Digital Transformation Kompass - WordPress.com · Durch den Erkenntnisfortschritt dieser Studie...
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Digital Transformation Kompass Orientierung und Navigationshilfe für Führungskräfte
Masterarbeit
Zürcher Fachhochschule
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
eingereicht bei:
Prof. Dr. Giampiero Beroggi
vorgelegt von: Fabio Soricelli
MAS-Studiengang: Master of Advanced Studies in Business Consulting
Adresse: Näf-Gasse 3 8008 Zürich
Zürich, 27. Januar 2016
Seite 1
1 Management Summary
Neue digitale Technologien werden zur Überlebensfrage für Unternehmen in einer digitalen
Zeit. Sie haben einen starken Einfluss auf Kundeninteraktionen, die Wertschöpfungsketten und
auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen.
Führungskräfte stehen vor den Herausforderungen, sich strategisch auf die neue digitale Welt
auszurichten. Alleine in der Schweiz sind über 50% der Unternehmen noch digitale Anfänger.
Ihre digitale operationelle Exzellenz sowie ihr digitales Kundenerlebnis lassen zu wünschen übrig
(KPMG 2014). Digital reife Unternehmen dagegen übertreffen deutlich ihren Mitbewerb im
Umsatz (+9%) und in der Profitabilität (+26%) (Westerman et al. 2011). Sie übertrumpfen ihre
Konkurrenz mit einer absoluten Kundenorientierung und einer Kombination innovativer
Initiativen bei gleichzeitiger Unternehmenstransformation.
Der Beitrag dieser Studie ist es, in einem ersten Teil die strategische Ausgangslage zu eruieren.
Führungskräfte erhalten einen Überblick über die Chancen, Risiken und Erfolgsfaktoren der
Digital Transformation. Im zweiten Teil geht es um die erfolgreiche Mobilisierung und die
nachhaltige Transformation eines Unternehmens. Durch den Erkenntnisfortschritt dieser Studie
sind eine Transformation Methodologie und -Framework entstanden, welche Führungskräften
helfen, die Transformation effektiv und effizient zu gestalten. Hierzu wurden die Chancen und
Erfolgsfaktoren der Digital Transformation, die aus theoretischen Ansätzen bekannt sind, mit
dem Praxiswissen von Experten aus dem Schweizer Markt ergänzt und beides in der
vorliegenden Arbeit zusammengefasst.
Natürlich gibt es potentielle Gefahren, doch gemäss den Experteninterviews überwiegen
deutlich die Chancen der Digitalisierung. Werden die digitalen Technologien richtig eingesetzt,
dann führen sie zu Wachstum und Effizienz sowie zu Kunden-, Partner- und
Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität. Zudem schützt eine proaktive Transformation
Unternehmen vor dem Eintritt disruptiver Wettbewerber. Letztendlich ermöglicht die
Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft eine Differenzierung sowie Qualitäts- und
Wettbewerbsvorteile. In einem Land mit limitierten Rohstoffen, einem starken Franken und
hohem Lohnniveau bildet sie ein Fundament für mehr Produktivität, Wirtschaftlichkeit und
Rentabilität.
Es zeigte sich, dass allerdings gerade Schweizer Werte wie Pünktlichkeit, Präzision und das
Bedürfnis nach Planung, Vorhersehbarkeit sowie Risikominimierung dem Wandel im Weg
stehen. Zudem sind es kulturelle Hürden und eine mangelnde Technologieaffinität in
Kombination mit der fehlenden Dringlichkeit zur Veränderung, welche die digitale Innovation
und Transformation oftmals bremsen.
Die Expertenbefragung ergibt, dass eine neue Führungsmentalität gefordert ist, die es mit einer
klaren Vision und einer umsetzbaren Strategie ermöglicht, die Belegschaft für die Veränderung
zu begeistern. Es sind Führungskräfte gefragt, die den Fokus auf die Differenzierung des Business
basierend auf dem Kundennutzen und den digitalen Technologien legen. Damit das mittlere
Management erfolgreich die Transformation umsetzen kann, sind digitale Fähigkeiten und neue
Zielvereinbarungen notwendig. Zudem waren sich die Experten einig, dass gerade die
etablierten Unternehmen eine neue Kultur für ein digitales Zeitalter brauchen. Für den
erfolgreichen Wandel sind Change-Management-Fähigkeiten und eine kontinuierliche
Organisationsentwicklung unverzichtbar.
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Inhaltsverzeichnis
1 Management Summary ..................................................................... 1
2 Vorwort und Danksagung .................................................................. 6
3 Design der Untersuchung .................................................................. 7
3.1 Problemstellung Digital Transformation ....................................................................... 7
3.2 Zielsetzung der Studie ................................................................................................... 8
3.3 Abgrenzung der Studie .................................................................................................. 8
3.4 Methodisches Vorgehen ............................................................................................... 9
4 Ausgangslage: Die Welt in der wir leben! ........................................ 10
4.1 Was ist Digital Transformation? .................................................................................. 10
4.2 Die grossen Ereignisse und die digitale Revolution .................................................... 12
4.2.1 Die industrielle Revolution .................................................................................. 12
4.2.2 Die digitale Revolution ........................................................................................ 13
4.3 Gesellschaftliche und technologische Treiber ............................................................ 15
4.3.1 Aktuelle Megatrends ........................................................................................... 15
4.3.2 Reifegrad der Technologien ................................................................................ 17
4.3.3 Beispiel Internet of Things................................................................................... 18
4.4 Das disruptive Kochrezept der Techfirmen ................................................................. 20
4.5 Zusammenfassung: Digital Transformation im Überblick ........................................... 22
5 Herausforderungen für Unternehmen ............................................. 23
5.1 Ein Überblick: Weshalb Unternehmen heute scheitern ............................................. 23
5.2 Fokus Herausforderung: Change-Management und -Kultur....................................... 25
5.3 Fokus Herausforderung: Disruptive Innovationen ...................................................... 27
5.4 Erhebung der geschäftsrelevanten Herausforderungen............................................. 30
5.4.1 Validierung der Ergebnisse mit Experteninterviews ........................................... 30
5.4.2 Kalibrierung und Zusammenfassung der Herausforderungen ............................ 32
6 Geschäftschancen der Digital Transformation ................................. 33
6.1 Betrachtung der Wertschöpfungskette einer Unternehmung ................................... 33
6.1.1 Schlüsselerfolgsbereiche der Digital Transformation ......................................... 35
6.1.2 Digital Transformation: Umsatz steigern und Kosten senken ............................. 37
6.2 Landkarte der Digital Transformation ......................................................................... 38
6.2.1 Kundenerlebnis: Erhöhung der Kundenbindung und -loyalität .......................... 38
6.2.2 Geschäftsprozesse: Prozessdigitalisierung und Zusammenarbeit ...................... 41
6.2.3 Geschäftspotentiale: Umsatzsteigerungen durch neue Geschäftsmodelle ........ 44
6.3 Erhebung der entscheidungsrelevanten Geschäftschancen ....................................... 46
Seite 3
6.3.1 Validierung der Geschäftschancen mit Experteninterviews ............................... 46
6.3.2 Kalibrierung und Zusammenfassung Geschäftschancen ..................................... 48
7 Erfolgsfaktoren der Digital Transformation ..................................... 49
7.1 Reife Unternehmen weisen den Weg ......................................................................... 49
7.2 Leadership, Vision und Organisation für ein digitales Zeitalter .................................. 51
7.2.1 Entwicklung einer transformativen Vision und strategische Ziele ...................... 51
7.2.2 Führung in einer digitalen Welt........................................................................... 53
7.2.3 Digital Transformation Governance .................................................................... 54
7.3 Technologische Fähigkeiten ........................................................................................ 58
7.3.1 Schlüsselerfolgsfaktoren für den technologischen Wandel ................................ 58
7.3.2 Spannungsfeld für den CIO lösen ........................................................................ 59
7.4 Business-Transformation-Fähigkeiten ........................................................................ 61
7.4.1 Organisatorisches Change-Management ............................................................ 62
7.4.2 Umsetzung der Transformation mit konkreten Veränderungskennzahlen ........ 64
7.5 Erhebung der entscheidungsrelevanten Erfolgsfaktoren ........................................... 66
7.5.1 Validierung der Erfolgsfaktoren mit Experteninterviews .................................... 66
7.5.2 Kalibrierung und Zusammenfassung der Erfolgsfaktoren ................................... 68
8 Digital Transformation Methodologie ............................................. 69
8.1 Übersicht Digital Transformation Methodologie ........................................................ 69
8.1.1 Einleitung und Ziele ............................................................................................. 69
8.1.2 Modell: Digital Transformation Methodologie ................................................... 70
8.1.3 Modell: Digital Transformation Framework ........................................................ 72
8.2 Modell 1: Ausgangslage verstehen ............................................................................. 73
8.2.1 Notwendigkeit für den Wandel erzeugen ........................................................... 73
8.2.2 Analyse - Den eigenen Startpunkt ermitteln ....................................................... 74
8.3 Modell 2: Vision entwickeln ........................................................................................ 76
8.3.1 Ermittlung der digitalen Soll-/Kann-Landkarte ................................................... 76
8.3.2 Entwicklung einer transformativen Vision für ein digitales Zeitalter .................. 77
8.4 Modell 3: Strategie entwickeln ................................................................................... 80
8.4.1 Entwicklung strategisches Managementsystem ................................................. 80
8.4.2 Planung digitaler Initiativen (Projekte) ............................................................... 81
8.4.3 Planung der Transformation (Change- und Organisationsentwicklung) ............. 86
8.5 Modell 4: Transformation umsetzen ........................................................................... 92
8.5.1 Digital Leadership Team: Mobilisierung und Koordination ................................ 92
8.5.2 Umsetzung und Steuerung der transformativen Massnahmen .......................... 94
8.6 Modell 5: Transformation verankern .......................................................................... 97
Seite 4
8.6.1 Controlling als Überwachungs-, Lern- und Lenkungsprozess.............................. 97
8.6.2 Investitions-, Vergütungs- und Belohnungssysteme ........................................... 98
8.6.3 Verankerung der Veränderung in der Unternehmenskultur ............................ 100
9 Abschliessende Beurteilung ........................................................... 102
9.1 Zusammenfassung ..................................................................................................... 102
9.1.1 Erster Teil: Orientierung für Führungskräfte ..................................................... 102
9.1.2 Zweiter Teil: Navigation für Führungskräfte ..................................................... 103
9.1.3 Grafische Zusammenfassung der Transformation Methodologie .................... 104
9.2 Schlussfolgerungen und Ausblick .............................................................................. 105
9.2.1 Schlussfolgerungen ........................................................................................... 105
9.2.2 Kritische Würdigung .......................................................................................... 106
9.2.3 Ausblick und weiterführende Gedanken........................................................... 107
10 Anhang .......................................................................................... 109
10.1 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 109
10.2 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 111
10.3 Tabellenverzeichnis ................................................................................................... 112
10.4 Interviews .................................................................................................................. 113
10.5 Excel Modelle ............................................................................................................ 115
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Ehrenwörtliche Erklärung
Ich bestätige hiermit, dass
die vorliegende Masterarbeit selbständig durch den/die Verfasser/in und ohne Benützung
anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt wurde,
die benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich als solche kenntlich gemacht wurden; und
diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungskommission vorgelegt
wurde.
Ort, Datum Unterschrift
......................................... .........................................
Seite 6
2 Vorwort und Danksagung
Als digitaler Immigrant1 habe ich digitale Technologien mit etwa 14 Jahren kennengelernt. Die
Faszination, die die Technologien auf mich ausüben und meine Neugier in diesem Bereich
begleiten mich nun seit über 25 Jahren. Begeistert von den Möglichkeiten der digitalen
Technologien durfte ich in diversen Rollen die Disruption des Handels, der Fotografie und von
IT-Dienstleistern vorantreiben.
Mein beruflicher Werdegang zeigt, dass die Transformation nicht in der Zukunft beginnt,
sondern schon lange eine Realität ist. Im Jahr 2000 startete ich in einer eCommerce Firma als
Digitaler Produktmanager, war für den Online-Verkauf verantwortlich und stand damit in
Konkurrenz zum klassischen, stationären Handel. 2006 habe ich als Produktverantwortlicher für
digitale Fotografie die Disruption der analogen Fotografie vorangetrieben. Die Widerstände des
etablierten analogen Business waren gewaltig. Nach nur zwei Jahren war die Transformation
praktisch abgeschlossen. Über 50% des Marketingbudgets wurden in digitale Medien investiert
und der Umsatz der digitalen Produkte hatte den der analogen überholt. 2009 war meine
Berufsbezeichnung Digital Marketing Lead. Die Optimierung der Customer Journey und die
Generierung von Neukunden standen im Mittelpunkt. Durch den beeindruckenden Return on
Investment (ROI) der digitalen Initiativen konnten Investitionen im digitalen Bereich erhöht und
der ROI im Bereich Marketing weiter gesteigert werden. Seit 2012 begleite ich als Business
Development Manager IT-Dienstleister bei der Transformation ihres klassischen On-Premise-
Geschäfts hin zu einem profitablen Cloud-Business. Ähnlich wie in der Fotografie war der Wandel
geprägt von Widerständen gegenüber der neuen Technologie. Inzwischen werden Cloud-
Services fast selbstverständlich eingesetzt und die Vorteile sind sichtbar und kalkulierbar.
Was mit Digital Media begonnen hat, führt nun zur Digitalisierung aller Branchen und Bereiche.
Das Ausmass der Digitalisierung kann heute mit der industriellen Revolution verglichen werden.
Aber wie auch damals im 18. Jahrhundert brauchen heute die neuen Technologien eine
bestimmte Zeit, um sich voll zu entwickeln. Um Digital Transformation ganzheitlich zu erfassen,
habe ich für diese Arbeit Experten aus dem Schweizer Markt hinzugezogen.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Interviewpartner. Ohne ihren wertvollen
Beitrag wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Sie haben durch ihre beeindruckende
Praxiserfahrung sowie lokale Marktkenntnisse die Arbeit nicht nur geprägt, sondern wichtige
Impulse für die Priorisierung gegeben. Die meisten Experten unterstützen als Berater Schweizer
Firmen oder das eigene Unternehmen im Wandel und kennen die Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren für den Wandel nur zu gut.
Mein Dank gilt auch besonders:
Christian Wohlgensinger, Head of Google for Work Partnerships Northern Europe, Google
Christof Zogg, Director Digital Business, SBB
Mathias Born, Head Group Data Management, Zurich Financial Services
Michael Nösges, Regional Vice President, Service Cloud DACH, Salesforce
Thierry Pool, Leader Digital Marketing & Social Media, digitec und Galaxus
Yvonne Bettkober, SMS&P Sales Director, Microsoft Switzerland
1 Ein Digital Immigrant hat digitale Technologien im Erwachsenalter kennengelernt.
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3 Design der Untersuchung
3.1 Problemstellung Digital Transformation
Unternehmen haben erkannt, dass die Digital Transformation für die Sicherstellung des
Geschäftserfolgs von massgebender Bedeutung ist. 74% der Schweizer Unternehmen sind der
Meinung, dass die Digital Transformation auf ihre Branche eine grosse Auswirkung haben wird.
Parallel dazu sind jedoch mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sogenannte digitale
Dinosaurier, bei denen die digitale operationelle Exzellenz sowie das digitale Kundenerlebnis
schwach ausgebaut sind (Ruoss 2015).
Betrachten wir die Top-Herausforderungen der Schweizer Unternehmen, dann mangelt es an
digitalem Fachwissen in der Führung sowie bei den Mitarbeitern. Eine fehlende Vision, die
verkannte Dringlichkeit zur Veränderung sowie unklare Rollen und Verantwortlichkeiten stehen
der notwendige Transformation im Wege. Zudem erschweren Infrastrukturprobleme und
fehlende finanzielle Mittel den Wandel.
Die Veränderungen betreffen das ganze Unternehmen und verlangen einen ganzheitlichen
Ansatz: von der Strategie über das Geschäftsmodell, die Wertschöpfungskette sowie die Kultur
bis hin zur Zusammenarbeit im Unternehmen. Zudem sind es anspruchsvolle Kunden und die
grosse Beschleunigung der Möglichkeiten über die Informationstechnologie, die das hohe
Tempo der Veränderung im Markt vorgeben.
Aus diesem Grund muss die Digital Transformation ein fester Baustein der Geschäftsstrategie
werden und auf die Prioritätenliste der Geschäftsführer kommen. Das Fazit einer MIT-Studie
macht ebenfalls klar: es reicht nicht, neue Mitarbeiter einzustellen, die die Transformation
ermöglichen sollen. Es reicht auch nicht, mehrere, unkoordinierte Projekte loszutreten ohne die
Beteiligung der Geschäftsführung. Die Digital Transformation muss von oben kommen. Lebt das
Management die Transformation nicht, dann wird sich das Unternehmen nicht transformieren
(Fitzgerald et al. 2013). Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Digital Transformation Report
2015 lauten: eine Transformation kann ohne Strategie und ohne die Unterstützung der
Geschäftsleitung und des mittleren Managements nicht gelingen. Zudem muss das
Unternehmen die Digital Transformation leben und aus einzelnen Projekten ein Programm
machen (Berghaus et al. 2015).
Die Informationsflut zum Thema Digital Transformation für die Geschäftsführung ist kaum zu
verdauen. Der Umfang, die Komplexität und die Geschwindigkeit von neuen Möglichkeiten und
Gefahren können nicht erfasst werden. Aktuelle Studien von grossen Beratungsfirmen
untermauern die Dringlichkeit der Transformation mit statistischen Zahlen (Kapitel 7.1). Zudem
schiessen Studien zum Status Quo «Wo stehen Schweizer Unternehmen2?» oder «Digitale-
Reifegrad-Checks3» zur Orientierung aus dem Boden.
Was dem Geschäftsführer bleibt ist der Appell zur Veränderung. Was ihm fehlt ist die Orientierung sowie die eigene Vision und Strategie für den digitalen Wandel.
2 Digital Transformation in der Schweiz 2014, KPMG 3 Digital Transformation Report 2015, Universität St. Gallen, Berghaus et al.
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3.2 Zielsetzung der Studie
Mein Ziel mit dieser Arbeit ist es, den Führungskräften ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit
dem sie den Wandel erfolgreich konzipieren und meistern. Werden nämlich digitale
Technologien erfolgreich eingesetzt, dann führen sie zu Wachstum und Effizienz, zu Kunden-,
Partner- und Mitarbeiterzufriedenheit und dienen der Unternehmensloyalität. Zudem schützt
eine proaktive Transformation vor dem Eintritt disruptiver Wettbewerber.
Erster Teil (Kapitel 4 - 7): Digitaler Kompass für die Orientierung
Im Mittelpunkt des ersten Teils steht ein holistischer Überblick zum Thema Digital
Transformation der als Basis dient, um daraus wichtige Key-Findings4 zu ermitteln. Er liefert die
Bühne zum Thema und dem Gestaltungsbereich für den Geschäftsführer. Das Ziel ist ein
Kompass für den Geschäftsführer, der es ihm ermöglicht, das Thema Digital Transformation
einzuordnen und je nach Relevanz für das Unternehmen wichtige Themen abzubilden
(Wertschöpfungskette, Prozesse, Kunden, Partner, Finanzen). Der Kompass ist eine
Entscheidungshilfe für ein komplexes Thema.
Zweiter Teil (Kapitel 8): Navigationssystem für das erfolgreiche Handeln
Der Fokus des zweiten Teils der Studie liegt darauf, mittels einer Digital Transformation
Methodologie Führungskräften ein Navigationssystem für das erfolgreiche Handeln an die Hand
zu geben. Es geht hierbei nicht nur darum, WAS zu tun ist, sondern um das WIE. Die Digital
Transformation Methodologie soll der Entwicklung einer Vision, der Strategie und der Definition
digitaler Verbesserungsziele dienen. Unter Berücksichtigung der empirisch erhobenen
Erfolgsfaktoren soll ferner eine Hilfe für die Umsetzung und Verankerung der Transformation
bereitgestellt werden.
Tabelle 1: Zielsetzung der Studie
Kernfragen: Kernzielgruppen: Kernthemen:
Was ist der Status Quo der
Entwicklung und was ist zu tun? Welche digitalen Technologien
ermöglichen einen signifikanten Geschäftsnutzen?
Wie sollen wir die Firma in das digitale Zeitalter führen?
Primäre Zielgruppe:
Geschäftsführer und Führungskräfte
Sekundäre Zielgruppe: Manager der Fachabteilungen
Digital Leadership Digitale Fähigkeiten Digital Transformation Change-Management Strategie-Analyse Strategie-Entwicklung Strategie-Umsetzung Strategie-Verankerung
3.3 Abgrenzung der Studie
Die Studie beinhaltet keine technischen Aspekte oder technischen Analysen zu bestehenden
oder zukünftigen IT-Infrastrukturen und -Systemen. Es sind somit weder technologische Modelle
noch Antworten zu technischen Umsetzungen enthalten.
Der zu behandelnde Forschungsbereich soll einen praxisorientieren Mehrwert zur
Strategiefindung und Umsetzung leisten. Bereits existierende Forschungsergebnisse werden als
Basis verwendet und mit zusätzlichen Befragungen validiert und kalibriert.
4 Key-Findings sind Schlussfolgerungen, die nach der Analyse eines Themas gezogen werden.
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Es handelt sich um einen anwenderorientierten Ansatz. Die Definition und Abgrenzung der
Probleme ist praxisorientiert und ergibt sich aus Praxiszusammenhängen.
Bei der Entwicklung einer Digital Transformation Methodologie wird auf ein holistisches
Transformationsmodell eingegangen. Der Fokus der Forschungsfrage liegt auf der Analyse, der
Strategie und der Mobilisierung des Unternehmens sowie auf der Verankerung der
Transformation.
3.4 Methodisches Vorgehen
Basis für die Studie ist ein zweistufiger iterativer Prozess. Die theoretischen Grundlagen werden in der Analysephase mit Experteninterviews validiert und die Resultate kalibriert. Die hier erworbenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für den Problemlösungsprozess und für die Entwicklung der Digital Transformation Methodologie. Die daraus entstandenen Modelle werden in einem zweiten Schritt mit der erarbeiteten strategischen Ausgangslage validiert und die Resultate kalibriert. Abbildung 1: Studiendesign für die Entwicklung eines digitalen Transformationskompasses
Tabelle 2: Methodisches Vorgehen
Nr. Prozessschritt Inhalte und Vorgehen
S1 Analyse Aufgabenstellung Chancen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für Führungskräfte
Analyse der digitalen Ausgangslage Analyse der Herausforderungen Analyse der Geschäftschancen Analyse der Erfolgsfaktoren
S2 Validierung Erfolgsfaktoren Was sind die Chancen und Erfolgsfaktoren der Transformation
Entwicklung des Fragebogens Durchführung Experteninterviews Visualisierung der Resultate und Key-Findings
S3 Kalibrierung S1 + S2 Was sind die Chancen und Erfolgsfaktoren der Transformation
Kalibrierung der Theorie (S1) und der Praxiserkenntnisse (S2)
Pro Kapitel eine abschliessende Zusammenfassung der Key-Findings
S4 Design Methodologie Design Digital Transformation Methodologie für Geschäftsführer
Design und Priorisierung eines Schritt-für-Schritt-Strategiemodells (S3) anhand der Resultate
Prüfung Methodologie hinsichtlich der Zielsetzung der Studie
S5 Validierung der Methodologie Überprüfung der Digital Transformation Methodologie
Eigene Validierung der Methodologie anhand den Key-Findings (S3)
S6 Kalibrierung S4+ S5 Finalisierung der Methodologie
Kalibrierung (S4) und Validierung (S5) Fertigstellung des Digital Transformation Modells
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4 Ausgangslage: Die Welt in der wir leben!
4.1 Was ist Digital Transformation?
Das Thema Digital Business Transformation ist omnipräsent in Medien, Studien und
Wirtschaftsmagazinen. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mit neuen Firmen bzw. Start-Ups
oder Business Modellen konfrontiert werden. Firmen wie Uber (privater Transport), Airbnb
(Hotellerie) sowie Spotify (Musikindustrie) revolutionieren die Art und Weise, wie Konsumenten
mit Firmen in Kontakt treten und Dienstleistungen nutzen. Ganze Industriezweige können mit
neuen Dienstleistungen und Produkten substituiert werden.
Es ist wichtig vorweg klarzustellen: die aktuelle Business Transformation ist nicht gleich Digital
Media! Die Digital Business Transformation ist auch nichts was erst vor kurzem begonnen hat
oder weit in der Zukunft liegt. Die Digital
Transformation findet in jedem
Geschäftsbereich und in jedem
Unternehmen permanent statt. Sie
begann 1995 und wurde zur dauerhaften
Komponente für jedes Unternehmen. Nur
das Zeitfenster, die Radikalität und die
Geschwindigkeit der Transformation ist je
nach Geschäftsmodell und Marktsegment
eine andere. Die Digitalisierung aller
Bereiche und Branchen ist im Gange und
wird zur Überlebensfrage für
Unternehmen. Sie betrifft sowohl KMU
wie auch grosse Unternehmen und
Konzerne.
Katalogbasierte Geschäftsmodelle (z. B. Quelle) werden durch Online-Händler mit exzellentem
CRM ersetzt (z. B. Amazon). In der Musikindustrie werden Tonträger (z. B. CDs) von Music-On-
Demand-Dienstleistungen (z. B. Spotify) abgelöst. Die analoge Fotografie (z. B. Kodak) wurde
innerhalb weniger Jahre von der
digitalen Fotografie und deren
Angeboten in den Hintergrund
gedrängt. Videoverleihe müssen
aufgrund von Streaming-Anbietern
schliessen (z. B. Netflix). Die Digital
Transformation der Reisebranche
hat neue Business Modelle und
reine Online-Anbieter
hervorgebracht (z. B. easyJet).
Banken fürchten digitale, mobile
Zahlungssysteme von IT-Anbietern
(z. B. Apple Watch) und gehen selbst
mit bargeldlosen Smartphone-
Angeboten in die Offensive.
Abbildung 2: Von Digital Media zu Digital Transformation
Abbildung 3: Entwicklung der Digital Transformation von 1995 - 2015
Quelle: Caudron J. et al. (2014: Kindle Location 262)
Quelle: Caudron J. et al. (2014: Kindle Location 310)
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Telekomfirmen sehen ihre Stellung durch den Eintritt neuer digitaler Kommunikationsanbieter
(z. B. Microsoft, Google) gefährdet.
Für traditionelle Unternehmen bedeutet der Wandel grosse Herausforderungen im Change-
Management, welche Mitarbeiter und Kunden gleichzeitig betreffen. Die Transformation
beinhaltet die Interaktionen mit Kunden, Partnern und Lieferanten, sie beeinflusst operative
Geschäftsprozesse und schliesst die Organisation und deren Mitarbeiter ein.
Diejenigen, die die Veränderungen verstehen und für sich nutzen, sind die Gewinner der
digitalen Revolution. Die digitalen Marktführer mit den stärksten Transformationsfähigkeiten
überflügeln ihre Konkurrenz. Eine Studie mit 400 Grossunternehmen hat ergeben, dass digitale
Marktführer einen +9% höheren Umsatz aufweisen, +26% mehr Profit machen und einen +12%
höheren Marktwert haben, als vergleichbare Unternehmen, die die Digital Transformation
vernachlässigen (Westerman et al. 2012).
Obwohl die Aufmerksamkeit für das Thema mittlerweile vorhanden ist, fehlt es an
Orientierungspunkten für Unternehmen. Die Interpretation, Definition und Eingrenzung des
Themas Digital Business Transformation ist in der Literatur und von namhaften Beraterfirmen
(z. B. KPMG, Accenture, McKinsey, CAP Gemini) unterschiedlich. Je nach Fachgebiet stehen das
Kundenerlebnis, die technologischen neuen Möglichkeiten oder aber der Prozess des Wandels
im Fokus.
Unabhängig von der Branche und der Maturität einer Firma ist es Ziel dieser Studie, einen
ganzheitlichen Ansatz zu finden. Vor diesem Hintergrund haben sich hier zwei holistische
Definitionsgrundlagen für die Digital Transformation ergeben.
Definition Digital Transformation: «Der Begriff ‚Digitale Transformation‘ steht für eine kontinuierliche Veränderung der
Geschäftsmodelle, der Betriebsprozesse sowie der Kundeninteraktion im Zusammenhang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.» (KPMG 2014)
«We define Digital Transformation as the use of new digital technologies (social media, mobile, analytics or embedded devices) to enable major business improvements (such as enhancing customer experience, streamlining operations or creating new business mod-els.» (Westerman et al. 2012)
In den holistischen Definitionen von KPMG und des MIT Center for Digital Business ist ersichtlich,
das die Digital Transformation eine Reise darstellt, die weder abgeschlossen noch fest definiert
ist. Die Digital Transformation ist somit eine kontinuierliche Veränderung aller Bereiche eines
Unternehmens. Das Ziel der Veränderung ist es, einen signifikanten Mehrwert in den Bereichen
Geschäftsmodelle, Betriebsprozesse und Kundeninteraktion zu erzielen.
Alles nicht neu? Auf den ersten Blick könnte man fast meinen, das Thema wäre mit bestehenden
Betriebsprozessoptimierungen, etwas mehr Kundenorientierung und einer Portion Digital
Media in den zu Griff bekommen. Geschäftsmodellinnovationen könne ein Unternehmen leicht
vernachlässigen, da der Unternehmer sein Kernbusiness verstehe und die Schritte der
Konkurrenz im Überblick habe.
Weshalb von einer Revolution die Rede ist und welches die technologischen und
gesellschaftlichen Basiskräfte sind – darum geht es im Folgenden.
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4.2 Die grossen Ereignisse und die digitale Revolution
Marketing-Schlagworte wie «Digitale Revolution» wirken gerade in unserem Kulturkreis eher
abschreckend als positiv. In einem Veränderungsprozess sorgen sie für das notwendige
Aufrütteln der involvierten Personen. Wird hier getrommelt ohne eine realistische Vision
mitzugeben, dann sind Ängste, Ablehnung, Blockaden und Überforderung das Ergebnis. Aus
diesem Grund bevorzuge ich Termini wie Evolution und Orientierung für die Transformation.
Zudem scheint es mir nützlich, nicht die täglich anfallenden Informationsmassen zu verdauen,
sondern einen Moment inne zu halten und einen Blick auf das grosse Ganze zu werfen. Es stellt
sich die Frage, wo die Reise hingeht, mit welcher Geschwindigkeit die Ereignisse geschehen und
mit welchen Herausforderungen und Chancen wir uns auseinandersetzen müssen.
Abbildung 4: Von der industriellen zur digitalen Revolution
Quelle: Tenzler M. (2014: 6)
Um das Ausmass der digitalen Revolution in Ansätzen zu verstehen, werfen wir einen Blick auf
die Menschheitsgeschichte und deren wichtigste Entwicklungen. Bei diesen Meilensteinen der
Evolution beziehe ich mich zur Vereinfachung auf die Definition von Ian Morris. Morris hat die
gesellschaftliche Entwicklung im zeitlichen Verlauf sorgfältig quantifiziert und wie folgt
bezeichnet: «Es ist die Fähigkeit einer Gemeinschaft, mit sich und der Welt zurechtzukommen».
Hierfür verwendet Morris vier Merkmale: Energieausbeute, Grad der Verstädterung, Kapazität
der Kriegsführung und Informationstechniken.
Die industrielle Revolution
In Zahlen ausgedrückt verlief die Menschheitsgeschichte eher langweilig. Viele tausend Jahre
hat sich deren Soziale-Entwicklungs-Kurve nahezu unmerklich verändert. Der fast 90 Grad Knick
im 18. Jahrhundert basiert auf der industriellen Revolution, die in England begonnen hat. Es ist
die Zeit, in der wir von der Handarbeit zu maschineller Fabrikarbeit transformieren. Es ist die Ära
der Massenproduktion, die wiederum nach neuen Märkten mit neuen Transportmöglichkeiten
verlangt. Sie führt zur Umgestaltung der Arbeits- und Sozialordnung in Europa. Die Kehrseite
sind Not und Leid. Auch in der Schweiz verbreiten sich Massenarmut, Kinderarbeit, Hungersnöte
und Arbeitskämpfe.
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Die wichtigste technische Entwicklung war hier die Erfindung der Dampfmaschine. Mit ihr
konnte der Mensch die Grenzen der Muskelkraft überwinden und nach Belieben enorme
Mengen nutzbarer Energie erzeugen. Energie war wiederum die Basis für Fabriken,
Massenproduktion und Massentransport. Diese technische Entwicklung war die grösste, die die
Menschheit je erlebt hat!
Abbildung 5: Die industrielle Revolution und der Knick in der Menschheit
Quelle: Brynjolfsson E. (2014: 16)
Die digitale Revolution
Heute erleben wir jeden Tag verblüffende Innovationen. Science Fiction-Filme aus den 80er
Jahren sind bereits Realität. Selbstfahrende Autos, persönliche und lernende digitale
Assistenten, fliegende Skateboards, Drohnen, die Pakete ausliefern etc. Ist das Ausmass aber
tatsächlich mit der industriellen Revolution vergleichbar? Und wenn ja, wo geht die Reise hin
und was treibt diese Entwicklung voran?
Laut den Autoren von The Second Machine Age (Erik Brynjolfsson n.d.) muss zunächst die Basis
des technischen Fortschritts verstanden werden:
Die technische Grundlage dieser Ära besteht aus Hardware, Software und Netzwerken.
Die Merkmale der Beschleunigung sind exponentiell, digital und kombinatorisch.
Das ist nicht neu. Aber wie auch bei der industriellen Revolution brauchen die neuen
Technologien eine bestimmte Zeit, um sich voll zu entwickeln.
Um die Dimensionen der gestalterischen Kräfte zu erfassen, lohnt es sich, die Merkmale der
Beschleunigung etwas näher zu betrachten.
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Der erste durchschlagende Effekt: Die laufende Verdoppelung der Leistung
Im Kontext der Informationstechnologien besagt das Mooresche Gesetz5, dass sich für viele
Arten des digitalen Fortschritts die Leistungen einer bestimmten Technologie in einem
bestimmten, gleichmässigen Zeitintervall verdoppeln. Die exponentielle Steigerung dieser
Werte kann mit einer normalen
Zahlenskala nahezu nicht abgebildet
werden. Aus diesem Grund wird zur
Veranschaulichung der Entwicklung
die logarithmische Skalierung
verwendet.
Gordon Moore hat zum Beispiel
vorausgesagt, dass sich die Leistung
von Prozessoren alle 12 Monate
verdoppelt. Um dies mit konkreten
Zahlen zu belegen, ein Beispiel: «Im
Vergleich zu Intels erstem Prozessor
4004 liefern aktuelle Recheneinheiten
mit 14-Nanometer-Technik 3'500 Mal
mehr Rechenleistung, bei 90'000 Mal
weniger Energiebedarf. Und sie sind
60'000 Mal günstiger.» (Ingolf Leschke, 2015)
Der zweite durchschlagende Effekt: Die allumfassende Digitalisierung und Vernetzung
Parallel dazu schreitet die Digitalisierung aller Unternehmensbereiche rasant voran. Neben dem
klassischen Nutzen für Unternehmen entstehen durch die Vernetzung von Daten neue
Entwicklungsebenen, die wiederum neue Lösungen hervorbringen. Sehr schön deutlich wird
dies am Beispiel von Waze (Social-Media-Verkehrs-App). Vereinfacht vollzieht sich die
Digitalisierung hier auf drei Entwicklungsebenen:
1. Ebene: Digitalisierung der Landkarten für PCs
2. Ebene: GPS Standortinformationen der US-Regierung
3. Ebene: Social-Media-Integration der Community
Der dritte durchschlagende Effekt: Die unlimitierte Innovationskraft
Der nahe unlimitierte Zugang zum Produktionsfaktor Daten, die unlimitierte Rechenpower, die
Vernetzung aller Bereiche sowie die unlimitierten Kombinationsmöglichkeiten von
Innovationsbausteinen ermöglichen eine noch nie dagewesene Innovationskraft. Das
zusätzliche Auslagern von Innovationsherausforderungen über Crowd-Sourcing-Projekte sowie
clevere Algorithmen und die künstliche Generierung von Wissen aus Erfahrung mittels Machine
Learning schaffen die Basis für unvorstellbare Innovationen (Erik Brynjolfsson n.d.).
Computer werden sich weiter verbessern und Neues, nie Dagewesenes vollbringen. Durch die Computer stehen wir an einem Wendepunkt – einem Punkt, an dem die Kurve einen starken Knick bekommt. Wir treten ein in ein neues Maschinenzeitalter. (Erik Brynjolfsson n.d.)
5 Das Moore‘sche Gesetz von Gordon Moore besagt, dass sich die Zahl der Transistoren jährlich verdoppelt. Dies ist keine
Wissenschaft, sondern eine bewährte Faustregel.
Abbildung 6: Die Dimensionen des Moore‘schen Gesetzes
Quelle: Brynjolfsson E. (2014: 64)
Seite 15
4.3 Gesellschaftliche und technologische Treiber
Aktuelle Megatrends
Bis 2020 werden bereits über 50% der Arbeitskräfte der Generation Y6 angehören. Sie sind mit
den neuen Technologien aufgewachsen, vernetzt und mobil. In bereits 48 Ländern hat das
Smartphone den PC in Bezug auf die Nutzung des Internets überholt. Parallel dazu schreitet die
Automatisierung durch Robotics (Cloud-Robotics) und Sensorik (Internet der Dinge) voran.
Durch die Automatisierung werden in den nächsten 20 Jahren 47% der Arbeitsstellen gefährdet
sein (Anon 2015).
Die aktuellen Megatrends7 Cloud-Computing, Big Data, Soziale Netzwerke und mobile Endgeräte
sowie die steigende Nachfrage gleichermassen von Privatpersonen wie Unternehmen jederzeit
Zugriff auf Informationen zu haben, beschleunigen die Digital Transformation (Oxford
Economics in collaboration with AT&T, Cisco, Citi 2015).
Einen signifikanten Mehrwert und die
grösste Innovationskraft bietet die
Kombination der Technologien (Kapitel
4.2.2).
Unternehmen, die mehrere
Technologien adaptieren, sehen die
transformativen Auswirkungen (67 -
80%) für ihr Unternehmen eher als
Firmen, die nur eine Technologie
anwenden (34 - 47%).
Die Frage, die sich eine Führungskraft
stellen sollte, ist abschliessend nicht, was
die einzelnen Technologie-Trends
auslöst, sondern wie die Technologien in
der Kombination einen signifikanten
Mehrwehrt für die Wertschöpfungskette
des Unternehmens liefern (Kapitel 0.).
Mobilität
Der ungebrochene Trend von
stationären hin zu mobilen Endgeräten
sowie der Wunsch nach ständiger Verfügbarkeit unserer Gesellschaft revolutionieren die Art
und Weise, wie wir konsumieren, interagieren, kommunizieren und zusammenarbeiten. Eine
Prognose von Forrester besagt, dass bis ins Jahr 2016 die Zahl der Smartphone-Nutzer auf 1
Milliarde steigt. Rund 350 Millionen davon werden Arbeitnehmer sein.
Nutzen für Unternehmen – Beispiele:
Verbessertes Kundenerlebnis (Service, Kommunikation, Kunden-Touch-Points)
Höhere Mitarbeiterproduktivität (Arbeit möglich von überall und jederzeit)
6 Generation Y werden Kinder genannt, die ca. zwischen 1980 und 1995 geboren wurden. Je nach Quelle
werden sie Digital Natives oder auch Millennials genannt. 7 Als Megatrend bezeichnen wir langfristige Entwicklungen die für alle Bereiche der Gesellschaft prägend sind.
Abbildung 7: Nutzenvergleich bei Multiadoption
Quelle: Cray P. (2015: 2)
Seite 16
Effiziente Zusammenarbeit (schnelle Kommunikation und Zugriff)
Soziale Netzwerke
Zum einen geht es darum, das Optimum aus grossen öffentlichen Netzwerken wie Facebook,
Twitter und LinkedIn für die Kundeninteraktion herauszuholen. Zum anderen soll die
Leistungsstärke dieser Social-Sites auch in unseren Unternehmen nachgebildet und als Treiber
für Zusammenarbeit, Wissensmanagement und Innovation genutzt werden.
Nutzen für Unternehmen – Beispiele:
Verbesserte Marktbearbeitung und Marktwissen (Marketing, Social Media Management)
Teamübergreifende Zusammenarbeit (Enterprise-Social-Network-Applikationen)
Produktivität (durch das Netzwerk und ohne Grenzen schneller am Ziel)
Cloud
Die Cloud und die damit verbundenen Onlinedienste sind für einen grundlegenden Wandel
verantwortlich, wie wir Software und Anwendungen bereitstellen und nutzen. Laut einer
kürzlich erschienenen Studie von IDC werden die Ausgaben für Cloud-Dienste bis 2020 die 60-
Milliarden-Dollar-Grenze überschreiten, und mehr als 50 Prozent der Kunden befinden sich
bereits auf dem Weg in die Cloud.
Nutzen für Unternehmen – Beispiele:
Flexible Kapazitäten (Lastspitzenausgleich und Skalierung von Leistungen nach Bedarf)
Agilität der Firma (rasche Anpassung der IT auf Geschäftsveränderungen)
Reduktion der Fixkosten (Ausgabensenkung, Transparenz und Planbarkeit der Kosten)
Big Data und Business Intelligence
Big Data bezeichnet die Analyse großer Datenmengen in hoher Geschwindigkeit mit dem Ziel,
wirtschaftlichen Nutzen zu erlangen (Dr. Weber 2012). In der digitalen Welt sind Daten der vierte
Produktionsfaktor neben Arbeitskraft, Rohstoffen und Kapital. Durch entscheidungsrelevante
Erkenntnisse aus den analysierten Daten entstehen Wettbewerbsvorteile sowie neue
Geschäftschancen und Business Modelle.
Nutzen für Unternehmen – Beispiele:
Strategische Wettbewerbsvorteile (neue Erkenntnisse basierend auf analysierten Daten)
Verbesserte Entscheidungsprozesse (rasche und bessere Entscheidungen)
Effiziente Marktbearbeitung (Information über Kundenverhalten, zielgruppengerechtes
Marketing)
Roboter, Cloud und Sensorik
Die Automation durch Roboter ist nicht neu. Mit der Cloud und den fallenden Kosten für
Sensorik und Hardware öffnen wir ein völlig neues Kapitel. Selbstlernende Roboter werden noch
nie Dagewesenes bewirken können. Um ein paar Beispiele zu nennen: selbstfahrende Autos,
unterstützende Reports im Dienstleistungssektor, Industrieroboter ...
Nutzen für Unternehmen – Beispiele:
Automatisierung der Geschäftsprozesse und somit Senkung der Betriebskosten
Reduktion von Fehlern und Erhöhung der Qualität
Innovation durch den Eintritt in neue Märkte (Beispiel neue Dienstleistungen, Produkte)
Seite 17
Reifegrad der Technologien
Die rasante Beschleunigung (exponentiell, digital und kombinatorisch) der Technologien sowie
frühe Versprechen der Anbieter rund um aktuelle Megatrends (Mobilität, Social, Cloud-
Computing …) erschweren zusätzlich die Orientierung für Unternehmen. Technologien, die eine
Chance darstellen, können jederzeit zu unternehmensbedrohenden Risiken werden. Manche
Technologien setzen sich
nicht durch, andere haben für
die Anwender keine
nachhaltige Relevanz.
Eine Orientierungshilfe für
Unternehmen liefert der
jährlich aktualisierte Hype Cylce
von Gartner. Hier wird
aufgezeigt, in welcher Phase
des Lebenszyklus sich eine
bestimmte Technologie
befindet. Zusätzlich bietet
Gartner eine Prognose, wann
eine Technologie
voraussichtlich das
Produktivitätsplateau erreicht
hat (Gartner 2015).
Die fünf Entwicklungsphasen der Technologien definiert Gartner wie folgt:
1. Technologische Impulse: Erste technologische Erfolge werden von der Presse
aufgenommen. Es ist noch nicht sicher, ob sich die Technologie durchsetzen wird.
2. Höhepunkt der überzogenen Erwartungen: Höhepunkte werden in Erfolgsgeschichten
veröffentlicht. Gleichzeitig sind Limitationen der Technologie sichtbar.
3. Tiefpunkt der Ernüchterung: Die hohen Erwartungen an die Technologie setzen sich nicht
durch. Es überleben nur die Technologien, die einen nachhaltigen Nutzen aufweisen.
4. Anstieg der Aufklärung: Es wird sichtbar, wie die Technologie nutzbar eingesetzt werden
kann; die Entwicklung der Technologie ist reif.
5. Höhepunkt Produktivitätsplateau: Die Technologie wird breit eingesetzt und die Vorteile
sind nicht nur sichtbar, sondern lassen sich errechnen.
Im Kontext der Studie soll das Augenmerk auf ausgewählte technologische Hypertrends gelegt
werden. Verfolgung des Lebenszyklus einer bestimmten Technologie ermöglicht die
Orientierung und somit die Priorisierung eines Themenumfelds. Erwähnt werden soll an dieser
Stelle, dass innovative Branchen und Firmen Non-Mainstream-Technologien bereits im Einsatz
haben und heute mit diesen Technologien Wettbewerbsvorteile erzielen.
Tabelle 3: Reifegrad der Technologien
Main-Stream: In 2 bis 5 Jahren Main-Stream: In 5 bis 10 Jahren Hybrid Cloud-Computing Autonomous Field Vehicles Machine Learning Advanced and Self-Service Analytics
Augmented and Virtual Reality Virtual Personal Assistants Autonomous Vehicles Smart Robots Internet of Things and Plattforms 3D Bioprinting für Organtransplantationen
Abbildung 8: Gartners‘ Hype Cycle für neue Technologien
Quelle: Gartner (2015: 1)
Seite 18
Quelle: in Anlehnung an Gartners‘ Hype Cycle für neue Technologien (Gartner 2015)
Beispiel Internet of Things
Das Internet der Dinge bezeichnet die Verknüpfung von Objekten (Things), wie zum Beispiel
Geräte und Maschinen, mit einer virtuellen Stellvertretung im Internet. Der Begriff Internet der
Dinge ist nicht neu. Vor fast 20 Jahren haben Professoren am MIT von einer Welt der Dinge
gesprochen. Wieso dann der Hype?
Heute steht das Internet der Dinge an einem Wendepunkt. Technologieexperten
prognostizieren bereits seit einiger Zeit eine Welt von Milliarden intelligenter und vernetzter
Geräte. Dennoch gibt es erst seit kurzem die Grundlagen für den erfolgreichen Einsatz im
Geschäftsumfeld. Bis 2020 soll das Internet der Dinge laut Gartner das Produktivitätsplateau
erreicht haben.
Was sind technologische Treiber?
Die laufende Verdoppelung der Leistung, die Digitalisierung und Vernetzung (Kapitel 4.2.2)
sowie aktuelle Megatrends (Kapitel 4.3.1) ebenen den Weg.
Quelle: Goldman Sachs (2015: 1)
Die Hardwarekosten für GPS-Sensoren, Mikrochips und Beschleunigungsmesser fallen.
Die Miniaturisierung der Chips schreitet voran.
Die Konnektivität und die Kapazitäten der Mobilfunkanbieter nehmen zu.
Cloud-Lösungen bieten niedrige Kosten, Skalierbarkeit, Flexibilität.
Mobile Lösungen erlauben den Zugriff von überall und jederzeit auf IoT8-Applikationen.
Big Data ermöglicht es, entscheidungsrelevante Erkenntnisse aus IoT-Applikationen zu
gewinnen.
Was ist der Nutzen für Unternehmen?
McKinsey zufolge kann das Internet der Dinge im Jahr 2025 einen weltweiten wirtschaftlichen
Mehrwehrt von bis zu 11 Billionen Dollar bieten. Dieser Betrag entspräche 11% der globalen
wirtschaftlichen Leistung. Derzeit überwiegen noch konsumentennahe Szenarien wie
selbstfahrende Autos und Smartwaches. Langfristig stehen allerdings Business-to-Business-
Anwendungen im Vordergrund (Integrating 2015).
Auch wenn die Vernetzung der Dinge im ersten Moment sehr abstrakt aussehen mag, kann sie
einen Nutzen für jede Firma und für jede Branche bedeuten. Hier stehen nicht Unmengen von
Daten, die von Milliarden Geräten produziert werden im Mittelpunkt, sondern der Mehrwert für
8 IoT ist die Abkürzung für Internet of Things oder auf Deutsch: Internet der Dinge.
Abbildung 9: Treiber für das Internet der Dinge
Seite 19
Unternehmen, zum Beispiel nachweislich verbesserte Prozesse, höhere Betriebseffizienz und
mehr Kundenfreundlichkeit.
Praxisbeispiele zum Internet der Dinge
Vielfach fehlt es in den Unternehmen nicht nur an Orientierung, sondern auch an der
Übersetzung, was eine Technologie tatsächlich bewirken kann. Es braucht neue Denkmuster,
neue Visionen und neue Ideen, wie digitale Technologien ein Unternehmen transformieren
können. Dabei erleichtern Praxisbeispiele aus der Geschäftswelt einen einfachen Ideentransfer
zum eigenen Unternehmen.
Das Thema Internet der Dinge steht laut Gartner in der Phase der überzogenen Erwartungen
(Kapitel 4.3.2). Es werden nun Erfolgsgeschichten auch in der Presse veröffentlicht. Einige davon,
die von Microsoft zum Thema Internet der Dinge publiziert wurden (Quelle:
www.internetofyourthings.com), möchte ich für den Theorietransfer heranziehen:
Tabelle 4: Praxisbeispiel Internet of Things
Erfolgsgeschichten Nutzen
Präventive Wartung bei ThyssenKrupp Elevator Die Firma betreibt weltweit 1,1 Millionen Aufzüge. Um deren Betriebszeit zu erhöhen, führte die Firm eine präventive Wartung ein. Auf Basis einer Internet-of-Things-Lösung wurden die Aufzüge mit Sensoren ausgestattet, die mit der Cloud vernetzt wurden. Mittels Echtzeitdaten konnten Probleme mit einem prädikativen Service verhindert und die Betriebszeiten verlängert werden.
Längere Betriebszeiten der Aufzüge durch prädikativen Service
Reduzierte Kosten für Kunden und ThyssenKrupp für den Unterhalt der Aufzüge
Deutliche Effizienzsteigerung bei den Technikern durch Echtzeitanalysen mit 400 möglichen Fehlermeldungen
Intelligentes Carsharing-Programm bei Autolib’ Das Carsharing-Programm der Stadt Paris sollte das Verkehrsaufkommen, die Staus und Luftverschmutzung verringern und den Einwohnern zusätzliche Flexibilität bieten. Mit der Vernetzung von 72 Registrierungsautomaten, 850 Mietstationen sowie 4300 Ladestationen und 2300 Bordsystemen konnte durch die Gewinnung relevanter Geschäftsinformationen das Carsharing optimiert werden.
Verringerung CO2 bis 2023 um geschätzte 75 Tonnen
Senkung Transportkosten um 90 Prozent
Verbesserung in der Implementierung und Benutzerfreundlichkeit der Systeme durch Insights
Automatisierte Produktion bei Lido Stone Works Der Hersteller exklusiver Steinprodukte strebte ein professionelleres Produktionsumfeld an, um die Effizienz zu steigern. Durch die Vernetzung der Endgeräte und der dazugehörigen Datenquellen konnte die Firma Betriebsabläufe verändern und die Effizienz steigern.
70% Umsatzsteigerung 30% Effizienzsteigerung 500.000 USD jährliche
Reisekosten-Ersparnis
Quelle: in Anlehnung an Microsoft's Praxiscases, (www.internetofyourthings.com)
Die drei Praxisbeispiele lassen erahnen, welches Potential uns das Internet der Dinge noch
bieten kann. Das Internet der Dinge ist grob gesagt eine Kombination aus leistungsfähigen und
günstigen Sensoren, der Cloud, Hardware und Software sowie diverser Netzwerke.
Seite 20
4.4 Das disruptive Kochrezept der Techfirmen
Vor lauter Bäumen wird der Wald der disruptiven9 Muster der Techfirmen leicht vergessen, nicht
mehr gesehen oder es wird ihm wenig Beachtung geschenkt. Die beschriebenen
Grundingredienzien von Eriks Brynjolfsson in The Second Machine Age sind plausibel. Die Basis
der Digital Transformation sind Hardware, Software und Netzwerke. Die Merkmale der
Beschleunigung sind exponentiell, digital und kombinatorisch (Kapitel 4.2.2). Der technologische
Werkzeugkasten lässt die unlimitierte Innovationskraft erahnen. Wie aber nutzen die digitalen
Champions die Technologien, um einen kompetitiven Vorteil zu erzielen und traditionelle
Sektoren zu disrupten? Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit wurden die
Disruptionsmechanismen und Angebotsdesigns der Techfirmen näher betrachtet.
Die Leitmotive und Glaubenssätze
Die digitalen Champions erobern die Kundschaft mit einer exzellenten digitalen Customer-
Experience. Sie designen Dienstleistungen, die süchtig machen. In einem zweiten Schritt
entsteht eine direkte und loyale Beziehung zum Kunden. Der ursprüngliche Anbieter verliert das
Interface zum Kunden und wird zum Lieferanten oder komplett vom Markt verdrängt. Der neue
Imperativ lautet: «Entwicklung digitaler Services, die Nutzerlebnis & Nutzen von Produkten und
Dienstleistungen radikal verbessern und das Nutzerverhalten nachhaltig ändern». (Matthias
Schrader, CEO von Sinner Schrader) In einem letzten Schritt geht es um die Expansion, die durch
Skaleneffekte ermöglicht wird. Die Kosten für eine Firma entstehen nahezu nur bei der
Herstellung des Originals. Die Grenzkosten für die Produktion und Distribution jedes weiteren
Stücks liegen praktisch bei null (Jeremy Rifkin n.d.).
Abbildung 10: Software und Hardware als Disruptionsinstrumente
Quelle: in Anlehnung an Schmidt H. (2015: 4, 5, 7)
9 Disruptive Technologien sind Innnovationen, die bestehende Produkte und Dienstleistungen vollständig verdrängen können.
(Clayton M. Christensen 2013)
Seite 21
Software und Hardware als Disruptionsinstrumente
Wenn es um die Befriedigung von Kundenbedürfnissen geht, dann wurden mit Software-Innovationen in der Vergangenheit fast ausschliesslich drei Nutzen erzielt: Bequemlichkeit, Geld-und Zeit-Ersparnis (Dr. Holger Schmidt, Focus Magazin). Das war die Geschichte und Quintessenz der Disruption der letzten 20 Jahre. Mit dem Fortschritt der Technologien (Kapitel 4.2.2) und der Integration von Software in physische Produkte stossen die Techfirmen in neue Bereiche der traditionellen Sektoren vor.
Dienstleistungen, die süchtig machen
Die Techfirmen designen Dienstleistungen, die süchtig machen. Ihr Ziel ist es, Dienste
anzubieten, die sich einfach in das tägliche Leben integrieren lassen. Sie verändern das
Alltagsverhalten ihrer Nutzer, indem sie auf die psychologischen, persönlichen Trigger der
Zielgruppe setzen. Wir, die Konsumenten, beissen bei einem spezifischen Angebot an, schlucken
den Haken und bleiben hängen. Nir Eyal, der Autor von «Hooked: Wie Sie Produkte erschaffen,
die süchtig machen», beschreibt dieses Suchtverhalten wie das Einschalten des Radios im Auto
oder das ständige Prüfen der Nachrichten auf Smartphones. Die automatischen
Verhaltensweisen werden durch situationsbedingte Reize ausgelöst. Das sind Dinge, die wir
ohne oder nur mit geringem Vorsatz tun.
Wie solche Dienste kreiert werden:
1. Auslöser: Die Nachfrage nach einem verhaltensändernden Dienst wird durch äussere oder innere Trigger ausgelöst. Mit Werbung, eMail- und Empfehlungsmarketing.
2. Handlung: Basierend auf dem Trigger erfolgt eine Aktion des Benutzers. 3. Belohnung: Die Techfirmen sind in der Lage, ein Bedürfnis auszulösen; der
Benutzer fühlt sich bei dessen Befriedigung belohnt. 4. Investition: In der letzten Phase muss der Kunde investieren, was die Nutzung in
Zukunft erhöhen sollte (z. B. Registrierung, Personalisierung, Bezahlung). Um die Theorie zu untermauern, nennt Nir Eyal einfach verständliche Beispiele von Techgrössen,
die wir in unserem Alltag kennen und die unser Verhalten im Alltag verändert haben.
Abbildung 11: Hooked Techfirmen – Beispiele
Quelle: in Anlehnung an Eyal N. (2014: Kindle Location 164)
Neben den gewohnheitsprägenden Techfirmen gibt es die bereits existierenden und
gewohnheitsprägenden Technologien. Diese werden eingesetzt, um unseren Alltag zu gestalten.
Die Tatsache, dass wir durch die verschiedenen Geräte (Smartphones, Tablets, Notebooks,
Spielkonsolen, Fernsehen, Wearables) immer einen direkten Zugang zum Internet haben,
Seite 22
bedeutet für jedes Unternehmen deutlich mehr Möglichkeiten, um das Verhalten der
Konsumenten zu beeinflussen und zu gestalten (Eyal 2014).
4.5 Zusammenfassung: Digital Transformation im Überblick
Die Kalibrierung und Zusammenfassung der Herausforderungen aus dem theoretischen (Kapitel
5.1 - 5.3) und praktischen Teil (Kapitel 0) dient als Grundlage für die Entwicklung der Digital
Transformation Methodologie (Kapitel 8). Es wird bewusst nur auf die Kernherausforderungen
für Führungskräfte und das Top-Management eingegangen:
Kompass: «Die Welt in der wir leben!» 1. Digital Transformation ist nicht Digital Media – Definition!
„Der Begriff Digitale Transformation steht für eine kontinuierliche Veränderung der Geschäftsmodelle, der Betriebsprozesse sowie der Kundeninteraktion im Zusammenhang mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.“ (KPMG 2014)
2. Digital Transformation startet nicht in der Zukunft, sondern ist bereits Realität Die Digital Transformation hat ca. 1995 begonnen und transformiert sukzessive eine Branche nach der anderen. Rückblickend sind zum Beispiel die Musikindustrie, die Fotografie, Printmedien, TV und Video bereits durch die Transformation gegangen. Heute stehen Versicherungen, Banken, Handelsunternehmen, Gesundheitspflege, Bildung, Telekommunikation und das produzierende Gewerbe im Mittelpunkt. Parallel dazu kommen jeden Tag disruptive Angebote auf den Markt, die zum Beispiel die Transportbranche revolutionieren.
3. Die gesellschaftlichen und technologischen Treiber der Digitalisierung Die grundlegenden Megatrends Cloud-Computing, Big Data, Soziale Netzwerke und mobile Endgeräte stellen in der kombinierten Nutzung die technologischen Treiber dar. Die steigende Nachfrage der Gesellschaft von überall und jederzeit Zugriff auf Informationen, Dienstleistungen und Produkte zu haben, ist für Unternehmen der massgebende externe Treiber der Transformation.
4. Die unlimitierte, exponentielle, digitale und kombinatorische Innovationskraft Drei durchschlagende Effekte ebenen den Weg für eine unlimitierte Innovationskraft: 1) Die exponentielle Verdoppelung der technologischen Leistungen bei parallel dazu fallenden Kosten, 2) die allumfassende Digitalisierung, Vernetzung und Kombination der Technologien und 3) der unlimitierte Zugriff auf den Produktionsfaktor Daten sowie das Auslagern der Innovationsherausforderungen.
5. Das disruptive Kochrezept der Techfirmen In der vergangenen 20 Jahren nutzten Techfirmen Softwareinnovationen fast ausschliesslich um drei Kundennutzen zu befriedigen: 1) Bequemlichkeit, 2) Geldersparnis und 3) Zeitersparnis. Seit etwa 5 Jahren werden Software- und Hardwareinnovationen vorangetrieben, um bessere Produkte auf den Markt zu bringen (Beispiel: Uhren, Autos, Kleidung, Logistik, Produktion, Smart Homes, Smart Cities).
Seite 23
5 Herausforderungen für Unternehmen
5.1 Ein Überblick: Weshalb Unternehmen heute scheitern
Als Führungskraft ist es an dieser Stelle wichtig zu wissen, welche Gründe für das Scheitern der
Digital Transformation in Frage kommen. Auf dieser Basis können Herausforderungen
priorisiert, Fallen antizipiert und mittels einer Digital Transformation Methodologie adressiert
werden.
Seite 24
Diverse aktuelle Studien mit amerikanischen sowie europäischen Firmen kommen mehrheitlich
auf den gleichen Nenner, nur die Gewichtung der Herausforderungen fallen aufgrund der
Fragestellungen und Priorisierungen teilweise anders aus: es fehlt an organisatorischen
Fähigkeiten sowie am Know-how der Führung und des mittleren Managements, was eine
digitale Business Strategie verunmöglicht (Berghaus et al. 2015). Parallel dazu mangelt es an IT-
Budget und Projekte werden in Silos ausgerollt (KPMG 2014).
Laut einer Studie von MIT Sloan
Management und Capgemini Consulting
liegen die Hauptgründe des Scheiterns
bei den interviewten Firmen zu 39% am
fehlenden Bewusstsein für die
notwendige Veränderung. Da
überrascht es nicht, dass 33% den Grund
des Scheiterns fehlenden finanziellen
Mitteln zuschreiben sowie 30% den
Einschränkungen bei IT-Systemen und
28% den unklaren Verantwortlichkeiten
(Fitzgerald et al. 2013). Ohne die
Dringlichkeit von Veränderungen
werden weder Ressourcen noch
Investitionen allokiert. Andererseits
kann es sein, das die Herausforderungen
tatsächlich in der Komplexität der Legacy
IT-Systeme (Kosten, Komplexität,
Agilität, Veränderungsgeschwindigkeit)
entstehen. Aus der Führungsperspektive
ergeben sich folgende
Herausforderungen:
Führung: Die Notwendigkeit der Veränderung und die eigene Vision
Die meisten Manger sehen keine Notwendigkeit zur Veränderung oder es fehlen die notwendigen Fähigkeiten. Der Führung mangelt es an einer Vision zur Veränderung, so dass im mittleren Management auch kein erkennbarer Handlungsbedarf besteht. Die Digital Transformation startet jedoch mit der Zielsetzung des Top Leadership Teams. Strategie: Von der digitalen zur gesamtheitlichen Business Strategie
Ohne die Entwicklung der eigenen Vision ist eine gesamtheitliche Strategie nicht möglich. Die Flut der Themen sowie die Anzahl der Möglichkeiten zur Veränderungen lassen sich weder eingrenzen noch priorisieren. Mit welchen Themen soll ein Unternehmen starten? Welches Ziel soll erreicht werden? In welchen Abhängigkeiten stehen die einzelnen Investitionen? PriceWhaterhouse Coopers sagt zurecht: «You don’t need a digital strategy to succeed in this world, you need a business strategy for the digital age». Change: Wissen, Fähigkeiten und Veränderungsbereitschaft im Unternehmen
Veränderung bedeutet Instabilität und somit Risiken für jeden. Anderseits meiden Menschen Veränderungen umso mehr, je sicherer sie sich gerade fühlen (Michael Berger, Jutta Chalupsky 2013). Mangelt es im Unternehmen zudem an digitalen Fähigkeiten und Wissen, dann wird eine
Abbildung 12: Transformation – Weshalb Firmen scheitern
Quelle: Fitzgerald et al. (2013: 7)
Seite 25
Veränderung noch schwieriger, da eine neue Perspektive der Zukunft fehlt. Der Widerstand der Belegschaft verhindert den Wandel.
Innovation: Die Innovationsfähigkeit und der Umgang mit Innovationen im Unternehmen
Es lässt sich eine gewisse Innovationsmüdigkeit in Unternehmen erkennen (Fitzgerald et al. 2013). Mitarbeiter wünschen sich eine Pause oder eine Entschleunigung. Zudem scheitern 95% der wichtigen Innovationen (Thakur & Rao 2014). Radikale10 und disruptive Innovationen erschweren zusätzlich die Akzeptanz der Belegschaft und erfordern ein neues Denken und Handeln.
5.2 Fokus Herausforderung: Change-Management und -Kultur
Digital Transformation bedeutet eine Veränderung in Strategie, Kultur, Struktur und in den
Kernprozessen. In der Organisationsentwicklung wird diese Veränderung über das Change-
Management begleitet.
Wird dem Change-Management keine Beachtung geschenkt, dann droht dem Unternehmen
nicht nur ein langwieriger Veränderungsprozess, sondern die Gefahr, von einem schnelleren
Wettbewerber verdrängt zu werden. Im schlimmsten Fall könnte es auch den Untergang eines
Unternehmens bedeuten, dessen Daseinszweck von einer disruptiven Innovation abgelöst wird.
Laut einer Studie von MIT Sloan
Management und Capgemini Consulting
liegen die kulturellen Hauptgründe des
Scheiterns bei den Firmen zu 53% in der
fehlenden Zeit für neue Themen, 52% der
befragten Personen wissen nicht, was zu
tun ist und 40% der Befragten sind
veränderungsresistent. Macht, interne
Politik und die mangelnde
Risikofreudigkeit runden das Bild ab.
Im Zentrum der Transformation steht der
Mensch. Wenn dessen Bedürfnisse zu kurz
kommen, fehlt ein kooperatives und
motivierendes Umfeld, um die
Veränderung in Angriff zu nehmen.
Aus der Forschung weiss man, dass das motivationale neuronale System dann angesprochen
wird, wenn beim Menschen vor allem fünf Bedürfnisse adressiert werden: Autonomie,
Verbundenheit, Status, Sicherheit und Fairness (Rock, 2009).
Während eines Wandels ist gerade die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse in Gefahr. Der Change-
Prozess erfordert eine Destabilisierung des Systemzustands um eine Veränderung zu
ermöglichen. Hier werden psychologisch im Veränderungsprozess zwei Reaktionen ausgelöst, je
nachdem, ob die Veränderung als Chance oder Risiko wahrgenommen wird:
Tabelle 5: Veränderung als Chance oder Risiko
Schlechte Nachricht = Risiko Gute Nachricht = Chance
10 Radikalinnovationen haben gegenüber Inkrementalinnovationen einen hohen Neuheitsgrad.
Abbildung 13: Kulturelle Herausforderungen
Quelle: Fitzgerald et al. (2013: 10)
Seite 26
Ablehnung von Neuem Veränderung als Problem Reaktive Orientierung, d. h. die
Veränderung kommt von aussen Druck und Zwang von aussen
Faszination für Neues, Sog und Zugkraft durch Vision
Freude an der Neuorientierung Veränderung als neue
Möglichkeit/Chance Neues Entwicklungspotential als
Triebfeder Quelle: in Anlehnung an Chalupsky J. (2014)
Fehlt in dieser Phase der Destabilisierung das Veränderungsbewusstsein im Unternehmen, dann
werden die nachfolgenden Schritte für einen erfolgreichen Wandel auch nicht gelingen. Mangelt
es zusätzlich an einem emotionalen, resonanzfähigen Zukunftsbild und einer Strategie, dann löst
die Veränderung zusätzliche Ängste und Blockaden aus (Michael Berger, Jutta Chalupsky 2013).
Abbildung 14: Prozess der Verhaltensänderung nach Kurt Lewin
Quelle: Chalupsky J. (2014: 26)
Auch bei einem perfekten Verlauf der Veränderungsprozesse wird je nach der
wahrgenommenen Radikalität der Veränderung nicht jede Person die notwendigen Einstellungs-
und Verhaltungsänderungen meistern. Neben den eigentlichen Phasen, die ein Mensch im
Veränderungsprozess durchlebt, steht neben dem «Wollen» auch das «Können» im
Mittelpunkt.
Seite 27
5.3 Fokus Herausforderung: Disruptive Innovationen
Unternehmen scheitern aus verschiedensten Gründen. Dass aber auch Organisationen
versagen, die alles richtig machen und ein gutes Management haben, klingt paradox. Etablierte
Unternehmen fürchten „disruptive Innovationen“ verständlicherweise in vielerlei Hinsicht.
Clayton M. Christensens,
Professor für Business
Administration an der
Harvard Business School,
bezeichnet disruptive
Innovationen als solche, die
bestehende Produkte und
Dienstleistungen vollständig
verdrängen können. Sie haben
einen radikalen Charakter und
finden meistens am unteren
Ende des Marktes und in
neuen Märkten statt.
Disruptive Technologien sind
anfangs den etablierten
Produkten in Qualität, Preis,
Zuverlässigkeit und Kapazität
unterlegen.
Wieso kann sich eine disruptive Innovation durchsetzen?
Disruptive Innovationen sprechen zunächst einen anderen als den etablierten Kundennutzen
und einen neuen Markt an. Nachdem der Kundennutzen sowie die bahnbrechende Innovation
von der Zielgruppe verstanden wurden, beschleunigt sich die Entwicklungs- und
Produktionsleistung der Innovation. Die technologische S-Kurve ist das Kernstück dieser Theorie.
Bereits etablierte Produkte werden in der Produktleistung überholt. Bestandskunden von
eingeführten Produkten und Dienstleistungen wandern ab, da das neue Angebot einen
bahnbrechenden Mehrwert bietet.
Abbildung 16: S-Kurve einer disruptiven Technologie
Quelle: in Anlehnung an Clayton M. (2013: 60)
Abbildung 15: Entwicklung evolutionäre versus disruptive Technologien
Quelle: Clayton M. (2013: 7)
Seite 28
Weshalb scheitern etablierte Unternehmen daran?
Etablierte Unternehmen sind abhängig von ihren Investoren und Kunden. Bestandskunden
haben kein Interesse an qualitativ schlechteren Produkten. Parallel dazu möchten Investoren
hohe Margen und Wachstum sehen. Kleine Märkte mit kleinen Margen befriedigen somit nicht
das Expansionsbedürfnis der grossen Firmen. Fazit: die Unternehmen investieren nicht in die
disruptiven Technologien. Genau dieses Verhalten kann zu einem späteren Zeitpunkt zum
Verhängnis werden. Sobald die disruptive Technologie reif für den Massenmarkt ist, wird der
Markt die neue Technologie aufnehmen. Das etablierte Unternehmen wird aufgrund falscher
Potentialeinschätzung von der neuen Technologie und von einem neuen Mitbewerber überholt.
Die Unternehmen werden also von den klassischen Erfolgsfaktoren wie Kunden-, Ertrags- und
Wachstumsorientierung dirigiert. Und genau diese erfüllten Managementwerte können eine
Firma zu Fall bringen (Clayton M. Christensen 2013).
Zudem werden potentielle disruptive Gefahren nicht erkannt oder nicht ernst genommen.
Betrachten wir zwei gut dokumentiere Beispiele von grösseren Konzernen mit
unterschiedlichem Ergebnis:
Leica Kameras
Nach einer traumhaften
Erfolgsgeschichte der Leica Kameras kam
das Unternehmen 2005 in eine
existenzbedrohliche Schieflage. Sein
Umsatz von 144 Millionen Euro
schrumpfte in einem Jahr auf 94
Millionen Euro. Was war geschehen?
Leica-Vorstand Hanns-Peter Cohn
schätzte den Trend hin zur Digitalkamera
völlig falsch ein. Er hielt nichts von den
neuen Technologien und Handy-
Abbildung 17: Verkaufszahlen analoger/digitaler Kameras
Quelle: Clayton M. (2013: 43)
Seite 29
Kameras, denn seine anspruchsvollen Kunden wollten ein fotografisches Erlebnis und höchste
Qualität. Parallel dazu stand Leica im Konkurrenzkampf mit den japanischen Konzernen in
einem lukrativen Markt. 2002 war es dann aber soweit: die technologische Entwicklung der
Digitalfotografie hatte die Qualität der analogen Fotografie überholt. 2003 wurden weltweit
bereits mehr Digitalkameras als Filmkameras verkauft (Clayton M. Christensen 2013).
Microsoft Word versus Google Docs
2006 kaufte Google ein Start-Up
Unternehmen und lancierte Google Docs.
Google Docs war dem Platzhirsch
Microsoft mit dem Programm Word weit
unterlegen. Dennoch gab es einen Bedarf
am unteren Ende des Marktes für ein
qualitativ schlechteres Produkt, welches
die Online-Zusammenarbeit über den
Browser ermöglichte. Lange hat sich
Microsoft für die Randerscheinung nicht
interessiert bis Steve Ballmer die
disruptive Gefahr von Software as a Service erkannte. 2010 verkündete Ballmer, dass ab 2012
über 90% der Microsoft-Entwickler für die Anwendungen von Cloud-Lösungen arbeiten
würden. Die disruptive Gefahr konnte vor der Qualitätsreife, und somit vor der absoluten
Beschleunigung, vorerst abgewendet werden.
Quelle: Clayton M. (2013: 227)
Abbildung 18: Google Docs versus Microsoft Word
Seite 30
5.4 Erhebung der geschäftsrelevanten Herausforderungen
Validierung der Ergebnisse mit Experteninterviews
Basierend auf der aktuellen Forschung (Kapitel 4.4.1 - 5.3) wurden die Studienresultate mit
Experteninterviews im lokalen Markt validiert. Mit mehrheitlich offenen Fragen (qualitative
Methode) wurden die Herausforderungen der Unternehmen durch die Digital Transformation
mit einer Bewertungsmatrix (quantitative Methode) erhoben.
Die Experten bemängelten in erster Linie das fehlende Bewusstsein für die Veränderung in der
Führungsetage sowie eine fehlende eigene Vision für ein digitales Zeitalter. Vor allem etablierte
Firmen haben Schwierigkeiten, den aktuellen und bevorstehenden disruptiven
Herausforderungen der Digital Transformation die notwendige Relevanz einzuräumen. Das
Bewusstsein, dass jeder Marktführer jeder Branche von digital Natives herausgefordert wird, ist
in Unternehmen mehrheitlich nicht vorhanden.
Sobald die Relevanz allerdings erkannt wird, werden kulturelle und personelle
Herausforderungen der Transformation genannt. Unternehmen fällt es schwer, eine Reise
anzutreten, die Risikobereitschaft und eine neue Fehlerkompetenz fordert. Neben fehlendem
Know-how im Unternehmen sind auch Mängel beim klaren Transformationswillen der
Führungskräfte zu erkennen. Ohne diesen intrinsisch geprägten Transformationswillen kann die
Transformation nicht stattfinden. Das mittlere Management
führt keine Transformation ohne klaren Auftrag des Top-
Managements durch. Bestimmte Rollen wie die des CIO
werden zudem eher als Verhinderer der Transformation
wahrgenommen. Unter dem Begriff The War of Talents11
werden im Kontext der Digital Transformation auch
Herausforderungen bei der Rekrutierung, Haltung und
Entwicklung von Talenten genannt.
Die Entwicklung einer Strategie, die Verfolgung der Ziele mit
messbaren Kriterien, gilt auf der anderen Seite als eine zweitrangige Problematik für etablierte
Firmen, da diese Fähigkeiten als Handwerkszeug im Unternehmen existieren.
Plattformprobleme sind lösbar und Projekt-Management ist eine Standardfähigkeit der eigenen
Mitarbeiter oder kann über externe Anbieter einfache in den Griff bekommen werden. Bei
kleineren Firmen kann die Verfolgung der Ziele mit messbaren Kriterien allerdings zu
Herausforderungen führen. Gleichzeitig werden Mängel bei der Agilität und der Innovationskraft
der IT-Abteilungen genannt. Der Release-Cycle von grösseren Innovationen dauert zu lange und
steht nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Budgets werden nach wie vor mehrheitlich für
den Betrieb der Infrastrukturen statt für Innovationen eingesetzt.
Bei der quantitativen Befragung zu den Herausforderungen wurden vier Themencluster für die
Validierung gebildet und für eine ausgewogene und differenzierte Bewertung der
Themencluster nochmals jeweils vier Unterkategorien.
11 War of Talents beschreibt die zunehmende Verknappung von sogenannten High-Potentials. Firmen kämpfen um die besten
Mitarbeiter.
«Die kulturelle DNA der
SBB ist antidigital. Die
Werte der SBB sind
Pünktlichkeit, Sicherheit
und Nachhaltigkeit.»
(Christof Zogg, Director
Digital Business)
Seite 31
Die Bewertung der einzelnen Dimensionen wurde mit einer Skala von 1 - 10 ermittelt. 1 - 3 gelten
als kleine, 4 - 7 als mittlere und 8 - 10 als grosse Herausforderungen.
Auf der Prioritätenliste hat sich in der
themenspezifschen Clusterbewertung
folgendes Bild der Top-Herausfor-
derungen herauskristallisiert:
Wert 7.13: Kultur und Expertise
Wert 6.19: Vision und Strategie
Wert 5.44: Digitale Fähigkeiten
Wert 5.38: Transformation
Zusammengefasst sind es zwei
Dimensionen, welche die grössten
Herausforderungen im Schweizer
Markt darstellen: Die fehlende Vision
in einem digitalen Zeitalter sowie
eine fehlende Kultur für ein digitales
Zeitalter. Das sind Schlüsselfaktoren,
welche bei unseren amerikanischen
Kollegen besser abschneiden.
Tabelle 6: Gewichtung der Herausforderungen der Digital Transformation
Die Einzelbewertung der Unterkategorien erlaubt eine detaillierte Betrachtung der Top-
Schlüsselherausforderungen. Die Spitzenwerte mit einer durchschnittlichen Höchstbewertung
von 7.5 erhalten die Themen:
Vision
Change-Management
Risikobereitschaft
Fehlerkompetenz
Abbildung 19: Herausforderungen der Transformation
Seite 32
Kalibrierung und Zusammenfassung der Herausforderungen
Die Kalibrierung und Zusammenfassung der Herausforderungen aus dem theoretischen (Kapitel
5.1 - 5.3) und dem praktischen Teil (Kapitel 0) dient als Grundlage für die Entwicklung der Digital
Transformation Methodologie (Kapitel 8). Es wird bewusst nur auf die Kernherausforderungen
für Führungskräfte das Top-Management eingegangen:
Kompass: Herausforderungen auf einen Blick 1. Fehlende Dringlichkeit zur Veränderung
Die Radikalität der disruptiven Chancen und Gefahren, die durch digitale Informationstechnologien entstehen, werden für das eigene Unternehmen nur bedingt wahrgenommen. Durch die fehlende oder diffuse Wahrnehmung existiert nur ein limitiertes Veränderungsbewusstsein. So entstehen kein Veränderungsdruck und kein Handlungsbedarf.
2. Fehlende Vision in einem digitalen Zeitalter Die Vision einer Unternehmung ist zugleich Antrieb zur Veränderung. In den meisten Unternehmen fehlt eine digitale Firmenvision. In einer zugleich beschleunigten Welt führt dies zu reaktivem, unkoordiniertem und nicht abgestimmtem Silo-Investitionsverhalten.
3. Fehlende Integration der digitalen Strategie in die Business Strategie Durch das fehlende Veränderungsbewusstsein und die fehlende Vision ist eine gesamtheitliche digitale Business Strategie nicht realisierbar. Nicht integrierte digitale Strategien auf Bereichsebene, ohne den gesamtheitlichen Blick auf die Wertschöpfungskette, verfehlen das Nutzenversprechen der digitalen Technologien.
4. Kulturelle Hürden und fehlende Expertise im Unternehmen
Fehlendes Wissen über den Nutzen der digitalen Technologien insbesondere in der Führungsetage, aber auch im gesamten Unternehmen, gehören zu den Hauptverhinderern der Transformation. Kombiniert mit kulturellen Hürden wie z. B. fehlende Risikobereitschaft, fehlende Fehlerkompetenz, Innovationsmüdigkeit und fehlende digitale Affinität, resultiert dies in einer Hochburg des digitalen Stillstands.
5. Unzureichendes Change-Management
Fehlende Beachtung und Unkenntnis wirksamer Change-Management-Methoden torpedieren den Wandel. Im Mittelpunkt stehen eine fehlende Top-Down-Strategie der Führung sowie Missachtung der Bedürfnisse des Einzelnen. Die Mitarbeiter verhindern den Wandel zum Beispiel aufgrund mangelnder Perspektiven.
6. IT-Limitationen im Unternehmen Bestehende komplexe und veraltete Legacy IT-Systeme der Firmen sowie Silo- Entwicklungen und fehlende Investitionen in die IT verlangsamen den Innovationsprozess und die Ausrichtung der IT auf die Bedürfnisse des Unternehmens.
Seite 33
Die IT treibt den Wandel nicht voran, sondern wirkt als Bremser der aktuellen Herausforderungen.
6 Geschäftschancen der Digital Transformation
6.1 Betrachtung der Wertschöpfungskette einer Unternehmung
Aus der Perspektive des Managements steht die eigentliche Wertschöpfung des Unternehmens
und nicht die Möglichkeiten der digitalen Technologien im Vordergrund.
Seite 34
Um den komplexen unternehmerischen Sachverhalt zu vereinfachen und dennoch die
Zusammenhänge zu verstehen eignet sich das St. Galler Management Modell12, welches ein
grundlegendes Orientierung- und Navigationssystem darstellt. Aus dieser Perspektive wird
ersichtlich: digitale Technologien spielen in jedem Wertschöpfungsprozess und bei jeder
Interaktion mit allen Anspruchsgruppen eine wichtige Rolle.
Bei der konsequenten Ausrichtung der Unternehmensführung auf die bereits existierenden und
zukünftigen Nutzenpotentiale stehen im Rahmenmodell des unternehmerischen Denkens und
Handelns die Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Finanzperspektive im Vordergrund. Obwohl
das Modell eine gute Basis für die jeweilige Fragestellung liefert, fehlt leider eine Dimension: die
Innovation. Bei der Definition einer digitalen Business Strategie ist es entscheidend, sich über
die Optimierung aller Dimensionen der Wertschöpfungskette (inklusive der Innovation)
Gedanken zu machen, d. h.: mit welchen digitalen Technologien können wir die
Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder nachhaltig ausbauen?
Quelle: in Anlehnung an Waibel R. (2020: 35)
Strategiefragen in Bezug auf die Digital Transformation einer Unternehmung
Finanzen: Wie erreichen wir höhere Gewinne mit digitalen Technologien?
Kunden: Wie steigern wir die Kundenzufriedenheit mit digitalen Technologien?
Mitarbeiter: Wie steigern wir die Leistungsfähigkeit und die Motivation der Mitarbeiter?
Prozesse: Wie verbessern wir unsere Prozesse mit digitalen Technologien?
Innovationen: Wie stellen wir eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit mit digitalen
Technologien sicher?
Nach der ersten Eingrenzung von möglichen Problemlösungsansätzen geht es um die effektiven
Schlüssel- und Erfolgsfaktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg. Welche zentralen
Schlüsselfaktoren (Mess- und Steuerungsgrössen) können mittels digitaler Technologien
massgeblich verbessert werden?
Tabelle 7: Schlüsselfaktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg
Perspektive bzw. Sichtweise
Allgemeine Erfolgsfaktoren
Möglicher Wertbeitrag Digitale Technologien
12 Das St. Galler Management-Modell ist ein Management-Bezugsrahmen, der das normative-, strategische- und operative
Management zusammenfasst.
Abbildung 20: Rahmenmodell des unternehmerischen Denkens und Handelns
Seite 35
Strategieperspektive (Managementverantwortung)
Marktanteil Wertsteigerung Innovation Differenzierung
Kapitel 0 Kapitel 0
Finanzperspektive (Sicht der Kapitalgeber)
Return on Investment Kostenreduktion Umsatzrendite
Kapitel 0 Kapitel 0
Kundenperspektive (Sicht der Zielgruppe)
Kundenzufriedenheit Marktanteil Produkt-/Servicequalität
Kapitel 6.2.1
Prozessperspektive (Management- und Mitarbeiterverantwortung)
Prozessqualität Effektivität Effizienz-
/Produktivitätssteigerung
Kapitel 6.2.2
Mitarbeiterperspektive (Sicht der Arbeitnehmer)
Führungsqualität Motivation Mitarbeiterzufriedenheit Mitarbeiterproduktivität
Kapitel 6.2.2
Quelle: in Anlehnung an Waibel R. (2010: 44)
Digitale Technologien können somit zur gesamten Wertschöpfungskette einen massgeblichen
Beitrag leisten. Aus diesem Grund ist eine losgelöste digitale Strategie nicht zielführend. Die
Geschäftsführung sollte die Digitalisierung und die Transformation vorantreiben und die Digital
Transformation in die übergeordnete Geschäftsstrategie integrieren.
Schlüsselerfolgsbereiche der Digital Transformation
Für jedes Unternehmen und jede Branche ergeben spezifische Herausforderungen und Chancen
im Hinblick auf die Digital Transformation. Um das grössere Bild auch ausserhalb der Branche zu
verstehen, verwende ich als Basis für die Recherche zu den Schlüsselerfolgsbereichen der
Digitalen Transformation folgende Indikatoren:
Rückblick: Studien, aus denen es einen Überblick über die Erfolgsbereiche gibt
Betriebswirtschaftliche Indikatoren: Theoretische Schlüsseldimensionen als Chance
In einem zweiten Schritt ist das Benchmarking mit der eigenen Branche notwendig, da der
Themenbereich stark variieren kann. Da disruptive Innovationen auch von branchenfremden
Marktbegleitern ausgehen, ist dennoch der Blick auf alle Innovationsdimensionen wertvoll.
Welcher Taxifahrer hätte je damit gerechnet, dass von einem Tag auf den anderen eine App (wie
zum Beispiel von Uber) aus dem Silicon Valley die Hauptkonkurrenz werden könnte.
Unternehmen, die erfolgreich ihre Transformation managen, können von einer signifikanten
Erhöhung der Kundenbindung (Kapitel 6.2.1), operativer Effizienzsteigerung (Kapitel 6.2.2) und
Umsatzsteigerung durch neue Business Modelle profitieren (Kapitel 0).
Seite 36
MIT Sloan Management und
Capgemini Consulting haben
folgende Erkenntnisse aus einer
Studie erlangt:
Neue, rentable Geschäftsmodelle
sind zwar der Traum jedes
Geschäftsführers, aber die
Schlüsselverbesserungen in der
Wertschöpfungskette konnten
Firmen hauptsächlich in der
Steigerung des Kundenerlebnisses
und der operativen Effizienz des
Unternehmens erzielen. Der Grund
hierfür liegt auf der Hand: Die
Veränderung eines
Geschäftsmodells stellt die grösste
Herausforderung bei gleichzeitig
niedrigster Wahrscheinlichkeit für
den Erfolg dar.
Parallel dazu entsteht einerseits
der Druck vom Kunden selbst, der
aufgrund neuer digitaler
Möglichkeiten auch neue Erwartungen an Produkte, Dienstleistungen und Kundenservice hat.
Dies führt wiederum zu operativen
und prozesstechnischen
Herausforderungen, die ein Unternehmen meistern muss. Auf der anderen Seite stehen die
eigentliche Produktivität der Mitarbeiter, die Verbesserung der Kommunikation sowie die
Internationalisierung der Firmen über digitale Möglichkeiten im Vordergrund.
Ein ähnliches Bild zeigt auch eine weite Studie mit 535 Firmen (Harvard Business Review 2015).
Hier konnten folgende signifikante Mehrwehrte erzielt werden:
Verbesserung des Kundenservice (53%)
Steigerung der Produktivität (52%)
Entwicklung neuer Dienstleistungen (50%) und Produkte (41%)
Entwicklung neuer Einnahmequellen/eines neuen Business Modells (42%)
Erhöhung von Umsätzen (40%)
Die Verbesserungen finden entlang der kompletten Wertschöpfungskette statt. Somit kann die
Digital Transformation auch nur mittels ganzheitlichem Ansatz verstanden und umgesetzt
werden.
Abbildung 21: Geschäftsnutzen der Digital Transformation
Quelle: Fitzgerald et al. (2013: 6)
Seite 37
Digital Transformation: Umsatz steigern und Kosten senken
Zusammengefasst schafft die Digital Transformation neue Möglichkeiten im Unternehmen, um
den Umsatz zu steigern (Wachstum) und die Kosten zu senken (Effizienz). Im Wesentlichen
können die Optimierungsmöglichkeiten wie folgt gegliedert werden:
Geschäftschancen – Interne Möglichkeiten
Kostenreduktion: Einsatz von Technologien um die Betriebskosten,
zum Beispiel in Supply Chain Management Prozessen, zu reduzieren
Produktivitätssteigerung: Einsatz von Technologien um die Zusammenarbeit
und den Output zu steigern
Geschäftschancen – Externe Möglichkeiten
Verbessertes Kundenerlebnis: Ein über alle Kanäle konsistentes Kundenerlebnis
Kunden-Insights: Kundenanalyse, um Aussagen bezüglich des Kaufverhaltens treffen zu
können
Neue Produkte: Einsatz von Technologien, um komplett neue Produkte zu lancieren
Produkterweiterung: Erweiterung des Portfolios von Produkten und Dienstleistungen mit
dem Einsatz der Technologien
Basierend auf den Studienresultaten (Kapitel 6.1.1), der empfohlenen digitalen Landkarte von
MIT Sloan (Kapitel 0) und der in diesem Kapitel beschriebenen zwei Nutzendimensionen
Wachstum und Effizienz hat sich folgende Orientierungslandkarte ergeben:
Abbildung 22: Digital Transformation – Wachstum und Effizienz
Obenstehende Themen- und Nutzenbereiche, Ziele und Key Performance Indikatoren dienen in
der Transformation Methodologie (Kapitel 8) als Basis für die Ermittlung von Potentialen in
Unternehmen und deren Branchen.
Seite 38
6.2 Landkarte der Digital Transformation
Die Themenfelder der Digital Transformation werden in diversen Fachbüchern und Studien
unterschiedlich behandelt. Ein Fokus liegt sicherlich auf dem Kundenerlebnis (KPMG 2014),
ausserdem steht die Optimierung der Geschäftsprozesse auf der Tagesordnung jedes CIO. Die
grösste Aufmerksamkeit in den Medien geniessen wohl die neuen Geschäftsmodelle, die für
ganze Branchen disruptive Gefahren bedeuten können.
Basierend auf der hier zugrundeliegenden Definition der Digital Transformation (Kapitel 4) und
unter Berücksichtigung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens (Kapitel 6.1) ist eine
Gliederung der für den Geschäftsführer relevanten Dimensionen (Kunden, Prozesse, Potentiale)
diejenige, die auf einen ersten Blick Orientierung und Navigation ermöglicht.
Das MIT Center of Digital Business identifiziert und gliedert die drei übergeordneten
Themengebiete in Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse und Geschäftspotentiale.
Abbildung 23: Themenlandkarte der Digital Transformation
Quelle: in Anlehnung an Westerman et al. (2011: 17)
Innerhalb der drei übergeordneten Themengebiete unterscheidet das MIT Center je drei
untergeordnete Themenfelder. Die Priorisierung der Themen sowie alle Dimensionen der
untergeordneten Themen sind anhand dieses Modells nicht ersichtlich. Es schärft allerdings den
Blick für die Kernbereiche und Chancen der Digital Transformation.
Kundenerlebnis: Erhöhung der Kundenbindung und -loyalität
Unter Kundenerlebnis werden das Kundenverständnis, die Customer Journey13 (mit dem
Kundentouchpoint14-Management) und die Umsatzwachstumsziele subsumiert. Hier steht der
Übergang von der transaktionsorientierten Inside-Out-Kundenbeziehung zu einer Outside-In15-Beziehung (d. h. einer Sichtweise von aussen) im Mittelpunkt. Die Unternehmen sind gefordert aus der Perspektive des Kunden zu handeln.
13 Die Customer Journey bezeichnet einen fünfstufigen Kaufprozess des Kunden. 14 Touchpoints sind Berührungspunkte zwischen Firmen und Kunden. (Anne M. Schüller 2012) 15 Das Outside-In Prinzip beschreibt die bedürfnisorientierte Kundenstrategie.
Seite 39
Die Customer Journey
Der Informations- und Kaufprozess des Kunden findet in Kombination der virtuellen und der realen Welt statt. Bei dieser Reise stehen Offline-Werbemittel sowie online- und mobile Vertriebskanäle, stationäres Point-of-Sales-Marketing sowie die persönliche Kommunikation zwischen Kunden und dem Unternehmen im Mittelpunkt. In der Praxis haben Firmen hier eine Menge Defizite. Insellösungen, fehlendes Verständnis der digitalen Welt sowie veraltete IT-Infrastrukturen der Unternehmen erschweren die Kundenorientierung (Anne M. Schüller 2012).
Rahmenkonzept zur Kundenorientierung
Ein holistisches Rahmenkonzept zur
Kundenorientierung sowie das
Aufbrechen der Abteilungssilos für die
100%-ige Ausrichtung auf den Kunden
sind notwendig. Die ganze Organisation
soll von outside-in betrachtet und das
Unternehmen danach ausgerichtet
werden. Die Basis hierfür kann das
Customer Relationship-Management-
Rahmenkonzept liefern. Für ein
zukunftsorientiertes Handeln müssen
Themen wie Social Engagement,
prädikatives Marketing sowie Business
Intelligence und Internet of Things in
einer digitalen First-Strategie
berücksichtigt und je nach Maturität der
Firma priorisiert werden. Business
Intelligence und Customer-Insights
lieferen das Fundament für die ständige
Optimierung der Aktivitäten und sind
eine wichtige Grundlage für
Kundenbindungsaktivitäten (Hajo
Hippner 2016).
Abbildung 25: Beispiel anhand von sechs Customer Journeys
Abbildung 26: Architektur eines CRM-Systems
Abbildung 24: Customer Journey – Kaufprozess des Kunden
Quelle: in Anlehnung an Hippner H. (2016: 78)
Seite 40
Kundenbindung und -loyalität
Damit die Beziehung mit Kunden nicht nur effizient, sondern auch effektiv und emotional gestaltet wird, ist ein vertieftes Verständnis der Kundenpsychologie und Zielgruppensegmente nötig. Dies erfordert einen wissensorientierten-/Cross-Channel Ansatz. Dieser soll nicht nur kohärent sein, sondern den Erwartungen des Kunden an einem bestimmten Touchpoint entsprechen. Der Kunde entscheidet, über welchen Kanal er wie angesprochen werden möchte. Erst wenn die externe Sichtweise geklärt ist, können Themen wie Marketing und Salestools oder Service-Automation angegangen werden.
Nur wer den Kunden vollumfänglich versteht, die Loyalität seiner Kunden gewinnt und sie dauerhaft binden kann, generiert kontinuierlich steigende Umsätze und reduziert gleichzeitig die Kosten. Treue Kunden kaufen öfter und mehr. Sie erhöhen damit die Planungssicherheit, da ihre Wechselbereitschaft eher niedrig ist. In einem gesättigten Markt ist das Wissen über den Kunden, seine Interaktionen und Zufriedenheit und der tatsächliche Wert von Produkten und Dienstleistungen aus Kundensicht entscheidend, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein (Xevelonakis n.d.).
Die Digitalisierung ermöglicht den Unternehmen mit Systemen und analytischen Tools die notwendigen Insights zu ermitteln und massgeschneiderte Produkte und Services in einem effizienten Prozess zu entwickeln. Selbst Vorhersagen über das Verhalten der Kunden sind möglich. Die gewünschte Interaktionsart des Kunden mit dem Unternehmen (z. B. in den Bereichen Verkauf, Beratung, Kunden-Service) wird auf dessen Bedürfnisse ausgerichtet.
Neben höherer Kundenzufriedenheit und -loyalität steigen die Wirtschaftlichkeit der Aktivitäten, die Rentabilität des eingesetzten Kapitals sowie der Gewinn. Letztendlich ermöglicht die Digital Transformation eine stärkere Kundenbindung, die Steigerung von Marktanteilen, die Erschliessung neuer Märkte und damit den Fortbestand des Unternehmens.
Zusammenfassung Kundenerlebnis: Kundenwachstum, -bindung und -loyalität
Abbildung 27: Beispiel CRM-Scorecard-Dimensionen und KPIs
Quelle: in Anlehnung an Xevelonakis E. (2013: 78)
Seite 41
Geschäftsprozesse: Prozessdigitalisierung und Zusammenarbeit
Unter den Begriff Optimierung der Geschäftsprozesse fallen aus der internen Perspektive die Themen Prozessdigitalisierung, Performance Management und Befähigung der Mitarbeiter.
Prozessdigitalisierung
Durch die Digitalisierung können Kernprozesse vereinheitlicht und vereinfacht werden. Der grösste Nutzen wird mit einer Outside-In-Betrachtung erzielt, bei der die internen Prozesse sich nahtlos in Kundenprozesse integriert lassen (Kapitel 6.2.1). Durch die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Kernprozesse sollen nicht nur Kosten reduziert, sondern auch eine höhere Agilität und die Ausrichtung auf sich verändernde Geschäftsanforderungen sowie eine maximale Skalierbarkeit ermöglicht werden.
In der verarbeitenden Industrie geht es nicht nur um die Automatisierung der Produktion durch den Einsatz von Elektronik und IT, die seit den 70er Jahren Einzug hält, sondern um die nächste Stufe in der Optimierung der Wertschöpfungskette. (Deloitte Inc. 2014)
Praxisbeispiel einer Bank zum Thema Customer Journey und Prozessoptimierung
Eine Publikation im Rahmen einer McKinsey Studie (Driek Desmet, Shahar Markovitch n.d.) zeigt auf eindrückliche Weise, wie eine Bank durch die konsequente Optimierung der Customer Journey und die Digitalisierung von Prozessen signifikante Verbesserungen erzielen konnten. Der Bestätigungsprozess eines Kredits konnte von fünf Tagen auf eine Minute reduziert werden. Die Eröffnung eines Kontos konnte von zwei Tagen auf fünf bis zehn Minuten verkürzt werden. Gleichzeitig sind die Kundentouchpoints pro Jahr um den Faktor 20 gestiegen und die IT kann 13x schneller eine grössere Innovation ausrollen. Der Kunde sowie das Unternehmen sind gleichermassen Gewinner dieser Digitalisierung.
Abbildung 29:Customer Journey – Verbesserungen bei einer Bank
Abbildung 28: Definition von Industrie 4.0
Quelle: in Anlehnung an Deloitte Inc. (2014: 3)
Seite 42
Quelle: McKinsey & Company (2015)
Seite 43
Wissensmanagement und Zusammenarbeit
Reife Unternehmen nutzen die
digitalen Technologien intern, um
die Zusammenarbeit und die
Kommunikation zu verbessern. In
einer vernetzten Welt ist es
wichtig, jederzeit und von überall
auf die Ressource Wissen
zugreifen zu können. Digitale
Technologien ermöglichen in der
Kommunikation die
Überbrückung der internen sowie
externen
Organisationsstrukturen.
Grenzen fallen, auf Personen und
Wissen kann direkt zugegriffen
werden. Durch die direkte Kommunikation ohne Barrieren wird der Zugang auch zu implizitem16
Know-how gefördert. Die Digitalisierung ermöglicht den sogenannten Wissensoffizieren
(Führungkräfte), den Wissensingenieuren (mittelres Management) und Wissenspraktikern
(Mitarbeiter) ein effizientes Middle-up-Down Wissenssmanagement (Weibel 2013).
Flexible Arbeitsmodelle
Mittels flexibler und mobiler Arbeitsmethoden entstehen für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht nur neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, sondern es öffnet sich auch die Tür für eine neue Kultur des Miteinander. Dieses basiert auf Vertrauen und Eigenverantwortung und fördert eine erfolgreiche Kollaboration unterschiedlicher Mitarbeitermentalitäten. Zudem muss technologisch eine ortsunabhängige, individuelle und kooperative Arbeit unterstützt werden. Bei Microsoft Schweiz konnte zum Beispiel die Produktivität der Mitarbeiter um 10% gesteigert werden bei gleichzeitiger Kostensenkung der Facility Services um 15%.
Zusammenfassung Geschäftsprozesse: Prozessdigitalisierung und Zusammenarbeit
16 Implizites Wissen existiert nur in den Köpfen der Menschen (Erfahrungen, Intuition, Können, Fähigkeiten).
Abbildung 30: Wissensmanagement im Unternehmen
Quelle: in Anlehnung an Weibel A. (2013: 19)
Seite 44
Geschäftspotentiale: Umsatzsteigerungen durch neue Geschäftsmodelle
Das MIT Center of Digital Business vereinfacht die Kategorisierung von neuen Geschäftsmodellen und gliedert diese in die Themenfelder digital erweiterte Geschäftsmodelle, neue digitale Geschäftsmodelle und digitale Globalisierungsmodelle. Ein Geschäftsmodell beschreibt die Grundprinzipien, wie Unternehmen Werte schaffen und diese wirtschaftlich erfassen können (Hoffmeister 2013). Durch die neuen Technologien entstehen auch neue Erfolgsprinzipien, welche etablierte Standards substituieren können (Kapitel 5.3).
Geschäftsmodelle sollen in der heutigen Zeit permanent gezielt hinterfragt und angepasst werden. Diese ständige Innovation ist nicht ein Privileg bekannter, grosser Unternehmen, sondern soll systematisch wie eine Produktinnovation von Unternehmen jeder Grösse betrieben werden. Die Herangehensweise von Alex Osterwalder im Buch Business Model Generation legt einen perfekten Grundstein für Geschäftsmodell-Innovationen.
Abbildung 31: Geschäftsmodelle + Teilmodelle mit eigenständigen Aufgaben und Prinzipien
Quelle: Hoffmeister C. (2015: 40)
Geschäftsmodelle können auch in Teilmodelle gesplittet oder ungenutzte Potentiale zweckentfremdet zu einem neuen Geschäftsmodell formiert werden. Ein gutes Beispiel hier liefert Amazon. Amazon benötigte für den Betrieb seiner Plattformen eine globale, flexible, skalierbare und natürlich kosteneffiziente Infrastruktur, die auf die saisonalen Kapazitätsbedürfnisse der einzelnen Regionen ausgerichtet ist. Um die Auslastung zu verbessern begann Amazon 2006 damit, die IT-Ressourcen bedarfsgerecht anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Heute gehören die Amazon-Web-Services zu einem der grössten Cloud-Anbieter im Infrastrukturbereich (Christian Hoffmeister n.d.).
Digital erweiterte Geschäftsmodelle
Bestehende Geschäftsmodelle von Unternehmen werden digital erweitert oder durch digitale
Angebote abgelöst. Daraus entstehen neue Einnahmequellen für Unternehmen. Klassisches
Beispiel ist der Handel, der seine Produkte über einen eShop anbietet. Im Bildungsbereich sind
Online-Trainingsmöglichkeiten auf dem Vormarsch und Medienunternehmen bringen ihre
Zeitungen ausschliesslich oder in Ergänzung digital heraus. Die Basis der Überlegungen ist ein
etabliertes Angebotsportfolio. Die Frage, die sich jedes Unternehmen stellen muss, um weiter
in der ersten Liga zu spielen lautet: Wie können wir mit dem bestehenden Angebotsportfolio
und den digitalen Technologien neue Geschäftspotentiale realisieren und wettbewerbsfähig
bleiben?
Seite 45
Neue disruptive Geschäftsmodelle
Neben der evolutionären Entwicklung von Geschäftsmodellen stehen die radikalen disruptiven Innovationen im Rampenlicht. Da dirsuptive Innovationen gerade für etablierte Firmen eine grosse Herausforderung bedeutet, soll in jedem Innovationsprozess von Geschäftsmodellen die Disruption ein Kernthema sein. Entweder eine Firma treibt die eigene Disruption voran oder besitzt ein Frühmelde- bzw. -warnsystem für disruptive Technologien, die auf den Markt kommen und für Aktivitäten potentiell disruptiver Marketplayers (Konkurrenten).
Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook, Uber, Airbnb, Netflix, Spotify, bitcoin und viele mehr begannen alle als Start-Ups, die es vor 25 Jahren noch nicht gab. Das Ende dieser Geschichte/n kennt jeder. Heute sind es globale Akteure, die die weltweite Disruption ganzer Branchen vorantreiben.
Digitale Globalisierung
Als letzte Erweiterung des Geschäftsmodells gilt das Augenmerk den Möglichkeiten der digitalen Globalisierung, welche wir zu «Globalisierung der Märkte», «Globalisierung der digitalen Fähigkeiten» und «geteilte globale Dienstleistungen» zusammenfassen.
Durch die Digitalisierung der Produkte und Dienstleistungen wird die Expansionsfähigkeit einer Firma mittels Skaleneffekte ermöglicht. Die Kosten für ein Unternehmen entstehen praktisch nur bei der Herstellung des Originals. Die Grenzkosten für die Produktion und Distribution jedes weiteren Gutes liegt praktisch bei null (Jeremy Rifkin n.d.).
Unternehmen stehen vor weiteren Chancen und Herausforderungen bei der globalen Transformation. Durch die digitalen Technologien können globale Synergien, geteilte Ressourcen und neue Fähigkeiten ausgeschöpft werden. Daraus entstehen optimierte oder neue Wertschöpfungsketten. Die Möglichkeiten gehen weit über Themen wie Off- und On-Shoring oder verteilte Produktion hinaus.
Zusammenfassung Geschäftspotentiale
Tabelle 8: Übersicht disruptive Technologien
Quelle: Clayton M. (2013: 18)
Seite 46
6.3 Erhebung der entscheidungsrelevanten Geschäftschancen
Validierung der Geschäftschancen mit Experteninterviews
Basierend auf der aktuellen Forschung (Kapitel 6.1 - 6.2) wurden die Schlüsselgeschäftschancen
mit Experteninterviews aus dem lokalen Markt validiert. Mit mehrheitlich offenen Fragen
(qualitative Methode) wurden die Geschäftschancen der Unternehmen durch die Digital
Transformation mit einer Bewertungsmatrix (quantitative Methode) erhoben.
Bei den Geschäftschancen, welche die digitalen Technologien ermöglichen, ergaben sich aus den
geführten Interviews keine tatsächlichen Priorisierungen oder Spitzenreiter der Digital
Transformation. Unterschiedliche Firmen in unterschiedlichen Sektoren mit unterschiedlichen
digitalen Maturitäten haben nicht die gleichen Prioritäten und damit Geschäftschancen. Die
Experten waren sind allerdings einig, dass jedes Unternehmen durch digitale Technologien von
einem signifikanten Mehrwehrt profitiert. Zusammenfassend haben die Interviewpartner
folgende Schlüsselgeschäftschancen genannt:
Die Digital Transformation hilft Unternehmen bei der Sicherung der langfristigen
Wettbewerbsfähigkeit.
Es entstehen neue Vorteile für sämtliche Akteure im Markt. Im Mittelpunkt standen
allerdings die Benefits für Endkunden, die vielfach von Ersparnissen bei gleichzeitig höherer
Kundenzufriedenheit profitieren.
Da die Geschäftschancen entlang der kompletten Wertschöpfungskette entstehen können,
wurde auch vielfach eine einfache zweidimensionale Betrachtungsweise herangezogen. Die
Grundsatzfrage dabei war, wie man mit digitalen Technologien Kosten reduzieren und
grössere Gewinne erreichen kann.
Die SBB konnte zum Beispiel mit der neuen SBB-Mobile-App eine höhere Kundenzufriedenheit
als beim Ticketkauf am Schalter oder an den Ticketautomaten erzielen. Zudem wurden die
Kosten für den Ticketkauf über die SBB-App um den Faktor 10 reduziert. Weiter ist für die SBB
die Predictive Maintanance der Züge ein wichtiges Thema, um Kosten für den Unterhalt zu
reduzieren und gleichzeitig die Qualität des Schienenverkehrs zu garantieren.
In der Versicherungsbranche entstehen neue
Dienstleistungen basierend auf Predictive Analytics,
Smart- und Big Data sowie Sensortechnologien. Ein
Beispiel liefert die digitale Box in den Autos der
Fahrzeugführer. Hier können neue Policen auf Grundlage
des aktuellen Fahrverhaltens angeboten werden.
Auch Predictive Maintenance ist ein wichtiges Thema um
Schäden zu verhindern. Im Allgemeinen geht es um eine
klare Musterkennung und Priorisierung der Risiko- und
Potentiallandschaft. In diesem Kontext stehen natürlich
alle versicherbaren Werte, deren Risikoeinschätzung und
die daraus resultierenden Geschäftschancen im
Mittelpunkt der Überlegungen.
«Die Digitalisierung hilft uns
gleich in zwei Dimensionen –
wir können zum Beispiel mit
Predictive Maintenance
Schäden verhindern und
gleichzeitig neue Produkte
und Dienstleistungen u. a. mit
Sensortechnologien und Smart
Data auf den Markt bringen»
(Mathias Born, Head Data
Standards and Governance,
ZUERICH Versicherung)
Seite 47
Für eine Priorisierung der Hauptgeschäftschancen wurden existente Forschungsergebnisse
(Kapitel 6.1.1) mit quantitativen Fragen aus drei Themenclustern aus Schweizer
Marktperspektive validiert.
Die Bewertung der einzelnen
Dimensionen wurde mit einer Skala von
1 - 10 ermittelt. 1 - 3 gelten als kleine, 4
- 7 als mittlere und 8 - 10 als grosse
Geschäftschancen.
Bei der Prioritätenliste der Top-
Chancen zeichnet sich in der
themenspezifschen Clusterbewertung
folgender Trend ab:
Wert 7.58: Customer Experience
Wert 7.17: Operational Excellence
Wert 6.17: Business Modelle
Trotz einer heterogenen Experten-
gruppe ergab sich in der Priorisierung der einzelnen Dimensionen die gleiche Reihenfolge wie
im theoretischen Teil dieser Arbeit. Der grösste Nutzen wird der Customer Experience
zugeschrieben, gefolgt von Operational Excellence und neuen Business Modellen. Eine
nochmalige Mehrwertsteigerung würde eine Kombination der Disziplinen ermöglichen.
Das Potential von neuen digitalen Business Modellen und Einnahmequellen wurde als eher
zweitrangig angesehen. Die Experten warnten sogar vor Experimenten ausserhalb der
Kernkompetenzen. Die meisten Firmen scheitern im Innovationsprozess, da sie auf Modelle
setzen, die nicht zu ihrer DNA passen. Hingegen wurde die Erweiterung des Business Modells als
ein wichtiger Bestandteil der Transformation angesehen. Die Kernfrage, die sich im Rahmen
jedes Interviews stellte, war: Wie kann die digitale Technologie mein Kerngeschäft unterstützen
und mit digitalen Erweiterungen dem eigenen Angebot zu einer Unique Selling Proposition
verhelfen?
Tabelle 9: Gewichtung der Geschäftschancen der Digital Transformation
In der Einzelbewertung der Unterkategorien ist eine detaillierte Betrachtung der Top-
Geschäftschancen möglich. Spitzenwerte mit einer durchschnittlichen Höchstbewertung von
+8.25 erzielen die Themen:
Wert 8.75: Kundentouchpoint-Management für ein konsistentes Kundenerlebnis
Wert 8.50: Prozessdigitalisierung um Betriebskosten zu senken
Wert 8.50: Digitale Erweiterung des Geschäftsmodells
Wert 8.25: Customer Knowledge und Einsatz von Business Intelligence-Lösungen
Abbildung 32: Validierung der Geschäftschancen
Seite 48
Kalibrierung und Zusammenfassung Geschäftschancen
Die Kalibrierung und Zusammenfassung der Geschäftschancen aus dem theoretischen (Kapitel
6.1) und dem praktischen Teil (Kapitel 6.3.1) dient als Grundlage für die Entwicklung der Digital
Transformation Methodologie (Kapitel 8). Es wird bewusst nur auf eine Zusammenfassung der
Geschäftschancen aus Perspektive der Führungskräfte und des Top-Managements eingegangen:
Kompass: Geschäftschancen der Transformation 1. Wachstum und Effizienz entlang der ganzen Wertschöpfungskette
Dank der digitalen Technologien können aus Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Finanzperspektive signifikante Mehrwerte durch Umsatzsteigerung, Kostenreduktion sowie höhere Kundenzufriedenheit und verbesserte Produkt- und Servicequalität erzielt werden.
2. Basis für Innovation und langfristigen Unternehmenserfolg In einer Zeit der allumfassenden Digitalisierung und neuer Kundenbedürfnisse sowie von verändertem Kundenverhalten unterstützt der Einsatz der digitalen Technologien den Unternehmenserfolg immens. Die Steigerung der Kundenzufriedenheit und -loyalität und die Sicherung bestehender bzw. die Erschliessung neuer Marktanteile sichern die unternehmerische Zukunft.
3. Die Geschäftschancen lassen sich in drei Bereiche gliedern Zur allgemeinen Orientierung kann der Nutzen der Technologien in die drei Bereiche Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse und neue Geschäftspotentiale gegliedert werden. Aktuelle Studien und Ergebnisse aus Experteninterviews sehen den bisher grössten Nutzen für Unternehmen im Bereich der Kundenorientierung.
4. Kundenerlebnis und -loyalität – Externe Geschäftspotentiale
Durch die Nutzung digitaler Technologien kann eine höhere Kundenzufriedenheit und -loyalität erzielt werden. Parallel dazu steigt die Wirtschaftlichkeit der Aktivitäten in der Interaktion mit dem Kunden. Letztendlich können auf Basis von Kunden-Insights höhere Umsätze erzielt und Marktanteile ausgebaut werden.
5. Prozessdigitalisierung und Zusammenarbeit – Interne Geschäftspotentiale
Im Supply-Chain-Management kann durch den Einsatz digitaler Technologien eine Kostenreduktion erzielt werden. Nicht nur Effizienz, sondern auch mehr Effektivität in neuen Wertschöpfungsketten ist möglich. Auch die Mitarbeiterproduktivität- und -zufriedenheit sowie die Führungsqualität können gesteigert werden.
6. Erweiterte und neue Business Modelle – Interne Geschäftspotentiale
Die Erweiterung der bestehenden Produkte und Dienstleistungen ermöglicht zusätzliche Wertsteigerung, Differenzierungsvorteile sowie neue Einnahmequellen. Auf Basis digitaler Technologien können sogar komplett neue Geschäftsmodelle entstehen. Der Rat der Experten war allerdings: digitale Technologien sollen für die Verbesserung des Kerngeschäfts eingesetzt werden, bevor neue Differenzierungsvorteile angetrebt werden.
Seite 49
7 Erfolgsfaktoren der Digital Transformation
7.1 Reife Unternehmen weisen den Weg
Reifegrad-Assessments schiessen wie Pilze aus dem Boden und geben Orientierung. Im
Dschungel der Assessment-Möglichkeiten haben sich zwei Varianten als nützlich erwiesen. Das
Modell von MIT Sloan, das mit vier Quadranten die Reife eines Unternehmens ermittelt, und das
Reifegradmodell der Universität St. Gallen, das neun Dimensionen unter die Lupe nimmt.
Die Studie von MIT Sloan zeigt auf, dass
digital reife Unternehmen ihre
Mitbewerber im Umsatz +9% und in der
Profitabilität +26% deutlich übertreffen.
Diese digital Masters übertrumpfen ihre
Konkurrenz mit einer Kombination
innovativer Initiativen bei gleichzeitiger
Unternehmenstransformation. Digital
Masters haben digitale Fähigkeiten, um
Innovationen im Bereich
Kundenorientierung (Kapitel 6.2.1),
Prozessdigitalisierung und
Zusammenarbeit (Kapitel 6.2.2) zu
lancieren. Sie haben
Führungsfähigkeiten, um mit einer Vision, Strategie und Transformationsbegeisterung das
Unternehmen in ein digitales Zeitalter zu führen.
Orientierung – Reifegrad der Unternehmen
Abbildung 34: Orientierung durch Reifegrad-Quadranten
Quelle: in Anlehnung an Westerman G., Bonnet D. (2014: 15)
Abbildung 33: Digital Masters übertreffen ihre Branche
Quelle: in Anlehnung an Westerman G., Bonnet D. (2014:
18)
Seite 50
Während digitale Anfänger keinen Grund zu Veränderungen sehen und dem Geschäftsnutzen
von digitalen Technologien grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, sind digital Konservative
und digital Modebewusster hier aufgeschlossener. In diesem ersten Stadium sollte mit kleinen
Initiativen experimentiert und ein erster Geschäftsnutzen realisiert werden. Erst in einem
zweiten Schritt empfiehlt es sich, in eine eigene Vision und Strategie zu investieren.
Falls ein Unternehmen zu den digital Konservativen gehört, dann kann es auf ein gutes digitales
Leadership Team mit einer guten Governance zurückgreifen. Da jede Firma einen
Optimierungsbedarf im Bereich der Kundenorientierung oder in der operativen Effizienz hat,
kann bei den Veränderungen mit einem soliden Business Case und punktuellen, gezielten
Initiativen gestartet werden.
Bei den digital Modebewussten verhält es sich genau umgekehrt. Sie handeln proaktiv, lancieren
viele Initiativen und adaptieren frühzeitig neue Technologien. Leider können sie aufgrund von
Silo-Implementierungen, mangelnder Firmenvision und fehlender Koordination den erhofften
Geschäftsnutzen nicht realisieren. Das Unternehmen sollte in die Governance der Initiativen
investieren um zusätzliche Synergien zu realisieren. Letztendlich ist ein kohärenter
Transformationsplan notwendig.
Digital Masters haben eine digitale DNA. Die Führungskräfte verfügen über eine ausgeprägte
digitale Vision, grosse Leidenschaft und Wertschätzung für digitale Technologien. Sie bringen
gute Ideen ein und setzen sich auch gegen Konventionen durch. Zusammenfassend sind es die
Unternehmen, die die Marktchancen der digitalen Technologien konsequent nutzen.
Transformationsschritte basierend auf digitaler Reife
Gibt es ein Patentrezept? Folgt man den Recherchen von MIT Sloans, dann haben erfolgreiche
digital Masters unterschiedliche Wege für den eigenen Erfolg gewählt. Je nach Geschäftskultur
und Branche war die Startposition die des digital Innovativen oder des digital Konservativen.
Paulo Jo Caudron, Autor von «Digital Transformation: A Model to Master Digital Disruption»,
empfiehlt mit den wichtigen Projekten zu starten statt mit denjenigen, die für das Unternehmen
in erster Linie bequem sind. Der Digital Transformation Report 2015 der Universität St. Gallen
hat aufgrund der digitalen Reife von Unternehmen drei Entwicklungsstufen definiert:
Tabelle 10: Schwierigkeit der Definition von Reifekriterien für die Digital Transformation
Quelle: Berghaus et al. (2015: 64)
Seite 51
7.2 Leadership, Vision und Organisation für ein digitales Zeitalter
Entwicklung einer transformativen Vision und strategische Ziele
Die Begriffe Vision, Strategie und Mission werden in der Praxis oft verwechselt. Nur durch die
saubere Formulierung und Entwicklung der drei Termini erhält der Mitarbeiter den normativen
Rahmen für sein Handeln. (Roland Waibel 2010)
Es überrascht umso mehr, dass gerade in dieser beschleunigten digitalen Welt nur
durchschnittlich 42% der Unternehmen eine digitale Vision haben und diese nur bei 34% mit
dem mittleren Management geteilt wird. Im Vergleich dazu die digital Masters: hier haben 82%
eine digitale Vision ihrer Zukunft (Westerman et al. 2011). Digital Masters zeichnen sich durch
eine «Digital by Default»-Vision aus, die keine zusätzlichen Arbeitsschritte erfordert, sondern
eine Selbstverständlichkeit in ihrem Handeln ist.
Startpunkt einer digitalen Vision
Die Entwicklung eines emotionalen und
resonanzfähigen Zukunftsbilds (Kapitel 5.2) erfolgt
bei einer digitalen Vision rund um die drei
Kernbereiche Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse
und Geschäftspotentiale. Die Vision in diesen
Bereichen stellt das Fundament für eine holistische
und umfassende Strategie dar:
Wo möchten wir in fünf Jahren stehen?
Kundenerlebnis/-nutzen?
Geschäftsprozesse?
Geschäftsmodelle?
Die Überlegungen starten grundsätzlich beim Kundenbedürfnis, und zwar aus der Perspektive
der eigenen strategischen Assets17, die im Unternehmen vorhanden sind. Zudem erfordern sie
den Einbezug der aktuellen Wettbewerbssituation inklusive potentieller, disruptiver
Marktteilnehmer. Beim Gestaltungsprozess der Vision soll «gross» gedacht werden, immer aus
einer Geschäftsperspektive, angereichert mit der technologischen Komponente und dem
Kundenerlebnis. Die Vision soll nicht nur auf mögliche Substitutionsgüter oder auf die
Erweiterung bestehender Güter eingehen, sondern (sofern möglich) auf eine fundamentale
Transformation des Kundennutzen, der Prozesse und Geschäftsmodelle. Die Inspiration hierfür
liefern die digital Masters oder auch Sciene Fiction Filme.
Strategisch messbare Ziele als Orientierung
Die Vision ist der erste Meilenstein für die Identifikation der Mitarbeiter mit einem langfristigen
Zukunftsbild. Bei einer Transformationsvision ist entscheidend, messbare Ziele der Strategie zu
kommunizieren. Nur bei Kombination der Komponenten Vision (wohin möchten wir gehen),
strategisches Ziel (was bringt es) sowie strategische Umsetzung (mit wem) wird der Mitarbeiter
17 Die strategischen Assets sind besondere Alleinstellungsmerkmale und Kompetenzen einer Firma. Idealerweise sind sie nur
schwer kopierbar.
Abbildung 35: Vision der Digital Transformation
Seite 52
Vertrauen fassen, einen Sinn sehen und einen Willen zur Veränderung entwickeln. Basierend auf
der Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton sind folgende Fragestellungen zu beantworten:
Kunden: Wie werden wir einen überdurchschnittlichen Kundennutzen sicherstellen?
Prozesse: Wie werden wir unsere Kern- und Supportprozesse gestalten und umsetzen?
Innovation: Wie werden wir strategische Assets und die digitalen Technologien nutzen?
In einem zweiten Schritt gilt es, realistische Etappenziele zu identifizieren und diese zusammen
mit der Vision zu kommunizieren. Es ist weniger wichtig eine finale Vision zu haben als eine
digitale Vision mit flexiblen Ausbaustufen. Heute ist ungewiss, was in zehn Jahren möglich ist.
Die Vision wird aus diesem Grund laufend angepasst und erweitert.
Praxisbeispiel der Firma Gelbe Seiten in Frankreich
Als Jean-Pierre Remy 2009 der CEO von Gelbe Seiten in Frankreich wurde, war das Unternehmen
in keiner guten Position. Die Firma hatte mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Die gedruckten
Gelben Seiten fanden immer weniger Absatz und wurden durch die disruptive Technologie des
Internets Schritt für Schritt verdrängt (Westerman George, Bonnet Didier 2014).
Der CEO versuchte die Belegschaft von einem digitalen Gelbe-Seiten-Service zu überzeugen. Die
Mitarbeiter waren skeptisch und konnten den Wandel nicht verstehen. Weshalb sollte sich
etwas ändern wenn sie der Branchenleader waren? Sie hatten ja auch die dot-com-Blase 2002
überlebt. Durch den starken Arbeitnehmerschutz in Frankreich konnte der CEO die
transformationsresistente Belegschaft auch nicht kündigen. Den in dieser Situation gewählten
Weg von Remy möchte ich im Hinblick auf die genannten Erfolgsfaktoren aufzeigen:
Kernbusiness und strategische Assets Gelbe Seiten
Das Kernbusiness von Gelbe Seiten war nicht die Produktion und der Druck der Gelbe-
Seiten-Kataloge, sondern KMU mit Kunden in Kontakt zu bringen.
Kundennutzen und Existenzgrund für ein Unternehmen
Kunden und KMU finden sich auf einfache Weise über die Gelben Seiten und können somit
in Kontakt treten.
Bedeutung disruptive Innovation
Die digitalen Angebote haben im Vergleich zur gedruckten Version einen signifikanten
Mehrwehrt für den Kunden. Ohne zusätzliche Kosten von überall und jederzeit auf
einfacher Weise direkt mit dem gewünschten Anbieter in Kontakt zu treten, macht die
existierende Technologie (gedruckte Bücher) nahezu überflüssig.
Veränderung bei resistenten Mitarbeiter
Dem CEO war klar, dass er die Mannschaft nur auf seine Seite bringen wird, wenn er ein
emotional resonanzfähiges Zukunftsbild für die Belegschaft zeichnen konnte. Eine Zukunft,
in der die Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielen. Eine Zukunft, die an die Kernkompetenz
der Firma geknüpft ist.
Kommunikation einer zukunftsfähigen Vision
Bei der Kommunikation der neuen Vision hat der CEO die Kernkompetenzen der Firma in
den Mittelpunkt gestellt. Die Gelben Seiten werden auch in Zukunft Kunden und KMU in
Verbindung bringen. Die neuen Technologien unterstützen die Gelben Seiten bei einer
besseren Dienstleistung. Parallel dazu hat der CEO seine Vision mit realen Zielen
Seite 53
untermauert. Das Umsatzziel in fünf Jahren wurde von einem 30%igen Online-Mix auf
einen 75%igen Online-Mix angepasst und kommuniziert. Dies ermöglichte dem CEO die
Debatte über die Vision und Geschwindigkeit abzuschwächen und erlaubt eine integrierte
Sichtweise auf das sich verändernde Geschäft.
Kommunikation als dauerhafte Komponente der Transformation
Die Kommunikation während der Transformation war ein ständiger Begleiter. Offene,
ehrliche und durchgängige Kommunikation schuf die Basis für Orientierung und Navigation
des Unternehmens. Erfolge wurden nach aussen getragen; parallel dazu wurde in die alten
Technologien nicht mehr investiert. Schritt für Schritt verstand der Kunde den Nutzen der
Online-Gelbe-Seiten und die Verkäufer lernten den Service zu vermarkten.
Vier Jahre später, 2013
Nach vier Jahren erreichte Remy seine digitale Vision und damit beinahe seine
Transformationsziele. Der Umsatz im digitalen Bereich stieg schnell genug um das
klassische Geschäft zu kompensieren. Remy konnte die Gelben Seiten von einem
Papierkatalog erfolgreich in die digitale Welt transformieren.
Führung in einer digitalen Welt
Die Transformation hat kein Ende, sondern wird zum ständigen Begleiter für das Unternehmen
und kann somit von der Geschäftsleitung nicht delegiert werden. Der Geschäftsleiter ist
Gestalter der kontinuierlichen Digital Transformation und muss eine «Digital-First-Mentalität»
vorleben und etablieren. Um es an dieser Stelle noch deutlicher zu machen zitiere ich George
Coloney (CEO Forrester Research):
«If you can’t understand the new world of digital, fire yourself. Build an executive team that
is digital-first (when problems arise, the first solution is always digital). Make sure there is a
techie on the board of directors. If the board has a low digital IQ, the company will have a low
digital IQ.»
Führungsfähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften
Digital zur führen erfordert eine neue Führungsmentalität. Vorreiter wie zum Beispiel Mark
Zuckerberg (Facebook), Steve Jobs (Apple) oder auch Elon Musk (Tesla) haben
Persönlichkeitseigenschaften, die zu einer Führung im digitalen Zeitalter passen (Christian
Hoffmeister n.d.):
Sie haben Visionen, setzen sich gegen Konventionen durch und sind geprägt von Mut und
Optimismus. Ihr Fokus liegt auf der Differenzierung ihres auf digitalen Technologien
basierenden Business. Nicht die Technologien als solche stehen im Mittelpunkt, sondern die
Abgrenzung!
Sie sind vom Kundennutzen und Kundenerlebnis besessen. Innovationen in den Bereichen
Customer Experience, Geschäftsprozesse und neue Geschäftsmodelle sind zentral.
Sie haben eine Leidenschaft und Wertschätzung für digitale Technologien. Sie verstehen
deren Grundlagen, Möglichkeiten und Limitationen und treiben die Perfektionierung ihrer
Produkte und Dienstleistungen voran.
Seite 54
Sie sind die eigentlichen Promotoren der Transformation. Sie fördern gute Ideen, geben
Freiräume und vertrauen auf den Wandel. Sie sind es, die eine Atmosphäre der Innovation
und des Machbaren vermitteln und das Fundament für die Zukunft ihrer Firmen bauen.
Führungserfolgsfaktoren für die Transformation
Die Entwicklung einer prägnanten zukünftigen Vision sowie die Initiierung und Verfolgung von
ersten experimentiellen Initiativen sind die Basis für Veränderung. Das Management soll die
digitale Agenda definieren, den kulturellen Wandel ermöglichen und Governance-Mechanismen
etablieren. (Westerman George, Bonnet Didier 2014).
Führung durch Vision, Strategie und wegweisende Initiativen
Definition der Transformationsagenda und Einbeziehung der ganzen Organisation (->
Kommunikation!)
Etablierung einer Governance zur Vereinfachung von bereichsübergreifenden Initiativen
Organisationsentwicklung: digitale Fähigkeiten, digitale Initiativen, Kulturveränderung
Digital Transformation Governance
Das mittlere Management muss die Strategie und die Zielvorstellungen klar verinnerlicht haben,
damit es die Transformation auf den Weg bringen und realisieren kann. Manager auf der
mittleren Ebene, die sogenannten «Digital Leaders», haben auch den direkten Zugriff auf die
Mitarbeiter.
Nun, wer trägt die Gesamtverantwortung für die Transformation? Laut KPMG verlangt die Digital
Transformation eine enge Zusammenarbeit zwischen Marketing und IT-Abteilung (KPMG 2014).
Marketing bringt die Outside-In-Sichtweise ein und trifft Entscheidungen auf Basis von Daten.
Die IT muss die Geschäftsprozesse verstehen, um eine digitale Wertschöpfung für den Kunden
technisch zu realisieren.
Auf den ersten Blick mag dies für die Führungskraft einen plausiblen Weg darstellen, aber eine
ganzheitliche Transformation kann in dieser Kombination alleine nicht stattfinden, obwohl CMO
und CIO sehr wichtige Rollen einnehmen. Der CMO hat die Verantwortung für die Kunden, aber
er wird keine Kompetenzen im Bereich der Geschäftsprozesse (Kapitel 6.2.2) oder der
Entwicklung neuer Geschäftsmodelle (Kapitel 0) haben. Der CIO ist derjenige, der die
Technologien am besten kennt. Kann aber der CIO als Verantwortlicher für die Legacy Systeme
wirklich der Treiber des Wandels werden? In seinem komplexen IT-technischen und -
strategischen Umfeld wird er weder eine holistische Transformation führen noch die richtigen
businessrelevanten Fragen beantworten können.
Da die Veränderung alle Bereiche des Unternehmens betrifft (Strategie, Geschäftsmodell,
Prozesse und Kultur), ist es Aufgabe des gesamten Managements, die Transformation zu
realisieren. Jeder Rolleninhaber sollte sich im Hinblick auf seine Kompetenz die Frage stellen:
Wie kann ich digitale Technologien nutzen, um in meinem Bereich einen signifikanten
Mehrwehrt zu schaffen?
Seite 55
Seite 56
Die Grafik zeigt ein praxisorientiertes, einfaches Beispiel einer Wettbewerbssituation, die für
jeden Player individuelle Fragen aufwirft:
Abbildung 36: Digital Transformation – Beispiele Fragestellungen für Führungskräfte
Nun wird relativ rasch klar, dass die digitalen Technologien in allen Bereichen und für jede Rolle
relevant sind. Die Frage nach der Gesamtverantwortung für die Transformation und
Orchestrierung der strategischen Eckpfeiler im Unternehmen ist jedoch noch immer offen.
Unsere amerikanischen Kollegen
schlagen den Digital
Transformation Officer vor (Jo
Caudron 2014). Dieser soll als
Stabstelle neben dem CEO die
Transformation mit speziellen
Mandaten und Projekten führen und
auf ein Digital Transformation Team
zugreifen können. Durch die
Schaffung dieser Rolle wird einem
Unternehmen bewusst, dass die
Digital Transformation nicht einfach
ein Projekt ist, sondern einen
permanenten Prozess für das Unternehmen darstellt. Der DTO wird durch sein Mandat neue
Spannungsfelder erzeugen und ist gleichzeitig auf die Kooperation und Kollaboration der CxO
angewiesen.
Abbildung 37: Der DTO mit dem Digital Transformation Team
Quelle: in Anlehnung an Caudron J. et al.
(2014, Kindle Location 1304)
Seite 57
Erfolgsfaktoren - Was soll ein Digital Transformation Officer (DTO) mitbringen?
Leadership: Der DTO ist eine Person mit Leadership-Fähigkeiten und Charisma, der das
Management überzeugen kann und die Digital Transformation erfolgreich vorantreibt.
Stratege: Der DTO ist ein Stratege, der neuen Geschäftsmodelle definieren kann, den
Wandel konzipiert, alle strategischen und operativen Herausforderungen kritisch hinterfragt
und diese wenn nötig über Bord wirft.
Digitale DNA: Für jeden Lösungsprozess kann er mit machbaren und digitalen Lösungen
Szenarien für signifikante Verbesserungen entwickeln. Er kennt die Technologien, deren
Nutzen und Reifegrade.
Krisenmanager: Er kann Krisen managen und führt Menschen und die Organisation über das
Change- und Transformation-Management.
Datengetrieben: Er versteht die Aussagekraft der Kennzahlen und führt die Transformation
eines Unternehmens datenbasiert.
Innovationsprojekte: Idealerweise ist er federführend für jedes Innovationsprojekt im
Unternehmen und baut abteilungsübergreifende Silos ab.
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Fähigkeiten nicht sehr von den idealen
Charaktereigenschaften eines CEO. Ein DTO ist für einen CEO dann notwendig, wenn dieser
keine digitale DNA besitzt und die Herausforderung der Transformation wegen mangelnder
Kapazitäten nicht stemmen kann. In einer idealen Kombination würde der CEO zusammen mit
dem CDO die Transformation vorantreiben. Joe Caudron beschreibt die Symbiose wie folgt:
«The CEO stands for the power of the present (and the past), the CDO stands for the opportunities
of tomorrow.»
Abschliessend soll klargestellt werden, dass digital Masters unterschiedliche Wege für den Erfolg
suchen und finden. Firmen wie Starbucks haben in einen Digital Transformation Officer
investiert. Andere Unternehmen mit einer digitalen DNA haben die Verantwortung einem
erfahrenen Manager anvertraut. Es kommt immer auf das individuelle Unternehmens-Setup an,
die vorhandenen Kompetenzen und Managementstrukturen.
Seite 58
7.3 Technologische Fähigkeiten
Bei einer Führungskraft kann tiefes Technologieverständnis nicht unbedingt vorausgesetzt
werden. Für eine Digital Transformation bedarf es allerdings einer neuen Qualität der
Zusammenarbeit zwischen dem Business
und der IT. Führungsverantwortliche
müssen erkennen, welcher
Geschäftsnutzen mit der
Informationstechnologie erzielt werden
kann. Ein CIO muss mehr denn je in
Ergebnissen, Wertschöpfungsketten und
Geschäftsnutzen denken und handeln.
Die unterschiedlichen Rollen sollen in
einer Symbiose eine Passion für die
gemeinsamen Ziele entwickeln und diese
verfolgen.
Was machen die digital Masters? 82%
der digital Masters investieren in digitale
Fähigkeiten, die für das Unternehmen
wichtig sind, versus 40% der Firmen ohne
digital Masters. Sie beschleunigen den
Wandel und nutzen zum Beispiel zu +31%
mehr Soziale Medien, +38% mehr mobile
Technologien und verfügen zu +19% über die besseren analytischen Fähigkeiten. Die
technologischen Fähigkeiten führen auch zu besserer Kollaboration im Unternehmen
(Westerman George, Bonnet Didier 2014).
Schlüsselerfolgsfaktoren für den technologischen Wandel
Aus Sicht der Führungskraft gliedert Cap Gemini die Schlüsselerfolgsfaktoren für eine
kontinuierliche Transformation in vier Kategorien. Die Führung hat die Verantwortung,
Investitionen in folgenden Bereichen zu tätigen:
Ausbau der digitalen Fähigkeiten und Initiativen und Investitionen in diesem Bereich
Damit einem Unternehmen der Wandel gelingt, soll in moderne Informationstechnologien
für den Mitarbeiter sowie in sein Know-how investiert werden. Beides führt zu einer
besseren Kollaboration und mehr Kundenverständnis. Die Digital Transformation gehört
auf die Agenda des Geschäftsführers und des mittleren Managements. Die einzelnen
Rollen sollen ihre individuellen Erfolgsfaktoren verstehen und wissen, welche
Geschäftspotentiale mit Informationstechnologien in ihren Bereichen entstehen können.
Die Geschäftsführung soll aktiv in Initiativen und eine digitale Plattform investieren. Eine
orchestrierte Plattform wird zum Rückgrat des Unternehmens.
Digitale Plattform und Fokus Datenanalyse
Die Grundlage und das Rückgrat der Transformation bildet die digitale Plattform. Während
kleine Firmen meistens unterentwickelte Plattformen haben, stehen die grossen Firmen
vor der Herausforderung der Konsolidierung der einzelnen Silo-Lösungen. Die Investition in
einer gut strukturiertere Plattform (nur so komplex wie notwendig aber maximal
integriert) ist die Basis für den Erfolg. Nur durch eine integrierte Plattform kann das
Abbildung 38: Technologische Fähigkeiten der IT
Quelle: in Anlehnung an Joachimsthaler V. (2014: 22)
Seite 59
Potential in den Bereichen Customer Experience, Operational Excellence sowie neue
Geschäftsmodelle maximal ausgeschöpft werden. Systeme sowie Prozesse müssen
vereinheitlicht werden, Business und IT sollen gleichermassen integriert und
Kundenwissen generiert werden. Die Steuerung der Firma erfolgt über Business-
Intelligence-Tools. Mit einer guten digitalen Plattform lassen sich Skalierungseffekte
erzielen sowie einfach Marktpotentiale erobern. Am Beispiel von Amazon.com lässt sich
verdeutlichen, wie mächtig eine gute digitale Plattform sein kann. Amazon weiss über
Jahre genau, wie das Kaufverhalten und die Customer Journey der Kunden aussehen.
Amazon kennt seine Kunden praktisch persönlich, und dies in einem Massenmarkt!
Duale IT Geschwindigkeit
Mit bestehenden Infrastrukturen kann der CIO vielfach mit der Geschwindigkeit und den
Anforderungen aus dem Fachbereich nicht mehr mithalten. Fachbereiche mit eigenen
Budgets umgehen teilweise die IT komplett um von höheren Innovationszyklen zu
profitieren. Dies fördert weiter die Silo-Entwicklung statt die Sichtweise auf eine digitale
übergreifende Plattform. Als Lösungsansatz wird eine duale IT-Geschwindigkeit
empfohlen. Die Fachbereiche zusammen mit der IT entscheiden, welche Projekte in
welchem Rahmen mit welcher Geschwindigkeit in einem separaten Entwicklungszyklus
durchgeführt werden können. Die duale Betrachtungsweise löst kurzfristig den Spagat
zwischen den Fachbereichen und der IT.
Agilität und schnelle, kontinuierliche Innovationen
Die duale Geschwindigkeit der IT ist nur eine kurzfriste Lösung. Eine bereits etablierte
digitale Plattform hat kurze Entwicklungs-, Innovations- und Go-to-Market-Zeiten. Flickr z.
B. kann bis zu zehn neue Feature-Deployements pro Tag ausliefern (Westerman George,
Bonnet Didier 2014). Oder nehmen wir als Beispiel die Bank aus Kapitel 6.2.1, die die
Dauer für das Release von grösseren Updates von 13 Monaten auf einen Monat reduzieren
konnte. Die Agilität kann erreicht werden indem 1. Lösungen gemietet oder gekauft statt
neu entwickelt werden, 2. eine digitale Plattform eingesetzt sowie 3. eine standardisierte
und einfache Development-Strategie verfolgt wird. Sie erfordert ausserdem rasche
Testing- und Lernzyklen. Um die Agilität weiter zu erhöhen sind Cloud-Lösungen im SAAS,
IAAS und PAAS notwendig.
Spannungsfeld für den CIO lösen
Durch die stärkere Verzahnung der Fachabteilungen mit der IT erhöht sich der Business Fokus
eines CIO. Die Anforderungen an ihn und die IT sind gewaltig und lassen sich mit Investitionen,
dem Ausbau der digitalen Fähigkeiten und einem Governance-Modell bewältigen. Die
grundsätzlichen Herausforderungen lassen sich wie folgt gliedern:
Tabelle 11: Wandel für den Chief Information Officer
VON … … HIN ZU
Technik-Orientierung IT als Selbstzweck Denkt in Kosten Interne Orientierung Folgt Technikinnovationen
Geschäftsprozess-Orientierung IT als Mittel zum (Business-)Zweck Denkt in Ergebnissen Externe Orientierung Treibt Geschäftsinnovationen
Quelle: in Anlehnung an Laudon C. et al. (2009: 870)
Seite 60
Die Position des CIO ist die zwischen dem Infrastruktur-Entwickler und dem Architekten des
Wandels. Laut einer Studie von SAP (Joachimsthaler & Group n.d.) behält die IT weiterhin ihre
klassischen Aufgaben rund um die Robustheit, Sicherheit und Stabilität der Infrastrukturen. Die
Infrastrukturen sind komplexe Gebilde mit langsamen Innovationszyklen.
Genau hier ist bimodales IT-Verständnis notwendig. Laut einer aktuellen Gartner Prognose
werden Unternehmen bis 2017 zu 75% bimodale IT eingeführt haben.
Das bedeutet, dass die IT
einen Modus für die
klassische IT fährt (Stabilität)
und ein zweiter Modus die
Digitalisierung vorantreibt
(Agilität). Gartner warnt
hier vor einem Stuck-in-
the-Middle-Effekt wenn
die zwei Bereiche
voneinander getrennt
betrieben werden und so die
ursprüngliche Idee der
Integration verfehlt werden
könnte.
Daraus lässt sich folgender
Lösungsvorschlag auf drei
Ebenen ableiten. Je nach
Reifegrad der IT-Abteilung
und des CIO sind auch andere
Modelle denkbar. An dieser Stelle ist für die Führungskraft nur das Spannungsfeld zwischen
stabilen und agilen Lösungsansätzen inkl. Rollenverständnis wichtig:
1. Stufe: Infrastruktur-Entwickler übernimmt vormalige CIO-Rolle
Traditionelle Sichtweise: Stabilität und Kostenreduktion
2. Stufe: CIO beschleunigt die Agilität der IT-Abteilung
Vereinfachung der Legacy-Systeme und Priorisierung von
Innovationen im Bereich der Digitalisierung
3. Stufe: CIO als Architekt des Wandels
Der CIO etabliert neue Geschäftsmodelle und trägt keine
IT-Infrastruktur Verantwortung mehr.
Ein gutes Beispiel für die Schnittstellenfunktion und das Rollenverständnis von Fachabteilungen
und IT sind zwei Kernakteure bei der Firma Migros (Joachimsthaler & Group n.d.):
«Das Marketing kommt von der Vision, mehr Kundennutzen zu erzielen. Das ist teilweise noch sehr abstrakt und verlangt von der IT, auch Teil der Visionsentwicklung zu sein und über das ‚Warum‘ Bescheid zu wissen» Roman Reichelt, Head of Brand Marketing, Migros
«Die CIO-Funktion ist immer weniger die eines IT-Spezialisten. Die fachliche Kompetenz ist nicht so sehr der Engpass. Entscheidend ist heute die Fähigkeit, den Mehrwert für das Business aufzeigen zu können und auf dieser Basis gemeinsam Lösungen zu entwickeln» Dominic Bossard, Head BI Solutions, Migros IT-Services
Abbildung 39: Spannungsfeld der IT
Quelle: Joachimsthaler V. (2014: 18)
Seite 61
7.4 Business-Transformation-Fähigkeiten
Neben den Führungs- und technologischen Fähigkeiten einer Unternehmung gibt es auch ein
Grundmuster von Unternehmen, die den Wandel erfolgreich und aktiv gestalten. Dies ergibt sich
aus der Einstellung: «Sei dem Wandel stets voraus». Diese Firmen nutzen die Kräfte des Wandels
statt sich dagegen zu stemmen. Mit dieser Haltung gelten andere Spielregeln. Für diese Firmen
ist der Wandel kein Muss, sondern ein Wunsch. Sie lernen laufend neue Wege zu beschreiten,
wachsen jeden Tag über sich hinaus und substituieren sich selber immer wieder aufs Neue
(Fredmund Malik 2014).
Die Business-Transformation-Management-Fähigkeiten der Unternehmen sind hierfür der
massgebliche Erfolgsfaktor und somit essentiell für die Sicherung der Zukunft. Alex Uhl, Autor
von «Business Transformation Management Methodology», definiert die Business Transfor-
mation wie folgt:
«Business transformation management is the holistic management of extensive, complex
changes on which the organiztation’s future success strongly depends» (FHNW, 2012).
Dieses Grundverständnis über das Konzept der Transformation wird von W. Rouse ebenfalls als
ein Weg der fundamentalen Veränderung gesehen:
«Enterprise transformation concerns change, not just routine change but fundamental change
that substantially alters an organization’s relationship with one or more key constiturencies, e.g.
customers, employees, suppliers, and investors. Transformation can involve new value proposi-
tions in terms of products and services, how these offerings are delivered and supported, and/or
how the enterprise is organized to provide these offerings. Transformation can also involve old
value propositions provided in fundamentally new ways.»
Aus der holistischen Perspektive wird in diesem Zusammenhang rasch klar, dass ein robuster
Veränderungsprozess im Unternehmen über harte und weiche Disziplinen stattfindet. Die
Transformation der Strategie, Struktur und Kultur wird mit Methoden des Change-
Managements und der Organisationsentwicklung nachhaltig umgesetzt. Nur bei perfekter
Abstimmung der einzelnen Disziplinen kann eine Transformation gelingen.
Abbildung 40: Übersicht Transformations-Management
Während beim Change-Management-Ansatz top-down vorgegangen wird, führt im Bereich der
Organisationsentwicklung am ehesten ein kollaboratives Modell zum Ziel. Generell ist es ratsam,
die Mitarbeiter in den Transformationsprozess zu integrieren, um das Potential des gesamten
Unternehmens zu nutzen und die Identifikation mit dem Wandel zu stärken.
Seite 62
Organisatorisches Change-Management
Change-Management beschäftigt sich mit radikalen Veränderungen im Unternehmen, welche
mit den Instrumenten rund um die Organisationsentwicklung alleine nicht mehr realisierbar
wären. Change-Management ist die professionelle und bewusste Initiierung, Gestaltung,
Begleitung und Umsetzung von radikalen Veränderungen einer Organisation, die die
bestehenden Traditionen im Unternehmen bricht (Michael Berger, Jutta Chalupsky 2013).
Veränderungen sind weder gut noch schlecht. Sie können als Problem oder Chance gesehen
werden. Weshalb fällt der Umgang mit diesem Thema dann oftmals so schwer? Wer die
Veränderung gestalten darf, der wird sie begeistert in Angriff nehmen. Diejenigen, deren
Arbeitsbedingungen und Umfeld durch andere verändert werden, stehen dem Wandel eher
skeptisch gegenüber. Je radikaler der Wandel, desto grösser die Widerstände. Da der Mensch
Subjekt oder Objekt der Veränderung sein kann, muss er je nach dem als solches verstanden
werden. O. Neuenburger definiert den Zustand wie folgt:
Herausforderung: Der Mensch wird überwiegend als Element (neben Aufgaben, Sachmitteln
und Informationen) der Organisation angesehen und damit Mittel zum Zweck.
Lösung: Menschen wollen jedoch aus ihrem Selbstverständnis und ethischen Anspruch
heraus als autonome Wesen und im Mittelpunkt betrachtet werden.
Basierend auf meinem beruflichen Werdegang als ständiger «Veränderer der Organisation und
des Status Quos» habe ich diese Grundlektion lernen müssen. Der Mensch mit seinen
Bedürfnissen steht im Fokus der Veränderung! Nur wenn er den Veränderungsbedarf erkennt,
selber veränderungsbereit ist, die Fähigkeiten zur Veränderung besitzt, die Richtung der
Veränderung versteht und einen klaren Auftrag hat, ist er zu einer Veränderung breit. Mein
persönliches Credo in einer aktiven Rolle während der Transformation von drei Industrien
(Transformation Handel, Transformation Digitale Fotografie, Transformation Cloud) lautet: «Nur
wenn mein Gegenüber die bevorstehende Veränderung mehr als ich selbst erfolgreich umsetzen
möchte, habe ich meine Aufgabe gut erfüllt».
Prinzipien für den erfolgreichen Wandel verstehen
Die Grundbedingung für die Veränderung sind der Wille und das Engagement des Top-
Managements, andernfalls kann kein Wandel stattfinden.
P. John Kotter, Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, beschreibt
acht Erfolgsfaktoren für den Wandel. Diese müssen alle sequentiell durchlebt werden, sonst
scheitert eine Transformation.
Abbildung 41: Erfolgsfaktoren für Change-Projekte (Kotter, P. John)
Quelle: Chalupsky J. (2014: 12)
Seite 63
Voraussetzungen schaffen
Die Voraussetzungen müssen über die Vision (Definition eines gewünschten Ideal-Zustands in
der Zukunft) geschaffen werden. Der Veränderungsbedarf, die Veränderungsbereitschaft sowie
die Veränderungsklarheit liefern die Basis.
1. Veränderungsbedarf: Der Veränderungsbedarf muss ermittelt werden. Er ergibt sich
meistens aus Messgrössen in Kombination mit einem qualitativen Zukunftsausblick.
2. Veränderungsbereitschaft: Entsteht durch den Willen und die Beteiligung des Top-
Managements, die Veränderung zu treiben. Die Bereitschaft im Unternehmen kann
durch die Überzeugung aller Beteiligten von der Notwendigkeit erhöht werden oder
über Bedingungen, die ein bestimmtes Handeln erzwingen.
3. Auftragsklarheit: Eine Veränderung wird nicht durch Ankündigungen möglich, sondern
durch Initiativen angestossen. Hierfür müssen Auftrag und Ziel klar sein!
Auftragsklärung für die Intervention
Da es sich um eine Intervention das komplette Unternehmen betreffend handelt, stellt sich die
Frage, was auf welcher Ebene geschehen muss. Wer hat welche (Teil-)Verantwortung, um
diesen Wandel erfolgreich zu gestalten? Digital Masters starten ihre Veränderungsvorhaben
jeweils mit kleinen, agilen Teams, die die Veränderungen treiben wollen. Sie beschleunigen den
Wandel mit raschen, kurzfristig sichtbaren Erfolgen und nutzen in einem zweiten Schritt diese
Power für die Veränderung des kompletten Unternehmens.
Zur Orientierung werden in einer
einfachen 3 x 3-Matrix alle
notwendigen Ebenen im
Unternehmen (Strategie, Struktur,
Kultur), die einzelnen Teams und
beteiligten Individuen dargestellt.
Daraus kann eine holistische
Auftragsklärung abgeleitet werden.
Ein weiterer massgeblicher Aspekt
in der Auftragsklärung ist das
Verständnis hinsichtlich der
jeweiligen Rolle im
Veränderungsprozess sowie die
Klarheit über die Aufgaben und
Verantwortlichkeiten.
Neben dieser grundsätzlichen Definition der Intervention stellt sich die Frage, mit welchen
Individuen eine Firma den Wandel starten möchte. Gemäss einer Stakeholder-Portfolio-Matrix18
sollen auch Promotoren, Meinungsmacher sowie Enthusiasten ins Change-Team aufgenommen
werden.
Organisation in Bewegung setzen und Dynamik der Veränderung begleiten und festigen.
18 Mit einer Stakeholder-Portfolio-Matrix werden in einem Quadranten die Einstellungen der Mitarbeiter sowie ihr Einfluss auf ein bestimmtes Veränderungsziel analysiert.
Abbildung 42: Change-Auftragsklärung im Unternehmen
Quelle: in Anlehnung an Chalupsky J. (2014: 12)
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Ist der Grundstein gelegt, soll die Organisation in Bewegung gebracht und verändert werden. Da
der Mensch im Mittelpunkt steht und mit bestehenden Traditionen bricht, gilt es während der
Veränderung ausser den harten Faktoren möglichst auch die weichen zu berücksichtigen.
Das Unternehmen verlässt den stabilen Systemzustand, tritt in den Veränderungsprozess ein
und soll danach wieder neue Stabilität erlangen.
Initiieren:
Veränderungsbedarf (Sense
of Urgency) erkennen und
definieren in einem noch
stabilen Zustand
Bewegen: Änderungen
werden eingeführt; es
entstehen Schwankungen im
System, die adressiert werden
müssen
Festigen: Die Änderungen in
Strategie, Kultur und
Organisation müssen
gefestigt und begleitet
werden bis das neue System wieder stabil ist
Mit einer etwas kritischen, differenzierten Haltung stehe ich der endgültigen Festigung des
Neuen gegenüber. In unserer sich schnell ändernden Welt könnte die Festigung des Neuen
gleich wieder eine nächste Herausforderung bedeuten. An dieser Stelle bevorzuge ich die
Sichtweise von «Change als Dauerzustand», d. h. die laufende, agile Veränderung, die einen
grundsätzlichen Wandel der Kultur verlangt und über eine längerfristige
Organisationsentwicklung möglich wird. Hier sollten wir von der Kultur der digital Masters
lernen und immer einen Schritt voraus sein.
Umsetzung der Transformation mit konkreten Veränderungskennzahlen
Die eigentliche Transformation wird im Unternehmen als strukturiertes Programm
durchgeführt. Es besteht aus Strategie-, Organisations- und Prozessprojekten und lässt sich nach
Francis J. Gouillart in vier Schritte gliedern:
Reframing :Visionen und Ziele
Restructuring: Prozesse und Infrastruktur
Revitalizing: Märkte und Produkte
Renewing: Mitarbeiter und Organisation
Die Verantwortung für das Programm hat (sofern vorhanden) der Digital Transformation Officer,
welcher in Zusammenarbeit mit dem Digital Transformation Team die Transformation begleitet
und sie über sogenannte «Leading and Lagging Key Performance Indicators» mit konkreten
Veränderungskennzahlen steuert.
Bei der Entwicklung einer Balanced Scorecard oder sonstiger Performance Management
Systeme ist es ratsam, Leading sowie Lagging Performance Indikatoren (TLIs bzw. KPIs) zu
nutzen. Während sich die KPIs nur auf den Outcome eines finanziellen Erfolges beziehen sind es
Abbildung 43: Initiieren, bewegen, festigen
Quelle: Berger M., Chalupsky (2013: 37)
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die TLIs, die als Frühindikatoren den Transformationsprozess/-erfolg messen. Kaplan
unterscheidet hier «Performance Drivers» versus «Outcome Measures» (Roland Waibel 2010).
Oder in anderen Worten: es geht um eine balancierte Betrachtung von Ursache und Wirkung.
Beispiel: Die Investitionen in organisatorische Fähigkeiten, digitale Kompetenzen sowie in
digitale Initiativen führen dazu, dass ein Unternehmen zufriedenere Kunden, bessere Prozesse
und neue Geschäftsmodellen entwickeln kann. Dies wiederum ermöglicht einem Unternehmen,
Marktanteile zu gewinnen, Kosten zu reduzieren und einen höheren Profit zu erwirtschaften.
Um im Kontext der Digital Transformation zu bleiben ergeben sich als Beispiel untenstehende
Messkriterien, die während der Digital Transformation erwirtschaftet bzw. erreicht werden.
Digital Transformation – Werte und Messkriterien (TLIs/KPIs)
Abbildung 44: Digital Transformation – Fokus Key Performance Indicators
Letztendlich ist jedes Veränderungsvorhaben auf ein solides Projekt- und Change-Management-
Know-how angewiesen. Um die Nachhaltigkeit der Veränderungen zu gewährleisten sollte das
Change-Management mit der Organisationsentwicklung verknüpft werden.
Transformationsmanagement ist effizient (Top-Down-Change), nachhaltig
(Organisationsentwicklung) und über Leading und Lagging Key Performance Indikatoren mess-
und steuerbar.
Seite 66
7.5 Erhebung der entscheidungsrelevanten Erfolgsfaktoren
Validierung der Erfolgsfaktoren mit Experteninterviews
Die Validierung der aktuellen Forschung zu den Führungserfolgsfaktoren in der Digital
Transformation (Kapitel 7.1 - 7.4.2) erfolgte mit Experteninterviews. Die Interviews wurden
ausschliesslich mit offenen Fragen geführt, um eine möglichst praxis- und erfahrungsorientierte
Komponente einzubringen.
Die Erfahrung der Experten zu folgenden Bereichen stand im Fokus der Befragung:
Tabelle 12: Fragenkatalog Erfolgsfaktoren
Die Experten waren sich hinsichtlich des Ownerships der Digital Transformation einig und
bestätigen, dass sie nur gelingen kann, wenn die komplette Firma dahintersteht und die
Technologien in der Praxis selber einsetzt. Die Transformation ist nicht delegierbar. Für Firmen,
die eine digitale DNA haben, sei dies keine Herausforderung, denn für jedes Problem würde
ohnehin zunächst nach einer digitalorientierten Lösung gesucht.
Die Experten diskutierten vor allem organisationsrelevante Erfolgsfaktoren und etwas weniger
einzelne Rollen oder Abteilungen. Folgende Cluster sind aus den Fragestellungen entstanden:
Digitale Kultur als Erfolgsfaktor
Die Führung soll die Digital Transformation mit gutem Vorbild leiten und digitale Technologien
selber nutzen, eine neue Form der Zusammenarbeit ermöglichen und im Unternehmen
einführen. Eine fehlertolerante Kultur, die Innovationen fördert und fordert, ist wichtig. Unter
dem Begriff «fail but fail fast» wird von den Experten eine schnelllernende und agile Atmosphäre
gefordert, welche Fehler als Potential erkennt und den Kundennutzen in den Vordergrund stellt.
Eine kontrollierte, höhere Risikobereitschaft und der Einbezug der Kreativität aller Mitarbeiter
werden von den Experten ebenfalls verlangt. Die Transformation erfordert ein Top-Down-
Change-Management und eine Organisationsentwicklung gemeinsam mit dem HR-Team. Die
Veränderung der Kultur ist bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter besonders im Hinterkopf zu
behalten.
Tragende Vision der Führungskräfte als Erfolgsfaktor
Die Experten sahen den Schlüssel zum Erfolg in der Vision der Führungskräfte. Ohne zu wissen,
wohin sich das Unternehmen entwickeln möchte, wie in einer digitalen Welt in Zukunft die
Kunden bedient werden sollen und wollen, würden die Unternehmen scheitern. Eine
resonanzfähige Vision und die Begeisterung des Unternehmens für eine digitale Zukunft sind
gleichermassen grosse Herausforderungen wie Erfolgsfaktoren.
Die Experten waren sich auch einig, dass neue Methoden und digitale Kenntnisse erforderlich
sind, damit die Führungskräfte und das Top-Management eine Vision für ein digitales Zeitalter
entwickeln können. Ein breites Denken über den Tellerrand hinaus ist notwendig. Die Führung
sollte sich von anderen Branchen, digitalen Experten und Firmen inspirieren lassen und
Probleme auch aus einer neuen Perspektive lösen. In der Visionsentwicklung sollte sich jeder
Manager und Mitarbeiter konsequent fragen, wie aus einer Outside-In-Betrachtung die Firma
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einen Kunden in fünf Jahren bedienen möchte. Hierzu sollte sich die Geschäftsführung von den
existierenden, eingefahrenen Managementsichtweisen lösen, sich auf das Thema einlassen und
einen kreativen Prozess anstossen. Bei aller Kreativität sollte allerdings der Fokus auf das
Kerngeschäft beibehalten werden, denn dort liegen die Stärken!
Genau das hat zum Beispiel der Verwaltungsrat einer grossen Schweizer Versicherung gelebt.
Eine Reise in das Silicon Valley hat ihn zu einer Zukunftsvision inspiriert.
Strukturelle Anpassungen als Beschleuniger und Garant der Transformation
Kontrovers wurde die Schaffung neuer Innovations- oder digitaler Transformationsrollen
diskutiert. Während manche dies für eine kurzfristige Massnahme zur Beschleunigung
begrüssten, haben andere negative Erfahrungen gemacht. Die negativen Erfahrungen wurden
allerdings durch das fehlende Sponsorship des Top-Managements präzisiert. Die
Verantwortlichkeit für die Transformation der Schnittstelle zwischen CMO und IT zu übergeben
wurde ebenfalls als wenig zielführend erachtet. Es wird ein starkes digitales Leadership Team
benötigt und der klare Auftrag zur Veränderung des Top-Managements und des CEO! Eine
angepasste Belohnungsstruktur im mittleren Management soll zudem Innovationen und den
Mut zum Risiko fördern und eine kalkulierte Fehlerbereitschaft berücksichtigen. Das mittlere
Management soll in der Zielvereinbarung auf erfolgreiche Transformation-KPIs incentiviert und
die Transformation mittels einer ausgeprägten Governance geführt werden. Hierbei geht es
nicht um das Management eines Status Quos, sondern um die Führung der Transformation.
Führungspersönlichkeiten, die schnell, relevant und transparent den Nutzen der Digital
Transformation in einzelnen Projekten auf der Visionsleiter aufzeigen können, sind gefragt.
Praxis: Nur durch eine laufende Umsetzung entsteht eine Transformation
Bei grundlegenden Themen gilt es allerdings, erst einmal die eigenen Hausaufgaben zu machen,
wenn es um digitale Themen geht. Statt sich in Veranstaltungen über Best-Practices sich zu
informieren, sollten die Firmen die grundlegenden Dinge einfach umsetzen, laufend von
«digitalen Praktikern» lernen und sich austauschen. Die kontinuierlichen digitalen Initiativen,
der laufende Optimierungsprozess sowie die aktive Einbindung der Kunden und Mitarbeiter
schaffen das Fundament für einen harmonischen Wandel.
Ein Beispiel ist hier die SBB. Die neue SBB-App ist derzeit noch ein Beta-Service, der mit einer
Community von ca. 6.000 Testkunden bis zur Produktion laufend verbessert wird. Der Einbezug
der Nutzer, Erfahrungsdaten und der kontinuierliche Verbesserungsprozess ermöglichen eine
maximale Kundenausrichtung und schnelle, priorisierte Optimierungs- und Innovationszyklen.
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Kalibrierung und Zusammenfassung der Erfolgsfaktoren
Die Kalibrierung und Zusammenfassung der Erfolgsfaktoren aus dem theoretischen (Kapitel 6.1)
und dem praktischen Teil (Kapitel 6.3.1) dient als Grundlage für die Entwicklung der Digital
Transformation Methodologie (Kapitel 8). Es wird bewusst nur auf eine Zusammenfassung der
Erfolgsfaktoren aus Perspektive der Führungskräfte und des Top-Managements eingegangen:
Kompass: Erfolgsfaktoren für Führungskräfte 1. Eine eigene Vision und eine umsetzbare Strategie
Die Führungsetage ist der eigentliche Promotor des Wandels. Sie definiert ein lang- fristiges Zukunftsbild für eine digitale Welt und unterstützt leidenschaftlich die transformative Vision. Für die Identifikation der Mitarbeiter ist es entscheidend, messbare Etappenziele der Strategie kontinuierlich zu kommunizieren.
2. Das mittlere Management führt die Transformationsprojekte Das mittlere Management führt die Projekte als «Digital Leaders» im Unternehmen. Für die erfolgreiche Umsetzung sind eine digitale Leadership Governance sowie neue Zielvereinbarungen und Belohnungssysteme notwendig. Das mittlere Management soll für die Transformation und für die Innovationen belohnt werden. Eine höhere Risikobereitschaft sollte gefördert werden.
3. Die Kultur einer Technologiefirma leben und digitale Fähigkeiten entwickeln Das Unternehmen fördert gute Ideen, gibt Freiräume und vertraut auf den Wandel. Es herrscht eine Atmosphäre des Erreichbaren; Kundennutzen und Kundenerlebnis stehen im Fokus. Innovationen in den Bereichen Customer Experience, Geschäftsprozesse und neue Geschäftsmodelle werden honoriert. Digitale Fähigkeiten werden laufend entwickelt und die Zusammenarbeit gefördert.
4. Top-Down-Change-Management und kontinuierliche Organisationsentwicklung Die Grundbedingung für die Veränderung sind der klar geäusserte Transformationswille und die Beteiligung des Top-Managements. Das Change-Management muss aus einer Top-Down-Perspektive bewusst initiiert, gestaltet und begleitet werden. Die Transformation soll mit klaren Zielen sowie Key Performance Indikatoren geführt werden. Für die langfristige Transformation ist eine kollaborative und kontinuierliche Organisationentwicklung notwendig.
5. Digitale Initiativen, Investitionen und Fähigkeiten der Unternehmung Hausaufgaben erledigen! Besonders Initiativen und Investitionen für eine digitale Plattform und die Datenanalyse sollen die digitalen Fähigkeiten erweitern und verbessern. Die einzelnen Initiativen sollen als Programme geführt werden. Um schnelle und kontinuierliche Innovationen sicherzustellen, arbeitet die IT-Abteilung mit dualer Geschwindigkeit.
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8 Digital Transformation Methodologie
8.1 Übersicht Digital Transformation Methodologie
Einleitung und Ziele
In diesem zweiten Teil der Masterthesis geht es nun nicht mehr um die Orientierung WAS zu tun
ist, sondern darum, WIE die Digital Transformation umzusetzen ist. An dieser Stelle möchte ich
vorweg bemerken, dass die Digital Transformation keine einmalige Sache ist, sondern ein
dauerhafter Begleiter im Erneuerungsprozess einer Unternehmung. Sie ist eine Reise ohne ein
klar definiertes Ende. Die Digital Transformation muss deshalb als integrierter Strategieprozess
verstanden werden, der in zeitlich kürzere Strategieprozessintervalle unterteilt werden sollte,
da sich durch die rasante Beschleunigung der technologischen Möglichkeiten auch das
kompetitive Umfeld, die Nutzenvorteile und Gefahren rasch verändern.
Unter der Berücksichtigung der digitalen Ausgangslage (Kapitel 4.5), der erhobenen
Herausforderungen (Kapitel 6.3), Geschäftschancen (Kapitel 6.3) und Erfolgsfaktoren (Kapitel
7.5) wurde die Digital Transformation Methodologie auf die Schlüsselerkenntnisse ausgerichtet.
Eine besondere Beachtung erhalten somit folgende Themen:
Tabelle 13: Übersicht der strategischen Ausgangslage
Herausforderungen Chancen Erfolgsfaktoren
Dringlichkeit zur Veränderung
Vision in einem digitalen Zeitalter
Digitale Business Strategie
Kulturelle Hürden und fehlende Expertise
Unzureichendes Change-Management
IT-Limitationen
Wertschöpfungskette (Effizienz, Wachstum)
Innovation und Sicherstellung des Erfolgs
Customer Experience (externe Potentiale)
Prozessdigitalisierung (interne Potentiale)
Business Modelle (interne Potentiale)
Eine Vision und eine umsetzbare Strategie
Das Management führt die Transformation
Die Kultur einer Technologiefirma leben
Top-Down-Change-Management
Investitionen in digitale Fähigkeiten und Initiativen
Als Grundlage für die Entwicklung des Transformations-Methodologie-Frameworks für
Führungskräfte haben sich in der Literatur vier Quellen als nützlich erwiesen:
Leading Digital – Turning Technology into Business Transformation (Westerman George,
Bonnet Didier 2014)
Business Transformation Management Methodology (Axel Uhl & Gollenia 2012)
Digital Transformation – a model to master digital disruption (Jo Caudron 2014)
Strategisches Management – Visionen entwickeln, Erfolgspotentiale aufbauen,
Strategien umsetzen (Lombriser, Roman Abplanalp 2015)
Während die Autoren von Leading Digital die Erfolgsfaktoren der Transformation mit guter
Recherche, vielen Praxisbeispielen und einem einfachen Transformationskompass für
Führungskräfte untermauern, ist die Business Transformation Management Methodologie von
Axel Uhl & Gollena bei den Themen und der Herangehensweisen sehr umfassend. Axel Uhl
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versucht die Brücke zwischen den einzelnen gut beschriebenen Erfolgsdisziplinen mit einer
gesamten Transformation Methodologie zu schlagen. Parallel dazu weist er auf die notwendige
Balance der einzelnen Disziplinen sowie auf die grosse Bedeutung einer gesamtheitlichen
Berücksichtigung der harten und weichen Faktoren hin. Jo Caudron & Dado Van Peteghem
gehen in ihrem Modell sehr pragmatisch vor und beschreiben aufgrund ständiger Innovation
und immer neuer Business Cases den Transformationsprozess in der Endlosschleife (Disruption,
Modelling und Transformation).
Mein Anliegen ist es nun, den Führungskräften eine Schritt-für-Schritt-Methode für den Visions-
, Strategie- und Umsetzungsprozess aufzuzeigen, die auf der einen Seite einen agilen und
pragmatischen Ansatz verfolgt und auf der anderen Seite auf vorhandenen Führungstools
basiert. Ein besonderer Fokus wird auf die Themen Vision und Change-Management gelegt. Die
Zielgruppe der Methodologie sind Führungskräfte und das Top-Management. Die Anwendung
der Methode soll in einem wiederkehrenden Zyklus hilfreich sein.
Modell: Digital Transformation Methodologie
Die iterative Transformation basiert auf einem fünfstufigen Prozess. Jeder Prozessschritt
berücksichtigt jeweils «Output-Meilensteine» inklusive Erfolgsfaktoren zur Erreichung einer
bestimmten Stufe. Tiefgang und Fokus der Themen sind je nach Maturität, Grösse und
Komplexität der Firma sowie branchenspezifischen Herausforderungen unterschiedlich.
Abbildung 45: Digital Transformation Methodologie
In dem Bewusstsein, dass oben stehender Prozess kein linearer ist und bereits viele digitale
Initiativen in den meisten Unternehmen zum Alltag gehören, dient die Transformation
Methodologie als Reiseführer für eine erfolgreiche, wiederkehrende und nachhaltige
Umsetzung der Digital Transformation.
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Zusammenfassend werden folgende Milestones für eine erfolgreiche Transformation definiert:
1. Framing: Orientierung ermöglichen und Dringlichkeit erzeugen
In einem ersten Schritt geht es um die Orientierung über die aktuelle digitale Realität und
was diese Realität für die eigene Wertschöpfungskette bedeuten kann. Neben einem
Branchenvergleich durch ein Reifegrad-Assessment sollen die eigenen Stärken, Schwächen,
Chancen und Risiken sowie die Treiber der Transformation analysiert werden. Erste
Geschäftschancen werden anhand von Benchmarks sichtbar gemacht und Risiken «was
passiert, wenn wir nichts tun» erfasst.
2. Envision: Vision für ein digitales Zeitalter entwickeln
In einem anregenden Umfeld soll eine Vision für ein digitales Zeitalter erarbeitet werden.
Mit Best Practices aus anderen Branchen, inspirierenden Übungen und einem digitalen
Wertschöpfungsmodell wird eine erste Zukunftsidee entworfen. Im Zentrum steht die
digitale Landkarte mit den drei Wertschöpfungsbereichen Customer Experience,
Optimierung der Geschäftsprozesse sowie Realisierung neuer Geschäftspotentiale. In
Kombination mit den eigenen strategischen Assets, einer digitalen Vision und
transformativen Ambitionen soll eine kundenorientierte Unternehmensvision entstehen.
In diesen mehrstufigen Prozess gilt es, die Mitarbeiter einzubinden.
3. Engage: Strategie und Managementsysteme für ein digitales Zeitalter entwickeln
Drei Fokusbereiche, die gleichzeitig das Rückgrat des Unternehmens darstellen, bilden das
Fundament der Planung für ein digitales Zeitalter: die «digitalen Initiativen», die
«transformativen Initiativen» (bestehend aus Change-Management und
Organisationsentwicklung) sowie die Entwicklung eines «strategischen Management-
Systems». Die strategischen Assets des Unternehmens sowie die Potentiale der digitalen
Technologien in der Wertschöpfungskette stehen im Mittelpunkt. Durch Anwendung der
jeweiligen Modelle entstehen hier das strategische Projektportfolio, das Change- und
Befähigungsportfolio sowie das Management-System für die Steuerung der
Transformation.
4. Transform: Unternehmen mobilisieren und Strategie umsetzen
Eine besondere Beachtung kommt dem Leadership Team zu, denn ohne den klar
geäusserten Willen zur Veränderung aus der Geschäftsleitung und ohne die Führung der
Transformationsprojekte durch das mittlere Management wird keine Transformation
stattfinden. Es werden die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der obersten
Führungsebene erarbeitet, ein digital Governance Team gebildet sowie (falls notwendig)
Befähigungsmassnahmen des Managements eingeplant. Die Sicherstellung der Umsetzung
der Strategie wird durch Herunterbrechen der Business-Scorecard-Ziele auf die Teams und
Mitarbeiter sichergestellt. Die Fachbereiche setzen die Digital Transformation durch
Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern um.
5. Sustain: Transformation verankern und Organisation entwickeln
Den Sieg nicht zu früh feiern! Die Transformation ist eine Reise ohne Ende.
Organisationsentwicklungsprogramme und digitale Initiativen müssen priorisiert werden.
Die Befähigung der Mitarbeiter sowie die Veränderung der Kultur stehen im Mittelpunkt.
Mit einem etablierten Controlling-System sollen zudem die Weichen für ein lenkbares und
lernendes System gestellt werden. Ein Prämissen-, Wirksamkeits- und
Durchführungscontrolling schaffen hierfür die Basis.
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Modell: Digital Transformation Framework
Das Digital Transformation Framework liefert den Rahmen für das strategische und operative
Digital Transformation Management. Ziel ist es, zusammen mit der Transformation
Methodologie, alle Faktoren einer Transformation erfolgreich miteinander in Beziehung zu
setzen.
Abbildung 46: Digital Transformation Framework
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8.2 Modell 1: Ausgangslage verstehen
Notwendigkeit für den Wandel erzeugen
Vorgehen
Unter dem Motto «alle an Bord» sollten die Führungskraft und das Top-Management mittels
verschiedener Awareness-Aktivitäten eine digitale Agenda erstellen. Je nach Firmenkultur und -
schwerpunkt eigenen sich verschiedene Methoden. Vermutlich gibt es im Top-Management
bereits digitale Enthusiasten, die als Koalitionspartner mit eigenen Beiträgen oder Ideen den
Prozess unterstützen. Um diese Reise auch ganz gezielt experimentell zu gestalten, sind externe
Beispiele von digital Masters als «Augenöffner» hilfreich und sollten – so sie für das individuelle
Umfeld passen – nachgelebt werden. Digital Transformation Workshops und Awareness-
Massnahmen sind ebenfalls empfehlenswert.
Sinn dieser Workshops ist, das Bewusstsein für die Veränderungsnotwendigkeit zu schaffen.
Agenda und Ziele für Führungskräfte könnten wie folgt aussehen:
Tabelle 14: Digital-Transformation-Workshop
Nach einem informativen «Teaser» ist es wichtig, die Digitalisierung im Kontext der eigenen
Firma zu erarbeiten und erste Entscheidungen zu treffen:
Standortbestimmung und Benchmarking des eigenen Unternehmens (Kapitel 8.2.2)
Erste potentielle Nutzenermittlung für das eigene Unternehmen (Kapitel 8.1.3)
Definition nächster Schritte und des weiteren Vorgehens des Top-Managements
Erfolgsfaktoren
Das Buy-in für den Workshop kommt vom Geschäftsführer
Der Transformationsprozess wird von einem Senior Leadership-Team Member gestartet
Das Team ist für den definierten Weg offen und (je nach Maturität) bereit, neues Terrain zu
betreten
Gewünschter Outcome
Leadership Team erkennt die Notwendigkeit für die Veränderung
Erste Transparenz der digitalen Maturität durch Standortbestimmung und Benchmarking
Erstes Verständnis über den Hauptnutzen digitaler Technologien für die eigene Firma
Nächste Schritte im Prozess sind definiert
Ein Kernteam ist als das «Digital Leadership Team» definiert
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Analyse - Den eigenen Startpunkt ermitteln
Vorgehen
In der ersten Phase ist es wichtig, das komplette Leadership Team mit der digitalen Maturität
und den Erfolgsfaktoren für den Wandel vertraut zu machen. Da die Führungskräfte dem Thema
digitale Technologien vermutlich generell eher wenig Aufmerksamkeit schenken, sind eine erste,
rudimentäre Analyse des Status Quo und ein Konkurrenzvergleich sinnvoll. Es ist wichtig, dass
gleichzeitig Umsatz- und Rendite-Chancen, die durch den Einsatz von digitalen Technologien
entstehen, eruiert werden.
Für diese erste Analyse bedienen wir uns zweier Maturitäts-Assessments. Des Digital Mastery
Self-Assessments von den Autoren aus Leading Digital und des Assessments von MIT Sloan,
welches die Maturität des eigenen Unternehmens in einem Quadranten darstellt. Für ein
Schweizer marktspezifisches Benchmarking kann der aktuelle Schweizer Digital Transformation
Report 2015 der Universität St. Gallen herangezogen werden, der branchenspezifisch mit ca.
100 Fragen neun Dimensionen ermittelt.
Daraus ist ein zweiteiliger Fragebogen für die Transformation Methodologie entstanden. Das
Top-Management kann direkt im Workshop die Fragen beantworten und mit einer zusätzlichen
digitalen SWOT-Analyse den Startpunkt der eigenen Firma definieren.
Der erste Teil des Fragebogens konzentriert sich auf eine einfache Betrachtung der digitalen
Maturität im Vergleich zum Mitbewerb. In der Horizontalen werden die Führungsfähigkeiten, in
der Vertikalen die digitalen Fähigkeiten ermittelt.
Abbildung 47: Startpunkt ermitteln – einfache digitale Maturitäts- und Benchmarkanalyse
Mit nur zehn Fragen erhält eine Firma einen raschen Überblick über die eigene Maturität und
das verpasste Potential im Vergleich zur Konkurrenz:
1. Grafik: Die Klassifizierung des eigenen Unternehmens in Maturitätsquadranten inklusive
durchschnittlicher Umsatz- und Margenvergleiche von Unternehmen (Daten: Westerman et
al. 2012)
2. Grafik: Direkter Vergleich der Branchen auf Basis der Deklaration der eigenen Branche im
Fragebogen. Hier wird offensichtlich: überall gibt es digital Masters!
Eine etwas differenziertere Betrachtung der digitalen Fähigkeiten des Unternehmens kann im
gleichen oder in einem zweiten Schritt erfolgen. Hierzu werden 30 Fragen zu Vision und
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Strategie, Kultur und Expertise, Organisation und Transformationsmanagement bewertet. Dazu
ist es wichtig, dass die Beantwortung frei, d. h. in eigenen Worten und in einer eigenen SWOT-
Analyse19, erfolgt
Abbildung 48: Startpunkt mit vier Dimensionen + SWOT Analyse ermitteln
Erfolgsfaktoren
Aktive Mitarbeit des Top-Managements und Standortbestimmung
Falls die Grobanalyse als zu aufwändig für das Top-Management erscheint, könnte der
zweite Teil der Analyse (SWOT + detaillierter Fragebogen) auch von einem definierten
Kernteam übernommen werden
In der SWOT-Analyse werden die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken gegenüber dem
Benchmark (digital Masters) ermittelt
Gewünschter Outcome
Das Leadership Team kennt die Maturität der Firma im Vergleich zum Mittbewerber
Erstes Verständnis, welcher Umsatz- und Margenmehrwert erzielt werden kann
Überblick der organisatorischen Herausforderungen auf der Reise der Transformation
19 Die SWOT-Analyse ist ein Instrument zur Positionsbestimmung Strategieentwicklung.
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8.3 Modell 2: Vision entwickeln
Ermittlung der digitalen Soll-/Kann-Landkarte
Vorgehen
Bevor mit der Entwicklung oder Erweiterung der eigenen Vision gestartet wird, soll nochmals
auf den digitalen Gestaltungsbaukasten eingegangen werden. Nicht aus der technologischen
Perspektive, sondern aus Sicht der Chancen, die die digitalen Technologien ermöglichen.
Im ersten Workshop mit dem Leadership Team soll der Nutzen der digitalen Technologien zur
Veranschaulichung in einem Modell zusammengefasst werden. Für jede der drei
Hauptkategorien sollen Beispiele von Mitbewerbern oder anderen digital Masters diskutiert
werden. Für die Visionsentwicklung ist es wichtig, den Beitrag dieser Nutzenbereiche zur
Wertschöpfungskette zu verstehen, damit in einem zweiten Schritt die eigene Vision abgeleitet
werden kann.
Dieser Grundgestaltungsrahmen für digitale Technologien lässt sich in die untenstehenden
Kategorien gliedern (siehe auch Kapitel 0):
Abbildung 49: Themenlandkarte der Digital Transformation
Quelle: in Anlehnung an Westerman et al. (2011: 17)
Auf Basis dieses Gestaltungsbaukastens kann unabhängig vom aktuellen Technologiereifegrad
eine erste digitale Soll-Betrachtung der Zukunft erfolgen. Wo soll das Unternehmen im Rahmen
der Digitalisierung in drei Jahren stehen? Die Übung kann für jeden Bereich im Unternehmen
unterschiedlich ausfallen. Sie ermöglicht im Hinblick auf eine übergreifende Vision aus einer
gesamtheitlichen Perspektive einen allgemeinen Überblick und schafft einen groben
Konsensrahmen für ein digitales Soll-Bild.
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Abbildung 50: Ist-/Kann-Visionsentwicklung auf Basis dreier digitaler Kernnutzen
Mit diesem ersten Schritt kann der Gestaltungsrahmen abgesteckt werden. Die Übung sollte
aufrütteln, einen Aha-Effekt auslösen und zur Weiterentwicklung der bestehenden
Geschäftsvision animieren.
Erfolgsfaktoren
Die Nutzenkonkretisierung soll dem Führungsgremium eine transparente Orientierung der
digitalen Möglichkeiten geben.
Die Übung ist allerdings erst dann erfolgreich, wenn die Teilnehmer in einem zweiten Schritt
ihre Resultate im Gremium diskutieren und gemeinsam ein erstes Fazit für eine mögliche
Vision und eine Priorisierung möglicher Schwerpunkte ziehen.
Gewünschter Outcome
Konsensfindung über Nutzen digitaler Technologien im Führungsteam
Transparenz des Nutzens der Technologien und Kategorisierung der Schwerpunkte
Kräfte für eine Digital Transformation mobilisieren da Mehrwerte erkannt werden
Startpunkt und Buy-In für die Entwicklung einer transformativen Vision
Entwicklung einer transformativen Vision für ein digitales Zeitalter
Vorgehen
Um einen einheitlichen Transformation-Methodologie-Prozess zu garantieren, wird die
Visionsentwicklung an bewährte Praxismethoden aus Studien (Westerman et al. 2011)
angelehnt. Zusätzlich wird das mehrdimensionale Rahmenkonzept der Balanced Scorecard nach
Kaplan/Norton verwendet, um in einem späteren Schritt den Transfer von der
Strategieentwicklung zur Strategieumsetzung zu ermöglichen.
Dieser kreative, zukunftsorientierte Prozess betrifft die Führungskräfte und soll ausserhalb des
Geschäftsalltags stattfinden. Die Begleitung durch einen externen Moderator kann sinnvoll sein.
Der Verwaltungsrat einer Schweizer Versicherung ist zum Beispiel in das Silicon Valley gereist,
um sich an der Quelle der technologischen Innovationen inspirieren zu lassen. Zudem sollten
Mitarbeiter unterschiedlicher Hierarchiestufen in einem nächsten Schritt einbezogen werden.
Das Vorgehen ist weder Top-Down noch Bottom-Up, sondern greift ineinander. Die
Geschäftsleitung setzt den Prozess in Gang und stellt sicher, dass die Belange der Mitarbeiter
einfliessen. Diese Herangehensweise ist zeitaufwändig, d. h. wir sprechen ggf. von einer
Prozessdauer von mehreren Monaten.
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Um die einzelnen Erfolgsfaktoren der digital Masters für die Visionsentwicklung zu
berücksichtigen, ist ein methodischer Ansatz notwendig, dessen Teilumsetzungen in einem
Visionsworkshop erarbeitet werden sollten:
1. Identifikation der eigenen strategischen Assets in einer digitalen Welt
Als Basis für die Entwicklung einer neuen oder Erweiterung einer bestehenden Vision
sollen zuerst die eigenen strategischen Assets analysiert werden. Über welche
Kernkompetenzen (z. B. Produktedesign) oder Kernwerte (z. B. Bekanntheitsgrad,
Kundendaten) verfügt das Unternehmen? Darüber hinaus sollte man sich Gedanken
machen, welche der Assets auch in der Zukunft wichtig und schwierig zu imitieren sind.
Diese Assets liefern die Basis für eine Vision in einem digitalen Zeitalter. Jay B. Barney hat
für die Ermittlung der Assets die VIRO Analyse (Valuable, Rare, Costly to Imitate,
Organization) vorgeschlagen.
2. Sich inspirieren lassen und die Zukunft anhand aktueller Trends antizipieren
Um einen kreativen Prozess zu ermöglichen, müssen die Offenheit für Neues und das
Interesse an digitalen Technologien vorhanden sein. Die Führungskräfte sollen über den
eigenen Tellerrand blicken und sich von digital Masters ausserhalb der eigenen Branche
inspirieren lassen. Parallel dazu müssen die eigenen Branchentrends im Auge behalten
sowie gesellschaftliche und technologische Megatrends für die eigene Vision
berücksichtigt werden. Auch die Ermittlung der Reifegrade aktueller Technologien soll in
die Betrachtung einfliessen.
3. Entwicklung der Vision (Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse und -potentiale)
Die Vision soll «gross» gedacht werden und die Kundenperspektive in den Mittelpunkt
stellen. Die digital Masters gehen von einer Outside-in-Betrachtung aus und gestalten ihre
Vision rund um das Kundenerlebnis, was wiederum neue Prozesse erfordert und im
Ergebnis idealerweise gleich neue Geschäftspotentiale aufzeigt.
4. Transformative Ambitionen kreieren
Die Ambitionen können in drei Kategorien gegliedert werden: Substitution, Erweiterung
oder Transformation. Bei substitutiven Innovationen werden bestehe Produkte oder
Dienstleistungen durch digitale Innovationen abgelöst. Bei der Erweiterung geht es um
keine radikalen Veränderungen, sondern um Verbesserungen. Bei der Transformation ist
die komplette Erneuerung der Firma das Ziel. Die Kategorisierung der Ambitionen
unterstützt bei der Entwicklung einer zielführenden Strategie.
5. Die Vision für ein digitales Zeitalter finalisieren
Die erarbeiteten Dimensionen werden nun zusammengefasst. In einem finalen Prozess soll
die transformative Vision kurz und inspirierend definiert werden. Diese Definition dient als
kurz-, mittel-und langfristiger Wegweiser während des gesamten
Transformationsprozesses und auch danach bei der Festigung und Verankerung der
Transformation.
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Nun gilt es in einem zweiten Schritt die finalisierte Vision auf die mehrdimensionale Balanced Scorecard zu übertragen.
Im methodischen Modell wird für jeden
Kernbereich der Digitalisierung
(Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse,
Geschäftspotentiale) eine eigene Vision
erstellt, die in die Gesamtvision des
Unternehmens eingehen soll. Dies
verleiht jedem digitalen Thema
zusätzliches Gewicht. In der Strategiefindung dient die übergreifende Vision als Anleitung für die
digitale Entwicklung.
Abbildung 52: Ablaufprozess und Outcome der digitalen, transformativen Vision
Erfolgsfaktoren
Das Top-Management muss den Visionsentwicklungsprozess in Gang setzen.
Mitarbeiter verschiedener Hierarchiestufen sollen am Visionsentwicklungsprozess
teilnehmen.
Der Prozess läuft weder Top-Down noch Bottom-Up sondern greift ineinander.
Der Prozess ist von Offenheit, Weitsicht, Kreativität und Inspiration geprägt.
Die Vision soll betriebswirtschaftliche Aspekte und emotionale Werte berücksichtigen.
Gewünschter Outcome
Eine fesselnde, inspirierende, transformative digitale Vision der Zukunft.
Eine Vision, welche Mitarbeitern und weiteren Anspruchsgruppen als Wegweiser dient
und beschreibt, wie die Unternehmenswelt aussieht, wenn der Kernauftrag erfüllt ist.
Eine Vision, an der Mitarbeiter wachsen und mit der sie sich identifizieren können.
Das Augenmerk liegt auf der Intention (wohin die Reise geht) und dem Outcome der
Reise.
Abbildung 51: Vision für ein digitales Zeitalter erstellen
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8.4 Modell 3: Strategie entwickeln
Entwicklung strategisches Managementsystem
Vorgehen
Es bedarf keiner eigenen digitalen Strategie, sondern einer Business-Strategie für ein digitales
Zeitalter. Hierfür könnte ein Unternehmen grundsätzlich das bestehende strategische
Zielsystem verwenden und es dahingehend überarbeiten, dass die «Digital-First-Perspektive»
berücksichtigt wird. Das heisst, dass digitale Technologien dort Einzug halten, wo sie einen
signifikanten Mehrwehrt und Wettbewerbsvorteil bieten.
Für die Digital Transformation Methodologie nehmen wir als Grundlage die erarbeitete Vision
und das Ziel-System der Balanced Scorecard. Aufbauend darauf sollen digitale (Kapitel 8.4.2) und
transformative (Kapitel 8.4.3) Initiativen geplant und in der Balanced Scorecard berücksichtigt
werden. Gerade für die Steuerung, die Überwachungs- und die Lenkungsprozesse der
Transformation ist ein strategisches Controlling unerlässlich.
Abbildung 53: Strategisches Zielsystem für die Digital Transformation
Folgender iterativer Prozess führt zu einem zweckmässigen, verknüpften und transparenten
Managementsystem:
1. Digitale Ambition für das strategische Zielsystem formulieren (siehe Grafik)
2. Identifikation des digitalen Potentials für das strategische Zielsystem (siehe Grafik)
3. Planung der digitalen (Kapitel 8.4.2) und transformativen (Kapitel 8.4.3) Initiativen
4. Erster Vorschlag der Massnahmen, Ziele und Messgrössen für die Balanced Scorecard
Der iterative Prozess erfordert gleichermassen digitale- und Managementfähigkeiten.
Erfolgsfaktoren
Der Fokus liegt auf der Differenzierung des Business basierend auf digitalen Technologien.
Nicht die Technologien als solche stehen im Mittelpunkt.
Das Top-Management ist vom Kundennutzen besessen. Innovationen in den Bereichen
Customer Experience, Geschäftsprozesse und neue Geschäftsmodelle werden priorisiert.
Seite 81
Die notwendige Expertise, Leidenschaft und Wertschätzung für digitale Technologien sind
vorhanden. Zudem versteht das Top-Management die Grundlagen, Möglichkeiten und
Limitationen der digitalen Technologien.
Das Unternehmen verfügt idealerweise bereits über strategische Managementsysteme,
welche einen effizienteren Veränderungsprozess erlauben.
Der Strategieprozess startet beim gewünschten Endresultat, welches die Firma erreichen
möchte, und nicht bei den Aktivitäten! Dies ermöglicht eine grobe Priorisierung der
Initiativen, die für die Gesamtstrategie einen Beitrag leisten sollen.
Gewünschter Outcome
Es entsteht die erste Verknüpfung und transparente Sichtweise, wie digitale Technologien
dem Unternehmen einen signifikanten Mehrwert und eine Differenzierung ermöglichen.
Der Anstoss des Prozesses durch das Top-Management ist der visible Startpunkt für eine
erfolgreiche Transformation: von der digitalen Strategie hinzu einer Business Strategie für
ein digitales Zeitalter.
Mit der Integration der digitalen Initiativen in die Business-Scorecard ist die Grundlage für
einen steuerbaren und transformativen Prozess geschaffen.
Planung digitaler Initiativen (Projekte)
Vorgehen
In einem Top-Down-Prozess müssen nun die Führungskräfte der Fachbereiche und die IT-
Verantwortlichen die relevanten IT-Themenfelder aktiv aus den strategischen Zielen ableiten.
Die übergeordnete Strategie, die gesellschaftlichen und technologischen Treiber (Kapitel 4.3)
sowie die digitale Themenlandkarte (Kapitel 0) schaffen die Basis für die Projekte, welche in zwei
Schritten ermittelt werden sollten:
1. Digital Transformation Modellierung: Identifikation der Business Cases
2. Ranking der Business Cases und Verabschiedung der Projekte
An dieser Stelle ist ein standardisierter und vorausschauender Prozess essentiell. Dieser Top-
Down-Ansatz wird idealerweise einmal pro Jahr für die Themen der Fachabteilungen
durchgeführt, bei denen der grösste Handlungsbedarf besteht.
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Digital Transformation Modellierung: Identifikation der Business Cases
Angelehnt an das Modell von Jo
Cuadron werden die Initiativen auf Basis
zweier Grunddimensionen ermittelt:
Drivers of Transformation (DoTs)
Key Transformation Areas (KTAs)
Auf deren Basis kann mittels
standardisiertem Prozess die digitale
Landkarte der Schlüsselthemen in
einem rotierenden und
wiederkehrenden Vorgehen entworfen
werden.
Die etwas angepassten Schritte für diese Transformation Methodologie sehen auf der Basis der
erarbeiteten Vision und Strategie-
Management-Systeme wie folgt aus:
1. Insight: Alle an Bord –
Bewusstsein für den Wandel schärfen
Für die Identifikation der einzelnen Themengebiete (KTAs) sind die Führungskräfte der
Fachbereiche, die IT-Verantwortlichen sowie die betroffenen Mitarbeiter ins Boot zu
holen. Für die Erarbeitung der Business Cases muss über ein emotional resonanzfähiges
Zukunftsbild und eine schlüssige Strategie die Basis für den Veränderungsbedarf
geschaffen werden. Dies ist der Kick-off für die Top-Down-Überlegungen mit einem
Auftrag an die Fachabteilungen!
2. Impact: Analyse und Klassifizierung der KTAs
Sind wir bereit für die Zukunft? Die möglichen Kernbereiche der Transformation werden
aus der Kundenperspektive (Outside-in) analysiert und die Prioritäten gesetzt. Damit
dieser Prozess aus der übergeordnete Strategie heraus unter Berücksichtigung der
gesellschaftlichen und technologischen Treiber (Kapitel 4.3) sowie der digitalen
Themenlandkarte (Kapitel 0) erfolgt, ist eine Rückkoppelungsanalyse sowie eine
Erweiterung der strategischen Ausrichtung erforderlich. Die erarbeitete Themenlandkarte
(Kapitel 8.3.1) soll ergänzt und mittels Scorecard bewertet werden. Hier wird neu auch die
Fähigkeit der Umsetzung ermittelt.
> Grün = Projekt ist gestartet und hat eine hohe unternehmerische Bedeutung
> Orange = Projekt im Rahmen der Vision nicht gestartet und hat eine hohe Bedeutung
> Rot = Projekt könnte jetzt starten und einen hohen unternehmerischen Beitrag leisten
> Schwarz = Keine unternehmerische Bedeutung für die nächsten fünf Jahre
3. Szenarien: Entwicklung der Lösungsansätze
Im nächsten Schritt werden die Key Transformation Areas (KTAs) in verschiedenen
Lösungsszenarien erarbeitet. Die Basis für die unterschiedlichen Betrachtungsweisen
liefern die gesellschaftlichen und technologischen Treiber (DoTs). Das Ziel ist nicht die
Zukunft korrekt zu gestalten, da sie letztendlich nicht voraussehbar ist. Es geht darum, eine
bessere Entscheidungsgrundlage zu schaffen, d. h. externe und interne Faktoren zu
berücksichtigen um die daraus entstehenden Konsequenzen für Projektentscheidungen
einschätzen zu können.
Abbildung 54: Digital Transformation Modelling
Quelle: in Anlehnung an Caudron J. et al. (2014:
Kindle Location 680)
Seite 83
4. Business Cases: Wirtschaftlichkeitsermittlung der Geschäftszenarien
Die ermittelten Initiativen sollen anhand eines Business Cases beurteilt werden: sind sie
rentabel, passen sie zu Vision und Strategie, sind sie in bei einem vernünftigen Kosten-
/Nutzenverhältnis durchführbar? Durch die Ermittlung der Prioritäten aus den
Fachbereichen unter grober Einschätzung der technischen Umsetzbarkeit (IT-Sicht) werden
ausser der Wirtschaftlichkeit auch die Ressourcen und Risiken betrachtet, um
erfolgversprechende Projekte zu identifizieren. Um eine gesamtheitliche Sichtweise und
eine transparente Rückkoppelung zum strategischen Zielsystem der Balanced Scorecard zu
garantieren, wird für die Transformation Methodologie das Business Canvas Modell von
Alexander Osterwalder empfohlen. Für die Rückkoppelung zur Balanced Scorecard sind die
Ziele, Kennzahlen, Vorgehensweisen und Massnahmen für die Perspektiven Kunden,
Prozesse, Innovationen und Finanzen zu erarbeiten.
Abbildung 55: Entwicklung der Business Cases
Quelle: in Anlehnung an Osterwalder & Pigneur (2010: 44)
5. Trendwatching: Entwicklung eines Frühwarnsystems
Die Geschwindigkeit der Transformation sowie unvorhersehbare disruptive Innovationen
sind der Alltag. Dies erfordert eine hohe Flexbilität und Agilität sowie Weitsicht für die
anstehenden Herausforderungen. Aus diesem Grund ist ein institutionalisiertes
Frühwarnsystem für KTAs und DoTs notwendig. Um auf dem Laufenden zu bleiben sollen
die Fachbereiche zum Beispiel den Opinion Leaders auf Twitter folgen, die wichtigsten
Blogs mit RSS abonnieren und eine kontinuierliche, globale Marktbeobachtung vornehmen
(z. B. USA). Die Fachbereiche sollen einmal pro Jahr die aktuellen Chancen und Gefahren
präsentieren und einen wiederkehrenden Innovationscycle anstossen.
Seite 84
Portfolio Management Business Cases
Die Planung des Projektportfolios dient als finales Instrument zur Unterstützung bei der Auswahl
der «richtigen» Business Cases. Die erarbeiteten Business Cases werden vor dem Hintergrund
des Geschäftsnutzens, der eigenen Fähigkeiten, verfügbaren Ressourcen und Investitionsmittel
ausgewertet. Falls die Business Cases in den Anforderungen zu komplex sind, können sie in
mehrere kleine Projekte und Releases unterteilt werden.
Ziel ist es, durch einen definierten Priorisierungsprozess und ein definiertes
Entscheidungsgremium die strategischen Projekte zuzuteilen. Für die Transformation
Methodologie ziehen wir ein einfaches Modell aus dem Lean-IT-Management20 heran.
Priorisierung der Business Cases
Tabelle 15: Priorisierung der Business Cases
Quelle: in Anlehnung an Sujata U. (2014: 10)
Finales Ranking und Entscheidung
Die finale Verabschiedung der strategischen
Projekte kann anhand der erarbeiteten,
visualisierten Dimensionen erfolgen. In der
dreidimensionalen Darstellung werden die
unternehmerische Bedeutung, die
finanzielle Bedeutung und das Risiko der
Verschiebung (Grösse des Durchmessers)
dargestellt. Die Projekte werden in vier
priorisierte Kategorien eingeteilt.
Die Bewertung durch das Gremium kann
somit erfolgen. Aufgrund der finalen
Entscheidung werden die verabschiedeten
Projekte mit den Zielnutzen (Kunden,
Prozesse, Innovation, Finanzen) und den
avisierten Zielkennzahlen (Messgrössen,
KPIs, Massnahmen, Steuergrössen) in die
Business Scorecard aufgenommen (Sujata 2014).
Exkurs Strategieentwicklung: Bei der Identifikation der Business Cases während des
Modellingprozesses liefern die Drivers of Transformation (DoTs) und Key Transformation Areas
(KTAs) die Basis. Sie ersetzen jedoch nicht die strategischen Überlegungen des Unternehmens.
20
Abbildung 56: Projekt-Ranking-Matrix
Quelle: in Anlehnung an Sujata U. (2014: 9)
Seite 85
Idealerweise werden sie Teil einer gesamtheitlichen Wettbewerbs-, Ressourcen- und
Innovationsstrategie und damit einer gesellschaftsbewussten Gesamtstrategie.
Erfolgsfaktoren
Das Top-Management initiiert den Prozess mit den Fachabteilungen und der IT indem es
den Veränderungsbedarf kommuniziert und eine Veränderungsbereitschaft fördert.
Letztendlich startet das Top-Management den Prozess für die Erarbeitung der Business
Cases und stellt sicher, dass der Auftrag für die Fachbereiche und die IT klar ist.
Der angelaufene und top-down getriebene Prozess wird von den Fachgebieten und IT-
Verantwortlichen mit Begeisterung aufgegriffen und getrieben. Das avisierte Zukunftsbild
ist inspirierend und motivierend für die Beteiligten. Stossrichtung der Strategie und deren
Ziele sind klar.
Die Fachbereiche und die IT sind vom Kundennutzen besessen. Innovationen in den
Bereichen Customer Experience, Geschäftsprozesse und neue Geschäftsmodelle werden
priorisiert.
Die Fachgebiete und die IT haben die notwendige Expertise für die Aufgabe. Sie verfügen
über Ressourcen sowie Investitionsmöglichkeiten für diese erste Phase. Das Top-
Management belohnt idealerweise das innovative Handeln der Beteiligten.
Gewünschter Outcome
Der erste Transfer von der Vision zur Strategie ist erfolgt. Mittels digitaler Initiativen wurde
definiert, was das Unternehmen bei erfolgreicher Umsetzung erreichen wird. Das anvisierte
Ziel ist mit messbaren KPIs definiert.
Digitale Initiativen werden inklusive notwendiger Ressourcen und Investitionen für die
Umsetzung geplant und abgesegnet.
Die digitalen Initiativen sind mit TLIs und KPIs in der Business Scorecard hinterlegt.
Das Top-Management, das mittlere Management und die IT sind abgestimmt und verfolgen
das gleiche Ziel.
Seite 86
Planung der Transformation (Change- und Organisationsentwicklung)
Vorgehen
Kulturelle Hürden, fehlendes Know-how und unzureichendes Change-Management sind die
Hauptursachen für das Scheitern der Digital Transformation. Das muss nicht sein! Richtiges
Transformationsmanagement ist effizient (professionelles Change-Management), nachhaltig
(Organisationsentwicklung), mess- und steuerbar (KPIs).
Das Ausmass der Investitionen in diesem Bereich hängt ab von den vorhandenen versus
notwendigen Fähigkeiten sowie von der gefühlten Radikalität der Veränderung für die
Mitarbeiter. Kulturelle Aspekte und Werte eines Unternehmens können den Wandel zusätzlich
verlangsamen oder beschleunigen. Für die Ermittlung der optimalen Strategie werden in dieser
Methodologie folgende vier Schritte empfohlen:
Ausgangslage verstehen und Interventions- und Handlungsebenen identifizieren
Als Grundlage für die Ermittlung der Handlungsfelder sollen das bereits durchgeführte
Assessment zu den digitalen Fähigkeiten des Unternehmens sowie die erarbeitete SWOT-
Analyse (Kapitel 8.2.2) herangezogen werden. Für die anstehenden digitalen Initiativen wird der
Veränderungsbedarf über Schlüssel-Stakeholder-Interviews ermittelt. Je nach Bedarf sind
weitere Analysemethoden, wie zum Beispiel die Stakeholder-Analyse sowie präventive
Widerstands-Analysen oder interne anonyme Umfragen, empfehlenswert.
Bei der Ausgangslage sind folgende Interventionsebenen zu priorisieren:
Veränderungsbedarf bei digitalen Initiativen
Veränderungsbedarf auf Strategie-, Struktur- und Kulturebene
Veränderungsbedarf auf Unternehmens-, Bereichs- und Individuumsebene
Das Vorgehen bei dieser
Methodologie unterstützt die
Priorisierung und Identifikation der
Interventions- und
Handlungsebenen. Die einzelnen
Dimensionen für die digitalen
Initiativen (Projekte) sowie der
Unternehmensveränderungen
werden anhand der
Veränderungsbereitschaft-/-
fähigkeit und über die empfundene
Radikalität der Veränderung
ermittelt.
Basierend auf dieser Diagnose
entsteht ein Interventions-
/Handlungsportfolio für das
Unternehmen in vier Quadranten. Der horizontale Wert spiegelt die empfundene Radikalität der
Veränderung wieder, die vertikale Achse die Veränderungsfähigkeit.
Abbildung 57: Transformation-Portfolio-Matrix
Seite 87
Seite 88
Entwicklung und Verabschiedung der Change-Story
Die Interventionsebene, die avisierte Vision und die bereits geplanten digitalen Initiativen
weisen den Weg für die Change-Managementstrategie. In einem Top-Down-Verfahren sollen
eine Change-Story sowie die Themenfelder der Veränderung erarbeitet werden. Ziel ist es, im
Top-Management durch Transparenz für alle Beteiligten die Akzeptanz des Wandels
sicherzustellen. Für die Umsetzung muss das Top-Management zwei Dinge verabschieden:
Change-Story: Die Sechs Veränderungsfragen an das Management
Veränderungsebenen: Neun-Felder-Matrix
Erst nach erfolgtem Konsens kann die Massnahmen- und Kommunikationsplanung beginnen.
Abbildung 58: Change-Management-Story
Wichtig ist im Rahmen der Change-Story die Frage: «Was passiert, wenn nichts passiert?»
Planung der Change-Management-Massnahmen
Auf Basis der identifizierten Interventionsbereiche soll für die priorisierten Interventionen ein
grober Massnahmenplan erstellt werden. Inhaltlich ähnliche Themencluster können im Vorfeld
oder im Nachhinein zusammengefasst werden. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die Methodik
der Planungseinheiten auf der jeweils gleichen Basis beruht und die notwendigen Investitionen
für die Massnahmen budgetiert werden.
Das Planungstemplate berücksichtigt:
Die Priorisierung der Veränderungsintervention aus der vorherigen Übung
Die Beschreibung der gewünschten Veränderung (von > hin zu)
Eine grobe Beschreibung der Massnahmen für das Erreichen des Soll-Zustands
Die Definition der Interventionsebene (Gesamtunternehmen, Team, Individuum)
Messkriterien für den gewünschten Soll-Zustand
Grundlagen für die Überlegungen der Massnahmen:
Die vom Top-Management verabschiedete Change-Story
Das vom Top-Management verabschiedete Interventionsmodell inkl. Handlungsfelder
Die acht Erfolgsfaktoren für den Wandel (Kotter, P. John Professor)
Das Drei-Phasen-Modell (Auftauen, Bewegen, Einfrieren) von Kurt Lewin
Beispiel einer Change-Massnahme in einem Vertriebsteam:
Interventionsbereich: Vertrieb
Seite 89
Ziel: Kosten für die Kundenakquise reduzieren und kundenorientierte Interaktion
Von: Der stationäre Verkauf und der Verkauf auf Messen sind ineffizient. Kunden sind online
aktiv.
Hin zu: Marketing und Vertrieb sollen über soziale/digitale Kanäle erfolgen.
Veränderung: Für den Vertrieb ist das eine grosse Veränderung, ein völlig neues Konzept.
Widerstände sind zu erwarten.
Massnahmen: 1) Kommunikation Vision, Ziele, 2) Schulung Teams, 3) Coaching Individuum
Interventionsebene: Team und Individuum
Messkriterien: Anzahl Verkäufe über soziale/digitale Kanäle, Kosten für die Neuakquise von
Kunden
Das oben stehende Beispiel erfordert noch keine Einbindung von IT und Projekt-Management.
Dennoch wird vermutlich die Radikalität der Veränderung aus der Perspektive der Verkäufer als
hoch empfunden. Ohne geeignete Veränderungsmassnahmen wird das Vertriebsteam
Widerstände aufbauen und die Neuausrichtung sabotieren.
Exkurs: Entwicklung der Mitarbeiter und deren Fähigkeiten
Der vorgesehene Change-Massnahmenplan enthält auch die Entwicklung der Mitarbeiter (Staff)
bzw. deren Fähigkeiten (Skills), die das Fundament einer erfolgreichen Digital Transformation
bilden. Das Human Resources-Team muss deshalb unbedingt in den Change-Prozess
eingebunden werden. Folgende Themen gehören in diesem Zusammenhang auf die Agenda:
Personalgewinnung: Talente mit digitalem Background für eine digitale Welt gewinnen
Personalentwicklung: Laufende Entwicklung und Ausbildung der Mitarbeiter, um den
Wandel sicherzustellen (z. B. digitale Fähigkeiten ausbauen, Schulungen)
Intrapreneur-Programme: Talentierte Wandlungsträger (sogenannte Champions, die den
Wandel für andere vorbildlich vorleben) sollen von Intrapreneur-Programmen profitieren,
die einen Freiraum für kreatives Unternehmertum, Fehlertoleranz und Risikobereitschaft
schaffen
Tabelle 16: Change-Management-Massnahmenplanung
Planung der Kommunikationsmassnahmen
Die Kommunikationsstrategie wird in dieser Transformation Methodologie als separater und
ergänzender Planungsbaustein zu den Massnahmen betrachtet, um die Wichtigkeit der
Kommunikation herauszustellen. Sie ist ein entscheidender Erfolgsfaktor im Change-
Management und fällt in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Führungsebene.
Seite 90
Zum Kommunikationsplan gehören eine Checkliste und ein Template, das auf zwei
Kommunikationsphasen eingeht. Dieses ist angelehnt an das Modell von Lauer Thomas, Autor
von «Change-Management: Grundlagen und Erfolgsfaktoren».
Tabelle 17: Change-/Kommunikationsplan in zwei Phasen
1. Phase: Kommunikation zum Start der Veränderung. Fokus ist hier die Dringlichkeit der
Veränderung, die Vision und die Strategie zu kommunizieren. Dies ist Aufgabe des Top-
Managements. Die Kommunikation muss zielgruppenorientiert sein und Feedback-
Mechanismen beinhalten. Der beste Weg sind persönliche Gespräche, Team-Meetings und
-Events. Dieser Prozess muss kontinuierlich wiederholt werden.
2. Phase: Kommunikation während der Durchführung der Veränderung Erfolge sollen
möglichst rasch, Quick-Wins sowie Projektfortschritte laufend kommuniziert werden. Die
positive Veränderung der Key Performance Indikatoren muss regelmässig mitgeteilt
werden. Transparente und zeitnahe Kommunikation zu Herausforderungen, die zu stemmen
sind, ist ebenfalls wichtig. Widerstände, Ängste und Blockaden sollen identifiziert und in
Gesprächen diskutiert und abgebaut werden. Wandlungsträger, die sich durch besondere
Leistungen auszeichnen, werden belohnt und unterstützen bei der Kommunikation.
Die Quintessenz in der Zusammenfassung ist: Die Grundbedingungen für die Veränderung sind
der Wille, die Beteiligung und die klare Intervention des Top-Managements. Ohne dies ist der
Wandel von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Erfolgsfaktoren
Ausgangslage (von …) und Soll-Zustand (… hin zu) müssen klar definiert sein. Der Soll-
Zustand dient als Orientierung für den Wandel.
Während der Change-Planung den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Neben der
Sachebene muss auch die Beziehungsebene berücksichtigt werden.
Es ist entscheidend, dass weiche (z. B. Kultur, Kommunikation, Einstellungen) und harte (z.
B. Strategie, Struktur, Regeln) Faktoren berücksichtigt werden.
Die Planung bezieht alle Interventionsebenen (Unternehmen, Team, Individuum) ein.
Die Verabschiedung der Change-Story durch die Führungsetage ist die Basis für die
Legitimation und den Auftrag aller Change-Initiativen.
Die genaue Ermittlung der Interventions- und Handlungsebenen und deren Priorisierung
für den Change-Massnahmen- und Kommunikationsplan ist essentiell.
Gewünschter Outcome
Verbindliche Change-Story für die notwendigen Handlungsfelder (Neun-Felder-Matrix)
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Verbindlicher Change-Massnahmen- und Kommunikationsplan inklusive zugeteilter
Ressourcen und Investitionen
In der Planung wird die Personalentwicklung berücksichtigt.
Das Change-Management hat bei Führungskräften
und mittlerem Management Priorität, der Nutzen ist allen Beteiligten klar.
Mittels definierter Key Performance Indicators erhalten die Führungskräfte ein
transparentes Mittel, wie sie den Wandel begleiten und steuern können.
Seite 92
8.5 Modell 4: Transformation umsetzen
Digital Leadership Team: Mobilisierung und Koordination
Vorgehen
Zwei wesentliche Erfolgsfaktoren für den Wandel sind die Leadership-Fähigkeiten des
Managements sowie eine gute Transformationsgovernance. Während das Top-Management die
digitale Agenda definiert, den kulturellen Wandel ermöglicht und die Governance-Mechanismen
einführt muss das mittlere Management die Strategie und die Zielvorstellungen klar
verinnerlicht haben, damit es die Transformation auf den Weg bringen und realisieren kann.
Führungskraft: Leadership für die Mobilisierung des Unternehmens
Die Führungskraft soll hier das Leadership und nicht das Management der Transformation
übernehmen. Leadership, weil sie während der Digital Transformation die Mitarbeiter
mobilisieren und begleiten muss. Sie gibt die Richtung vor und ist bei Problemen der erste
Ansprechpartner. Ihre Kernaufgaben während der Digital Transformation sind:
1. Die Richtung vorgeben: Strategie zur Erreichung der Vision aufzeigen
2. Alle Beteiligten zum gemeinsamen Ziel hinführen: Kooperation für die Zielerreichung sichern
3. Motivieren und begeistern: Mitarbeiter trotz Hürden für die Digital Transformation
begeistern und auf deren Bedürfnisse, Werte und Emotionen eingehen
4. Die Basis für eine Digital-ready-Kultur schaffen und die Veränderung ermöglichen
5. Einen Massnahmenkatalog für den Wandel definieren und kommunizieren
In der Methodologie sollen die Aufgaben der Führungskräfte geplant und deren Erfüllung
sichergestellt werden. Eine Reihe dieser Aufgaben aus dem Change-Kommunikationsplan kann
nicht delegiert werden. Falls die Führungskraft keine digitalen Fähigkeiten besitzt, muss sie sich
diese aneignen und (sofern diese Rolle vorhanden ist) mit dem Digital Transformation Officer
eng zusammenarbeiten.
Aufbau Digital Governance Team
Die Digital Transformation Governance ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Transformation
(Kapitel 7.2.3). Fehlt eine gute Governance, dann werden die Potentiale der Digital
Transformation nicht ausgeschöpft. Aufgabe der Governance ist es, das Silo-Denken der
Abteilungen zu abzubauen, die Digital Transformation als Programm zu etablieren und den
gegenseitigen Austausch sowie funktionsübergreifende Aktivitäten zu ermöglichen. Der Fokus
der Governance sowie deren Verantwortlichkeiten müssen frühzeitig definiert und laufen
angepasst werden. In dieser Methodologie wird das Ziel der Governance auf Basis der digitalen
Transformationserfolgsfaktoren (Kapitel 7.5.2) und der notwendigen Rollen und
Aufgabenbereiche für die Transformation definiert (Kapitel 7.2.3).
Ziele des Digital Governance Teams
Steuerung: Das Steering Commitee aus dem Senior Leadership Team kann rasche
Entscheidungen treffen, neue Projekte lancieren oder Projekte stoppen, Prioritäten setzen,
und Projekte mit geringem Nutzen depriorisieren oder nicht durchführen.
Koordination: Die Transformation auf Basis der geplanten digitalen Initiativen, der Change-
Management-Massnahmen und der Business Scorecard bereichsübergreifend koordinieren
und als Programm führen
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Sharing: Zusammenbringen von digitalen Fähigkeiten und deren bereichsübergreifenden
Einsatz koordinieren, Know-how-Transfer und Skalierungsmöglichkeiten der digitalen
Initiativen ausloten
Mobilisierung: Zusammen mit der Führung ist das Digital Transformation Governance Team
verantwortlich für die Mobilisierung der Organisation.
Verantwortlichkeiten Governance Team
Oberste Führungskraft: Ist Auftraggeber und trägt die Gesamtverantwortung für die
Transformation
Führungskräfte der Fachbereiche: Sind die digital Leaders und tragen die Verantwortung für
die Umsetzung in ihren Teams und Bereichen
Governance Teamleiter: Trägt die Verantwortung für das methodische Vorgehen bei der
Transformation. Hier ist eine Senior Rolle erforderlich (siehe hierzu Überlegungen in Kapitel
7.2)
Erfolgsfaktoren
Leadership Fähigkeiten, digitale Fähigkeiten sowie Change-Management Fähigkeiten
Die Organisation für Veränderungen und Innovationen sensibilisieren, die Richtung
vorgeben und mit gutem Beispiel glaubwürdig vorangehen
Die digitalen Technologien für die Gestaltung des Wandels selbst nutzen, die
Kommunikation fördern und Feedback aus der Organisation laufend integrieren
Konsens herbeiführen, Machtkämpfe vermeiden, Widerstände lösen, Projekte und
Initiativen steuern
Korrekturmassnahmen ergreifen, um die Durchsetzung der Strategie sicherzustellen
Die Organisation für den Wandel begeistern und die Basis für eine steuerbare und
erfolgreiche Transformation schaffen
Mittels Kommunikation in den einzelnen Phasen der Veränderung die Firma lenken
Gewünschter Outcome
Die oberste Führungskraft nimmt die Rolle des Leaders wahr und mobilisiert/führt die
Organisation in die richtige Richtung.
Für die Führung der Digital Transformation ist eine verantwortliche Senior Person definiert
worden. Ob dies ein Digital Transformation Officer oder ein anderes geeignetes Mitglied aus
dem Management-Team ist, ist zweitrangig.
Das Digital Governance Team besteht aus Führungskräften. Wichtige Rollen und für die
Transformation federführend sind: CIO, CMO, HR, CEO, Bereichs- und Projektleiter.
Das Management leitet die Projekte; alle beteiligten Mitarbeiter tragen eine
Teilverantwortung gemäss Zielvereinbarungen.
Enge Zusammenarbeit von Führungskräften und IT-Abteilung
Seite 94
Umsetzung und Steuerung der transformativen Massnahmen
Vorgehen
Voraussetzung für die Umsetzung ist, dass Zielsetzungen kommuniziert, verstanden und bei
Bedarf angepasst werden. Während die digitale Strategieentwicklung in zwei bis drei Monaten
erfolgen kann, dauert die Umsetzung der Strategie ggf. zwei bis drei Jahre. Bei der Umsetzung
ist es empfehlenswert, die Prozesse an
die existierenden und spezifischen
Unternehmensprozesse anzupassen.
Wichtig ist in jedem Fall, dass bei der
Stra-tegieentwicklung die Führungs-
kräfte den Hut aufhaben und auch, dass
für die Strategie-umsetzung die aktive
Betei-ligung der Mitarbeiter erfor-
derlich ist.
Damit das ganze Unternehmen
mobilisiert werden kann, müssen Ziele
und Aufträge auf Abeilungs-, Bereichs-
und Individuumebene herunter-
gebrochen werden. Die durch die
Balanced Scorecard ermittelten Werte
und Massnahmen sind für die
individuellen Zielvereinbarungen die Basis.
Die einzelnen Schritte nochmals im Überblick:
Balanced Scorecard-Ziele finalisieren
Balanced Scorecard-Strategie-Map erstellen
Herunterbrechen der Ziele und Projekte auf die Teams/Individuen
Zielvereinbarung mit den Mitarbeitern erstellen
Balanced Scorecard als Instrument für die Strategieumsetzung
Als Management Instrument für die Umsetzung wurde in der Strategiephase bereits die
Balanced Scorecard (BSC) vorgestellt. Diese dient als wesentliches Steuerungsinstrument für die
Führungskräfte. Um eine ausufernde Ansammlung von Kennzahlen zu verhindern, ist eine
Zusammenfassung der wichtigsten Messgrössen, Zielwerte und Initiativen erforderlich. Das
steuerbare Zielsystem soll ein Mix aus monetären und nicht monetären Kennzahlen sein und
sowohl Leistungstreiber (TLIs) als auch klassische Ergebniskennzahlen (KPIs) beinhalten. Da in
der Priorisierung der Kennzahlen die klassischen allgemeinen Erfolgsfaktoren einer Business
Scorecard ggf. zu stark verdichtet werden, sind reine «Digital Transformation KPIs» für die
Identifikation und Führung der Transformation wichtig. Unten stehend ein Beispiel zur Anregung
für die Umsetzung:
Abbildung 59: Zielsystem für die Umsetzung der Strategie
Quelle: in Anlehnung an Sachs S., Rühli E. (2013: 57)
Seite 95
Tabelle 18: Business-Scorecard-Strategie-Map mit Massnahmen und Zielwerten
Digitale Landkarte
Vision u. Strategie
Messgrössen
Zielwerte
Massnahmen
Finanzen Beitrag Digitale Technologien
Umsätze mit neuen Produkten und DL erzielen
Anteil neuer
Produktumsätze Anteil neuer DL-
Umsätze
15%
35%
Entwicklung neuer
digitaler Produkte: Projekt A, B, C
DL-Erweiterung durch digitale Technologien: Projekt, A, B, C
Kunden Customer Experience
Innovative, qualitativ hochwertige Produkte anbieten
Kommunikations-
kosten reduzieren Sales-Conversion
erhöhen Anteil Self-Service-
Käufe erhöhen
-15%
+100%
> 20%
Projekt: BI und Multi-
Channel-Kommunikation Projekt: CRM Projekt: Digital-
Salesexperience
Potentiale Neue und erweiterte Business Modelle
Produkt- u. DL-Entwicklung für künftige Marktchancen
Produkt-
Innovationszyklus erhöhen
Neue Produkte entwickeln, testen
4/Jahr
2/Jahr
Projekt: Digitale
Dienstleistungen
Projekt: A. Task-Force-In-novation, B. Intrapren-Projekt, C. Partnerships
Prozesse Digitale Prozesse und Kollaboration
Prozesse optimieren, Produktivität erhöhen
Durchlaufzeit für
Entwicklung kürzen Reduktion der
Produktionskosten Major Releases:
Frequenz erhöhen Produktivität MA
erhöhen
< 5 Tage
15%
6/Jahr
+20%
Projekt: Automation
Projekt: Roboter
Projekt: IT-Agilität
Projekt: Mobilität MA
Quelle: in Anlehnung an Lombriser R., Abplanalp P. (2015: 359)
Ergebnis ist das Digital Transformation Cockpit für die Umsetzung und Steuerung der Aktivitäten
des Leadership Governance Teams. Diese Werte müssen in einem zweiten Schritt auf die Teams
und das Individuum heruntergebrochen werden, damit eine Umsetzung tatsächlich erfolgen
kann.
Herunterbrechen der Ziele auf untere Ebenen
Um die gewünschte Wirkung in der Umsetzung zu erzielen, soll die Business Scorecard auf die
Abteilungen und Mitarbeiter übertragen werden. Alle Teams und Mitarbeiter benötigen digitale
und transformative Ziele und einen klaren Auftrag für deren Erreichung.
Initiativen auf die Teams herunterbrechen:
Digitale Projekte und Massnahmen (Kapitel 8.4.2)
Digitale Transformationsmassnahmen (Kapitel 8.4.3)
Seite 96
Führung durch Zielsetzung (MBO = Managemend by Objectives)
SMARTe Ziele erarbeiten (spezifisch, messbar, aktiv beeinflussbar, realistisch, terminiert)
Um den Innovations- und Veränderungsprozess erfolgreich zu meistern, sollten neben den
harten auch weiche Faktoren (Entwicklung der digitalen Fähigkeiten, neue
Verhaltensmuster für ein digitales Zeitalter) berücksichtigt und honoriert werden.
Die Führungskräfte sollen die Teams entsprechend der Zielerreichung ausrichten und
Zielvereinbarung für die Mitarbeiter definieren. Dieser Prozess ist zeitintensiv und beinhaltet die
Kommunikation der zukünftigen Vision und der Strategie sowie der Anforderungen an jeden
einzelnen durch die Führungskräfte. Die Mitarbeiter sollen aktiv beteiligt und mögliche
Probleme und Schwierigkeiten mit ihnen individuell diskutiert werden, denn insbesondere
radikale Veränderungen machen Angst!
Erfolgsfaktoren
Als Grundprinzip für die Umsetzung gilt, dass Ziele kommuniziert, verstanden, umgesetzt
und bei Bedarf angepasst werden.
Verknüpfung der Strategie mit Massnahmen und Herunterbrechen der Massnahmen auf die
Teams/einzelne Individuen
Entwicklung der geeigneten Führungsinstrumente für die Strategieumsetzung (Balanced
Scorecard, Scorecard-Strategie-Map, MBOs für die Mitarbeiter)
Die erfolgreiche Ausrichtung der Organisation auf die Strategie (Kultur, Struktur, Prozesse)
Leadership-Fähigkeiten, digitale Fähigkeiten sowie Change-Management-Fähigkeiten.
Gewünschter Outcome
Die Mitarbeiter fühlen sich durch die Vision inspiriert und verstehen die Strategie. Sie wissen
wie die Welt aussieht, wenn der Kernauftrag der Firma erfüllt ist.
Der mit der Strategie definierte Auftrag wurde im Unternehmen angenommen (Teams,
Mitarbeiter).
Jede betroffene Person kennt seine SMARTen Ziele und den eigenen Beitrag zur Strategie.
Das Management hat die notwendigen Instrumente an der Hand um die Teams und
Mitarbeiter zu führen (Balanced Scorecard, Strategie-Map, Zielvereinbarungen).
Digitale Initiativen sowie Change- und Entwicklungsmassnahmen sind definiert,
Verantwortlichkeiten zugeteilt; alle Beteiligten sind startklar für die Umsetzung.
Seite 97
8.6 Modell 5: Transformation verankern
Controlling als Überwachungs-, Lern- und Lenkungsprozess
Vorgehen
Die Strategiekontrolle ist fast das letzte Modul in diesem Transformationsmodell. Ein Wort dazu
vorneweg: «Keine Transformation läuft nach Plan». Eine Digital Transformation erfordert
deshalb Flexibilität, Learning-by-Doing-Ansätze sowie eine lernende Organisation, die durch
Praxiserfahrung den richtigen Weg findet.
Für das Controlling sollen die bereits erarbeiteten strategischen (Balanced Scorecard) und
operativen (Zielvereinbarungen) Systeme die Basis bilden. Parallel dazu wollen wir aber auch ein
flexibles System, das Strategiecontrolling zur Förderung von Flexibilität und zum Lernen nutzt
und das Trendwatching einbezieht.
Als Grundlage dient die Gliederung des Controllings in die Prämissen-, Wirksamkeits- und
Durchführungskontrolle (Lombriser, Roman Abplanalp 2015). Das Controlling-System soll im
Kontext die erarbeiteten Instrumente und unter Einbezug des Digital Governance Teams
untenstehende Aspekte berücksichtigen. Die Frequenz der Controlling-Einheiten ist eine
Annahme.
Tabelle 19: Controlling-System
Dimension Instrument Iterativer Prozess Prämissenkontrolle Überprüfung «Warum?» und Auseinandersetzung mit Umwelt
Trendwatching Branchenstudien Marktanteile Google Trends Social Media Monitoring
laufend jährlich monatlich laufend laufend
Wirksamkeitskontrolle Überprüfung «Was?»; werden strategische Ziele erreicht?
Balanced Scorecard Verkaufsstatistiken Digital Analytics
(Bsp. CPC, CPL, CPO, Churn) Prozess-Monitoring
monatlich wöchentlich laufend
laufend
Durchführungskontrolle Überprüfung «Wie?»; interne Ziele in der Umsetzung erreicht?
Projekt-Management Change-Management
Kotter-Erfolgsfaktoren MBOs
monatlich monatlich
quartalsweise
Quelle: in Anlehnung an Lombriser R., Abplanalp P. (2015: 415, 416, 417)
Lenkungsaufgabe des Controllings
Der Controllingprozess soll so gestaltet werden, dass die Fragen für die Steuerung und
Lenkunsprozesse beantwortet und Massnahmen daraus abgeleitet werden können. Die Schritte
für das effektive Lenken:
1. Ursachenforschung für aktuelle oder potentielle Abweichungen 2. Neuformulierung oder Anpassung der Strategie und Ziele
Seite 98
3. Sofortmassnahmen und mittelfristige Massnahmen einleiten
Controlling zur Unterstützung im Lernprozess
Wichtig zum Verständnis: Rückmeldungen aus dem strategischen und operativen Controlling
dienen nicht als moralische Druckmittel, sondern als Führungsinstrument. Das Ziel ist,
Verbesserungen einzuleiten und die Zukunft zu gestalten.
Wird dies in der Kultur des Unternehmens so gelebt und verstanden, dann sind die Bedingungen
für ein lernendes und offenes Unternehmen gegeben. Nicht nur Führungskräfte, sondern auch
Mitarbeiter stossen neue Denk- und Lernprozesse an und werden zum Unternehmer in der
Unternehmung.
Erfolgsfaktoren
Aufbau eines Controlling-Systems, welches Leading- (TLIs) sowie Lagging Performance (KPIs)
Indikatoren ausweist und die Analyse der Schlüsseldimensionen Prämisse, Wirksamkeit und
Durchführung ermöglicht
Controlling-Instrumente dienen der Zielführung und werden auf unterschiedlichen Ebenen
genutzt. Das Digital Leadership Team verwendet für das strategische Controlling die
Balanced Scorecard. Die Manager definieren zusammen mit ihren Mitarbeitern die MBOs.
Controlling-Instrumente unterstützen das Projekt-Management.
Das Controlling ist Mittel zum Zweck. Es werden nur so viele und solche Daten analysiert,
wie für die Lenkungsprozesse notwendig sind.
Es herrscht eine Kultur des Lernens mit dem Ziel, Verbesserungen einzuleiten und die
Zukunft zu gestalten.
Gewünschter Outcome
Controlling-Mechanismen sind etabliert und Unternehmen nutzt das Controlling
erfolgreich für Lenkungsprozesse
Effizienter Prozess in der Ursachenforschung, Zieladaption und Umsetzung
Überblick, ob das Unternehmen in der Transformation auf dem richtigen Weg ist.
Das strategische Controlling fördert das Lernen auf allen Unternehmensebenen.
Das Controlling fördert die Flexibilität um zeitnahe und situationsbedingt
Änderungsmassnahmen einzuleiten.
Investitions-, Vergütungs- und Belohnungssysteme
Vorgehen
Eine Veränderung kann durch Konsens und Zielvereinbarungen eingeleitet und gesteuert und
durch ein Belohnungssystem flankiert werden, das auf das strategische Zukunftsbild
ausgerichtet ist. Ohne die konsequente Anpassung des Vergütungs- und Investitionsverhaltens
werden die Veränderungsziele nicht erreicht. Die Mitarbeiter sind skeptisch, ängstlich und nicht
genügend motiviert und verunmöglichen so den Change. Wird z. B. ein Verkäufer nur auf die
Erreichung des Deckungbeitrags entlohnt, wird er keine neuen Produkte fördern und alles daran
setzen, disruptive Angebote zu verhindern. Wenn auf der anderen Seite nur in die Bereiche
investiert wird, in denen heute die grössten Deckungsbeiträge erzielt werden, dann entstehen
keine neuen Produkte, keine neuen Dienstleistungen und keine neuen Geschäftspotentiale.
Seite 99
Fragestellungen
Prüfung des aktuellen Investitionsverhaltens: Investiert die Firma konsequent in die
definierten strategischen Bereiche? Stoppt das Unternehmen die Investitionen, die für die
Strategie als nicht zielführend erachtet werden?
Prüfung der aktuellen Bonus- und leistungsvariablen Entlohnungssysteme: Werden die
Mitarbeiter angemessen belohnt? Fördert das Bonussystem Innovation, unternehmerisches
Verhalten sowie die Umsetzung der Strategie?
Verfügt das Unternehmen neben extrinsischen Anreizen (Bonussysteme) auch über
organisatorischen Voraussetzungen, um die intrinsische Motivation (Eigenantrieb) zu
fördern?
Bei Abweichungen zur Strategie sind diese Massnahmen nötig:
Investitionen: Neuplanung und Ausrichtung auf die Geschäftsstrategie
Bonussysteme: Neuplanung und Ausrichtung auf die Geschäftsstrategie
Motivationssystem: Förderung der intrinsischen Motivation über die
Organisationsentwicklung
Erfolgsfaktoren
Bei disruptiven Innovationen braucht es Mut, Weitsicht und Überzeugungskraft der
Geschäftsführung. Interne Stakeholder und Shareholder müssen für die neue Ausrichtung
gewonnen werden.
Bei der Desinvestition von lukrativen Hochburgen ist Durchsetzungsstärke gefragt.
Bei Investitionen in innovative Projekte ist eine höhere Risikobereitschaft erforderlich.
Die Anpassung der Investitionen sowie Bonussysteme erfordert kontinuierliche und exakte
Steuerung (zu hohe Transformationsgeschwindigkeit könnte auch negative Folgen für das
Geschäftsergebnis haben).
Eine Organisation, die gleichermassen auf extrinsische wie intrinsische Motivation setzt.
Gewünschter Outcome
Bonussysteme sind auf die digitale Transformationsstrategie ausgerichtet.
Anerkennungssysteme sind auf besondere Leistungen im Wandel ausgerichtet.
Investitionen fliessen in die strategisch wichtigen Initiativen. Investitionen in andere
Projekten werden reduziert oder gestoppt.
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Verankerung der Veränderung in der Unternehmenskultur
Vorgehen
Im Kontext der Digital Transformation haben sich aus der Erfahrung von Best Practices
(Westerman George, Bonnet Didier 2014) bestimmte Schlüsselentwicklungsthemen für die
Organisation als erfolgskritisch erwiesen. Deren Planung und laufende Umsetzung ist essentiell.
Untenstehende sechs Themen sollen priorisiert werden und gehören zum Modell der
Transformation!
Mitarbeiter befähigen und beim Top-Management starten
Gerade im Top-Management mangelt es an Wissen über digitale Technologien. Dies wird
umso problematischer, wenn die Zielgruppe des Unternehmens «digital Natives» sind und
die Führungskräfte digitale Technologien selber nicht nutzen. Als Leader der
Transformation soll das Management digitale Fähigkeiten und Change-Management-
Fähigkeiten besitzen und in der Praxis umsetzen. Im Anschluss können alle im
Veränderungsprozess wichtigen Rollen befähigt werden.
Reverse-Mentoring-Programme für Führungskräfte einführen
Revers-Mentoring-Programme bringen meist jüngere, digital innovative Mitarbeiter mit
Führungskräften ohne digitale Kompetenzen zusammen. In einer offenen und lernenden
Organisation profitieren beide Seiten von einem Austausch.
Intrapreneur-Programme für Talente starten
Talentierte Wandlungsträger sollen von Intrapreneur-Programmen profitieren. Durch
einen neuen Freiraum für Unternehmertum, durch Fehlertoleranz und Risikobereitschaft
wird zusätzlich Innovation gefördert.
Den Rekrutierungsprozess modernisieren
Einer der Schlüsselfaktoren bei der Entwicklung der Organisation ist der
Rekrutierungsprozess. Das Design des Rekrutierungsprozesses soll so ausgerichtet sein,
dass Talente gewonnen werden, die nicht nur einen Mehrwehrt zur Strategie leisten,
sondern wichtige Impulse und Inspirationen für die einzelnen Teams mitbringen.
Die Zusammenarbeit zwischen der IT und dem Business laufend entwickeln
Eine reibungslose Zusammenarbeit der IT- und Fachabteilungen ist erfolgskritisch. Sowohl
die IT-Abteilung (Kapitel 7.3.2) als auch die Fachbereiche (Kapitel 7.2.2) müssen befähigt
werden und aus einer Outside-in Betrachtung die gleichen Verbesserungsziele gemeinsam
verfolgen.
Die grundlegenden Investitionen für eine zukunftsfähige, digitale Plattform intensivieren
Die Investitionen in die IT dürfen nicht mehr klassisch gesehen werden (Plan, Build, Run,
Manage) sondern müssen im Hinblick auf zukunftsfähige, digitale und agile Plattformen
getätigt werden, um eine erfolgreiche Transformation zu unterstützen
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Erfolgsfaktoren
Es herrscht ein offenes und lernendes Umfeld im Unternehmen, von dem Mitarbeiter und
Management profitieren.
Das Verständnis für einen kontinuierlichen Veränderungsprozess ist vorhanden.
Der Erfolg der Transformation soll nicht zu früh gefeiert werden; es gilt sicherzustellen, dass
die neuen Verhaltensmuster in der Unternehmenskultur verankern werden.
Gewünschter Outcome
Fähigkeiten: Die notwendige Expertise, die Leidenschaft und die Wertschätzung für digitale
Technologien sind vorhanden. Das Unternehmen versteht die Grundlagen, Möglichkeiten
und Limitationen der digitalen Technologien.
Fähigkeiten: Eine agile und flexible Plattform ermöglicht kontinuierliche Innovationen.
Kultur: Das Unternehmen ist vom Kundennutzen besessen. Innovationen in den Bereichen
Customer Experience, Geschäftsprozesse und neue Geschäftsmodelle werden priorisiert.
Kultur: Der Spirit des Unternehmens fördert innovative Werte und digitale Technologien.
Abschliessend zur Transformation Methodologie ein paar Zitate, die ich gerne zum Thema
«Lernen» bei meinen Transformations-Workshops mit unseren Cloud IT-Partnern verwende. Ich
empfinde sie als dahingehend inspirierend, wie grundsätzlich mit Veränderungen umgegangen
werden kann.
Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du
mich tun lässt, das verstehe ich. (Konfuzius, chinesischer Philosoph, 551 - 479 v. Chr.)
Lesen ohne Liebe, Wissen ohne Ehrfurcht, Bildung ohne Herz, das sind die schlimmsten
Sünden gegen den Geist. (Hermann Hesse, deutsch-schweizerischer Lyriker, Essayist,
Erzähler und Kritiker, 1877 - 1962)
Wer aufhört zu lernen, ist alt, sei er zwanzig oder achtzig. Wer immer lernt bleibt immer
jung. (Henry Ford, amerikanischer Automobilproduzent, 1863 - 1947)
Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, sollte man in einer neuen Schüler
werden. (Gerhart Hauptmann, deutscher Dichter, Erzähler und Epiker, 1862 - 1946)
Lernen, ohne zu denken, ist eitel. Denken, ohne zu lernen, ist gefährlich (Konfuzius,
chinesischer Philosoph, 551 - 479 v. Chr.)
Viel Erfolg!
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9 Abschliessende Beurteilung
9.1 Zusammenfassung
Das Thema der vorliegenden Arbeit «Digital Transformation – Orientierung und Navigation für
Führungskräfte» wurde zunächst aus einer empirischen, praxisorientieren Perspektive
beleuchtet (Orientierung) und anschliessend durch eine methodische Transformation
Methodologie (Navigation) abgerundet.
Erster Teil: Orientierung für Führungskräfte
Ein Beitrag zur Orientierung wurde durch die empirische Sammlung, Verwertung, Validierung
und Kalibrierung der strategischen Ausgangslage geleistet. Die theoretischen Grundlagen der
Digital Transformation, die bereits erhobenen Statistiken sowie die ergänzenden
Experteninterviews aus dem Schweizer Markt ermöglichten es, den theoretischen Bereich mit
Praxiswissen zu untermauern.
Die Kernfrage «Was ist zu tun und welche neuen digitalen Technologien bringen meinem
Unternehmen einen signifikanten Geschäftsnutzen? » konnte mittels empirischem Prozess
beantwortet werden. Die Ermittlung der Ausgangslage sowie die entscheidungsrelevanten
Dimensionen wurden am Ende der Kapitel zusammengefasst:
Ausgangslage: Digital Transformation – Die Welt in der wir leben! (Kapitel 4.5)
Herausforderungen: Herausforderungen für Unternehmen auf einen Blick (Kapitel 0)
Geschäftschancen: Geschäftschancen der Transformation (Kapitel 6.3.2)
Erfolgsfaktoren: Erfolgsfaktoren für Führungskräfte (Kapitel 7.5.2)
Der Mehrwehrt der digitalen Technologien lässt sich in die für den Geschäftsführer relevanten
Dimensionen der eigenen Wertschöpfungskette abbilden. Richtig eingesetzt führen sie zu
Wachstum und Effizienz sowie zu Kunden-, Partner- und Mitarbeiterzufriedenheit bzw. -
loyalität.
Zur allgemeinen Orientierung kann der Nutzen der Technologien in die drei Gestaltungsbereiche
Kundenerlebnis, Geschäftsprozesse und neue Geschäftspotentiale gegliedert werden.
Zusammen mit den unternehmensspezifischen strategischen Assets ermöglichen digitale
Technologien nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern sichern den Fortbestand der
Unternehmen.
Dem stehen allerdings die Herausforderungen der (etablierten) Unternehmungen gegenüber:
kulturelle Hürden und fehlende Technologieaffinität in einem digitalen Zeitalter in Kombination
mit der fehlenden Dringlichkeit zur Veränderung sind die Top-Bremser.
Zwei Interview-Experten hatten allerdings wenig Verständnis für die Aufregung, die mit der
Digital Transformation einhergeht. Ihr Pragmatismus scheint mir der richtige Weg für eine Reise,
die kein bestimmtes Ende hat. Ihr Credo war ganz einfach: Unternehmen müssen ihre
Hausaufgaben machen, durch Praxiserfahrungen die digitale Welt verstehen und sich dauerhaft
hinterfragen. Sie sollen sich von fixen Zielvorstellungen verabschieden, da nicht alle kommenden
Innovationen vorhersehbar sind. Kontinuierliches Ausprobieren und Lernen, sich mit Praktikern
vernetzen und austauschen sowie mit Neugier und Leidenschaft die eigene Zukunft bauen, das
steht im Zentrum ihrer Überlegungen. Das Handeln in einem ungewissen Umfeld stört sie nicht
Seite 103
weiter, sie orientieren sich an dem von ihnen entworfenen Zukunftsbild, das sie stets vor Augen
haben.
Dieses Vorgehen der Pragmatiker ist allerdings nur dann möglich, wenn Kultur, Struktur und
Prozesse von einem Digital Master vorgelebt werden. Zudem bedarf es aus einer Leadership-
Perspektive einer Technologieaffinität und der Bereitschaft, den Wandel und dessen Kosten zu
verantworten. Die Führung muss an dieser Stelle nicht nur eine Vision entwickeln können,
sondern auch die Fähigkeit haben, die eigene Mannschaft auf die Reise mitzunehmen.
Die Interview-Partner spiegelten grösstenteils auch die empirisch ermittelten Erfolgsfaktoren
wieder: Investitionen in digitale Initiativen (digitale Projekte) und im Bereich der
Organisationsentwicklung (digitale-, Change- und Leadership-Fähigkeiten bzw. eine Kultur, die
diese fördert) sind unverzichtbar. Die oberste Führungskraft steht hinter der Transformation,
kommuniziert den klar geäusserten Willen zur Veränderung und mobilisiert das Unternehmen.
Das «befähigte» Management führt die Transformationsprojekte durch.
Zweiter Teil: Navigation für Führungskräfte
Ein Beitrag zum Thema Navigation konnte aufgrund der empirischen Analyse der strategischen
Ausgangslage (Kapitel 9.1.1) und der Sammlung und Auswertung von digitalen Transformations-
und Management-Modellen geleistet werden.
Die Kernfrage «Wie sollen wir die Firma in das digitale Zeitalter führen?» wurde anhand der
entwickelten Modelle beantwortet. In der aufgezeigten Transformation Methodologie wurden
die Kernherausforderungen, Chancen sowie Erfolgsfaktoren berücksichtigt. Jeder Prozessschritt
wurde anhand der ermittelten Erfolgsfaktoren sowie der gewünschten Outcomes beschrieben.
Auf Basis einer digitalen Wertschöpfungslandkarte sowie der eigenen strategischen Assets wird
eine Vision für ein digitales Zeitalter erarbeitet. Die darauf aufbauende Strategie wird mittels
der drei Kernbereiche digitale Initiativen (digitale Projekte), transformative Initiativen (Change-
Management und Organisationsentwicklung) sowie strategisches Zielsystem (Balanced
Scorecard) entwickelt.
Eine besondere Beachtung wurde dem Thema Umsetzung geschenkt. Die Umsetzung der
Transformation sowie die Mobilisierung einer Unternehmung sind eindeutig Themen für die
Geschäftsleitung. Verantwortet werden die Transformationsprojekte vom mittleren
Management. Im Umsetzungsmodell liegt aus diesem Grund der Fokus auf dem
Herunterbrechen der Ziele auf die Teams sowie auf den Zielvereinbarungen für die Mitarbeiter.
Für die Steuerung der Transformation steht die Bildung einer Digital Governance im Mittelpunkt.
Fehlen den Führungskräften die notwendigen Skills, dann werden auch Befähigungsprogramme
in die Planung aufgenommen.
Letztlich darf der Erfolg nicht zu früh gefeiert werden! Organisationsentwicklungsprogramme
sollen genauso wie digitale Initiativen priorisiert werden. Angepasste Vergütungssysteme, die
Ausbildung der Mitarbeiter sowie die Veränderung der Kultur stehen im Mittelpunkt. Mit einem
etablierten Controlling sollen zudem die Weichen für ein lenkbares und lernendes System
gestellt werden.
Seite 104
Grafische Zusammenfassung der Transformation Methodologie
Das Digital Transformation Framework liefert den Rahmen für das strategische und operative Digital Transformation Management. Ziel ist es, zusammen mit der Transformation Methodologie, alle Faktoren einer Transformation erfolgreich miteinander in Beziehung zu setzen.
Digital Transformation Methodologie
Digital Transformation Framework
Seite 105
9.2 Schlussfolgerungen und Ausblick
Schlussfolgerungen
Auf Basis der vorliegenden Arbeit und aus meinen persönlichen Erfahrungen leite ich für den
Schweizer Markt neun Schlussfolgerungen zum Thema Digital Transformation ab:
Schlussfolgerung 1: Die Digitalisierung ermöglicht der Schweizer Wirtschaft Differenzierung
sowie Qualitäts- und Wettbewerbsvorteile. In einem Land mit limitierten Rohstoffen, einem
starken Franken und hohem Lohnniveau bildet sie ein Fundament für mehr Produktivität,
Wirtschaftlichkeit und Rentabilität.
Schlussfolgerung 2: Werden digitale Technologien richtig eingesetzt, dann führen sie zu
Wachstum, Effizienz sowie zu Kunden-, Partner- und Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität.
Zudem schützt eine proaktive Transformation Unternehmen vor dem Eintritt disruptiver
Wettbewerber.
Schlussfolgerung 3: Die Digital Transformation betrifft jede Branche und jedes Unternehmen.
Einzig die Radikalität und Geschwindigkeit der Veränderung variiert. Die Transformation umfasst
die Interkationen mit Kunden, Partnern und Lieferanten, beeinflusst operative
Geschäftsprozesse und schliesst die Organisation und deren Mitarbeiter ein.
Schlussfolgerung 4: Der Kundennutzen (Outside-in) ist der Startpunkt der Überlegungen. Die
gesellschaftlichen und technologischen Treiber (DtOs), die eigenen strategischen Assets sowie
die Schlüsseltransformationsbereiche eines Unternehmens (KTAs) bilden das Fundament für
Innovationsprojekte. Parallel dazu unterstützen innovative Märkte und Branchen bei der
Identifikation von Innovationsprojekten.
Schlussfolgerung 5: Die Transformation erfordert Leaders mit einer Vision, welche die eigene
Belegschaft für die Veränderung begeistern können. Sie legen den Fokus auf die Differenzierung
des Business basierend auf digitalen Technologien und sind vom Kundennutzen besessen. Sie
verstehen die Grundlagen, Möglichkeiten und Limitationen der Technologien und treiben die
Perfektionierung von Produkten und Dienstleistungen voran.
Schlussfolgerung 6: Das befähigte mittlere Management führt die Transformationsprojekte und
ist der Promotor des Wandels. Für die erfolgreiche Umsetzung sind eine digitale Leadership
Governance, Anpassung der Belohnungssysteme sowie Zielvereinbarungen mit den Teams und
Mitarbeitern essentiell.
Schlussfolgerung 7: Besonders im Fokus stehen die Disziplinen Change-Management und
Organisationsentwicklung. Die grössten Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind
kulturelle Hürden und das vorhandene Wissen der Führungskräfte und Mitarbeiter.
Schlussfolgerung 8: Die Hausaufgaben müssen erledigt werden. Die Transformation erfordert
Investitionen in digitale Innovationsprojekte, in die Ausbildung der Führungskräfte und
Mitarbeiter sowie in eine digital-freundliche Kultur. Die Führung muss bereit sein die Kosten für
den Wandel zu tragen.
Schlussfolgerung 9: Sowohl Berater, Unternehmen als auch der Staat müssen die Reise in die
Transformation begleiten. Apokalyptische Berichterstattungen sind genauso kontraproduktiv
wie Heilversprechen der Technologiefirmen. Transparente Orientierungspunkte, die Vision für
eine digitale Schweiz sowie Navigationsinstrumente für die Transformation unterstützen den
Wandel.
Seite 106
Kritische Würdigung
Zuverlässig Orientierung für die digitale Revolution zu bekommen ist für Führungskräfte zur
Herausforderung geworden. Experten können den Weg weisen aber nicht in die Glaskugel
blicken. Sie verstehen jedoch, dass wir es mit einer Veränderung zu tun haben, die vergleichbar
mit der industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts ist. Transformation bedeutet eine
Intervention und eine Intervention bedeutet von einem stabilen in ein instabiles System
überzugehen, um später neue Stabilität auf einer neuen Ebene zu erlangen. Während der
Transformation müssen wir wohl auch den Anspruch an Orientierung und Lenkung anpassen
und eine höhere Form des Navigierens lernen.
Die höhere Form des Navigierens ist die Fähigkeit, sich im Unbekannten zurechtzufinden – dann,
wenn die Standorte ungewiss, die Ziele beweglich und die Wege vielfältig sind. (Fredmund Malik
2014)
Mit dieser Arbeit kann sicherlich ein wesentlicher Betrag zu digitalen Standorten, Erfolgswegen
und den für deren Beschreiten nötigen Werkzeugen sowie für mögliche Zukunftsziele geleistet
werden.
Durch den bewusst branchenneutralen Ansatz stehen die Führungskräfte im Mittelpunkt. Bei
der Frage was zu tun ist wollen allerdings gerade die Führungskräfte spezifische Antworten. Dies
würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Es geht um den generellen Weg, den
Unternehmen einschlagen sollen und nicht um Rezepte für individuelle Zielerreichungen.
Der Neuigkeitsgehalt der Arbeit liegt in der Entwicklung einer Digital Transformation
Methodologie (Kapitel 8.1.2) sowie eines Transformations-Frameworks (Kapitel 8.1.3).
Zusammen zeigen sie den Weg in die Transformation auf. Je nach Reifegrad und Grösse sowie
abhängig von den Prozessen eines Unternehmens bedarf es in verschiedener Hinsicht geistiger
Agilität in der Anwendung von Methodologie und Framework. Die Transformation
Methodologie kann auch modular gegliedert werden. Die Führungskräfte können so ganz
einfach die Modelle auswählen und anwenden, die einen Mehrwert für ihre Unternehmung
bieten.
Der gewonnene Erkenntnisfortschritt aus den Experteninterviews diente als Grundlage für die
Erarbeitung der Methodologie und des Frameworks. Den daraus zu ziehenden qualitativen
Nutzen für den Leser möchte ich zusammenfassen:
Verkürzung in der Analyse der strategischen Ausgangslage durch Orientierung
Beschleunigung des strategischen Planungsprozesses durch die Methodologie
Höhere Durchschlagkraft durch die Integrationsmöglichkeiten in die Geschäftsstrategie
Bessere Qualität im Entscheidungsprozess durch methodisches Vorgehen
Beschleunigung der Transformation durch Fokussierung und Verankerungsmassnahmen
Erhöhung der Agilität und Steuerbarkeit durch Controlling-Systeme und iterative Prozesse
Steigerung der Effektivität und Effizienz durch Systematisierung der Transformation
Durch das Praxiswissen der Experten wurde in den Modellen den Themen Vision, Change, Kultur
sowie Befähigung der Führungskräfte eine grössere Beachtung geschenkt als in den
amerikanisch-geprägten Literaturquellen.
Nachträglich überrascht dies kaum, wenn wir die kulturellen Unterschiede zwischen der Schweiz
und unseren amerikanischen Kollegen betrachten. Bei zwei Erfolgsfaktoren einer Digital
Transformation wird das besonders deutlich: bei der Veränderungs- und bei der
Risikobereitschaft.
Seite 107
Während die Amerikaner Risiken eingehen und flexibel und innovativ im Hinblick auf die Zukunft
sind, vermeidet der Schweizer eher Risiken und hat das Bedürfnis nach Planung,
Vorhersehbarkeit, Regeln und Strukturen.
Amerikaner sind zukunftsorientiert und haben grosses Interesse am Entwickeln neuer
Potentiale. Schweizer hingegen tendieren dazu, die Zukunft aus der Vergangenheit abzuleiten.
Die Vergangenheit ist die Basis, auf deren Grundlage Gegenwart und Zukunft zu verstehen sind.
Für die Aufgabe der Digital Transformation ist diese Einstellung allerdings hinderlich.
Ausblick und weiterführende Gedanken
Die vorliegende Arbeit soll als Wegweiser für eine erfolgreiche Transformation dienen. Durch
den praxisorientierten Ansatz konnte die Transformation Methodologie entwickelt werden. Die
Praxistauglichkeit der Methodologie selbst konnte im Prozess nicht eruiert werden, da dies den
Rahmen der Arbeit gesprengt hätte.
Die Methode könnte nun in einem zweiten Schritt mit einem Validationsprozess durch
Experteninterviews oder durch die praktische Anwendung in Strategie- und
Umsetzungsprozessen getestet und verbessert werden. Die Fragestellung «Kann der qualitative
Nutzen der Methodologie wirklich bestätigt werden und kann daraus auch ein quantitativer
Nutzen ermittelt und abgeleitet werden?» könnte durch einen wissenschaftlichen Ansatz
beantwortet werden.
Ein weiterer Forschungsbereich dem ich gerne nachgehen würde ist, ob die klassischen
Management-Systeme und -Modelle für die digitale Revolution noch taugen. Die aktuelle
Transformation Methodologie basiert auf klassischen Management-Systemen. Ziel war es, die
Führungskräfte damit anzusprechen und ihnen ein methodisches Konstrukt an die Hand zu
geben, welches gut in die aktuellen Management-Praktiken und -Systeme integrierbar ist.
Fraglich ist nur, ob dies der richtige Weg ist, oder ob die bestehenden Management-Systeme ein
Auslaufmodell darstellen und der Grund für die Fehlentwicklungen sind. Wie im Kapitel
disruptive Innovationen deutlich wird, sind es gerade die gut geführten etablierten Firmen, die
aufgrund aktueller Managementmethoden Mühe haben, den Wandel zu gestalten. Für sie
gelten die klassischen Erfolgsfaktoren wie Kunden-, Ertrags- und Wachstumsorientierung. Für
die kommenden Herausforderungen der nächsten 20 Jahren sind neue Denkweisen und
Instrumente gefordert. Wie muss eine Organisation aufgestellt sein um zukunftsfähig zu
bleiben? Die Forschung sehe ich hier auf den Gebieten Management-, Change- und
Organisationsentwicklung.
Das leitet zu einem weiteren Forschungsgebiet über: Wie wird sich unsere Gesellschaft in den
nächsten 20 Jahren entwickeln? Wie gehen wir mit den bevorstehenden Herausforderungen
um? Wie lösen wir die Herausforderungen und wie stellen wir sicher, dass die Technologien den
Menschen einen Nutzen bringen? Die Steigerung der «Muskelkraft» haben wir in der
industriellen Revolution erlebt. Nun erleben wir die Steigerung der «geistigen Kräfte». Die
Auswirkungen werden viel umfassender sein, da die Geschwindigkeit dieser Revolution eine viel
Höhere ist. Taxifahrer und Kassierer wird es zum Beispiel laut Erik Brynjolfsson in 20 Jahren nicht
mehr geben. Eine Oxford Studie schätzt, dass die Hälfte der heute existierenden Jobs in Amerika
verschwinden wird. Entweder aufgrund des Einsatzes von Software oder von Robotern. Und nun
sind auch hochqualifizierten Arbeitnehmer betroffen. Parallel dazu werden jedoch auch neue
Arbeitsplätze und völlig neue Berufsbilder entstehen.
Seite 108
Glaubt man dem Autor Martin Ford von Rise of the Robots (Ford 2015), dann besteht die Gefahr
von Massenarbeitslosigkeit. Ausserdem könnte das Gefälle von Arm und Reich noch viel
extremer werden und die Macht bald wenigen globalen Playern gehören. Auch Brynolfsson,
Autor von den Second Machine Age, kommt zu ähnlichen Resultaten. Die Herausforderung für
uns liegt darin, der Massenarbeitslosigkeit entgegenzuwirken und mit neuen, digitalen
Technologien und innovativen Ansätzen vielmehr einen gemeinsamen, geteilten Wohlstand
anzustreben.
Wir haben unsere Zukunft in der Hand. Technologien sind nur Werkzeuge, die wie Innovationen
weder positiv noch negativ sind. Wir müssen uns überlegen, was wir als Gesellschaft und als
Individuum wirklich wollen. Unsere Generation hat die Möglichkeiten geerbt, die Welt zu
verändern. Es liegt also an uns, die Welt zu verbessern. Es liegt an uns, die richtigen
Entscheidungen zu treffen. Es liegt an uns, die richtigen Weichen zu stellen.
Seite 109
10 Anhang
10.1 Literaturverzeichnis
Anne M. Schüller, 2012. Touchpoints: Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt,
Anon, 2015. Megatrends 2015.
Axel Uhl & Gollenia, L.A., 2012. A Business Transformation Management Methodology,
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Clayton M. Christensen, 2013. The Innovators Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren,
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Dr. Weber, M., 2012. Big Data im Praxiseinsatz – Szenarien, Beispiele, Effekte. Bitkom.
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Erik Brynjolfsson, A.M., The Second Machine Age: Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern,
Eyal, N., 2014. Hooked Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen,
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Ford, M., 2015. Rise of the Robots: Technology and the Threat of a Jobless Future,
Fredmund Malik, 2014. Navigieren in Zeiten des Umbruchs: Die Welt neu denken und gestalten,
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Hajo Hippner, K.-D.W., 2016. Grundlagen des CRM: Konzepte und Gestaltung,
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Jeremy Rifkin, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaboratives
Seite 110
Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus,
Jo Caudron, D.V.P. (Autor), 2014. Digital Transformation: A Model to Master Digital Disruption,
Joachimsthaler, V.E. & Group, V.P., Die Brücke zwischen CMO und CIO – Rollenverteilung und Zusammenarbeit in Zeiten des digitalen Wandels vorwort.
KPMG, 2014. Digitale Transformation in der Schweiz.
Lombriser, Roman Abplanalp, E., 2015. Strategisches Management: Visionen entwickeln, Erfolgspotenziale aufbauen, Strategien umsetzen,
Michael Berger, Jutta Chalupsky, F.H., 2013. Change-Management - (Über-) Leben in Unternehmen,
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Thakur, S. & Rao, S.N., 2014. Chefaschae.. Komplexität Navigation für Führungskräfte,
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Westerman George, Bonnet Didier, M.A., 2014. LEADING DIGITAL: TURNING TECHNOLOGY INTO BUSINESS TRANSFORMATION,
Xevelonakis, E., Skript Customer Relationship Management. , (September 2013).
Seite 111
10.2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Studiendesign für die Entwicklung eines digitalen Transformationskompasses ..... 9
Abbildung 2: Von Digital Media zu Digital Transformation ......................................................... 10
Abbildung 3: Entwicklung der Digital Transformation von 1995 - 2015 ..................................... 10
Abbildung 4: Von der industriellen zur digitalen Revolution ...................................................... 12
Abbildung 5: Die industrielle Revolution und der Knick in der Menschheit ............................... 13
Abbildung 6: Die Dimensionen des Moore‘schen Gesetzes ....................................................... 14
Abbildung 7: Nutzenvergleich bei Multiadoption ....................................................................... 15
Abbildung 8: Gartners‘ Hype Cycle für neue Technologien ........................................................ 17
Abbildung 9: Treiber für das Internet der Dinge ......................................................................... 18
Abbildung 10: Software und Hardware als Disruptionsinstrumente .......................................... 20
Abbildung 11: Hooked Techfirmen – Beispiele ........................................................................... 21
Abbildung 12: Transformation – Weshalb Firmen scheitern ...................................................... 24
Abbildung 13: Kulturelle Herausforderungen ............................................................................. 25
Abbildung 14: Prozess der Verhaltensänderung nach Kurt Lewin .............................................. 26
Abbildung 15: Entwicklung evolutionäre versus disruptive Technologien ................................. 27
Abbildung 16: S-Kurve einer disruptiven Technologie ................................................................ 27
Abbildung 17: Verkaufszahlen analoger/digitaler Kameras ........................................................ 28
Abbildung 18: Google Docs versus Microsoft Word ................................................................... 29
Abbildung 19: Herausforderungen der Transformation ............................................................. 31
Abbildung 20: Rahmenmodell des unternehmerischen Denkens und Handelns ....................... 34
Abbildung 21: Geschäftsnutzen der Digital Transformation ....................................................... 36
Abbildung 22: Digital Transformation – Wachstum und Effizienz .............................................. 37
Abbildung 23: Themenlandkarte der Digital Transformation ..................................................... 38
Abbildung 24: Customer Journey – Kaufprozess des Kunden ..................................................... 39
Abbildung 25: Beispiel anhand von sechs Customer Journeys ................................................... 39
Abbildung 26: Architektur eines CRM-Systems .......................................................................... 39
Abbildung 27: Beispiel CRM-Scorecard-Dimensionen und KPIs.................................................. 40
Abbildung 28: Definition von Industrie 4.0 ................................................................................. 41
Abbildung 29:Customer Journey – Verbesserungen bei einer Bank ........................................... 41
Abbildung 30: Wissensmanagement im Unternehmen .............................................................. 43
Abbildung 32: Geschäftsmodelle + Teilmodelle mit eigenständigen Aufgaben und Prinzipien . 44
Abbildung 33: Validierung der Geschäftschancen ...................................................................... 47
Abbildung 34: Digital Masters übertreffen ihre Branche ............................................................ 49
Abbildung 35: Orientierung durch Reifegrad-Quadranten ......................................................... 49
Abbildung 36: Vision der Digital Transformation ........................................................................ 51
Abbildung 37: Digital Transformation – Beispiele Fragestellungen für Führungskräfte ............. 56
Abbildung 38: Der DTO mit dem Digital Transformation Team .................................................. 56
Abbildung 39: Technologische Fähigkeiten der IT ...................................................................... 58
Abbildung 40: Spannungsfeld der IT ........................................................................................... 60
Abbildung 41: Übersicht Transformations-Management ........................................................... 61
Abbildung 42: Erfolgsfaktoren für Change-Projekte (Kotter, P. John) ........................................ 62
Abbildung 43: Change-Auftragsklärung im Unternehmen.......................................................... 63
Abbildung 44: Initiieren, bewegen, festigen ............................................................................... 64
Abbildung 45: Digital Transformation – Fokus Key Performance Indicators .............................. 65
Abbildung 46: Digital Transformation Methodologie ................................................................. 70
Abbildung 47: Digital Transformation Framework ...................................................................... 72
Abbildung 48: Startpunkt ermitteln – einfache digitale Maturitäts- und Benchmarkanalyse .... 74
Seite 112
Abbildung 49: Startpunkt mit vier Dimensionen + SWOT Analyse ermitteln ............................. 75
Abbildung 50: Themenlandkarte der Digital Transformation ..................................................... 76
Abbildung 51: Ist-/Kann-Visionsentwicklung auf Basis dreier digitaler Kernnutzen ................... 77
Abbildung 52: Vision für ein digitales Zeitalter erstellen ............................................................ 79
Abbildung 53: Ablaufprozess und Outcome der digitalen, transformativen Vision ................... 79
Abbildung 54: Strategisches Zielsystem für die Digital Transformation ..................................... 80
Abbildung 55: Digital Transformation Modelling ........................................................................ 82
Abbildung 56: Entwicklung der Business Cases .......................................................................... 83
Abbildung 57: Projekt-Ranking-Matrix ........................................................................................ 84
Abbildung 58: Transformation-Portfolio-Matrix ........................................................................ 86
Abbildung 59: Change-Management-Story ................................................................................. 88
Abbildung 60: Zielsystem für die Umsetzung der Strategie ........................................................ 94
10.3 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zielsetzung der Studie .................................................................................................. 8
Tabelle 2: Methodisches Vorgehen ............................................................................................... 9
Tabelle 3: Reifegrad der Technologien ....................................................................................... 17
Tabelle 4: Praxisbeispiel Internet of Things ................................................................................ 19
Tabelle 5: Veränderung als Chance oder Risiko .......................................................................... 25
Tabelle 6: Gewichtung der Herausforderungen der Digital Transformation .............................. 31
Tabelle 7: Schlüsselfaktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg ................................... 34
Tabelle 8: Übersicht disruptive Technologien ............................................................................. 45
Tabelle 9: Gewichtung der Geschäftschancen der Digital Transformation ................................ 47
Tabelle 10: Schwierigkeit der Definition von Reifekriterien für die Digital Transformation ....... 50
Tabelle 11: Wandel für den Chief Information Officer ............................................................... 59
Tabelle 12: Fragenkatalog Erfolgsfaktoren ................................................................................ 66
Tabelle 13: Übersicht der strategischen Ausgangslage ............................................................... 69
Tabelle 14: Digital-Transformation-Workshop ........................................................................... 73
Tabelle 15: Priorisierung der Business Cases .............................................................................. 84
Tabelle 16: Change-Management-Massnahmenplanung ........................................................... 89
Tabelle 17: Change-/Kommunikationsplan in zwei Phasen ........................................................ 90
Tabelle 18: Business-Scorecard-Strategie-Map mit Massnahmen und Zielwerten .................... 95
Tabelle 19: Controlling-System ................................................................................................... 97
Seite 113
10.4 Interviews
Interview-Partner:
Christian Wohlgensinger, Head of Google for Work Partnerships Northern Europe, Google
Christof Zogg, Director Digital Business, SBB
Mathias Born, Head Group Data Management, Zurich Financial Services
Michael Nösges, Regional Vice President, Service Cloud DACH, Salesforce
Thierry Pool, Leader Digital Marketing & Social Media, digitec und Galaxu
Fragebogen:
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10.5 Excel Modelle
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