Diesseits des Himmels - 9783865914590

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Karen Kingsbury Diesseits des Himmels Roman

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In den Augen seiner Mitmenschen ist Josh Warren eine "gescheiterte Existenz". Er hat diverse zerbrochene Beziehungen und Fehlentscheidungen hinter sich, leidet unter chronischen Schmerzen und ist ans Haus gefesselt, seit er von einem alkoholisierten Autofahrer angefahren wurde. Doch niemand weiß, was in der Nacht des Unfalls wirklich geschehen ist. Niemand weiß, dass Josh eine kleine Tochter hat, die verzweifelt seine Hilfe braucht. Erst als ein tragisches Unglück passiert, kommt nach und nach ans Licht, dass Josh alles andere als ein Versager ist. Doch ist es nun zu spät, um seiner kleinen Tochter zu helfen?

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Karen Kingsbury

Diesseits des Himmels

Roman

Über die Autorin

Karen Kingsbury hat bereits über 40 Romane geschrieben, die mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden. Dieses Buch ist wohl ihr persönlichstes, denn sie hat darin die Lebensge-schichte ihres eigenen Bruders verarbeitet, der mit 28 Jah-ren starb. Karen und ihr Mann Don haben 6 Kinder, von denen drei aus Haiti adoptiert sind.

Karen Kingsbury

Diesseits des Himmels

Roman

Deutsch von Eva Weyandt

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Kapitel 1

Der Schmerz war ein lebender, atmender Dämon, der seine Klauen tief in sein Fleisch trieb und nicht mehr loslassen wollte. Aber obwohl jeder Wirbel und jede Sehne in seinem Rückgrat schmerzten und brannten, obwohl er sich als Gefangener seines eigenen Körpers fühlte und trotz der ewigen Erleichterung, die ihn erwartete, nachdem er seinen letzten Atemzug getan hätte, gab es für Josh Warren an jenem kühlen Herbstabend in einer Hinsicht nicht den geringsten Zweifel.

Er wollte nicht sterben.Josh klammerte sich an der Arbeitsplatte in der Küche seiner

kleinen Wohnung fest und starrte auf die Uhr. Kurz nach Mitter-nacht, nach seinen neusten Maßstäben noch früh. Sein Blick war verschwommen. Das Problem waren die Medikamente. Er wuss-te nicht, ob er um 18:00 oder um 21:00 Uhr seine Dosis genom-men hatte. Auf seine Hände gestützt versuchte er, einmal tief durchzuatmen. Doch er schaffte es nur, mehrmals flach nach Luft zu schnappen. Er war 28, doch eigentlich fühlte er sich dop-pelt so alt.

„Gott!“ Durch zusammengebissene Zähne stieß er dieses Wort hervor, das seine kleine Küche erfüllte. „Ich halte das nicht aus. Es geht nicht!“

Drei Jahre. So lange quälte er sich nun schon. Ein Held. So nannten sie ihn. Er hatte zwei jungen Mädchen das Leben geret-tet. Aber wo waren die Kamerateams und Reporter? Wo waren sie jetzt, wo jede Stunde ein Kampf ums Überleben war?

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Er umklammerte die Arbeitsplatte noch fester. Seine Arme zit-terten vor Anstrengung, seine Lungen versagten ihm den Dienst. Noch ein schneller Atemzug. Er ließ den Kopf hängen. Eine kur-ze Weile blieb er so stehen; er wollte den Schmerz zwingen, ihm endlich eine Ruhepause zu gönnen. Doch bevor er Erleichterung verspüren konnte, tropfte ein Tropfen lauwarmen Wassers auf sei-nen Handrücken. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und einen kurzen Augenblick fragte er sich, ob wohl in der Wohnung über ihm wieder ein Rohr geplatzt war wie im vergangenen Mo-nat, als er von Schmerzen gepeinigt und von dem Schmerzmittel so vernebelt gewesen war, dass er das Problem erst bemerkte, als das Wasser bereits durch die Decke tropfte.

Noch ein Tropfen. Er wischte ihn fort, als ein dritter Tropfen ihn traf. Seine Hand fuhr an die Stirn. Sie war schweißnass. Das war keine Überraschung. Sein Körper reagierte auf den Schmerz und bekämpfte das Feuer mit dem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Mittel. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und blickte sich suchend um.

Wann er seine letzte Dosis genommen hatte, war egal. Er brauchte mehr. Und zwar sofort. Er wollte sich aufrichten, aber der Dämon saß schwer auf seinen Schultern und drückte ihn nieder, als er sich zum Küchenschrank schleppte. Mit einer schnellen Bewegung schnappte er sich das Fläschchen und kämpfte mit dem Deckel, bis es ihm endlich gelang, ihn aufzu-schrauben und eine Tablette herauszufischen. Es war nur eine Tablette, mehr nicht. Er schluckte sie mit einem Schluck Wasser direkt aus dem Wasserhahn herunter.

Danach würde er endlich schlafen können.Aber zuerst musste er sich noch mit Cara Truman austauschen.

Josh schleppte sich zu seinem Computer auf dem Schreibtisch. Er schob sich seinen Stuhl zurecht und ließ sich ächzend darauf nie-der. Nicht einmal jetzt fand er Erleichterung. Im Gegenteil, das

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Sitzen verstärkte den Schmerz in seinem Lendenwirbelbereich. Mit gerunzelter Stirn loggte er sich bei Facebook ein und öffnete das Mitteilungsfenster mit den Nachrichten. Dort „lebte“ Cara. Vermutlich würde Josh sie nie persönlich kennenlernen, da war er ziemlich sicher.

Für den Fall, dass die Schmerzen jemals verschwinden sollten, würde er zuerst Kontakt zu Becky Wheaton aufnehmen, die er liebte, seit er 15 war. Von seinen Freunden aus der Highschool hatte er gehört, dass ihre Verlobung geplatzt und sie wieder Sin-gle war. Seine Gedanken kreisten ständig um sie, aber in der ge-genwärtigen Situation konnte er sich nicht bei ihr melden. Nicht, solange er krank war. Sobald er wieder gesund und kräftig war und Erfolg hatte, ein Mann war, wie sie ihn verdient hatte, erst dann würde er Kontakt zu ihr aufnehmen.

Becky musste noch warten. Aber wenn weder Medikamente noch Schlaf den ständigen Schmerz betäuben konnten, wenn be-sorgte Anrufe von seinen Eltern und seiner Schwester keine Er-leichterung brachten, dann war da immer noch Cara.

Sie kannte ihn besser als jeder andere, weil sie seine Geschich-te kannte. Die ganze Geschichte. Sie wusste sogar von seinem kleinen Mädchen auf der anderen Seite des Landes, von der nie-mand glaubte, dass sie tatsächlich seine Tochter war. In Nächten wie dieser konnte er Cara über die unsichtbaren Leitungen des Cyberspace alles erzählen, alle verrückten Geschichten, die sein Leben ausmachten. Und Cara machte ihm ein seltenes und kost-bares Geschenk, das ihm half, weiterzumachen in seinem Kampf gegen den Dämon: Cara glaubte ihm.

Er schaute auf die Liste seiner Freunde, die gerade online wa-ren. Sie gehörte dazu. Hocherfreut legte er seine Hände auf die Tastatur und versuchte sie ruhig zu halten, während er die ersten Worte tippte. Hey, ich bin es … bist du da?

Eine halbe Minute verging. Sein Nachbar Carl Joseph Gunner

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hatte ihm ein paar neue Fotos geschickt. Er klickte er sein Album an und lächelte, zum ersten Mal an diesem Abend. Carl Joseph und seine Freundin Daisy hatten das Down Syndrom. Sie lebten in betreuten Wohneinrichtungen im Nachbarhaus, und beide waren sehr selbstständig. Sie hatten Jobs und waren in der Lage, mit dem Bus in die Stadt zu fahren, um Besorgungen zu machen.

Carl Joseph hatte die Fotos mit Selbstauslöser gemacht, als er und Daisy das letzte Mal bei Josh gewesen waren. Die Fotos zeig-ten Carl Joseph, Daisy und Josh vor seinem Fernsehgerät, seinem Kühlschrank und seiner Verandatür – auf jedem strahlten sie in die Kamera. Josh tippte ein schnelles Dankeschön ein. In diesem Augenblick kam eine Antwort von Cara.

Ich war kurz weg, aber jetzt bin ich wieder da.Josh versuchte eine bequemere Sitzposition zu finden. Kann

nicht schlafen. Hoffte, dass du noch auf bist. Cara wohnte in Phoenix und arbeitete in der Spätschicht bei

einer EDV-Firma. Normalerweise kam sie selten vor 2:00 Uhr morgens nach Hause.

Ihre Antwort erschien im unteren Fenster seines Bildschirms. Neulich kam mir der Gedanke, dass wir uns beinahe gar nicht ken-nengelernt hätten. Was hätte ich ohne dich getan?

Josh lächelte. Seine Finger flogen über die Tastatur. Wie gut, dass wir darauf keine Antwort finden müssen. Das zeigt, dass On-line-Poker doch zu etwas nütze ist. Selbst wenn du verlierst.

Das Gespräch wurde jetzt flüssiger. Du warst für mich ein Ro yal Flash, weißt du das?

Dieses Kompliment wärmte ihn bis in die letzten Ecken seines Herzens. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und spürte, wie sich sein Körper ein wenig entspannte. Danke, Süße. Ich bin nur froh, dass wir den Ausstieg aus dem Online-Poker gefunden haben und uns jetzt auf diesem Weg austauschen.

Was immer dieser Austausch ist.

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Richtig. Josh lachte leise. Was immer es ist. Hey, ich habe gestern mit Keith gesprochen. Er ist wieder bei seiner Frau … es läuft wohl gut.

Wirklich??? Ich freue mich so für ihn! Siehst du, Josh … wo wäre er ohne dich?

Ihre Worte taten ihm bis in das tiefste Innere seiner Seele gut. Keith war seit der Grundschule sein bester Freund, aber vor 10 Jahren war er nach Ohio gezogen. Sie standen noch in Verbin-dung, und manchmal spielte Keith Online-Poker mit ihm. Und so hatte Cara ihn kennengelernt.

Es entstand eine Pause im Gespräch, doch schließlich tauchte ihre nächste Bemerkung in seinem Fenster auf.

Wie geht es deinem Rücken?Tut weh wie verrückt … lass uns über etwas anderes reden.

Nächste Woche ist der Gerichtstermin.Musst du aussagen?Ja. Mein Rechtsanwalt meint, es sei vermutlich das letzte Mal.Ja! Das bedeutet, dass endlich die Entschädigung gezahlt wird!

Und dann kannst du dich auf die Suche nach deiner Tochter ma-chen!

Josh las die Zeile dreimal durch, bevor er eine Antwort tippte. Darum wollte ich heute Abend mit dir reden.

Warum?Wenn du über sie sprichst, erscheint sie mir so real. Mein kleines

Mädchen.Sie ist real. Zwischen den Zeilen war Caras Ungeduld deutlich

zu erkennen. Du wirst das Sorgerecht für sie bekommen, früher oder später. Das weiß ich einfach.

Bei dieser Vorstellung überlief Josh eine Gänsehaut. Ein geteil-tes Sorgerecht. Aber alles wäre besser als so, wie es im Augenblick ist.

Sie kann sich glücklich schätzen, Josh … Ich wünschte, meine Kinder hätten einen Papa wie dich.

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Josh starrte diesen Satz an. Wann immer sich das Gespräch in diese Richtung entwickelte, fragte sich Josh, ob es nicht vielleicht falsch war, vor einem persönlichen Kennenlernen zurückzuschre-cken. Becky war vermutlich sowieso nicht mehr an ihm interes-siert. Wenn er und Cara sich so gut verstanden, warum sollten sie ihre Freundschaft nicht aus dem Cyberspace nach Phoenix verle-gen? Oder nach Colorado Springs?

Cara war alleinerziehende Mutter von zwei Kindern – einem Jungen und einem Mädchen. Ihr erster Mann war gewalttätig und hatte sie misshandelt. Vor drei Jahren schließlich war er aus-gezogen und hatte inzwischen eine neue Partnerin. Cara baute im Internet Beziehungen auf zu Menschen, die sie nicht verprü-geln konnten. Im Cyberspace konnte sich jeder so darstellen, wie er gern wäre.

Josh hatte Cara, alias Miss Independent, vor zwei Jahren beim Online-Poker kennengelernt. Sie hatte einen Satz in der Kom-mentarspalte zu dem Spiel geschrieben, der bei ihm haften ge-blieben war: Ich spiele OP, weil mein reales Leben gerade in der Warteschleife hängt.

Dieser Satz beschrieb perfekt Joshs eigene Gefühle. Seit dem Unfall fühlte er sich gefangen in einem Netz von Aussagen und Anhörungen, Besprechungen mit Anwälten und Warten auf die Entschädigungszahlung.

Warten darauf, dass der Schmerz in seinem Rücken nachließ.Warten auf ein gerichtliches Urteil gegen die Versicherungsge-

sellschaft des betrunkenen Autofahrers.Warten darauf, dass er Erfolg hatte, damit er sich bei Becky

Wheaton melden und ihr sagen konnte, dass er sie immer noch liebte.

Warten auf seine Entschädigung, damit er seinen Eltern das geliehene Geld zurückzahlen, ein Haus kaufen und einen Vater-schaftstest vornehmen lassen konnte, um der ganzen Welt zu

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beweisen, was er bereits wusste: Dass Savannah seine Tochter war.

Eine weitere Nachricht erschien. Du schreibst ja gar nichts mehr. Was denkst du?

Josh gab seinem inneren Drängen nach. Wieso bist du dort und ich bin hier?

Ja … das frage ich mich auch manchmal.Wenn sie mit der Möglichkeit spielten, ihre Beziehung auf

eine andere Ebene zu verlagern, wechselte normalerweise einer von ihnen das Thema, bevor das Gespräch zu ernst wurde. Aber als er jetzt um 1:00 Uhr morgens in seiner stickigen Wohnung saß und die Verhandlung und damit auch die Entschädigung mit jedem Tag in greifbarere Nähe rückten, konnte Josh sich auf ein-mal nicht mehr zurückhalten.

Seine Finger flogen über die Tasten. Also gut, Miss Independent. Warum suchen wir nicht einen Weg, uns persönlich zu treffen, an-statt uns nur im Web zu begegnen?

Da war ein Zögern. Joshs Herzschlag beschleunigte sich. Viel-leicht hätte er das lieber lassen sollen. Vielleicht war sie für eine richtige Beziehung noch gar nicht bereit, und wenn das der Fall war, dann würde er das akzeptieren. Außerdem liebte er Becky immer noch, und er war es ihr schuldig, sie zu fragen, ob sie vielleicht dasselbe für ihn empfand – sobald er beruflichen Erfolg vorzuweisen hatte. Doch wenn es mit ihnen nichts werden wür-de, dann wäre Cara vielleicht jemand, den er lieben könnte.

Komm schon, Cara … Er schloss die Augen. Gott, bitte … sprich zu ihrem Herzen. Wenn sie jemand ist, der zu mir gehören könnte, dann bitte …

Er öffnete die Augen in dem Augenblick, als ihre Antwort er-schien. Du bist zu gut für mich, J. Das weißt du.

Wem willst du denn etwas vormachen? … Ich kann mich glück-lich schätzen, dein Freund zu sein.

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Wieder eine Pause, kürzer dieses Mal. Erzähl mir noch mehr von Gott, von deiner Beziehung zu ihm.

Enttäuschung flackerte in ihm auf, weil er lieber über ihre Be-ziehung zueinander geredet hätte. Er schluckte. Wenigstens lenk-te sie bei ihrem Themenwechsel das Gespräch auf seinen neu ge-fundenen Glauben. Die schier unerträglichen Schmerzen quälten ihn nach wie vor, er saß noch immer allein in einer schäbigen Wohnung, aber ansonsten hatte sich sein Leben in den vergange-nen sechs Wochen von Grund auf verändert. Er freute sich, dass Cara ihn danach fragte.

Er atmete tief durch und begann zu tippen: Ich weiß nicht, es ist irgendwie seltsam. Meine Familie erzählt mir schon seit Ewigkei-ten von Gott, aber ich glaube, ich musste es selbst herausfinden.

Wie war es … weißt du, als du dieses Lied hörtest und wusstest, dass Gott zu dir spricht?

Josh lächelte erneut. In den vergangenen sechs Wochen hatte er diese Frage ein halbes Dutzend Mal beantwortet, aber Cara schien es wirklich verstehen zu wollen. Er hatte ihr schon mehr-mals erzählt, wie er das Lied „I can only imagine“ („Ich kann es mir nur vorstellen“) im Radio gehört hatte, in dem es darum ging, wie es einmal im Himmel sein würde – und wie es ihn mitten ins Herz getroffen hatte.

Seine Hände flogen noch schneller über die Tastatur. Ich weiß auch nicht, ich meine … es war, als würde Gott geradewegs zu mei-nem Herzen reden. Als wollte er mir sagen, dass ich gar nicht auf die Entschädigung, auf die Gelegenheit, Savannah zu sehen, oder auf die nächste Phase meines Lebens wartete. Eigentlich wartete ich auf ihn. Es war, als riefe er mich zu sich, und wenn ich wirklich leben wollte, müsste ich endlich antworten. Verstehst du? Ich müsste aufhö-ren, vor ihm davonzulaufen und endlich Ja sagen.

Das gefällt mir. Sie zögerte. Darf ich dir ein Geheimnis anver-trauen?

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Immer. Er hätte sie so gern in den Arm genommen, seine Hän-de auf ihre Schultern gelegt und tief in ihre blauen Augen ge-blickt. Doch stattdessen klickte er auf ihren Namen in dem Nachrichtenfenster und befand sich sofort auf ihrer Facebook-Seite. Sie hatte kurze braune Haare und ein schmales Gesicht. Sie war nicht auffallend hübsch und kämpfte mit ein paar überflüs-sigen Pfunden, die sie zum Wahnsinn trieben. Was Josh beson-ders an ihr liebte, war ihr Lächeln. Caras Lächeln begleitete ihn irgendwie durch den Tag.

Ihre Antwort erschien. Ich habe in letzter Zeit öfter mit Gott gesprochen.

Online? Er grinste über seinen Scherz.Nein, Scherzkeks. In meinem Herzen. Wenn ich durch das Fenster

den Sommerhimmel betrachte oder wenn ein Regenschauer über Phoenix hinwegzieht und die Blitze auf der Straße tanzen.

Er las ihre Nachricht Wort für Wort. Du solltest Schriftstellerin werden.

Ich meine es ernst, Josh. Du hast mich verändert, dein Erlebnis mit Gott. Ich glaube, er ruft mich auch. Am Sonntag gehe ich mit den Kindern in die Kirche.

Josh zog die Augenbrauen in die Höhe. Im Ernst? Seit er Cara kannte, hatte sie gegen den Glauben und Gott und alles, was mit der Bibel zu tun hatte, gewettert. Den Grund dafür hatte sie nie genannt, aber auf ihrer Facebook-Seite beschrieb sie sich als Ag-nostikerin. Nicht am Glauben interessiert, stand da. Das hatte sich in den vergangenen Wochen geändert und der Grund dafür schien Joshs Erlebnis mit dem Lied von Wynonna zu sein. Er hatte wirklich Gottes Stimme gehört und erkannt, dass er die ganze Zeit vor ihm davongelaufen war.

Sehr ernst. Vielleicht gehe ich also am kommenden Sonntag in die Kirche und bekomme alle Antworten, die ich suche … und du be-kommst deine Entschädigung und kaufst dir ein Haus in Scottsdale

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und wir werden die besten Freunde … und dann … na ja, wer weiß?

Sein Herz machte einen Satz. Wer weiß. Er war nicht sicher, ob er noch weiter auf dem Thema beharren sollte, aber er konnte sich nicht zurückhalten. Vielleicht das und noch mehr.

Und … geht es dir besser?Er legte die Hände auf die Oberschenkel und starrte auf den

Bildschirm. Er hatte es gar nicht bemerkt, bis sie gefragt hatte, aber es ging ihm tatsächlich besser. Weißt du was? Er tippte schnell. Mein Rücken tut nicht mehr so weh wie vorher.

Siehst du, ich wusste es doch.Was?Ich tue dir gut.Allerdings. Sehr gut.Und weißt du noch was, Josh?Er hatte beinahe das Gefühl, als säße sie ihm gegenüber. Was?Du tust mir auch sehr gut. Und das ist genug für den Augen-

blick. Er brauchte jetzt so dringend eine Zigarette, dass er auch drei

Meilen gelaufen wäre, um sich eine zu beschaffen. Ja, tippte er. Das reicht für den Augenblick.

Sie loggten sich aus, und Josh checkte noch ein paar andere Seiten seiner Online-Freunde, bevor er den Computer herunter-fuhr. Er erhob sich. Das tat weh, aber der Schmerz war nicht mehr so schneidend wie noch eine Stunde zuvor. Er durchquerte das Wohnzimmer und ging zu dem schmalen Kaminsims über dem elektrischen Kamin.

Darauf standen die Fotos, die ihm wichtig waren. Eins von ihm und seiner Familie – damals, als er noch die Highschool besuchte und das ganze Leben wie ein Fluss der unbegrenzten Möglichkeiten vor ihm lag. Daneben ein Foto der beiden Mäd-chen, das nach dem Unfall in der Zeitung abgedruckt gewesen