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1 Digitaler Wandel und Internationale Zusammenarbeit Auf dem Nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung im November 2015 bringt das BMZ neue Märkte, neue Partner und neue Lösungen zusammen, indem es neben einem Informationsstand ein Panel mit anschließendem Netzwerktreffen organisiert. Karl Heinz Tondo hat einen deutschen Vornamen. Dabei hat er mit Deutschland eigentlich nichts am Hut. Er wisse auch nicht, was seinen Vater bewogen habe, ihn ausgerechnet Karl Heinz zu nennen, sagt der gebürtige Kameruner. Heute, mit einem Diplom als Maschinenbauer in der Tasche, erscheint die eigensinnige Na- mensgebung des Vaters schlüssig. Denn Karl Heinz Tondo ist exakt so ein Tüftler wie der sprichwörtliche deutsche Ingeni- eur. Die Plastikrädchen und Verbindungs- stücke seines 3D-Druckers, den er auf dem Stand des Bundesministeriums für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung (BMZ) dem deutschen Fachpublikum des Nationalen IT-Gipfels in Berlin präsen- tiert, hat er selbst produziert: „Mit dem Vorgängermodell, dem ersten in Afrika produzierten 3D-Drucker, haben wir die Teile für dieses Modell gedruckt. Und auch den ersten Drucker haben wir selbst kon- struiert“, sagt der junge Entrepreneur selbstbewusst. Den Rest – Metallgestänge, Motor, Steuerungseinheit, Schrauben – hat er recycelt, aus Elektroabfall. „Wir produzieren in Kenia, wo ich heute lebe, immer mehr Elektroabfall, weil wir immer Karl Heinz Tondo will Software mit Hardware verbinden, indem er auf Recycling basierende Hardware produ- ziert, beispielsweise 3 D-Drucker. Vom Kosovo aus entwickelt Mentor Sahi- ti eine neue junge Entwicklerszene in Osteuropa, indem er Informatikstuden- ten zu Software-Ingenieuren ausbildet.

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Digitaler Wandel und Internationale Zusammenarbeit Auf dem Nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung im November 2015 bringt das BMZ neue Märkte, neue Partner und neue Lösungen zusammen, indem es neben einem Informationsstand ein Panel mit anschließendem Netzwerktreffen organisiert. Karl Heinz Tondo hat einen deutschen Vornamen. Dabei hat er mit Deutschland eigentlich nichts am Hut. Er wisse auch nicht, was seinen Vater bewogen habe, ihn ausgerechnet Karl Heinz zu nennen, sagt der gebürtige Kameruner. Heute, mit einem Diplom als Maschinenbauer in der Tasche, erscheint die eigensinnige Na-mensgebung des Vaters schlüssig. Denn Karl Heinz Tondo ist exakt so ein Tüftler wie der sprichwörtliche deutsche Ingeni-eur. Die Plastikrädchen und Verbindungs-stücke seines 3D-Druckers, den er auf dem Stand des Bundesministeriums für wirt-

schaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (BMZ) dem deutschen Fachpublikum des Nationalen IT-Gipfels in Berlin präsen-tiert, hat er selbst produziert: „Mit dem Vorgängermodell, dem ersten in Afrika produzierten 3D-Drucker, haben wir die Teile für dieses Modell gedruckt. Und auch den ersten Drucker haben wir selbst kon-struiert“, sagt der junge Entrepreneur selbstbewusst. Den Rest – Metallgestänge, Motor, Steuerungseinheit, Schrauben – hat er recycelt, aus Elektroabfall. „Wir produzieren in Kenia, wo ich heute lebe, immer mehr Elektroabfall, weil wir immer

Karl Heinz Tondo will Software mit Hardware verbinden, indem er auf Recycling basierende Hardware produ-ziert, beispielsweise 3 D-Drucker.

Vom Kosovo aus entwickelt Mentor Sahi-ti eine neue junge Entwicklerszene in Osteuropa, indem er Informatikstuden-ten zu Software-Ingenieuren ausbildet.

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mehr Elektronik konsumieren. Diesen Ab-fall will ich nutzen.“ Karl Heinz Tondo hat eine weitere Vision. Er wünscht sich ein Afrika, das seine eigene 3D-Drucker-Industrie aufbaut und in dem viele Unter-nehmen so zu digitalen Produzenten wer-den können. Erst so entstehe auf breiter Basis die Wertschöpfung, die Afrika brau-che, um sich zu entwickeln.

Transparent, nützlich, offen und visionär: Das sind die Zutaten, mit denen Karl Heinz Tondo und die anderen vom BMZ nach Berlin eingeladenen jungen Entrepreneure aus Afrika, Europa und Asien ihre Ge-schäftsideen aus der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft umsetzen wollen.

Neue Märkte. Neue Partner. Neue Lösun-gen. Das BMZ-Panel Doch wie schaffen es die Startups der digi-talen Wirtschaft in den Partnerländern, ihre Ideen und Produkte auf den Markt zu bringen? Wie kommen sie an Investitions-kapital, um den Markteintritt zu finanzie-ren? Welche Rahmenbedingungen brau-chen die Innovateure und Entrepreneure –

und wie fördert die deutsche Entwick-lungszusammenarbeit die digitale Wirt-schaft in den Partnerländern? Das waren die Themen des Panels „Neue Märkte. Neue Partner. Neue Lösungen – Digitaler Wandel und Internationale Zusammenar-beit“ und des anschließenden Netzwerk-treffens, zu denen das BMZ erstmalig auf einem Nationalen IT-Gipfel der Bundesre-gierung eingeladen hatte.

Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ, machte am Bei-spiel Afrika deutlich, welch enormes Po-

tenzial der digitale Wandel für die Ent-wicklungszusammenarbeit hat. In Afrika

Hong Phuc Dang aus Vietnam will mehr Wertschöpfung und fairere Beschäfti-gungsbedingungen in der asiatischen Textilindustrie. Sie glaubt: Netzwerke von IT-Entwicklern und Aktivisten können mit Open Source Ansätzen den globalen Tex-tilmarkt digital umkrempeln.

Sam Muirhead aus Neuseeland bringt Hard-ware- und Softwareentwickler mit Nachhal-tigkeitsexperten zusammen, um neue Lö-sungen für eine müllfreie Wirtschaft zu fin-den (circular economy). Communities aus mehr als 30 Ländern machen schon mit – das Wissen fließt frei über das Internet.

„Afrika ist jünger, schneller und hungriger nach Entwicklung als Europa. Das Potenzial für Innovati-on und digitalen Wandel ist viel höher als in Europa."

Thomas Silberhorn, Parlamentari-scher Staatssekretär BMZ

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gibt es bereits heute 700 Millionen Mobil-funkverträge. In Afrika, unserem direkten Nachbarkontinent, entstehen heute neue Märkte und neue Lösungen - angetrieben durch digitale und technologische Innova-tionen.

IT sei heute daher ein neuer, starker Mo-tor für Entwicklung, so Silberhorn: Soziale Innovationen zusammen mit digitalen

Anwendungen bergen enormes Potenzial für die Lösung der drängendsten Entwick-lungsprobleme. Diese Aufgaben seien aber nur in enger Partnerschaft mit der Digital-Wirtschaft machbar.

Ruanda: ICT als Wachstumsmotor Ein Beispiel ist Ruanda. Das ostafrikani-sche Land gilt als Vorzeigeland für den digitalen Wandel in Afrika, fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter 20 Jahren. Didier Nkurikiyimfura, Generaldirektor für Infor-mations- und Kommunikationstechnolo-gien (IKT) im ruandischen Ministerium für Jugend und IKT, verdeutlichte anhand des bereits im Jahr 2000 auf 20 Jahre angeleg-ten „Rwanda ICT Strategic and Action Plan“ die ehrgeizigen Ziele des Landes. 100.000 neue Arbeitsplätze sollen bis 2020 entstehen, die ganze Bevölkerung Zugang zu Breitbandanschluss bekommen, die digitale Bildung der Menschen werde ge-

Podium des Panels

Graphic recording der BMZ-Veranstaltung, gezeichnet von Christoph J .Kellner

„Wir schaffen in Ruanda das beste Umfeld für Innovation und digita-len Wandel in Afrika. Früher hat es zwei Monate gedauert, um in Ru-anda eine Firma zu eröffnen. Heute sind es nur noch sechs Stunden.“ Didier Nkurikiyimfura, Generaldi-rektor im Ministerium für Jugend und IKT in Ruanda

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zielt gefördert und ein Großteil der bür-gernahen Verwaltungsdienstleistungen soll bis dahin online sein. Zustände, von denen auch Deutschland träumt. Auch wegen dieser neuer Kapazitäten und dem Wandel der ruandischen Wirtschaft hin zu einer wissensbasierten Wirtschaft sei Ruanda heute nach Mauritius bereits der zweitbeste Wirtschaftsplatz in Afrika, so Didier Nkurikiyimfura. „Wir hatten gar nicht auf dem Schirm, dass es in Afrika Länder wie Ruanda gibt, in denen die Digi-talisierung schon so weit fortgeschritten ist“, so die Reaktionen aus dem Publikum. Mit diesem langfristig angelegten strategi-schen Ansatz macht Ruanda vieles bereits heute richtig, so wie es in der anschlie-ßenden Diskussion von anderen Ländern auch gefordert wurde: Das Land gibt sei-ner Bevölkerung Anschluss an die Netze, bildet aus, fördert Innovationen, vernetzt Talente und denkt groß. Um nachhaltiges Wachstum in der wachsenden digitalen Wirtschaft zu generieren, so eine der Schlussfolgerungen des Panels, bedürfe es

vieler Maßnahmen – Finanzierung allein reiche nicht aus. Vom Startup zum Unternehmen Clas Neumann, Vizepräsident und Ge-schäftsführer des globalen SAP-Lab-Netzwerkes, setzt daher auch auf ein gan-zes Bündel an Maßnahmen wie Innovation Labs oder Startup-Konferenzen, um inno-vative Software-Entwickler in SAP integrie-ren zu können. Lange habe es gedauert, bis SAP verstanden habe, welches Poten-zial in den Schwellenländern und Entwick-

lungsländern schlummere. Jetzt wendet sich SAP gezielt den Regionen Asien, La-teinamerika und Afrika zu – von den SAP Labs in Bangalore in Indien bis Shanghai

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„Kleine Unternehmen können uns nutzen, um in den globalen Markt einzusteigen. Wir haben Innovations Labs und Vertretungen weltweit.“ Clas Neumann, Senior Vizepräsident SAP, Deutschland

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und Chengdu in China oder São Leopoldo in Brasilien. Dirk Buschmann, Investor und Gründer der KI Group, betonte, dass fehlendes Ka-pital nicht die einzige Herausforderung sei. Vom Silicon Valley in den USA könne man lernen, dass es auf das gesamte Investiti-onsumfeld, das sogenannte Ökosystem, ankomme. Dort gebe es nicht nur Ideen und Kapital, sondern eben auch Knowhow oder Rechtsanwälte, die junge Unterneh-men auf den Weg bringen.

Rebecca Enonchong, global vernetzte

Gründerin von Appstech mit Sitz in den USA und in Kamerun, berichtete von der stark wachsenden afrikanischen Entwick-lerszene mit ihren jüngst entstandenen 100 neuen Innovation-Hubs. Sie mahnte Startup-Finanzierung und Experten-Knowhow für die dynamischen afrikani-schen Märkte an und hatte auch lobende Worte für die deutsche Entwicklungszu-sammenarbeit mitgebracht: Diese sei ei-ner der Player, der am stärksten dazu bei

getragen habe, dass sich das Ökosystem digitale Wirtschaft in Afrika so kräftig ent-wickle. Das sind gute Voraussetzungen, damit die deutsche Entwicklungszusam-menarbeit auch in Zukunft weiter vorne mitspielen wird. Staatssekretär Thomas Silberhorn sagte, dass das BMZ den digita-len Wandel in den Partnerländern auf-grund des hohen Potenzials für Entwick-lung und als Treiber für Innovation wei-terhin stark fördern werde – in Afrika un-ter anderem mit der bereits bestehenden strategischen Partnerschaft „Digitales Af-rika“. Außerdem kündigte er eine neue Initiative des BMZ an: Mit „Make IT“ will das BMZ ab 2016 gezielt junge Entrepre-neure und Innovationstreiber in den Part-nerländern unterstützen.

Der Nationale IT-Gipfel 2015 war für das BMZ ein Start. 2016 will sich das Ministe-rium noch stärker in die digitale Agenda Deutschlands einbringen. 92 Prozent der Besucher des Nationalen IT-Gipfels sind CEOs in mittelständischen und großen deutschen IT-Unternehmen. Hier will das BMZ andocken und neue Partnerschaften mit Wirtschaftsunternehmen für mehr Entwicklung schmieden.

Das Thema des IT-Gipfels 2016 wird „Digi-talisierung und Bildung“ sein. Eine globale Angelegenheit, bei der es sich besonders lohnen wird, über den nationalen Teller-rand hinauszuschauen und mit Partnern aus Asien, Lateinamerika und Afrika zu-sammenzuarbeiten.

Mit einem gemeinsamen Informations-stand haben sich BMZ und Durchfüh-rungsorganisationen 2015 das erste Mal auf dem Nationalen IT-Gipfel präsentiert. Beteiligt habe sich GIZ, DAAD, Goethe-Institut, DW-Akademie und KfW

„Google organisiert Konferenzen, schickt Top-Entwickler und Geld. Google will Teil der innovativen Entwicklung in Afrika sein.“ Rebecca Enonchong, Gründerin und CEO of AppsTech, Kamerun, USA

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Lessons learned. Lessons learned. Lessons learned. We need to be GLOBAL! We have to establish and maintain networks of TRUST! We need to understand the potential and the NEEDS! The development has to come from the countries ITSELF! Where locals invest LOCALLY you have a good place to invest! There is MORE needed than angel money! We need LABS&HUBS! Ansprechpartnerin Dr. Katrin Bornemann: [email protected] Referentin für digitale Welt, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Referat 304, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Sektorvorhaben „Digitale Welt“: [email protected] Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Weiterführende Links BMZ-Internetseite IKT: http://goo.gl/QsUR48, Strategische Partnerschaft Digitales Afrika: http://goo.gl/0TmE8x

Karl-Heinz Tondo: http://goo.gl/VYeV3r, Sam Muirhead : https://oscedays.org/, Mentor Sahiti: http://adaptivit.de Hong Phuc Dang: http://fossasia.org