit einer Abtastrate bis 200 Hz [1].

1 STICKSTOFFDIOXID IM MOTORABGAS

2 ANALYSE DER INNERMOTORISCHEN PROZESSE

3 VERSUCHSTRÄGER UND RANDBEDINGUNGEN

4 EINFLUSS VON MOTORLAST UND DREHZAHL

5 PARAMETERVARIATIONEN

6 SCHNELLE GASENTNAHME

7 REAKTIONSKINETISCHE MODELLIERUNG DER NO2-BILDUNG

8 ZUSAMMENFASSUNG

Dieselmotoren

TABELLE 1 Technische Daten des Einzylinder-Forschungsaggregats OM 936 (© KIT)

Motordaten Einzylinder OM 936

Hub × Bohrung [mm × mm] 135 × 110

Hubvolumen [l] 1,283

Verdichtungsverhältnis [-] 17,4 : 1

Maximales Drehmoment [Nm] 220

Maximale Drehzahl [1/min] 2600

Maximaler Raildruck [bar] 2400

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4 EINFLUSS VON MOTORLAST UND DREHZAHL

Die Einhaltung aktueller Emissionsrichtlinien erfordert die Anpas-sung diverser Betriebsgrößen wie AGR-Rate, Luft-Kraftstoff-Ver-hältnis λ und auch Einspritzparameter (Einspritzzeitpunkt, Kraft-stoffdruck) im gesamten Betriebskennfeld. Daraus resultierende Schadstoffkonzentrationen im Abgas sind daher maßgeblich durch die anforderungsspezifischen Applikationsmaßnahmen geprägt.

Um jedoch die Abhängigkeit der Stickoxidemissionen von Motor-last und Drehzahl ohne dadurch auferlegte Quereinflüsse zu betrachten, wird der Motor zunächst ohne Abgasrückführung betrieben. Alle weiteren Betriebsparameter werden nur im notwen-digen Rahmen angepasst, BILD 1. Die resultierenden NOx-Emissio-nen erreichen dann ihre maximale Konzentration bei höchsten Motorlasten und geringen Drehzahlen. Unter diesen Bedingungen gewährleisten hohe Verbrennungstemperauren und geringe Pro-

BILD 1 Kennfelder der NO- und NO2-Konzentrationen ohne AGR (© KIT)

BILD 2 Beeinflussung der NO- und NO2-Emissionen durch Einspritzbeginn und Raildruck (im Teillastbetrieb bei 55 Nm und 1400/min) (© KIT)

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zessgeschwindigkeiten ideale Bedingungen für die Entstehung von thermischem NO und sind daher entscheidend für die gesamten NOx-Emissionen.

Bei der NO2-Bildung hingegen spielt auch die Sauerstoffkon-zentration im Brennraum eine wichtige Rolle. Die maximale NO2-Konzentration wird bei mittlerer Motorlast und geringer Drehzahl erfasst. Unter diesen Bedingungen wird im Brennraum viel NO gebildet, das in Kombination mit überschüssigem Sauerstoff und einem ausreichend großen Zeitfenster die NO2-Bildung begünstigt. Bei höheren Lasten und somit sinkendem λ nimmt auch die NO2-Konzentration deutlich ab. Gerade bei hohen Drehzahlen sinken die NO2-Emissionen entsprechend auf ein Minimum. Allgemein auffällig zeigt sich jedoch, dass NO2 in diesem Fall nur einen sehr geringen Anteil der gesamten NOx-Emissionen ausmacht. In den meisten Fällen liegt dieser unter 4 %.

5 PARAMETERVARIATIONEN

Bei der Variation der verschiedenen Betriebsparameter und Ein-flussgrößen zeigt sich jedoch, dass auch deutlich höhere NO2/NOx-Verhältnisse auftreten können [2]. Im Zuge dieser Unter-suchungen werden mitunter die Einflüsse verschiedener Einspritz-parameter, der Ladungsverdünnung mit Frischluft und Abgas sowie des Ladungszustands (Temperatur, Feuchte) für verschiedene Betriebspunkte betrachtet. Bei allen durchgeführten Variationen zeigt sich maßnahmenübergreifend, dass jede Beeinflussung der NOx-Emissionen immer durch die Änderung beider Spezies bewirkt wird. So resultiert aus einem Anstieg von NO auch simultan ein Anstieg von NO2. BILD 2 verdeutlicht dies am Beispiel einer Varia-tion von Raildruck und Einspritzbeginn. Obgleich die Erhöhung der NO-Konzentration auch immer eine Erhöhung der NO2-Kon-zentration bewirkt, nimmt der NO2-Anteil dabei ab. Entsprechend werden die höchsten NO2/NOx-Verhältnisse stets bei geringsten NOx-Emissionen erfasst.

Einzig bei der Erhöhung von λ zeigt sich ein gesondertes Verhal-ten. Während sämtliche anderen Maßnahmen, allen voran die Abgas-rückführung, primär die NO-Emissionen beeinflussen, wirkt eine Änderung von λ verstärkt auf die NO2-Komponente. So führt die Erhöhung von λ zwar auch zum Anstieg der NO-Konzentration, dar-über hinaus jedoch zum verhältnismäßig stärkeren Anstieg der NO2-Konzentration. Die Gegenüberstellung der verschiedenen Verdün-nungsvariationen in BILD 3 verdeutlicht, dass der Einfluss der AGR-Rate gegenüber dem Einfluss von λ vernachlässigbar gering ist.

6 SCHNELLE GASENTNAHME

Zur Analyse der innermotorischen Bildungsvorgänge werden Abgasproben mit einem Gasentnahmeventil direkt aus dem Brenn-raum entnommen. Als Brennraumzugang dient eine Drucksensor-bohrung im Zylinderkopf, die sich auf Höhe des Kolbenmulden-rands zwischen der Ein- und Auslassseite befindet. Die Gas-entnahme erfolgt zu definierten Zeitpunkten während des Arbeitsspiels. Das Magnetventil öffnet dabei in jedem zehnten Arbeitstakt über eine Dauer von 1,5 ms. Die Variation des Entnah-mezeitpunkts ermöglicht die Analyse des zeitlichen Konzentrati-onsverlaufs von NO2 während Verdichtung und Expansion, BILD 4. Die Messergebnisse zeigen den direkten Anstieg der NO2-Konzen-tration bereits unmittelbar nach Brennbeginn. Über die Dauer der Verbrennung nimmt NO2 weiter zu, sinkt dann während der Expan-sion jedoch wieder ab. Die gemessene NO2-Konzentration entspricht

dann bereits in etwa der Konzentration, die auch im emittierten Abgas detektiert wird. Daraus lässt sich ableiten, dass die Entste-hung von NO2 bereits kurz nach Brennende abgeschlossen scheint und während der weiteren Expansion und des Ladungswechsels keine weitere NO2-Bildung stattfindet. Selbst im extern rückgeführ-ten Abgas scheint keine Änderung der NO2-Konzentration stattzu-finden, wie die Messwerte vor Brennbeginn verdeutlichen.

7 REAKTIONSKINETISCHE MODELLIERUNG DER NO2-BILDUNG

Für die kinetischen Modellierungen wurde zunächst ein Reaktions-mechanismus aufgestellt, der die Kraftstoffverbrennung und die NOx-Bildung im Brennraum chemisch-kinetisch beschreibt. Als Modellkraftstoff moderater Molekülgröße mit einer Cetanzahl (CN ≈ 54) [3], die derjenigen von Dieselkraftstoff ähnelt, wurde n-Heptan ausgewählt. Der Reaktionsmechanismus mit 668 che-mischen Spezies und 6654 Reaktionen setzt sich aus einem Oxi-dationsmechanismus für n-Heptan [4] und einem Teilmechanis-mus für die NOx-Bildung [5-9] zusammen. Der Teilmechanismus konnte für die versuchstypischen Bedingungen reduziert werden, wodurch sich die Anzahl der Spezies um 17 und die der Reaktio-nen um 985 verringerte. Alle Simulationen [10] wurden auf der Basis dieses reduzierten Reaktionsmechanismus für homogene Verbrennungsmischungen und adiabatisch-isobare Reaktionsbe-dingungen ohne Berücksichtigung von Konvektion durchgeführt.

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Umfangreiche Reaktionsflussanalysen ergaben, dass NO2 stets aus NO gebildet wird. Dabei ist die wichtigste Reaktion die direkte Oxidation von NO mit Peroxyradikalen gemäß:

Gl. 1 NO + RO2 → NO2 + RO

Hier stellt R einen Kohlenwasserstoffrest oder ein Wasserstoff atom dar. Ein weiterer Weg führt über die Reaktionsfolge:

Gl. 2 NO + OH + O2 → HNO2 + O2 → HO2 + NO2

Peroxyradikale sind relativ stabile Intermediate, sodass sich in den kälteren Bereichen der Flamme relativ hohe RO2-Konzentrationen aufbauen können. Diese Peroxyradikale reagieren mit NO, das in den heißeren Bereichen der Flamme über den Zeldovich-Mecha-nismus gebildet und hauptsächlich durch Diffusion in die kälteren Bereiche transportiert wird [11]. Die Simulationen ergaben deut-lich höhere Konzentrationen an HO2 als an RO2 und daraus folgend eine Dominanz der Reaktion

Gl. 3 NO + HO2 → NO2 + HO

In den Simulationen wurden hohe Absolutkonzentrationen an NO2 immer dann erhalten, wenn bei großem Luftüberschuss (λ >> 1) viel NOx gebildet wurde. Hohe NO2/NOx-Anteile ergaben sich jedoch für eher niedrige NOx-Absolutkonzentrationen. Diese Befunde stehen im Einklang mit den Ergebnissen der experimen-tellen Untersuchungen am Versuchsaggregat, wie in BILD 5 deut-lich wird. Gleichsinnige Parametervariationen bei den experimen-tellen Untersuchungen und den reaktionskinetischen Simulationen lieferten ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den jeweils gebildeten Mengen an NO2 und dem NO2/NOx-Verhältnis als Funktion der NO-Menge, BILD 6.

BILD 3 Beeinflussung der NO- und NO2-Emissionen durch λ und Abgasrückfühung (im Teillastbetrieb bei 51 Nm und 1800/min) (© KIT)

BILD 4 Messung der NO2-Konzentration im Brennraum mittels schneller Gasentnahme (im Teillastbetrieb bei 55 Nm und 1400/min) (© KIT)

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Die Parameter mit dem stärksten Einfluss auf die Simulationser-gebnisse waren die AGR-Rate, die Temperatur zu Brennbeginn und λ. Das Maximum der gebildeten NO2-Menge variiert und wird je nach Brennbedingungen bei λ = 1,3 bis 1,8 erreicht. Des Weiteren

erfolgt ein Wiederanstieg bei großem Sauerstoffüberschuss. Hohe Temperaturen zu Brennbeginn und niedrige AGR-Raten führen zu einer vermehrten NO2-Bildung aufgrund höherer resultierender Tem-peraturen im Brennraum und dadurch zu vermehrter NO-Bildung.

BILD 6 Korrelation von NO2 beziehungsweise NO2/NOx mit NO bei verschiedenen Parameter-Variationen für experimentelle Ergebnisse (links) und Ergebnisse der reaktionskinetischen Simulationen (rechts) (© KIT)

BILD 5 Einfluss von λ und NOx auf die NO2-Emissionen (oben) und das NO2/NOx-Verhältnis (unten) – Darstellung der experimentellen Ergebnisse bei einer λ/AGR-Variation (links) und der Ergebnisse der reaktionskinetischen Simulation (rechts) (© KIT)

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8 ZUSAMMENFASSUNG

Durch die vorgestellten Untersuchungen konnten die relevanten Ein-flussfaktoren und Prozessgrößen der innermotorischen NO2-Bildung herausgearbeitet werden. Sowohl die experimentellen als auch die reaktionskinetischen Betrachtungen zeigen, dass die NO2-Bildung unter dieselmotorischen Bedingungen hauptsächlich von der NO-Konzentration und der überschüssigen Sauerstoffmenge im Brenn-raum beeinflusst wird. Die Simulation weist dabei besonders der direkten Oxidation von NO mit Peroxyradikalen eine bedeutende Rolle zu. Darüber hinaus unterstützen niedrige Drehzahlen die NO2-Bildung insofern, dass mehr Zeit für die Bildungsprozesse zur Ver-fügung steht. Indirekt wirken somit alle Maßnahmen zur Beeinflus-sung der NOx-Emissionen auch auf die NO2-Bildung. Da dabei jedoch primär die NO-Bildung beeinflusst wird, nimmt der Anteil von NO2 mit steigenden NOx-Konzentrationen ab. Entgegen wirken Änderungen von λ stärker auf die NO2- als auf die NO-Bildung. Eine Erhöhung der Sauerstoffkonzentration führt daher zum Anstieg der NO2-Emissionen bei gleichzeitigem Anstieg des NO2-/NOx-Verhält-nisses. Die brennraumdirekten Messungen von NO2 und die reak-tionskinetischen Simulationsrechnungen stützen die Aussage, dass NO2 unmittelbar während der Verbrennung entsteht. Weitere Bil-dungsprozesse im Abgastrakt ohne Interaktion mit katalytischen Komponenten sind entsprechend nicht zu erwarten.

LITERATURHINWEISE[1] Brunner, R.; Lambrecht A.; Herbst, J.; Heubuch, A.; Jacob, E.: Quanten-kaskaden-Laserspektrometer für die schnelle und artefaktfreie Abgasanalyse. 7. Internationales Forum Abgas- und Partikelemissionen, Ludwigsburg, 2012[2] Rößler, M.; Velji, A.; Janzer, C.; Koch, T.; Olzmann, M.: Formation of Engine Internal NO2: Measures to Control the NO2/NOx Ratio for Enhanced Exhaust After Treatment. SAE paper 2017-01-1017, SAE World Congress Experience, Detroit, 2017[3] Yanowitz, J; Ratcliff, M. A.; McCormick, R. L.; Taylor, J. D.; Murphy, M. J.: Compendium of experimental cetane numbers. In: Technical Report, National Renewable Energy Laboratory (2014)[4] Mehl, M.; Pitz, W. J.; Westbrook, C. K.; Curran, H. J.: Kinetic modeling of gasoline surrogate components and mixtures under engine conditions. In: Proc. Combust. Inst. 33 (2011), S. 193-200

[5] Faravelli, T.; Frassoldati, A.; Ranzi, E.: Kinetic modeling of the interactions between NO and hydrocarbons in the oxidation of hydrocarbons at low tempe-ratures. In: Combustion Flame 132 (2003), S. 188-207[6] Contino, F.; Foucher, F.; Dagaut, P.; Lucchini, T.; D’Errico, G.; Mounaïm-Rousselle, C.: Experimental and numerical analysis of nitric oxide effect on the ignition of iso-octane in a single cylinder HCCI engine. In: Combustion Flame 160 (2013), S. 1476-1483[7] Dayma, G.; Ali, K. H.; Dagaut, P.: Experimental and detailed kinetic modeling study of the high pressure oxidation of methanol sensitized by nitric oxide and nitrogen dioxide. In: Proceeding Combustion Instution 31 (2007), S. 411-418[8] Glaude, P. A.; Marinov, N.; Koshiishi, Y.; Matsunaga, N.; Hori, M.: Kinetic Modeling of the Mutual Oxidation of NO and Larger Alkanes at Low Temperature. In: Energy Fuels 19 (2005), S. 1839-1849[9] Manion, J. A. et al.: National Institute of Standard and Technology. NIST Chemical Kinetics Database, http://kinetics.nist.gov/kinetics/[10] Cuoci, A.; Frassoldati, A.; Faravelli, T.; Ranzi, E.: OpenSmoke++: An object-oriented framework for the numerical modeling of reactive systems with detailed kinetic mechanisms. In: Computer Physical Communication 192 (2015), S. 237-264[11] Bowman, C.T.: NOx Formation and Models. In: Encyclopedia of Automotive Engineering. Chichester, John Wiley & Sons Ltd. (2014), S. 83-90

DANKEDas FVV-Forschungsvorhaben Bildung/Modellierung NO2 (Vorhaben Nr. 1173)

wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.

Die Autoren bedanken sich für die finanzielle Förderung und für die Betreuung

durch den projektbegleitenden Arbeitskreis, der vom Obmann Dr. Frank P.

Zimmermann, Daimler AG, geleitet wurde. Weiterer Dank gilt zudem Dr.-Ing.

Amin Velji, Institut für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie,

für seine Mitwirkung im Forschungsvorhaben sowie als Autor dieses Beitrags.

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