DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

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    1086. Jahrgang

    Oktober 2009, S. 601 - 636

    ISSN 0932-8351

    Sonderdruck

    BautechnikZeitschrift für den gesamten Ingenieurbau

    Kritische Anmerkungenzur Anwendung der neuenDIN 1052 sowie der neuenDIN 1055-4 und DIN 1055-5Arbeitskreis Normung

    Bayerische Ingenieurekammer-Bau

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    Inhalt

    Bautechnik

    10

    Fachthemen

    3  Stellungnahme und Kommentar des Arbeitskreises Normungder Bayerischen Ingenieurekammer-Bau

    5  Rupert Kneidl, Christian Seiler

    Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit

    Vergleichen zur Vorgängernorm

    16 Robert Hertle

    Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

    22  Wolfgang Schwind

    Die neue Schneelastnorm DIN 1055-5, kritisch hinterfragt

    30  Markus Bernhard, Norbert Mayr, Felix Schrader

    Stiftförmige Verbindungsmittel des Holzbaus im Normenvergleich

    „Bautechnik online“die Ergänzung zu „Bautechnik print“

    Info anfordern: [email protected]: Bautechnik online (ZS)

    peer reviewed journal

    Bautechnik ist ab Jahrgang 2007 beim

    „Institute for Scientific Information“ (ISI)

    akkreditiert.

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    3© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Im Mai 2007 wurde von der Bayeri-schen Ingenieurekammer-Bau der Ar- beitskreis Normung (AK Normung)eingerichtet. Dieser Arbeitskreis hatsich u. a. zum Ziel gesetzt, durch ak-

    tive Mitarbeit in den Normenaus-schüssen und separate Zusatzunter-suchungen durch Mitglieder und ex-terne Fachplaner an der Normen-gebung mitzuwirken und diese praxis-tauglich zu gestalten. Parallel dazu istvorgesehen, diesbezügliche Arbeitenin den entsprechenden Arbeitskreisender anderen beteiligten Bundesländerfederführend zu koordinieren und mitden Länderkammern und der Bundes-ingenieurkammer abzustimmen. Die

    Oberste Baubehörde in Bayern wirdin regelmäßigen Abständen über dieAktivitäten des AK informiert und beispeziellen Themengebieten um Stel-lungnahmen gebeten.

    Der AK Normung befasst sich zurZeit insbesondere mit jenen neuenRegelwerken, welche als bauaufsicht-lich eingeführte Vorschriften für dieTragwerksplanung von Bedeutung sind.Hier haben sich z. T. erhebliche Än-derungen ergeben, bedingt durch neueLast- und Bemessungsnormen in Ver-

     bindung mit dem Konzept der Teil-sicherheitsbeiwerte.

    Bisher hat sich der AK Normungintensiv mit der Schneelastnorm (DIN1055-5), der Windlastnorm (DIN1055-4) sowie der Holzbaunorm (DIN1052) auseinandergesetzt. WesentlicheGründe sind die in Bayern vielerortshöheren Schneelastvorgaben, die nichtgerechtfertigt erscheinen, eine wenigpraxisfreundliche Berechnungsme-thode zur Ermittlung der Windlasten

    auf schwingungsanfällige Bauwerkesowie die neuen Bemessungsvorschrif-ten im Holzbau, die gegenüber der al-ten Norm erheblich gestiegene Anfor-

    derungen und z. T. stark reduzierterechnerische Tragfähigkeiten für Bau-teile und Verbindungsmittel beinhal-ten.

    Um einen Einblick in die Aktivi-

    täten des AK Normung zu vermitteln,werden in den folgenden Beiträgeneinige Erfahrungen bei der Anwen-dung der neuen DIN 1052, der neuenDIN 1055-5 und der neuen DIN1055-4 im Vergleich zur ihrer jeweili-gen Vorgängernorm geschildert. An-hand einfacher Beispiele und aktuel-ler Untersuchungen werden diese The-menbereiche behandelt:– Nachweise bei Druckspannungenrechtwinklig zur Faserrichtung des

    Holzes– Nachweise von Holzbalkendecken– Tragfähigkeit von stiftförmigen Ver- bindungsmitteln– Schneelasten auf Dächern und beiHöhensprüngen– Böenreaktionsfaktor für schwin-gungsanfällige Bauwerke

    Die beispielhaften Betrachtungenzur DIN 1052 stellen vor allem dieBemessungsergebnisse bei Anwendungder neuen und der alten Bemessungs-regeln aus Sicht des Anwenders her-

    aus. Eine weitergehende Diskussionder Hintergründe in Bezug auf diez. T. erheblichen Abweichungen derBemessungsergebnisse findet im Rah-men der Vergleichsberechnungen nichtstatt.

    Die Untersuchungen zur DIN1055-5 zeigen die gegenüber der Vor-gängernorm bereichsweise deutlicherhöhten Schneelasten und die sichdaraus ergebenden Konsequenzen auf die Bemessung. Des Weiteren wird

    dargelegt, dass die höheren Einwir-kungen im Vergleich mit aktuell vor-liegenden Wetterdaten nicht gerecht-fertigt werden können.

    Bei der Berechnung des Böenre-aktionsfaktors für schwingungsanfäl-lige Bauwerke wird die abstrakte undwenig anschauliche Vorgehensweisedargestellt, die Kontrollen und Plau-

    sibilitätsprüfungen praktisch unmög-lich macht. Gleichzeitig wird aufge-zeigt, dass auch eine vereinfachte,praktisch anwendbare Berechnungs-methode mit ausreichender Genauig-keit hergeleitet werden kann.

    Schlussfolgerungen

    In vier Beiträgen werden Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN1052, der neuen DIN 1055-4 und der

    neuen DIN 1055-5 geschildert undVergleiche zur jeweiligen Vorgänger-norm gezogen, die die Auswirkungenauf die Berechnung und Bemessungvon Bauwerken aufzeigen sollen.

    Allgemein kann festgestellt wer-den, dass die neue Normengenera-tion mit ihren Bemessungsregeln invielen Bereichen deutlich detaillierterund insgesamt wesentlich aufwendigergeworden ist. Auch wenn die neues-ten Erkenntnisse in die neue Normeingeflossen sein mögen, erscheint die

    erzeugte Scheingenauigkeit den Auf-gabenstellungen der alltäglichen Trag-werksplanung unangemessen. Warendie Formeln in alten Normen bishereiner Handrechnung gut zugänglich,hat sich nun ein Paradigmenwechselzu einem komplexen Formelapparatdurchgesetzt. Oftmals fehlt ein prak-tisch orientiertes, leicht handhabbaresBerechnungskonzept, obwohl dies invielen Fällen möglich wäre. Der Blickauf die grundlegenden Zusammen-

    hänge bei der Planung und dem Ent-wurf von Tragwerken wird durch diehohe und in Teilbereichen sehr spe-zielle Regelungsdichte vielfach ver-

    Stellungnahme und Kommentar des Arbeitskreises

    Normung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau

    Fachthemen

    DOI: 10.1002/bate.200910059

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    Stellungnahme und Kommentar des Arbeitskreises Normung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau

    Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    stellt. Aus rein wirtschaftlichen Über-legungen heraus wird sich daher dieAnwendung von Programmen intensi-vieren, so dass das „Black-Box“-Den-ken gefördert wird. Zusätzlich führtdie überwiegend abstrakte und weniganschauliche Formulierung von Be-rechnungsmethoden in einigen Nor-

    men dazu, dass Plausibilitätskontrol-len schwierig, wenn nicht sogar un-möglich werden. Insgesamt ist daherdavon auszugehen, dass die Fehleran-fälligkeit der Tragwerksplanung deut-lich steigt und damit auch die bau-technische Prüfung aufwendiger wird.Auf die Problematik hat bereits Kol-lege Dipl.-Ing. Josef Steiner in seinemBeitrag „Erprobt, bewährt und demon-tiert – vom Verschwinden gewohnterStrukturen“ in Bautechnik 83 (2006),Heft 4 hingewiesen.

    Mit Bezug auf die neue DIN 1052ist vordergründig festzustellen, dasssich in einigen Fällen die Rechenwerteder Tragfähigkeit von Bauteilen undVerbindungsmitteln gegenüber der al-ten Norm stark reduziert haben. Ins- besondere können Bauteile mit Quer-druckspannungen oder mit stiftförmi-gen Verbindungsmitteln z. T. nur nochwesentlich geringere Lasten aufneh-men. Hintergrundinformationen zuden drastischen Veränderungen sowie

    Schadensfälle sind weitgehend unbe-kannt. Darüber hinaus scheint sichdie Norm auf sehr spezielle Randbe-dingungen zu konzentrieren. So sind beispielsweise einige Spannungsnach-weise nur für rechteckige Querschnitteangegeben oder die Verformungsnach-weise unter Ansatz von Kriechverfor-mungen nur für den Einfeldträger sinn-voll. Darüber hinaus gibt es für früher bewährte Bauweisen wie aussteifendeDachscheiben bis 12,5 m Spannweitekeine konstruktiven Regeln mehr, so

    dass in jedem Einzelfall ein rechneri-scher Nachweis gefordert ist.

    Bei der Anwendung der neuenDIN 1055-5 hat sich gezeigt, dass nunvielerorts – vor allem in Südbayern –höhere Schneelasten zu berücksichti-gen sind, obwohl auf der Grundlagevon aktuellen Wetterdaten nachgewie-sen werden kann, dass in den meistenFällen die bisherigen Einwirkungennach alter DIN 1055 zutreffen. Diehöheren rechnerischen Schneelasten

    führen zwangsläufig zu größeren er-forderlichen Querschnittsabmessun-

    gen. Dieser Umstand macht nicht nurdie Neubauten unwirtschaftlicher, son-dern wirft auch die Frage nach derBeurteilung von Bestandsbauwerkenoder der Notwendigkeit von Verstär-kungsmaßnahmen bei Umbauten auf.In der Praxis ist die Tendenz zur Be-auftragung von separaten Gutachten

    zu erkennen, um z. B. bei Bestands- bauwerken auf realistischere Lastan-nahmen zurückgreifen zu können.

    Bei der Untersuchung des Böen-reaktionsfaktors nach neuer DIN1055-4 für schwingungsanfällige Bau-werke zeigt sich, dass die Berechnunggegenüber der alten Norm derart ab-strakt und komplex geworden ist, dassder Blick auf die physikalischen Zu-sammenhänge verstellt und eine Er-gebniskontrolle hinsichtlich Plausibi-lität praktisch unmöglich wird. Durch-

    geführte Vergleichsuntersuchungenhaben jedoch ergeben, dass der Böen-reaktionsfaktor im Rahmen ingenieur-mäßiger Genauigkeit auch auf wesent-lich einfachere Weise ermittelt werdenkann.

    Unter Berücksichtigung der hierdargestellten Erfahrungen mit den be-handelten neuen Normen drängensich dem Tragwerksplaner nun meh-rere grundsätzliche Fragen auf:– Stellen die neuen Regeln tatsächlich

    den allgemein anerkannten Stand derTechnik dar?– Warum wurden die Schneelastennach DIN 1055-5 mancherorts gravie-rend erhöht, obwohl dies nachweis-lich auf der Grundlage von Wetter-daten widerlegt werden kann?– Hat es bedeutende Schäden gege- ben, dass die Tragfähigkeit von stift-förmigen Verbindungsmitteln oder vonauf Querdruck beanspruchten Bau-teilen derart reduziert wurde?– Wie ist die Standsicherheit von Be-

    standsbauwerken mit den höherenLasten und/oder den niedrigeren Trag-fähigkeiten zu beurteilen?– Warum gibt es keine Warnhinweise,wenn die Auswirkungen offensichtlichso gravierend sind?– Aus welchen Gründen wurden dieNachweisformate teilweise so komplexgestaltet, obwohl Vereinfachungen fürdie praktische Anwendung möglichsind?– Wie ist der Stellenwert von Normen

    zu beurteilen, wenn diese durch sepa-rate Gutachten „umgangen“ werden?

    Die Tatsache, dass sämtliche inder Vergangenheit geplanten Trag-werke mit einem scheinbar vollkom-men überholten Bemessungskonzeptund mit teilweise zu geringen Lasten berechnet wurden, wird noch jahre-lang zu Verwirrungen führen. Dies betrifft nicht nur die Beurteilung von

    Bestandsbauwerken und die Verwen-dung jüngerer und älterer Literatur,sondern auch die Planung von Neu-und Umbauten. Besonders wenig zu-friedenstellend ist in diesem Zusam-menhang der Umstand, dass dem An-wender die Gründe für viele Ände-rungen weitgehend unbekannt blei- ben.

    Der AK Normung der BayerischenIngenieurekammer-Bau wirkt deshalbdarauf hin, dass sich die betroffenenVerbände auf Länder- und Bundes-

    ebene besser abstimmen und organi-sieren, dass die zuständigen Behördenüber die im AK geleistete Arbeit infor-miert werden und dass die in der Pra- xis tätigen Ingenieure einen stärkerenEinfluss auf die Normengebung, vorallem hinsichtlich der praktischen An-wendbarkeit und der Ausräumung of-fensichtlicher Ungereimtheiten, aus-üben können.

    Die nun folgenden vier Beiträgemögen die in dieser Stellungnahme

    umschriebene Problematik mit kon-kreten Fakten untermauern.

    Mitglieder des Arbeitskreises Nor-mung der Bayerischen Ingenieure-kammer-Bau (alphabetisch):

    Vorsitzender:Prof. Dr.-Ing. habil. Karl G. Schütz

    Dipl.-Ing. Markus BernhardProf. Dr.-Ing. Peter Gebhard(Stv. Vorsitzender)

    Dr.-Ing. Peter HenkeDr.-Ing. Robert HertleDr.-Ing. Heinrich Hochreither (Vorstandsbeauftragter)Prof. Dr.-Ing. Rupert KneidlUniv.-Prof. Dr.-Ing. Martin Mensinger Dr.-Ing. Walter SchmittDipl.-Ing. (FH) Wolfgang SchwindProf. Dr.-Ing. Christian Seiler 

    Kammergeschäftsstelle:Dr. Ulrike Raczek

     Jan StruckDipl.-Ing. Irma Voswinkel

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    5© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Mit Einführung der neuen DIN 1052 kommen nun auch im Holzbau

    das semiprobabilistische Sicherheitskonzept sowie neue Bemes-

    sungsregeln und zum Teil erheblich abgeminderte Festigkeitswerte

    im Vergleich zur alten Norm zur Anwendung. Um die Auswirkungen

    der niedrigeren Querdruckfestigkeiten aufzuzeigen, werden Ver-

    gleichsrechnungen am Beispiel einer eingespannten Stütze undeines Einfeldträgers durchgeführt und einige kritische Anmerkun-

    gen zu den in vielen Fällen erforderlichen Verstärkungsmaßnahmen

    gemacht. Bei Holzbalkendecken wird dargestellt, dass die neu auf-

    genommenen Empfehlungen zum Schwingungsnachweis die er-

    forderliche Konstruktionshöhe bestimmen und damit Holzbalken-

    decken für größere Spannweiten unwirtschaftlich werden. Ins-

    gesamt zeigt sich bei Anwendung der neuen DIN 1052, dass der

    Planungsaufwand gegenüber der alten Norm erheblich anwächst.

    Experience in application of the new German code DIN 1052 in

    comparison with the previous standard. With the new German code DIN 1052 the semi-probabilistic safety concept has been in- 

    troduced for timber constructions as well as new design procedu- res and to some extent considerably reduced strength properties 

    in comparison to the previous standard. For illustration of the im- 

    pact of the low lateral pressure strength comparative calculations 

    are performed using a clamped column and a simply supported 

    beam and some critical comments are given for strengthening 

    measurements required in many cases. For timber beam ceilings 

    it is shown that the new recommendations for vibration control 

    govern the required construction height und make such construc- 

    tions inefficient for longer span lengths. In general, the complexity 

    applying the new DIN 1052 is considerably higher than designing 

    on the basis of the previous standard.

    1 Vorbemerkungen

    Bei Anwendung der neuen DIN 1052 [1] gilt auch das neueSicherheitskonzept, welches in DIN 1055-100 [2] festge-legt ist. Im Unterschied zur Vorgängernorm DIN 1052 [3]mit Änderung [4] und allen anderen Vorgängerregelwer-ken wird das Bemessungskonzept mit zulässigen Spannun-gen nun auch im Holzbau verlassen. Die grundsätzlicheZweckmäßigkeit einer solch gravierenden Änderung (nichtnur den Holzbau betreffend) wird an dieser Stelle nichtdiskutiert.

    Allerdings haben erste Erfahrungen bei der Anwen-dung der neuen DIN 1052 gezeigt, dass sich bestimmteAnforderungen und charakteristische Kenngrößen massivauf die Bemessung auswirken. So führen beispielsweise

    die gegenüber der alten DIN 1052 stark reduzierten Quer-druckfestigkeiten zu einer unwirtschaftlichen Bemessungvon eingespannten Holzstützen und zu aufwendigen Ver-stärkungsmaßnahmen in Krafteinleitungsbereichen mit un-erwünschten Auswirkungen auf die Querkraftbemessung.

    Der empfohlene Schwingungsnachweis von Holzbalken-decken erfordert nun stark vergrößerte Querschnittsab-messungen.

    1.1 Querdruckspannungen

    Bei einem Vergleich der Festigkeitskennwerte nach denTabellen F.5 und F.9 von DIN 1052 [1] für gebräuchlichesNadelholz und Brettschichtholz mit den zulässigen Span-nungen in DIN 1052 [3] mit Änderung [4] (Tabellen 5 und16) erkennt man, dass die neuen charakteristischen Festig-keitskennwerte überwiegend etwa in der Größenordnung

    der zweifachen ehemals zulässigen Spannungen liegen.Eine Ausnahme bilden hierbei jedoch die Druckfestigkei-ten rechtwinklig zur Faserrichtung des Holzes. In Tabelle 1sind im Folgenden die entsprechenden Zahlenwerte fürNadelholz C24 und Brettschichtholz GL24c und GL28cnach [1] den zulässigen Spannungen für Nadelholz S10und Brettschichtholz BS11 nach [3] und [4] gegenüberge-stellt.

    Nach der alten DIN 1052 erfolgte die Berechnung vonSpannungen in der Regel durch einfache Division der ein-

    Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052mit Vergleichen zur Vorgängernorm

    Rupert Kneidl

    Christian Seiler

    Fachthemen

    DOI: 10.1002/bate.200910060

    Tabelle 1. Rechenwerte der Festigkeiten ausgewählter Holz-

    arten bei Druck rechtwinklig zur Faserrichtung nach [1] undentsprechende ehemals zulässige Spannungen nach [3] und[4]. Bei Anwendung der Klammerwerte bei den zulässigenSpannungen war nach [3] und [4] „mit größeren Eindrückun- gen zu rechnen“ Table 1. Characteristic strength of selected timber types for  pressure orthogonal to fibre direction due to [1] and corres- ponding previous permissible stresses due to [3] and [4]. Ap- plying the values in brackets for permissible stresses higher indentation was expected due to [3] and [4]

    f c,90,k [MN/m2] nach zul σD⊥ [MN/m2] nachneuer DIN 1052 [1] alter DIN 1052 [3], [4]

    C24 GL24c GL28c S10 BS11 und BS14(GL24h) (GL28h)

    2,5 2,4 (2,7) 2,7 (3,0) 2,0 (2,5) 2,5 (3,0)

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    wirkenden Kraft auf Gebrauchslastniveau durch die bean-spruchte Kontaktfläche

    σD⊥ = N/A⊥.

    Die Nachweise konnten zum Beispiel als Auflagerpres -sungen unter Biegeträgern meist an den Innenstützungenvon Durchlauf- oder Kragträgern maßgebend werden. Bei

    Schwellen waren entsprechende Nachweise häufiger imHolztafelbau von Bedeutung. Die Regelungen für Schwel-lenpressungen bei Wandtafeln fanden sich in der altenNorm in Abschnitt 11.4.3. Die spezielleren Regelungendes Holztafelbaus (bei denen die Mitwirkung der Beplan-kungen angesetzt wird) sollen in diesem Beitrag jedochnicht betrachtet werden.

    Die neue DIN 1052 [1] regelt in Abschnitt 10.2.4 Druckrechtwinklig zur Faserrichtung des Holzes. Hierbei wirdzwischen Schwellendruck und Auflagerdruck unterschie-

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

    Zitat aus neuer DIN 1052 [1]

    den. Gegenüber den Nachweisen der alten Norm wird dieSpannung nicht mehr mit der planmäßigen Kontaktfläche,sondern mit einer vergrößerten „wirksamen Querdruck-fläche“ Aef geführt. An dieser Stelle ist der entsprechendeAbschnitt aus der neuen Norm zitiert.

    Im zitierten Bild 19 der neuen DIN 1052 wird Schwel-lendruck und Auflagerdruck dargestellt. Dazu stellt sich bereits die Frage, ab welcher Größe der rechts dargestell-

    ten Linienlast, wenn sie weniger als 2 h von der Auflager-vorderkante beginnt, dies zu dem Querdruckbeiwert kc,90 =1,0 führt. Bei formaler Auslegung der Darstellung des Auf-lagerdrucks könnte nur sehr selten ein anderer Wert alskc,90 = 1,0 angesetzt werden. Liegen zum Beispiel Sparrenauf einer Pfette oder Deckenbalken auf einem Brettschicht-holzträger in regelmäßigen Abständen auf, so wäre beimAuflagerdruck für die Pfette bzw. des Brettschichtholzträ-gers formal nahezu immer nur kc,90  = 1,0 anzusetzen. Inder Praxis würde dies trotz der Berechnung mit Aef häufig

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     beträgt der Modifikationsbeiwert kmod  = 0,8 unter Ansatzder Nutzungsklasse 1 nach Tabelle F.1.

    Der Gebrauchstauglichkeitsnachweis wird mit rechne-rischen Verformungen in verschiedenen Bemessungssitua-tionen geführt und soll Schäden an nichttragenden Bau-teilen und Einbauten verhindern und die allgemeine Be-nutzbarkeit und das Erscheinungsbild sicherstellen:– Nachweise zur Vermeidung von Schäden in der seltenen

    Einwirkungskombination:

    – Nachweis für die Benutzbarkeit und das Erscheinungs- bild in der quasi-ständigen Einwirkungskombination:

    Die Verformungsnachweise sind nur für den Einfeldträgereindeutig. Für Mehrfeldträger sind die Nutzlasten zur Be-rechnung der maximalen elastischen Verformungen wQ,instfeldweise anzusetzen. Dieselbe Lastanordnung wird abernach obigen Formeln auch für die Ermittlung der Kriech-verformungen unterstellt (wQ,inst · ψ 2 · kdef ), obwohl einefeldweise Nutzlaststellung kaum als quasi-ständig wirkendangenommen werden kann. Deshalb wird beispielsweisein den Erfahrungssammlungen der BASt zum DIN-Fach-

     bericht 102 eine gleichmäßig verteilte Nutzlast über alleFelder als kriecherzeugend für Massivbrücken festgelegt.Gegenüber den Verformungsnachweisen stellen die

    Empfehlungen zum Schwingungsnachweis für Decken un-ter Wohnräumen eine neue Situation dar. Stellvertretendist folgender Durchbiegungsnachweis zu führen:

    Bei Mehrfeldträgern wird der Begriff des „ideellen Einfeld-trägers“ gewählt, an dem stellvertretend der Nachweis ge-führt werden soll. Dies bedeutet, dass lediglich das be-trachtete Feld mit seinem Eigengewicht und dem quasi-

    ständigen Anteil der Nutzlast belastet werden darf, um dieVerformungen zu berechnen. Die Nachbarfelder beein-flussen lediglich die Steifigkeit, werden aber ohne Einwir-kungen berücksichtigt.

    Nach [5] liegt die Eigenfrequenz der Holzbalkendecke bei Einhaltung des Verformungsgrenzwerts bei etwa 7,2 Hz.

    2 Rechenbeispiele2.1 Berechnung einer Stütze im Einspannbereich

    Das statische System und die betrachtete Belastung zeigtBild 1. Dargestellt ist ein Kragbalken (oder Kragstütze) aus

    Brettschichtholz (b/h = 20 cm/50 cm), der in ein Stahl- betonfundament eingespannt ist. Die Horizontalkraft Hgreift 4,75 m über der Betonoberfläche an. Im Einspann- bereich wird über eine Einspanntiefe von 1,0 m die in Bild 2

    w w w mmG inst Q i inst ii

    = + ⋅ ≤≥

    ∑, , , ,ψ 21

    6

    w w w k

    w

    fin G inst def  

    Q i inst i

    − = ⋅ + +

    + ⋅ ⋅

    0

    2

    1

    1

    ,

    , , ,

    ( )

    (ψ ++ − ≤≥

    ∑   k wdef i

    ) 01

      200ℓ

    w w w k wfin G inst G inst def Q inst− = ⋅ + ⋅ +, , , , ,(1 2 11   ψ ⋅⋅ +

    + ⋅ + ⋅ ≤>

    k

    w k

    def 

    Q i inst i i def  i

    )

    ( ), , , ,ψ ψ 0 21

      20ℓ

    00

    w w wQ inst Q inst Q i inst ii

    , , , , , ,= + ⋅ ≤>

    ∑1 01

      300ψ 

      ℓ

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

    zu erheblich größeren erforderlichen Auflagerflächen füh-ren. Diese Problematik wird im Folgenden am Beispiel einesBrettschichtholzträgers mit Einzellasten erläutert.

    Es gibt aber auch Aufgabenstellungen, die zu mechani-schen Modellen führen, welche nicht ohne weiteres Bild 19nach DIN 1052 zuzuordnen sind. Da in diesen Fällen einNachweis mit kc,90  = 1,0 zusammen mit den sehr geringenGrundwerten f c,90,k der charakteristischen Querdruckfestig-

    keiten zu führen ist, sind die Unterschiede zwischen alterund neuer DIN 1052 auch dann besonders auffällig.In den Abschnitten 2.1 und 2.2 wird am Einspann-

     bereich einer eingespannten Stütze und für einen Brett-schichtholzträger mit Einzellasten gezeigt, welche Fragenund Probleme sich ergeben können, obwohl bewährte Kon-struktionen betrachtet werden.

    1.2 Schwingungsnachweis bei Holzbalkendecken

    Holzbalkendecken werden aufgrund ihres geringen Ge-wichts und ihrer Wirtschaftlichkeit vorzugsweise im Woh-nungsbau eingesetzt. Sie bestehen aus parallel verlaufenden

    Holzbalken, die je nach Anforderungen oben und untenmit einer Beplankung versehen werden. Der Aufbau der Be-plankung richtet sich im Wesentlichen nach dem erforder-lichen Schall- und Brandschutz [7]. Die Haupttragrichtungzur Abtragung der lotrechten Einwirkungen übernehmeni. d. R. allein die Holzbalken. Neben den Spannungs- undVerformungsnachweisen sollte nach neuer DIN 1052 [1]zusätzlich ein Schwingungsnachweis geführt werden, derin der alten DIN 1052 [3], [4] nicht enthalten war.

    1.2.1 Nachweise nach alter DIN 1052

    Nach alter DIN 1052 [3], [4] muss die Tragfähigkeit mitHilfe von Spannungen und die Gebrauchstauglichkeit mitHilfe von Durchbiegungen nachgewiesen werden. DieStandsicherheitsnachweise werden dabei mit Spannungenauf Gebrauchsniveau im Lastfall H geführt und mit zuläs-sigen Spannungen verglichen.

    Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit besteht inder Berechnung von Durchbiegungen unter voller Nutzlastund einem Vergleich mit dem zulässigen Wert von 1/300der Stützweite. Da die ständige Last i. Allg. kleiner als 50 %der Gesamtlast ist, dürfen Kriechverformungen vernach-lässigt werden.

    1.2.2 Nachweise nach neuer DIN 1052

    Auch nach neuer DIN 1052 [1] werden die Tragfähigkeitmit Hilfe von Spannungen und die Gebrauchstauglichkeitmit Hilfe von Durchbiegungen nachgewiesen.

    Im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) sind dieum die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Einwirkungsseite(γ G  = 1,35 für ständige Lasten und γ Q  = 1,50 für veränder-liche Lasten) erhöhten Schnittgrößen zu berechnen und dieresultierenden Spannungen mit den rechnerischen Bau-teilfestigkeiten im Bemessungszustand (kmod · f m,k/γ M füreinachsige Biegung) zu vergleichen. Die charakteristische

    Biegefestigkeit ist Tabelle F.5 zu entnehmen und der Si-cherheitsbeiwert mit γ = 1,3 anzusetzen. Da die Nutzlastfür Holzbalkendecken der mittleren Einwirkungsdauer(KLED) nach Tabelle 4 der DIN 1052 [1] zugeordnet wird,

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    dargestellte vereinfachte Druckspannungsverteilung ange-setzt, so dass sich die in Bild 1 auch im Einspannbereicheingezeichneten Schnittgrößen im Balken ergeben. DieseSpannungsverteilung liegt gegenüber den Ansätzen mit

    konstanten Spannungsblöcken nach [6] auf der sicherenSeite und ist für ein Verhältnis von Einspanntiefe zu Bal-kenhöhe von 2,0 hinreichend genau.

    Die Tragfähigkeitsnachweise werden zunächst nachder alten DIN 1052 auf Gebrauchslastniveau für eine Ein-zelkraft H = 10,0 kN (charakteristische Last) als Haupt-lastfall für Brettschichtholz BS11 oder BS14 geführt. Fürdie im mechanischen Modell angesetzte lineare Spannungs-verteilung im Einspannbereich ergibt sich, wie nach dertechnischen Biegetheorie bekannt, mit ME = 10,0 · (4,75 +0,50) = 52,50 kNm:

    Druckspannung am oberen Rand der Einspannungσo = (10,00/(20 · 100) + 52,50 · 102/(20 · 1002/6)) · 10= 0,050 + 1,575 = 1,625 N/mm2

    ≤ zul σD⊥ = 2,5 N/mm2

    8  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Druckspannung am unteren Rand der Einspannungσu = –0,050 + 1,575 = 1,525 N/mm2

    ≤ 0,80 · zul σD⊥ = 2,0 N/mm2

    Bei den verwendeten zulässigen Spannungen wurden dieWerte angesetzt, bei denen nicht mit größeren Eindrü-ckungen zu rechnen ist.

    Aus der angesetzten Spannungsverteilung folgt weiter

    für den rechnerisch gedrückten unteren Einspannbereichnach Bild 1 xu = 0,1525/(1,1525 + 0,1625) · 100 = 48,41 cm.

    Die größte Querkraft im Einspannbereich des Balkens er-gibt sich dann zumax Q = 0,5 · 48,41 · 20 · 0,1525 = 73,83 kN.

    Die größte Schubspannung aus Querkraft folgt damit zu:τQ = (1,5 · 73,83/(20 · 50)) · 10 = 1,107 N/mm2

    ≤ zul τQ = 1,2 N/mm2

    Die Biegespannungen im Brettschichtholzbalken steigen im

    Einspannbereich nur unwesentlich weiter an; sie werdenhier nicht betrachtet.

    Der größte Ausnutzungsgrad im Lastfall H ergibt sichinfolge der Schubspannungen aus Querkraft und beträgt0,918. Allein aus den Druckspannungen rechtwinklig zurFaserrichtung des Holzes ergäbe sich als größter Ausnut-zungsgrad 0,762.

    Im Folgenden wird versucht, den Einspannbereichnach der neuen DIN 1052 [1] unter Beibehaltung dessel- ben mechanischen Modells nachzuweisen.

    Für die Nachweise auf Bemessungsniveau wird ver-einfachend ein Lasterhöhungsbeiwert von γ F,mittel   = 1,40

    angesetzt. Als Brettschichtholz wird GL24c zugrunde ge-legt.Die Spannungen im Einspannbereich auf Bemessungs-

    niveau (Index d) entsprechen den γ F,mittel-fachen Spannun-gen und betragen:σod = 1,625 · 1,40 = 2,275 N/mm2

    σud = 1,525 · 1,40 = 2,135 N/mm2

    τvd   = 1,107 · 1,40 = 1,550 N/mm2

    Für Brettschichtholz GL24c (ehemals etwa BS11) sind alszugeordnete charakteristische Festigkeitskennwerte aus Ta- belle F.9 der neuen DIN 1052 zu entnehmen:f c,90,k = 2,4 N/mm2 und f v,k = 2,5 N/mm2

    Die Bemessungswerte der Baustofffestigkeiten ergeben sich jeweils durch Multiplikation mit dem Modifikationsbeiwertnach Tabelle F.1 und durch Division mit dem Teilsicher-heitsbeiwert γ M nach Tabelle 1 der neuen DIN 1052. ImModifikationsbeiwert kmod sollen die Einflüsse der Last-einwirkungsdauer und der Umgebungsbedingungen berück-sichtigt werden. Hier wird von Nutzungsklasse 1 (Innen-raum) und mittlerer Lasteinwirkungsdauer ausgegangen.Tabelle 4 der neuen DIN 1052 weist den Einwirkungennach DIN 1055 Lasteinwirkungsklassen zu. In den Erläu-terungen zur neuen DIN 1052 [5] wird die auch in diesem

    Beitrag angesetzte Situation als sogenannter Standard- bemessungsfall bezeichnet. Für kmod  = 0,80 und γ M  = 1,3folgen als Bemessungswerte der Festigkeitseigenschaftensomit:

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 1. Statisches System und Schnittgrößen eines einge-spannten Balkens unter horizontaler EinzelkraftFig. 1. Static system and internal forces of a clamped beam

    under horizontal single force

     Bild 2. Druckspannungsverteilung im Einspannbereich. Eswerden nur Spannungen rechtwinklig zur Faserrichtung desHolzes für die Lastabtragung angesetztFig. 2. Distribution of stresses in clamped region. Onlystresses orthogonal to fibre direction are applied for loadcarrying behaviour 

  • 8/18/2019 DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

    9/40

    9Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    – für den Bemessungswert der Druckfestigkeit rechtwink-lig zur Faserrichtung des Brettschichtholzesf c,90,d = 0,80 · 2,4/1,3 = 1,477 N/mm2

    – für den Bemessungswert der Schubfestigkeit des Brett-schichtholzesf v,d = 0,80 · 2,5/1,3 = 1,538 N/mm2

    Während der Schubspannungsnachweis gerade noch ge-lingt, sind die Druckspannungen rechtwinklig zur Faser-richtung viel zu hoch. Die Angaben im auch hier zitiertenAbschnitt der neuen DIN 1052 erlauben keine Zuordnungzu den geregelten Fällen nach dem dortigen Bild 19.

    Der rechnerische „Ausnutzungsgrad“ beträgt nachneuer Norm ca.

    σc,90,d/f c,90,d = 0,2275/0,1477 = 1,54.

    Es ergäbe sich auch keine wesentliche Erleichterung, wennanstelle einer linearen Druckspannungsverteilung im Ein-spannbereich vereinfachend mit konstanten Spannungs-

     blöcken gerechnet würde. Der Abstand 1 dieser Span-nungsblöcke wäre immer kleiner als 2 h, so dass für kc,90immer nur mit 1,0 gerechnet werden könnte. Die Bestim-mung von Aef  böte Diskussionsstoff. Rechnerisch wäre fürdie Aufnahme des Moments im Einspannbereich mit einemHebelarm von 2/3 der Einspanntiefe eine wirksame Quer-druckfläche Aef  von ca. 750 cm2 erforderlich (bei einemAchsabstand der Spannungsblöcke von ca. 68 cm eine we-nig befriedigende Situation).

    Untersuchungen von Heimeshoff  und Eglinger  [6]haben unter den hier angesetzten Randbedingungen fürBrettschichtholz der Güteklasse I (etwa BS14) eine zuläs-

    sige Horizontalkraft von H = 20,0 kN ergeben. Aus denobigen Vergleichsrechnungen nach alter Norm ergäbesich aus den Pressungen rechtwinklig zur Faser etwa einezulässige Horizontalkraft am Stützenkopf von H = 13 kN.Auf Gebrauchslastniveau würde man nach neuer Normnur mehr eine vergleichbare Kraft von ca. 6,5 kN erhal-ten.

    2.2 Brettschichtholzträger mit Einzellasten

    In Bild 3 ist das statische System eines Einfeldträgers miteiner geringen, als ständig wirkend angenommenen Linien-last und mit drei Einzellasten aus ständigen Lasten und

    Verkehrslasten dargestellt. Es wird von einem Rechteck-querschnitt b/h = 16 cm/80 cm aus Brettschichtholz BS14und von Lastfall H (Hauptlast) nach der alten DIN 1052ausgegangen.

    Die eingetragenen Kraftgrößen sind charakteristischeEinwirkungen. Die ständigen Lasten sind mit dem Index g,die aus veränderlichen Lasten resultierenden Lasten sindmit dem Index p gekennzeichnet.

    Die Schnittgrößen unter den charakteristischen Las-ten zeigt Bild 3 jeweils getrennt für die ständigen und dieveränderlichen Einwirkungen für die linke Trägerhälfte.

    In Bild 4 sind die Krafteinleitungsbereiche dargestellt,

    alle Einzelkräfte (Fi, A, B) sollen zentrisch über konstanteQuerdruckspannungen in das Brettschichtholz eingeleitetwerden; rechtwinklig zur Zeichenebene wird hierfür dievolle Balkenbreite von 16 cm angesetzt.

    Die Tragfähigkeitsnachweise werden zunächst nachder alten DIN 1052 auf Gebrauchslastniveau für den Last-fall Hauptlast geführt. Die Bemessungsschnittgrößen erge- ben sich als Summen der jeweiligen Schnittgrößen untercharakteristischen Lasten nach Bild 3.

    Biegspannungsnachweis in Trägermitte:max M   = (10,56 + 133,75) + 80,25 = 144,31 + 80,25

    = 224,6 kNmmax σB = max M/W = (224,6 · 102/(16 · 802/6)) · 10= 13,16 N/mm2 ≤ zul σB = 14 N/mm2

    Der rechnerischer Ausnutzungsgrad für Biegung beträgtηB,alt = 0,940.

    Schubspannungsnachweis am Auflager:Es wird zunächst versucht, den Nachweis mit dem Größt-wert gleich der Auflagerkraft zu führen. Dieser Größtwertergibt sich zumax Q   = A = (6,50 + 75,00) + 45,00 = 81,50 + 45,00

    = 126,5 kN

    max τQ = 1,5 · max Q/A = 1,5 · (126,5/(16 · 80)) · 10= 1,482 N/mm2 > zul τQ = 1,2 N/mm2.

    Die rechnerische Spannungsüberschreitung von ca. 23 %wird nicht hingenommen. Da jedoch die Randbedingungennach Abschnitt 8.2.1.2 der alten DIN 1052 wegen der Auf-lagerung am unteren Trägerrand und Lastangriff am oberenTrägerrand gegeben sind, wird die für den Nachweis maß-gebende Querkraft reduziert. Nach der alten DIN 1052darf der Nachweis im Abstand von h/2 vom Auflagerrandgeführt werden. Der Querkraftanteil aus auflagernahenEinzellasten darf zusätzlich abgemindert werden. Als auf-

    lagernah nach der alten DIN 1052 gelten Einzellasten biszu einem Abstand (a) von 2 h (a0) von der Auflagermitte.Im vorliegenden Fall ist die Einzelkraft F1 für das

    linke Auflager als auflagernah anzusetzen.Mit den Regelungen der alten DIN 1052, Teil 1, Ab-

    schnitt 8.2.1.2, ergibt sich als Querkraftanteil infolge derauflagernahen Einzellast F1 (a = 1,05 m, a0 = 2 h = 1,60 m):red Q1 = a/a0 · F1/L · (L – a0)

    = 1,05/1,60 · 80,0/6,50 · (6,50 – 1,60) = 39,58 kN

    Aus der Linienlast ergibt sich hier nur eine geringfügigeVerringerung der Querkraft um(0,30/2 + 0,80/2) · 2,00 = 1,10 kN.

    Insgesamt folgt für die maßgebende Querkraftred Q  = 6,50 – 1,10 + 39,58 + 80,0/2 + 80,0 · 1,05/6,50

    = 97,90 kN.

    Die letzten beiden Summanden sind die voll anzusetzen-den Querkraftanteile der Einzelkräfte F2 und F3.

    Für den genaueren Schubspannungsnachweis kann jetzt geschrieben werdenτQ   = 1,5 · red Q/A = 1,5 · (97,90/(16 · 80)) · 10 = 1,147 N/mm2

    ≤ zul τQ = 1,2 N/mm2.

    Der rechnerischer Ausnutzungsgrad für Querkraftschub beträgt ηQ,alt = 0,956.Nachweise zur Krafteinleitung über Druckspannun-

    gen rechtwinklig zur Faserrichtung:

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

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    10  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 4. Situation der KrafteinleitungFig. 4. Situation of force transmission

     Bild 3. Statisches System, Einwirkun- gen und Schnittgrößen unter charakte-ristischen Lasten eines EinfeldträgersFig. 3. Static system, actions and inter-nal forces under characteristic loadingof a simply supported beam

    Einleitung der Kraft F1 am oberen Querschnittrand:σD⊥  = F1/A⊥ = 80,00/(16 · 20) · 10 = 2,50 N/mm2

    ≤ zul σD⊥ = 2,5 N/mm2

    (3,0, falls „größere Eindrückungen“ zugelassen werden).

    Einleitung der Auflagerkraft A am unteren Querschnittrand:σD⊥  = A/A⊥ = 126,5/(16 · 30) · 10 = 2,635 N/mm2

    ≤ zul σD⊥ = 3,0 N/mm2,mit „größere Eindrückungen“ ist zu rechnen.

  • 8/18/2019 DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

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    11Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Für den Fall, dass „größere Eindrückungen“ zugelassenwerden, beträgt der rechnerische Ausnutzungsgrad für Quer-druckspannungen ηD⊥,alt = 0,878.

    Damit sind alle Nachweise der Standsicherheit nachder alten DIN 1052 erbracht. Der größte rechnerische Aus-nutzungsgrad ergibt sich für den Schubspannungsnach-weis mit ηQ,alt   = 0,956, wobei in diesem Zusammenhangdie Situation der Lasteinleitung an den Querschnittsrän-

    dern (unmittelbare Stützung) von Bedeutung ist.Im Folgenden werden die Nachweise für den Grenz-zustand der Tragfähigkeit nach der neuen DIN 1052 geführt.Als Baustoff wird von Brettschichtholz GL28c ausgegangen.

    Auch für dieses Beispiel wird der Modifikationsbei-wert kmod = 0,8 unterstellt. Falls nur die ständigen Lasten betrachtet werden, ist mit einem Modifikationsbeiwert vonkmod = 0,6 zu rechnen. Lastfälle im Grenzzustand der Trag-fähigkeit bei alleiniger Wirkung der ständigen Lasten kön-nen bei hohen ständigen Einwirkungen bemessungsrelevantsein. Dieser Effekt wird hier beispielhaft nur für den Biege-nachweis betrachtet.

    Biegespannungsnachweis in Trägermitte:Für ständige Last und Verkehrslasten ergibt sich für dasBemessungsbiegemoment in Trägermitte:Md   = 1,35 · (10,56 + 133,75) + 1,5 · 80,25 = 194,8 + 120,4

    = 315,2 kNmσm,d = Md/W = (315,2 · 102/(16 · 802/6)) · 10

    = 18,47 N/mm2

    Dieser Bemessungsspannung steht als Bemessungswider-stand gegenüberf m,d = kmod · f m,k/γ M = 0,80 · 28,0/1,3 = 17,23 N/mm2.

    Der rechnerische Ausnutzungsgrad für Biegung nach neuerDIN 1052 beträgt ηB,neu = 1,072.

    Für ständige Lasten allein ergibt sich für das Biegemomentin Trägermitte:Md   = 1,35 · (10,56 + 133,75) = 194,8 kNmσm,d = Md/W = (194,8 · 102/(16 · 802/6)) · 10

    = 11,42 N/mm2

    Dieser Bemessungsspannung steht als Bemessungswider-stand gegenüberf m,d = kmod · f m,k/γ M = 0,60 · 28,0/1,3 = 12,92 N/mm2.

    Der rechnerischer Ausnutzungsgrad für Biegung unterständigen Lasten nach neuer DIN 1052 beträgt ηB,neu   =0,884. Sogenannte quasi-ständige Verkehrslastanteile wer-den für die Grenzzustände der Tragfähigkeit nicht ange-setzt.

    Schubspannungsnachweis am Auflager:Auch hier wird zunächst versucht, den Nachweis mit demGrößtwert der Auflagerkraft zu führen. Der entsprechendeBemessungswert ergibt sich zumax Vd = (6,50 + 75,00) · 1,35 + 45,00 · 1,5 = 110,0 + 67,50

    = 177,5 kN.

    Der Bemessungswert der Schubspannung ergibt sich zumax τd  = 1,5 · max Vd/A = 1,5 · (177,5/(16 · 80)) · 10

    = 2,080 N/mm2.

    Dieser Bemessungsspannung steht als Bemessungswider-stand gegenüberf v,d = kmod · f v,k/γ M = 0,80 · 2,5/1,3 = 1,538 N/mm2.

    Der rechnerischer Ausnutzungsgrad für vollen Querkraft-schub würde nach neuer DIN 1052 ηmaxV,neu  = 1,352 be-tragen. Erwartungsgemäß gelingt der Schubspannungs-nachweis auch hier für die volle Auflagerkraft nicht.

    Auch nach neuer DIN 1052 darf für den Fall, dass derTräger am unteren Rand gelagert und am oberen Rand be-lastet wird, die rechnerische Querkraft reduziert werden.Die Detailregelungen unterscheiden sich geringfügig vonden entsprechenden Regelungen der alten DIN 1052. Nachneuer DIN 1052 darf die Querkraft im Abstand der Träger-höhe (ehemals halbe Trägerhöhe) angesetzt werden. Zu-sätzlich darf die Querkraft einer auflagernahen Einzellast(jetzt bis zu einem Abstand e bis 2,5 h) reduziert werden.Die reduzierte rechnerische Querkraft aus einer auflager-nahen Einzellast wird nach neuer DIN 1052, dort Ab-schnitt 10.2.9 (3) vergleichbar den Regelungen des Stahl- betonbaus wie folgt ermittelt:

    Vred = V · e/(2,5 h)

    (Die Reduzierung nach der alten DIN 1052 ist formal et-was anders geregelt, im Ergebnis aber vergleichbar.) Fürdas hier betrachtete Beispiel ist die Kraft F1 für das linkeAuflager als auflagernah anzusetzen.

    Für die aus der linken Einzelkraft F1 anzusetzende Quer-kraft ergibt sichred VF1,d = [(1,35 · 50,0 + 1,5 · 30,0)5,45/6,50] ×

    × 1,05/(2,5 · 0,80) = 49,52 kN.

    Aus der Linienlast ergibt sich eine Verringerung der Be-messungsquerkraft um(0,30/2 + 0,80) · 1,35 · 2,00 = 2,565 kN.

    Die Querkraftanteile aus F2 und F3 bleiben unverändert,so dass sich für den reduzierten Bemessungswert folgendeQuerkraft ergibt:red Vd = (1,35 · 6,50 – 2,565) + 49,52 +

    + (1,35 · 50,0 + 1,5 · 30,0) · 1,05/6,50 ++ (1,35 · 50,0 + 1,5 · 30,0)/2 = 130,1 kN

    Mit dieser Querkraft ergibt sich als Bemessungswert der

    Schubspannungτd = 1,5 · red Vd/A = 1,5 · (130,1/(16 · 80)) · 10

    = 1,525 N/mm2.

    Der rechnerische Ausnutzungsgrad für die reduzierte Quer-kraft würde nach neuer DIN 1052 ηredV,neu = 0,991 betragen.

    Die bislang nach neuer DIN 1052 angeschriebenenNachweise zeigen mit der alten Norm vergleichbare Aus-nutzungsgrade, wenngleich die rechnerisch um ca. 14 %höhere Ausnutzung für die Biegespannungen nach neuerDIN 1052 bemerkenswert ist.

     Jetzt werden die Druckspannungen rechtwinklig zur

    Faserrichtung des Holzes an den Lasteintragungspunkten betrachtet.Einleitung der Kraft F1d   = 1,35 · 50,0 + 1,5 · 30,0 =

    112,5 kN am oberen Querschnittrand:

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

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    Nach der neuen DIN 1052 wird anstelle der plan-mäßigen Kontaktfläche eine in Faserrichtung jeweils um30 mm vergrößerte Fläche (Aef ) angesetzt.Mit Aef  = 16 · (3 + 20 +3) = 416 cm2 ergibt sichσc,90,d = F1d/Aef  = 112,5/416 · 10 = 2,704 N/mm2.

    Der charakteristische Wert der Querdruckfestigkeit fürGL28c beträgt f c,90,k = 2,7 N/mm2.

    Daraus ergibt sichf c,90,d = kmod · f c,90,k/γ M = 0,80 · 2,7/1,3 = 1,662 N/mm2.

    Nach Abschnitt 10.2.4 der neuen DIN 1052 (siehe Zitat)ist die Länge 1 hier mit 80 cm deutlich kleiner als 2 h, sodass kc,90 gleich 1,0 zu setzen ist.

    Der rechnerische Ausnutzungsgrad für Querdruck-spannungen am oberen Krafteinleitungspunkt beträgt nachGl. (47) der neuen DIN 1052ηD⊥,neu = 2,704/1,662 = 1,627.

    Für die Einleitung der Auflagerkraft am unteren Träger-rand ergibt sich streng analog:

    Aef  = 16 · (3 + 30 + 3) = 576 cm2σc,90,d = Ad/Aef  = 177,5/576 · 10 = 3,082 N/mm2

    Der rechnerische Ausnutzungsgrad nach der neuen DIN1052 beträgt hier

    ηD,neu = 3,082/1,662 = 1,854.

    In beiden Fällen konnte nach der alten DIN 1052 derNachweis der Querdruckspannungen mit rechnerischenAusnutzungsgraden deutlich unter 1,0 geführt werden. DieBerechnungen nach der neuen DIN 1052 legen hingegen

    die Ausführung von erheblichen Verstärkungen nahe.Um den Nachweis der Querdruckspannungen am Auf-lager für konstante Druckspannungen führen zu können,wäre folgende effektive Fläche erforderlich:

    erf. Aef  = 177,5/1,662 · 10 = 1068 cm2

    Anstelle der in Bild 4 eingezeichneten 30 cm langen Stahl-platte in Faserrichtung wäre eine rechnerische Länge inFaserrichtung von ca. 61 cm erforderlich – unter den geplanten übrigen Bauteilabmessungen eine konstruktivschwierige und unbefriedigende Verstärkung.

    Erste Erfahrungen besonders bei der Prüfung von

    Standsicherheitsnachweisen nach der neuen DIN 1052lassen in der Praxis folgendes Vorgehen erkennen:

    Die Biege- und Schubbemessung erfolgt überwiegendEDV-gestützt, so wie im vorangegangenen Abschnitt ange-schrieben. Insbesondere werden bei den Schubspannungs-nachweisen regelmäßig die nach Norm für Krafteinleitun-gen an den Querschnittsrändern erlaubten Querkraftredu-zierungen automatisch berücksichtigt. Bei den weiterenDetailnachweisen zur Krafteinleitung von Einzelkräftenwerden dann erhebliche Überbeanspruchungen aus Quer-druck festgestellt. Eine Vergrößerung der Krafteinleitungs-flächen ist häufig nicht erwünscht und oft auch schwer

    realisierbar. Als Folge wird eine scheinbar sehr eleganteörtliche Verstärkung der Auflagerbereiche mit Hilfe vonrechtwinklig zur Faserrichtung eingebauten Verbindungs-mitteln (Holzbauschrauben) und Stahlplatten zwischen den

    12  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Bauteilen geplant. Mit derartigen Verstärkungen soll dieFläche der maßgebenden Querdruckspannungen mittelsLastausbreitung vom Rand des Trägers ins Trägerinnereverlegt werden. Die Hersteller dieser Verbindungsmittel bieten auch für die Bemessung der KrafteinleitungspunkteBemessungsprogramme an. Bild 5 zeigt das Prinzip einesverstärkten Endauflagers und wurde bezüglich der darge-stellten geometrischen Verhältnisse aus den „Bemessungs-vorschlägen“ eines namhaften Schraubenherstellers über-nommen. An dieser Stelle liegt vielleicht die Frage nahe, bis zu welcher Tiefe eine sinnvolle Lastausbreitung ange-

    nommen werden kann, ohne dass damit ein Querzugpro- blem erzeugt wird. Im Rahmen dieses Beitrags sollen Quer-druckverstärkung selbst jedoch nicht weiter betrachtet wer-den.

    Allerdings ist an dieser Stelle zwingend darauf hinzu-weisen, dass bei Ausbildung von Querdruckverstärkungen, bei denen Teile der Einwirkungen ins Trägerinnere geführtwerden, jene Randbedingungen, welche eine Abminde-rung der rechnerischen Querkraft erlauben, entfallen. DerQuerkraftnachweis ist dann jeweils mit den vollen rechne-rischen Werten zu führen. Auf das hier betrachtete Zah-lenbeispiel bezogen ist dann der Schubspannungsnach-weis mit der vollen Auflagerkraft Ad zu führen. Aus dem

    Schubspannungsnachweis für die volle rechnerische Auf-lagerkraft ergibt sich bei gleicher Trägerbreite jetzt eine er-forderliche Trägerhöhe von ca. 108 cm.

    Beim Nachweis nach der alten DIN 1052 waren keineVerbindungsmittel rechtwinklig zur Faser an den Kraftein-leitungspunkten erforderlich. Aufgrund der unmittelbarenKrafteinleitung war eine Trägerhöhe von 80 cm ausrei-chend.

    2.3 Berechnung einer Holzbalkendecke

    Für eine Vergleichsbetrachtung nach alter und neuer DIN

    1052 wird für die Holzbalken das statische System einesEinfeldträgers betrachtet (s. Bild 6). Die Stützweite wirdvariabel gehalten. Der Trägerabstand a wird für üblicheBeplankungen mit 62,5 cm angenommen. Belastet wird

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 5. Prinzip einer Auflagerverstärkung durch rechtwinkligzur Faser angeordnete Holzschrauben und StahlplattenFig. 5. Principle of support strengthening by orthogonally directed timber screws and steel plates

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    13Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    die Holzbalkendecke durch ihr Eigengewicht g und eineNutzlast q.

    Der Aufbau einer typischen Holzbalkendecke nach[7] ist in Bild 7 dargestellt. Dabei handelt es sich um einerelativ schwere Konstruktion, deren Tritt- und Luftschall-schutzmaße +8 dB bzw. +26 dB betragen und die gleich-zeitig die Kriterien für die Feuerwiderstandsdauer F30 er-füllt. Das Flächengewicht beträgt etwa 200 kg/m2, so dassdas Eigengewicht des Holzträgers eine untergeordnete Rollespielt und damit bei der weiteren Berechnung vernachläs-sigt werden kann.

    Die Nutzlast wird einheitlich nach DIN 1055-3 [8]

     bestimmt. Als Nutzung werden Wohn- und Aufenthalts-räume angenommen, so dass die Holzbalkendecke der Ka-tegorie A3 (ohne ausreichende Querverteilung) zuzuord-nen ist. Ein Zuschlag für leichte Trennwände wird nicht berücksichtigt. Je Holzträger ergeben sich damit folgendeLastannahmen:– ständige Einwirkungen:Deckenkonstruktion nach Bild 4gk = 2,0 · 0,625 = 1,25 kN/m

    – veränderliche Einwirkungen:Nutzlast nach Kategorie A3

    qk = 2,0 · 0,625 = 1,25 kN/m

    quasi-ständiger Kombinationsbeiwertψ 2 = 0,3

    Um die Ergebnisse auf der Basis von ähnlichen Holzgütenvergleichen zu können, werden die Güteklasse „C24“ nachneuer DIN 1052 und die Güteklasse „S10“ nach alter DIN1052 verwendet. Die Umrechnung der charakteristischen

    Biegefestigkeit f m,k nach neuer DIN 1052 in die zulässigenBiegespannungen zul σB nach alter DIN 1052 können wiefolgt abgeschätzt werden, wobei dieselben Nutzungsver-hältnisse angenommen werden:

    Im Folgenden werden nur die erforderlichen Bauteilnach-weise für den Holzträger selbst geführt. Nachweise derAuflagerpressung oder der Verbindungsmittel sind nichtGegenstand der Untersuchung. Eventuell vorhandene Quer-schnittsschwächungen werden nicht berücksichtigt.

    2.3.1 Nachweise nach alter DIN 1052

    Nach alter DIN 1052 [3] sind für übliche Holzbalken-decken insgesamt drei Nachweise zur Sicherstellung derTragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit erforderlich. Un-

    ter der Annahme, dass die Trägerabmessungen das Eigen-gewicht nur unwesentlich verändern, ergibt sich bei einerfesten Balkenbreite b für alle Nachweise ein linearer Zu-sammenhang zwischen der Stützweite und der erforder-lichen Trägerhöhe h. Die Trägerbreite geht jeweils nicht-linear in die Nachweise ein. Bei den hier ausgewertetenFormeln sind die Abmessungen b, h und  jeweils in m an-zuschreiben.

    Biegespannungsnachweis:

    Schubspannungsnachweis:

    h

    g q

     b zul berf 

    k k

    ≥⋅

      +

    ⋅  ⋅ = ⋅

    1 52 0 00208

    ,  ( )

      ℓ  ℓ

    h

    g q

     bzul   b

    erf 

    k k

    B

    +

    ⋅ = ⋅

    ( )

    ,8

    6

    0 0137σ

    ℓ   ℓ

    zul kf 

    Bm k

    M F mittel

    σγ γ 

    ≈ ⋅⋅

    = ⋅⋅

      =

    mod,

    ,

    ,, ,

    0 8  24

    1 3 1 45  110 2   2, /MN m

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 7. Konstruktion einer Holzbalken-

    decke mit F30 nach [7]Fig. 7. Construction of a timber beamceiling with fire-resistance grading F30due to [7]

     Bild 6. Statisches System der HolzbalkendeckeFig. 6. Static system of the timber beam ceiling

  • 8/18/2019 DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

    14/40

    Durchbiegungsnachweis:

    Für eine Trägerbreite von b = 12 cm sind in Bild 8 beispiel-haft die erforderlichen Trägerhöhen in Abhängigkeit der

    Stützweite dargestellt.Für alle üblichen Stützweiten wird bei Holzbalken-decken der Durchbiegungsnachweis maßgebend. Die Nach-weise der Tragfähigkeit für Biegung und Schub erfordernhingegen kleinere Querschnittsabmessungen.

    2.3.2 Nachweise nach neuer DIN 1052

    Nach neuer DIN 1052 [1] sind insgesamt sechs Nach-weise zur Sicherstellung der Tragfähigkeit und Ge- brauchstauglichkeit erforderlich. Unter der Annahme,dass die Trägerabmessungen das Eigengewicht nur un -wesentlich verändern, ergibt sich bei einer festen Balken-

     breite b für alle Nachweise mit Ausnahme des Schwin-gungsnachweises ein linearer Zusammenhang zwischender Stützweite und der erforderlichen Trägerhöhe h.Lediglich der Schwingungsnachweis weist eine über -proportionale Zunahme der Trägerhöhe mit steigenderStützweite auf. Die Trägerbreite geht jeweils nichtlinearin die Nachweise ein. Bei den hier ausgewerteten For-meln sind die Abmessungen b, h und  jeweils in m an-zuschreiben.

    Biegespannungsnachweis:

    Schubspannungsnachweis:

    h

    g q

     b f erf 

    k k

    v d

    ≥⋅

      ⋅ + ⋅

    ⋅  ⋅ =

    1 5  1 35 1 5

    2 0 00217,

      ( , , )

    ,,

    ℓ  ℓ

     b b

    hg q

     bf    b

    erf 

    k k

    m y d

    ≥⋅ + ⋅

    ⋅ =( , , )

    ,

    , ,

    1 35 1 58

    6

    0 0134ℓ  ℓ

    h  g q

     bE   b

    erf k k≥

      ⋅ + ⋅

    ⋅ ⋅

    ⋅ = ⋅5 300

    38412

    0 02273   3

    ( ),

    ||

    ℓ  ℓ

    14  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Durchbiegungsnachweis wQ,inst  ≤  /300:

    Durchbiegungsnachweis wfin – wG,inst ≤  /200:

    Durchbiegungsnachweis wfin – w0 ≤  /200:

    Schwingungsnachweis w ≤ 6 mm:

    Für eine Trägerbreite von b = 12 cm sind in Bild 9 beispiel-haft die erforderlichen Trägerhöhen in Abhängigkeit derStützweite dargestellt.

    Für die üblichen Stützweiten wird bei Holzbalken-decken nun der Schwingungsnachweis maßgebend. Die

    Tragfähigkeits- und Verformungsnachweise erfordern hin-gegen wesentlich kleinere Querschnittsabmessungen. Erst bei Stützweiten < 2,0 m wird der Verformungsnachweismaßgebend. Derart geringe Stützweiten kommen jedoch inder Praxis selten vor.

    2.3.3 Vergleich der Ergebnisse nach neuer und alter DIN 1052

    In Bild 10 sind jeweils die erforderlichen Querschnittsab-messungen nach alter und neuer DIN 1052 für eine Trä-

    h  g q

     bE

    erf k k

    mean

    ≥  ⋅ + ⋅

    ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

    ⋅−

    5

    38412

      6 10

    2

    03

    3

    4( )

    ,

    ψ ℓ 33

    430 0157= ⋅,

      ℓ

     b

    h  g k q k

    erf k def k def  ≥

      ⋅ ⋅ + + ⋅ ⋅ + ⋅

    5 1 1 200

    384

    2( [ ] [ ])ψ 

     b bE

     b

    mean12

    0 0195

    0

    3

    3

    = ⋅

    ,

    ,

    h   g k q k berf 

    k def k def  ≥   ⋅ ⋅ + ⋅ + ⋅ ⋅⋅ ⋅

    5 1 200384

    12

    2( [ ])ψ EE

     b

    mean0

    3

    30 0185

    ,

    ,

    = ⋅

    h  q

     bE   b

    erf k

    mean

    ≥  ⋅ ⋅

    ⋅ ⋅

    ⋅ = ⋅5 300

    38412

    0 0175

    0

    3   3

    ,

    ,ℓ  ℓ

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 9. Erforderliche Trägerhöhen für b = 12 cm nach neuer  DIN 1052 [1]Fig. 9. Required construction height for b = 12 cm due tonew German code DIN 1052 [1]

     Bild 8. Erforderliche Trägerhöhen für b = 12 cm nach alter  DIN 1052 [3]Fig. 8. Required construction height for b = 12 cm due to previous German code DIN 1052 [3]

  • 8/18/2019 DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

    15/40

    15Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    gerbreite von 12 cm gegenübergestellt. Dargestellt ist jeweilsnur der für die Bemessung maßgebende Nachweis.

    Die Gegenüberstellung zeigt, dass der Schwingungs-nachweis nach neuer DIN 1052 [1] die erforderlichenQuerschnittsabmessungen bestimmt und gerade bei grö-ßeren Stützweiten die nach alter DIN 1052 [3] erforder-lichen Trägerhöhen deutlich vergrößert. Dies liegt imWesentlichen an der strengen Forderung nach einer Be-schränkung der Eigenfrequenz von Holzbalkendeckenauf über 7,2 Hz, ohne jedoch die i. Allg. hohen Dämp-fungseigenschaften derartiger Konstruktionen zu berück-sichtigen.

    3 Schlussbemerkungen

    Generell steigert die Anwendung des neuen Sicherheits-konzepts den Aufwand bei der Tragwerksplanung erheb-lich. Diese Aussage gilt allgemein für alle Baustoffe. ImHolzbau gilt dies nach Ansicht der Verfasser jedoch in be-sonderem Maße. Neben sehr umfangreichen, gegenüberder Vorgängernorm vielfach stark geänderten Nachweisenträgt besonders die Berücksichtigung des lastabhängigenBeiwerts kmod auf der Materialseite zum gestiegenen Auf-wand bei.

    Die hier ausgewählten Beispielrechnungen haben ge-zeigt, dass auch seit vielen Jahren bewährte Konstruktio-nen bei Anwendung der neuen Bemessungsnorm nur bei

    erheblichen Verstärkungen nachzuweisen sind. Aus tech-nischer Sicht scheinen Verstärkungen hier jedoch oftmalsnicht erforderlich.

    Für die dargestellten Beispiele mit Querdruckspan-nungen gibt es nach Ansicht der Verfasser dieses Beitragsim Wesentlichen zwei Gründe für technisch nicht begrün-

    dete Unstimmigkeiten. Zum einen sind bei den Druckbe-anspruchungen charakteristische Festigkeiten genormt, diesehr klein gewählt wurden (vermutlich um eventuelle Pro- bleme der Gebrauchstauglichkeit zu berücksichtigen). Zumanderen sind in Abschnitt 10.2.4 der neuen DIN 1052,welcher den Grenzzustand der Tragfähigkeit regelt, sehrspezielle Randbedingungen enthalten, die sich aber häufignicht auf andere mechanische Modelle übertragen lassen.

    Querdruckverstärkungen, die einen Teil der Auflagerkräfteins Trägerinnere leiten, führen dazu, dass beim Schubspan-nungsnachweis keine Querkraftabminderungen angesetztwerden dürfen.

    Anforderungen aus dem Schwingungsnachweis vonHolzbalkendecken der neuen DIN 1052 führen häufig zudeutlich größeren Querschnittsabmessungen gegenübereiner Bemessung nach der Vorgängernorm. Auch wenn essich hier formal um eine Empfehlung handelt, können sichfür den Tragwerksplaner bei Nichteinhaltung der Normen-regelung schwer abzuschätzende Haftungsrisiken ergeben.Nach Ansicht der Verfasser dürfte es nicht genügen, alleinin der statischen Berechnung hierauf hinzuweisen. Der Bau-

    herr ist im Streitfall sicher Laie und musste diesen Hin-weis so wenig zur Kenntnis genommen haben wie die übri-gen Seiten der statischen Berechnung.

    Literatur

    [1] DIN 1052: Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holz- bauwerken – Allgemeine Bemessungsregeln und Bemessungs-regeln für den Hochbau, Beuth Verlag, Dezember 2008.

    [2] DIN 1055-100: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 100: Grund-lagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemes-sungsregeln, Beuth Verlag, März 2001.

    [3] DIN 1052: Holzbauwerke, Berechnung und Ausführung,

    Beuth Verlag, April 1988.[4] DIN 1052: Holzbauwerke, Teil 1: Berechnung und Ausfüh-rung, Änderung A1, Beuth Verlag, Oktober 1996.

    [5]  Blaß, H. J., Ehlbeck, J., Kreuzinger, H., Steck, G.: Erläute-rungen zu DIN 1052: 2004-08, Entwurf, Berechnung und Be-messung von Holzbauwerken, DGfH (Hrsg.), 1. Auflage, 2004.

    [6] Heimeshoff, B., Eglinger, W.: Einspannung von Stützen ausBrettschichtholz durch Verguß in Betonfundamenten, Holz- bau-Statik-Aktuell, Folge 7, Juli 1983.

    [7] Holzbauatlas, Centrale Marketinggesellschaft der deutschenAgrarwirtschaft mbH (Hrsg.), 1980.

    [8] DIN 1055-3: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 3: Eigen-und Nutzlasten im Hochbau, Ausgabe März 2006.

    Autoren dieses Beitrages:

    Prof. Dr.-Ing. Rupert Kneidl, Prof. Dr.-Ing. Christian Seiler, Hochschule

    München, Fakultät Bauingenieurwesen, Karlstraße 6, 80333 München

    [email protected]

    [email protected]

    R. Kneidl/Ch. Seiler · Erfahrungen bei der Anwendung der neuen DIN 1052 mit Vergleichen zur Vorgängernorm

     Bild 10. Erforderliche Trägerhöhen für b = 12 cm nach alter und neuer DIN 1052Fig. 10. Required construction height for b = 12 cm due to previous and new German code DIN 1052

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    16  © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Mit Einführung der DIN 1055-4:2005 fand ein Paradigmenwechselbei der Beschreibung der Windlasten statt. Das bisherige, deter-ministische Konzept zur Definition der Windeinwirkung wurdeverlassen und durch ein auf stochastischen Überlegungen fuß-endes ersetzt. Für Konstruktionen und Bauwerke, die nicht schwin-

    gungsanfällig unter böigen Windeinwirkungen sind, ergeben sichdaraus keine nennenswerten Änderungen bei der rechnerischenUntersuchung. Für die Analyse von schwingungsanfälligen Kon-struktionen hat diese Neukonzeption tiefgreifende Konsequenzen.Die bekannte und einfach zu handhabende Ermittlung des Böen-reaktionsfaktors auf Grundlage der Normen der achtziger undneunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde durch einkomplexes, unübersichtliches und mit einfachen Ingenieurmetho-den nicht mehr zu überprüfendes Berechnungsschema abgelöst.In diesem Beitrag wird dieses Schema diskutiert, und es wird eineinfaches Näherungsverfahren zur Ermittlung der Böenreaktioneiner Konstruktion vorgeschlagen, welches, insbesondere vordem Hintergrund der sonstigen Unschärfen und Unsicherheiten

    einer Berechnung, ausreichende Genauigkeit zeigt.

    On the discussion of the gust reaction factor acc. DIN 1055-4:2005.

    With the introduction of DIN 1055-4:2005 a change of paradigm 

    concerning the description of wind loads took place. The previous 

    concept, based on a deterministic view, was replaced by an ap- 

    proach using stochastic considerations. For constructions and 

    buildings deemed to be not susceptible to gust action, no signifi- 

    cant changes within the structural analysis arise. Enormous con- 

    sequences, on the other hand, have to be faced when analyzing 

    structures susceptible to gust action. The well known and easy to 

    handle method for calculating the gust reaction factor using the 

    standards of the 80 th and 90 th of the last century, was redeemed 

    by a complex, partly confused calculation scheme which is not checkable with usual engineering tools. In the following paper 

    this calculation scheme is discussed. Following to this discus- 

    sion, a simplified method for calculating the gust reaction factor 

    is presented. The accuracy of this method lies, having the usual 

    uncertainties and deficits of structural analyses in mind, in an 

     acceptable range.

    1 Einleitung

    Mit der bauaufsichtlichen Einführung der DIN 1055-4:2005

    „Einwirkungen auf Tragwerke – Windlasten“ [1] zum01. 01. 2007 wurde das bisherige Konzept zur Untersuchung böenerregter Schwingungen von Bauwerken, welches sichim wesentlichen auf eine Beurteilung anhand der ersten

    Eigenfrequenz der Konstruktion beschränkte, exemplarischsei hier auf das aus der DIN 1055-4:1986 [2] entnommeneAbgrenzungskriterium zwischen schwingungsanfälligen undnicht schwingungsanfälligen Konstruktionen (Bild 1) ver-wiesen, durch einen Ansatz zur Beschreibung der Wind-

    einwirkung auf stochastischer Basis abgelöst. Damit ein-hergehend wurde der Aufwand zur zutreffenden Berech-nung des Böenreaktionsfaktors – G nach DIN 1005-4:2005[1], ϕ nach den älteren Normen DIN 4131:1991 [3] undDIN 4133:1991[4] – deutlich vergrößert. Dieser System-wechsel hat zur Folge, dass sich der Rechengang zur Er-mittlung der Böenreaktion des Bauwerks jeglicher Plau-sibilitätskontrolle entzieht. Bemerkenswert ist in diesemZusammenhang, dass die DIN 1055-4:2005 [1] ebenfallsein einfaches Abgrenzungskriterium zur Beurteilung derSchwingungsanfälligkeit, welches durch die Eigengewichts-deformationsordinate xs implizit auf die erste Eigenfrequenz

    der Konstruktion bezogen ist Gl. (1), angibt.

    (1)

    mithref  25 m xs Kopfpunktverschiebung der Konstruktion unter Eigen-

    last in Windrichtung wirkend angenommenΛ logarithmisches Dämpfungsdekrement b Breite der Konstruktionh Höhe der Konstruktion

    Für dieses Kriterium verlässt die DIN 1055-4:2005 [1] alsoauch die stochastische Formulierung, und es wird versucht,die Böenreaktion durch einen deterministischen Ansatzabzubilden.

    2 Böenreaktionsfaktoren G undϕ

    Die wesentlichen Unterschiede in der Ermittlung des Böen-reaktionsfaktors nach den Regelungen der älteren NormenDIN 4131:1991 [3], DIN 4133:1991 [4] und DIN 1056:1984[5] sowie nach den Vorschriften der DIN 1055-4:2001 [1]

    sind in Bild 2 zusammengefasst. War es beim bisherigenRegelungsstand möglich, den Böenreaktionsfaktorϕ alleinals Funktion der Eigenschwingdauer T und des logarithmi-schen Dämpfungsdekrements Λ nach Gl. (2) zu ermitteln,

     x

    hh

    h

    h b

     b

    h

    h

    s

    ref 

    ref 

    + + 

     

     

       

    Λ

    · , ·0125

    2

    Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G

    nach DIN 1055-4:2005

    Robert Hertle

    Fachthemen

    DOI: 10.1002/bate.200910061

  • 8/18/2019 DIN 1052 Erlaeuterungen 2009-10

    17/40

    17Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Hertle · Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

     Bild 1. Abgrenzungskriteriumzwischen schwingungsanfälli- gen und nicht schwingungsan- fälligen Konstruktionen nach DIN 1055-4:1986Fig. 1. Delimitation criteria for structures being susceptible or being not susceptible to gustaction acc. DIN 1055-4:1986

     Bild 2. Berechnung der Böenreaktionsfaktoren für BauwerkeFig. 2. Calculation scheme for gust reaction factors of buildings

    Bisherige Regelungen

    Nicht schwingungsfällige Bauwerke:

    DIN 1055-4:1986Einwirkungen auf Tragwerke – Windlasten

    Schwingungsanfällige Bauwerke:

    Böenreaktionsfaktor

    ϕ 1 (0,042 · T – 0,0019 · T2) · Λ –0,63

    T EigenschwingdauerΛ logarithmisches Dämpfungsdekrement

    DIN 4133:1991Schornsteine aus Stahl

    DIN 4131:1991Antennentragwerke aus Stahl

    DIN 1056:1984Freistehende Schornsteine in Massivbauart

    Aktuelle Regelungen

    DIN 1055-4:2005Einwirkungen auf Tragwerke – Windlasten

    Ermittlung des Böenreaktionsfaktors G auf Grundlage stochastischer Überlegungen

    Sy(Ω) |H(iΩ)|2 · Sqw(Ω)

    Sy(Ω) Spektrum der AntwortfunktionSw(Ω) Spektrum der ErregerfunktionH(iΩ) komplexe ÜbertragungsfunktionΩ Frequenz der Anregung

    so stellt die jetzt anzuwendende Berechnungsvorschriftzur Bestimmung von G auf die Auswertung der Spektral-gleichung (3) ab.

    ϕ = 1 + (0,042 · T – 0,0019 · T2) · Λ–0,63 (2)

    Sy(Ω) = |H(iΩ)|2

    · Sqw(Ω) (3)

    Das Bild 3 illustriert die Berechnung nach DIN 1055-4:2005. Ausgehend von der natürlichen Windströmung, re-

    präsentiert durch die zeitlich und räumlich veränderlicheWindgeschwindigkeit vw(t), wird mittels der aerodynami-schen Übertragungsfunktion Ha(Ω) die spektrale Vertei-lung der resultierenden Windkräfte Pw(Ω) ermittelt. Dieseführen, unter Beachtung der mechanischen Übertragungs-funktion H(iΩ), zur Strukturantwort u(t). In der DIN

    1055-4:2005 [1] sind diese Schritte im Anhang C in 16Formeln in Verbindung mit fünf Diagrammen zusammen-gefasst. Da es sich bei diesen Gleichungen um eine durch-aus abstrakte und wenig anschauliche Formulierung des

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    18  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Hertle · Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

    Zusammenhangs zwischen stochastischem Windprofil undBauwerksantwort handelt, ist es praktisch nicht möglich,das Ergebnis hinsichtlich Plausibilität mit einfachen inge-nieurmäßigen Methoden zu kontrollieren.

    Ermittelt man die Böenreaktionsfaktoren für ein kon-kretes Beispiel sowohl nach DIN 1055-4:2005 [1] als auchnach DIN 4131:1991 [3] oder DIN 4133:1991 [4], so ergibtsich, in Abhängigkeit der Eigenfrequenz f des Bauwerks

    die in Bild 4 wiedergegebene Relation. Charakteristisch isthierbei, dass für Eigenfrequenzen größer 2,0 Hz die Böen-reaktionsfaktoren, unabhängig vom gewählten Verfahren, jeweils durch einen konstanten Wert angegeben werdenkönnen, und dass für Frequenzen kleiner 0,5 Hz der Gra-dient des Böenreaktionsfaktors ϕ gemäß DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 steiler verläuft als jener für den Böenreak-tionsfaktor G nach DIN 1055-4:2005. Ein weiteres Cha-rakteristikum kann aus der Differenz der Böenreaktions-faktoren im gesamten Frequenzbereich abgelesen werden.Bild 4 zeigt, dass bei der Ermittlung des Böenreaktionsfak-tors nach DIN 1055-4:2005 die Geometrie des Bauwerks,hier exemplarisch die Breite b, einen durchaus wesentli-

    chen Einfluss hat, während der Böenreaktionsfaktor nach

    DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 im Wesentlichen unabhän-gig von der Bauwerksgeometrie ist. Ursächlich hierfür istdie Tatsache, dass die Ermittlung des Böenreaktionsfak-tors G nach DIN 1055-4:2005 korrekterweise die räum-liche Ausdehnung und die zeitliche Korrelation einer Böemit ins Kalkül zieht. Somit ist es nachvollziehbar, dass beigrößeren Bauwerksausdehnungen die Böenreaktion einengeringeren Anteil an der gesamten Reaktion der Konstruk-

    tion auf Windlasten hat.Augenfällig in Bild 4 ist die Tatsache, dass die Böen-reaktionsfaktoren nach DIN 1055-4:2005 und DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 um ca. 50 % gespreizt sind. Der Grundhierfür ist nicht darin zu suchen, dass infolge des moder-nen Berechnungsansatzes die Schwingungsanfälligkeit einerKonstruktion zutreffender erfasst wird, sondern darin, dasssich die Berechnungsannahmen grundsätzlich unterschei-den. Wurde in der DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 die Böen-reaktion korrekt auf den Böenspitzenwert bezogen, so istman bei der Formulierung nach DIN 1055-4:2005 davonabgewichen und bezieht die Böenreaktion auf den 10-Mi-nuten-Mittelwert des 50-Jahres-Orkans. Durch die Berech-

    nungsvorschrift der DIN 1055-4:2005 wird also nicht die

     Bild 3. Dynamische Bauwerksantwortbei stochastischer Beschreibung der WindeinwirkungFig. 3. Dynamic response of structuresusing stochastic modeled wind action

     Bild 4. Böenreaktionsfaktoren nach DIN 1055-4:2005 „G“ und DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 „ϕ “ Fig. 4. Gust reaction factors acc. DIN 1055-4:2005 “G” and DIN 4131:1991/DIN 4133:1991 “ ϕ ” 

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    19/40

    19Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Hertle · Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

    Reaktion auf die Spitzenböe beschrieben, sondern es wirddie kumulierte Überhöhung infolge Spitzenböe und dyna-mischer Bauwerksreaktion, bezogen auf den Mittelwert desmaßgebenden Ereignisses, angegeben. Der Begriff Böenre-aktion, wie er in der DIN 1055-4:2005 [1] verwendet wird,ist in diesem Zusammenhang teilweise irreführend, da einGroßteil der oben erläuterten Spreizung schlicht auf denerhöhten Staudruck beim Spitzenböenereignis zurückzu-

    führen ist. Die dynamische Bauwerksreaktion hat, zumin-dest für Frequenzen größer 2,0 Hz, keinen nennenswertenEinfluss auf den Reaktionsfaktor. Die bisherige Formulie-rung in den Normen DIN 4131:1991 [3] und DIN 4133:1991[4] war an dieser Stelle deutlich präziser und erlaubte es,anhand des Böenreaktionsfaktors eine Einschätzung dahin-gehend abzugeben, ob bei der Tragwerksantwort auf böigeWindereignisse mit nennenswerten dynamischen Effektenzu rechnen ist.

    3 Vorschlag für eine einfachere Ermittlung

    des Benreaktionsfaktors

    Der aus dem Bild 4 ableitbare Vergleich zwischen den Böen-reaktionsfaktoren nach DIN 1055-4:2005 [1] und nachDIN 4131:1991 [3] bzw. DIN 4133:1991 [4] legt es nahe,dass der Böenreaktionsfaktor, mit für die Bemessung vonBauwerken ausreichender Genauigkeit, durch eine Glei-chung des Typs:

    G* = [1 + (0,042 · T – 0,0019 · T2) · Λ–0,63] · κ H · κ B (4)

     beschrieben werden kann. Dieser Vorschlag basiert auf:i) Bezug der Böenreaktion auf den Böengeschwindigkeits-druck q nach DIN 1055-4:2005 [1] und nicht auf den, zur

    zeitlich gemittelten Windgeschwindigkeit gehörenden, Ge-schwindigkeitsdruck qref ii) einfacher, deterministisch bestimmbarer Frequenzab-hängigkeit der Böenreaktion auf Basis der bisherigen Re-gelungeniii) ergänzender Berücksichtigung der Bauwerksgeometrieim Verhältnis zur Böengeometrie durch Korrekturfaktorenκ H für die Bauwerkshöhe und κ B für die Bauwerksbreite

    Neben der deutlich einfacheren Handhabbarkeit hatdieser Vorschlag den Vorteil, dass durch den Bezug auf denBöengeschwindigkeitsdruck q (siehe i) die dynamischeÜberhöhung der Strukturantwort infolge des Windereig-nisses sofort erkennbar wird. Hinsichtlich der erforder-lichen Genauigkeit zur Bestimmung der Korrekturfakto-ren κ H und κ B ist eine sinnvolle Abwägung zwischen derExaktheit in der Ermittlung der Windkraft und der in den

    meisten Fällen vorhandenen Unschärfe bei der Bestim-mung des Kraftbeiwerts cf  für die jeweilige Konstruktionzu treffen.

    Der weiter oben gemachte Vorschlag zur Ermittlungdes Böenreaktionsfaktors G* nach Gl. (4) wurde exempla-risch an zwei Gebäudetypen – H1 = 20 m; H2 = 300 m –,Gebäudebreiten von 0,1xH bis 2,0xH sowie für folgendeKombinationen von Windzonen und Geländekategorienach DIN 1055-4:2005 – Windzone 1/Geländekatego-rie IV; Windzone 4/Geländekategorie I – überprüft. AlsKorrekturfaktoren κ H und κ B wurden dabei einfache Funk-tionen des Typs:

    (5)

    (6)

    mith Höhe der Konstruktion b Breite der KonstruktionL1, L2 charakteristische Längen

    verwendet. Die Ergebnisse, dargestellt als prozentuale Ab-weichung zwischen der Bemessungswindlast, berechnet

    mit G* nach Gl. (4) und Bemessungswindlast nach An-hang C der DIN 1055-4:2005 [1], bezogen auf die letztere,ist in den Bildern 5 bis 8 dargestellt. Erwartungsgemäßwird die statische Ersatzlast für die Böenreaktion für Kon-struktionen mit sehr niedrigen Eigenfrequenzen durch denNäherungsansatz zum Teil erheblich überschätzt. Ab einerEigenfrequenz von ca. 1,0 Hz liegen die Abweichungen imeinstelligen Prozentbereich, welche, vor dem Hintergrund

    κ B b

    L= −1

    2

    κ H hL= −1 1

     Bild 5. Prozentuale Abweichung der Windkraft; H = 20 m. Windzone 1;

    Geländekategorie IV Fig. 5. Deviation of wind force in percent; H = 20 m. Wind zone 1; Terrain Category IV 

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    20  Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Hertle · Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

     Bild 6. Prozentuale Abweichung der Windkraft; H = 20 m. Windzone 4;Geländekategorie I Fig. 6. Deviation of wind force in percent; H = 20 m Wind zone 4; Terrain Category I 

     Bild 7. Prozentuale Abweichung der Windkraft; H = 300 m. Windzone 1;Geländekategorie IV Fig. 7. Deviation of wind force in percent; H = 300 m. Wind zone 1;Terrain Category IV 

     Bild 8. Prozentuale Abweichung der Windkraft; H = 300 m. Windzone 4;Geländekategorie I Fig. 8. Deviation of wind force in percent; H = 300 m. Wind zone 4;Terrain Category I 

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    21Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    R. Hertle · Zur Diskussion des Böenreaktionsfaktors G nach DIN 1055-4:2005

    der weiter oben angesprochenen Unschärfen in der Be-stimmung des cf -Werts, in jedem Fall hinnehmbar sind.Die Unterschätzung der statischen Ersatzlast im Bereichgrößer Eigenfrequenzen ist unproblematisch, da Konstruk-tionen in diesem Frequenzbereich in der Regel nicht schwin-gungsanfällig sind, und somit ohne Berücksichtigung derdynamischen Überhöhung bemessen werden können.

    Neben der deutlich einfacheren Handhabbarkeit derGl. (4) verglichen mit dem Formelapparat des Anhangs C

    der DIN 1055-4:2005 [1] hat die Näherungslösung denweiteren Vorteil, dass durch sie die Frequenzabhängigkeitder Böenreaktion einfach ablesbar ist. Je tiefer die erste Eigenfrequenz der zu untersuchenden Konstruktion liegt,um so größer ist die zu erwartende dynamische Bauwerks-antwort. Diesen Zusammenhang aus dem Formelapparatund den Diagrammen des Anhangs C der DIN 1055-4:2005 [1] abzulesen ist weit weniger einfach, da dazu dieAnalyse der dimensionslosen spektralen Dichtefunktiondes Böenereignisses RN (Bild 9) als Funktion der bezoge-nen Frequenz N1,x erforderlich ist, aus welcher erkennbarist, dass hohe Energieanteile der Erregung mit niedrigenErregerfrequenzen gekoppelt sind.

    4 Schlussbemerkung

    Zur Ermittlung der statischen Ersatzlasten für schwin-gungsanfällige Bauwerke unter Windeinwirkung, d. h. zurErmittlung der maßgebenden Böenreaktion der Konstruk-tion, wird vorgeschlagen, durch die Normung zwei Wegeanzubieten. Zum einen sollte das in DIN 1055-4:2005 [1]verankerte, komplexe Verfahren verwendet werden, zumanderen sollte es aber ermöglicht werden, durch den Ein-satz von geeigneten Näherungsverfahren, z. B. wie vorge-schlagen durch die Ermittlung des Böenreaktionsfaktors

    gemäß der aus den Normen DIN 4131:1991 [3] und DIN4133:1991 [4] entnommenen Gl. (2) in Verbindung mit denGeometrieanpassungen der Gln. (5) und (6) einen einfa-chen Näherungsansatz zu wählen. Wie die Beispiele zei-

    gen, ist für Frequenzen größer 1,0 Hz eine sehr gute Über-einstimmung – Abweichungen im einstelligen Prozentbe-reich – festzustellen, für Frequenzen kleiner 1,0 Hz liegtdas hier vorgeschlagene Näherungsverfahren auf der si-cheren Seite. Ergänzende Untersuchungen sind zur Fest-legung der charakteristischen Längen L1 und L2 erforder-lich, um die Korrelation zwischen Gebäudegeometrie undBöengeometrie erfassen zu können.

    Neben der einfachen Ermittlung der statischen Er-

    satzlast zur Abbildung der Böenreaktion der Struktur hatdie vorgeschlagene Näherungsformulierung den Vorteil,dass durch den auf den Böengeschwindigkeitsdruck q be-zogenen Böenreaktionsfaktor G* die tatsächliche Bau-werksdynamik beschrieben wird, während der Böenreak-tionsfaktor G nach DIN 1055-4:2005 [1] im Sinne einermechanisch nicht in allen Aspekten konsequenten Kumu-lation das Böenereignis per se und die dynamische Bau-werksantwort beschreibt, da er auf den Geschwindigkeits-druck qref  der zeitlich gemittelten Windgeschwindigkeit bezogen ist. Ebenfalls wird durch den Näherungsansatzder Zusammenhang zwischen Eigenfrequenz respektiveEigenschwingdauer der Struktur und dynamisch induzier-

    tem Lastanteil transparenter.

    Literatur

    [1] DIN 1055-4: Einwirkungen auf Tragwerke – Windlasten.Berlin 2005.

    [2] DIN 1055-4: Lastannahmen für Bauten – Verkehrslasten,Windlasten bei nicht schwingungsanfälligen Bauwerken. Ber-lin 1986.

    [3] DIN 4131: Antennentragwerke aus Stahl. Berlin 1991.[4] DIN 4133: Schornsteine aus Stahl. Berlin 1991.[5] DIN 1056: Freistehende Schornsteine in Massivbauart –

    Berechnung und Ausführung. Berlin 1984.

    Autor dieses Beitrages:

    Dr.-Ing. Robert Hertle, Prüfingenieur für Standsicherheit vpi, BeratenderIngenieur VBI, BayIKBau; Bussardstraße 8, 82166 Gräfelfing

     Bild 9. Bezogene spektrale Dichtefunktion R N der Windgeschwindigkeit nach DIN 1055-4:2005Fig. 9. Relative spectral density function R N of the wind velocity acc. DIN 1055-1:2005

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    22  © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    Die neue Schneelastnorm DIN 1055-5:7/2005 brachte vor allem in

    den höhergelegenen Orten der Zone 3 erhebliche Erhöhungen

    der Schneelast, die bis zum Zweifachen der bisher anzusetzen-

    den Belastung reicht. Auch die neuen Formeln für die Belastung

    von aneinandergereihten Dächern, von Shed- und Tonnendächern

    sowie die Behandlung von Höhensprüngen und Trauflasten er-scheint problematisch. In diesem Beitrag wird versucht, Unstim-

    migkeiten der Norm aufzuzeigen.

    The current snow load standard DIN 1055-5 – a critical review.

    The current snow load standard DIN 1055-5:7/2005 caused a con- 

    siderable increase of snow load, particularly in more elevated 

    areas located in zone 3. It doubles the amount of snow load capa- 

    city – compared to the old standard. The new equations for cal- 

    culating snow loads for adjacent roofs, shed roofs and arched 

     roofs as well as the handling differences in altitude and gutter 

    load seems problematic. This paper tries to show the inconsis- 

    tencies of current standard.

    1 Einleitung

    Die im Jahr 2005 verabschiedete neue SchneelastnormDIN 1055-5 [1] wurde am 1. Januar 2007 in Bayern bau-aufsichtlich eingeführt. Sie basiert auf der europäischenNorm EN 1991-1-3:7/2003 [2]. Zwischenzeitlich ist auchdie DIN EN 1991-1-3:9/2004 [3] erschienen. Grundlageder in den neuen Normen verwendeten charakteristischenSchneelasten sind im Allgemeinen die durch den Deut-schen Wetterdienst (DWD) gemessenen Wasseräquivalente

    und die Einteilung der Orte in Schneelastzonen gemäß demGutachten des DWD vom November 2002 ( Piehl/Schor-lemmer ) [4], insbesondere mit den Daten der dortigen Ta- belle 3, die im Final Report 1998 zusammengestellt sind,sowie dem DWD-Gutachten vom August 2005 (Wichura/

    Stiller ) [5]. Die alte Norm DIN 1055, Teil 5, Ausgabe 1975[6] hingegen benutzte die gemessenen Schneehöhen undihre Umrechnung in Lasten.

    Im Frühjahr 2006 wurden für geplante Bauvorhabenerste Berechnungen nach der neuen Schneelastnorm DIN

    1055-5:7/2005 [1] im Büro des Verfassers in Mittenwalderstellt. Diese Berechnungen für den Raum Oberbayernzeigten signifikante Differenzen zu der bisher gültigen NormDIN 1055, Teil 5. Es wurden die Auswirkungen der Last-erhöhungen auf Sparrenquerschnitte untersucht, wie sie indiesem ländlichen Raum mit Sparrenauskragungen von1,70 m verbreitet sind. Dabei mussten bisher für Mitten-wald übliche Holzquerschnitte von 12/20 cm gemäß denneuen Anforderungen auf 12/34 cm vergrößert werden. Dadie neue Norm auf der entsprechenden Euronorm EN1991-1-3 [2] basiert, wurden auch Berechnungen nach derneuen ÖNORM B 1991-1-3 [7] aufgestellt und brachten als

    Ergebnis, dass sich für zwei Orte, die fünf Kilometer aus-einanderliegen (Mittenwald und Scharnitz), Unterschiedein der charakteristischen Schneelast von fast 20 % erge- ben.

    2 Schnee

    Schnee ist atmosphärischer Niederschlag, Wasser in festemZustand, das in hexagonaler Form auskristallisiert. Die ein-zelnen Schneekristalle gefrieren zu mehreren zu Schnee-flocken zusammen. Schon während des Fallens beginnteine Umformung der einzelnen Kristalle, die als Metamor-phose bezeichnet wird und sich während der gesamten

    Liegezeit des Schnees fortsetzt, wie in Bild 1 dargestellt.Im Laufe der Zeit wandelt sich der Schnee unter atmos-phärischen (Sonne, Wind, Regen) und mechanischen Be-anspruchungen (Windverfrachtung) zu hexagonalen Be-cherkristallen oder Vollformen um.

    Die neue Schneelastnorm DIN 1055-5,kritisch hinterfragt

    Wolfgang Schwind

    Fachthemen

    DOI: 10.1002/bate.200910062

     Bild 1. Metamorphose eines Schneekristalls unter gleichbleibenden BedingungenFig. 1. Metamorphosis of snow crystal under constant conditions

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    23Sonderdruck aus: Bautechnik 86 (2009), Heft 10

    W. Schwind · Die neue Schneelastnorm DIN 1055-5, kritisch hinterfragt

    Die Schneedecke, die anfangs sehr viel Luft enthält,verdichtet sich im Laufe der Zeit immer mehr. Die Dichtedes Schnees variiert zwischen etwa 30 kg/m3  bei Neu-schnee, der unter strenger Kälte gefallen ist, bis zu etwa700 kg/m3 für Altschnee, der sich im Laufe der Zeit zu Eisumgewandelt hat, und 900 kg/m3 für Wassereis. Tabelle 1gibt eine Übersicht über die möglichen Dichten von ver-schiedenen Schneearten.

    einer erheblich geringeren Anzahl drei Mal wöchentlichdas Wasseräquivalent, das heißt, das Gewicht der Schnee-decke. Um die Schneelast aus den gemessenen Schnee-höhen bestimmen zu können, werden verschiedene Um-rechnungsformeln benutzt, dabei wird verbreitet auf die

    Formel von Caspar/Krebs [8] zurückgegriffen, die für denEntwurf von DIN 1055, Teil 5, Ausgabe 1975 entwickeltwurde, siehe Auswertung in Bild 2:

    ρ = min{159,81 + 129,82 · h – 81,09 · h2 ++ 59,907 · h3 – 20,652 · h4; 270} (1)

    ρ Schneedichte in kg/m3

    h Schneehöhe in m

    Dies ist eigentlich keine Formel zur Ermittlung der Schnee-dichte, sondern ein Faktor, der die jährlich größten Schnee-

    höhen eines Ortes mit den größten gemessenen Wasser-äquivalenten desselben Ortes verbindet.Als weitere Literatur liegen die derzeit nur begrenzt

    veröffentlichten Angaben von Herrn Dr. Karl Gabl vonder Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Inns- bruck [9] vor, die die Schneedichten in Abhängigkeit vonder Seehöhe des Ortes ausweist. In den betrachtetenHöhen zwischen ca. 600 m und 1240 m ü.N.N. liegt dieSchneedichte zwischen 230 kg/m3 und 310 kg/m3, was imMittel gut mit dem in Bild 2 angeführten Endwert von270 kg/m3 übereinstimmt.

    3 Die neue DIN 1055-5 – ihr Vergleich mit anderen Normen

    3.1 Grundwert der Schneelast

    In der neuen DIN 1055-5 [1] werden die Daten auf Basisdes gemessenen Wasseräquivalents der Schneedecke er-mittelt, was grundsätzlich richtig ist. Allerdings ist anzu-merken, dass für die DIN 1055-5 [1] nur 346 Stationenmit Beobachtungsreihen zwischen 4 und 101 Jahren [4]für das gesamte Bundesgebiet herangezogen und mit un-terschiedlichen statistischen Verfahren, wie den Extrem-wertverteilungen nach Gumbel, nach Weibull und nachder Lognormalverteilung, ausgewertet wurden. Aufgrundvon Auffälligkeiten und erkennbaren Fehlern wurden die

    Stationen in [4] auf 331 reduziert, während für die alteSchneelastnorm in der damaligen (kleineren) Bundesrepu- blik 1821 Stationen zur Verfügung standen, mit einem ein-heitlichen Beobachtungszeitraum von 30 Jahren. Zur Ab-

     Bild 2. Schneedichte in Abhängigkeit von der SchneehöheFig. 2. Density of snow in interconnection with snow depth

    Tabelle 1. Schneearten und -dichtenTable 1. Types and densities of snow

    Schneeart Schnee- Bereich Litdichtekg/m3

    Wildschnee 20 10–30 kg/m3 [10]

    Pulverschnee(trockener Neuschnee)

    50 30–60 kg/m3 [10]

    Neuschnee, feucht 100 60–150 kg/m3 [9]

    Neuschnee, gesetzt 200 100–200 kg/m3 [10]

    schwach windgepackterSchnee

    80 60–100 kg/m3 [10]

    stark windgepackterSchnee

    200 100–300 kg/m3 [10]

    mittlerer maßgebenderSchnee

    215 200–270 kg/m3 [6]

    Schwimmschnee 250 200–300 kg/m3 [10]

    trockener, gesetzterSchnee

    300 200–400 kg/m3 [10]

    gut gesetzter, leichtfeuchter Altschnee

    350 250–350 kg/m3 [2]

    nasser, gesetzter Schnee 450 400–550 kg/m3 [10]

    stark durchnässterAltschnee

    500 400–600 kg/m3 [9]

    trockener Firnschnee 550 500–600 kg/m3 [9]

    nasser Firnschnee 700 600–800 kg/m3 [9]

    Gletschereis 800 700–900 kg/m3 [10]; [9]

    Wasser-Eis, klar 917   > 900

    In welchen Situationen die höchsten Schneelastenauftreten, wird im Allgemeinen mit den größten Schnee-

    höhen gleichgesetzt. Aus Erfahrungswerten ersichtlich undmit den gemessenen Werten gut nachvollziehbar ist dieTatsache, dass in höheren Lagen bei großen Schneehöhenoft die letzten 40 bis 60 % der gemessenen Schneehöhenaus frisch gefallenem Neuschnee bestehen. Dadurch redu-ziert sich die Gesamtschneedichte wegen der geringerenNeuschneedichte erheblich.

    Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass es in eine vorhandene Schneedecke hineinregnet. Zu der Last desSchnees kommt die des Wassers, das nicht vollständig ab-läuft und zu einem Teil am Schnee gebunden wird, wo-durch sich die Lasten wesentlich erhöhen können. Das ge-

    schieht meistens nicht bei den größten Schneehöhen, kannaber als größte Belastung ausschlaggebend sein.Der Deutsche Wetterdienst misst mit einer großen

    Anzahl von Stationen täglich die Schneehöhen und mi