Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF ......Histamin, Adenosin und Kohlendioxid (CO2)...

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Abb 1: Buser M. (2019) S. 1 Julia Rohrbach Aarau, 12.12.2019 Anästhesie Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF Anästhesie Aargauische Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege

Transcript of Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF ......Histamin, Adenosin und Kohlendioxid (CO2)...

  • Abb 1: Buser M. (2019) S. 1

    Julia Rohrbach

    Aarau, 12.12.2019

    Anästhesie

    Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF Anästhesie

    Aargauische Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

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    Diese Arbeit wurde im Rahmen des Nachdiplomstudiums an der Aargauischen

    Fachschule für Anästhesie, Intensiv- und Notfallpflege der beiden Kantonsspitäler

    Aarau AG und Baden AG verfasst.

    Deklaration:

    Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig

    angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe.

    Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen

    Inhalt übernommenen Formulierungen sind durch genaue Quellenangaben

    angegeben. Ich nehme zur Kenntnis, dass im Falle von Plagiaten auf nicht erfüllt

    erkannt werden kann.

    Ort, Datum;

    Aarau, 09.12.2019

    Unterschrift:

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

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    Inhaltsverzeichnis

    1. Abstract ............................................................................................................... 5

    2. Begründung der Themenwahl ............................................................................. 6

    3. Fragestellung ....................................................................................................... 6

    3.1 Kernfrage: ......................................................................................................... 6

    3.2 Leitfragen: ......................................................................................................... 6

    3.3 Abgrenzung ....................................................................................................... 7

    4. Zielsetzungen: ..................................................................................................... 7

    5. Methodik .............................................................................................................. 7

    6. Hauptteil .............................................................................................................. 8

    6.1 Grundlagen der Hämodynamik ...................................................................... 8

    6.1.1 Der Herzzyklus ........................................................................................ 8

    6.1.2 Die wichtigsten Determinanten des Herzminutenvolumens (HMV) ......... 8

    6.1.3 Der koronare Blutfluss .......................................................................... 10

    6.1.4 Regulation des Gefässtonus .................................................................... 10

    6.2 Grundlagen der Herzinsuffizienz ................................................................. 11

    6.2.1 Definition Herzinsuffizienz ........................................................................ 11

    6.2.2 Systolische Dysfunktion ............................................................................ 12

    6.2.3 Diastolische Dysfunktion .......................................................................... 12

    6.2.4 Linksherzinsuffizienz ................................................................................ 12

    6.2.5 Rechtsherzinsuffizienz .............................................................................. 13

    6.2.6 Trikuspidalklappenerkrankung .................................................................. 13

    6.2.7 Pulmonalklappenerkrankung .................................................................... 13

    6.2.8 Mitralklappenerkrankung .......................................................................... 14

    6.2.9 Aortenklappenerkrankung ........................................................................ 14

    6.2.10 Kompensationsmechanismen................................................................. 15

    6.2.11 Schweregrad Einteilung nach NYHA (New York Heart Association) ...... 16

    6.3. Wirkung der verschiedenen Anästhetika auf die Herzinsuffizienz .................. 16

    6.3.1 Analgesie .................................................................................................. 16

    6.3.2 Sedativa/Hypnotika ................................................................................... 17

    6.3.3 Muskelrelaxantien ..................................................................................... 21

    6.4 Herzkreislauf wirksame Medikamente ......................................................... 22

    6.4.1 Sympathomimetika ................................................................................... 22

    6.4.2 Inotropika .................................................................................................. 23

    6.4.3 Blutdrucksenkung ..................................................................................... 24

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    6.4.4 Betablocker............................................................................................... 24

    6.5 Wahl des Anästhesieverfahrens...................................................................... 25

    6.6 Zielorientierte Therapie intraoperativ ............................................................... 26

    6.7 Erkennen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz intraoperativ .......... 29

    7. Schlussteil ......................................................................................................... 30

    7.1 Beantwortung der Fragestellung und Schlussfolgerungen .......................... 30

    7.1.1 Allgemeine Erkenntnisse zur optimalen anästhesiologischen Betreuung

    von Patienten mit Herzinsuffizienz .................................................................... 30

    7.1.2 Spezielle Erkenntnisse zur medikamentösen Therapie ............................ 31

    7.1.3. Fazit für die eigene Praxis: ...................................................................... 32

    7.2 Gedankenstütze für die Praxis ........................................................................ 33

    8. Literaturverzeichnis ........................................................................................... 34

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    1. Abstract

    Herzinsuffizienz ist ein aktuelles, vielfältiges und komplexes Krankheitsbild, welches

    die Arbeit der Anästhesiepflege und Ärzte täglich beschäftigt. Immer öfter kommen

    Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz für einen nichtkardiochirurgischen Eingriff ins

    Krankenhaus. Um die anästhesiologische Betreuung dieser Patienten sicher

    gestalten zu können, bedingt es vertieftes Wissen und Erfahrung.

    Folgende Fragestellung wurde mittels Literaturrecherche bearbeitet: «Wie gestaltet

    sich die optimale anästhesiologische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz».

    Ob systolische – oder diastolische Herzinsuffizienz, rechts- oder linksbetont,

    Klappeninsuffizienzen oder Stenosen; Ein einheitliches Rezept zur Betreuung dieser

    Patienten existiert nicht. Jede Art Herzinsuffizienz muss individuell betrachtet werden

    und ein individuelles Schema zur optimalen anästhesiologischen Betreuung eruiert

    werden. Dies beinhaltet Überlegungen zur medikamentösen Einleitung und

    Aufrechterhaltung der Narkose, zum Volumenmanagement, welche Katecholamine

    geeignet sind, welche weniger, welches Monitoring benötigt wird und wie

    viele/welche venösen Zugänge sinnvoll sind. Grundsätzlich haben alle Anästhetika

    einen vasodilatierenden Effekt. Dies führt bei Herzinsuffizienten Patienten zu

    stärkeren Reaktionen als bei gesunden Patienten. Das oberste Ziel der Anästhesie

    ist die Erhaltung einer suffizienten Endorganperfusion. In dieser Arbeit werden

    verschiedene Massnahmen und Überlegungen zur bestmöglichen Erreichung dieses

    Ziels beleuchtet.

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    2. Begründung der Themenwahl

    Bereits in meinem ersten halben Jahr auf der Anästhesie ist mir aufgefallen, wie oft das Problem besteht, dass nach der Intubation bei gewissen Patienten massive Kreislaufprobleme auftreten. Zweifellos wird dies teilweise durch alle zur Einleitung verwendeten Medikamente ausgelöst. Diese haben teilweise eine kardiodepressive Wirkung, befreien den Patienten vom Sympathikotonus und haben eine Vasodilatation zur Folge. Daraus resultiert unweigerlich eine Hypotonie. Bei manchen Patienten tritt dieser Effekt jedoch viel stärker auf als bei anderen. Besonders, wenn die Patienten älter sind und Komorbiditäten aufweisen wie Herzinsuffizienz (HI), Diabetes mellitus, Adipositas etc. Oftmals reagieren solche Patienten begrenzt auf Katecholamine oder Volumengabe. Für mich war bisher nicht immer einschätzbar, ob der Patient intraoperativ hämodynamische Probleme aufweisen wird, oder nicht. Beispielsweise blieben schwerkranke, herzinsuffiziente Patienten mit einer Ejection Fraction (EF) von 20% wider Erwarten hämodynamisch stabil. Andere Patienten, welche vor Jahren einmal eine Koronarstenose hatten und einen Stent bekamen, wurden plötzlich instabil. Automatisch stellt sich die Frage, wie ich auf diese Mechanismen Einfluss nehmen kann. Daraus resultiert mein Interesse, vertieftes Wissen über die Anästhesie bei herzinsuffizienten Patienten zu erlangen. Immer öfter kommen Patienten mit Herzinsuffizienz für einen nicht kardiochirurgischen Eingriff ins Krankenhaus. Laut dem schweizerischen Bundesamt für Statistik (2016) ist die Anzahl der herzinsuffizienten Patienten steigend. Herzkreislauferkrankungen sind für rund ein Drittel der Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Daher wird dieses Thema in Zukunft aktuell und relevant bleiben (Bundesamt für Statistik, 2016).

    3. Fragestellung

    3.1 Kernfrage:

    Wie gestaltet sich die optimale anästhesiologische Betreuung von Patienten mit

    Herzinsuffizienz?

    3.2 Leitfragen:

    Grundlagen der Hämodynamik: Was ist für mich als Anästhesiepflegende wichtig?

    Welche Arten von Herzinsuffizienz gibt es und welche Symptome und Probleme

    weisen diese auf?

    Welche Wirkungen/Nebenwirkungen haben Anästhetika auf die Hämodynamik bei

    herzinsuffizienten Patienten?

    Welche Wirkungen/Nebenwirkungen haben Katecholamine auf die Herzinsuffizienz?

    Was ist bezüglich Volumen- und Kreislaufmanagement zu beachten?

    Welche Anästhesieverfahren eignen sich für Patienten mit Herzinsuffizienz?

    Welche pflegerischen Massnahmen können bei Herzinsuffizienz intraoperativ

    angewendet werden?

    Anhand von welchen Parametern kann die Hämodynamik intraoperativ eingeschätzt

    werden?

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    3.3 Abgrenzung

    Um die Rahmenbedingungen dieser Arbeit einhalten zu können, mussten die unten

    aufgeführten Themen ausgegrenzt werden:

    • Kinder

    • Angeborene Herzfehler

    • Prämedikation/notwendige Voruntersuchungen

    • Risikoeinschätzung präoperativ

    • Herzchirurgische Eingriffe

    • Diagnostik der Herzinsuffizienz

    • Behandlung der Herzinsuffizienz ausserhalb der Anästhesie

    • Postoperative Betreuung

    Die anatomischen und physiologischen Grundlagen werden zu einem grossen Teil

    vorausgesetzt.

    4. Zielsetzungen:

    Meine Diplomarbeit richtet sich an Studierende der Anästhesiepflege, wie auch an

    diplomierte Anästhesiepflegende, welche sich für das Thema Herzinsuffizienz

    interessieren. Zielsetzung der Arbeit ist es, eine Merkliste/Kurzanleitung für Pflegende

    zum Thema «Anästhesie bei Herzinsuffizienz» zu generieren, welche in der täglichen

    Arbeit als Gedankenstütze dienen kann.

    Mein persönliches Ziel ist die vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik, die

    Aneignung von vertieftem Wissen und somit mehr Sicherheit im Umgang mit

    Patienten, welche eine Herzinsuffizienz aufweisen und möglicherweise intraoperativ

    vermehrt zu hämodynamischer Instabilität neigen.

    5. Methodik

    Mittels Literaturrecherche wurden die Kernfrage und die dazugehörigen Leitfragen

    beantwortet. Folgende Suchbegriffe wurden in den Datenbanken Cochrane, Cinahl,

    Pupmed und Google Scholar in verschiedenen Kombinationen eingegeben:

    «Herzinsuffizienz, Anästhesieverfahren, Anästhesie, Kardioprotektion, perioperativ,

    Management, Herzinsuffizienz, Volumenmanagement, zielgerichtete Therapie,

    Herzinsuffizienzarten, Medikamente, Komplikationen». Im Intranet des Kantonsspital

    Aarau wurde in folgenden Bereichen gesucht: Standards, Springer Link und

    Anästhesie-Zeitschriften. Die Grundlagen der Hämodynamik, sowie die

    Pathophysiologie der Herzinsuffizienz wurden mehrheitlich in Schulunterlagen der

    aargauischen Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege und in

    Fachbüchern recherchiert. Der Theorie-Praxis-Transfer wird durch das Eingehen auf

    pflegerische Schwerpunkte und alltägliche Probleme in der Anästhesie hergestellt.

    Zudem ist das Resultat der Arbeit ein praktisches Tool zur Gedankenstütze für die

    Pflege.

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    6. Hauptteil

    6.1 Grundlagen der Hämodynamik

    Die anatomischen Grundlagen des Herz-Kreislauf-Systems werden dieser Arbeit

    vorausgesetzt. Verschiedene wichtige Determinanten der Physiologie werden kurz

    erklärt, um das allgemeine Verständnis zu fördern und pathophysiologische

    Zusammenhänge herzustellen.

    6.1.1 Der Herzzyklus

    Abb. 2 Zumstein D. (2018) Skriptnummer 0402, S. 64 Afsain

    In der Diastole erfolgt die

    Füllungsphase der Vorhöfe

    passiv. Bei zunehmendem

    Druck in den Vorhöfen öffnen

    sich die Segelklappen, Blut

    strömt in die Ventrikel (aktive

    Relaxation und passive

    Dehnbarkeit des Ventrikels). Bei

    zunehmendem Druck in den

    Ventrikeln schliessen sich die

    Segelklappen. Beginn der

    Systole = Anspannungsphase

    (Q-R-Welle im EKG). Darauf

    folgt die Austreibungsphase (R-

    S-Welle im EKG), wobei sich die

    Taschenklappen aufgrund von

    hohem Druck im Ventrikel

    öffnen. Die Austreibungsphase

    endet am Ende der T-Welle im

    EKG, darauf folgt die

    Entspannungsphase. (Zumstein

    D. 2018)

    6.1.2 Die wichtigsten Determinanten des Herzminutenvolumens (HMV)

    Das Herzminutenvolumen definiert die Menge Blut in Litern, welche das Herz pro

    Minute auswirft. Es ist mitunter einer der wichtigsten Parameter in der Beurteilung der

    Herzfunktion. Das HMV setzt sich zusammen aus Schlagvolumen (SV) und

    Herzfrequenz (HF). Das Schlagvolumen ist abhängig von der Vorlast, der Nachlast

    und der Inotropie des Herzens (Christ J. & Sagmeister V. 2019)

    Vorlast: Enddiastolisches Volumen; Last, die die Myofibrillen vordehnt, begrenzt durch

    die Länge der Muskelfasern. Sie wird beeinflusst durch das Blutvolumen und durch die

    periphere Vasodilatation. Zudem kann die Vorlast durch mechanische Hindernisse

    beeinträchtigt werden (z.B. Pneumothorax, Vena-Cava-Kompressionssyndrom, u.a.).

    Die Vorlast kann indirekt mittels Puls Pressure Variation (PPV), Stroke Volume

    Variation (SVV), invasives Monitoring wie Lithium-Dilution-Cardiac-Output-

    Measurement-System (LiDCO), Pulse Contour Cardiac Output (PICCO),

    Pulmonalarterielles Monitoring eruiert werden. (Zumstein D. 2018; Larsen R. 2017)

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    Senken der Vorlast:

    • Nitroglycerin/Perlinganit und andere Vasodilatatoren

    • Antitrendelenburglage

    • PEEP (positive end-exspiratory pressure)

    • Diuretika

    Erhöhen der Vorlast:

    • Volumengabe

    • Trendelenburglage

    • Vasopressorengabe

    (Zumstein D. 2018)

    Nachlast: Gesamtwiderstand, der dem Blutauswurf entgegenwirkt. Die Nachlast wird

    beeinflusst durch den peripheren Widerstand, die arterielle Compliance und durch den

    intraventrikulären Druck. Parameter, welche die Nachlast widerspiegeln sind Blutdruck

    (BD), systemic vascular resistance (SVR), und die pulmonary vasculare resistance

    (PVR).

    Senken der Nachlast:

    • Nitroglycerin/Perlinganit, Ebrantil

    • ACE -Hemmer

    • Betablocker

    • Calciumantagonisten

    Erhöhen der Nachlast:

    • Sympathomimetika; Adrenalin, Noradrenalin, Atropin, Vasopressin, Ephedrin,

    Phenylephrin etc.

    (Zumstein D. 2018)

    Inotropie = Herzmuskelkraft. Diese wird durch das HMV und das Schlagvolumen

    widerspiegelt. Damit sich die Aktin- und Myosinfilamente des Herzmuskels optimal

    kontrahieren können bedingt es einer genügend hohen Vorlast/Vordehnung des

    Herzmuskels.

    Positiv inotrop: Dobutamin, Phosphodiesterasehemmer, Calciumsensitizer, Adrenalin,

    Noradrenalin, Digoxin, Dobutamin

    Negativ inotrop : Betablocker

    (Zumstein D. 2018)

    Ejection Fraction (EF): Zur Ermittlung der Herzfunktion spielt die EF eine grosse Rolle.

    Sie wird zur Unterscheidung und Differenzierung der Herzinsuffizienzarten verwendet.

    Die EF definiert sich als Prozentzahl dessen, was das Herz Schlag für Schlag vom

    enddiastolischen Volumen auswirft (Ponikowski P. et al. 2016).

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    6.1.3 Der koronare Blutfluss

    Die Versorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff und Nährstoffen durch Blut findet zu

    einem grossen Teil in der Diastole statt. In der Systole werden die Koronarien durch

    den hohen Druck komprimiert, wodurch der Blutfluss limitiert ist. Aus diesem Grund

    hängt der koronare Blutfluss von der Länge der Diastole (erhöht sich die Herzfrequenz,

    verkürzt sich die Länge der Diastole), der diastolischen Wandspannung (also dem

    Preload) und dem diastolischen Aortendruck ab (presst Blut in die Koronarien). Zu

    einem geringeren Anteil findet die Blutversorgung, vor allem der rechten Herzhälfte,

    auch in der Systole statt (Sperl K. 2018).

    Die koronare Autoregulation sorgt beim gesunden Herzen für einen konstanten

    Blutfluss der Koronarien, angepasst an den Sauerstoff- und Nährstoffbedarf. Die

    Grundlagen der Autoregulation bilden die humorale Regulation und die neuronale

    Regulation. Die humorale Regulation ist hochkomplex. Grob beschrieben lösen

    Veränderungen des Blutstroms der Koronarien, wie auch Veränderungen des

    Metabolismus der Myozyten die Ausschüttung von lokalen Mediatoren aus dem

    Endothel aus. Diese steuern in komplexem Zusammenspiel von agonistischen und

    antagonistischen Substanzen den Gefässtonus. Eine grosse Rolle dabei spielt

    Stickoxid (NO). Die Ausschüttung von NO wird zudem auch von Substanzen wie

    Histamin, Adenosin und Kohlendioxid (CO2) getriggert. Durch eine atherosklerotische

    Schädigung des Endothels bei Koronarikern, ist diese Regulation eingeschränkt. Die

    neuronale Regulation findet vorwiegend über Sympathikus und Parasympathikus statt.

    Die sympathische Stimulation der Alpha1- und Alpha2-Rezeptoren führt auch koronar

    zur Vasokonstriktion. Die Stimulation von Beta-Rezeptoren führt zur positiven Inotropie

    und auch zur koronaren Vasodilatation. Dies ist in Stresssituationen/bei körperlicher

    Belastung von grosser Bedeutung. Durch die Stimulation des Parasympathikus wird

    Acetylcholin freigesetzt. Dieses beeinflusst über die muskarinen Rezeptoren M1

    (Vasokonstriktion) und M3 (Vasodilatation) ebenfalls die koronare Durchblutung.

    (Christ J. & Sagmeister V. 2019)

    6.1.4 Regulation des Gefässtonus

    Die Autoregulation des Blutdruckes ist essentiell zur Aufrechterhaltung eines

    adäquaten HMV und einer optimalen Perfusion aller Organe bei wechselnder

    Belastung und bei sich verändernder Körperhaltung. Dabei spielt die Herzfrequenz,

    das HMV/SV und der SVR eine grosse Rolle. Die Regulation findet kurzfristig

    vorwiegend über folgende Reflexbögen statt: Barorezeptorenreflex,

    Dehnungsrezeptorenreflex, Chemorezeptorenreflex.

    Die Barorezeptoren im Aortenbogen und im Karotissinus erfassen die Druckintensität

    und die Änderungsgeschwindigkeit der Drücke. Das Signal wird zur Medulla oblongata

    im Hirnstamm geleitet, wo es auf kreislaufregulierende Neurone trifft. Über

    sympathische, wie auch parasympathische Efferenzen generieren diese eine

    Reflexantwort. Bei Druckabfall führt dies zum Anstieg der HF, der Inotropie des

    Herzens und zur Vasokonstriktion. Die sympathische Reflexantwort bewirkt, neben der

    direkten nervalen vasokonstriktorischen Wirkung, im Nebennierenmark eine

    Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin. Bei Druckanstieg wird der

    Sympathikotonus verringert, die HF und die Inotropie nehmen ab. Die

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    parasympathische Reflexantwort betrifft vorwiegend das Herz und weniger das

    Gefässsystem.

    Die Dehnungsrezeptoren befinden sich in grossen intrathorakalen Venen und in den

    Vorhöfen. Sie ermöglichen den kreislaufregulierenden Zentren im Hirnstamm, das

    Blutvolumen zu erfassen und zu regulieren.

    Chemorezeptoren werden im Glomus caroticum/aorticum durch Hypoxie, Hyperkapnie

    und Acidose stimuliert. Sie führen über die Medulla oblongata zum Blutdruckanstieg,

    zur Vasokonstriktion im Splanchnikus, renal und muskulär, wie auch zur vagalen

    Bradykardie und zur Atemstimulation.

    Die mittel und langfristige Blutdruckregulation findet hauptsächlich über das Renin-

    Angiotensin-Aldosteron-System statt und über die Regulation des Blutvolumens.

    (Eibl A.D. et al. 2019)

    6.2 Grundlagen der Herzinsuffizienz

    6.2.1 Definition Herzinsuffizienz

    In der deutschen nationalen Versorgungsleitlinie der chronischen Herzinsuffizienz

    (2017) wird folgende Definition verwendet:

    «Bei der Herzinsuffizienz ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Organismus mit

    ausreichend Blut und damit mit genügend Sauerstoff zu versorgen, um den

    Stoffwechsel unter Ruhe- wie unter Belastungsbedingungen zu gewährleisten. Eine

    erweiterte Definition der Herzinsuffizienz verweist bei der Begriffsbildung der

    Herzinsuffizienz zusätzlich auf das komplexe Muster neurohumoraler Veränderungen

    (u. a. eine Stimulation des sympathischen Nervensystems) mit dem der Organismus

    die Dysfunktionen der Herz- und Skelettmuskulatur sowie der Nierenfunktion zu

    kompensieren versucht.» (Deutsche nationale Versorgungsleitlinie (NLV) chronische

    Herzinsuffizienz, 2017, S. 11*)

    Die Herzinsuffizienz wird in verschiedene Gruppen eingeteilt: Links- und

    Rechtsherzinsuffizienz können unterschieden werden. Sind beide Herzhälften

    betroffen, spricht man von einer globalen Herzinsuffizienz. Zeitlich gesehen wird

    zwischen langsam beginnender, chronischer Herzinsuffizienz und akut auftretender

    Herzinsuffizienz unterschieden. Zur Therapieentscheidung und Behandlung der

    Herzinsuffizienz, sowie für das anästhesiologische Verständnis ist die Unterteilung der

    Herzinsuffizienz nach funktioneller Störung am wichtigsten (Abb 3):

    (*Vollständige Zitationsangabe welche durch die Autoren der NVL vorgeschrieben wird befindet sich aus Gründen der

    Leserlichkeit im Literaturverzeichnis)

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    (Abb.3; Nationale Versorgungsleitline chronische Herzinsuffizienz S. 11, 2017)

    6.2.2 Systolische Dysfunktion

    Hierbei handelt es sich um eine Zerstörung des Herzmuskelgewebes und somit um

    eine Einschränkung der Kontraktilität und Pumpfunktion des Herzens. Die Systolische

    Herzinsuffizienz weist eine verminderte EF auf. Zu Grunde liegende Ursachen sind

    koronare Herzkrankheit (KHK), dilatative Kardiomyopathie, Myokarditis und toxische

    Substanzen wie Chemotherapeutika. (Christ J & Sagmeister V. 2019; Marino P. 2017)

    6.2.3 Diastolische Dysfunktion

    Im Gegensatz zur systolischen Herzinsuffizienz weist eine diastolische

    Herzinsuffizienz eine normale EF auf. Das Problem ergibt sich aus einer

    eingeschränkten ventrikulären Relaxation und einer Verminderung der ventrikulären

    Dehnbarkeit. Der Herzmuskel ist hypertroph und versteift. Durch die verminderte

    Dehnbarkeit des Ventrikels entsteht ein erhöhter linksventrikulärer enddiastolischer

    Druck (LVEDP). Kompensatorisch bedingt der erhöhte LVEDP einen erhöhten Druck

    im Vorhof und im pulmonalen Kreislauf zur Füllung des Ventrikels. Das enddiastolische

    Füllvolumen ist vermindert. Hauptursachen der diastolische HI: Myokardischämie,

    Ventrikelhypertrophie, Hypertension, Kardiomyopathie (Marino P. 2017; Heschl S. et

    al. 2014)

    Klinisch kann zwischen der systolischen und der diastolischen Herzinsuffizienz kaum

    unterschieden werden. Beide weisen vorwiegend Symptome einer

    Linksherzinsuffizienz auf (siehe unten).

    6.2.4 Linksherzinsuffizienz

    Linksherzinsuffizienz bedeutet eine Verminderung der Linksventrikulären Funktion,

    wodurch eine Minderdurchblutung peripherer Organe entsteht. Die

    Linksherzinsuffizienz weist folgende typische Symptome auf:

    • Leistungsintoleranz

    • Lungenödem

    • Belastungsdyspnoe, Orthopneu, Paroxysmale nächtliche Dyspnoe

    • Stauungshusten

    Durch den Rückstau in die Lunge und somit in das rechte Herz kann es sekundär

    zu einer globalen Herzinsuffizienz kommen. (Chris J. & Sagmeister V. 2019)

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    6.2.5 Rechtsherzinsuffizienz

    Eine isolierte Rechtsherzinsuffizienz entwickelt sich durch eine akute oder chronische

    Erhöhung des Widerstandes in der pulmonalen Strombahn (z.B.

    Lungenembolie/COPD), oder durch Klappenvitien. Typische Symptome einer

    Rechtsherzinsuffizienz sind:

    • Jugularvenenstauung

    • Ödeme (Anasarka)

    • Dyspnoe, Pleuraerguss

    • Leberstauung/Azites

    • Gastrointestinale Resorptionsstörungen (Stauungsgastritis)

    Bei der globalen Herzinsuffizienz mischen sich die Symptome der Rechts- und

    Linksherzinsuffizienz. Hinzu kommen weitere Symptome wie Herzrhythmusstörungen,

    Nykturie, Schwäche und Ermüdbarkeit, Vergrösserung des Herzens, Perikarderguss

    und in spätem Stadium ein tiefer Blutdruck.

    (Chris J. & Sagmeister V. 2019)

    6.2.6 Trikuspidalklappenerkrankung

    Die Trikuspidalklappenstenose (TS) ist extrem selten und kommt in unseren

    Breitengraden kaum vor.

    Die Trikuspidalklappeninsuffizienz (TI) hingegen ist besonders in höherem Alter

    häufiger anzutreffen. Die Prävalenz liegt in der Bevölkerung bei 1.5-15%, bei

    bestehender Herzinsuffizienz bis zu 35%. Eine schwere TI geht mit einer erhöhten

    Mortalität, rezidivierenden Rechtsherzdekompensationen und eingeschränkter

    Lebensqualität einher. Die primäre TI tritt eher selten auf und ist Folge rheumatischer

    oder infektiöser Erkrankungen der Trikuspidalklappe, kann auch karzinoid sein. Die

    sekundäre TI tritt weitaus häufiger auf. Sie resultiert aus der Dilatation des rechten

    Ventrikels bei chronischer Volumenüberladung, pulmonalarterieller Stauung oder

    infolge von Klappenvitien des linken Ventrikels (Rückstau/Regurgitation). Die Therapie

    basiert vorwiegend auf der Therapie der Grunderkrankung und Diuretikagabe zur

    Minimierung des Volumens im rechten Ventrikel. Ein Klappenersatz bringt oft nicht die

    gewünschten Vorteile.

    (Ruf T.F. et al. 2019)

    6.2.7 Pulmonalklappenerkrankung

    Pulmonalklappenstenosen sind meist angeboren und resultieren bei Erwachsenen oft

    aus der Degeneration von Bioprothesen, welche im Kindesalter eingesetzt wurden.

    Diese Patienten fallen durch Müdigkeit und Dyspnoe auf. Sehr selten kann eine

    Pulmonalklappenstenose auch durch rheumatisches Fieber ausgelöst werden, oder

    durch ein karzinoides Geschehen.

    Die Pulmonalklappeninsuffizienz ist meist Folge einer pulmonalarteriellen Hypertonie.

    Durch die Dilatation des rechten Ventrikels, kommt es zu einer Ringdilatation der

    Pulmonalklappe. Eine Insuffizienz der Pulmonalklappe ist normalerweise aufgrund des

    niedrigen pulmonalarteriellen Widerstandes jahrelang symptomlos. Bei massiver

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    14

    Dysfunktion kann es zur weiteren Dilatation des rechten Ventrikels und anschliessend

    zu verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit kommen.

    (Karathanos A. et al. 2019)

    6.2.8 Mitralklappenerkrankung

    Die Mitralklappenstenose (MS) ist eine Verengung der Öffnungsfläche der

    Mitralklappe. Durch diese Stenosierung kommt es zu einem erhöhten Restvolumen im

    linken Vorhof und somit zur Steigerung des Drucks und zur Dilatation des linken

    Vorhofs. Konsekutiv resultiert daraus ein Rückstau des Volumens in das pulmonale

    Gefässsystem, ein Lungenödem und pulmonalarteriellen Hypertonie. Symptome der

    MS sind ähnlich der Linksherzinsuffizienz mit den Leitsymptomen Belastungsdyspnoe

    und Leistungsminderung. Oftmals tritt auch ein Vorhofflimmern auf, welches durch die

    Dilatation des linken Ventrikels ausgelöst wird. Die Therapie stellt sich aus Diuretika

    und Antikoagulantien zusammen. Bei höhergradigen Stenosen ist eine chirurgische

    Intervention erforderlich.

    Die Mitralklappeninsuffizienz (MI) ist eine der häufigsten Klappenerkrankungen. Sie

    entsteht zum einen aus narbigen oder entzündlichen Gewebeveränderungen und zum

    anderen sekundär durch eine veränderte Ventrikelgeometrie, wodurch ein suffizienter

    Klappenschluss nicht mehr möglich ist. In der Systole wird durch die insuffiziente

    Klappe ein Teil des Blutvolumens in den Vorhof zurückgepumpt und führt zu

    vergrössertem Vorhofvolumen. In der Diastole wird dieses Volumen wiederum in den

    Ventrikel gepumpt. Dies nennt man Pendelvolumen oder Regurgitation. Die Menge an

    Pendelvolumen ist abhängig von der Grösse des Lecks der Mitralklappe. Der linke

    Ventrikel dilatiert und hypertrophiert. Symptome der MI sind ebenfalls Dyspnoe und

    Leistungsminderung, wie auch Herzrasen (=Vorhofflimmerepisoden). Die Therapie

    setzt sich aus Diuretika, Nachlastsenkung und chirurgischer Intervention zusammen.

    (Christ J. & Sagmeister V. 2019; Larsen R. 2017)

    6.2.9 Aortenklappenerkrankung

    Die Aortenklappenstenose (AS) ist die häufigste Klappenerkrankung im

    Erwachsenenalter. Die häufigste Ursache dafür ist der altersbedingte degenerativ

    sklerotische Prozess, welcher zur Veränderung der Aortenklappe führt. Die AS geht

    mit einem erhöhten linksventrikulären Volumen einher. Dieses kann durch Erhöhung

    der HF und Hypertrophie des Herzens weitgehend kompensiert werden. Die Patienten

    bleiben jahrelang asymptomatisch. Typischer Symptomtrias der AS: Dyspnoe, Angina

    Pectoris und Synkope. Die pektangiösen Beschwerden werden durch eine

    Minderdurchblutung der Koronarien hervorgerufen, welche durch einen verminderten

    Perfusionsdruck und eine erhöhte linksventrikuläre Wandspannung ausgelöst werden.

    Therapie ist bei symptomatischer AS ein Klappenersatz.

    Aortenklappeninsuffizienz (AI) kann durch Endokarditis, rheumatisches Fieber oder

    durch aneurismatische Aussackungen der Aorta entstehen. Durch den insuffizienten

    Klappenschluss regurgitiert Blut in den linken Ventrikel, was zur Erhöhung der Vorlast

    führt. Dies kann über Jahre hinweg mit einem erhöhten Schlagvolumen (Frank-

    Starling= Autonomer Regelkreis zwischen Vorfüllung und Auswurfleistung)

    kompensiert werden. Die Volumenbelastung führt jedoch zur exzentrischen

    Hypertrophie des linken Ventrikels und zur Dilatation. Das HMV nimmt ab und die

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    15

    Koronarperfusion sinkt. Die Therapie besteht aus Senkung der Nachlast, evtl. Senkung

    der Vorlast und chirurgischem Klappenersatz.

    (Christ J. & Sagmeister V. 2019; Larsen R. 2017)

    6.2.10 Kompensationsmechanismen

    Ein gesundes Herz kann sein HMV an den Bedarf des Körpers anpassen. Diese Anpassung erfolgt hauptsächlich durch Vorlast, Nachlast, Inotropie und die Herzfrequenz. Bei einem insuffizienten Herz versucht der Körper in erster Linie ebenfalls über den Frank-Starling-Mechanismus und den Bowdich-Effekt* das HMV zu steigern. Ein vermindertes HMV hat eine Erhöhung des Sympathikotonus zur Folge. Dadurch wird Vorlast, Nachlast und Inotropie des insuffizienten Herzens vorerst gesteigert. Die chronisch erhöhte Konzentration an Katecholaminen führen jedoch zur Downregulation der Betarezeptoren am Herzen. Die positiv inotrope Wirkung der Katecholamine lässt nach. Die Vasokonstriktorischen Effekte bleiben jedoch erhalten und somit die Nachlast erhöht. Die Aktivierung des Renin- Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH) führt zu Wasser und Salz-Retention, wodurch die Vorlast zusätzlich erhöht wird. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das HMV dadurch steigern. Ist die Vordehnung der Myofibrillen zu hoch, kommt es zu einem Rückwärtsversagen und zum Lungenödem. Auf längere Frist führt die Erhöhung des Enddiastolischen Volumens und die gesteigerte Nachlast zu einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Darauf reagiert das Herz mit Remodeling: Durch eine Zunahme der Myozytenzahl (= Hypertrophie) versucht es die vermehrte Volumen- und Druckbelastung zu kompensieren. Dies führt zu einer Veränderung der Ventrikel und der Struktur der Zellmembranen. Bei chronisch erhöhter systolischer Druckbelastung kommt es zur Verdickung des Ventrikels nach innen durch Neubildung von Sarkomeren (=Konzentrische Hypertrophie). Dies führt zu einer Verkleinerung des Ventrikels. Eine chronische Erhöhung des enddiastolischen Volumens führt zur Überdehnung der Myofibrillen. Hier führt die Neubildung von Sarkomeren zu einer Verlängerung des Durchmessers des Hohlraumes und somit zur Ventrikeldilatation (Exzentrische Hypertrophie). Die chronische Volumenerhöhung in den Ventrikeln und den Vorhöfen führt zur Ausschüttung von ANP (atriales natriuretisches Peptid) und BNP (b-natriuretisches Peptid). Diese bewirken eine vermehrte Wasserausscheidung und vermindern die Aktivität des RAAS, was zu einer Vasodilatation führt. Die Plasmaspiegel von ANP und BNP korrelieren mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz. Zu Beginn sind diese Kompensationsmechanismen hilfreich und können das HMV

    steigern. Der Effekt ist jedoch zeitlich begrenzt. Langfristig resultiert daraus eine

    Verschlechterung der Herzinsuffizienz.

    (Christ J. & Sagmeister V. 2019)

    (*Bowdich Effekt = Erhöhung myokardialer Kontraktilität bei Steigerung der HF, Erhöhung der Calciumkonzentration, Verkürzung

    der Diastole)

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    16

    6.2.11 Schweregrad Einteilung nach NYHA (New York Heart Association)

    Die NYHA -Stadien teilen die

    Herzinsuffizienz nach der

    Leistungsfähigkeit des

    Patienten ein. Die Stadien zu

    kennen kann in der Anästhesie

    hilfreich sein zur Vorbereitung

    und Einschätzung des

    Patienten.

    (Abb. 4: Anabitarte P. 2018, S.20)

    6.3. Wirkung der verschiedenen Anästhetika auf die Herzinsuffizienz

    Herzinsuffiziente Patienten kommen in kompensiertem Zustand für einen elektiven

    Eingriff ins Spital. Der kompensierte Zustand des insuffizienten Herzens ist vulnerabel

    und wird durch alle in der Anästhesie üblichen Medikamente beeinflusst. Kleine

    Veränderungen in diesem eng ausbalancierten Herzkreislaufsystem können zu

    schwerwiegenden Komplikationen während der Narkose führen. Eine suffiziente

    Endorganperfusion ist unabdingbar. Daher müssen die negativen Veränderungen der

    Hämodynamik während der Narkose aggressiv behandelt werden. Zur Einschätzung

    des aktuellen Zustandes des Herzens hilft eine aktuelle kardiologische Untersuchung.

    Diese gibt Auskunft über rechts- und linksventrikuläre Pumpfunktion, Grösse und

    Wanddicke der Ventrikel und über den Zustand der Klappen. (Grünewald M. 2015)

    Fast alle Anästhetika weisen eine parasympathomimetische Wirkung auf. Dadurch

    entsteht sowohl eine Vasodilatation/Hypotension als auch eine Bradykardie. Vor allem

    bei herzinsuffizienten Patienten ist dieser Mechanismus verstärkt, da diese Patienten

    im Normalzustand einen erhöhten Sympathikotonus aufweisen. Fällt dieser weg,

    kommt es vermehrt zu Blutdruckabfällen. (Grünewald M. 2015; Marino P. 2017)

    In den folgenden Abschnitten wird die Wirkung von Medikamenten, welche in der

    Anästhesie häufig Anwendung finden, bezüglich Herzkreislaufsystem beschrieben.

    6.3.1 Analgesie

    Opiate/Opioide

    Opiate/Opioide sind in ihrer Wirkung auf das kardiale System alle sehr gut verträglich

    und unterscheiden sich darin nur unwesentlich. Die einzige Ausnahme dabei ist

    Pethidin (siehe unten).

    Opiate/Opioide senken den Blutdruck, wirken dilatierend auf Gefässe und können ein

    venöses Pooling begünstigen. Diese Wirkung wird durch eine mögliche

    Histaminausschüttung (v.a. bei Morphin) begünstigt. Bei Umlagerung des Patienten

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    17

    können vermehrt Orthostasereaktionen auftreten. Gesunde Patienten zeigen diesen

    Effekt geringer als herzkranke Patienten. Die Aktivierung von vagalen Efferenzen und

    die Inhibition von sympathischen Efferenzen begünstigt eine Hypotonie und kann eine

    Bradykardie auslösen. Bei langsamer Injektionsgeschwindigkeit tritt dieser Effekt

    weniger stark auf. Durch die Gabe von Atropin kann eine Bradykardie problemlos

    aufgelöst werden. Die Wirkung von Opioiden auf die Myokardkontraktilität ist sehr

    gering. Bei gesunden Probanden haben Opioide keine nennenswerten Effekte auf das

    HMV. Der myokardiale Sauerstoffverbrauch wird durch Opioide aufgrund der

    Herzfrequenzabnahme, der Abnahme von Druck und Volumenbelastung und der

    geringen Abnahme der Kontraktilität gesenkt. (Larsen R. 2018)

    Spezialfall Pethidin: Im Gegensatz zu anderen Opioiden konnte Pethidin eine negativ

    inotrope Wirkung nachgewiesen werden. Die Verabreichung von Pethidin kann aus

    diesem Grund eine kardiale Dekompensation hervorrufen und sollte bei herzkranken

    Patienten nur in geringen Dosen verabreicht werden. (Arzneimittelkompendium 2019;

    Larsen R. 2018)

    Ketamin

    Grundsätzlich ist Ketamin für herzinsuffiziente Patienten nicht geeignet. Dagegen

    sprechen folgende Gründe:

    • sympathoadrenerge Stimulation

    • Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin in den Nervenendigungen:

    Blutdruckanstieg, Anstieg des SVR und des PVR, Anstieg der Herzfrequenz

    • Direkt negativ inotrope Wirkung am Herzmuskel (wird initial von der

    Sympathikusaktivierung maskiert, das HMV bleibt konstant)

    • Steigerung des myokardialen O2-Verbrauches

    • Interaktion mit anderen Anästhetika; negativ inotrope Wirkung wird verstärkt

    Daraus kann abgeleitet werden, dass Ketamin nur in speziellen Fällen bei

    herzinsuffizienten Patienten angewendet werden sollte. Beispielsweise bei

    Perikardtamponade, Hypovolämie oder manifester Herzinsuffizienz. Bei Koronarikern

    sollte aufgrund der Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauches darauf

    verzichtet werden.

    (Gautschi M. 2019; Larsen R. 2017)

    6.3.2 Sedativa/Hypnotika

    Propofol

    Propofol ist ein reines Hypnotikum und weist keine analgetische Wirkung auf. Es kann

    als kontinuierliche Infusion verabreicht werden und ist zusammen mit

    Opiaten/Opioiden ein geeignetes Mittel zur Narkoseeinleitung. Propofol bewirkt eine

    Abnahme des Blutdruckes, was neben der Vasodilatation vor allem auf eine Abnahme

    der Myokardkontraktilität und des HMV/SV zurückzuführen ist. Die Hypotonie ist

    dosisabhängig und mit Katecholaminen meist gut behandelbar. Propofol kann

    ebenfalls zu einer Abnahme der HF führen bis hin zu Asystolien. Besondere Vorsicht

    ist bei betablockierten Patienten geboten. Die Herzfrequenz kann unter Propofolgabe

    jedoch auch stabil bleiben oder geringfügig zunehmen. Zu bedenken ist, dass sich die

    Abnahme des HZV durch Bradykardie und Vasodilatation potenziert. Daher muss bei

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    18

    herzkranken Patienten die Dosis angepasst werden. Der myokardiale

    Sauerstoffverbrauch sinkt unter Propofol und die Koronardurchblutung nimmt ab.

    Propofol hat vergleichsweise viele negative Wirkungen auf Herzkreislauf und sollte bei

    Patienten mit stark eingeschränkter Ventrikelfunktion nicht verwendet werden.

    (Arzneimittelkompendium 2019; Larsen R. 2017)

    Etomidate

    Etomidate ist das Medikament der Wahl zur Einleitung bei hämodynamisch instabilen

    Patienten oder Patienten mit hohem Risiko. Es ist ein reines Hypnotikum und besitzt

    keinerlei analgetische Wirkungen. Bei Patienten mit kompensierter Herzkrankheit

    bewirkt Etomidate normalerweise keinen Blutdruckabfall. Auch der Gefässwiderstand

    und die Herzfrequenz ändern sich kaum. Bei alten oder schwerkranken Patienten

    hingegen kann ein Abfall der Herzfrequenz und des Blutdruckes hervorgerufen

    werden. Etomidate wirkt leicht vasodilatierend. Bei schwer herzkranken Patienten

    kann es zu einer geringfügigen Abnahme der Inotropie kommen. Somit kann bei

    diesen Patienten auch das HMV abfallen. Eine typische Reaktion auf die Intubation bei

    Einleitung mit Etomidate ist eine Hypertonie und eine Tachykardie. Der Grund dafür ist

    eine ungenügende Dämpfung des sympathoadrenergen Reflexes. Dies sollte mit

    einem genügend grossen Fentanyl-Bolus vor Einleitung inhibiert werden können. Ein

    weiterer negativer Punkt ist die vorübergehende Einschränkung der Cortisolsynthese.

    Deshalb soll Etomidate nur als Bolus bei der Einleitung verwendet werden und niemals

    zu Sedationszwecken über längere Zeit. Trotz den genannten Einschränkungen ist

    Etomidate das Medikament mit dem kleinsten Effekt auf Herzkreislauf. (Gautschi M.

    2019; Larsen R. 2017)

    Vergleich Propofol und Etomidate: In einer randomisierten Doppelblindstudie wurde

    nachgewiesen, dass Propofol bei Patienten mit schwerer Aortenstenose eine

    Hypotension zur Folge hat, während Etomidate wenig Einfluss auf den Kreislauf

    aufweist. In der Studie wurde ebenfalls nachgewiesen, dass Patienten unter Propofol

    vermehrt Vasopressoren benötigten. Die Wirkung auf HF, Wedge-Druck, SV und

    Cardiac Index war bei beiden Medikamenten vergleichbar. Daraus kann geschlossen

    werden, dass das HMV auch bei Propofolgabe trotz Vasodilatation und vermehrtem

    Katecholaminverbrauch nicht stärker beeinflusst wird als bei Etomidate. Zu bedenken

    ist, dass die Patienten, welche Etomidate bekommen haben, postoperativ ein

    vermindertes Serumcortisol aufwiesen. (CAVE Nebenniereninsuffizienz) (Bendel S. et

    al. 2006).

    Midazolam

    Midazolam wird oft als Prämedikation verabreicht. Es wird in der Anästhesie bei

    elektiven Eingriffen meist nur als Prämedikation eingesetzt und wird nicht als primäres

    Narkosemittel verwendet. Die kardiovaskuläre Wirkung ist verhältnismässig gering.

    Midazolam kann einen Blutdruckabfall bewirken. Die Herzfrequenz bleibt konstant

    oder kann zunehmen. Das HMV bleibt konstant und die Myokardkontraktilität wird nicht

    beeinträchtigt. Die Füllungsdrücke können unter Midazolam abnehmen. Der

    myokardiale Sauerstoffverbrauch ändert sich entsprechend den geringen

    hämodynamischen Wirkungen nur minim. Midazolam bewirkt bei gleichzeitiger Gabe

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    19

    von Fentanyl einen stärkeren Blutdruckabfall. (Arzneimittelkompendium 2019; Larsen

    R. 2017)

    Clonidin/Dexmedetomidin

    Beide Substanzen wirken auf die Alpha2-Rezeptoren im zentralen Nervensystem.

    Während Clonidin eher als Antihypertonikum gedacht ist, wird Dexmedetomidin zu

    Sedationszwecken verabreicht. Beide Substanzen bewirken eine Sympathikolyse,

    führen zu einem Blutdruckabfall und zu Bradykardien. Dies kann auch bei

    herzinsuffizienten Patienten in verschiedenen Situationen perioperativ positiv genutzt

    werden (z.B. laparoskopische Eingriffe, Blutsperre, hoher Bedarf an Schmerzmitteln).

    (Arzneimittelkompendium 2019)

    Thiopental

    Gehört zu den Barbituraten und ist ein kurz wirkendes Anästhetikum. Es wird heute

    kaum mehr verwendet. Das Medikament hat einige ungünstige Wirkungen auf das

    Kardiale System und sollte daher bei herzkranken Patienten nicht verwendet werden.

    Thiopental führt durch Vasodilatation und venöses Pooling zur Hypotonie und wirkt

    negativ inotrop. Die Herzfrequenz nimmt zu, das Schlagvolumen nimmt ab. Das HMV

    ist entsprechend variabel und hängt von der Dosis, der Injektionsgeschwindigkeit und

    von den individuellen Reaktionen des Körpers ab. Thiopental kann zu ventrikulären

    Rhythmusstörungen führen. Respiratorische Acidose und Hyperkapnie verstärken

    diese. Der Myokardiale Sauerstoffverbrauch wird bei Herzkranken Patienten durch

    Thiopental gesteigert. Die sympathoadrenere Reaktion auf starke Stimuli wie die

    Laryngoskopie ist häufig nicht blockiert. Dies führt zu Tachykardie und Hypertonie.

    (Gautschi M. 2019; Larsen R. 2017)

    Volatile Anästhetika:

    Isofluran, Desfluran und Sevofluran haben insgesamt eine ähnliche Wirkung auf

    Herzkreislauf. Dennoch können einige Unterschiede in der Anästhesie bei

    Herzinsuffizienz eine Rolle spielen.

    Isofluran

    Die Herzkreislauffunktion wird durch Isofluran bei herzgesunden Patienten nur wenig

    gedämpft. Aufgrund der direkten vasodilatierenden Wirkung fällt der Blutdruck analog

    zur Dosierung ab. Die Herzfrequenz wird vermutlich durch zentrale Steigerung der

    Sympathikusaktivität und durch Dämpfung der zentralen parasympathischen

    Efferenzen gesteigert. Gelegentlich kann eine Tachykardie auftreten, welche sich

    durch Erhöhung der Dosis von Isofluran steigern lässt. Isofluran zeigt keine Wirkung

    auf den AV-Knoten. Das HMV bleibt bis zu einer Konzentration von 2 MAC (MAC =

    minimale alveoläre Konzentration) konstant. Verglichen mit Desfluran und Sevofluran

    soll Isofluran die geringste negativ inotrope Wirkung aufweisen. Bei herzkranken

    Patienten muss mit verstärkter Kreislaufreaktion gerechnet werden. Auf die

    Autoregulation des Koronarkreislaufes wirkt Isofluran hemmend und führt zu einer

    koronaren Vasodilatation. Dadurch werden die Koronarien vermehrt durchblutet als

    normalerweise bei gleicher Belastung nötig wäre. Dementsprechend positiv verhält

    sich die Sauerstoffkonzentration in den Koronarien. Da jedoch die Autoregulation

    gedämpft wird, ist Vorsicht geboten bei schwerer koronarer Herzkrankheit. Hier kann

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    Isofluran zu Ischämien führen und sollte deshalb nur in reduzierten Dosen verwendet

    werden. CAVE: Coronary Steal Phänomen = ST-Senkung im EKG und Laktaterhöhung

    im Blut. Durch Isofluran wird der Barorezeptorenreflex leicht gedämpft. Dem zu Folge

    reagiert die Herzfrequenz langsamer auf hämodynamische Veränderungen. Es wird

    berichtet, dass Isofluran das Myokard auf Adrenalin (endogen und exogen)

    sensibilisiert. Adrenalin soll im klinischen Alltag unter Isofluran weniger

    proarrhythmische Wirkungen zeigen. Die negativ inotrope Wirkung von Betablockern

    wird durch Isofluran verstärkt. (Larsen R. 2017; Castelli I. 2019)

    Desfluran

    Desfluran steigert die Herzfrequenz. Im Gegensatz zu Isofluran ist dieser Effekt jedoch

    Dosisabhängig. Ungefähr im selben Ausmass wie Isofluran senkt auch Desfluran den

    SVR und wirkt vasodilatierend. Zudem zeigt Desfluran eine negativ inotrope Wirkung

    aufgrund einer Abnahme des zentralen Sympathikotonus. Dies hat eine Verminderung

    des Blutdruckes zur Folge. Bei MAC >1 kann es im rechten Vorhof zu einer

    Druckerhöhung kommen. Die negativ inotrope Wirkung von Desfluran ist schwach

    ausgeprägt, da Desfluran die sympathoadrenerge Aktivität stärker aufrechterhält als

    Isofluran. Das HMV verändert sich dementsprechend nur unwesentlich. Bezüglich

    Koronardurchblutung steht auch Desfluran im Verdacht eine koronare Vasodilatation

    zu begünstigen. Derzeit liegen jedoch nur Hinweise aus Tierexperimenten vor. Die

    proarrhythmische Wirkung von Desfluran ist höher als die von Isofluran. Bei

    herzinsuffizienten Patienten muss mit verstärkter negativ inotroper Wirkung, wie auch

    mit verstärkten Blutdruckabfällen und einem Anstieg der Herzfrequenz gerechnet

    werden. Unter Desfluran kommt es zu vermehrten Myokardischämien. Daher sollte

    Desfluran bei herzkranken Patienten nur mit Vorsicht und in niedriger Dosierung

    verwendet werden, z.B. opiatreiche Narkose. (Larsen R. 2017; Castelli I. 2019)

    Sevofluran

    Die Wirkungen von Sevofluran auf die Herzkreislauffunktionen unterscheiden sich nur

    geringfügig von Isofluran und Desfluran. Auch Sevofluran weist eine vasodilatierende

    Wirkung auf, senkt den SVR und entsprechend den Blutdruck dosisabhängig. Die

    Herzfrequenz verändert sich nicht wesentlich, was vor allem für Koronariker positiv ist.

    Auf endogene und exogene Katecholamine zeigt Sevofluran nur einen geringen

    proarrhythmischen Effekt. Sevofluran wirkt dosisabhängig negativ inotrop. Bei

    gesunden Probanden konnte dieser Effekt jedoch bis zu einem MAC von 2 nicht

    nachgewiesen werden. Bezüglich Koronardilatation zeigt Sevofluran einen geringeren

    Effekt als Isofluran. Dementsprechend kommt das Coronary Steal- Phänomen seltener

    vor. Sevofluran bewirkt im Gegensatz zu Desfluran keine sympathoadrenerge

    Stimulation und führt auch bei raschem Konzentrationsanstieg nicht zu Tachykardien

    oder Hypertonien. Eher werden Blutdruckabfälle registriert.

    Volatile Anästhetika haben Einfluss auf das kardiale Reizleitungssystem. Sie können

    zu einer verminderten Aktivität des Sinusknotens führen, zu Bradykardien und AV-

    Rhythmen. Die Verminderung der Reizleitungsgeschwindigkeit kann jedoch auch zu

    Reentry-Mechanismen führen und zu gehäuften ventrikulären Extrasystolen (VES).

    (Larsen R. 2017; Castelli I. 2019)

    Vergleich der volatilen Anästhetika auf einen Blick:

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    21

    Isofluran SVR ↓↓, BD↓, HF↑ HMV↔, leichte Myocarddepression, koronarer Wiederstand↓ CAVE : Coronary Steal Phänomen, CAVE zusammen mit Betablockern additive negativ inotrope Wirkung. Sensibilisierung auf Adrenalin, jedoch weniger proarrhythmogen.

    Desfluran SVR↓, BD↓, HMV↔ bei zu rascher Erhöhung der Dosis Sympathikusstimulation möglich = HF↑, BD↑, Myokardischämie

    Sevofluran SVR↓, BD↓, HF↔, Inotropie↓, HZV nimmt wenig ab, pulmonalarterieller Druck (PAP)↓, myokardiale Freisetzung von BNP↓, Verbesserte systolische und diaytolische Funktion postischämisch Postoperativ: Freisetzung von Herzentzymen ↓ (Troponin T), verbesserte Nierenfunktion bei Bypass-Patienten postoperativ.

    Myokardiale Präkonditionierung:

    Die Myokardiale Präkonditionierung kommt aus der Herzchirurgie. Sie wird seit Jahren

    erforscht. Dabei geht es grundsätzlich darum, wie man das Herz vor der

    Myokardischämie schützen kann. In der Herzchirurgie wird die Myokardischämie durch

    das Abklemmen der Aorta verursacht. Dies setzt gewisse Mediatoren im Myokard frei,

    welche schlussendlich für eine verbesserte Erhaltung der Energie und der

    Sauerstoffreserven im Myokard sorgen. Man hat herausgefunden, dass halogenisierte

    Inhalationsanästhetika (Isofluran/Sevofluran/Desfluran) am Myokard eine ähnliche

    Wirkung entfalten können, wie das Abklemmen der Aorta. Dieselben Mediatoren

    werden an den Zellmembranen ausgeschüttet. Die pharmakologische

    Präkonditionierung des Myokards kann bei Koronarikern ausserhalb der Herzchirurgie

    einen positiven Effekt haben. (Damm M. et al. 2011)

    6.3.3 Muskelrelaxantien

    Muskelrelaxantien (MR) können eine Wirkung auf das kardiovaskuläre System zeigen

    aufgrund ihrer Wirkung auf das autonome Nervensystem wie auch durch die

    Freisetzung von Histamin. Rocuronium (Esmeron) und Atracurium (Tracrium) sind

    allgemein kardiovaskulär gut verträglich mit sehr geringen Nebenwirkungen.

    Rocuronium wie auch Atracurium können beide zu einem Anstieg der Herzfrequenz

    führen. Atracurium kann in hohen Dosen zusätzlich zu einem Blutdruckabfall führen.

    Dies geschieht durch die Ausschüttung von Histamin und kann durch langsame

    Injektionsgeschwindigkeit vermieden werden. (Larsen R. 2018)

    Succinylcholin (Lysthenon) zeigt eine Stimulation des autonomen Nervensystems über

    nikotinische cholinerge Rezeptoren des Sympathikus und Parasympathikus und

    ebenfalls durch die Stimulation muskariner Rezeptoren des Sinusknotens am Herzen.

    Dies führt häufig zu Bradykardien und zu Rhythmusstörungen. Durch den Stimulus der

    Intubation, Hyperkapnie und Hypoxie kann dieser Effekt potenziert werden. Ebenfalls

    wird durch Faszikulationen (depolarisierendes MR) Kalium aus den Skelettmuskeln

    freigesetzt, was das Auftreten von Rhythmusstörungen begünstigt. Daher wird

    normalerweise auf die Gabe von Succinylcholin bei herzkranken Patienten verzichtet.

    (Arzneimittelkompendium; Larsen R. 2018)

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    22

    Antagonisten: Zur Antagonisierung von Muskelrelaxantien wird oftmals Neostigmin

    verwendet. Es ist zu beachten, dass auch diese Substanz auf die muskarinen

    cholinergen Rezeptoren am Herzen wirkt und ebenfalls vielfältige Rhythmusstörungen

    auslösen kann. Die gleichzeitige Gabe von z.B. Atropin/Robinul kann dies verhindern

    oder abschwächen. Sugammadex zeigt hingegen keine Kardiovaskulären

    Nebenwirkungen. (Larsen R. 2018)

    6.4 Herzkreislauf wirksame Medikamente

    Einerseits ist bei hämodynamischer Instabilität der Einsatz von Katecholaminen,

    Inotropika und auch Vasodilatatoren unabdingbar. Andererseits existieren

    Nebenwirkungen, welche in jedem Fall unerwünscht sind. Die Anwendung dieser

    Medikamente bei herzinsuffizienten Patienten ist heikel und benötigt Erfahrung.

    6.4.1 Sympathomimetika

    Adrenalin

    Adrenalin wirkt auf alle Alpha- und Betarezeptoren. In Dosen von 1-2mcg/min werden

    vorwiegend die Beta1 Rezeptoren stimuliert, was zu starker positiv inotroper und

    chronotroper Wirkung führt. Dementsprechend ist mit Arrhythmien und Tachykardien

    zu rechnen. Zudem wird der myokardiale Sauerstoffverbrauch gesteigert, was bei

    Koronarikern ungünstig ist. In Dosen von 2-10mcg/min werden Alpha- und

    Betarezeptoren stimuliert. In Dosen über 10mcg/min überwiegt die Alpha-1 Stimulation

    und führt konsekutiv zu einer Vasokonstriktion mit Minderdurchblutung peripherer

    Organe. Adrenalin wird zudem in der Reanimation 1mg-weise verwendet und auch bei

    anaphylaktischen Reaktionen zur Mastzellstabilisierung. Die Anwendung von

    Adrenalin wurde aufgrund seiner starken unerwünschten Wirkungen weitgehend von

    Dobutamin abgelöst. (Arzneimittelkompendium 2019; Marino P. 2017)

    Noradrenalin

    Noradrenalin wirkt wie Adrenalin auf Alpha1- und 2-Rezeptoren, wie auch auf Beta1-

    und 2-Rezeptoren. Es wird vorwiegend als potenter Vasokonstriktor verwendet, da die

    Alpha 1 Stimulation eine überragende Wirkung zeigt. Die Indikation für Noradrenalin

    ist gestellt, wenn eine Hypotonie mit der Gefahr der Minderdurchblutung des Myokards

    und des Gehirns vorliegt. Noradrenalin wirkt weniger proarrhythmisch als Adrenalin,

    da die starke Vasokonstriktion und damit verbundene Nachlasterhöhung oft eine

    Bradykardie zur Folge hat. Durch die Stimulation der Beta1-Rezeptoren wird durch

    Noradrenalin ebenfalls die Inotropie gesteigert. Daraus resultiert ein erhöhter

    Sauerstoffbedarf des Myokards. Zudem besitzt Noradrenalin die ungünstige

    Nebenwirkung der Splanchnikus- und Nieren-Minderdurchblutung. Durch die Gabe

    von Noradrenalin wird auch die Haut weniger perfundiert, was die Gefahr von

    Druckstellen massiv steigert. (Arzneimittelkompendium 2019; Marino P. 2017; Larsen

    R. 2017)

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    23

    Ephedrin

    Ephedrin ist ein indirektes Sympathikomimetikum. Es stimuliert die Freisetzung von

    Noradrenalin aus den Nervenendigungen und erzeugt auf diesem Wege dieselben

    Wirkungen und Nebenwirkungen wie Noradrenalin. Zu beachten ist dabei, dass nach

    50mg (entspricht einer Ampulle) keine Wirkung mehr eintritt, da die körpereigenen

    Noradrenalinspeicher leer sind. Des Weiteren muss bedacht werden, dass die Gabe

    von Ephedrin bei gleichzeitiger Gabe von Noradrenalin nicht sinnvoll ist. Die Wirkung

    von Noradrenalin kann dadurch massiv potenziert werden und führt zu enorm

    hypertensiven Zuständen. Bei Herzinsuffizienten Patienten kann dies zur

    Dekompensation führen! (Arzneimittelkompendium 2019)

    Phenylephrin

    Phenylephrin ist ein selektiver Alpha-1 Stimulator und führt zur peripheren

    Vasokonstriktion ohne Herzfrequenzerhöhung. Oftmals ist sogar eine Senkung der

    Herzfrequenz die Folge (Reflexbradykardie). Phenylephrin wird bei hypotonen

    Zuständen verabreicht. Aufgrund der Eigenschaft am Herzen den Afterload zu erhöhen

    ist man bisher davon ausgegangen, dass Phenylephrin das HMV senkt. Allerdings gibt

    es darüber prospektive Studien, welche aussagen, dass Phenylephrin aufgrund der

    Vasokonstriktion der Kapazitätsgefässe eine Steigerung des Preloads zur Folge hat.

    Daher kann Phenylephrin einen positiven Effekt auf das HMV haben, ohne jedoch die

    Herzfrequenz zu steigern. Dies würde bedeuten, dass dabei auch der myokardiale

    Sauerstoffverbrauch nicht steigen würde. (Kalmar A.F., Allaert S., Pletinckx P., et al.

    2018) Phenylephrin ist Mittel der Wahl bei Patienten, die durch Tachykardien

    dekompensieren würden. Beispielsweise bei diagnostizierter Aortenstenose. (Frey C.

    2019)

    6.4.2 Inotropika

    Dobutamin

    Dobutamin wirkt vorwiegend Beta1-Stimulierend und somit positiv inotrop und positiv

    chronotrop. Es hat zudem peripher einen vasodilatierenden Effekt. Dobutamin steigert

    das Herzminutenvolumen und senkt die Nachlast. Es kann zu Tachykardien,

    Arrhythmien und zu Blutdruckabfällen kommen. Konsekutiv steigert Dobutamin den

    myokardialen Sauerstoffverbrauch, was myokardiale Ischämien begünstigt.

    Dobutamin darf nur kurzzeitig bei Herzinsuffizienz angewandt werden, da es bei

    längerer Anwendung das Outcome der Patienten verschlechtert. Zudem muss darauf

    geachtet werden, dass der Patient eine Normovolämie aufweist, um Blutdruckabfälle

    zu minimieren. (Larsen R. 2018; Heringlake M. & Paarmann H. 2015)

    Im Gegensatz zu Dobutamin wirken Milrinon und Levosimendan nicht über die

    Betarezeptoren. Dies ist ein Vorteil, da aufgrund der kompensatorischen

    Downregulation der Betarezeptoren bei Herzinsuffizienz das HMV durch Dobutamin

    kaum gesteigert werden kann.

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    24

    Levosimendan

    Levosimendan ist ein Calcium-Sensitizer. Es erhöht die Calciumsensitivität des

    Myokards, wirkt positiv inotrop, senkt die Nachlast und die Vorlast. Zudem weist

    Levosimendan ebenfalls die untenstehenden Wirkungen der PDE-3-Inhibitoren auf.

    Phosphodiesterase-3-Inhibitoren (=PDE3-Inhibitor, Milrinon)

    PDE-3-Inhibitoren wirken ebenfalls positiv inotrop und senken Vor- und Nachlast. Die

    Wirkung beruht auf der Hemmung des Abbaus von cAMP(cyklisches

    Adenosinmonophosphat). Dadurch werden Calciumkanäle aktiviert, was zur

    Steigerung der Kontraktilität führt.

    Hauptnebenwirkungen beider Substanzen sind Tachykardie, Hypotonie, Hypokaliämie

    und Nierenfunktionsstörungen.

    (Kresoja K.P. et al. 2017)

    6.4.3 Blutdrucksenkung

    Nitroglycerin

    Nitroglycerin bewirkt durch Ausschüttung von NO (Stickstoffmonooxid) in den

    Endothelzellen eine Vasodilatation. In tieferen Dosen unter 50mcg/min betrifft die

    Vasodilatation vor allem Venen. In höheren Dosen werden auch Arterien dilatiert. Es

    wird sowohl die Vorlast, als auch die Nachlast gesenkt. Die kardialen Füllungsdrücke

    werden vermindert und die Auswurfleistung des Herzens kann dadurch gesteigert

    werden. Kontraindiziert ist Nitroglycerin bei Hypovolämie und bei

    Rechtsherzinsuffizienz. Aufgrund der Vorlastsenkung kann es bei diesen Patienten zu

    hypotonen Zuständen kommen. Nitroglycerin erhöht zudem den intrakraniellen

    Blutfluss und kann konsekutiv den intrakraniellen Druck erhöhen. In den pulmonalen

    Gefässen bewirkt Nitroglycerin ebenfalls eine Vasodilatation, was zu vermehrter

    Shunt-Bildung führt. (Arzneimittelkompendium 2019; Marino P. 2017)

    Ebrantil

    Ebrantil bewirkt über die Blockade der Alpha1-Rezeptoren, wie auch über eine zentrale

    Sympathikus-Blockierung im Gefässsystem eine Vasodilatation und senkt die

    Nachlast. Nebenwirkungen sind bei zu rascher Senkung des Blutdrucks vor allem

    Tachykardien. Dies birgt die Gefahr von Myokardischämien und Rhythmusstörungen.

    Zudem kann Ebrantil zu Orthostasen führen. (Arzneimittelkompendium 2019)

    6.4.4 Betablocker

    Herzinsuffiziente Patienten sind oft betablockiert. Ziel der Betablocker-Gabe ist, die

    Herzfrequenz zu senken, die diastolische Füllungsphase zu verlängern und die

    Inotropie zu vermindern. Daraus resultiert eine Senkung des myokardialen

    Sauerstoffverbrauchs. Intraoperativ kann die Gabe von Betablockern indiziert sein bei

    Tachykardien/Tachyarrhythmien. Zu bedenken ist, dass Hypovolämie, Stress,

    Schmerzen, usw. ebenfalls zu Tachykardien führen können. Diese Ursachen sind vor

    der Verwendung von Betablockern auszuschliessen. Laut den aktuellen ESC-

    Guidelines 2014 soll die Therapie mit Betablockern für eine bevorstehende Operation

    nicht pausiert werden. (Kristensen S.D. et al. 2014)

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    25

    6.5 Wahl des Anästhesieverfahrens

    Die Wahl zwischen den verschiedenen Anästhesieverfahren stellt sich grundsätzlich

    als sekundär heraus, solange die Herzinsuffizienz kompensiert ist und kein massives

    Risiko besteht. Wichtig ist, dass die genaue Herzfunktion bekannt ist, und somit

    mögliche Komplikationen vermieden werden können. Alle Anästhetika haben

    prinzipiell einen vasodilatierenden und sympathikolythischen Effekt.

    Dementsprechend führen sie zu einer Vasodilatation und konsekutiv zu einer

    Hypotonie. Dies kann wiederum kompensatorische Tachykardien auslösen. Wichtig

    ist, dass man darauf gefasst ist und vorher klare Vorgehensweisen festlegt.

    Hypotonien und Hypertonien, Hypothermie, wie auch Brady- und Tachykardien gilt es

    zu vermeiden, respektive sofort zu behandeln. Dies gilt auch in Bezug auf alle

    sympathikusstimulierende Ereignisse intraoperativ. Dazu gehören Schmerzen, Stress,

    Angst, Umlagern, Husten/Pressen, Pneumoperitoneum, etc. Intraoperative Hypotonie

    unter einem arteriellen Mitteldruck von 65mmHg führt vermehrt zu Myokardischämien

    und prärenaler Niereninsuffizienz. (Salmasi V. et al. 2017; Kristensen S.D. et al. 2014)

    In verschiedenen Fachzeitschriften wird eine Metaanalyse vom 2013 zitiert, welche

    Studien bei herzchirurgischen Eingriffen zusammenfasst. In dieser Metaanalyse stellte

    sich heraus, dass Patienten, welche mit einem volatilen Anästhetikum während einer

    herzchirurgischen Operation narkotisiert wurden, eine signifikant tiefere Morbidität und

    Mortalität postoperativ aufwiesen, verglichen mit Patienten, welche bei denselben

    Eingriffen mit Propofol geschlafen haben. Daraus könnte man ableiten, dass die

    Verwendung eines volatilen Anästhetikums bei herzkranken Patienten auch bei nicht-

    herzchirurgischen Eingriffen von Vorteil sein kann. Zudem wirken volatile Anästhetika

    kardioprotektiv. Trotzdem scheint die Evidenz diesbezüglich dünn und muss noch

    weiter erforscht werden. (Landoni G. et al. 2013)

    Bei schwer herzkranken Patienten mit einem stark erhöhten Risiko wird teilweise

    empfohlen, zur Einleitung Etomidate anstelle von Propofol zu verwenden. Auch hier

    fehlt die eindeutige Evidenz. Etomidate hat den Vorteil, dass es geringere

    hämodynamische Wirkungen aufweist als Propofol. (siehe Seite 14). Der Nachteil ist,

    dass Patienten unter Etomidate oftmals während der Intubation mit Blutdruck- und

    Herzfrequenz-Anstieg reagieren bei zu wenig hoher Fentanyl-Gabe. Dies ist vor allem

    für Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz sehr gefährlich und kann zu einer

    Dekompensation führen. (Larsen R. 2017)

    Je nach Operation kann eine Regionalanästhesie, Spinalanästhesie oder

    Epiduralanästhesie von Vorteil sein, sofern keine Kontraindikationen (z.B.

    Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmer) vorhanden sind. Dies wird

    grundsätzlich empfohlen, obwohl laut den ESC-Guidelines 2014 das Outcome

    bezüglich kardialen Risiken nicht genügend erforscht ist. Insgesamt weisen Patienten

    nach Spinalanästhesie/Epiduralanästhesie eine tiefere Morbidität und Mortalität auf.

    Bei Spinal- und Epiduralanästhesie wird der sympathikusstimulierende Schmerzreiz

    ausgeschaltet und zudem die Nachlast gesenkt, was für das insuffiziente Herz

    meistens einen positiven Effekt hat. Die Vorlast wird jedoch ebenfalls minimiert, was

    zu einem verminderten HMV und zur Minderperfusion peripherer Organe führen kann.

    Entsprechend ist auf eine gute Vorlast zu achten. (Loick H.M. & Zobel C. 2017;

    Kristensen S.D. et al. 2014)

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    26

    6.6 Zielorientierte Therapie intraoperativ

    Bei Patienten mit Herzinsuffizienz muss die Infusionstherapie in jedem Fall

    zielorientiert sein. Laut den ESC-Guidelines von 2014 kann die Zielorientierung

    anhand verschiedener Parameter stattfinden wie HF, BD, PPV, TTE, TEE. Die

    Verwendung von Transdilutionsverfahren/Pulskonturanalyse (z.B. Lidco, Picco,

    Pulmonaliskatheter) zur Messung von SVV, HMV, SV, SVR etc. wird empfohlen. Die

    Verwendung des Pulmonaliskatheter wurde in den letzten Jahren weitgehend von

    weniger invasiven Verfahren abgelöst. PPV und SVV sind sensitive Parameter

    bezüglich Volumenstatus. Eine SVV oder PPV >10% spricht für eine Volumengabe.

    Die Verwendung ist auf den Sinusrhythmus und kontrollierte Beatmung beschränkt. In

    jedem Fall soll bei Anzeichen einer Hypovolämie die Flüssigkeit bolusweise appliziert

    werden, unter Beobachtung der jeweiligen Reaktion des Herzkreislaufsystems.

    Beispielsweise wenn unter der Applikation von Volumen der Blutdruck steigt, die

    Herzfrequenz sinkt, SV und HMV steigen, der PPV/SVV sinkt, ist ein Volumenbedarf

    vorhanden. Man spricht auch von «Volumenreagibilität». Kumulativ zeigt die Evidenz

    deutlich, dass sich eine zielorientierte Volumentherapie unter Anwendung von

    Volumenprotokollen positiv auf die postoperative Mortalität und Morbidität auswirkt.

    (Kristensen S.D. et al. 2014)

    Bei herzinsuffizienten Patienten ist ein fragiles Gleichgewicht zwischen Preload und

    Inotropie vorhanden. Dies gilt es zu wahren. Von Vorteil dafür ist genaueres Wissen

    darüber, welche Art Herzinsuffizienz vorhanden ist:

    Diastolische HI (linksventrikulär): «Steifer» Ventrikel profitiert von adäquater

    Vorfüllung/Vordehnung, um den bestmöglichen Auswurf zu generieren. Eine

    Hypervolämie ist strikte zu vermeiden, da diese ebenfalls zu rascher Dekompensation

    und konsekutiv zum Lungenödem führen kann. Patienten mit diastolischer HI verfügen

    über einen schmalen Grat zwischen Hyper- und Hypovolämie. Die Herzfrequenz soll

    im niedrig-normalen Bereich gehalten werden um die Zeit der Diastole zu verlängern

    (= bessere Vorfüllung). Ein Verlust des Sinusrhythmus ist zu vermeiden. Eine

    Erhöhung der Nachlast muss unbedingt vermieden werden; Blutdruckspitzen

    vermeiden! Diese Patienten neigen zur Bildung eines Lungenödems bei

    Nachlasterhöhung. In diesem Fall sollte das Lungenödem mittels Nachlastsenkung

    behandelt werden und nicht mittels Diuretikatherapie (verschlechtert Outcome).

    (Heringlake M. & Paarmann H. 2015; Heschl, S. 2014)

    Systolische HI (linksventrikulär): Hier ist der Ventrikel dilatiert und kann aufgrund der

    Dilatation keinen suffizienten Auswurf mehr generieren. Diese Art der Herzinsuffizienz

    benötigt einerseits aufgrund der Dilatation eine genügende Vorfüllung, darf aber unter

    keinen Umständen noch mehr dilatiert werden. Bei Anzeichen von Low Output (HMV↓,

    SV↓) muss hier vor allem an positiv inotrope Substanzen gedacht werden. Diverse

    Studien haben jedoch gezeigt, dass die Gabe von Inotropika mit einer erhöhten

    Mortalität einhergeht. Die Gabe von Levosimendan hingegen senkt die Mortalität (bei

    Herzchirurgischen Eingriffen). Trotz hohen Kosten kann deshalb die Gabe von

    Levosimendan bei Bedarf an Inotropika intraoperativ bei nicht kardiochirurgischen

    Eingriffen gerechtfertigt sein. (Heringlake M. & Paarmann H. 2015)

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    27

    Rechtsherzinsuffizienz: Zu bedenken ist, dass intraoperativ eine akute

    Rechtsherzbelastung auch infolge einer Erhöhung des Intraabdominellen Drucks bei

    laparoskopischen Eingriffen, durch Atelektasen oder durch Überdruckbeatmung

    erfolgen kann. Blähen, Hypoxie und Hyperkapnie können zu einer rechtsventrikulären

    Nachlasterhöhung führen. Der PEEP ist auf einen eher niedrigeren Wert einzustellen.

    Atelektasen sollen damit verhindert werden. Ein zu hoher PEEP würde den PVR

    erhöhen. Da die rechte Koronararterie nicht nur in der Diastole, sondern auch in der

    Systole durchblutet wird, ist der MAP über 60mmHg zu halten. Dies kann nach

    Ausschluss einer Hypovolämie mit der Gabe von Noradrenalin erreicht werden. Bei

    sehr hohem Noradrenalinbedarf ist die Applikation von Vasopressin in Erwägung zu

    ziehen. Vasopressin bewirkt im Gegensatz zu Noradrenalin keine Vasokonstriktion

    pulmonaler Gefässe und hat einen positiven Effekt auf das Outcome. (Heringlake M.

    & Paarmann H. 2015)

    Aortenklappen-/Mitralklappenstenose: Preload Optimieren, Sinusrhythmus erhalten.

    Dies verbessert den sogenannten Atrialen Kick, welcher bei einer

    Aortenklappenstenose bis zu 40% für das Schlagvolumen verantwortlich ist.

    Tachykardie ist unbedingt zu vermeiden. Dies verschlechtert die atriale Vorfüllung,

    wodurch das Schlagvolumen sinkt. Konsekutiv sinkt die koronare Durchblutung.

    Demnach ist Vorsicht geboten bei der Gabe von Ephedrin, Ketamin und anderen

    Medikamenten welche eine Tachykardie hervorrufen können. Wenn nötig können

    Betablocker zur Frequenzkontrolle verabreicht werden. Die Verminderung der

    Nachlast bringt bei diesen Patienten nicht den gewünschten Effekt aufgrund der

    Stenose. Zudem würde durch Nachlastsenkung der diastolische Aortendruck gesenkt.

    Hierdurch sinkt die Koronardurchblutung und es kommt zur Koronarischämie. In

    diesem Zusammenhang ist auf eine hohe Spinalanästhesie zu verzichten, da diese

    eine rasche Sympathikolyse herbeiruft, Vor- und Nachlast senkt und somit zu einer

    Hypotonie und zur koronaren Minderperfusion führt. (Sperl K. 2018; Loick H.M. &

    ZobelC. 2017)

    Aortenklappen-/Mitralklappeninsuffizienz: Eine Klappeninsuffizienz führt zu

    Pendelvolumen und damit zu einer Volumenbelastung. Die Volumenbelastung des

    linken Ventrikels kann sich bis in die Pulmonalgefässe (Lungenödem) und in das

    rechte Herz (Dilatation) ausweiten. Die Vorlast soll optimiert, jedoch eher weniger

    Volumen verabreicht werden als bei Klappenstenosen. Die Volumenbelastung führt

    zur weiteren Dilatation der Ventrikel und zu einer Abnahme des HMV und des SV. Die

    Herzfrequenz soll eher im höheren Bereich gehalten werden. Diese Patienten

    profitieren nicht explizit vom Sinusrhythmus. Durch eine erhöhte HF wird das

    Pendelvolumen vermindert. die Dauer der Diastole ist kürzer, wodurch weniger

    zusätzliches Volumen den Ventrikel belasten kann. Ein Anstieg der Nachlast ist

    unbedingt zu vermeiden da dies das Schlagvolumen massgeblich beeinträchtigt.

    Gegebenenfalls kann eine Nachlastsenkung hilfreich sein, wie auch die Verwendung

    von positiv inotropen Substanzen. (Sperl K. 2018; Loick H.M. & Zobel C. 2017)

    Pulmonalklappen-/Trikuspidalklappenstenose: Wie auch bei Stenosen der linken

    Herzhälfte ist hier eine gute Vorlast obligat. Die Herzfrequenz ist eher im tief-normalen

    Bereich zu halten, um die Diastole zu verlängern und so eine verbesserte Vorfüllung

    zu gewährleisten. Die Senkung des pulmonalen Gefässwiderstandes ist nicht indiziert

    und führt zu einer verschlechterten Koronardurchblutung. (Sperl K. 2018)

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    28

    Pulmonalklappen-/ Trikuspidalklappeninsuffizienz: Wie bei den Klappen der linken

    Herzhälfte führen diese aufgrund von Pendelvolumen zu einer Volumenüberladung der

    Vorhöfe/Ventrikel. Dadurch dilatiert das rechte Herz. Ein pulmonalarterieller

    Blutdruckanstieg ist unbedingt zu vermeiden. Gegebenenfalls können Diuretika zur

    Optimierung der Volumina indiziert sein. Auch eine medikamentöse Senkung des

    pulmonalarteriellen Blutdruckes kann indiziert sein (z.B. mittels Ilomedin). Um die

    Regurgitation zu minimieren ist es von Vorteil, die HF eher erhöht zu halten. (Larsen

    R. 2017)

    Zur gezielten Volumen- und Inotropika-Therapie existieren verschiedene Algorithmen

    (siehe Abbildung). Diese können als Gedankenstütze verwendet werden. In der

    anästhesiologischen Betreuung ist jedoch der kritische Blick für die Gesamtsituation

    unabdingbar. (Haas S.A. et al. 2015)

    (Abb.5 Haas S.A., Saugel B., Trepte C.J. et al. (2015). S.502)

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    29

    Folgende vier Fragen können beim Therapieentscheid hilfreich sein:

    • Ist die Oxygenation des Gewebes gut? (Wie ist das Laktat und die

    zentralvenöse Sättigung?)

    • Wie kann das HMV verbessert werden? (Volumenreagibilität? Inotropika?)

    • Ist der Vasotonus normal/zu tief/zu hoch? (Vasopressoren? Vasodilatatoren?)

    • Kann das Herz wieder ein normales Schlagvolumen generieren, wenn der

    Blutdruck wieder im Normbereich ist? (Herzfunktion?)

    (Strunden M.S. et al. 2011)

    6.7 Erkennen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz intraoperativ

    Intraoperativ ist eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz nicht immer problemlos zu

    erkennen. Die Symptome sind unspezifisch und können aus anderen Gründen

    auftreten. Zudem werden nicht alle Patienten mit invasivem Monitoring ausgestattet.

    Oftmals hat man nur ein Basis-Monitoring mit nichtinvasivem Blutdruck, EKG, SpO2-

    Sensor und etCO2. Bei grösseren oder längeren Operationen, wie auch bei Patienten

    mit erhöhtem Risiko, wird das Monitoring auf eine Arterie und eventuell auf einen

    zentralvenösen Katheter (ZVK) ausgeweitet. Bei angelegter arterieller Kanüle kann

    man sich überlegen, ob ein Transdilutionsverfahren (z.B. LiDCO) angebracht wäre.

    Dies würde die Messung von HMV, SV, SVR, SVV und weiteren Parametern

    ermöglichen, was wertvolle Informationen über die Herzfunktion liefern kann. Auch ein

    ZVK kann in der Diagnostik hilfreich sein. Er ermöglicht das Messen des zentralen

    Venendruckes und der zentralvenösen Sättigung. In jedem Fall ist bei

    herzinsuffizienten Patienten ein besonderes Augenmerk auf folgende Symptome zu

    legen:

    • Nachlassende Diurese

    • Kontinuierlicher etCO2-Abfall

    • Verschlechterung der peripheren Durchblutung (Rekap-Zeit, Marmorierung,

    kühle und/oder schweissige Haut)

    • Kontinuierliche Verschlechterung des Gasaustausches, die nicht auf

    Rekrutierungsmanöver ansprechen

    • Inadäquater Anstieg des Blutdruckes auf Volumenboli bei objektiver

    Hypovolämie durch Blutverlust

    • Kontinuierlicher Anstieg der HF, tachykarde Herzrhythmusstörungen

    • Halsvenenstauung

    Objektive Zeichen einer systemischen Perfusionsstörung:

    • MAP< 60mmHg

    • Zentralvenöse Sauerstoffsättigung (ScvO2)< 60%

    • Laktat >2mmol/l

    • Schlagvolumenindex

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    Herzfunktion beurteilt werden. Die Therapie richtet sich nach dem Befund. (Grünewald

    M. 2015; Heringlake M. & Paarmann H. 2015; Larsen R. 2017)

    7. Schlussteil

    7.1 Beantwortung der Fragestellung und Schlussfolgerungen

    7.1.1 Allgemeine Erkenntnisse zur optimalen anästhesiologischen

    Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz

    Die optimale anästhesiologische Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz ist sehr

    individuell. Voraussetzung dafür ist die genaue Kenntnis über die aktuelle Herzfunktion

    des Patienten. Präoperativ sollten dementsprechend kardiologische

    Voruntersuchungen erfolgt sein. Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes sind

    Kenntnisse über pathophysiologische Zusammenhänge der Herzinsuffizienz für eine

    optimale Betreuung unabdingbar. Durch genaues betrachten des

    Prämedikationsblattes kann eruiert werden, um welche Art Herzinsuffizienz es sich

    handelt, sofern das Prämedikationsblatt detailliert ausgefüllt wurde. Erkrankungen wie

    Hypertonie, Diabetes mellitus, Adipositas, etc. können Hinweise auf eine mögliche

    kardiale Einschränkung geben. Hier ist es sinnvoll, mit vermehrter Instabilität aufgrund

    der Narkosemittel zu rechnen. Somit kann eine passende Vorgehensweise festgelegt

    werden. Diese sollte folgende Punkte beinhalten:

    • Medikamentöse Einleitung (Propofol versus Etomidate versus Dormicum)

    • Aufrechterhaltung der Narkose (Propofol versus volatile Anästhetika?)

    • Volumenmanagement; Benötigt das Herz eher eine gute Vorlast? Aktueller

    Volumenstatus? Wie eruiere ich den Volumenstatus intraoperativ?

    • Katecholamine; welche sind geeignet, welche sind kontraindiziert?

    • Monitoring (Basis-Monitoring, Arterie? LiDCO? ZVK?)

    • Zugänge (Wie viele? Lumengrösse? ZVK?)

    Oberstes Gebot für die Anästhesie ist die Aufrechterhaltung einer suffizienten

    Organperfusion. Diese lässt sich von der Wahl des Anästhesieverfahrens nur bedingt

    beeinflussen. Aus diesem Grund wird die Wahl des Anästhesieverfahrens bei

    kompensierter Herzinsuffizienz als sekundär beschrieben. Isofluran und Sevofluran

    eignen sich grundsätzlich zur Anästhesie von Herzkranken Patienten aufgrund ihrer

    kardioprotektiven Wirkung. Sind Gründe Vorhanden, welche gegen die Verwendung

    von Isofluran oder Sevofluran sprechen (z.B. bekannte postoperative Übelkeit), kann

    auch Propofol verwendet werden. Zu bedenken ist, dass Patienten unter Propofol

    einen erhöhten Bedarf an Katecholaminen aufweisen. Katecholamine bergen die

    Gefahr von Tachykardien, Arrhythmien und erhöhen meist den myokardialen

    Sauerstoffverbrauch.

    Bei schwerer Herzinsuffizienz wird die balancierte Anästhesie aufgrund der

    kardioprotektiven Wirkung empfohlen. Die eindeutige Evidenz dadurch ein

    verbessertes Outcome zu erlangen bei nicht kardiochirurgischen Eingriffen ist jedoch

    dünn. Etomidate ist das Mittel der Wahl zur Einleitung bei schwer herzkranken

    Patienten. Da die sympathoadrenergen Reflexe nicht vollständig unterdrückt werden,

    kommt es selten zu signifikanten hämodynamischen Veränderungen unter Etomidate.

    Es muss jedoch genügend Analgesie (z.B. Fentanyl) zusätzlich appliziert werden, um

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    31

    drohende Hypertonien und Tachykardien beim Intubationsreiz zu vermeiden. Auch

    Propofol kann zur Einleitung verabreicht werden, obwohl die hämodynamischen

    Auswirkungen stärker ausfallen als bei Etomidate.

    Die Vitalparameter sind normwertig zu halten und Abweichungen müssen rasch

    therapiert werden. Hypertonie, Hypotonie, Tachykardie, Bradykardie und Hypothermie

    sind zu vermeiden und nötigenfalls aggressiv zu behandeln.

    Das Gleichgewicht der Vorlast und des darauffolgenden Schlagvolumens ist möglichst

    stabil zu halten. Der Volumenbedarf wird grundsätzlich bolusweise auftitriert und auf

    die aktuellen Werte des Patienten abgestimmt. Nach jeder Volumengabe sollte eine

    Reevaluation der Situation stattfinden um Hyper- oder Hypovolämie zu vermeiden. Ein

    klar definierter Standard bezüglich Volumenmanagement senkt nachweislich die

    postoperative Morbidität und Mortalität.

    Die Entscheidung, welches Monitoring verwendet wird, ist sehr individuell und liegt im

    Auge des Betrachters. Grundsätzlich wird bei Patienten mit schwerer kardialer

    Vorbelastung ein invasives Monitoring mittels arterieller Blutdruckmessung,

    LiDCO/PICCO, ZVD/ZVK und evtl. TEE/TTE empfohlen. Durch die arterielle

    Blutdruckmessung kann unmittelbar auf Veränderungen des Blutdruckes reagiert

    werden. Die Arterienkurve kann Hinweise auf die Volämie geben (z.B. Pulsus

    Alternans, spitze Kurve). Der PPV ist ein sensitiver Parameter bezüglich Volämie bei

    kontrolliert beatmeten Patienten im Sinusrhythmus. Die arterielle Kanüle bietet zudem

    die Option das LiDCO zu installieren, um HMV, SV, SVV etc. zu messen. Dadurch

    kann man sich einen differenzierten Überblick über die Kreislaufsituation verschaffen

    und Gründe für eine systemische Minderperfusion eruieren. Der ZVK bietet die

    Möglichkeit zur Messung der ScvO2. Diese kann wertvolle Hinweise auf eine

    systemische Minderperfusion geben. Eine zu tiefe ScvO2 weist bei normalem HB und

    normaler Oxygenation auf ein zu tiefes HMV hin. Zudem können über den ZVK höhere

    Dosen an Katecholaminen zentral verabreicht werden. Die Beurteilung der

    Kreislaufsituation kann auch pflegerisch erfolgen, in dem der Patient klinisch beurteilt

    wird: Marmorierungen, Kaltschweissigkeit, Venenfüllung, gestaute V. Jugularis und

    verlängerte Rekap- Zeit können Hinweise auf die Hämodynamik des Patienten geben.

    Des Weiteren ist die Diurese bei liegendem Blasenkatheter ein Hinweis auf die

    Durchblutung der Niere. Eine regelmässige Beurteilung der Situation und Reevaluation

    nach jeder Massnahme ist unabdingbar.

    Bei Verdacht auf Minderperfusion und Verschlechterung des Zustandes intraoperativ

    wird empfohlen, die Gründe dafür mittels TTE oder TEE zu suchen.

    7.1.2 Spezielle Erkenntnisse zur medikamentösen Therapie

    Herzinsuffiziente Patienten reagieren allgemein empfindlicher auf Anästhetika. Daher

    sollte die Dosis und die Injektionsgeschwindigkeit angepasst werden. Es ist von

    Vorteil, wenn man sich für schwer kranke Patienten etwas mehr Zeit nimmt,

    Medikamente langsam auftitriert und dadurch eine stabilere und ruhigere Einleitung

    gewährleisten kann. Die meisten Medikamente können bei Herzinsuffizienten

    Patienten verwendet werden. Einige bergen jedoch Gefahren, denen man sich

    bewusst sein sollte:

  • Diplomarbeit Julia Rohrbach Anästhesie Kantonsspital Aarau

    32

    Etomidate: Führt bei zu geringem Fentanylbolus zu Tachykardie und Hypertonie.

    Ketamin: Sollte bei manifester Herzinsuffizienz und bei KHK wegen möglicher

    Tachykardie und Hypertonie nicht verwendet werden. Es steigert den myokardialen

    Sauerstoffverbrauch.

    Ephedrin: Patienten mit Aortenklappenstenose reagieren sehr empfindlich auf

    Tachykardie. Vorsicht also mit alltäglichen Mitteln wie Ephedrin (Beta-1-Stimulation).

    Bei Aortenklappenstenose kann die Gabe von Phenylephrin bei tiefem Blutdruck

    indiziert sein.

    Katecholamine allgemein: Patienten mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz reagieren

    sehr empfindlich auf Erhöhung der Nachlast. Unkontrollierter Blutdruckanstieg ist zu

    vermeiden. Katecholamine erhöhen den myokardialen O2-Verbrauch.

    Dobutamin: Kann möglicherweise die Inotropie bei Herzinsuffizienten Patienten nur

    ungenügend steigern aufgrund der Downregulation der Betarezeptoren. Mittel der

    Wahl: Levosimendan/PDE-3-Inhibitoren

    7.1.3. Fazit für die eigene Praxis:

    Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es kein einstimmiges Rezept gibt für Patienten mit

    Herzinsuffizienz. Trotzdem habe ich durch das Schreiben dieser Arbeit wertvolle

    Erkenntnisse gewonnen, welche ich in die alltägliche Arbeit einfliessen lasse. Die

    Betreuung von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz fällt mir leichter und ist