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DIGITALE REGION Aus dem Land, für das Land Executive Summary Eine Publikation von: Internet & Gesellschaft Co llaboratory www.collaboratory.de www.ufdr.de

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DIGITALE REGIONAus dem Land, für das Land

Executive Summary

Eine Publikation von:

Internet & Gesellschaft

Co llaboratorywww.collaboratory.de www.ufdr.de

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Die Expertinnen und Experten

Die Mitwirkenden der Initiative „Digitale Region - Aus dem Land, für das Land“ in alphabetischer Reihenfolge:

» Ahmet Emre Acar (Mind-Ex GmbH) » Florian Apel-Soetebeer (City & Bits GmbH) » Dirk Arendt (Check Point Software Technologies LTD) » Christiane Bausback (N+P Industrial Design GmbH) » Dr. Peter Blönnigen (IBM Global Business Services) » Henrik Bortels (Produktmanagement Digital; Märkische Allgemeine) » Sarah Brühl (Verbandsgemeinde Betzdorf) » Stefan Domanske (Landkreis Lüneburg IT-Service) » Yvonne Eich (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) » Karin Engelhardt (Stadt Coburg) » Barbara Engels (Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.) » Madeleine Früh (Unternehmen für die Region e.V.) » Christian Geiger (Stadt Ulm) » Lea Gimpel (GIZ GmbH) » Marc Groß (KGSt) » Franz-Reinhard Habbel (Deutscher Städte- und Gemeindebund) » Stefanie Haug (Regio Augsburg Wirtschaft GmbH) » Johannes Henne (City & Bits GmbH) » Philipp Hentschel (Welance) » Dr. Stefan Höffken (Plan und Praxis GbR, Berlin, Urbanophil e.V.) » Frauke Janßen (Bundes-SGK e.V.) » Willi Kaczorowski (Brückenbauer zwischen IT- Wirtschaft und

öffentlicher Verwaltung) » Hans Ludwig Kaiser (LEG Thüringen GmbH;

Thüringer Agentur Für Fachkräftegewinnung (ThAFF)) » Ernst Karosser (Gemeinsam eG) » Michael Kemkes (InnoZent OWL e.V.) » Markus Klima (Demos Gesellschaft für E-Partizipation mbH) » Jan Knippers (Bertelsmann Stiftung) » Dr. Anke Knopp (freiberufliche Beraterin, Digitale Kommune) » Anika Krellmann (KGSt) » Michael Linke (Capgemini Deutschland GmbH) » Michael Lobeck (Geographisches Institut der Universität Bonn;

freier Berater und Moderator im Feld Stadtentwicklung)

» Dr. Nina Löchte (Innovationszentrum Niedersachsen GmbH) » Christian Mainka MBA (Projekt- und Regionalmanager,

Gemeinde Wennigsen) » Christoph Meineke (Bürgermeister, Gemeinde Wennigsen) » Matthias Moritz (MEKmedia GmbH) » Claudia Musekamp (Infoport GmbH) » Dr. Frank Osterhoff (Bertelsmann Stiftung) » Damian Paderta (Nozilla, Digitalberater und Web-Geograph) » Gudrun Porath (Journalistin) » Helmut Ramsauer (SPINPARTNERS GmbH) » Dr. Ulrike Regele (DIHK e.V.) » Charlotte Renda (Bertelsmann Stiftung) » Joachim Schonowski (T-Labs) » Günter Schumacher (Freiberufler, Regionalentwicklung & Social Media) » Doris Schuppe (COWOXU Mallorca S.L.) » Tobias Schwarz (St. Oberholz, Editor- at- Large für Netzpiloten.de) » Robin Sontheimer (Design- und Innovationsberater, Selbstständig) » Dr. Johannes Staemmler (Stifterverband) » Andreas Thiel (Regio Augsburg Wirtschaft GmbH) » Dr. Mario Trapp (Fraunhofer Institut für Experimentelles

Software Engineering) » Dr. Anja C. Wagner (FrolleinFlow GbR) » Tina Weber (Unternehmen für die Region e.V.) » Sonja Wessel (Masterand Regionalmanagement in Gebirgsräumen,

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf » Inga Wiele (gezeitenraum gbr) » David Wilkskamp (MAIS NRW) » Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung) » Dr. Ulrike Witt (Projektbüro Südniedersachsen)

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Die Digitale Region 3

DR. GERD LANDSBERG (HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER SOWIE GESCHÄFTSFÜHRENDES PRÄSIDI-ALMITGLIED DEUTSCHER STÄDTE- UND GEMEINDEBUND)

Die Digitalisierung kommt. Alle Bereiche des täglichen Lebens werden in den kommenden Jahren immer stärker durch digitale Lösungen geprägt sein. Dabei geht es nicht nur um die Arbeitswelt, die vor einem immensen Umbruch steht, sondern auch um die Bereiche Bildung, Energieversorgung und nicht zuletzt auch um das Freizeit-verhalten der Menschen. Gerade in Bezug auf den Bildungsbereich und das Arbeitsleben wird die Digitalisierung in Deutschland vielfach kritisch diskutiert. Das ist falsch. Wir sind vielmehr gut beraten, die großen Chancen dieses epochalen Umbruchs in den Blick zu nehmen. Digitalisierung ist kein Großstadtthema. Auch wenn der öffent- liche Fokus innovativer technischer Lösungen vielfach auf die Metropolen gerichtet ist, sollten wir gerade in Deutschland die neuen Perspektiven für die ländlichen Regionen genauer betrachten.

Digitalisierung ist in erster Linie eine zentrale Voraussetzung, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten. Dabei geht es nicht um die großen Industrieunternehmen, sondern um die unzähligen klein- und mittelständischen „hidden champions“. Diese finden sich zu einem überwiegenden Teil außerhalb der Ballungsräume in den ländlichen Regionen. Durch digitale Lösungen kann zudem die Attraktivität von Wohnen und Arbeiten außerhalb der Ballungsräume deutlich gesteigert werden. So wird es in Zukunft beispielsweise viel einfacher möglich sein, Arbeits-zeiten flexibel zu gestalten und die Zusammenarbeit über Entfernun-gen hinweg zu ermöglichen. Digitale Bildungsangebote stärken Kitas, Schulen und den Bereich der Erwachsenenbildung. Auch und gerade auf dem Land.

Durch Digitalisierung wird die Energiewende ermöglicht. Dezentrale Energieerzeugung bietet Chancen für ländliche Regionen. Sie kann aber nur funktionieren, wenn die Netze „intelligent“ werden und Erzeuger und Verbraucher miteinander vernetzen. Für derartige „Smart Grids“ ist die Digitalisierung und das Management großer Daten in Echtzeit das Fundament. Die Digitalisierung bietet immense Perspektiven für das Deutschland von Morgen. Auch und gerade für die ländlichen Regionen, wenn sie zu digitalen Regionen werden.

01 VORWORT

DR. SÖNKE E. SCHULZ GESCHÄFTSFÜHRENDES VORSTANDSMITGLIED DES SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDKREISTAGES

Die Chancen der Digitalisierung für den ländlichen Raum nutzbar zu machen, ist eine große Herausforderung. Für jemanden, der sich seit vielen Jahren mit E-Government und Verwaltungsmodernisierung beschäftigt und zugleich die kommunale Selbstverwaltungsgarantie hoch hält, ist es eine besondere Freude, dass sich zunehmend Initiati-ven herausbilden, die diese Fragen in den Mittelpunkt rücken. Kommu-nales Ehren- und Hauptamt sollten solche Initiativen aufgreifen, neue Konzepte erproben und Digitalisierung als Lösung für spezifische regionale Herausforderungen begreifen. Gerade die Daseinsvorsorge ist einerseits überkommene und weithin anerkannte Aufgabe der Kommu-nen, andereseits mit erheblichen Veränderungsmomenten, ausgelöst durch die Digitalisierung, konfrontiert. ÖPNV, Energieversorgung und regionale Versorgung stehen nur exemplarisch für diese Entwicklun-gen. Dem demografischen Wandel kann begegnet werden, wenn z. B. Konzepte Einzug halten, die Elemente der Digitalisierung (Vernetzung, Raum- und Zeitunabhängigkeit) mit physischen Anlaufpunkten im länd-lichen Raum kombinieren. Front-Offices nicht nur für Verwaltungs-, sondern auch für andere Dienstleistungen (Post, Bank und vieles mehr) bis hin zur Abholung von im Internet bestellten Produkten sind schon heute denkbar. Digital organisiert werden die Potenziale wachsen.

Diese Entwicklungen gilt es zu gestalten und nicht ausschließlich großen Marktakteuren zu überlassen (aktuellen Meldungen zufolge erprobt Amazon derzeit ein Tante-Em-ma-Revival). Insofern gilt es die Rolle des Staates, speziell der Kommu-nen, neu zu definieren. Diese sollten als (regionale und lokale) Platt- formen dienen und Infrastrukturen bereitstellen, auf denen staatliche wie private Dienstleistungen gleichermaßen angeboten werden. Zugleich be- sitzen sie eine gewährleistende, steuernde Funktion, die nur ausgeübt werden kann, wenn hinreichender Einfluss besteht. Wie auch in anderen Bereichen bieten z. B. Konzessionsmodelle o. Ä. gute Möglichkeiten zur Steuerung.

Digitalisierung ist mehr als BreitbandDigitalisierung kann die kreative Antwort auf strukturelle Probleme anderer Natur sein, z. B. auf die Frage, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgesetzt werden kann, wie in dünn besiedelten Regionen Nahversorgung und Nahverkehr gesichert werden können. Insofern ist es zu begrüßen, wenn in einigen Bundesländern Digitale Agenda und Landesentwicklung miteinander verzahnt werden – nur unter Berück-sichtigung der Folgen (und deren Bewältigung) und der Chancen (als Erweiterung der Handlungsoptionen) der Digitalisierung können zukunftsfähige Strukturen für Stadt und Land entworfen werden. Die konkrete Ausfüllung darf aber nicht zentral, sondern muss dezent-ral, vor Ort und unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten, erfolgen. Aus diesem Grund sind Initiativen wie diese – „Aus dem Land, für das Land“ – hilfreich, zeigen sie doch Handlungsfelder und -möglich- keiten, die unmittelbar vor Ort genutzt werden können. Neben konkre-ten Projekten vor Ort steht die Aufgabe, eine strategische Position einzu- nehmen und eine Entwicklungsplanung vor Ort anzustoßen. Jede Region sollte sich überlegen, wo sie 2030 stehen will. Hier dürfte es vor allem die kreisliche Ebene sein, die sich – im Zusammenwirken mit den kreisangehörigen Gemeinden, Städten und Ämtern – dieser planerischen Aufgabe annimmt.

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4 Die Digitale Region

#HASHTAGS DER EXPERTEN

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Die Digitale Region 5

GERALD SWARAT PROJEKTLEITER DIGITALE REGION

WIR KÖNNEN JETZT ENTSCHEIDEN, OB WIR DIE ZUKUNFTERTRAGEN ODER GESTALTEN WOLLEN!

In den nächsten Jahren muss das Smart-City-Leitbild durch Konzepte für Digitale Regionen ergänzt werden, denn auch diese werden von den technologischen Megatrends durchdrungen und die Handlungsfelder zeigen sich auf den ersten Blick mit denen in der smarten Stadt identisch, wie etwa Arbeit, Bildung und Gesundheit.

Die konkreten Herausforderungen jedoch könnten unterschiedlicher nicht sein, was z.B. in der Mobilität auf die deutlich geringere Bevölke-rungsdichte und die ungleich längeren Wege zurückzuführen ist. Aber auch im Bereich Gesundheit und Pflege existieren abweichende Reali-täten, da die Dichte an Hausärzten in der Region immer mehr abnimmt, wohingegen die Zahl der Pflegebedürftigen dramatisch ansteigen wird. Einweiteres Handlungsfeld ist das Thema Arbeit, denn annähernd 70% aller Industriearbeitsplätze werden im ländlichen Raum angeboten, weshalb die Digitalisierung gerade den klein- und mittelständischen Unter - nehmen eine große Chance im Standortwettbewerb bietet, zugleich aber umfassende Veränderungen erfordert, um diese Arbeitsplätze erhalten zu können.

D iese Trends offenbaren, dass durch die demographische Entwick-lung, durch die Abwanderung junger und qualifizierter Menschen in die Städte, durch eine marode Infrastruktur und Arbeits- und Perspektivlosig-keit bei den Zurückgelassenen die Fülle der lebenswerten, deutschen Region bedroht ist. Kurzum - wer die Vielfalt der regionalen Leistungsfähigkeit als tragende Säule in Deutschland erhalten will, für den ist die Auseinanderset-zung mit der Digitalen Region obligatorisch.

Ausgangspunkt ist die bereits 2014 formulierte Frage der SmartCountry-Initiative: Welche digitalen Konzepte und Strategien helfen dem Raum außerhalb der großstädtischen Ballungszentren, den soeben genann-ten Trends zu begegnen, so dass eine zukünftige Wahlfreiheit über den Lebensraum erhalten bleibt und die Vielfalt der europäischen Regio-nen, die die Länder und Menschen in ihnen einzigartig geformt haben, weiterlebt?

Im folgende n einführenden Kapitel zur Arbeitsweise des CoLab zeigt sich: Es geht nicht darum, Lösungen von der Stange zu entwickeln. Es geht darum, passgenaue Antworten für die Menschen in der Region zu finden, die zudem in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs entstanden sind. Nur so ergibt sich eine tragfähige Architektur für die digitale Trans- formation. DIE ZUKUNFT IN DIE EIGENE HAND NEHMEN

Die Digitale Region versteht sich als ein Zeichen und Ausdruck für eine ge-sellschaftliche Notwendigkeit neben der Auslobung einer Digital City oder einer Smart-City-Plattform auch ein Programm für die Regionen außerhalb der großstädtischen Ballungszentren aufzusetzen. Hier ist die Politik gefor-dert zu gestalten! Wer entkräftet die Angst, dass die Digitalisierung ganze Bevölkerungsteile abhängt und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ver-hindert? Digitalisierung muss die Teilhabe aller sichern können, aber wer ist hier der Garant für das Gelingen dieses Anspruches? Wer setzt die Erkenntnis durch, dass eine flächendeckende IT-Infrastruktur der zukünftige strategi-sche Wettbewerbs- und Standortvorteil Nummer Eins ist, der Unternehmen und Familien gleichermaßen anziehen wird? Es zeigt sich, dass der Ansatz der Digitalen Region eine Verpflichtung ist für eine kommunale Investition in die Zukunft.

Wie so etwas gelingen kann, zeigt die 11. Initiative des Colab. Die Zivil-gesellschaft schreitet hier innovativ voran: Über 70 ehrenamtliche ExpertInnen engagieren sich in der Initiative #DigitaleRegion. Ihnen allen geht es um das Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken und Kommunen zu einem nach wie vor zentralen Ort für Leben und Arbeiten zu erhalten. Kommunen zu einem Kommunikations,- Erlebnis- und Gestaltungs-raum zu machen. Dafür ist es ausschlaggebend, dass ein kontinuierlicher Dialog zwischen Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissen-schaft zu Zukunftsthemen vorhanden ist. Dieser Dialog wird von der Initiative stark gefördert, in dem man beispielsweise Politik und Experten an einen Tisch bringt, oder während der Regionalwork-shops in den Austausch mit lokalen Akteuren tritt. Die Digitale Region bringt die Digitalisierung auf die Straße, aus dem Elfenbeinturm zu den Changemakern vor Ort. In Gesprächen unter anderem mit Bürgern, Unternehmen und Verwaltungsverantwortlichen hat sich der große Bedarf an Wissenstransfer und Aufbau von Knowhow gezeigt, um vor- handene Ängste zu überwinden und um passende Ausgangspunkte für die eigene digitale Transformation zu finden.

Die handlungsorientierte Auseinandersetzung über Chancen und Herausforderungen digitaler Strategien beginnt aber erst hinter dem Marketingvokabular und den Plattitüden der großen Berliner Kongresse. Diese Worthülsen lassen sich jedoch erst in der Auseinandersetzung vor Ort, in der Zusammenarbeit, vom Kern trennen. Die Digitale Region führt deshalb zu den erarbeiteten Konzepten auf hoher Flughöhe einen Reality Check vor Ort durch. Die drei Regionalworkshops werden im Verlauf kurz beschrieben und im Hintergrundbericht ausführlicher dargestellt.

Digitale Region-aus dem Land, für das Land

02 EINFÜHRUNG - THEMATISCHE HERANFÜHRUNG

„Das CoLab ist der Brückenbauer zwischen den Menschen und Machern vor Ort und Berlin mit seinen Netzwerken.“

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6 Die Digitale Region

02 EINFÜHRUNG - VORGEHEN UND ANSATZ

Ziele und Ansatz der Initiative

Auf diesem Weg können die Regionen außerhalb der großstädtischen Ballungszentren einen eigenen Ansatz schaffen. Dieser Weg stände diametral zu einer Smart-City-Strategie, die häufig mit einer industriege-triebenen Technologieentwicklung top-down implementiert wird und für die Zivilgesellschaft weitgehend intransparent ist. „Smart“ ist die Techno-logie jedoch nur, wenn es gelingt, den Menschen als selbstständiges und

handelndes Subjekt in einem funktionierenden Gemeinwesen im Zentrum der digitalen Transformation zu begreifen und in der Gestaltung aktiv mit-zunehmen. Wir brauchen dringend gesellschaftspolitische Zukunftsdebat-ten. Es ist unerlässlich, die Fragen zu stellen, wie wir leben, arbeiten und gepflegt werden wollen. Nur der offene Dialog ist der Weg, um der Bevölke-rung eine positive Vision innerhalb der digitalen Revolution zu vermitteln, die sonst schnell lediglich von Ängsten dominiert wird. Technologische Entwicklung muss von einem rahmengebenden gesellschaftlichen Diskurs geleitet und begleitet werden. Es geht also ebenso um die Hal-tung und Einstellung der Bevölkerung, um Aufklärung und Überzeugungs- arbeit. Entscheider und die Bevölkerung gilt es zu befähigen und gleichwohl zu ermutigen, die Technologien der Gegenwart zu verstehen und für die Gemeinschaft nachhaltig zu nutzen.

Nachhaltigkeit bedeutet in dieser Initiative, dass es nicht auf das tech-nisch Mögliche ankommt, sondern auf eine konsequente Nutzer- und Problem-Orientierung, nämlich die Einbindung der lokalen, funktionieren-den Netzwerke in die Problemdefinition und Lösungsfindung. Nachhaltig-keit ist im Sinne von intersektoralen Lösungen und Geschäftsmodellen zu verstehen, deshalb setzt diese Initiative auch auf die Einbindung der lokalen Wirtschaft. Durch die Zusammenarbeit mit Hidden Champi-ons und den KMUs vor Ort lässt sich die Resilienz einer ganzen Region stärken. Nur so können erarbeitete Geschäftsmodelle und Lösungen ihre Akzeptanz in der Bevölkerung finden und eine langfristige Perspektive darstellen. Diese Regionen können dann als Vorreiter für andere wirken.

MITMACHEN IST DER BESTE WEG, MITZUGESTALTEN!Denn Ziel ist es zudem, weitere Regionen zu ermuntern, den Transfor-mationsprozess aus sich selbst heraus zu gehen und mithilfe des Exper-tenbeirates den Weg in die Zukunft einzuschlagen. Das hier skizzierte Vorhaben verbindet somit die üblicherweise nicht verbundenen Pole von Verantwortlichen in den Regionen und den Diskussionen innerhalb der politischen Netzwerke der Bundeshauptstadt. Es findet ein durch- lässiger Austausch und eine gegenseitige Befruchtung statt, wie sie bislang nicht erfolgt ist. Solche Initiativen durchzuführen und medial zu begleiten ist nach wie vor wichtig, denn ohne öffentlichen Druck wird sich in Deutschland wenig bewegen. Vor allem aber soll die Neugierde ge-wecktwerden, sich selbst auf den Weg zu machen, um die Zukunft nicht zu

“ertragen”, sondern selbst zu gestalten.

Die 11. CoLab-Initiative Digitale Region befasst sich mit den Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation für den außerstädtischen Raum. W ährend die 10. Smart Country - Initiative des Collaboratory aus dem Jahr 2014 noch übergeordnete Perspektiven und Strategien hierzu formu-lierte, besteht die Aufgabe der 11. Initiative darin, konkreten, unmittelbar aus den Regionen kommenden Fragestellungen zu begegnen und kurz- bis mittelfristig umsetzbare Szenarien zu erarbeiten.

Durch die Kooperation mit unserem Partner “Unternehmen für die Region e.V.” erhält die Initiative Zugang zu möglichen Erprobungsräumen, die zu verstehen sind als regional organisierte Netzwerke bestehend aus KMU, Vertretern aus Kommunen, Landkreisen, öffentlichen Einrichtungen

und Organisationen, die sich mit ihren Stärken, lokalen Strukturen und bereits etablierten Modellen den Chancen des digitalen Wandels öffnen wollen.

Für die inhaltliche Initiativenarbeit vernetzt das CoLab schließlich Exper-tInnen unterschiedlichster Provenienz und bringt im Laufe der Initiati-ve ein tragfähiges Multi-Stakeholder-Netzwerk bestehend aus fach- und sektorübergreifenden Ansätzen und Perspektiven hervor. Ziel der Initiative ist es, mit dem Expertennetzwerk drei im Verlauf ausgewählte Modellkommunen zu unterstützen, praktische und regionalspezifische Handlungsansätze für den eigenen digitalen Transformationsprozess zu formulieren und anzugehen.

“Das Analoge mit dem Digitalen verbinden und daraus einen Mehrwert für den ländlichen Raum schaffen.” - Christian Mainka, Gemeinde Wennigsen (Deister) /

„Die Regionen nicht nur zu Testorten degradieren, sondern zu selbstbestimmten Gestaltern ertüchtigen.“

GERALD SWARAT PROJEKTLEITER DIGITALE REGION

DR. ANKE KNOPP MITGLIED DES LENKUNGS-KREISES

RESA MOHABBAT KAR GESCHÄFTSFÜHRER COLAB

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Die Digitale Region 7

03 WAS IST EINE “DIGITALE REGION”

Was ist eine “Digitale Region”?

Die Expertengruppe entwickelt zunächst theoretische Ansätze, die in unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten zum Tragen kom-men: Arbeit & Wirtschaft, Politik & Verwaltung, Bildung & Lernen, Mobilität & Logistik. Auch Ängste gegenüber der Digitalisierung wurden in der Arbeitsgruppe „Facing Fears“ adressiert, um diese zu kennen, ihnen aber auch Chancen gegenüberstellen zu können, die eine Mitnahme der gesam-ten Gesellschaft ermöglichen. Der Bogen der Ansätze spannt sich daher von der Weiterentwicklung eines Wirtschaftsstandortes bis hin zur Aufrechter-haltung und Sicherung einer hohen Lebens- und Arbeitsqualität für die Men-schen, die zugleich im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen.

Diese theoretischen Ansätze gilt es regional konkret zu verankern, um so aus dem theoretischen Überbau in die praktische Anwendung vor Ort zu gelangen. Das CoLab-Netzwerk geht also in die direkte Auseinandersetzung und Kooperation mit den regionalen Strukturen und Akteuren, denn jede Region definiert und gestaltet diesen Veränderungsprozess individuell für sich. Es wird keine Idee von der Stange entstehen. Trotzdem soll ein Maß an Übertragbarkeit erkennbar werden. In drei Modellregionen wird erprobt, wie ein solcher Prozess partizipativ gelingen kann, um am Ende konkrete und passgenaue Handlungsempfehlungen für die jeweilige Region formulieren zu können.

Im Vorfeld der Regional-Workshops entwickelten die Arbeitsgruppen zu-nächst Fragebögen für ihre Arbeitsschwerpunkte. Diese wurden bundesweit viral geteilt und in einer hohen Rücklaufquote durch die Community sowie durch die explizite Ansprache von Fachgruppen beantwortet. Die Ergebnis-se wurden statistisch aufbereitet und anschließend in die Modellregionen zurückgespiegelt und dort konkret anhand von regionalen Bedarfen bewer-tet und eingeordnet. Der Vorteil dieser Methode liegt unter anderem in den neuen Formen digitaler Netzwerkarbeit: So hat ein fluid zusammengesetztes Expertenteam ein theoretisches Gerüst von Handlungsempfehlungen erar-beitet, durch die Praxiserfahrung vor Ort verifiziert sowie durch partizipati-ves Einbinden der Beteiligten mittels Bürgerbefragungen und Regionalwork-shops in konkrete, praktische Handlungsansätze überführt.

Sinnvoll ist die Nachschau in einem weiteren Schritt, um gemeinsam festzustellen, wie sich die Ansätze in einem gewissen Zeitrahmen ent- wickeln konnten. So ergeben sich aus den drei Workshops in Wennigsen, Augsburg und Göttingen wichtige Parameter, in welchem Zeitfenster eine konkrete Realisierung umsetzbar ist. Aus dieser Phase der Umsetzung lernt wiederum die Expertenrunde, welche Annahmen noch einer Nacharbeit bedürfen und welchen Rahmen die regional handelnden Akteure über-haupt ausschöpfen können. So bildet sich sowohl eine Grundarchitektur sowohl für die Übertragbarkeit auf andere Regionen, als auch eine trag- bare Ausgangsbasis für die konkrete Arbeit in den Modellregionen selbst. Im besten Fall ist eine Digitale Region im Entstehen und es verselb- ständigen sich diese digitalen Impulse und Chancen im Schneeballsystem.

Damit geht die 11. Initiative Digitale Region einen Schritt über die Zu-standsbeschreibung hinaus, wie sie noch in der 10. Initiative unter dem Schwerpunkt SmartCountry erfolgt ist. Die 11. Initiative ist der Lackmus-test für die Maßgabe, dass Deutschland den digitalen Transformations-prozess auch in der Fläche gestaltet und meistern kann. Darüber hinaus ist es dem CoLab ein besonderes Anliegen, bei der Zusammensetzung der Expertengruppe einen erkennbaren Fokus auf das Einbinden zivil- gesellschaftlicher Akteure zu legen. Das Interesse und die Eignung der ExpertInnen zur Mitgestaltung der digitalen Transformation ergibt sich daher nicht nur aus ihrer professionellen, theoretischen, fachlichen Expertise, sondern auch und vor allem aus den Erfahrungen der gelebten Alltagsrealität. Bei der praktischen Gestaltung der digitalen Trans- formation kann dieser bottom-up-Ansatz bestehende Formate, Initiati-ven und Agenden ergänzen und sicherstellen, dass der Diskurs um die Digitale Agenda kein Eliten-Diskurs bleibt, und ihre Umsetzung nicht aus- schließlich einer von oben verordneten One-Size-Fits-All-Agenda folgt.

AUTOREN: WILLI KACZOROWSKI, CHARLOTTE RENDA, GERALD SWARAT, DR. ANKE KNOPP, FLORIAN APEL-SOETEBEER

EINE ANNÄHERUNG AN DEN BEGRIFF

Was ist eine Digitale Region? Liegt diesem Konzept nicht ein funda-mentaler Widerspruch zu Grunde, weil die Prinzipien von Digitalisie-rung und Vernetzung die Eigenschaften haben, Raum und Zeit zu über- winden? Kann Internet überhaupt regional sein? Und was soll in diesem Kontext “regional” bedeuten? Das scheinbare Paradoxon lässt sich nach zwei Seiten hin auflösen:

Einerseits steht “hinter” der digitalen Welt eine durchaus raumgebun-dene T eilhabestruktur. Diese umfasst natürlich den Ausbaugrad techno-logischer Infrastruktur (siehe Schaubild „Bausteine einer Digitalen Regi-on“, S.11). Aber auch Fragen nach der Verteilung von digitalem Know-How und Handhabungskompetenzen (Digital Literacy) fallen hierunter (siehe Baustein 2). Insofern kann zwischen verschiedenen Orten ein “digital divide”,

ein digitaler “Ungleichheitsgraben” klaffen, wenn etwa in drei Bundeslän-dern Informatikunterricht Pflichtfach ist, während es in den übrigen dem Eigeninteresse von SchülerInnen oder LehrerInnen überlassen bleibt, ob und welches Wissen erarbeitet wird. Dieser Perspektive zufolge wäre die Frage nach “Digitalen Regionen” eine nach digitalem Ein- und Aus- geschlossen-Sein. Daran knüpfen Überlegungen an wie:

•Welche Standards gibt es?•Welche Infrastrukturen braucht es für Teilhabe gemäß dieser

Standards?•Wie lassen sie sich finanzieren und umsetzen?•Wie verändern diese Digitalisierungstrends die Anforderungen

an und Strukturen von Verwaltung, Wirtschaftsstandorte oder Bildungspolitik (siehe Baustein 5 )

•Was können bzw. müssen verschiedene Akteursgruppen tun, um Digitalisierung bestmöglich voranzubringen?

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8 Die Digitale Region

03 WAS IST EINE “DIGITALE REGION”

Andererseits kann man bei den Regionen ansetzen und sieht Digitalisierung als L ösung für spezifische regionale Herausforderungen. Es geht dann gar nicht so sehr um ein Schritt-Halten (oder Voran-Schrei-ten) bezüglich digital-technologischer Standards, die es braucht, um als Region attraktiv zu bleiben. Die Idee ist, Digitalisierung als kreative Antwort auf strukturelle Probleme anderer Natur zu beziehen. Ein Beispiel ist die Frage danach, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgesetzt werden kann oder wie Kommunen im ländlichen Raum bedarfsnah und schnell von Straßenschäden außerorts erfahren können. Daran schließen Überlegungen an wie:

Gerade diese zweite Perspektive kann Digitale Regionen als Ausgleich bzw. Ergänzung zu starken Metropolen positionieren. Typische Nachteile ländlicher Gebiete (z.B. personelle Engpässe, mangelnde Verkehrsan- bindung etc.) könnten so ausgeglichen werden.

Eine Digitale Region kann mehrere Gebietskörperschaften umfassen. Sie kann beispielsweise mehrere IHK-Bezirke umspannen. Denn nicht die räumliche Abgrenzung ist entscheidend, sondern die Vernetzung der Akteure, der inhaltlichen Gestaltungszusammenhänge sowie des Grades der digitalisierten Anwendungen.

Das nachfolgende Schaubild erfasst wesentliche Bausteine einer Digitalen Region:

BAUSTEIN 1: INTELLIGENTE INFRASTRUKTUR

Verbindender Baustein jeder regionalen Digitalstrategie ist insbesonde-re die intelligente Infrastruktur. Diese besteht sowohl aus dem schnellen Netzzugang über Glasfaseranschlüsse, W-LAN oder Mobilfunkverbindungen als auch aus sicheren Cloud-Infrastrukturen. Darüber hinaus sind es auch die traditionellen Infrastrukturbestandteile wie Straßen, Laternen oder Ampelanlagen, die mit Hilfe von Sensoren und der Nutzung eines intelli-gentes Netzes (Internet der Dinge) smart werden. Im Hinblick auf künftige vernetzt und selbstfahrende Fahrzeuge oder dem öffentlichen Verkehr on Demand müssen diese Gegenstände in ein leistungsfähiges intelligentes Netz eingebunden werden.

BAUSTEIN 2: DIGITALISIERUNG DER ALLTAGSERFAHRUNGEN

Bei den Anwendungen steht die Digitalisierung der Alltagserfahrun-gen im Mittelpunkt. Eine Agenda für die Digitale Region sollte beispiels_ weise Antworten auf nachhaltige und vernetzte Mobilität, dem digitalen Zugang und die digitalen Prozesse für Bildungs- oder Kultureinrichtun-gen oder beispielsweise auf die künftige Organisation von Gesundheits-diensten und Pflegeleistungen geben. Daran hängen auch Fragen nach

“Digital Literacy”, denn digitaler Zugang allein genügt nicht: Es bedarf auch der Kompetenzen, digitale Programme und Informationen zu nutzen. Diese sollten im Alltag ebenso gefördert werden und rufen insbesondere Bildungsorganisationen und -initiativen auf den Plan. Ebenso wichtig ist die Nutzung und Berücksichtigung der Digitalisierungsmöglich- keiten beim Neubau von Wohnungen oder der Renovierung des Wohnungs- bestands.

BAUSTEIN 3: WERTSCHÖPFUNG UND INNOVATION

In den nächsten Jahren wird Digitalisierung und Vernetzung die Arbeits-welt des 21. Jahrhunderts entscheidend verändern. Wie soll künftig Wert-schöpfung entstehen und welche Arbeitsformen werden dabei genutzt? Welche Elemente umfasst eine Innovationsstrategie im Hinblick auf Organisation, Technologie, Prozesse und Einstellungen? – diese Fragen sind zentraler Bestandteil des Bausteins „Wertschöpfung/Innovation“.

BAUSTEIN 4: PARTIZIPATION UND TRANSPARENZ

In den letzten Jahren ist die Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz wieder verstärkt auf die politische Agenda gekommen. Sie richtet sich sowohl auf die Beteiligungen im Verwaltungs- als auch im politisch-parlamentarischen Prozess. Oftmals kommt die Forderung be-sonders beim Errichten von intelligenten Infrastrukturen wie Straßen, Energienetzen etc. auf. Da diese in ein enges Netz eingebettet sind, über-schreiten sie oftmals territoriale Grenzen. Deshalb stellt stärkere, ver- netzte Bürgerbeteiligung einen wesentlichen Aspekt des Bausteins

“Partizipation und Transparenz“ dar. Der andere Aspekt behandelt Trans-parenz in zweifacher Hinsicht. Zum einen geht es darum, Digitalität selbst transparent zu gestalten. Das betrifft den derzeitigen Stand der intelligenten Infrastruktur, den man in Echtzeit erfassen und steuern können will. Angesichts immer neuer digitaler Anwendungen (Apps, Online-Platt- formen etc.) sollten aber auch Fragen des Datenschutzes, also der Trans-parenz der digitalen Angebote gegenüber dem User, nicht aus dem Fokus fallen. Zum anderen bezieht sich Transparenz, wie oben skizziert, auf politisch-administrative oder politisch-parlamentarische Vorgänge. Transparenz soll in diesem Fall durch das Mittel der Digitalisierung grund-sätzlich ermöglicht werden.

BAUSTEIN 5: DIGITALE VERWALTUNG

Eine intelligente Verwaltung, die ihre Vorgänge medienbruchfrei, kunden-orientiert und in Bezug auf den Stand des Bearbeitungsprozesses trans-parent gestaltet, ist ein fünfter Baustein einer Digitalen Region. Allerdings ist die Zeit, in der Verwaltung ihre Dienstleistungen alleinig top-down anbietet, vorbei: Denn Verwaltung ist nicht mehr nur Ordnungs- und Dienstleistungsverwaltung, sondern als Bürgerverwaltung ein Teil der digitalen Gesellschaft, in der Kunden zunehmend auch zu Produzen-ten werden. Diese wollen mit öffentlichen Verwaltungen auf Augenhöhe kommunizieren und interagieren. Nicht zuletzt entstehen dabei auch Koproduktionen, die um den Faktor Wirtschaft erweiterbar sind.

ALLTAGSERFAHRUNG

Bausteine für eine Agenda “Digitale Region”

WERTSCHÖPFUNG/INNOVATION

DIGITALEVERWALTUNG

PARTIZIPATION/TRANSPARENZ

INTELLIGENTEINFRASTRUKTUR

•Welchen Herausforderungen steht unsere Region gegenüber?• Könnte Digitalisierung hier das Mittel der Wahl sein und wenn ja,

in welcher Form?•Welche Risiken oder Folgeprobleme schafft das?•Welches innovative Potenzial wird so generiert?• Und könnte man diese Strategien als Best-Practice-Empfehlung

generalisieren und übertragen?

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Die Digitale Region 9

Die ExpertInnengruppe unterstützt erstmalig drei Modellkommunen, die sich auf den Weg zu einer Digitalen Region entwickeln wollen und mit ihren spezifischen Handlungsfeldern und Herausforderungen exemp-larisch als Werkstatt dienen wollen. Im Zentrum stehen dabei prakti-sche und regionalspezifische Handlungsansätze für den eigenen digita-len Transformationsprozess. Denn die am Kabinettstisch erarbeiteten Ansätze gilt es regional passgenau zu verankern, um so aus dem theoreti-schen Überbau in die praktische Anwendung vor Ort zu gelangen.

Das CoLab-Netzwerk geht also in die direkte Auseinandersetzung und Kooperation mit den regionalen Strukturen und Akteuren, denn jede Region definiert und gestaltet diesen Veränderungsprozess individuell für sich. In den drei Modellregionen Wennigsen/Deister, der Region Ausburg, die die Stadt Augsburg, den Landkreis Augsburg und den Landkreis Aichach-Friedberg umfasst, sowie Südniedersaschen soll erprobt werden, wie ein solcher Prozess partizipativ gelingen kann, um am Ende konkrete und passgenaue Handlungsempfehlungen und Lösungsstrategien der formulierten Herausforderungen für die jeweilige Region erarbeiten zu können.

04 REGIONALWORKSHOPS

#DigitaleRegion on Tour - Regionalworkshops

Eine ausführlichere Darstellung der Workshops mit allen Graphic Recordings und Video-Interviews sowie Eindrücken und jeweiliger Presseschau, ist im Hintergrundbericht enthalten, der auf der Webseite des CoLab (www.collaboratory.de) verlinkt ist.

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10 Die Digitale Region

04.1 REGIONALWORKSHOPS

#DigitaleRegion in Wennigsen

“Der wichtigste Punkt ist ein Umdenken in den Köpfen, nicht nur „Umparken“! Um sich auf neue Arbeitsformen und auf neue Formen miteinander umzugehen, einzulassen. Medienkompetenz muss vermittelt werden, für Jung und Alt und alle sozialen Schichten. Der Zugang muss da sein. Der Internetzugang und auch der Zugang zu Information allgemein.” - Thomas Ritter, RegioLab

“Digitalisierung ist einer der Megatrends für die Zukunft. Es ist auch für die kommunale Ebene wichtig, bereits jetzt am Ball zu bleiben und die Chancen und Risiken zu bewerten!” - Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund

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Die Digitale Region 11

Am 06.09.2016 reisten die CoLab-ExpertInnen also aus allen Ecken des Landes in die Gemeinde Wennigsen, um dort mit regionalen Vertretern aus der Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Wennigsen zu diskutieren, und das so praxisnah und lösungsorientiert wie möglich. Die 30 TeilnehmerInnen wurden durch Bürgermeister Christoph Meineke, einem der “digitalen Köpfe” Deutschlands, begrüßt und Christian Mainka stellte die aktuellen Projekte der Gemeinde vor.  

Der Workshop begann mit Impulsen von Dr. Marco Trips, dem Präsidenten des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund zum Thema „Digitale Daseinsvorsorge für den ländlichen Raum“, und von Jan Knipperts von der Wegweiser Kommune der Bertels-mann Stiftung, der aus dem Datenportal die wichtigesten Zahlen zu Wennigsen aufbereitet hatte und insbesondere eine Visualisierung der Pendlerströme vorstellte, die spannende Zahlen ergab wie diese:

Der Workshop in Wennigsen wurde mit einer explorativen Ausrichtung kon-zipiert, um Teilnehmerinteressen und deren Problemstellungen in regio-nalspezifische Lösungsansätze zu übertragen. Konzeption und Moderation wurden von Robin Sontheimer, Strategischer Designer und Innovati-onsberater, durchgeführt, der die TeilnehmerInnen Arbeitsgruppen finden ließ zu verschiedenen Themenfeldern, die durch die regionalen Stakeholder gegeben waren:

#SmarteNetze #IntelligenteVerwaltung #Leben&Arbeiten

Die Arbeitsgruppen sammelten Problemstellungen, aus denen heraus die Lösungszenarien entwickelt werden konnten.

BEISPIELHAFT AN #INTELLIGENTERVERWALTUNG: WARUM GIBT ES KEINEN KULTUR-STRUKTURWANDEL?

1. Weil es keine Motivation zur Änderung gibt/ Leistung wird nicht honoriert / nicht nur Arbeitgeber honoriert nicht, sondern auch die Bürger- Anreizesysteme existieren nicht. 2. Weil es starre Strukturen gibt. 3. Weil es rechtliche Bedingungen verhindern. 4. Habituelle Praxis: „Das haben wir immer schon so gemacht!“ 5. Weil es für die Existenz der Verwaltung keine Änderung braucht.6. Weil es Verantwortungsübernahme bedeutet, die ungern angenommen wird. 7. Weil es an Blaupausen fehlt, wie Neuerungen entstehen, eingreifen und wirken.

04.1 #DIGITALEREGION IN WENNIGSEN Autoren: Lisa Kammerer, Robin Sontheimer, Gerald Swarat

“Alleine sind wir nicht unbedingt am wandlungsstärksten, wir müssen uns mit anderen zusammentun. Das ist bei solchen Veranstaltungen optimal. Es hilft ungemein aus verschiedensten Blickrichtungen die Ideen zu bekommen.” - Sebastian Eggers, Verwaltung Wennigsen

“Die Gemeinde Wennigsen bildet einen der kleinsten Pendlereinzugsbereiche in der Region Hannover und auch einen der kleinsten Arbeitsmarktstandorte. Es überwiegt deutlich die Funktion als Wohnstandort, insbesondere für in der Landeshauptstadt Hannover tätige Beschäftigte.” - Jan Knipperts , Bertelsmann Stiftung

• 4.795  sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (SVB) haben Wennigsen als ihren Wohnort angegeben, von diesen pendeln 4.060 zur Arbeit in andere Gemeinden.

• Als Arbeitsort wurde Wennigsen für 2.492  SVB angegeben. Von diesen pendeln 1.758 aus anderen Gemeinden zu ihren Arbeitsplätzen in Wennigsen. 1

1 Visualisierung der Pendlerströme in Wennigsen sind auf der Webseite des Collaboratory e.V. oder auf dem Blog Wegweiser Kommune zu finden.

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12 Die Digitale Region

Als Lösung wurde ein Chatbot entwickelt. Das Programm lässt sich u.a. in bestehende Messenger-Plattformen wie telegram, twitter, facebook oder auch auf der eigenen Webpräsenz einbinden.

Der Chatbot antwortet auf die Fragen der NutzerInnen und gibt Hin- weise auf bestehende Dokumente, Dienste oder antwortet direkt auf die Fragen der NutzerInnen, wie z.B. nach Öffnungszeiten. Somit übernimmt der Bot basale Informationsdienste und trägt damit zur Entlastung der Verwaltung bei. Ein solches Programm kann für einen Testbetrieb als Dialogpartner für Erstkontakt-Fragen auf der Webseite der Gemeinde ge- testet werden. Dafür gilt es in einem folgenden Workshop gemeinsam mit der Verwaltung und der Zivilgesellschaft herauszufinden, wie man beispiels-weise die unterschiedlichen Sprachen von Verwaltung und BürgerInnen beziehungsweise Begrifflichkeiten mit dieser Botfunktion zusammenbringen kann.  

Weiterhin sollen in dem Workshop wichtige Anliegen der BürgerInnen und die Erfahrung der VerwaltungsmitarbeiterInnen in die möglichen Fragen und Antworten des Chatbots einfließen. Eine sehr gute Idee, die auch finanziell und organisatorisch einfach realisierbar ist. Auch für die Bürger selbst bringt der Bot eine Erleichterung: Die notwendigen Anträge finden sich schneller, die Fehlerquote beim Vorsprechen ist geringer, die Resultate an Service und Freundlichkeit führen zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Zudem überwindet die Lösung die “Erstkontakt”-Schwierig-keiten zwischen BürgerInnen und Gemeindeverwaltung und erspart damit beiden Seiten viel Ärger und Missmut.

Auf diese Art und Weise soll ein kleiner Schritt in Richtung Kulturwandel erfolgen und Vorteile für beide Seiten entstehen. Möglicherweise wirkt dies auch als Motivation für weitere Änderungen, vielleicht zu einem anderen Personalmanagement, zum Aufbrechen von analogen Strukturen, zu bürgerfreundlichen Innovationen.

Die anderen beiden Gruppen brachten beispielhafte Lösungen hervor, die für Wennigsen passgenau umgesetzt werden können, wie z.B. einen physischen Ort in der Stadt zu schaffen, der als “Anlaufstelle” und   Kristallisationspunkt für den themenbezogenen Austausch dienen kann, ein Ort, an dem Theorie und Praxis digitalisierter Arbeitswelten zusam-menkommen. In Workshops, Seminaren und Vorträgen gilt es für den benötigten Wissens- und Erfahrungstransfer zu sorgen, Unternehmen, Arbeitgeber und Belegschaften der Region an die Themen heranzu-führen, die unter dem Dachbegriff Arbeit 4.0 diskutiert werden. Außer-dem soll dieser Ort  als Coworking-Space in Zusammenarbeit mit den Unternehmen (siehe dazu die Arbeitsgruppe Arbeit/Wirtschaft) dienen.

Dieses Szenario ist für Wennigsen aufgrund der Pendlerströme nahe- liegend und birgt eine nachhaltige Lösung mit Vorteilen für die Arbeitneh-merInnen und für die Kommune. Denn die Arbeitsgruppe #Leben&Arbeiten identifizierte den Mangel an Wissenstransfer (in die Region hinein) als eines der zu lösenden Kernprobleme, bzw. den Wissenstransfer als Bedingung für einen Wandel  des Verständnisses von Arbeit im Kontext der Digitalisierung.

In der Gruppe #SmarteNetze wurde eine Open Data-Plattform entwickelt, die gleichermaßen BürgerInnen, Unternehmen und die Kommune einbinden will, um z.B. öffentliche, netztopologische Daten abrufbar zu machen. Die Kommune soll dazu den Anstoss geben und dann die Bürger und Wirtschaft einbinden, um beispielsweise Kataster aktuell zu halten, ob das die Hydranten der Stadt zur Einsicht für die Feuerwehr sind oder eine Übersicht, an welchen Plätzen kostenloses WLAN verfügbar ist. Es ist vorstellbar, diese Plattform zuerst in bestimmten unkritischen Berei-chen auf ihr Funktionalität zu prüfen und dann auszuweiten.

04.1 #DIGITALEREGION IN WENNIGSEN

“Wir als regionaler Öko-Stromversorger können allein nicht viel verändern. Wir haben natürlich ein großes Interesse mitzu bekommen, wie Digitalisierung in der Kommune, und Wennig-sen hat hier eine gewisse Vorreiterrolle, gesehen wird: welche Themen die Treiber sind. Da wir unsere Produkte zusammen mit den Kommunen entwickeln wollen, ist eine solche Veranstaltung sehr hilfreich.” - Dr. Johannes Voges, Geschäftsführer der Strombewegung GmbH

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Die Digitale Region 13

04.2 REGIONALWORKSHOPS

#DigitaleRegion in der Region Augsburg

“Wir sind gerade am Anfang. Wir haben Standards, die jeder hat, aber wir sind gera-de im Bereich der Organisationsentwicklung aktiv. Wenn man über Prozesse im Haus redet, muss man jeden Prozess über die Möglichkeiten der Digitalisierung analysieren. Unser Projektstart ist nächste Woche, insofern suchen wir Partner mit Input für solche Projekte. Also keine Workshops, was man machen könnte, sondern ganz konkrete Empfehlungen und Partner, um uns besser aufzustellen.” - Michael Wörle, Bürgermeister

“Bei der Initiative #DigitaleRegion wird zielorientiert (!) mit vielen verschiedenen Akteuren an relevanten Problematiken gearbeitet, bei der am Ende konkrete Handlungsan- weisungen stehen. Von der Praxis in die Praxis!” - Sarah Brühl, Verbandsgemeinde Betzdorf

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14 Die Digitale Region

Zwei Wochen nach dem ersten Workshop in Wennigsen ging es am 20.09.2016 für die CoLab-ExpertInnen in eine weitere Region - dieses Mal in die Region A³ in das Technologiezentrum Augsburg. Die regionalen Vertreter kamen aus der Stadt Augsburg und den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg, um gemeinsam mit der Initiative mögliche praxisorientierte Lösungsansätze zu erarbeiten und die Herausforderungen im Zusammen-hang mit der Digitalisierung zu konkretisieren.

Der Workshop wurde durch Impulse eingeleitet und Sarah Brühl und Sascha Hensel, Projektkoordinatoren Digitale Dörfer und Betz-dorf digital, gaben Erkenntnisse aus der Umsetzung und der lokalen Kampagne innerhalb des Projektes Digitale Dörfer mit dem Fraun-hofer IESE weiter. Durch Karin Engelhardt, die Leiterin der Stabsstelle E-Government / Verwaltungsmodernisierung und Online-Managerin der Stadt Coburg, gab es Einblicke zur Digitalisierung im kommunalen Alltag. Außerdem präsentierte Jan Knipperts vom Datenportal Wegweiser Kommune die wichtigsten Zahlen zur Region Augsburg und zeigte eine Visualisierung der Pendlerströme der Region.

Damit sich alle rund 50 TeilnehmerInnen eine Vorstellung der Situation vor Ort machen konnten, präsentierte Madeleine Früh, die Geschäftsführerin von Unternehmen für die Region e.V., die SWOT-Analyse, die in einem vorange-gangen Treffen gemeinsam mit Akteuren aus der Region Augsburg erarbeitet wurde. In dieser wurden die S trengths (Stärken), W eaknesses (Schwächen), O pportunities (Chancen) und T hreats (Bedrohungen) der Region Augsburg zusammengetragen, um Ansatzpunkte zu finden, an welchen Stellen die Di-gitalisierung die Region voranbringen kann.

Die Analyse verdeutlicht, dass es in der Region an Wissensvermittlung, Know-How und Beratung zum Thema Digitalisierung mangelt. Es fehlen auch Leuchtturmprojekte, die als Beispiel für andere wirken können. Das hängt den Akteuren des Vorbereitungsworkshops zufolge viel damit zusam-men, dass es wenig „Gründer-Persönlichkeiten“ und „digitale Treiber“ gibt und die politischen und unternehmerischen Entscheider meistens keine “Di-gital Natives” sind. Doch diese Punkte können kurz- und mittelfristig über-wunden werden:Die relevanten regionalen Stakeholder müssen sich noch weiter vernetzen und auf vielen Ebenen kollaborieren.

An dieser Stelle kann das Netzwerk der Digitalen Region greifen und mit zielgerichteten Formaten Changemaker vor Ort identifizieren und fit machen. Diese gilt es weiter zu coachen und zu vernetzen sowie auf Augenhöhe mit den Entscheidern in den Unternehmen zusam-menzubringen.

Nach der Einführung in die Thematik und Hintergrundinformationen zur Region, übernahm Inga Wiele, die Geschäftsführerin der gezeiten-raum Gbr und erfahrene Praktikerin für Innovationsmanagement und regionale Strategieentwicklung, die Moderation der Workshop-Phasen, die mit Hilfe des Design Thinking-Ansatzes die regionalen Stakeholder in den Mittelpunkt der Ideengenerierung rückten.

Die Teilnehmer des Workshops fanden sich in Arbeitsgruppen zu folgenden Themenfeldern zusammen:

#Arbeitgeber&Wirtschaft#Arbeitnehmer&Wirtschaft#Daseinsvorsorge #Politik&Verwaltung

Nachdem zuerst wichtige Fragestellungen für alle Themenbereiche gesammelt wurden, fokussierte man insgesamt 5 zentrale Fragen:1. Wie bringt man die Digitalisierung an die Leute?2. Wie kommt der Arbeitnehmer an das nötige Know-How, um sich bei der Digitalisierung zu behaupten?3. Wie verändern wir die Kultur im Unternehmen?4. Wie verändert sich unser Geschäft?5. Wie verändert die Digitalisierung die kommunale Politik?

04.2 #DIGITALEREGION IN AUGSBURG Autoren: Lisa Kammerer, Inga Wiele, Gerald Swarat

„Die große Mehrheit pendelt innerhalb der Region A3, also zwischen den Landkreisen Aichach-Friedberg und Augsburg sowie der Stadt Augsburg. Die Wirtschaftsregion ist attraktiv und die Gemeinden in den beiden Landkreisen begehrte Wohnorte für Familien, um mit guter Infrastrukturanbindung im Grünen zu wohnen.” - Jan Knipperts, Bertelsmann Stiftung

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Die Digitale Region 15

Diese übergeordneten Fragen spiegeln im Ganzen eine der vorgefun- denen Schwächen wider: Es mangelt der Region an Wissensvermittlung, an Leuchtturmprojekten, dem Aufbau von spezifischem Know-how und Beratung zum Thema Digitalisierung. Diese Vermutung spiegelte sich auch deutlich im weiteren Verlauf wider: Fast alle Arbeitsgruppen suchtensich, stellvertretend für einen beispielhaften Akteur in der Region A3, eine männliche “Persona” zwischen 40-60 Jahren aus. Diese “Persona” ist immer mit traditionellen Arbeitsmodellen und Geschäftsstrukturen vertraut und muss sich das Wissen um digitale Möglichkeiten anlernen, ohne auf Beratung von innen oder außen zählen zu können.

Es wurden einige Ideen zusammengetragen, die auch die genann-ten Schwächen in der Region überwinden helfen, wie z.B. der “Zugang der kleinen Unternehmen zu digitalen Strategien” oder “abgestimmte Digitalisierung (gemeinsame Projekte)”. Dafür kann man einige Stärken der Region Augsburg zusammenbringen: Es sind mit dem aitiRaum, einem lokalen Zentrum u.a. für Koordination und Unterstüt-zung von IT-Aktivitäten, dem eBusiness-Lotsen Schwaben, der Hoch- schule und Universität vor Ort, dem Digitalen Zentrum Bayern und der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH zentrale Ansprechpartner und Multi- plikatoren vorhanden. Diese können gemeinsam mit der Digitalen Region den Unternehmen und Kommunen helfen, sich zu vernetzen und Kooperationen anstoßen.

Zentrale und immer wiederkehrende Forderungen in den Workshop-Phasen, die wir als Handlungsaufforderung verstehen, sind unter anderem:

04.2 #DIGITALEREGION IN AUGSBURG

• digitale Scouts / digitale Dolmetscher für Orientierung• Möglichkeiten und Wege schaffen, um Ideen zu entwickeln, was

Digitalisierung im individuellen und regionalen Kontext bringen kann• Teilnahme an Innovationszirkeln•Wissenstransfer, z.B. durch Reisen zu erfolgreichen Kommunen• Fortbildungen• Stakeholder-Dialoge und Kundenworkshops, um als Unternehmen

die Meinungen, Wünsche und Erwartungen an zukünftige Produkte zu erfahren

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16 Die Digitale Region

04.3 REGIONALWORKSHOPS

#DigitaleRegion in der Region Südniedersachsen

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Die Digitale Region 17

04.3 #DIGITALEREGION IN GÖTTINGEN Autoren: Christiane Bausback, Helmut Ramsauer, Joachim Schonowski, Dr. Ulrike Witt

Am 14.10.2016 beschäftigten sich die ExpertInnen in einem Workshop speziell mit dem Thema „Smart Mobility“. Eingeladen hatte das Pro-jektbüro Südniedersachsen in das Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Das Institut forscht an netzwerk- orientierten Verkehrslösungen für den ländlichen Raum. Im Work-shop entwickelte ein gemischtes, etwa zwanzigköpfiges Team mit Ver- tretern aus der niedersächsischen Staatskanzlei, dem Zweckverband Verkehrsverbund Südniedersachsen, Innovationszentrum Nieder- sachsen, Forschung und Startups innovative Mobilitätskonzepte. Es wurde mit Design Thinking Methoden gearbeitet, um die Konzepte direkt aus den Bedürfnissen vor Ort abzuleiten. Im Fokus standen dabei die Zielgrup-pen Senioren und Studierende. Die erarbeiteten Ansätze wurden hinsichtlich Umsetzbarkeit und Innovationsgrad priorisiert und fließen in die weiteren Aktivitäten für die Region mit ein.

Begrüßt wurden die TeilnehmerInnen vom Landesbeauftragten der niedersächsischen Landesregierung für den Amtsbezirk Braunschweig, Matthias Wunderling-Weilbier, dem Projektleiter Digitale Region Gerald Swarat und von Dr. Ulrike Witt, Leiterin des Projektbüros Süd-niedersachsen. Einen Überblick über die Situation vor Ort gab Jan Schlüter, Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts in seinem Impulsvortrag

“Mobilität in Südniedersachsen - Status Quo und Initiativen”. Dabei wurde deutlich, dass der Handlungsbedarf im Bereich Mobilität durch den demo- graphischen Wandel größer wird. Der auf die Schülerverkehre konzentrierte ÖPNV ist immer weniger in der Lage, Erreichbarkeit zu sichern. Befragun-gen beispielsweise unter Studierenden der TU Clausthal haben gezeigt, dass 97% ein Auto haben, weil sie auf dieses mangels gut auf-gestellten ÖPNV angewiesen sind.

Der Workshop wurde konzipiert und moderiert von den beiden Mobilitätsexperten Christiane Bausback, Geschäftsführerin der N+P Industrial Design GmbH, und Helmut Ramsauer, Managing Partner der SPINPARTNERS GmbH sowie Gründer der regionalen Initiative „Silicon Vilstal“. Beide gaben in Impulsvorträgen einen Überblick über aktuelle internationale und nationale Entwicklungen im Bereich innovativer Mobilitätskonzepte. Die Beispiele reichten von Seamless Ticketing über Bürgerbusse bis hin zu autonomen Fahrzeugen.

Anschaulich wurde die Anwendung von Design Thinking Methoden im Mobilitätskontext vorgestellt. Anhand von „Personas“, empathisch beschriebenen typischen Nutzern, und von „User Journeys“, vereinfacht gesagt, den Mobilitätserlebnissen im Tagesablauf, können Mobilitätsservices so von den Bedürfnissen der NutzerInnen abgeleitet werden, so dass sie wirklich relevante Vorteile bieten.Die Workshop-TeilnehmerInnen arbeiteten dann basierend auf diesen Methoden parallel in mehreren gemischten Arbeitsgruppen. Abschließend wurden die Ergebnisse aus den einzelnen Gruppen im Plenum vorgestellt und auf einer sogenannten „wow-how-now“-Matrix“ hinsichtlich Umsetz-barkeit und Innovationsgrad priorisiert.

Die Ergebnisse des „Smart Mobility“-Workshops für Südniedersach-sen umfassten ein breites Spektrum regionaler Mobilitätsinnovationen. Sie reichten von visionären, technologie-gestützten Plattformen bis zu kleineren, lokal schnell umsetzbaren Angeboten. Deutlich wurde, dass die nachhaltige und nutzergerechte Verbesserung regionaler Mobilität ein Zu-sammenspiel verschiedener Ansätze erfordert. Digitale Technologien haben eine große Bedeutung für eine neue Mobilitätskultur im ländlichen Raum.

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18 Die Digitale Region

04.3 #DIGITALEREGION IN GÖTTINGEN

DIE ERARBEITETEN ANSÄTZE IM EINZELNEN:

E-Bikes für Senioren: Senioren können günstig E-Bikes kaufen, auf Basis einer “Abwrack- prämie” für alte Fahrräder + ÖPNV-Rabatt für den Winter. Die Zusam-menarbeit mit Krankenkassen, Energieagenturen, Kommunen usw. sorgt dafür, dass die Senioren aus-reichend informiert sind.

Lastenrad-Sharing: Ein einfaches Lastenrad-Mietsystem mit GPS steht in der Nachbarschaft insbesondere für Senioren zur Ver-fügung. Es vergrößert die Mobilitäts-Reichweite der Nutzer und erleich-tert den Transport von schweren Gegenständen (Getränke, Einkäufe, etc.)

„Social Neighbourhood Mobility“: Eine digitale Karte einer Region mit Hilfswünschen und Angeboten aller Bewohner stellt eine Art vernetzte Nachbarschaftshilfe für Mobilität dar.

Flexibles Shuttle System: Ein autonom fahrender Shuttle fährt in einem flexiblen Kurs und kann “on demand” bestellt wer-den. Der Shuttle bietet freies W-LAN, Arbeitsmöglichkeiten und Spei-sen an, damit die Fahrzeit sinnvoll genutzt werden kann.

Tür-zu-Tür-Güterversorgung: S m a r t e D r o h n e n u n d / o d e r autonom-fahrende Lieferservice-Fahrzeuge bringen Güter direkt zur Haustür.

Mobility Mix - Die Evolution der Fahrradmitnahme: Eine Übersicht über alle vor- handenen Mobilitätssysteme (Bus, Car-Sharing, Bahn, etc.) ermöglicht Fahrradmitnahme schnell, flexibel und effizient.

Regionale „Transport-Cloud“: Über eine zentrale technische Plattform werden die aktuellen verschie- denen Mobilitäts- und Transportbedarfe von Personen und Gütern mit den in einer Region zu dem Zeitpunkt vorhandenen Transportmedien abgeglichen und (Mit-)Fahrten bzw. Transporte ermöglicht („Matching“).

Next generation mobility: Personen und Güter werden “on-demand” von Tür zu Tür transportiert, es gibt keine Haltestellen, Flughäfen, Stationen, etc. mehr.

Mobilitätslabor/Experimentierraum:In einer entsprechend ausgestatteten Umgebung können neue Mobilitäts-konzepte einfach und schnell prototypisch realisiert und ausprobiert werden.

Weiterführende Links zum Mobilitätsworkshop in Göttingen:Südniedersachsenprogramm: www.suedniedersachsenprogramm.niedersachsen.deMax-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation: www.ds.mpg.deN+P Industrial Design: www.np-id.comSPINPARTNERS: www.spin.partners

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Die Digitale Region 19

Arbeitsgruppen

Wirtschaft und Arbeit

Facing Fears

Bildung und Lernen

Mobilität

Politik und Verwaltung

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20 Die Digitale Region

05.1 ARBEITSGRUPPE WIRTSCHAFT UND ARBEIT Autoren: Philipp Hentschel, Sonja Wessel, Dr. Ole Wintermann, Gerald Swarat, Lisa Kammerer, Michael Lobeck, Charlotte Renda, Dr. Frank Osterhoff

Wirtschaft und Arbeit

Die Digitalisierung verwandelt die Arbeitswelt grundlegend. Es ändern sich sowohl Inhalte, als auch Prozesse und Organisation von Arbeit – und das in allen Berufs- und Unternehmensfeldern. Das kann nicht ohne Einfluss auf die Standortmuster und –anforderungen bleiben. Büroräu-me, Handelsplätze, Unternehmensstandorte und Regionen müssen neu gestaltet werden, um unter den neuen Rahmenbedingungen einer digi-talisierten Wirtschaft und Organisation erfolgreich zu bleiben oder es neu werden zu können.

Während jahrelang sowohl in den deutschen Medien als auch der deutschen Regionalpolitik das Defizit-Szenario der aussterbenden länd-lichen Regionen an die Wand gemalt wurde, deutet sich gegenwärtig und für die Zukunft eine schrittweise Abkehr von dieser so altbekannten Art, auf die ländlichen Regionen zu schauen, an. Die Digitalisierung unseres Lebens und unseres Alltags bringt nämlich nicht nur einen wirtschaft-lichen Strukturwandel mit, sie hat leise und nahezu unbemerkt bereits zu einem veränderten Verhältnis von Land und Stadt geführt. Und das zu Recht, denn die Regionen außerhalb der großstädtischen Ballungs-zentren beherbergen zwei Drittel der Bevölkerung und einen Großteil der klein- und mittelständischen Unternehmen, das heißt, sie stellen einen entscheidenden Lebens- und Arbeitsmittelpunkt für viele Menschen dar. Wir wollen mit unserer Arbeitsgruppe ein positives, der Zukunft zugewand-tes Szenario für das Leben und Arbeiten auf dem (digitalen) Lande entwerfen.

UMFRAGEERGEBNISSE BESTÄTIGEN: GERADE DIGITALE REGIONEN BIETEN VEREINBARKEIT VON LEBEN UND ARBEITEN

Wie können ländliche Regionen den bevorstehenden Herausforderun-gen begegnen? Im Rahmen einer Umfrage haben wir die Teilnehmer nach Voraussetzungen befragt, um zukünftig auch weiterhin Lebens- qualität zu bieten, dem Fachkräftemangel zu begegnen sowie die Unab- hängigkeit von städtischer Infrastruktur garantieren zu können. D ie Ergebnisse haben uns in ihrer Deutlichkeit überrascht. So beschäftigt die Menschen in diesem Themenkomplex am stärksten die Frage, wie die Verein- barkeit von Familie und Beruf garantiert werden kann. Danach treibt die Menschen die Frage um, in welcher Weise eine (Digitale) Region den dort lebenden Menschen die Möglichkeit bietet, ortsunabhängig zu arbeiten. Passend dazu folgte an dritter Stelle der Prioritäten der Wunsch, den örtlichen Einzelhändler gegen globale Riesen wie Amazon in Schutz zu nehmen, sowie die Abhängigkeit von der Deutschen Telekom zu ver-ringern, um beim so dringend benötigten Netzausbau schneller als bisher voran zu kommen.

Telearbeit

LEBEN UND ARBEITEN AUF DEM LAND HAT ZUKUNFT!

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Die Digitale Region 21

05.1 ARBEITSGRUPPE WIRTSCHAFT UND ARBEIT

STUDIE ZU HANDLUNGSOPTIONEN VON UNTERNEHMEN UND KOM-MUNEN

Um den Kommunen und Unternehmen Hilfestellungen zu geben, die sich den Wünschen der Bürger und Arbeitnehmer annehmen wollen, haben wir eine Studie initiiert. Ziel ist es, positive Beispiele zu recherchieren und Best-Practices zu identifizieren, die im ländlichen Raum mit digi- talen Projekten ihre Region weiterentwickeln. Die Studie befasst sich unter anderem mit folgenden Fragen:Wie können Unternehmen, Freiberufler und Arbeitnehmer im ländlichen Raum die Chancen der Digitalisierung nutzen?Wie kann Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft dabei Unternehmen, Freiberufler und Arbeitnehmer unterstützen?Welche Strategien helfen sowohl Unternehmen als auch der Region weiter? Zur Studie liegt ein Zwischenbericht vor:

• Dem großen Handlungsbedarf stehen derzeit noch wenige Best-Practices gegenüber.

• Coworking-Spaces werden als wichtiges Element für zukünftiges Arbeiten auf dem Land betont. Sie können als Infrastruktur ein Netz von Optionen im ländlichen Raum bilden.

• Von Unternehmen initiierte digitale Social Responsibility-Projekte, bieten ganz konkrete Beiträge zur Verbesserung des Lebens auf dem Land.

• Verbindungen unterschiedlicher Angebote können Voraussetzungen für notwendige Tragfähigkeiten schaffen. (Dorfläden, Coworking-Spaces, Social Responsibility-Projekte, …)

• Die Ausstattung mit leistungsfähigem Breitband ist weiterhin ein Thema.

Damit b estätigen sich auch die Eindrücke aus den Umfragen, Regional-workshops und den Experteninterviews, die vor allem auf die Möglich- keiten von Coworking-Modellen hingewiesen haben.

COWORKING ALS WICHTIGSTES UND ZENTRALES HANDLUNGSFELD IDENTIFIZIERT

In allen Phasen der Initiative sind uns Coworking-Spaces als konkrete Handlungsansätze begegnet. Diese Orte können eine breite Palette an positiven Effekten für ländliche Regionen bieten. Freiberufler, Selbst- ständige und Angestellte können an einem gemeinsamen Ort die Vor- teile von geteilten Investitionskosten mit den Optionen von koopera-tivem Arbeiten verbinden. Richtig implementiert können diese Orte vitale Zentren der Begegnung werden - das kann die Selbstheilungskräfte der Region aktivieren und bürgerliches Engagement nachhaltig stärken.Wir empfehlen jedoch eine differenzierte Betrachtung - denn Co-working ist kein Allheilmittel. Das Modell, wie wir es aus Großstädten kennen, wurde in den vergangenen Jahren als Graswurzel-Bewegung aus der Kreativszene entwickelt. Es gibt unterschiedlichste Ausprägungen und Wirkungsweisen, welche nicht 1:1 auf ländliche Gebiete übertragbar sind. Es ist wichtig, einen eigenen Begriff zu definieren und eigene Schwerpunkte für gemeinschaftliche Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen.

COWORKING-SPACES KÖNNEN VIELE POSITIV-EFFEKTE ERZIELEN. SIE:

a) bieten die Möglichkeit, näher bei der Familie zu arbeiten und damit die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit zu verbessern.b) helfen, Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten und Pendlerquoten zu reduzieren.c) gehen mit dem Erblühen einer örtlichen StartUp- und Maker-Kultur einher.d) sind eine Möglichkeit, Infrastrukturkosten kleiner Firmen auf dem Land abzusenken.e) sind Gelegenheit, Gewerberäume mit Leben zu füllen und Leerstand zu vermeiden.f) fördern bürgerliches Engagement und Ehrenamt.g) bieten die Chance Einzelhändler, Restaurants und Nahversorgung zu erhalten.

Die AG Arbeit und Wirtschaft kommt zur folgenden Handlungsempfehlung an Kommunen: Unterstützen Sie den Aufbau von Coworking-Spaces! Zum einen durch finanzielle Mittel als auch durch Anstoßen und Mode-rieren des gesamten Prozesses.

COWORKING-POTENZIALE FÜR IHRE KOMMUNE NUTZEN

1. AnalyseErfüllt meine Region die Voraussetzungen für ein Coworking-Konzept und sind die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung erfüllt? Prüfen Sie anhand klarer Kriterien, welche Potenziale sich in Ihrer Region erschließen lassen.

2. PlanungEs gibt Interesse für das Konzept und die Analyse hat ergeben, dass Sie wichtige Kriterien erfüllen? Jetzt bedarf es einer gründlichen Planung und das Setzen von individuellen Schwerpunkten, um ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten.

3. ImplementierungIn verschiedenen Ausbaustufen kann Ihr Coworking-Modell implemen-tiert werden. Eine regelmäßige Evaluierung sowie die Untersuchung der Effekte auf Ihre Region sind wichtige Kennzahlen für die fortlaufende Optimierung und nachhaltige Erfolge.1

1 Ausführlichere Erläuterungen befinden sich im Hintergrundbericht.

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22 Die Digitale Region

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN AN DIE POLITIK

• Es ist ein Monitoring der Entwicklung von Digitalisierungsaktivitäten im ländlichen Raum empfehlenswert, um das Rad von Kommune zu Kommune nicht immer neu erfinden zu müssen und um eine einheit-liche Planungsgrundlage für die Politik zu haben. Bestandteil eines solchen Monitorings könnte auch die Erarbeitung einer Scorecard sein, um den digitalen Reifegrad einer Kommune zu ermitteln.

• In dieselbe Kategorie fällt daher auch die zentrale D okumentation von Projekten und Best-Practice-Beispielen.

• Die unnötige Verkomplizierung von Arbeitsstättenverordnungen, Hygienevorschriften u.ä. droht, flexible Arbeitsmodelle auf dem Lande zu erschweren. Informieren Sie sich bei den Interessenten, welche Arbeitsbedingungen diesen Menschen entgegenkommen. Dementsprechend sollte auch Wirtschaftsförderung vermehrt auf Solo-Selbstständige und KMU ausgerichtet werden.

• Ohne intensiven Breitbandausbau und die zügige Bewilligung sowie den alternativen Ausbau werden wir den Trend der Landflucht jedoch nicht umkehren können. Internetversorgung gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

• Bieten Sie als Kommunen kleine Förderprogramme für Anschub- finanzierungen in Coworking-Spaces an. Übernehmen Sie aber auch die Rolle des Moderators. Dies gilt insbesondere bei der Umnutzung bestehender Gewerbe- oder sonstiger Leerflächen.

• Initiierung eines Wissenschaftsjahres zur „Zukunft der Arbeit“.

Die Teilnehmer der Themeninitiative sind davon überzeugt, dass länd-liche Regionen überdurchschnittlich von der Digitalisierung profitie-ren können. Machen Sie sich auf den Weg! Keine Studie, Roadmap oder Regionalkonferenz kann Ihre persönlichen Erfahrungen ersetzen.

Lassen Sie sich inspirieren, seien Sie mutig und wagen Sie den nächsten Schritt. Tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten und Experten aus ausländli-che Regionen können nur gewinnen!

Eine der vielleicht wichtigsten Erfahrungen der TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe war, dass sich mit Hilfe der Digitalisierung plötzlich das Bild einer prosperierenden ländlichen Region abzeichnen kann. Nach-dem seit Jahrzehnten über die Landflucht gesprochen wurde, kann sich dieses Bild plötzlich umdrehen. Warum sollten Menschen über-teuerten Wohnraum in stressigen Innenstadtlagen bezahlen, wenn sie im Grünen und in Ruhe arbeiten können? Warum sollten sie das Standardbüro eines Geschäftshauses der persönlichen Umgebung eines

häuslichen oder auch Coworking-Arbeitsplatzes vorziehen? Eine weite-re wichtige Erkenntnis war, dass dem Wunsch der Bürger nach Arbeiten und Leben auf dem Lande mit einfachen und relativ kostengünstigen politischen Maßnahmen entsprochen werden kann. Es ist sogar so, dass der Kommune eher die Rolle eines Moderators und Enablers zukommt. Gespräche spielen eine zentrale Rolle. Darüber hinaus haben sich die folgenden Handlungsempfehlungen als zielführend herausgestellt:

05.1 ARBEITSGRUPPE WIRTSCHAFT UND ARBEIT

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Die Digitale Region 23

05.2 ARBEITSGRUPPE FACING FEARS Autoren: Dr. Anke Knopp, Damian Paderta

Facing Fears

WAS IST DRAN AN DER „ANGST“?

Smartphones, digitales Fernsehen, digitale Zeitungen, digitales Shopping - die Digitalisierung ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern Gegenwart - Alltag. Aber Digitalisierung ist weit mehr als das. Digitalisierung erfordert weitgehende Veränderungen im Verhalten. Diese Aufforderung zu Verhal-tensänderungen kann Verunsicherung oder gar Angst auslösen.

Die AG-übergreifende Gruppe “Facing Fears” beschäftigt sich mit den Ängsten und Risiken, die mit der Digitalisierung verbunden sind. Viele Innovationen der Vernetzung und Digitalisierung sind eng ver- woben mit Skepsis auslösenden und diffuse Befürchtungen schürenden Aspekten. Dazu gehört zum Beispiel das Thema Datenschutz. Aber auch mangelnde technische Kompetenzen tragen dazu bei, die Hemmschwel-le zu erhöhen, die zwischen prinzipiell anwendungsbereitem Bürger und Innovation steht. Die Expertenrunde will deshalb bei ihrer Bestandsauf-nahme jeweils auf derartige Herausforderungen diverser Lösungen im Bereich #DigitaleRegion hinweisen und konstruktive Vorschläge zu deren Bewältigung formulieren. Grundsätzlich sind diese Ängste nicht regio-nal gebunden: Ängste gegenüber der Digitalisierung finden sich sowohl im urbanen Raum als auch im eher ländlichen Raum. In der durchge- führten Mini-Umfrage, was diese Ängste konkret ausmacht und in welcher Gewichtung sie eingeschätzt werden können, stand daher eine solche Differenzierung zwischen Stadt und Land nicht im Vordergrund. Dennoch zeigt sich: Insbesondere der „Kommunikationsraum Kommune“ muss

eine kritische Reflexion der Kritikpunkte gewährleisten - vor Ort im direkten Lebensumfeld der Menschen entsteht die Grundhaltung zur Digitalisierung und somit die Chancen der eigenen Teilhabe.

WIE SIND WIR VORGEGANGEN?

In einem ersten Aufruf konnten insgesamt “48 Ängste” identifiziert werden, die sich in folgenden Kategorien gruppieren lassen: Sicherheit, Datenschutz, Arbeit, Überwachung, Gesellschaft und Technik.

Innerhalb von zwei Wochen nahmen 87 Interessierte aktiv an der Mini-Umfrage teil, die ausschließlich über soziale Netzwerke im Internet verteilt wurde, was in dem kurzen Zeitraum eine beachtliche Zahl ist und die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Debatte über Chancen und Risiken der Digitalisierung bekräftigt. Sie beantworteten die Frage nachden differenzierten Ängsten in einer Skala von eins bis fünf. “Eins” bedeutet, die Angst ist nicht besonders ausgeprägt, die “fünf” steht für

“große Angst”. Mit der Auswertung wird kein Anspruch auf Repräsentati-vität erhoben. Die Antworten werden vielmehr eher als ein Meinungsbild verstanden und interpretiert. Zudem muss hervorgehoben werden, dass die Umfrage ausschließlich im Netz gelaufen ist - Menschen, die offline sind, konnten daher gar nicht teilnehmen, was nochmal eine Schieflage produ-ziert, die uns aber bewusst war.

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24 Die Digitale Region

05.2 ARBEITSGRUPPE FACING FEARS

Hier finden sich die Top 7 Ängste von 48 Ängsten. Sie sind nach der Reihen-folge ihrer Gewichtung aufgelistet.

1. Zugriff auf personenbezogene Daten nicht ausreichend geklärt,2. Gläserner Bürger,3. Netzneutralität ist in Gefahr,4. fehlende Arbeitssicherheit in Folge der Digitalisierung,5. Zunehmende Überwachung als Bürger,6. Traditionelle Medien verlieren Kompetenz = Meinungsbildung ändert sich dadurch,7. Grenzenlose Arbeit und ständige Erreichbarkeit

ANGST GEHT AUCH KOMMUNALBei der Übersicht der Ängste könnte man annehmen, es handelt sich um Themen, die auf den ersten Blick mit dem ländlichen Raum und kleinen Kommunen nichts zu tun haben. Oder doch? Allesamt berüh-ren die Ängste den normativen, ordnungspolitischen Rahmen, den Politik setzen muss. Es zeigt sich: Die technischen Entwicklungen sind schneller und haben den gesellschaftlichen Diskurs sowie politische Rahmensetzung abgehängt. Erkennbar und erlebbar wird dieses Vakuum

vor allem dort, wo die Menschen leben. Vor Ort, in ihrem täglichen Dasein, in ihrem Alltag. Das bedingt die Notwendigkeit, die Menschen auch vor Ort aufzuklären. Ängste insbesondere dort aufzufangen, wo sie ent- stehen. Ängste dürfen nicht dazu verleiten, sich dem Thema an sich oder gar den Chancen nicht zu widmen. Auch Kommunen und kleinere Regionen müssen den Rahmen schaffen, damit die Digitalisierung vor Ort gelingen kann, dass staatlichem Verwaltungshandeln weiterhin Ver-trauen entgegengebracht wird, dass Unternehmen vor Ort ihren Platz in der digitalen Transformation einnehmen können - oder sich über-haupt dieses Wagnis zutrauen, nicht nur analoge Prozesse zu digitalisie-ren, sondern Zukunft generell in digitalen Geschäftsfeldern und Arbeits- strukturen zu gestalten.

WAS HABEN WIR GELERNT?Trotz der Annahme, dass Angst universell verortet ist, ergaben sich in den Interviews in den Kommunen vor Ort viele Anhaltspunkte, dass die Menschen eher Ängste gegenüber der Digitalisierung skizziert haben als Chancen. Weil konkrete Bilder der Anwendung fehlten - oder aber alltägliche Nutzung von Digitalisierung nicht mehr als solche wahrgenom-men wurde und daher auch keine Ängste formuliert wurden.

WO LIEGEN HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR DIE KOMMUNE?• Überblick

Die Kommunen geben ihren Bürgern einmal im Jahr einen Überblick über den von ihnen gespeicherten Datensatz

• Aufklärung Die Kommunen klären auf, wo und wie ihre Daten gespeichert wer-den und wie die Kommune damit Geld verdient

• Offenheit als Standard Die Kommunen verfolgen eine Open-Data-Strategie: Alles ist öffentlich, was nicht-öffentlich ist, wird begründet. Zudem erlassen sie eine Transparenzsatzung.

• Kompetenz inhouse IT-Sicherheit gehört in jedes Rathaus

• Offenes WLAN Kommunen informieren sich und Bürger über WLAN

• Partizipation Die Kommunen etablieren offene Plattformen, Werkzeuge, um Dialo-ge und Partizipation und Zusammenarbeit zu fördern

• Bewusstsein für Digitalisierung Gefühl für Digitalisierung in ihrer gesellschaftlichen Durchdringung aufzeigen

• Neue Orte der Wissensvermittlung Es werden Anlaufstellen für Sinnvermittlung der Digitalisierung geschaffen = neue Orte der Wissensvermittlungkönnen etwa Bibliotheken oder alte Gasthöfe sein

• Der Mensch im Fokus Lösen alltäglicher Probleme der Menschen, nicht Konzerninteressen und reine Technikvermarktung

• Fortbildung Fehlendes digitales Fachwissen der Verwaltung wird aufgebaut

• Digitaler Dorfkümmerer Digitale Dorfkümmerer werden benannt

• Wahrung der Netzneutralität Kommunen verstehen sich als Hüter der Netzneutralität und setzen sich insbesondere mit ihren Vertretungen dafür ein

UND NUN?Angst vor Technik und Fortschritt gab es seit eh und je. An diesen Stellen stehen geblieben ist die Menschheit jedoch nicht. In einer globalen Welt ist das Stehenbleiben distopisch. Einzig ein breiter ge- sellschaftspolitischer Diskurs wird helfen, Technik und Fortschritt zu

begleiten. Niemals zuvor war es möglich, einen solchen Diskurs so breit und weltweit vernetzt zu führen. Auch dazu dient die neue Technik. Nie zuvor war die Chance so groß, einen solchen Prozess zu gestalten, statt der Angst zu folgen und nichts zu tun.

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Die Digitale Region 25

05.3 ARBEITSGRUPPE POLITIK UND VERWALTUNG Autoren: Florian Apel-Soetebeer, Marc Groß, Anika Krellmann, Stefan Domanske, Dr. Anke Knopp, Dr. Johannes Stämmler, Yvonne Eich, Karin Engelhardt

Politik und Verwaltung

ALLES WIE IMMER...

... außer, Sie setzen sich in Bewegung, lernen, machen Fehler, erschaffen etwas Neues und werden Partner in einer digitalen Gesell-schaft. Die Anzahl der Veröffentlichungen zu den Themen Digitalisierung, E-Government und Open Government ist kaum mehr zu überblicken. Viele gehen in die immer gleiche Richtung: Sie bieten Strategien, Konzepte und Pläne als Blaupause an. Es ist verständlich, wenn Sie jetzt fragen, was Ihnen dieser Artikel noch wirklich Neues bieten kann.

Wir liefern Ihnen keine Blaupausen! Das versprechen wir Ihnen. Denn wir stellen immer wieder fest, dass all die individuellen kommunalen

„Best Practices“ sich eben nicht einfach so übernehmen lassen. Es gibt nicht „das“ eine Rezept für alle Kommunen, aber vielleicht doch einige Kniffe, die zum „guten Geschmack“ beitragen können. Welche das sind, entscheiden Sie! Denn: Zu unterschiedlich sind die Kultur- und Rahmenbedingungen in den Kommunen, um einen digitalen Einheits-brei zu kochen. Zu unterschiedlich sind Sie selbst, die Anliegen und Wünsche in Ihrer eigenen Kommune.

Genau deswegen empfehlen wir Verwaltungen das zu sein, was man ihnen bislang nicht unbedingt nachsagt: kreativ, mutig und inno-vativ. Denn Verwaltung ist nicht mehr nur Ordnungs- und Dienst- leistungsverwaltung, sondern als Bürgerverwaltung ein Teil der digitalen Gesellschaft. Sie ist ein Partner, der sich mit einem riesigen Schatz an Daten, Informationen, Förderungsmöglichkeiten und Gestaltungs- potenzial einbringen kann.

Besinnen Sie sich auf die Stärken Ihrer örtlichen Gemeinschaft und Ihrer Verwaltung und nutzen Sie diese. Dazu gehört es auch, die Digitalisierung durch die Brille der Bürger und Unternehmen, der Politik und der Ver- waltung zu betrachten und diese zusammenzuführen. Diese unter- schiedlichen Sichtweisen vertiefen wir im Hintergrundbericht.

Eine digitale Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass alle Akteure immer stärker vernetzt sind und voneinander lernen. Die Di-gitalisierung mit all ihren Facetten, als vernetzter Prozess verstanden, eröffnet in vielen kommunalen Handlungsfeldern völlig neue Möglichkei-ten, um die Standort- und Lebensqualität zu verbessern, beispielsweise in den Bereichen Wirtschaft und Arbeit, Bildung und Lernen oder Mobili-tät und Logistik. Wir laden Sie ein, für sich selbst herauszufinden, ob eine dieser neuen Möglichkeiten auf eine ganz konkrete Herausforderung Ihrer Region passt.

Entwickeln Sie eine „Digitale Haltung“. Wir liefern Ihnen die entsprechenden Impulse. Sie entscheiden. Nutzen Sie die Impul-se und erkunden Sie, wie digitale Lösungen Ihnen ganz konkret helfen können: Vielleicht um den ÖPNV im ländlichen Gebiet attraktiv und modern zu gestalten? Vielleicht um die Gemeinschaft zu stärken? Vielleicht um “Heimat” für junge Familien zu bleiben? Vielleicht um den älteren Menschen in Ihrer Kommune ein gutes und sicheres Zuhause zu bieten? Vielleicht um trotz des Fachkräftemangels serviceorientierte Verwaltungsleistungen anbieten zu können?

WERDEICH

DANNARBEITS-

LOS?

ALLESGEHT

IRGENWIESCHNEL-

LER!FERTIG

DASINTERNET

DIGITALISIERUNG

Verwaltung

ENDLICHÜBERALL

W-LAN

Das habenwir doch bis jetztnicht gebraucht!

WER SOLLDAS BE-ZAHLEN

BürgerDAS

SPARTKOSTEN

DAMITGEWINNT MANKEINE WAHL!

Politik

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26 Die Digitale Region

05.3 ARBEITSGRUPPE POLITIK UND VERWALTUNG

Vielleicht um Menschen, Arbeit und Wirtschaft in Ihrer Region zu (er)halten? Oder vielleicht ganz einfach um die Daseinsvorsorge auch in Zukunft zu gewährleisten? Dafür muss Verwaltung lernen- und entlernen. Eine Verwaltung, die beispielsweise mit internen sozialen Medien experimentiert, kann diese Erfahrungen womöglich einfacher auf eine vernetzte Kommunikation und Zusammenarbeit mit Bürgern, Vereinen und Unternehmen übertra-gen. Verwaltungsmitarbeiter können aus der privaten Kommunikation mit Chat-Bots lernen und dies auf Verwaltungsprozesse übertragen. Wenn die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung moderne und attraktive Arbeits-formen, wie beispielsweise Coworking-Angebote nutzen können, dann entstehen darüber automatisch Angebote für Arbeitnehmer außerhalb der öffentlichen Verwaltung. Wenn Politik und Verwaltung realisieren, welche Kreativität ein “Hackday” und „Makerspaces” entfalten und welchen Mehr-

wert dies für die kommunale Daseinsvorsorge haben kann, profitiert eine ganze Region davon. Deutlich wird dies am Beispiel Jugend hackt ( jugendhackt.org) Haben Sie schon einmal darüber nachge-dacht, Jugendliche für solche Ideen eine Plattform zu geben? Die Bürgerverwaltung als ein Teil der digitalen Gesellschaft muss diese Rolle in Zukunft viel aktiver leben. Einführungskonzepte für Dokumenten-Management-Systeme, virtuelle Poststellen oder Facebook-Auftritte allein reichen dafür nicht. Für eine nachhaltige und achtsame Digitalisierung in Ihrer Kommune empfehlen wir Ihnen mutig zu beginnen, neugierig zu sein, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Und vor allem: Stellen Sie Fragen, die Sie zum Nach- und Vordenken anregen! Impulse dafür liefern wir Ihnen nachfolgend - als Einstieg.

KEINE BLAUPAUSEN KOPIEREN, SONDERN FRAGEN STELLEN!

1. BEGINNEN SIE MUTIG

• Was wollen Sie in Ihrer Verwaltung, in Ihrer Region konkret verbessern - heute und/oder in Zukunft?

• Für wen genau wollen Sie eine Verbesserung bewirken?• Von welchen digitalen Lösungen versprechen Sie sich einen

Mehrwert für Ihre Verwaltung/Ihre Region?• Wer würde Sie bei der Umsetzung Ihrer Ideen begleiten?• Welche Betroffenen haben Sie im Boot, für die sich eine Lösung

ergeben kann?

• Welcher Kurs bringt Ihnen Rückenwind oder Gegenwind und wie wollen Sie Segel setzen?

• Kennen Sie Ihre (An-)Treiber im Haus?• Wo können Sie Quick-Wins erzielen und Sichtbarkeit schaffen?• Welche Risiken gibt es bei Ihren Ideen und sind Sie bereit diese

einzugehen?• Haben Sie in Ihrer Verwaltung “Digitale Lotsen”, die für ein „digitales

Leuchtfeuer“ verantwortlich sind ?

2. SEIEN SIE NEUGIERIG UND VERNETZEN SIE SICH

• Haben Sie eine Idee mit Blick auf Ihre Verwaltung/Ihre Region, die Sie so richtig begeistert?

• Was machen andere Kommunen und Regionen?• Was ist gut an der Idee, wie kann Sie Ihnen vor Ort helfen?• Was bieten Bund und Land, worauf man aufbauen kann?• Was macht die Privatwirtschaft? Welche Ideen begeistern Sie und

wären ggf. übertragbar?• Gibt es schon Vorreiter, die Sie fragen könnten?• Welche Ideen haben Ihre Mitarbeiter, Ihre Bürger und die örtlichen

Unternehmen?• Haben Sie schon digitale Köpfe gesucht:

innerhalb und außerhalb Ihrer Verwaltung und Ihrer Region, die Spaß an Ihrer Idee haben? Wie können Sie Bürger, Vereine und Unternehmen aktiv mit einbinden? Gibt es digitale Köpfe in Schulen, der Wirtschaft, Wissenschaft, die Sie einbinden können?

• Sind Sie in der digitalen Gesellschaft vernetzt? Nutzen Sie Facebook und Twitter?

• Kennen Sie Digitalisierungslabore? Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? Haben Sie bereits eins eingerichtet? Was hält Sie davon ab?

3. MACHEN SIE FEHLER UND LERNEN SIE DARAUS

• Wird offen über Fehler gesprochen?• Empfinden Sie Fehler als persönliche Niederlage?• Rechnen Sie Fehler gleich in Geld und Ressourcen um?

• Verbinden Sie Fehler mit einem Lernprozess?• Machen Sie das Scheitern zum Event?• Trauen Sie sich nicht, weil sie scheitern könnten?

4. ZU GUTER LETZT

Gehen Sie kleine Schritte. Setzen Sie eigene Ideen um. Scheitern Sie an einigen Stellen. Lernen Sie daraus. Kommen Sie an und schaffen Sie Mehrwerte für Ihre Region.

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05.4 ARBEITSGRUPPE MOBILITÄT Autoren: Christiane Bausback, Helmut Ramsauer, Joachim Schonowski, Dr. Ulrike Witt, Matthias Moritz

Mobilität

MOBILITÄT IM LÄNDLICHEN RAUM WIRD ZUR HERAUSFORDERUNG

In Zeiten des demographischen Wandels und der Urbanisierung schwinden viele Selbstverständlichkeiten. Mobilität war lange Zeit im länd-lichen Raum kein Problem. Nur diejenigen, die nicht über ein Auto verfüg-ten, erlebten die Weitläufigkeit des ländlichen Raums. Inzwischen schreitet die Zentralisierung von Versorgungseinrichtungen voran. Der Bäcker, der kleine Lebensmittelladen – sie sind oft verschwunden. Das Krankenhaus ist in der Kreisstadt. Die Hausärztin im Nachbarort. Das alles stellt insbe-sondere ältere Menschen vor große Herausforderungen – vor allem, wenn die Kinder mit ihren Familien nicht mehr nebenan wohnen. Es stellt aber auch Familien vor Herausforderungen. Erreichbarkeit ist keine Selbstver-ständlichkeit mehr. Sie wird zu einer organisatorischen Herausforderung.

D I E RA H M E N B E D I N G U N G E N STA M M E N AUS Z E I T E N D E S WACHSTUMS

Die entscheidenden Rahmenbedingungen für den Verkehr heute stam-men aus Zeiten des Wachstums. Diese Rahmenbedingungen wurden ent- wickelt, als alles noch wuchs – die Zahl der Kinder, der Dörfer, der Häuser in den Dörfern, der Straßen und Autobahnen und der Autos. Sie sind geleitet von der Überzeugung, dass allein der Individualverkehr die Lösung für ländliche Mobilität ist. So haben wir heute im ländlichen Raum proportional zur Bevölkerung viel mehr Autoverkehr als in der Stadt. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist bisher oft keine Alternative. Seine rechtlichen Regelungen sind kompliziert und fragmentiert, sie verhin-dern mehr als zu fördern. Bedürfnisse und Möglichkeiten haben sich aber geändert: Es ist an der Zeit, flexible und bedarfsorientierte Lösungen im

ländlichen Raum zu ermöglichen. Das erfordert ein radikales Umdenken bei den Rahmenbedingungen, von der verkehrstechnischen und kommu-nikationstechnischen Infrastruktur bis zu den rechtlichen Bestimmungen.

DIGITALE ZEITEN BIETEN CHANCEN FÜR EIN „COMEBACK“ DES LÄND-LICHEN RAUMES

Die rasanten technologischen und sozialen Entwicklungen unserer digitalen Zeit bieten gerade ländlichen Räumen viele Chancen. Die Projektarbeit digitaler Nomaden kann überall stattfinden, Onlinehänd-ler entstehen selbst in kleinsten Dörfern, die sich gerade entwickelnden dezentralen „Micro-Factories“ können überall stehen. Wichtig für den Standort Land ist dabei, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Dazu gehört auch eine zeitgemäße Mobilitätsversorgung.

BEI INNOVATIVEN MOBILITÄTSKONZEPTEN IST DIE ÖFFENTLICHE HAND ENTSCHEIDEND

Innovative Mobilitätslösungen sind oft digitale Mobilitätslösun-gen. Sie optimieren und steuern Verkehr im ländlichen Raum effektiver als bisher, bis hin zum Zusammenwachsen der unterschied-lichen Verkehrsträger. Der öffentlichen Hand kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Markt und Wettbewerb allein werden die Erreichbarkeit im ländlichen Raum nicht sichern. Mobilität muss bezahl-bar bleiben. Es gilt, Akteure in Netzwerken zusammenzubringen, um gemeinsam eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität zu entwickeln..

ÖPNV Über-regionaleAngebote

RegionaleTransport-

„Cloud“

REGIONGROß-STADT

LOKAL

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05.4 ARBEITSGRUPPE MOBILITÄT

Wichtig ist dabei eine aktive „Kümmerer“-Rolle, also eine Institution und Person, die die regionalen Aktivitäten bündelt und aktiv vorantreibt.

REGIONALPROGRAMME MÜSSEN ÜBER VERWALTUNGSGRENZEN HI-NAUS VERNETZEN

Für regionale Entwicklungsprogramme ist es essentiell, die Ver- waltungsgrenzen der Landkreise und Städte zu überwinden und die verantwortlichen Aufgabenträger zusammenzubringen. Ein Raum, in dem Menschen und Waren unterwegs sind, orientiert sich nicht an Verwaltungsgrenzen. Der Verkehr im Raum muss besser verstan-den, flexible Bedarfe erkannt werden. In einem ersten Schritt sollten die Nahverkehrsplanungen zu einer ganzheitlichen Mobilitätspla-nung weiter entwickelt werden. Verfügbare Finanzmittel sollten auch dafür verwendet werden, andernorts Entwickeltes zu implementieren. WIRTSCHAFTLICHKEIT IM LAUFENDEN BETRIEB IST WICHTIG

Damit Mobilitätskonzepte nicht nur pilothaft, sondern langfristig er-folgreich sind, muss der laufende Betrieb sich selbst tragen oder mit maßvollen Unterstützungsleistungen auskommen. Bei den Anfangs-Investitionen dagegen kann man für intelligente Lösungsansätze ent-sprechende Finanzierungsformen finden. Aktuelle Technologien wie au-tonome Fahrzeuge, robotergesteuerte Auslieferungen oder autonome Lieferdrohnen gehen in diese Richtung. Diese entwickeln sich rasant, werden derzeit bereits pilotiert und in wenigen Jahren in der Fläche zur Verfügung stehen. Für die Realisierung sind erhöhte Anfangsinvestitionen notwen-dig, die sich aber durch die geringeren Betriebskosten amortisieren.

NEUE MOBILITÄTSKONZEPTE MÜSSEN VOM NUTZER HER ENTWICKELT WERDEN

Die Konzepte müssen, gerade in Zeiten sich rasant entwickelnder Tech-nologien, konsequent von den Bedürfnissen der Menschen her entwickelt

werden. Dabei gibt es regional unterschiedliche Schwerpunkte bei den Nutzergruppen wie Senioren, Schülern, Touristen, Berufspendlern usw. Die Angebote müssen gestalterisch überzeugen. Die Nutzungsmöglich- keiten müssen klar und transparent gestaltet und kommuniziert werden, gerade auch bei den Tarifsystemen und Bezahlverfahren. Da-bei gibt es ein breites Spektrum von Lösungsansätzen, oft auch ein Zu-sammenspiel mehrerer Ansätze. Neue Mobilitätskonzepte können auch soziale Innovationen einbeziehen. Zum Beispiel ist gegenseitige Hilfe un-ter Nachbarn in vielen Situationen eine gute Option. Oft kann diese besser funktionieren, wenn eine heterogene Altersstruktur in der Nachbarschaft vorhanden ist. So können Mehrgenerationenhäuser, die Förderung von Straßenfesten zur Stärkung aktiver Nachbarschaftskultur und ähnliche Ansätze auch ein indirekter Baustein für regionale Mobilitätskonzepte sein.

DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG LIEGT IN DER INTELLIGENTEN VERNETZUNG

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer intelligenten Bereitstellung und Ver-netzung der Daten, so dass diese für alle einfach und schnell verfügbar sind. Dafür sollten schon vorhandene Transportmedien genutzt und verbunden werden, wie beispielsweise Paketdienstleister, Pendler oder auch der vor-handene ÖPNV. So entsteht eine einheitliche Datenbasis für die gesamte Mobilität einer Region. Als Vorzeigebeispiel kann hier die Offenlegung der Nahverkehrsdaten durch die Londoner Verkehrsbetriebe aufgeführt werden. Gleichzeitig können Paketdienstleister Ihre Tourendaten in Echt-zeit bereitstellen und lokale Händler können die Lieferung von Einkäufen für ältere Personen direkt in bestehende Touren mit einbuchen. Automa-tisch können alternative Transportmöglichkeiten wie Berufspendler ein-bezogen werden, die auf dem Nachhauseweg durch Kleintransporte die Pendelkosten mitfinanzieren. Mittel- bis langfristig können die einzelnen Ansätze zusammengeführt werden zu einer regionalen „Transport-Cloud“ als Rückgrat einer flexiblen, modernen Mobilität in ländlichen Regionen.

TECHNOLOGIEN ERMÖGLICHEN FLEXIBLE TAKTE BIS HIN ZUR REGIONALEN „MOBILITÄTS-CLOUD“

• Datenerhebung und Planung: Digitale Technologien ermögli-chen einen Quantensprung in der Planung, da sie nicht auf Pendler- daten und Schülerverkehr angewiesen sind. Sie können anhand von realen Daten den tatsächlichen Personen- und Güterverkehr vom ÖPNV bis zum Individualverkehr im Raum erheben und analysieren.

• Fahrzeugkonzepte: Neue Transportsysteme wie selbstfahren-de Kleinbusse oder kombinierbare Kabinen („Pods“) lassen sich flexibel auf die unterschiedliche Nachfrage nach Kapazität anpassen. Bei hoher Nachfrage schließen sich mehrere Einheiten zusammen, bei geringer Nachfrage können auch wenige Menschen wirtschaftlich transportiert werden.

• Bedarfsorientierter Betrieb: Bedarfsorientierte flexible Takte und flexible Routen können mit modernen Steuerungsalgorith-men und Datengrundlagen deutlich besser ermöglicht werden.

Dazu sind nicht zwingend selbstfahrende Fahrzeuge nötig, die Prinzipien funktionieren grundsätzlich auch mit konventionellen Fahrer-besetzten Systemen.

• Vernetzung von Transportmedien: Lösungen für die inter- modale Vernetzung verschiedener Transportmittel sind bereits auf dem Markt, um Mobilität von Tür zu Tür automatisiert zu optimieren. Dabei können nicht nur verschiedene Transportmittel des ÖPNV und des Individualverkehrs verbunden werden. Zukünftig ist auch die bes-sere Kopplung von Personen- und Güterverkehr möglich, erste Ansätze dazu gibt es bereits.

• Vernetzung mit den Mobilitätsbedarfs-Erzeugern: In einem weiteren Schritt können auch die Erzeuger von Mobilitätsbedarfen in eine übergreifende Planung und Steuerung einbezogen werden. Dies kann von der ÖPNV-abgestimmten Krankenhaus- und Arzt-Terminver-gabe, Pendler-gerechten Unternehmensschichtplänen bis zum Einzel-handel reichen.

Bei neuen Mobilitätsangeboten ist der Vergleichsmaßstab aus Sicht der Nutzer das Auto sowie die 10-20-Minuten-Taktung urba-ner ÖPNV-Angebote. Eine vergleichbare Attraktivität muss auch für ländliche Regionen angestrebt werden. Aufgrund der wesentlich ge-ringeren

Nachfrage durch die geringere Besiedelungsdichte ist dies eine wesentliche Herausforderung. Hier sind inzwischen Technologi-en vorhanden, die wesentlich flexiblere ÖPNV-Steuerungssysteme ermöglichen.

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05.5 ARBEITSGRUPPE BILDUNG UND LERNEN Autoren: Dr. Anja C. Wagner, Ernst Karosser

Bildung und Lernen

Die ländlichen Regionen stehen unter Druck. Common Sense scheint zu sein, dass zukünftig zwei Drittel der Bevölkerung in Metropolregionen leben wird. Mit erheblichen Konsequenzen für die verbliebenen Menschen auf dem Land: Schulen und Bibliotheken schließen, lange Anfahrtswege zu (Weiter-)Bildungsangeboten, zu viele unbesetzte Ausbildungsplätze, falsche Qualifikationen der Erwerbstätigen und fehlende soziale Räume für den Er-fahrungsaustausch sind typische Problemfelder schrumpfender Regionen. Gleichzeitig ist fliehendes Wissen durch ältere ArbeitnehmerInnen oder digitale NomadInnen, die aufs Land ziehen, für viele Unternehmen in den Metropolregionen, aber auch in den ländlichen Regionen ein großes Thema.

All diese Entwicklungen müssen nicht so negativ verlaufen, wenn wir als Gesellschaft die Potenziale der Digitalisierung, der Arbeitswelt 4.0 und der damit einhergehenden technologischen Innovationen wahrnehmen, verstehen und konsequent nutzen. Und so die Vernetzungspotenziale zwischen zeitgemässen Bildungsangeboten, digitalisierten Infrastrukturen, Online-Kompetenzen von Individuen und Firmen, zivilgesellschaftlichen In-itiativen und innovativen Akteuren besser gehoben würden.

Der Bereich Bildung und Lernen ist als zentraler Treiber im Gesamt-konstrukt Leben und Arbeiten zu verstehen und muss insofern im ver-netzten Zusammenspiel mit anderen gesellschaftlichen Faktoren mitge-dacht und betrachtet werden.

Soziale-, Bildungs- und kulturelle Dienstleistungen sind mit die größ-ten Wirtschaftszweige in Deutschland. Es fließen große öffentliche wie private Summen in diese Ökosysteme. Gleichzeitig bilden sie immer noch das Schlusslicht im Ranking der Digitalisierungsentwicklung. Sie gehören zu den am niedrigsten digitalisierten Ökosystemen. Dadurch geht viel Gestaltungs- und Vernetzungspotenzial für die gesellschaftliche Fort-entwicklung verloren.

Eine gesamtgesellschaftliche, soziale wie nachhaltige Zukunftsent-wicklung auch in ländlichen Regionen kann im 21. Jahrhundert nur mittels des konsequenten, vernetzten Aufbaus digitaler Infrastrukturen erfolgen. Wer hier nur auf die auf die eigene Marke oder Institution schaut, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Kooperation und Kollaboration sind gefordert - auf institutioneller wie individueller Ebene.

vernetzteBildungscloud

Unternehmen

Zivilgesellschaft

Kommunen

Schulen

Verwaltung

Medienzentren

Makerspace

Museen, Vereine

Coworking-Space

Lernscouts

Lernscouts

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30 Die Digitale Region

05.5 ARBEITSGRUPPE BILDUNG UND LERNEN

WARUM ES SO SCHLEPPEND VORANGEHT?

Die Wechselwirkung zwischen “der Technik”, den BenutzerInnen und deren Vernetzung beruht auf emotionalen Erfahrungen. Technik wird dann ange-wendet und genutzt, wenn BenutzerInnen „abgeholt“ werden. Wenn sie einen Mehrwert für sich erfahren und dieser Mehrwert sinnvoll aufgeladen ist. Das Abholen entspricht der berühmten “User Experience”, einer kon-sequenten Perspektive aus Sicht der BenutzerInnen, die sich in Zeiten intelligenter Systeme dem allgemeinen Menschenverstand annähern muss. Der technische Aspekt der Digitalisierung kann inso-fern zurücktreten, wenn die Einbettung des Mehrwerts in die persönli-chen Erfahrungs- und Erlebniswelten gelingt. Wenn man den Wert der Digitalisierung wirklich als Mehrwert wahrnimmt. Dies möglichst vollständig emotional wie rational.

Hier möchten wir mitdenken, um Regionen diverse Anknüpfungspunkte aufzuzeigen, wo sie ansetzen könnten, um sich im globalen Wettbewerb der Regionen positiv zu positionieren.

Die AG Bildung & Lernen untersucht, wie durch neue Organisations- und Kulturformen, die durch den Einsatz von Informations- und Kommunikati-onstechnologien ermöglicht werden, ländliche Regionen im Bereich Bildung unterstützt werden können.

Betrachtet wurde dabei das Zusammenspiel von institutioneller, informeller und kultureller Bildung, um daraus Fragen für eine kommuna-le Befragung abzuleiten. Inhaltlich setzte die Arbeitsgruppe dazu auf den Ergebnissen der SmartCountry-Initiative des CoLab aus dem Jahre 2014 auf, die auf ein breites Interesse stießen.1

Seither geht es uns darum, die schulische Bildung und die berufliche Aus- und Weiterbildung in den Kontext einer umfassenden, regiona-len, sozio-kulturellen Bildung einzubinden. Nur wenn möglichst breite Bevölkerungsschichten der digitalen Entwicklung im 21. Jahrhundert offen gegenüberstehen und hier mehr positive, potenzielle Effekte erkennen als negative Konsequenzen, wird das Potenzial der Digitalisie-rung für die regionale Entwicklung konstruktiv zu nutzen sein.

Erst in solch einem gesamtgesellschaftlich lernenden Umfeld werden auch die formalen, klassischen Bildungsinstitutionen (zugegeben mit ein wenig Glück) eine gute Wendung hin zu einer zukunftsgewandten Gesellschaft leisten können. Bildungspolitische Überlegungen aber lediglich in diese traditionellen Wege zu gießen, wird das grundsätzliche Problem der an- stehenden Transformation nicht lösen.

Denn “Transformation” bedeutet eine grundlegende Überwindung des aktuellen Status Quo auf die Ebene eines neuen, wenn möglich besseren Zustandes.

Zum Glück arbeiten diverse Initiativen weltweit an solch einer Überwindung - unabhängig von offiziellen Geldern oder Interessen. Diese fortschrittlichen Geister zu unterstützen, gilt es heute anzugehen, will man die Potenziale der Regionen besser nutzen.

Was uns als AG in diesem Zusammenhang vor allem interessiert, ist die Frage, wie man vorhandene Initiativen strategisch unterstützen kann, damit sie förderliche Infrastrukturen vorfinden, die auch andere Bevölke-rungsschichten mitziehen. Insofern adressieren wir als Zielgruppe unserer Befragung regionale VorreiterInnen, die den Potenzialen der Digitalisierung selbst weniger kritisch gegenüber stehen, diese vielmehr konstruktiv für ihre eigenen Belange nutzen und hier vor allem Chancen für sich und ihre Um-gebung erkennen. Die Ergebnisse der Befragung waren in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

WER TREIBT DEN WANDEL VOR ORT?

Nach Ansicht der Befragten muss die Initiative für mehr Digitalisie-rung in den Regionen primär von Einzelpersonen ausgehen, damit sich etwas bewegt. Vereine, Verwaltungen, Unternehmen und Verbände seien zwar durchaus auch in der Pflicht, aber ohne die Initiative von einzelnen, konsequenten Akteuren ließe sich hier kein Blumentopf gewinnen.

Typische Aktive sind dabei v.a. technologieaffine Nerds, aber auch politisch interessierte Menschen, die die Technologien für zivil- gesellschaftliche oder regionale Initiativen nutzen wollen, also z.B. für regionale Produkte, nachhaltige Entwicklung oder Energiegewinnung, moderne Arbeitsbedingungen usw.. Insofern ist auch die wachsende Zahl an Menschen, die im Homeoffice arbeiten wollen oder müssen, sehr stark an einer regionalen, digitalen Entwicklung interessiert, die über einen Breit-band-Anschluss hinausgeht und ein breites Angebot für die gesamte Fami-lienstruktur mit einbezieht.

Last, but not least: Auch der Einzelhandel und einzelne Unternehmen vor Ort suchen zeitgemäße Bedingungen, um die Kunden in Verbindung mit dem Internet adäquat zu bedienen. So wird für das Thema Mobilität beispielsweise ein regionales Informationsmanagement gefordert; im Bereich der Wirtschaftsförderung sind Informationen zu Gewerbeflächen und Flächenplanungen allgemein gefragt. Existenzgründer wünschen sich besse-re Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten auf einer digitalen Plattform.

Dabei seien die benötigten finanziellen Mittel nicht unbedingt kosten-intensiv. Vielmehr ließen sich mit kreativen Gestaltungswillen in einem heterogenen Netzwerk vor Ort durchaus interessante Impulse für die Region initiieren - wenn man die Potenziale des des „World Wide Webs“ und neuere sozio-technologische Entwicklungen (wie Big Data, Makerspaces, Virtual Reality, Robotics usw.) für sich zu nutzen wisse.

1 http://www.collaboratory.de/images/f/f4/SmartCountry_ExecutiveSummary.pdf

Hier auf eine attraktive Infrastruktur zugreifen zu können, ist ein drängendes Gebot der Stunde, wenn hybride oder rein digitale Angebote im globalen Wettbewerb stehen. Diese potenziellen Treiber gelte es nach Ansicht der Befragten also strategisch mit geeigneten Mitteln zu unterstützen.

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Die Digitale Region 31

05.5 ARBEITSGRUPPE BILDUNG UND LERNEN

WAS KANN MAN TUN?

• Kreative Hotspots in den Kommunen entdecken und digitale Treiber, die First-Mover waren, mit einbeziehen in die Strategien (auch wenn es nicht einfach ist). Werden diese Personen nämlich nicht berücksichtigt, werden das Tempo und die Veränderungsbereitschaft sofort gedros-selt, sobald das Thema im Mainstream auch nur sprachlich angekom-men ist. Es braucht auf lange Sicht diese aktiven TreiberInnen, die es in möglichst breite Netzwerke einzubeziehen gilt.

• Auslobung eines Wettbewerbs kreativer, regionaler Ideen. Das MIT in Boston hatte über den Sommer 2016 einen Innovationswettbewerb ausgelobt, über den 1 Million US-Dollar an kreative Initiativen verge-ben wurden, die sich um die Ausprägung digitaler Kompetenz aktiv kümmern. Die finanziellen Mittel wurden nicht als Starthilfe ausgelobt, sondern in existierende, aktive Initiativen investiert, die sich aus der Zivilgesellschaft heraus bereits proaktiv engagieren.

• Unterstützung beim Aufbau moderner Lernräume, wie z.B. von Makerspaces vor Ort, die eine ko-kreative Zusammenarbeit heteroge-ner Akteure vor Ort unterstützen. Weitere Informationen zu möglichen Ansatzpunkten finden sich im Hintergrundbericht.

• Aufbau eines sozialen Treffpunkts, der mit „intelligenten” Öffnungszeiten und Angeboten betrieben wird. Organisatorische Aspekte wie Öffnungszeiten, Essensangebote, etc. können vorab über intelligente Software-Module abgestimmt und geplant werden. Die Netzkompetenz entwickelt sich hier “by the way”.

• Betrieb diverser kommunaler „virtueller Räume“ in verschiedenen sozialen Netzwerken als Teil eines dezentralen, kommunalen „virtu-ellen Marktplatzes“. Die virtuellen Räume erlauben eine Vielzahl an Kommunikationsarten und können thematisch wie zeitlich flexibel gestaltet sein.

• Entwicklung eines Konzeptes für den Bildungs- und Interessensaustausch unter den MitarbeiterInnen mit begleitenden Schulungen, Barcamps oder Workshops.

• Vertrauenspersonen aus den Ortschaften können als Scouts und AnsprechpartnerInnen bei Problemen aufgebaut werden. Hier braucht es zunächst niedrigschwellige Qualifizierungen der Scouts, die je nach Bedarf sowohl individuelle Kompetenzlücken über-brücken helfen, als auch in Betrieben oder Institutionen vor Ort unter-stützend wirken können.

• Gezielte KMU-Weiterbildungsprojekte können helfen, moderne, digital kompetente MitarbeiterInnen für die Regionen zu gewinnen, um eine nachhaltige Online-Nachhilfe für den ländlichen Raum aufzu-bauen. Wenn MitarbeiterInnen sehen, dass sich das eigene Unterneh-men bemüht, am Puls der Zeit zu arbeiten und sich selbst weiterzuent- wickeln, kann dies durchaus attraktiv sein für den bestehenden wie den zukünftigen Mitarbeiterbestand.

• Auch sollte man den Bildungseffekt einer möglichst umfassen-den Digitalisierungsstrategie der regionalen Verwaltungsstruk-turen nicht unterschätzen. Lässt man sich dabei nicht nur von technologieaffinen Nerds beraten, sondern nutzt zudem die Erkennt-nisse moderner Forschungen, die sich an optimaler Benutzerfüh-rung orientieren, kann hier verhältnismäßig schnell ein informeller Bildungserfolg für breite Bevölkerungsschichten verzeichnet werden.

Einige Lösungsbeispiele für den Start seien hier angeführt, die gezielt gefördert werden können (neben dem zwangsläufig notwendigenAusbau eines möglichst vielfältigen Breitband- wie Mobilfunk- Angebotes):

• Digitale Bildungslandschaft Malchin: Das Kernprojekt ist die organisatorische und didaktische Kombination von analogem und digitalem Lernen über die technischen Möglichkeiten einer virtuellen Bildungslandschaft: http://kmgne.de/blog/2016/07/26/projekt-digita-le-bildungslandschaft-malchin-gewinnt- wettbewerbspreis/

• Ulm unterstützt derzeit die örtliche Civic-Tech-Community beim Aufbau eines gemeinsamen Anlaufpunkts für generatio-nenübergreifende, offene Aktivitäten - hier ein schönes Beispiel eines kommunalen, zivilgesellschaftlichen, digitalen Akteurs: http://www.ulmapi.de/

• Das Grünbuch der Gemeinde #ARNSBERGdigital zeigt die digitale Agenda für eine Kommune auf, auch um bestehende Bildungsinfra-strukturen zu unterstützen: http://www.arnsberg.de/digitale-agenda/gruenbuch.pdf

• Wennigsen: Es gibt bereits “Free WiFi” im Zentrum / Rathaus; Schulen und Jugendpflege folgen im Herbst 2016.

• Regensburg zeigt Versorgungsstrukturen in Zusammenarbeit mit dem Einzelhandel auf und informiert dadurch informell: h ttps://www.regionalkauf.com/region/regensburg

• Ostbayern: Erfassung sozialer Einrichtungen mit Auswertungsmög-lichkeit für Sozialscouts und Kommunen mit Erweiterungstools zur Bürgerbeteiligung: https://www.sozialmap.com/region/ostbayern

• Überregionale, kostenfreie Online-MOOCs für den deutschsprachi-gen Raum finden sich auf der MOOC-Plattform der FH Lübeck: http://mooin.oncampus.de

• Der dorfMOOC, ein Online-Kurs für regionale Entwicklung: Jede Woche werden Lernvideos freigeschaltet, in denen Informa-tionen anschaulich aufbereitet sind und ExpertInnen zu Wort kommen: http://mooin.oncampus.de/dorfmooc

• Der Arbeit 4.0 MOOC, ein Online-Kurs rund um die aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt: http://mooin.oncampus.de/a40mooc

• Der Leuchtfeuer 4.0 MOOC, ein Online-Kurs zum Thema regionale Bildung 4.0: http://mooin.oncampus.de/feuer40

• Österreich: Regelmässige Online-Webinare zu Fachthemen, gefördert vom Bundeskanzleramt: https://www.werdedigital.at

WIE MACHEN ES ANDERE?

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32 Die Digitale Region

06 DIGITALE REGION - QUO VADIS? Autoren: Gerald Swarat, Dr. Anke Knopp, Florian Apel-Soetebeer, Dr. Anja C. Wagner, Lisa Kammerer, Joachim Schonowski, Helmut Ramsauer

Anstoß einer Debatte und Ausblick

DIGITALISIERUNG IST KEIN STADT-THEMA.

D ie Kommunen müssen aber die Treiber einer Digitalen Region werden, die weitaus mehr ist als Breitband. Warum? W eil es darum geht, die Chancen der Digitalisierung für alle Menschen nutzbar zu machen, bevor kurative Notwendigkeiten dem Leben im ländlichen Raum jeglichen Spielraum nehmen. Wir stehen an einer Weggabelung: Nutzen Kommunen im nicht- urbanen Raum Zeit und Möglichkeiten, den digitalen Transformations- prozess zu gestalten, um als attraktive Lebensorte (wieder) aufzublühen? Oder sind sie in ein paar Jahren nur noch Anhängsel der Ballungsräume und stehen als gesamtgesellschaftliche Sorgenkinder vor der Abwicklung?

IN DEUTSCHLAND BRAUCHEN WIR EIN GESAMTPROGRAMM FÜR DEN RAUM AUSSERHALB DER GROSSSTÄDTISCHEN BALLUNGSZENTREN. DER ANSPRUCH LAUTET: “NIEMAND BLEIBT ZURÜCK”.

Es geht auch um die Versöhnung von online und offline: Die digitale Spaltung festigt auf lange Sicht eine Zweiklassengesellschaft, die sich vor allem in urban und nicht-urban manifestiert. Dazu braucht es die Unterstüt-zung des Bundes ebenso wie eine Kooperative der Länder zur Entwicklung vor Ort. Die Politik muss den Menschen die Sorge vor dem Zurückbleiben nehmen, denn die Zukunft gehört nicht den “Codern” allein.

Das ist der entscheidende Gestaltungsauftrag an die Politik! Die Bürger erwarten Transparenz und Offenheit in den Entscheidungsprozessen sowie Möglichkeiten zur Beteiligung. Das Wissen und die Initiative der Bürger sowie der Unternehmen muss in diese Prozesse einbezogen werden und gelingt durch digitale, partizipative Verfahren umfassender und transparenter denn je.

Wir können es uns nicht leisten, mehr Vertrauen in die demokratischen Repräsentanten, die Entscheider vor Ort und in die eigene Zukunft zu verlieren. Digitalisierung muss für alle da sein, denn sie bedeutet Teil- habe, Chancengleichheit und Zugang zu einer selbstbestimmten Zukunft!

FACETTEN EINER DIGITALEN REGION

Am Ende der Initiative ist insbesondere auch interessant zu sehen, welche Fragen und Erkenntnisse sich durch alle Arbeitsgruppen und Workshops sowie durch die Analyse der Umfragen und Interviews ziehen.

Denn tatsächlich ergeben sich zentrale Punkte durchgängiger Relevanz:

ANALOG

DIGITALE REGION

Was wäre, wenn sich die Regionen nicht dem

gemeinhin prognostizierten Verfall ergeben würden?

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Die Digitale Region 33

06 DIGITALE REGION - QUO VADIS?

• Handeln und Erprobungsräume: Vom Reden ins Handeln wech-seln. Ohne reale Orte zum Probieren und Testen wird der Erkennt-nisgewinn innovativer Szenarien mager bleiben. Für diese Pha-sen sind Experimentierklauseln für die Kommunen notwendig.

• Der Mensch im Fokus: Die Entscheider in den Regionen müssen die alltäglichen Probleme der Menschen angehen und Modelle schaffen, die z.B. die Daseinsvorsorge nicht allein großen Marktakteuren über-lassen. Es geht um kommunale Dableibevorsorge, nicht um Technikvermarktung.

- Priorisierung und Partizipation: D ie Bevölkerung muss eingebunden werden und die Ideen aus den Workshops zeigen, dass es sich lohnt. Nur durch einen Dialog lässt sich herausfinden, welche Themen die Menschen vor Ort bewegen und welche Besonder- heiten eine Region auszeichnen. Daraus sollte eine Priorisierung von Aufgabenstellungen entstehen.

- Stakeholder-Dialoge vor Ort: Es gilt, die regionalen Stakeholder an einen Tisch und in den Dialog zu bringen. Denn nur wenn Zivilgesell-schaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung an gemeinsamen Modellen arbeiten, führt es zum Ziel tragfähiger und damit nachhalti-ger Lösungen, die einen Mehrwert für die Region bringen können.

- Stärkung und Vernetzung kreativen Potentials: Es ist nötig, Change-maker zu vernetzen und vor Ort zu fördern sowie kreative Hotspots in den Kommunen zu entdecken und mit in die Strategieentwicklung einzubeziehen (auch wenn das nicht einfach ist).

• Monitoring und Wissenstransfer: Best Practices sollten diskutiert, weiterentwickelt und weitergegeben werden, damit nicht alle gegen dieselben Mauern rennen. Es ist z.B. ein Monitoring der Entwicklung von Digitalisierungsaktivitäten im ländlichen Raum empfehlenswert, was z.B. über eine Scorecard der #DigitalenRegion erfolgen kann.

• Qualifizierung und Fortbildung: Bürgermeister und Verwaltungs-mitarbeiter qualifizieren sich z.B. in einer Art Curriculum “digitale Verwaltung” und finden idealer Weise Zugang zu einer kompeten-ten “Community of Practice” von Gleichgesinnten. Unterstützung kann aber ebenso und ganz praktisch ein Toolset für die einfache Implementierung von First Steps (Siehe Coworking im Hintergrundbe-richt der AG Arbeit/Wirtschaft) sein oder ein Leitfaden für Digitale Scouts.

• Anpassung des Rechts auf Weiterbildung an die Anforderun-gen des 21. Jahrhunderts - und zwar für jeden Einzelnen und jedes Unternehmen, insbesondere KMU. Dies könnte z.B. durch ein bedingungsloses Lernguthaben und steuerliche Anreize für Unternehmen realisiert werden. Menschen brauchen Zeit, um sich adäquat weiterqualifizieren zu können. Und sie benötigen Zugang zu vielfältigen Angeboten, Netzwerken und Orten, damit sie Orientierungsanker finden. Dazu braucht es maximal offene Struk-turen, so dass sich die Menschen aktiv mit einbringen können. Das alles darf nicht in Blaupausen münden, sondern muss selbstorga-nisiert möglichst von unten wachsen, so dass es jederzeit an die veränderten Bedingungen angepasst werden kann. Dies wäre in Form von Wikis oder vergleichbaren Beteiligungsformaten denkbar.

• Unterstützung beim Aufbau von realen Orten, in denen Digitalisie-rung gelebt und erlebt werden kann. Dort findet nicht nur die Zukunft der Arbeit statt, die Kommune schafft dadurch moderne Lern- und Lebensräume, wie z.B. Coworking und Makerspaces vor Ort. Diese unterstützen eine lokale und ko-kreative Zusammenarbeit heteroge-ner Akteure und helfen darüber hinaus, das Wissen weiterzugeben und sich über die Möglichkeiten der Digitalisierung austauschen, zu diskutieren und sich wechselseitig zu helfen und zu unterstützen. In solchen Orten werden auch vermeintliche Sorgen und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung “natürlich” entkräftet und ins hoffnungsfrohe Gegenteil gewendet, weil sie Synergien schaffen statt Chimären aufzubauen. Diese Orte befördern nicht nur den Diskurs zwischen Unternehmen und sonstigen Stakeholdern, sondern auch zwischen Alt und Jung und bilden somit ein gutes Fundament für den Austausch zwischen zukunftsorientierten und konservativen Menschen.

• Jeder Kommune einen Digitalen Dorfkümmerer ( Digital-Scouts / Digitale Dolmetscher / CDO ) . Es ist jemand (egal wie er heißt) nötig, der ganz real vor Ort ein Ansprechpartner ist, der Vertrauen und Hilfestellung gibt. So eine Person gehört so selbstverständlich wie Gleichstellungsbeauftragte in jeder Kommune gesetzlich verankert.

• Digitale Nachbarschafts- und Marktplattformen , die die lokalen Ein-zelhändler und Unternehmen stärken. Diese Plattformen sollen den Vertrieb der Produkte mit sozialer Interaktion verbinden. Nachbar-schaftshilfe fordern und fördern und schließlich den Zusammenhalt einer Region festigen.

BINDEN SIE DIE EXPERTINNEN EIN IN IHRE PROBLEMLÖSUNG

Das Colab und die ExpertInnen der Initiative bieten sich an, den ange- stoßenen Prozess weiterzuführen. Das Bedürfnis nach Impulsen und Hand-lungsempfehlungen zeigt sich deutlich, nicht nur für Kommunen, sondern auch KMU benötigen Hilfestellungen für die digitale Transformation. Aus diesem Grund halten wir einen S ocial-Learning-Ansatz für sinnvoll, bei dem mehrere Regionen gemeinsam Konzepte erarbeiten und sie dann um- setzen. Das gelingt z.B. über moderne B eteiligungsformate, wie z.B. Barcamps, Hackathons oder Design Thinking-Ansätze. Die Konzepte sollten, vor allem zu Beginn, niedrigschwellig sein, damit kurzfristig Erfolge

aufzeigbar sind, um Lust auf mehr Digitalisierung zu wecken und am Fortschritt zu partizipieren. Es ist wichtig, in einem Netzwerk zu agieren, in dem sie von Erfahrungen aus den „Experimenten“ anderer Regionen profitieren und deren erfolgreichen Beispielen folgen können. Ein Scheitern von kleinen Schritten auf dem Weg dahin ist einkalkuliert und als Lernprozess positiv konnotiert. Am Ende lässt sich aus Fehlern lernen, um einen kulturellen Wandel erfolgreich zu gestalten.

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34 Die Digitale Region

HandlungsaufrufDie Ära der Konzepte und Studien, die im Wochenrhythmus aus den Berliner Beraterstuben auf geduldiges Papier gebannt werden, muss beendet werden. Wir fordern, nun einzutreten in das Zeitalter des Probierens, des Scheiterns, des Lernens, des kollaborativen Fortschritts.

Während Deutschland Studien schreibt, schreiben andere Geschichte. Während wir “Angst” vor der Zukunft haben, haben andere längst die Weichen gestellt.

Wenn man vollkommen zurecht darauf pocht, dass es einen Weg geben muss, der den kulturellen, juristischen und traditionellen Rahmenbedingungen unseres Landes Rechnung tragen soll, dann ist das legitim. Allerdings wird das ohne Anpassungen der Rahmen-bedingungen an die Zeichen der Zeit und das Entwickeln einer Viel-zahl verschiedener, regionenspezifischer Lösungen nicht gelingen.

Wir - dazu sind alle aufgerufen- müssen jetzt diskutieren und probie-ren, wie die Zukunft in 20 Jahren aussehen soll, in der wir leben wollen. Welche Fragen muss sich die Gesellschaft stellen? Was braucht es? Was haben wir gelernt? Wie muss es weitergehen? Und diese Antworten werden nicht auf dem Kabinettstisch gefunden, sondern bei den Menschen vor Ort.

Deswegen ermutigen wir Kommunen und Regionen: Entwickeln Sie selbstbewusst eine eigene, regional verwurzelte Strategie! Wir fordern die Politik in Bund und Ländern auf, die Kommunen darin zu bestärken und zu fördern.

Jetzt.

07 DIGITALE REGION - QUO VADIS?

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Über das Internet und Gesellschaft Collaboratory e.V. Das Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V. ist ein Think Tank und Experten-Plattform für Fragestellungen des digitalen Wandels. Das CoLab bietet Akteuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen die Möglichkeit, die Chancen und Risiken dieses Wandels zu erkennen, Debatten zu führen und Lösungsansätze zu produzieren.

Dazu bringt das Collaboratory seit seiner Initiierung im Jahr 2010 Expertin-nen und Experten zu verschiedensten gesellschaftspolitischen Themen rund um Internet und Gesellschaft zusammen. Seit 2012 ist das CoLab ein gemein-nütziger Verein mit Sitz in Berlin und freut sich über Unterstützer, Partner, Spender und Teilnehmer für weitere wichtige und konstruktive Arbeit zu den Auswirkungen und zum Umgang mit Vernetzung und Digitalisierung in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Bildung und anderen Bereichen. Sprechen Sie uns an!

www.collaboratory.de

Über Unternehmen für die Region e.V.

Unternehmen für die Region e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der Unter-nehmerInnen bei ihrem gesellschaftlichen Engagement für die Region unter-stützt. Der Verein bringt unterschiedliche regionale Akteure an einen Tisch und bietet eine Plattform für Dialoge, Vernetzung und Wissensaustausch. Durch konkrete Projekte in den Regionen lernen Unternehmen, Politik und zivilgesellschaftliche Akteure von- und miteinander.

Mit der Unterstützung des Vereins entwickeln sie gemeinschaftliche Lösungen für die Herausforderungen ihrer Regionen und übertragen erfolgreiche Konzepte. Unternehmen für die Region e.V. unterstützt seine Mitglieder bei verschiedenen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie demographische Entwicklung, Bildung, sozialer Zusammenhalt, aber auch Globalisierung und Umwelt- und Ressourcenschutz. Wir helfen unseren Mitglieder aus einem Problem eine Chance für das Unternehmen und die eigene Region zu machen.

www.ufdr.de

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Hintergrundbericht und Online-Inhalte auf www.collaboratory.de

Eine Publikation des

Internet & Gesellschaft

Co llaboratoryInternet & Gesellschaft Collaboratory e.V. Kernhofer Straße 17, 10317 Berlin [email protected] Vereinsregister: VR 31699 B Amtsgericht Charlottenburg Geschäftsführer: Resa Mohabbat Kar

Lenkungskreis: Dr. Marianne Wulf, Lena-Sophie Müller, Dr. Michael Littger, Willi Kaczorowski, Dr. Anke Knopp

Projektleitung der Initiative: Gerald Swarat

Projektassistenz: Lisa Kammerer

Inhalte dieser Broschüre stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.

Layout und Illustration: Martha Friedrich Erklärfilmstudio www.Erklärfilmstudio.de

Die Initiative „Digitale Region“ wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von und in Kooperation mit