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DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „Friedl Dicker-Brandeis Bauhausschülerin, Malerin, Pädagogin“ Verfasserin Katrin Fritzsch angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. Phil.) Wien, 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 315 Studienrichtung lt. Studienblatt: Kunstgeschichte Betreuerin / Betreuer: Ao. Prof. Dr. Martina Pippal

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DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit

„Friedl Dicker-Brandeis

Bauhausschülerin, Malerin, Pädagogin“

Verfasserin

Katrin Fritzsch

angestrebter akademischer Grad

Magistra der Philosophie (Mag. Phil.)

Wien, 2010

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 315

Studienrichtung lt. Studienblatt: Kunstgeschichte

Betreuerin / Betreuer: Ao. Prof. Dr. Martina Pippal

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zu einem gelingen der vorliegenden Arbeit

beigetragen haben. Der größte Dank gilt meinen Eltern, die mich während des gesamten

Studiums aufopferungsvoll unterstützt haben, auch wenn dies in den letzten Jahren nur aus

der Ferne möglich war. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Danken möchte ich auch

meinem Freund, der mir während der Phase des Recherchierens und Schreibens immer

beistand. Ein besonderer Dank gilt auch meiner Betreuerin Prof. Dr. Martina Pippal, die mich,

nachdem ich lange Zeit nach einem passenden Thema gesucht habe, auf Friedl Dicker-

Brandeis aufmerksam machte. Auch sie stand mir immer mit ihrem Rat zu Seite.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Friedl Dicker-Brandeis – zwischen Tradition und Emanzipation.... 3 1.1. Forschungsstand .................................................................................................... 3 1.2. Fragestellung ......................................................................................................... 4

2. Friedl Dicker-Brandeis – Frau und Künstlerin....................................................... 5 2.1. kurze Biographie ................................................................................................... 5 2.2. Künstlerin und Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts............................................ 8

2.2.1. Die Künstlerin um die Jahrhundertwende ...................................................... 8 2.2.2. Die Rolle der Frau am Bauhaus...................................................................... 9 2.2.3. Friedl Dicker am Bauhaus - die gelehrige und anerkannte Schülerin ......... 11

3. Das malerische Oeuvre Friedl Dicker-Brandeis’ von 1919 bis 1944 .................. 13 3.1. Friedl Dickers Zeit am Staatlichen Bauhaus Weimar ......................................... 13

3.1.1. Die Bauhaus-Meister und ihre Lehren und Theorien ................................... 14 3.1.1.1. Johannes Itten (1888 - 1967) ............................................................... 14 3.1.1.2. Wassily Kandinsky (1866 – 1944) ..................................................... 18 3.1.1.3. Paul Klee (1879 – 1940) ...................................................................... 21

3.1.2. eventuelle weitere Einflüsse während Friedl Dickers Zeit am Bauhaus ...... 24 3.1.2.1. Lyonel Feininger (1871 – 1956) .......................................................... 24 3.1.2.2. Oskar Schlemmer (1888 – 1943) ........................................................ 25 3.1.2.3. Georg Muche (1895 - 1987)................................................................. 27 3.1.2.4. Fernand Léger (1881 – 1955) .............................................................. 27 3.1.2.5. Konstruktivismus und russische Avantgarde ................................... 28

3.1.3. Das Werk ...................................................................................................... 29 3.1.3.1.Porträts .................................................................................................. 30 3.1.3.2.Landschaften......................................................................................... 31 3.1.3.3.Studien ................................................................................................... 31 3.1.3.4. weitere Werke am Bauhaus ................................................................ 37

3.2. Prag und Hronov.................................................................................................. 45 3.2.1. Eventuelle Einflüsse ..................................................................................... 45

3.2.1.1. Paul Cézanne (1839 – 1906) ................................................................ 46 3.2.1.2. Lovis Corinth (1858 – 1925)................................................................ 46 3.2.1.3. Henri Matisse (1869 – 1954) ............................................................... 47

3.2.2. Das Werk ...................................................................................................... 48 3.2.2.1. Porträts ................................................................................................. 48 3.2.2.2. Landschaften........................................................................................ 51 3.2.2.3. Stilleben und Pflanzendarstellungen ................................................. 54 3.2.2.4. weitere Werke ...................................................................................... 55

3.3. Theresienstadt...................................................................................................... 59 3.3.1. Die Rahmenbedingungen ............................................................................. 59

3.3.1.1. Die Geschichte von Theresienstadt ................................................... 59 3.3.1.2. Die Umstände im Lager ...................................................................... 60 3.3.1.3. Friedl Dicker-Brandeis in Theresienstadt ......................................... 61

3.3.2. Das Werk ...................................................................................................... 62 3.3.2.1. Porträts ................................................................................................. 62 3.3.2.2. Landschaften und Stilleben ................................................................ 64

4. Friedl Dicker-Brandeis als Kunstpädagogin.......................................................... 65 4.1. Einflüsse .............................................................................................................. 66

4.1.1. Reformpädagogik ......................................................................................... 66

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4.1.2. Franz Čižek................................................................................................... 67 4.1.3. Johannes Itten ............................................................................................... 69 4.1.4. Maria Montessori.......................................................................................... 71

4.2. Friedl Dicker-Brandeis’ kunstpädagogische Arbeit mit Kindern........................ 72 4.2.1. Friedl Dicker-Brandeis’ Unterricht in Theresienstadt .................................. 73 4.2.2. Friedl Dicker-Brandeis’ kunstpädagogische Ansätze und Erkenntnisse...... 77

5. Zusammenfassung .................................................................................................... 82

Anhang........................................................................................................................... 84

Abbildungen.................................................................................................................. 84

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 109

Abbilungsnachweis:.................................................................................................... 114

Bibliographie............................................................................................................... 116

Lebenslauf ................................................................................................................... 123

Abstract ....................................................................................................................... 125

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Friedl Dicker-Brandeis - Bauhausschülerin, Malerin, Pädagogin

1. Einleitung - Friedl Dicker-Brandeis – zwischen Tradition und Emanzipation

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer Frau, die sich in ihrem Leben und Wirken

zwischen Tradition und Emanzipation bewegte - Friedl Dicker-Brandeis. Sie nahm

während ihrer künstlerischen Laufbahn verschiedene Rollen ein. Zum einen war sie

Schülerin, die sich mit den unterschiedlichsten Künstlern und deren Theorien

auseinander setzte. Zum anderen war sie Malerin und Künstlerin, die die Erkenntnisse,

die sie aus der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Einflüssen zog, in ihren

eigenen Werken verarbeitete. Und sie war Pädagogin, die anderen ihr Wissen weitergab.

All die verschiedenen Rollen sind immer eng mit ihrer Biographie verknüpft. Sowohl

ihre Tätigkeit als Malerin, als auch ihre Tätigkeit als Pädagogin, sind im

Zusammenhang mit dem jeweiligen Umfeld, der jeweiligen Situation zu sehen. Sie

bewegte sich, sowohl als Frau, als auch als Künstlerin in einem ständigen

Spannungsfeld zwischen Tradition und Emanzipation, zwischen der Orientierung an

Neuem und dem Zurückgreifen auf Traditionelles.

Bevor an dieser Stelle die weiteren Fragestellungen der vorliegenden Arbeit aufgezeigt

werden, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über den Forschungsstand zu Friedl

Dicker-Brandeis gegeben werden.

1.1. Forschungsstand

Friedl Dicker-Brandeis als Künstlerin, ist in der kunsthistorischen Forschung zwar

vertreten, doch auf eine nähere Analyse ihrer Werke bezüglich eventueller Einflüsse,

wurde bisher verzichtet. In der Auseinandersetzung mit ihr liegt der Schwerpunkt meist

auf ihrer kunstpädagogischen Tätigkeit, dabei vor allem bei den Kinderzeichnungen, die

in Theresienstadt in ihrem Unterricht entstanden sind.

Einen sehr wichtigen Beitrag zur Friedl Dicker-Brandeis-Forschung leistete Elena

Makarova. Ihr ist zum einen ein umfangreicher Abbildungskatalog zu verdanken, den

sie in ihrem 2000 erschienenen Buch „Friedl Dicker-Brandeis – Ein Leben für Kunst

und Lehre“1, veröffentlichte. Zum anderen setzte sie sich, ebenfalls in diesem Buch,

intensiv mit dem Menschen Friedl Dicker-Brandeis auseinander. Hierzu führte sie viele

Gespräche mit Zeitgenossen der Künstlerin, die, neben vielen Briefen, einen Einblick in

die Persönlichkeit Friedl Dicker-Brandeis’ geben. Makarova beschäftigte sich auch mit

1 Vgl. Makarova 2000.

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der Lehrtätigkeit Friedl Dicker-Brandeis’ in Theresienstadt und den dort entstandenen

Kinderzeichnungen.2 Neben diversen kleineren Katalogen3, die sich kurz mit ihrer

Biographie beschäftigen und zumindest einige ihrer Bilder abdrucken, können hier zwei

Werke genannt werden, die sich teilweise mit ihrem künstlerischen Schaffen

auseinandersetzen: Zum einen ist das ein Katalog, der 1989 anlässlich einer Ausstellung

in Wien von der Hochschule für Angewandt Kunst herausgegeben wurde. 4In ihm

werden einige Arbeiten gezeigt, mit denen sich Friedl Dicker und Franz Singer in ihrem

Architekturbüro beschäftigten. Es ist daher kein Bezug auf Dicker als bildende

Künstlerin genommen. Das andere Werk ist eine Diplomarbeit, die sich mit ihren

Collagen und Agitationsplakaten, die zwischen 1923 und 1933 entstanden sind,

auseinandersetzt. Auch hier wird nicht auf ihr malerisches Werk eingegangen.5

1.2. Fragestellung

Die vorliegende Arbeit ist thematisch in drei Kapitel unterteilt, die in der bisherigen

Literatur nur sehr unzureichend aufgegriffen worden sind. Das erste ist Friedl Dicker-

Brandeis’ Rolle als künstlerisch tätiger Frau gewidmet. Hier soll die Stellung der Frau

als Künstlerin zu Beginn des 20. Jahrhunderts dargelegt werden, um dann speziell die

Stellung der Frau am Bauhaus zu untersuchen. Die Frage wird sein, inwiefern Friedl

Dicker sich als Künstlerin emanzipieren und beweisen konnte, in einer von Männern

dominierten Welt, wie sie das Bauhaus in Weimar war.

Die Auseinandersetzung mit der Rolle Friedl Dickers am Bauhaus, zieht die nähere

Beschäftigung mit ihrer Rolle als Künstlerin, welches den zweiten Schwerpunkt dieser

Arbeit darstellen soll, nach sich. Auf die Auseinandersetzung mit ihrem malerischen

Oeuvre soll an dieser Stelle das größte Augenmerk gelegt werden. Zum einen, weil die

bisherige Literatur sich nicht ausführlich mit Friedl Dicker-Brandeis’ malerischem

Werk und den Künstlern und Strömungen, die dieses beeinflusst haben könnte,

beschäftigte, zum anderen, weil auch an ihrem Werk ihre Stellung zwischen Tradition

und Moderne deutlich wird. Ausgehend von der – biographisch bedingten – Einteilung

ihres malerischen Schaffens in drei Perioden – die Zeit am Bauhaus in Weimar, in Prag

und Hronov und in Theresienstadt – sollen die jeweiligen möglichen Einflüsse

untersucht werden und anhand einer umfangreichen Auswahl ihrer Werke erläutert

2 Siehe auch Makarova 1990. 3 Das wären Singer/Dicker 1970 und Pařik 1988. 4 Vgl. SINGER/DICKER 1989. 5 Vgl. Romauch 2003.

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werden. Die Abbildungen und Datierungen der Werke Friedl Dicker-Brandeis’ wurden

zum einen dem Katalog „Friedl Dicker-Brandeis – Ein Leben für Kunst und Lehre“

(2000) von Elena Makarova, in dem sie Bilder veröffentlichte, die sie aus

unterschiedlichen Quellen zusammengetragen hatte, entnommen. Zum anderen werden

Fotos verwendet, welche von der Verfasserin direkt von den Werken Friedl Dicker-

Brandeis’, die sich in der Sammlung der Universität für angewandte Kunst in Wien

befinden, angefertigt wurden.

Den dritten Schwerpunkt soll ihre Tätigkeit als Kunstpädagogin in Theresienstadt

bilden. Dieser Teil ihres Lebens darf nicht außer Acht gelassen werden, weil die

Beschäftigung mit Kindern, neben der Malerei, ihr Lebensinhalt war. Doch es sollen

nicht die Kinderzeichnungen im Mittelpunkt stehen, da dieses Thema in der Literatur

bereits ausführlich behandelt wurde. Bezüglich ihrer Tätigkeit als Kunstpädagogin

sollen ihre Methoden näher betrachtet werden. Es wird zu zeigen sein, welche

Methoden und Lehren sie aufgegriffen hat und wie sie sie umsetzte. Auch hier wird zu

erörtern sein, ob sie sich an traditionellen Unterrichtsmethoden orientierte oder ob sie

sich der unkonventionellen Reformpädagogik anschloss.

2. Friedl Dicker-Brandeis – Frau und Künstlerin

2.1. kurze Biographie6

Friedl Dicker, oder Friedericke Dicker, wie sie eigentlich hieß, wurde am 30. Juli 1898

in Wien in ein bürgerlich jüdisches Elternhaus geboren. Sie wuchs bei ihrem Vater auf,

da ihre Mutter starb, als sie vier Jahre alt war. Schon als kleines Kind lebte sie ihre

kreative Ader aus, indem sie knetete, malte, schnitt und klebte. Von 1914 und 1915

studierte sie an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien Photographie und

Reproduktionstechnik.7 Das Geld für ihr Studium verdiente sie sich am Theater. Hier

assistierte sie als Requisiteurin, entwarf Kostüme, schrieb kleine Stücke und spielte

selbst kleine Rollen. Die Leidenschaft für das Theater sollte sie bis zuletzt nicht

loslassen.

1915 schrieb sie sich in der Textilabteilung der Kunstgewerbeschule ein. Nebenbei

belegte sie Kurse bei Franz Čižek. Im Jahre 1916 wurde sie Schülerin von Johannes

Itten, der gerade aus Stuttgart nach Wien gekommen war und hier eine private

Kunstschule eröffnete. Im Unterricht bei Itten lernte sie auch Franz Singer kennen. Ihm

6 Alle biographischen Angaben sind, sofern nicht anders angegeben, folgendem Werk entnommen: Makarova 2000. 7 Vgl. Pařik, 1988.

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sollte sie zeitlebens verbunden bleiben, sowohl beruflich, als auch privat, auch wenn

dies sich nicht immer leicht gestalten sollte. Ein neuer künstlerischer Abschnitt in ihrem

Leben begann 1919, als sie und weitere Schüler Ittens diesem ans Staatliche Bauhaus in

Weimar folgten, an welches er gerade von Walter Gropius berufen wurde. Am Bauhaus

besuchte sie den Vorkurs von Johannes Itten und arbeitete in den Werkstätten von

Georg Muche, Lyonel Feininger, Oskar Schlemmer und Paul Klee. Während ihrer Zeit

am Bauhaus war sie vielen Einflüssen ausgesetzt, die sie, wie noch zu zeigen sein wird,

begierig in sich aufnahm. In künstlerischer Hinsicht, war das sicherlich eine großartige

Zeit für sie, in der sie viel erfahren und experimentieren konnte. Privat hatte sie

allerdings in dieser Zeit einige Rückschläge zu ertragen. Die Beziehung zu Singer

gestaltete sich als problematisch, noch stärker, nachdem er 1921 Emmy Heim heiratete.

„Singer ordnete seine private Welt so, dass er in Friedl zwar die Geliebte und die

ebenbürtige Künstlerin sieht, keinesfalls aber die Mutter eines gemeinsamen Kindes.“8

Mehrmals forderte er einen Schwangerschaftsabbruch9, so dass die Erfüllung des

Wunsches nach einer Familie in eine unbestimmte Ferne rückte. Die berufliche

Beziehung zu Franz Singer gestaltete sich allerdings sehr fruchtbar. Als Johannes Itten

1923 wegen Differenzen mit Walter Gropius das Bauhaus verließ, taten es ihm viele

seiner Schüler gleich. In diesem Jahr eröffneten Friedl Dicker-Brandeis und Franz

Singer die „Werkstätte Bildender Kunst“ in Berlin, in der sie Schmuck, Spielzeug,

Textilarbeiten, Buchbinderarbeiten und Grafiken entwarfen und fertigten. In den

folgenden Jahren pendelten sie zwischen Berlin, Wien Dresden, Köln und Leipzig. 1925

kehrte Dicker-Brandeis wieder nach Wien zurück und eröffnete mit ihrer Freundin

Martha Döberl ein Buchbinderei- und Textilatelier. Im selben Jahr gründete Dicker-

Brandeis mit Singer das Architekturbüro Singer-Dicker, mit dem sie großen Erfolg

hatten. Da man nicht nur die künstlerischen, sondern auch die pädagogischen

Fähigkeiten Friedl Dicker-Brandeis’ schätzte, lud sie die Stadt Wien 1931 ein, Kurse für

Kindergärtnerinnen zu halten. Hierfür erhielt sie Empfehlungsschreiben von Itten und

Gropius. Sie selbst lernte hierbei nicht nur, Kinder zu unterrichten, sondern auch

Erwachsenen beizubringen, die Persönlichkeit und die künstlerischen Fähigkeiten von

Kindern zu erkennen und zu fördern. Die Arbeit mit Kindern wurde ein wichtiger Teil

ihres Lebens, der ihr auch immer wieder Kraft und Hoffnung gab. In einem späteren

8 Zwiauer, Charlotte: Aufbruch der Geschlechter zwischen Moderne und Antimoderne: Die Künstlerin und Kunstpädagogin Friedl Dicker (1898 – 1944), In: Ingrisch 2004, S. 236. 9 Vgl. ebd. , S. 237.

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Kapitel soll auf Friedl Dicker-Brandeis als Kunstpädagogin noch genauer eingegangen

werden.

Die berufliche und die ohnehin schon schwere private Beziehung zu Franz Singer ging

in die Brüche, als dessen einziger Sohn starb. Auch hier ist wieder ein Wendepunkt in

ihrem Leben zu sehen. Sie mietete sich ein eigenes Atelier und trat in die

kommunistische Partei ein. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen, wie sich

später zeigen sollte. Als „Frischbekehrte“ wollte sie die kommunistischen Ideale auch in

der Kunst verkörpern. So las sie z. B. ihren Schülern aus dem „Kommunistischen

Manifest“ vor und forderte diese auf, dazu eine abstrakte Komposition zu malen.

Doch ihr politisches Engagement ging noch viel weiter und brachte sie in

Schwierigkeiten. Dicker-Brandeis half Freunden und versteckte deren persönliche

Dokumente in ihrem Atelier. Als man dieses durchsuchte, fand man außerdem

gefälschte Pässe, und so wurde Friedl Dicker-Brandeis zu einer Haftstrafe in einem

Wiener Gefängnis verurteilt. Dort fühlte sie sich überraschend wohl. Diese Tatsache

beschäftigte sie noch, nachdem sie entlassen wurde – die Aussage Franz Singers, dass

sie keine gerade Linie zeichnen könne verhalf dazu – und nach Prag geflohen war. In

Prag hatte sie Kontakt zu der Psychoanalytikerin Annie Reich, die ihr dabei half, das

Erlebte zu verarbeiten. Wie im Folgenden gezeigt wird, hat sich nach der Flucht nach

Prag nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Kunst verändert. Privat ging es nun bergauf.

Sie lernte Pavel Brandeis kennen und heiratete ihn 1936. Nun hatte sie endlich das

liebevolle Zuhause, nach dem sie sich sehnte. Sie wurde sogar schwanger, verlor aber

das Kind. Um die Kinderlosigkeit auszugleichen, ging sie ihrem besonderen Talent

nach, und unterrichtete Emigrantenkinder nach der selben Methode, mit der sie auch in

Wien unterrichtet hatte. Auf diese Methode, die für die Kinder gleichsam eine Art

Therapie war, soll später noch eingegangen werden.

In Prag war Friedl Dicker-Brandeis weiterhin politisch aktiv. Sie wurde Mitglied einer

Gruppe politisch engagierter Emigranten aus Deutschland und Österreich, die sich um

die überwiegend deutsche antifaschistische Buchhandlung in der Passage Schwarze

Rose am Graben gebildet hatte.10 Die Gruppe beschloss, sich im spanischen Bürgerkrieg

zu engagieren, doch Friedl Dicker-Brandeis wollte ihren Mann nicht verlassen. Da die

Situation für Juden immer heikler wurde, versuchten ihre Freunde sie davon zu

überzeugen, zu fliehen. Franz Singer, der bereits nach London geflohen war, versuchte

sie nachzuholen und von dem Mann ihrer Freundin erhielt sie sogar ein Visum nach

10 Vgl. Pařik 1988.

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Palästina, doch sie wollte von all dem nichts wissen. Stattdessen zog sie mit Pavel nach

Hronov und später in das kleine Dorf Zdarky. Die antijüdischen Gesetze zwangen sie

dazu, in immer kleinere Wohnungen zu ziehen.

1941 begannen die Nationalsozialisten mit der Deportation tschechischer Juden nach

Lodz. 1942 erhielt sie selbst die Nachricht ihrer eigenen Deportation nach

Theresienstadt. Einmal mehr zeigte sich ihre unerschütterlicher Optimismus, der ihr in

den kommenden Jahren noch sehr helfen sollte – schon bei der Vorbereitung zur

Deportation dachte sie an die Kinder, die sie unterrichten würde und mit denen sie

Theaterstücke aufführen würde. In Theresienstadt angekommen ließ sie sich mit viel

Mühe in das Kinderheim L 410 einteilen, im dem Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren

lebten. Friedl Dicker-Brandeis begann den Kindern Malstunden zu geben .

Das nahe Kriegsende kam für Friedl Dicker-Brandeis leider zu spät. Am 6. Oktober

1944 befand sie sich in dem letzten Zug, der Theresienstadt Richtung Auschwitz

verließ.

2.2. Künstlerin und Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Friedl Dicker-Brandeis lebte in einer Zeit, die für Frauen sehr zwiespältig war.

Einerseits hatten Frauen schon viele Rechte, andererseits waren ihnen dennoch viele

Türen versperrt. Die Frau emanzipierte sich mehr und mehr, wurde jedoch von ihrer

(männlichen) Umwelt noch in ihrer traditionellen Rolle wahrgenommen. Besonders

schwer hatten es Frauen in männlich dominierten Berufen, wie es der des Künstlers

bzw. der Künstlerin war.

2.2.1. Die Künstlerin um die Jahrhundertwende

Ein wichtiges Anliegen der Frauen damals, war das Recht auf Ausbildung und der

Wunsch nach Professionalisierung. Man wollte Selbständigkeit und aufgrund der

eigenen Fähigkeit, Erfolg und Anerkennung haben, vielleicht sogar Geld verdienen und

die Kunst nicht nur als dilettantischen Zeitvertreib ausüben.11 Dieses Bestreben hatten

besonders die Künstlerinnen, die sich in einem von Männern dominierten Gebiet

durchsetzen mussten. Doch ihnen wurde es nicht leicht gemacht. Wer als Künstler

Anerkennung erlangen wollte, musste ausstellen, um auf sich aufmerksam zu machen,

doch um auszustellen, musste man einer Künstlervereinigung angehören. Diese aber

11 Vgl. Baumhoff, Anja: Die >moderne Frau< und ihre Stellung in der Bauhaus-Avantgarde; in: Sykora 1993, S. 83.

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ließen Frauen nicht zu.12 Ein weiteres Problem bestand in der künstlerischen

Ausbildung der Frauen. Die Akademie der bildenden Künste lehnte beispielsweise die

Zulassung von Frauen ab.13 Den Frauen blieb nur das Studium an der 1867 gegründeten

Kunstgewerbeschule. Doch diese diente in erster Linie der Ausbildung von

Kunsthandwerkern.14 Das Ziel waren nie selbständige Künstlerinnen, war man doch der

Meinung, dass Frauen im Dilettantismus besser aufgehoben waren. Man(n) sah die

Fähigkeiten der Frauen nicht der Baukunst, Bildhauerei oder Malerei, sondern in

Kleinkunstdisziplinen wie Blumen-, Tier und Ornamentmalen.15 Die einzige

Möglichkeit für Frauen ein umfangreiches Kunststudium zu erhalten, waren

Privatateliers. Die dort erworbenen künstlerischen Qualifikationen wurden jedoch

offiziell nicht anerkannt. Im Gegenteil, man hatte die Künstlerinnen wieder ins Abseits,

in die Privatheit gedrängt.16

2.2.2. Die Rolle der Frau am Bauhaus

Friedl Dicker-Brandeis hatte das Glück, nicht in diese Zwickmühle zu geraten, da sie

1916 Schülerin Johannes Ittens wurde. Die damals wohl beste Chance in künstlerische

Selbständigkeit zu gelangen, ergriff sie, als sie 1919 Itten folgte, als dieser ans Bauhaus

nach Weimar berufen wurde. Das Bauhaus galt damals als fortschrittlich, besonders die

Gleichberechtigung der Frau betreffend. Walter Gropius hat diese Gleichberechtigung

anfangs stark betont, z.B. in einer Ansprache von 1919. Dort heißt es:

„Kein Unterschied zwischen schönem und starkem Geschlecht. Absolute

Gleichberechtigung, aber auch absolut gleiche Pflichten. Keine Rücksicht auf

Damen, in der Arbeit alle Handwerker.“17

Und auch in der Bauhaussatzung von 1921 wies er auf dieses, ihm scheinbar so

wichtige, Anliegen hin:

12 Vgl. Plakolm-Forsthuber 1994, S. 63. In Österreich lösten die Künstlerinnen das Problem der nicht vorhandenen Ausstellungsmöglichkeit, indem diverse Künstlervereinigungen gründeten. So entstand 1885 der „Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen“, 1910 die „Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs“ und der „Hagebund“ wurde neu konstituiert. Friedl Dicker war bei keiner dieser Vereinigungen Mitglied. Vgl. ebd., S. 63 – 109. 13 Vgl. ebd., S. 43. 14 Vgl. ebd., S. 39/40. 15 Ebd., S. 40/41 16 Vgl. ebd., S. 43. 17 Baumhoff 1993, S. 84, zitiert nach: Ansprache von Walter Gropius, Weimar, 1919.

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„Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf

Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als

ausreichend erachtet wird ...“18

Doch diese Versprechungen und das Gleichberechtigungsdenken fanden in der Realität

nur sehr wenig Umsetzung – immerhin, Frauen durften am Bauhaus studieren. Viele

Männer am Bauhaus, vor allem die Meister, hatten so ihre Probleme mit der neuen,

emanzipierten Frau. Sie konnten sich noch nicht von der traditionellen Rollenverteilung

der Geschlechter lösen. Wobei dies nicht nur bedeutete, dass Frauen sich um Heim und

Herd zu kümmern haben und die Männer das Geld verdienen. Die Unterscheidung

zwischen Mann und Frau ging für einige Männer am Bauhaus noch viel weiter, auf eine

geistige, intellektuelle Ebene. Man versagte einer Frau grundsätzlich jemals eine

richtige Künstlerin zu sein, da es nicht ihre Berufung sei, denn die natürliche Berufung

der Frau sei die Mutterschaft.19 „Frauen, als der empfangende Part in der

Evolutionsgeschichte, konnten vom Standpunkt eines männlich definierten

Kreativitätsbegriff aus nicht in der Lage sein, geniale Kunst zu erzeugen.“20 Frauen war

es damit nicht zuzutrauen, eigenständige Künstlerinnen zu sein, dafür eigneten sie sich

um so mehr für das Kunsthandwerk. Damit unterschied sich das Bauhaus also nicht von

dem bereits erwähnten allgemeinen Denken im Kunstbetrieb – die so genannte Hohe

Kunst war die Domäne der Männer, das Kunsthandwerk die der dilettantischen Frauen.

Während in den Vorkursen tatsächlich alle mehr oder weniger gleich behandelt wurden,

war der Unterschied in den Werkstätten deutlich zu spüren. Es kristallisierte sich immer

mehr die Meinung heraus, dass Frauen für die meisten Tätigkeiten nicht geeignet wären.

Man glaubte, dass künstlerisches Können ein (den Männern) angeborenes Talent sei

und nicht gelehrt werden kann.21 Außerdem fehle es Frauen an der nötigen Genialität,

die sie von anderen Menschen unterscheiden würde.22 Das ganze gipfelte darin, dass

Frauen nur noch die Aufnahme in die Weberei ohne weiteres gestattet wurde.

Die Weberei wurde ab 1920 zur sogenannten Frauenklasse und damit das

Hauptbetätigungsfeld für Frauen am Bauhaus. Somit wurde auch die freie

Werkstattwahl für die Frauen extrem eingeschränkt. „Diese Maßnahme schien

18 Ebd., S. 84, zitiert aus: Satzungen des Staatlichen Bauhauses zu Weimar, §3, Januar, 1921. 19 Vgl. ebd., S. 85. 20 Ebd., S. 85. 21 Vgl. ebd., S. 149. 22 Vgl. ebd., S. 149.

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angebracht, da das Bauhaus praktisch wie reformideologisch mit dem traditionell

männlichen Handwerk konkurrieren wollte.“23

Die Konkurrenz zum traditionellen Handwerk war sicherlich einer der entscheidenden

Punkte, warum Frauen aus vielen Werkstätten ausgeschlossen wurden. Schon im

Mittelalter war das Handwerk eine rein männliche Domäne gewesen,24 und auch am

Bauhaus sollte sich diese Ansicht nicht ändern. War man eine Frau, konnte man es in

erster Linie im Bereich Kunsthandwerk zu etwas bringen. Eine der wenigen

Möglichkeiten für Frauen doch in männliche Bereiche vorzudringen, war es, dass

eigene Geschlecht zu „neutralisieren“ – wenn man zwar eine Frau, aber sehr talentiert

und sehr hartnäckig war, konnte man hoffen, dass diese Eigenschaften das Geschlecht

verdecken und nur noch das eigene Talent zählt.25

2.2.3. Friedl Dicker am Bauhaus - die gelehrige und anerkannte Schülerin

Friedl Dicker gelang es anscheinend, ihr Geschlecht zu „neutralisieren“, so dass man

sie nicht in erster Linie als Frau wahrnahm. Sie arbeitete in der Textilwerkstatt bei

Georg Muche, lernte bei Lyonel Feininger die Technik der Lithographie, hörte

Vorlesungen bei Paul Klee und war zu Besuch im Bildhaueratelier von Oskar

Schlemmer.26 Sie schien von den Meistern fasziniert gewesen zu sein, so war zum

Beispiel Paul Klee ihr Lieblingsmaler.27 Sie hatte am Bauhaus die Möglichkeit bei

bekannten Künstlern zu studieren, ihnen zuzusehen, sich mit ihnen auszutauschen. Ihre

Bewunderung scheint sich aber nur auf künstlerischer Ebene abgespielt zu haben. Es ist

nicht anzunehmen, dass das Geschlecht der Meister eine Rolle spielte. Sie blickte als

Künstlerin zu den Künstlern auf, nicht als Frau zu den überlegenen Männern.

Doch Friedl Dicker-Brandeis hat es auch geschafft, bei einigen Bauhaus-Meistern einen

bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Sie war wahrscheinlich die einzige Studentin, die

ein Stipendium erhielt, und ihr wurden zeitweilig sogar Lehraufgaben übertragen.28

Besonders geschätzt wurde sie von Johannes Itten, an dessen Vorkurs sie teilnahm. So

durfte sie zum Beispiel an dessen Projekt „Utopia“ mitwirken.29 Das beste Beispiel

aber, dass sie am Bauhaus nicht nur als Frau, sondern auch als Künstlerin anerkannt

war, sind die beiden genannten Empfehlungsschreiben, um die sie bat, als die Stadt

23 Ebd., S. 91/92. 24 Vgl. Baumhoff 2001, S. 47. 25 Vgl. ebd., S. 51. 26 Vgl. Makarova 2000, S. 16 – 18. 27 Vgl. ebd., S. 17. 28 Vgl. Müller 2009, S. 95. 29 Vgl. Makarova 2000, S. 16.

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Wien sie 1931 einlud, Kurse für Kindergärtnerinnen zu halten.30 Ein

Empfehlungsschreiben erhielt sie von Johannes Itten:

„Sie ist ein künstlerisch außergewöhnlich begabter Mensch, den ich als

wertvolle und selbständige Persönlichkeit sehr hochschätze.“31

Das zweite ist von Walter Gropius:

„Fräulein Friedl Dicker war in der Zeit vom Juni 1919 bis September 1923

Studierende des Staatlichen Bauhauses in Weimar. Sie hat sich während dieser

Zeit durch ihre seltene und außerordentliche künstlerische Begabung stets

hervorgetan und das besondere Augenmerk der ganzen Lehrerschaft auf ihre

Arbeiten gerichtet. Die Vielseitigkeit ihrer Begabung und ihre große Energie

hatten zur Folge, dass ihre Leistungen und Arbeiten zu den allerbesten des

Institutes gehörten und dass sie schon während ihrer Studienzeit zur Tätigkeit

als Lehrerin mit herangezogen werden konnte. Als ehemaliger Leiter und

Begründer des Staatlichen Bauhauses in Weimar verfolge ich mit großem

Interesse die künstlerische Tätigkeit des Fräulein Dicker.“32

Den beiden Empfehlungsschreiben ist zu entnehmen, dass Friedl Dicker offensichtlich

als Künstlerin am Bauhaus hochgeschätzt wurde. Natürlich war es für Itten und Gropius

ein Leichtes, sich über Friedl Dicker so lobend zu äußern, war sie doch 1931 schon eine

bekannte Persönlichkeit, an deren Ruhm man sich gern beteiligte. Doch auch schon zu

Bauhaus-Zeiten schien die Bewunderung oder zumindest Anerkennung bestanden zu

haben – wie sonst würde es sich erklären, dass sie als Lehrerin am Bauhaus tätig war?

Als hoch zu achten ist auch, die bereits erwähnte Zusammenarbeit mit Johannes Itten.

Für ihn waren Frauen und Männer in der Kunst alles andere als gleichwertig. Er

verglich eine Frau mit einem Kreis, welcher formalen Charakter hat und deshalb nicht

selbst existieren kann, keine Substanz hat.33 Auch die Frau werde seiner Meinung nach

nur durch den Kontext (zum Beispiel die Familie) definiert. Wie der Kreis spiele sie in

der Kunstwelt nur eine Randrolle als Modell, Geliebte, Ehefrau oder Muse, aber nur

sehr selten als aktiv Schaffende.34 Die Rolle des (gottähnlichen) Schöpfers wies Itten

30 Vgl. ebd., S. 21. 31 Singer/Dicker 1970, S. 13. 32 Singer/Dicker 1970, S. 14. 33Vgl. Baumhoff 2001, S. 153. 34 Vgl. ebd., S. 154.

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den Männern zu.35 Für ihn war es unumstößlich, dass es für einen männlichen Künstler

natürlich ist, zu malen, während es für eine Frau natürlich ist, eine Mutter zu werden.36

Auch die anderen Bauhaus-Meister sahen die Frau eher in der Mutterrolle, als als

kreative, schaffende Kraft. Vor diesem doch sehr emanzipationsfeindlichem

Hintergrund ist es erstaunlich, dass es Friedl Dicker geschafft hat, die Anerkennung und

den Respekt von zumindest einigen Männern am Bauhaus zu erlangen. Sie schaffte es

nur durch viel Talent und unermüdlichen Fleiß. Doch inwieweit sie sich am Bauhaus als

eigenständige Künstlerin entwickelte oder ob sie in erster Linie eine sehr gelehrige

Schülerin war, soll im Folgenden anhand ihrer Werke untersucht werden.

3. Das malerische Oeuvre Friedl Dicker-Brandeis’ von 1919 bis 1944

Man kann Tätigkeit Friedl Dicker-Brandeis’ als Künstlerin in drei Etappen unterteilen:

1. ihre Zeit am Bauhaus, 2. in Prag und Hronov und 3. in Theresienstadt. Diese

Unterteilung ist nicht nur biographisch bedingt, sondern auch sehr deutlich in ihrem

Werk zu erkennen. Während sie am Bauhaus in erster Linie eine fleißige und

wissbegierige Schülerin war, die alle Einflüsse und Anregungen wie ein Schwamm in

sich aufsog, malte sie in Prag, Hronov und Theresienstadt aus Freude und um Ereignisse

in ihrem Leben zu verarbeiten.

3.1. Friedl Dickers Zeit am Staatlichen Bauhaus Weimar

Friedl Dicker kam, wie bereits erwähnt, zusammen mit Johannes Itten und weiteren

Studenten aus Wien, 1919 nach Weimar. Im April dieses Jahres vereinigte Walter

Gropius die ehemalige Großherzoglich Sächsische Kunsthochschule und die

Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule und gründete somit das Staatliche

Bauhaus Weimar.37 Zu dieser Zeit war das Bauhaus ein Ort, an dem man den Einflüssen

vieler verschiedener Künstler ausgesetzt war, die den Studenten ihre Ansichten,

Theorien und Philosophien näher brachten, ein Ort, an dem man sich untereinander

austauschte und viel voneinander lernen konnte. Es lehrten dort Künstler, die es schon

zu internationalem Ansehen gebracht hatten und unterschiedliche Stile vertraten,

wodurch für die Studenten eine große künstlerische Vielfalt zur Verfügung stand, an der

sie sich orientieren und von der sie sich beeinflussen lassen konnte. So waren im Laufe

35 Vgl. ebd., S. 154. 36 Vgl. ebd., S. 155. 37 Vgl. Siebenbrodt, Michael, Das Staatliche Bauhaus in Weimar – Avantgardeschule für Gestalter 1919 – 1925, In: Siebenbrodt 2000, S. 8.

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der Jahre Künstler wie Lyonel Feininger, Johannes Itten, Georg Muche, Paul Klee,

Wassily Kandinsky und noch weitere am Bauhaus beschäftigt. Friedl Dicker verstand

es, diese vielen verschiedenen Einflüsse auf sich wirken zu lassen und sie zu nutzen. Ihr

Oeuvre der Jahre am Bauhaus zeigt eine Künstlerin, die alles in sich aufnahm, sich mit

vielen Einflüssen auseinander setzte und experimentierte. Doch darauf soll später näher

eingegangen werden.

3.1.1. Die Bauhaus-Meister und ihre Lehren und Theorien

Um die Einflüsse auf Dicker-Brandeis’ Werk zu erkennen und zu verstehen, sollen im

Folgenden Kunst, Theorien und Methoden der Künstler und Bauhausmeister Johannes

Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee näher erläutert werden, da Friedl Dicker mit

ihren Lehren, ihrem Unterricht, ihren umfassenden Theorien und ihrer Kunst am

wahrscheinlichsten in Berührung kam. Auch wenn in Friedl Dickers Werken manche

Einflüsse nicht unmittelbar erkennbar sind, so ist das im Folgenden Behandelte schon

deshalb von Wichtigkeit, da es das geistige Umfeld darstellt, in dem sie sich während

ihrer gesamten Bauhauszeit befand und von dem sie, was als sehr wahrscheinlich

anzunehmen ist, auf die eine oder andere Weise beeinflusst wurde.

3.1.1.1. Johannes Itten (1888 - 1967)

Itten kam, wie schon erwähnt, 1919 ans Bauhaus und richtete dort gleich zu Beginn den

„Vorkurs“ ein, der die Studenten auf ihren weiteren künstlerischen Weg am Bauhaus

vorbereiten sollte und ihnen die Wahl der Werkstatt erleichtern sollte.

Das Ziel des Vorkurses erläuterte Itten in seinem 1963 erschienen Buch „Mein Vorkurs

am Bauhaus“ wie folgt:

„1. Die schöpferischen Kräfte und damit die künstlerische Begabung der

Lernenden freizumachen. Eigene Erlebnisse und Erkenntnisse sollten zu echten

Arbeiten führen. Die Schüler sollten sich nach und nach von aller toten

Konvention befreien und Mut fassen für eigene Arbeit.

2. Die Berufswahl der Studierenden sollte erleichtert werden. Die Material- und

Texturübungen waren hier eine wertvolle Hilfe. Jeder Studierende fand in kurzer

Zeit heraus, welches Material ihn ansprach, ob Holz, Metall, Glas, Stein, Ton

oder Gesponnenes ihn zum schöpferischen Tun anreizte...

3. Für ihre zukünftigen künstlerischen Berufe sollten den Studierenden die

Grundgesetze bildnerischen Gestaltens vermittelt werden. Die Gesetze der Form

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und der Farbe eröffneten den Studierenden die Welt des Objektiven. Im Verlaufe

der Arbeit konnten sich die subjektiven und die objektiven Form- und

Farbprobleme in vielfältiger Weise durchdringen.

... Wichtig war mir beim Unterrichten der künstlerischen Darstellungsmittel,

dass sich die verschiedenartigen Temperamente und Begabungen individuell

angesprochen fühlten.“38

Itten wollte nicht nur die künstlerischen Fähigkeiten der Studenten bilden, sondern den

ganzen Menschen als „leiblich-seelisch-geistige Einheit“39. Dieses Konzept einer

ganzheitlichen Lehre zeigte sich auch in Ablauf und Inhalt seines Unterrichts. Dieser

begann in der Regel mit gymnastischen Übungen. Dadurch sollte die Fähigkeit zu

Erleben und sich Auszudrücken in den Studenten geweckt werden.40 Nach den

chaotischen, entfesselten Bewegungen wurden Harmonisierungsübungen

durchgeführt.41 Zu diesen Harmonisierungsübungen gehörten neben Atemübungen auch

rhythmische Formübungen.42 Diese Übungen dienten nicht zur Konditionierung der

Studenten. „Das Gegenteil war beabsichtigt: die Schüler sollten sich körpermotorisch

ausagieren, um ›frei‹ zu werden sich zu entkrampfen, zugleich auch um Bewegung und

Rhythmus als existentielles Urprinzip und als grundlegendes bildnerisches

Organisationsprinzip physisch unmittelbar zu erfahren.“43

Die eigentliche Grundlage des Unterrichts war, ausgehend von Ittens Meinung, dass

alles Wahrnehmbare durch seine Gegensätzlichkeit wahrnehmbar sei, die allgemeine

Kontrastlehre.44 Die Studenten sollten sich hierbei mit einer Reihe von Kontrasten

beschäftigen, zum Beispiel groß-klein, breit-schmal, schwarz-weiß, viel-wenig, gerade-

gebogen, spitz-stumpf, horizontal-vertikal-diagonal-zirkular, Fläche-Linie, Fläche-

Körper usw.45 Hinzu kamen noch die von Adolf Hölzel inspirierten Farbkontraste:

Farbe-an-sich-Kontrast, Hell-Dunkel-Kontrast, Kalt-Warm-Kontrast,

Komplementärkontrast, Simultankontrast, Qualitätskontrast und Quantitätskontrast.46

Ein wichtiger Bestandteil von Ittens Unterricht waren Übungen zum Hell-Dunkel-

Kontrast. Damit den Studenten das differenzierte Erkennen von Hell-Dunkel- 38 Wick 1982, S. 87, zitiert nach: Itten, Johannes: Mein Vorkurs am Bauhaus. Gestaltungs- und Formenlehre, 1963, S. 10. 39 Wick 1982, S. 87. 40 Vgl. ebd., S. 88. 41 Vgl. ebd., S. 88. 42 Vgl. Wick, Rainer: Zwischen Rationalität und Spiritualität – Johannes Ittens Vorkurs am Bauhaus, In: Bothe 1994, S. 138. 43 Vgl. Wick 1982, S. 88. 44 Vgl. ebd., S. 90. 45 Vgl. ebd., S. 90. 46 Vgl. ebd., S. 91.

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Unterschieden und dessen zeichnerische Umsetzung leichter fiel, ließ Itten sie

Tonskalen anfertigen, die die Spanne vom hellsten Grau bis zum tiefsten Schwarz in

gleichmäßiger Abstufung darstellten.47 Erweitert wurde dies durch Übungen zu Hell-

Dunkel-Akkorden.48

Da für Itten bei der Kunst auch das Empfinden eine wichtige Rolle spielte, stellte er in

seinem Unterricht die Aufgabe Material- und Texturstudien anzufertigen.49 Nachdem

diese Studien vollendet waren, mussten die Studenten sie mit den Fingerspitzen bei

geschlossenen Augen erfühlen. Diese Übung diente zur Verbesserung des

Tastgefühles.50

Einen ebenso wichtigen Platz nahm im Unterricht das Naturstudium ein. Die

Wichtigkeit des Naturstudiums beschreibt Itten 1918 wie folgt:

„Anfänger müssen zur Schulung des scharfen, exakten Beobachtungsvermögens

ganz genaue, photographisch genaue Zeichnungen, auch farbige, nach der

Natur machen. Ich will Auge und Hand schulen und das Gedächtnis. Also

Auswendiglernen des Gesehenen. Ich schule zunächst den physischen Körper,

Hand, Arm, Schulter und Sinne. Das ist Schulung des äußerlich gegebenen

Menschen. Nach und nach erfolgt die Ausbildung des Verstandes. Klares,

einfaches, denkendes Beobachten des sinnlich Wahrnehmbaren.“51

Die während des Naturstudiums entstandenen Werke waren weder autonom, noch bloße

Schulungen der Handfertigkeit. Sie waren vielmehr „Mittel zur Schärfung der

sinnlichen Erkenntnisfähigkeit und der Erweiterung des „konkreten Denkens“.“52

Ging es beim Naturstudium darum, das Wahrgenommene möglichst genau

wiederzugeben, so war die Intention beim Aktzeichnen, welches ebenfalls Bestandteil

des Vorkurses war, eine ganz andere. Hierbei sollte nicht die Anatomie des Menschen

genauestens wiedergegeben werden. Ziel war es, die charakteristische Ausdrucksform

des Dargestellten zu finden.53

Ein weiterer wichtiger Bereich in Ittens Unterricht waren die Analysen alter Meister,

welche ebenfalls auf Hölzel zurückgingen.54 Rainer Wick entwickelte dafür ein

47 Vgl. ebd., S. 91. 48 Vgl. ebd., S. 91. 49 Vgl. ebd., S. 91. 50 Vgl. ebd., S. 92. 51 Itten, Tagebuch, 22.8.1918, In: Rotzler 1978, S. 61. 52 Wick, Rainer: Zwischen Rationalität und Spiritualität – Johannes Ittens Vorkurs am Bauhaus, In: Bothe 1994, S. 147. 53 Vgl. Wick 1982, S. 95. 54 Vgl. ebd., S. 96.

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Kategorienschema, welches im Folgenden kurz erläutert werden soll.55 Die erste

Kategorie stellen die Form- und Strukturanalysen dar. Hierbei sollten die grundlegenden

Gestaltungsprinzipien der zu analysierenden Werke, wie zum Beispiel der

kompositorische Aufbau, die proportionalen Verhältnisse, Hell-Dunkel usw. untersucht

werden.56 Die Analysen der zweiten Kategorie werden als Empfindungsanalysen

bezeichnet. „Zahlreiche Schülerarbeiten zeigen, dass es bei diesen

Empfindungsanalysen darauf ankam, im praktisch-tätigen Nachvollzug das

Charakteristische eines Gemäldes, das heißt seinen Formausdruck und/oder seine

zentrale ››Botschaft‹‹ gefühlsmäßig zu erfassen.“57 Es sollten dabei nicht nur das

geometrische Strukturgerüst und die Ordnungsprinzipien des Bildes erörtert werden.58

Bei diesen Analysen sollten sich die Studenten in das Bild einfühlen und dadurch das

Wesen des Bildes erfassen, welches sie dann durch Kontraste, Rhythmen,

Gewichtsverteilung usw. zu Papier brachten.59

Itten schreibt dazu in seinem Tagebuch 1919:

„ Dieses Darstellen des Gefühls ist das Wesentliche meines Kurses: in den

Teilnehmern die Fähigkeit zu entwickeln, die Wesenheit zu fühlen und

darzustellen.“60

Neben den bereits erwähnten Gebieten, fehlten in Ittens Unterricht auch Formen- und

Farbenlehre61 nicht. In seiner Formenlehre beschäftigte er sich hauptsächlich mit den

drei Grundformen Quadrat, Dreieck und Kreis.62 Auch hier mussten die Studenten die

Formcharaktere der Elementarformen erst durch Bewegung des Körpers (entspannt

schwingend oder gespannt eckig) erleben und dann in Übungsreihen und

Kompositionsstudien die gestalterischen Möglichkeiten der Elementarformen

ausarbeiten.63 Auch die plastischen Formen und ihre Darstellung wurden mit

einbezogen.64

55 Vgl. Lichtenstern 2003, S. 16. 56 Vgl. ebd., S. 16. 57 Ebd.; S. 17. 58 Vgl. Wick, Rainer: Zwischen Rationalität und Spiritualität – Johannes Ittens Vorkurs am Bauhaus, In: Bothe 1994, S. 148. 59 Vgl. Wick 1982, S. 96. 60 Itten, Tagebuch, 15.2.1919, In: Rotzler 1978, S. 62. 61 Bei der Farbenlehre kann man annehmen, dass Itten sich an Kandinsky und seinem Buch „Über das Geistige in der Kunst“ orientiert hat. Besonders deutlich wird dies in seiner Zuordnung der Grundfarben zu den Grundformen: Quadrat – Rot, Dreieck – Gelb, Kreis – Blau. ( Wick, Rainer: Zwischen Rationalität und Spiritualität – Johannes Ittens Vorkurs am Bauhaus, In: Bothe 1994, S. 141). 62 Vgl. Wick 1982, S. 98. 63 Vgl. ebd., S. 98/99. 64 Vgl. ebd., S. 99.

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Der Vorkurs Ittens diente den Studenten einerseits als Orientierung für ihre spätere

Werkstattwahl und gab ihnen eine umfassende Ausbildung in künstlerischen bzw.

gestalterischen Grundlagen. Und andererseits, was noch wichtiger ist, war der Vorkurs

eine ganzheitliche Bildung und gab den Studenten auch die Möglichkeit ihre eigenen

kreativen Fähigkeiten zu entdecken und auszubauen.

3.1.1.2. Wassily Kandinsky (1866 – 1944)

Kandindsky kam Mitte 1922 ans Bauhaus.65 Sein Buch „Über das Geistige in der

Kunst“, welches 1911 in München erschien, war dort sowohl bei Lehrern als auch bei

den Schülern bekannt und viel diskutiert. Daher ist es nicht auszuschließen, dass sich

Friedl Dicker mit ihm und seinen Lehren auseinander setzte, obwohl sie wahrscheinlich

keinen direkten Unterricht bei Kandinsky hatte.

Am Anfang soll die Auseinandersetzung mit Kandinskys Kunsttheorien stehen, die er

selbst am Bauhaus unterrichtete und die man in seinem Buch „Über das Geistige in der

Kunst“ erfährt, um später zu untersuchen, inwieweit sich diese Lehren auf die Werke

Friedl Dicker ausgewirkt haben. In Kandinskys Unterricht spielten folgende

Themenkreise eine wichtige Rolle: Farbenlehre, Formenlehre und Farben- und

Formenlehre.66

Farbenlehre Der Begriff „Form“ spielte in Kandinskys Farbenlehre eine große Rolle, da keine

Fläche und kein Raum farblos sein könne und die Farbe immer an eine Form gebunden

sei und selbst Form bilde. Deshalb zählt für Kandinsky die Farbe zu den „abstrakten

Formelementen“.67

Kandinsky unterschied bei einem Farbton grundsätzlich dessen Wärme und Kälte und

dessen Helligkeit und Dunkelheit, so dass vier Hauptklänge entstanden: 1. warm – hell,

2. warm – dunkel, 3. kalt – hell und 4. kalt – dunkel. Eine warme Farbe hat laut

Kandinsky eine Neigung zu Gelb, eine kalte Farbe zu Blau. Dieses Farbenpaar und

damit die Neigung einer Farbe zu warm oder kalt, sei dann auch der erste große

Gegensatz in seiner Farbtheorie.68 „Das Warme (Gelb) bewegt sich zum Zuschauer hin,

denn Gelb ist die typisch irdische Farbe.“69 Das Kalte (Blau) entferne sich vom

65 Vgl. Wick 1982, S. 174. 66 Vgl. ebd., S. 190. 67 Vgl. ebd., S. 190. 68 Vgl. ebd., S. 191. 69 Vgl. Kandinsky 1980,S. 91.

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Zuschauer; es sei eine Bewegung zum Geistigen, denn „Blau ist die typisch himmlische

Farbe“70. Kandinsky hat die Charakterisierung von Gelb und Blau noch erweitert. So

ordnete er Gelb u.a. die Eigenschaften exzentrisch, hervortretend, über die Grenzen

hinausstrebend zu. Außerdem sei es explosiv, aggressiv, positiv und materiell. Blau sei

im Gegensatz dazu konzentrisch, zurückweichend, verbleibt innerhalb der Grenzen, ist

ausweichend, zurückgezogen, negativ und abstrakt.71

Als Beispiele für den Gegensatz von Helligkeit und Dunkelheit wählte Kandinsky die

„Nichtfarben“ Schwarz und Weiß. Auch diese Farben bewegen sich zum Betrachter hin

und von ihm weg, allerdings nicht in so dynamischer Form wie Gelb und Blau, sondern

in statischer Form. In Weiß sah er Stärke, alle Möglichkeiten und maximales Licht. In

Schwarz hingegen sah er ein unendliches bodenloses Loch, Ausweglosigkeit und

absolute Finsternis.72 Auf Schwarz erscheinen alle Farben präziser und deutlicher,

während auf Weiß die Farben getrübt werden.73 Grau als Mischung der beiden

Nichtfarben beschrieb er als unbeweglich und klanglos. Je dunkler das Grau ist, desto

trostloser ist es, während ein helles Grau ein wenig Hoffnung enthalte.74

Den dritten großen Gegensatz bilden Rot und Grün. Die Farbe Grün entsteht aus dem

Gleichgewicht der entgegengesetzten Farben Gelb und Blau. Da sich im Grün die

Bewegungen der beiden Ursprungsfarben aufheben, ist es bewegungslos. Im Gegensatz

zu dem ebenfalls bewegungslosen Grau, strahle es allerdings Ruhe, Passivität und

Selbstzufriedenheit aus.75 Die komplementäre Farbe zu Grün, das Rot76 bezeichnet

Kandinsky als eine ebenfalls bewegungslose Farbe, die jedoch innerlich lebendig,

lebhaft und unruhig sei.77 Das Rot könne nun wiederum warm sein indem es zu Gelb

neigt oder kalt sein, indem es zu Blau neigt. Gibt man zu dem warmen Rot Gelb und zu

dem kalten Blau hinzu, entstehe der vierte große Gegensatz, der Gegensatz von Orange

und Violett, für die die gleichen Bewegungen wie für Gelb und Blau gelten, jedoch in

abgeschwächter Form.78

70 Kandinsky 1980, S. 93. 71 Vgl. ebd., S. 192. 72 Vgl. ebd., S. 192. 73 Vgl. Kandinsky 1980, S. 98. 74 Vgl. ebd., S. 192. 75 Vgl. ebd., S. 193. 76 Rot ist in Kandinskys Konzeption die Brücke zwischen Gelb und Blau und der Punkt des vollkommenen Gleichgewichts zwischen dem hellen und dem dunklen Pol. Vgl. Poling 1982, S.58. 77 Vgl. Wick, S. 193. 78 „Wie ein großer Kreis, wie eine sich in den Schwanz beißende Schlange (das Symbol der Unendlichkeit und Ewigkeit) stehen vor uns die sechs Farben, die in Paaren drei große Gegensätze bilden. Und rechts und links die zwei großen Möglichkeiten des Schweigens; das des Todes und das der Geburt.“ Kandinsky 1980, S. 103c.

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„Ein wichtiger Anwendungsbereich der polaren Beziehungen zwischen den Farben war

für Kandinsky ihre Verwendung in der Bildkomposition. Dabei waren zwei

Möglichkeiten zu bedenken: Wurden die Glieder eines Farbenpaares getrennt, so hielten

sie die gesamte Komposition im Gleichgewicht, während sie beisammenstehend einen

deutlichen Akzent setzten.“79

Formenlehre In seiner Formenlehre beschäftigt sich Kandinsky mit den elementaren Bildmitteln

Punkt und Linien und den elementaren Grundformen Kreis, Dreieck und Quadrat. Der

Punkt ist für Kandinsky zwar die kleinste Elementarform, jedoch sei dies relativ, da das

Größenverhältnis des Punktes zur Grundfläche und zu den anderen Bildelementen zu

sehen ist. Die Linie sieht Kandinsky als sekundäres Bildmittel, da sie dadurch entstehe,

dass Kräfte auf den Punkt einwirken. Durch das Einwirken einer Kraft, entstehe eine

Gerade. Wirken gar zwei Kräfte auf den Punkt ein, können eine eckige oder eine

gebogene Linie entstehen. Kandinsky unterscheidet zwischen der kalten Horizontalen,

der warmen Vertikalen und der kaltwarmen Diagonalen.80

Farben-Formenlehre Ein zentrales Konzept bei der Beziehung zwischen Form und Farbe, ist das der

Temperatur. Man müsste nun versuchen, die Formtemperatur und die Farbtemperatur in

ein möglichst stimmiges System zu bringen, ausgehend von den drei Grundtypen der

Geraden (horizontal, vertikal und diagonal) und ihren charakteristischen Temperaturen

(kalt, warm, kaltwarm).81 Somit brachte er die kalte Horizontale mit dem Schwarz in

Verbindung, die warme Vertikale mit dem Weiß und die kaltwarme Diagonale mit dem

Rot (da es in seiner Farbenlehre zwischen dem kalten Blau und dem warmen Gelb

liegt). Auch den Winkeln ordnete er Temperaturen zu. Der Spitze Winkel war für

Kandinsky Gelb, der stumpfe Winkel Blau und der rechte Winkel Rot. Somit ergeben

sich auch die Farben und Temperaturen der drei Grundformen. Das Dreieck sei mit

seinen spitzen Winkeln Gelb, das rechtwinklige Quadrat Rot und der Kreis Blau.82

79 Vgl. Poling 1982, S. 69. 80 Vgl. ebd., S. 198. 81 Vgl. ebd. S. 202. 82 Vgl. ebd. S. 202 / 203.

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Die Lehren, die Kandinsky aufstellte, sind allerdings nur theoretische Richtwerte. Er

selbst war der Meinung, dass ein Nichtzusammenpassen von Farbe und Form nicht

unharmonisch sei, sondern neue Möglichkeiten biete.83

An dieser Stelle soll noch kurz auf Kandinskys Kunst der Jahre 1915 bis 1923

eingegangen werden, da es sehr wahrscheinlich ist, dass Friedl Dicker nicht nur seine

Theorien hörte oder las, sondern sich auch mit seinen Werken beschäftigte und sich

sogar davon beeinflussen ließ.

Während seiner Zeit in Russland (1915 – 1922) wandelte er seinen vormaligen Stil der

expressionistischen Abstraktion zu einem geometrischen Stil84, mit dem er nach einer

universalen formalen Sprache strebte.85

Um der strengen Geometrie der mit Hilfsmitteln, wie einem Lineal gezeichneten Linie,

die in der russischen Kunst der damaligen Zeit häufig zu finden war86,

entgegenzuwirken, verwendet Kandinsky grafische Elemente wie „Punkte und

Kreisflächen, gerade und gewinkelte Linien, geometrisch gerundete und freiere Linien,

die grundlegenden geometrischen Figuren und freieren Formen.“87 Doch auch diese

strenge Geometrie wird noch teilweise Bestandteil seiner Werke sein, jedoch nicht

ausschließlich.88 Auffallend ist, dass in diesen geometrisch-grafischen Werken der

Raum anscheinend vollständig negiert wird. Es sind flächenhafte Kompositionen, die

durch die Überlagerung der einzelnen Teile zu schweben scheinen.

Auch die Werke ab 1922, als er bereits am Bauhaus war, zeigen die Synthese von

geometrischen und freien Formen.89 „Kreise, Dreiecke, Balken und Schachbrettmuster

treten zusammen mit unregelmäßigen Formfindungen und Bezirken getupfter oder

locker aufgetragener Farbe, was den vorherrschenden Eindruck einer freien Ausführung

schafft.“90

3.1.1.3. Paul Klee (1879 – 1940)

Paul Klee nahm seine Lehrtätigkeit am Bauhaus im Frühjahr 1921 auf. Dass Friedl

Dicker bei ihm Unterricht hatte, ist nicht belegt. Da Klee aber ihr Lieblingsmaler war,91

kann man davon ausgehen, dass sie sich mit ihm und seinen Werken und Theorien 83 Vgl. Kandinsky 1980, S. 69. 84 Vgl. ebd., S. 10. 85 Vgl. ebd., S. 9. 86 Vgl. ebd., S. 15. 87 Ebd., S. 14. 88 Vgl., ebd., S. 15. 89 Vgl., ebd., S. 27. 90 Ebd., S. 27. 91 Vgl. Makarova 2000, S. 17.

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beschäftigt hat, vielleicht sogar das eine oder andere Mal bei ihm im Unterricht war

oder seine Vorlesungen besucht hat.

Für Klee sollte Kunst nicht das Reale sichtbar machen, sondern darüber hinausgehen, es

erweitern. Es solle eine andere Wirklichkeit hergestellt werden, die von der Realität

gewissermaßen ablenkt und gleichzeitig auch auf die Begrenztheit des Irdischen

hinweist.92 Klee war außerdem der Ansicht, dass Kunst und Natur eine gemeinsame

Basis besitzen und sich hinsichtlich ihrer Genesis entsprechen. Wenn man also die

Gesetzmäßigkeiten der Kunst erkennen will, müsse man die Natur studieren.93

Allerdings ging nach Klees Meinung das Kunstwerk über die Natur hinaus, denn es

könne unmittelbarer mit den Menschen kommunizieren.94 Ein unvermeidbares Mittel

war dabei für Klee die Reduktion.95

In den ersten Jahren am Bauhaus (1921/22) entwickelte er eine Elementarlehre, die sich

mit den Gesetzen der bildnerischen Grundelemente, der Linie, dem Hell-Dunkel-Ton

und der Farbe befasste.96 Das zentrale bildnerische Grundgesetz Klees war das der

Bewegung.97 Für ihn war Kunst ein zeitlicher Vorgang. „Klee erkennt nicht nur, dass

der Malakt eine physische Bewegung des Künstlers impliziert, sondern auch, dass im

fertigen Bild die Spuren dieses Malaktes Zeugnis ablegen über den Entstehungsprozess

des Kunstwerkes, über seine Genesis.“98 Klee forderte nun vom Künstler, dem

Betrachter den Perzeptionsprozess zu erleichtern, z. B. durch die Einrichtung von

Wegen im Bild, damit dieser den Entstehungsprozess nachvollziehen kann.99

Beim Bildaufbau müssten daher die Werte der Mittel so wechseln, dass die Bewegung

des Auges von Teil zu Teil gefordert wird. Grundregel dafür sei ein Anwachsen oder

Abnehmen der jeweiligen Werteeinheit, beispielsweise eines quantitativen Wertes

(rhythmisches Größer- oder Kleiner-Werden einer Fläche oder einer Figur), oder eines

qualitativen Wertes (Farbwertewechsel), oder eine Veränderung der Energiewerte

(Modifikation der Hell-Dunkel-Tönung).100 Die bildnerischen Mittel dürften allerdings

nur in ihrer Reinform vorkommen und sollten auf eher wenige beschränkt sein.101

92 Vgl. Wick 1982, S. 218. 93 Vgl. ebd., S. 220. 94 Vgl. ebd., S. 221. 95 Vgl. ebd., S. 220. 96 Vgl., Buderer 1990, S.9. 97 Vgl. Wick 1982, S. 221. 98 Ebd. S. 221. 99 Vgl. ebd. S. 223 . 100 Vgl. Buderer 1990, S.15. 101 Vgl. Geelhaar 1972, S. 28.

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Wichtig war für Klee auch die Gesamtharmonie, die aus drei Teilen bestehen müsse.

Die ersten beiden Teile sollten hart zueinander stehen, während der dritte Teil die

Harmonie zwischen den beiden ersten Teilen herstellen sollte.102

Formenlehre In seiner Formenlehre beginnt Klee, ähnlich wie Kandinsky, mit dem Punkt. Allerdings

ist bei Klee der Punkt nicht selbst Gegenstand, sondern Ausgangspunkt eines

Bewegungsvorganges, aus dem die Linie entsteht.103 Nach dem gleichen Prinzip

entstünden auch Flächen und Räume.104

Bei der Linie unterscheidet Klee drei Typen: aktiv, medial und passiv. Die aktive Linie

bewege sich frei als Wellenlinie oder zwischen bestimmten Punkten, zielgerichtet als

Winkellinie. Eine mediale Linie sei eine Linie, welche eine Flächenform umschreibt. Ist

die Linie die Begrenzung einer Farbfläche, dann sei sie passiv.105

Farbenlehre Auch in Klees Farbenlehre findet sich das durchgängige Prinzip das der Bewegung

wieder.106

Ausgehend von der Anordnung der Farben des Regenbogens auf einer Gerade, bei der

nur eine endliche Pendelbewegung möglich sei, kommt er zur Anordnung dieser auf

einem unendlichen, sechsteiligen Farbenkreis (Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau,

Violett).107 Die drei Diameter in diesem Farbenkreis markierten die einander

gegenüberliegenden Komplementärfarben Rot – Grün, Gelb – Violett, Blau – Orange.108

Die durch einen Diameter definierten Paare bezeichnet Klee als echte Farbpaare, da sie

sich gegenseitig auf der Netzhaut hervorrufen und sich miteinander zu einem mittleren

Grau mischen ließen.109 Bei der Mischung von unechten Farbpaaren, zu denen u.a. Grün

– Orange, Grün – Violett und Violett – Orange zählen, entstünde ein farbiges Grau.110

102 Vgl. ebd., S. 28. 103 Vgl. Wick 1982, S. 233. 104 „Wie die Linie aus der Bewegung des Punktes erwächst, resultieren auch die Flächen und Räume aus der Verschiebung jedes vorangehenden Elementes.“ , Geelhaar 1972, S. 29. 105 Vgl. Wick 1982, S. 233. 106 Vgl. ebd., S. 240. 107 Vgl. ebd., S. 240. 108 Vgl. ebd., S. 241. 109 Vgl. ebd., S. 242. 110 Vgl. ebd. S. 242.

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Aus dem Farbenkreis entwickelt Klee das Farbendreieck, aus dem durch Hinzufügen

von Schwarz und Weiß ein fünfeckiger Elementarstern wird111. Aus diesem kommt

Klee schließlich zur Farbenkugel.

„Dem Streben Klees nach Harmonie und Totalität kommt die Farbenkugel mit ihrer

grundlegenden Polarität von Licht und Finsternis, Hell und Dunkel, ihrem neutralen

Graupunkt in der Mitte und ihrem beziehungsreichen Farbenreichtum sowohl auf der

Kugeloberfläche als auch im Kugelinneren besonders entgegen.“112

3.1.2. eventuelle weitere Einflüsse während Friedl Dickers Zeit am Bauhaus

Die soeben behandelten, stellen nur einen Teil der möglichen Künstler und

Kunstströmungen dar, an denen sich Friedl Dicker-Brandeis wahrscheinlich orientiert

hat.

Im Folgenden sollen noch weitere Künstler, welche teilweise ebenfalls zur Zeit Friedl

Dickers am Bauhaus unterrichteten, sowie Kunstströmungen erläutert werden, die in

der Auseinandersetzung mit Dickers Werk von Bedeutung sein könnten.

3.1.2.1. Lyonel Feininger (1871 – 1956)

Lyonel Feininger wurde 1919 als erster Bauhausmeister, genauer gesagt als

Formmeister der Druckgrafischen Werkstatt, ans Bauhaus berufen.113 Friedl Dicker kam

wahrscheinlich mit ihm in der Druckgrafischen Werkstatt in Kontakt. Von ihm lernte

sie die Technik der Lithographie.114 Feininger erteilte keinen Unterricht wie Klee oder

Kandinsky. Er wollte den Schülern nichts beibringen, sondern sie durch

Gedankenaustausch inspirieren, auf den richtigen Weg bringen.115 „Feininger wirkte am

Bauhaus nicht durch Unterricht, sondern durch seine Persönlichkeit und seine Kunst.

Durch sie vermittelte er vieles von dem, was ihm künstlerisch am Herzen lag: die

Achtung vor den Formen der Natur, eine kritische Distanz zum eigenen Werk und die

Einsicht in die Notwendigkeit harter Arbeit.“116

Beeinflusst wurde Friedl Dicker also sicherlich nicht durch seine Lehren. Doch

vielleicht gab ihr die Auseinandersetzung mit seiner Kunst, besonders mit den Werken

der Bauhauszeit, einige Impulse.

111 Vgl. ebd., S. 245. 112 Ebd., S. 245. 113 Vgl. Faass, Martin: Lyonel Feininger, In: Fiedler 1999, S. 270. 114 Vgl. Makarova 2000, S. 17. 115 Vgl. Faass, Martin: Lyonel Feininger, In: Fiedler 1999, S. 272/273. 116 Ebd., S. 273.

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Während seiner ersten Jahre am Bauhaus änderte sich Feiningers Kunst. Sein vor 1920

entstandenen Arbeiten mit kubistischen Formen und an Klee erinnernden Malereien

wurden von einer Kompositionsweise verdrängt, die durch gerade Linien und eine

flächige Schichtung geometrischer Formen bestimmt ist.117 Feininger wollte die

Wirklichkeit „kristallisieren“, wobei für ihn die Erforschung von Räumlichkeit,

besonders der Volumen, entscheidend war.118 Ab 1912 kam es zur „Neuordnung des

Bildraumes zur reinen Architekturdarstellung“.119 Neu war auch, dass die einzelnen

Formen und Flächen einander überlagern.120 Das Volumen eines Gegenstandes entstand

nun aus der Gesamtheit vieler spitzwinkliger Formen und war nicht mehr nur eine

einzige räumliche Fläche.121 Die eigentlichen Träger der Malerei waren nun

Lumineszenz und Transparenz.122 Feininger erzeugte die dargestellten Gegenstände

durch die „übereinanderliegenden Schichtungen prismatischer und kristalliner

Formen“.123 Trotz seiner kubistischen bzw. prismatischen Darstellung der Dinge, wird

er dennoch nie ungegenständlich.124 Feininger gelangt zu einer „Harmonisierung

verschiedenartiger stofflicher Gegebenheiten auf einer Ebene, dass nicht nur

Vordergrund und Hintergrund, sondern ebenso der Himmel gleichgewichtig in ein und

dieselbe Realitätsschicht versponnen werden.“125 Ein weiteres wichtiges Mittel ist für

Feininger das Licht, dass er in mehrere Farben des Spektrums bricht.126

3.1.2.2. Oskar Schlemmer (1888 – 1943)

Schlemmer wurde 1921 ans Bauhaus berufen.127 Friedl Dicker kam mit Schlemmer in

dessen Werkstatt in Berührung.128

117 Vgl. ebd., S. 274. 118 Vgl. Luckhardt 1998, S. 30. 119 Ebd., S. 32. 120 Vgl. ebd. S. 32. 121 Ebd., S. 32. 122 Vgl. ebd., S. 32. 123 Ebd., S. 33. 124 Vgl. Deuchler 1996, S. 137. 125 Ebd., S. 141. 126 Vgl. ebd., S. 142. 127 Vgl. Maur 1977, S. 259. 128 Vgl. Makarova 2000, S. 16. Elena Makarova beschreibt sehr anschaulich, wie der Alltag in Schlemmers Atelier ausgesehen haben könnte und was Friedl Dicker-Brandeis so fasziniert haben könnte an der Kunst Schlemmers: „Alltag in Oskar Schlemmers Bildhaueratelier: Es wird emsig gearbeitet. Eine Kreisbewegung – das Rühren von Gips im Eimer. Der Gips beginnt sich zu festigen, die Bewegung wird langsamer. Ein Tanz der Hände: Die Schüler überziehen Kugeln, Kuben und Konen aus Ton mit der halbfesten Gipslösung, teilen die so gewonnenen Figuren entzwei, füllen sie mit kleineren Kuben und Kugeln, und so fort. Sie bedecken die Figuren mit flüssigem Stearin, füllen sie nochmals an und entnehmen nach der Teilung

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Ab 1921 unterrichtete Schlemmer auch Aktzeichnen. Dabei setzte er das zeichnerische

Können voraus.129 Dazu Schlemmer selbst in seinem Werk „Der Mensch“:130

„Den Akt auffassen als gewissermaßen höchste Natur, feinste Gliederung und

Organisation, als Gebäude von Fleisch, Muskeln, Knochen. Die verschiedensten

Einstellungen sind möglich, ich möchte die sachlichste wünschen.“131

Schlemmer selbst zeichnete vorwiegend mit der reinen, unverwischten Linie.132 „Die

Anwendung der reinen Linie zwingt zu einem Abstraktionsprozess: Der Verlauf der

Linie kann sich nicht mit den Körpergrenzen decken, er kann nicht optisch sein, da die

Linie, wenn ihre Eigenart berücksichtigt wird, ein eigengesetzliches Verhältnis zur

Fläche hat, das Schlemmer in einer rhythmischen Führung sichtbar macht. [...] Wie die

›reine‹ Linie ein Abstraktion der Körpergrenzen ist, so ist der rhythmische Verlauf der

Linien, der seine Impulse vom Modell empfängt, die Abstraktion von Bewegungen –

sowohl der aktiven Bewegung des Modells als auch des bewegten Verlaufs der

Körpergrenzen und der Binnenformationen des Leibes.“133

Schlemmers Ziel in der Kunst war es, einen Figurenkanon zu formulieren, der

zeitgemäß und zugleich zeitlos war.134 „Für ihn war der Mensch nicht Träger

psychischer Befindlichkeiten (wie etwa im Expressionismus), auch nicht Repräsentant

bestimmter sozialer Milieus (wie z.B. bei Dix oder Grosz). Entkleidet von allen

physiognomischen, psychologischen und sozialen Differenzierungen, wird der Mensch

von Schlemmer auf die essentielle Urform zurückgeführt und mithin in eine ››idolhafte

Sphäre‹‹ entrückt.“135 Schlemmer war der Einzige, der den Mensch konsequent zum

Thema in seiner Kunst und Lehre machte.136 Zwischen 1915 und 1919 schuf er Bilder,

die Abstraktionen der menschlichen Figur zeigen, wobei die Körper oft formelhaft

schon eine kompliziertere Form. Die fertiggegossenen Teile tragen sie zu einem großen Tisch – ein Festzug. Nun erscheint der Meister. Er nähert sich dem Tisch und beginnt mit diesen Formen ein Zauberspiel. Das hierher, das dorthin. In vollkommener Stille entsteht eine Skulptur. Dann spielen Hobel und Meißel ihre Musik; Überflüssiges wird abgeschnitten, die Fläche poliert. Jene von Schlemmers Figuren, die ihr besonders gefielen, zeichnete Friedl Dicker-Brandeis nach. Alles an ihnen schien sich zu bewegen! Sie drehten sich, tanzten, hüpften, flogen förmlich heraus aus dem Blatt. Die Künstlerin vertiefte sich in Schlemmers dickliche Dreieck-Kugel-Kuben, die er mit der virtuosen Leichtigkeit eines Zauberers um ihre Achse schwang[...].“, Ebd. S. 18. 129 Vgl. Wick 1982, S. 271. 130 „Der Mensch“ als Publikation kannte Friedl Dicker zwar nicht, da es erst wesentlich später veröffentlicht wurde. Auch die direkten Inhalte gab Schlemmer erst nach 1923 (in Dessau) an seine Schüler im Unterricht weiter, aber es ist davon auszugehen, dass er zu jeder Zeit, sowohl im Unterricht, als auch in den Werkstätten seinen Ideen Ausdruck verlieh. 131 Schlemmer 1969, S.41. 132 Vgl. ebd., S. 42. 133 Ebd., S. 42. 134 Vgl. Wick 1982, S. 250. 135 Ebd., S. 250. 136 Vgl. ebd., S. 250.

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reduziert sind und die typische „Violinkontur“ aufweißen.137 Ab 1922 tritt Räumlichkeit

und Körperhaftigkeit in seine Gemälde. Die Figuren sind plastisch gerundet und

befinden sich in perspektivischen Räumen.138

3.1.2.3. Georg Muche (1895 - 1987)

Georg Muche wurde 1919 ans Bauhaus berufen.139 Er hielt sich also zur selben Zeit,

wie Friedl Dicker-Brandeis in Weimar auf. Da ist es nicht auszuschließen, dass sie sich

auch mit seinem Werk auseinander setzte. 1913 malte Muche sein erstes abstraktes

Bild.140 Schon da wird der Grundstein zu den Kriterien deutlich, welche ab 1916

Muches Malerei bestimmten: „Abkehr von jeder gegenständlich begründeten oder

festgefügten ‚Flächenkomposition’ und ‚Hinwendung zu schwebenden Farbformen und

ihren Überstrahlungen’.“141 Muche bemüht sich, den Bildraum allein durch die Farben

zu definieren und durch Farbkontraste eine Harmonie zu erreichen. Die Farbe bestimmt

den Aufbau des Bildes.142

Ab 1915 wird Muches Malerei vollkommen abstrakt.143 Bei seinen Kompositionen griff

er meistens auf die Farben Rot, Gelb, Blau und Grün und auf Schwarz und Weiß

zurück, welche er unvermischt verwendet.144 Von 1916 an wandelt sich der

geometrisch-konstruktive Bildaufbau hin zu den bereits erwähnten „schwebenden

Farbformen und ihren Überstrahlungen“.145 Teilweise sind die Farbnebel eingebettet in

Gittermotive, teilweise schweben sie frei im Bildraum. In den Bildern von 1916 findet

sich „der Kontrast zwischen verfestigten Rundformen und Flächengebilden mit

„flüssigen“ Farbnebeln und undefinierbaren Bildräumen“ wieder.146 In den Jahren 1919

bis 1920 kehrte Muche zur Gegenständlichkeit zurück.147 Es entstanden Bilder, die

sowohl die Farbflächen und Farbnebel, als auch gegenständliche Elemente enthalten.

3.1.2.4. Fernand Léger (1881 – 1955)

Von Léger sollen an dieser Stelle die Werke der Jahre 1910 –1923 Berücksichtigung

finden. Léger setzte sich zwischen 1910 und dem 1. Weltkrieg mit dem Kubismus 137 Vgl. ebd., S. 252. 138 Vgl. ebd., S. 254. 139 Vgl. Muche 1950, S. 9. 140 Vgl. Busch 1984, S. 136. 141 Ebd., S. 137. 142 Vgl., ebd., S. 137. 143 Vgl. ebd., S. 139. 144 Vgl. ebd., S. 142. 145 Vgl. ebd., S, 143. 146 Ebd., S. 138. 147 Vgl. ebd., S. 153.

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auseinander.148 Doch hielt er, im Gegensatz zu den Kubisten stärker am

Gegenständlichen und an der körperhaften Form fest.149 Von 1912 bis 1914 entwickelte

Léger seine eigene Form des Kubismus, „jenem ›tubisme‹, der seinen ironischen Namen

den tubenförmigen, rohrförmigen Elementen verdankt“.150 Die Formen sind

gegenständlich und eindeutig als das zu erkennen, was sie darstellen sollen. „Ein Baum

ist da ein Baum, ein Haus ist da ein Haus; auf der Ebene der Form: eine Kugel ist eine

Kugel, ein Quader ist ein Quader, ein Zylinder ist ein Zylinder; auf der Ebene der

Farben: ein Blau ist ein Blau, ein Rot ist ein Rot.“151 Seine Figuren setzten sich aus

Formen, aus abstrakten Volumina zusammen152. Légers Meinung nach, sollten alle

Gegenstände und Figuren als reine Bildwerte betrachtet werden.153 Auch die farbigen

Formen wurden zu Objekten. Er wollte, dass man die reinen Formen wie Dinge

behandelt.154

Seine Auseinandersetzung mit den reinen geometrischen Formen basiert auf dem

Interesse für Maschinen einerseits und andererseits auf Erlebnissen während des

Krieges, wobei ihn die metallische Form von Kanonenrohren sehr faszinierte.155 Für ihn

war die Hinwendung zum Gegenstand entscheidend, „die Hinwendung zur Realität, zur

modernen Realität“ und „die Einheit des Statischen und des Dynamischen“.156 „Die

Ausdrucksmittel mussten ›rein‹ bildnerische, den Bildgesetzen abgewonnene sein.“157

Um 1920 endete seine mechanische Periode und der Mensch und Natur wurden wieder

thematisiert.158

3.1.2.5. Konstruktivismus und russische Avantgarde

Zu Beginn der 20er Jahre kam es zu einer europaweiten Avantgardebewegung – der

Konstruktivismus – dessen Einfluss sich auch das Bauhaus nicht entziehen konnte.159

Obwohl sich Friedl Dicke nicht direkt am Konstruktivismus orientierte, soll an dieser

Stelle doch kurz darauf hingewiesen werden, da in einigen Studien teilweise

konstruktivistische Tendenzen zu erkennen sind. Die Konstruktivisten wollten die

148 Vgl. Schmalenbach 1977, S.9. 149 Vgl. ebd., S. 9. 150 Ebd., S. 9. 151 Ebd., S. 9/10. 152 Vgl. ebd., S.12. 153 Vgl. ebd., S. 13. 154 Vgl. ebd., S. 13. 155 Vgl. ebd., S. 13 – 16. 156 Ebd., S. 15. 157 Ebd., S. 19. 158 Vgl. ebd., S. 25. 159 Vgl. Hoffmann 2008, S. 12/13, 14.

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Kunst auf elementare Formen reduzieren.160 Auch der Verzicht auf den Gegenstand in

der Malerei war ein wichtiges Kriterium.161

Auch Kandinsky setzte sich mit dem Konstruktivismus auseinander, doch er bevorzugte

die abstrakte Kunst, da sie sich an den Gesetzen der Natur orientierte. Und die Natur, so

meinte Kandinsky, dient als Vorbild für die Einheit von freier und geometrischer

Konstruktion.162 Ein weiterer Künstler der russischen Avantgarde, von dem Friedl

Dicker-Brandeis’ Werke beeinflusst sein könnte, war Alexander Rodtschenko. Vor

allem seine Kompositionen mit geometrischen Figuren sind von Bedeutung.

3.1.3. Das Werk

Wie bereits erwähnt, strömten am Bauhaus die unterschiedlichsten Einflüsse auf Friedl

Dicker ein. Sie bewegt sich dort in einem Umfeld, aus dem die traditionelle Malerei, die

in den Akademien gelehrt wurde, verbannt war. Die Künstler suchten nach immer neuen

Ausdrucksweisen. Da die Fotografie nun das naturgetreue Abbilden von Mensch und

Natur übernahm, verlagerten sich die Prioritäten der Künstler. Nun rückten die der

Malerei eigenen Mittel Farbe und Form in den Mittelpunkt.163 Die Künstler versuchten,

wie Kandinsky es forderte, nach der „inneren Notwendigkeit“ zu gestalten.164

Diese Beschäftigung mit Form und Farbe führte bei manchen Stilrichtungen in die

völlige Abstraktion, wie das zum Beispiel bei den russischen Konstruktivisten der Fall

war.165 Viele Künstler jedoch, wie auch Kandinsky, kamen wieder zum

Gegenständlichen zurück.166 Es wurde aber versucht, das Gegenständliche und vor

allem den Menschen auf das Wesentliche zu reduzieren.

Außerdem darf nicht vergessen werden, dass es die eigentliche Idee des Bauhauses war,

Künstler und Handwerker in einer Person auszubilden. Das was am Bauhaus gelehrt

wurde, diente also auch der Ausbildung der handwerklichen Fähigkeiten, zumindest der

Ausbildung zum sicheren Umgang mit Formen und Farben, wie im Bereich der

angewandten Kunst von Notwendigkeit war.

Da die Werke Friedl Dickers aus der Bauhauszeit so zahlreich und auch so vielfältig

sind, soll hier nur eine Auswahl gezeigt werden. Die Werke, die am interessantesten

160 Vgl. ebd., S. 111. 161 Vgl. ebd., S. 112. 162 Vgl. ebd., S. 72. 163 Vgl. Eberle 1989, S. 10. 164 Vgl. ebd., S. 10. 165 Vgl. Schneede 2001, S. 119. 166 Ebd., S. 119.

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sind und am deutlichsten eine Auseinandersetzung Dickers mit anderen Künstlern

zeigen, sollen noch näher erörtert werden.

3.1.3.1.Porträts

Die Porträts sind sehr dynamische Zeichnungen, scheinbar Momentaufnahmen, doch

sind sie viel mehr als das. Friedl Dicker-Brandeis hat es geschafft mit nur wenigen,

dynamischen Strichen die Person zu charakterisieren, die sie porträtierte. Die Porträts

sind nicht naturalistisch, sondern heben mit nur wenigen Details das Charakteristische,

die Merkmale und Eigenheiten der dargestellten Person hervor. Mag sein, dass es

spontane Zeichnungen oder besser Skizzen sind, die aber mit nur wenigen Strichen sehr

viel ausdrücken. Friedl Dicker-Brandeis hat hier bewiesen, dass sie nicht nur die

handwerklichen Fähigkeiten besitzt, sondern dass sie ein Auge für Formen und

Schattierungen hatte und, was fast wichtiger ist, ein Auge für den Menschen hinter der

äußeren Form. Damit hätte sie das geschaffen, was Klee forderte – durch Reduktion das

Wesentliche darzustellen, deutlicher auszudrücken, was man vermitteln möchte, das,

was die Natur nicht kann.

Beeinflusst wurde die Art, wie sie die Porträtskizzen anfertigte, sicherlich auch durch

die Rhythmusübungen im Unterricht von Johannes Itten. Auch eine Auseinandersetzung

mit Hell-Dunkel-Kontrasten, wie sie in Ittens Vorkurs gelehrt wurde und die

Wiedergabe des Wesentlichen bzw. des Wesens, wie Itten es bei der Analyse Alter

Meister forderte, werden deutlich.

Das erste Porträt, welches um 1920 angefertigt wurde (Abb. 1), zeigt eine Frau mit

einem ausdrucksstarken Gesicht, welches von ihrem kürzeren Haar in großen Wellen

gerahmt wird. Ihre Augen liegen weit auseinander und sind halb geschlossen. Von ihren

schwungvoll geformten Augenbrauen ist die linke erhoben, was ihrem Blick etwas

Stolzes, Selbstbewusstes verleiht. Ihre Nase ist kantig, die Lippen schmal und das Kinn

ausgeprägt. Friedl Dicker-Brandeis gelang es mit wenigen Strichen die

charakteristischen Merkmale der Frau hervorzuheben. Dargestellt ist nur das

Wesentliche. Gezeichnet ist das Porträt sehr schwungvoll. Augen, Mund und Nase sind

nur mit wenigen Strichen wiedergegeben.

Das zweite, ebenfalls um 1920 datierte Porträt (Abb. 2) zeigt einen Mann. Sein Kopf ist

leicht geneigt, sein Mund zum Sprechen geöffnet. Seine Augen sind geschlossen, seine

Augenbrauen in der Mitte nach oben gezogen. Sein Haar ist nur an den Seiten

dargestellt. Er wirkt traurig und müde. Bei dieser Zeichnung fehlen die Konturen fast

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gänzlich. Modelliert ist hier mit Hell-Dunkel-Kontrasten. Durch diese Modellierung, bei

der die Schatten über den Augen am auffälligsten sind, wirkt das Gesicht fast

karrikaturhaft, wie eine Maske. Auffällig bei diesem Porträt ist ein Mittel, welches

Friedl Dicker-Brandeis noch bei anderen Bildern und Zeichnungen anwandte. Es ist das

Mittel des Weglassens. Bei dieser Zeichnung hat sie den gesamten Hinterkopf des

Mannes nicht ausgeführt. Hierfür könnten einige Gemälde Oskar Schlemmers als

möglicher Einfluss gezeigt werden, in denen er nur Teile des dargestellten

Gegenstandes oder der dargestellten Person ausführt. Zwei Bilder sollen hier als

Vergleich dienen: zum einen „Tisch – Stühle“ von 1914 (Abb. 3) und zum anderen

„Kopf mit Tasse“ von 1923 (Abb. 4).167 Bei beiden Bildern wird das Mittel des

Weglassens deutlich. Schlemmer arbeitet ohne Konturen und modelliert das

Dargestellte nur mit Hell-Dunkel-Kontrasten, genau wie man es bei Dickers Bild, wenn

auch nicht ganz so ausgeprägt, beobachten kann.

3.1.3.2.Landschaften

Die Landschaften Friedl Dickers, die während ihrer Bauhauszeit entstanden sind, sind

skizzenhafte Kohlezeichnungen. Sie sind, ähnlich wie die Porträts, reduziert mit nur

wenigen charakteristischen Details. Auch hier arbeitete Dicker wieder hauptsächlich mit

Schattierungen, Hell-Dunkel, Licht und Schatten, Gestaltungsmittel also, die auf die

entsprechenden Übungen in Ittens Vorkurs zurückzuführen sind.

Als ein Beispiel soll eine, auf ca. 1920 datierte Landschaft (Abb. 5) dienen. Im

Vordergrund sieht man eine ebene Landschaft, die den Blick auf einige Hügel im

Hintergrund freigibt. Die einzigen Details sind im linken Vordergrund ein paar

Grashalme und ein Haus links im Hintergrund. Das besondere an diesem Bild ist das

Licht-Schatten-Spiel am Himmel. Hinter großen dunklen Wolken ist die Sonne zu

erahnen, die dahinter hervorstrahlt. Ihre Strahlen gehen hinab bis zum Boden. Friedl

Dicker ist es hier gelungen durch das Spiel von dunklen Flächen und hellen Akzenten

ein atmosphärisches Bild zu schaffen.

3.1.3.3.Studien

Die Werke Friedl Dickers, die hier allgemein unter Studien zusammengefasst sind,

machen den größten Teil des Bauhaus-Oeuvres aus. Es sind Studien, die wahrscheinlich

167 Da Friedl Dickers Porträt nicht eindeutig datiert werden kann, aber auf jeden Fall während ihrer Zeit am Bauhaus, also bis 1923, entstanden ist, kann durchaus auch Schlemmers 1923 entstandenes Bild „Kopf mit Tasse“ als Vergleich herangezogen werden.

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in erster Linie auf den Unterricht in Ittens Vorkurs zurückzuführen sind. Sie lassen sich

in verschiedene Kategorien unterteilen – Form- und Farbstudien, geometrisch-

graphische Studien und weitere Studien, welche keinen einheitlichen Stil erkennen

lassen. Die Form- und Farbstudien nahmen einen wichtigen Platz im Bauhaus-

Unterricht ein. So ließ Itten, wie schon erwähnt, verschiedene Übungen zu den

geometrischen Grundformen, zu Hell-Dunkel- und zu Farbkontrasten durchführen. Die

vorliegenden Studien sind, sofern sie nicht aus dem Unterricht bei Itten stammen, doch

zumindest davon beeinflusst. Einen weiteren Einfluss stellen die unterschiedlichen

Künstler dar, mit denen Friedl Dicker-Brandeis am Bauhaus in Berührung kam. Sowohl

in der formalen, als auch in der farblichen Gestaltung dürften manche als Vorbild

gedient haben. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den im Folgenden gezeigten

Bildern, um Studien und wahrscheinlich nicht um autonome Kunstwerke. Daher kann

man die möglichen Einflüsse nicht immer detailliert nachweisen, sondern oftmals nur

vermuten.

Die erste Studie, die näher betrachtet werden soll, ist eine zwischen 1919 und 1923

entstandene Form- und Tonstudie (Abb. 6). Auf dunkelgrauem, fast schwarzem

Hintergrund befinden sich verschiedene Kreise bzw. Kreissegmente. Am auffälligsten

sticht eine Dreiergruppe ins Auge. Auf einer grauen, runden Scheibe ist ein hellroter

Dreiviertelkreis gemalt. Links von diesem und zu fast einem Viertel von diesem

bedeckt, befindet sich ein weißer Kreis. Von dieser Gruppe ausgehend verläuft ein

schwarzer „Strahl“ bis in die rechte untere Ecke. Auf diesem befindet sich wieder ein

hellerer, grauer Kreis. Links neben dem kleinen grauen Kreis, sieht man, zum Teil

verdeckt von dem schwarzen Band, einen schwarzen Kreis.

Entstanden ist diese Studie wahrscheinlich im Vorkurs von Itten, im Rahmen der

Kontrastübungen. In diesem Zusammenhang könnte der Zweck dieser Studie gewesen

sein, den Kontrast zwischen dem dunklen Hintergrund und den verschiedenfarbigen

Kreisen und Kreissegmenten zu untersuchen, die teilweise wesentlich heller, teilweise

aber auch dunkler als der Hintergrund sind. Auch die Anwendungen der Vorübungen zu

den Kontrasten, wie die Tonskalen oder die Hell-Dunkel-Akkorde werden hier deutlich.

Wir haben die Elemente der Hell-Dunkel-Tonskala – von Weiß über Grau bis zu tiefem

Schwarz – vor uns. Zu dem Hell-Dunkel-Kontrast kommt noch der Kontrast der

Nichtfarben Schwarz und Weiß (und Grau als deren Mischung) zu Rot. Es könnte sein,

dass bei der Studie auch untersucht werden sollte, wie die Farben aufeinander wirken,

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wie der rote Dreiviertelkreis beispielsweise sowohl auf dem Grau als auch neben dem

Weiß zur Geltung kommt.

Es finden sich bei dieser Studie noch zwei weitere Aspekte, bei denen die Einflüsse

außerhalb des Itten-Vorkurses zu suchen sind. Zum einen ist es der Aspekt der Form,

zum anderen der des Lichtes.

Lenkt man den Blick auf die Formen, kann man deutlich abstrakte, sogar

konstruktivistische Einflüsse erkennen. Die Kreise überlagern sich und überschneiden

sich, wodurch wieder andere Formen entstehen. Neben den Kreisformen finden sich

auch gerade Linien. Als Vergleich sollen zwei Kompositionen von Alexander

Rodtschenko dienen. Die „Komposition Nr. 86“ von 1919 (Abb. 7) weißt die größte

Ähnlichkeit auf. Zum einen findet sich hier auch ein dunkler, fast schwarzer

Hintergrund, zum anderen ebenfalls der Kontrast von Hell und Dunkel. Auch formal ist

der Einfluss deutlich erkennbar. Kreissegmente, die sich überlagern, sind über eine

Konstruktion aus verschiedenen Rechtecken gelegt.

Als ein weiterer formaler Vergleich soll die „Komposition Nr. 100“ von 1920 (Abb. 8)

von Rodtschenko herangezogen werden. Die Ähnlichkeit ist hier nur formal zu

erkennen. Wieder findet sich hier die Überlagerung von verschiedenen geometrischen

Formen und deren Überschneidung. Als eine formale Gemeinsamkeit könnte man den

roten Kreis in der Mitte sehen, von dem aus verschiedene rechteckige Formen als

Strahlen abgehen.

An diesem Bild soll noch der zweite Aspekt verdeutlicht werden, der bereits

angesprochen wurde – die Verwendung von Licht. Bei Dickers Komposition fällt

deutlich auf, dass die einzelnen Segmente von Lichtlinien bzw. Schatten umgeben sind.

Der Einsatz von Licht und Schatten ist auch bei Rodtschenkos „Komposition Nr. 100“

erkennbar.

Als nächstes soll hier eine Gruppe von Studien behandelt werden, die sich alle mit dem

selben Thema befassen – Anna Selbdritt. Es ist anzunehmen, dass zumindest einige

dieser Studien Vorstufen zu der Skulptur Anna Selbdritt von 1921 (Abb. 18) sind.

Die ersten beiden Studien (Abb. 9 und Abb. 10), beide um 1920 entstanden, sind nicht

eindeutig als Darstellungen der Anna Selbdritt erkennbar, deuten in ihrer Form jedoch

darauf hin.

Bei der ersten Studie (Abb. 9) sind die Konturen von drei Personen bzw. Figuren zu

erkennen. Der Kopf der hinteren, größten Person ist im Profil dargestellt. Auf halber

Höhe dieser Person erscheint ein Kind in Schneidersitzposition. Es streckt die Arme

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nach einer dritten Figur aus. Diese dritte und kleinste Figur ist komplett rot koloriert

und setzt sich aus drei stilisierten Teilen zusammen – einem Kreis als Kopf und jeweils

einer Herzform als Körper und als Beine.

Bei der zweiten Studie (Abb. 10) ist das Gesicht der hinteren Figur en face zu sehen. Es

sind ebenfalls drei Figuren dargestellt, wobei diesmal die mittlere rot ist. Bei dieser

Studie kommt noch eine weitere Ebene dazu – der Hintergrund. Links neben der

Figurengruppe hat man Ausblick in eine Landschaft mit eine grünen Wiese , einem

roten Berg und einem grauen Himmel.

Der augenscheinlichste Einfluss geht von Schlemmer aus. Seine herzförmig (oder

violinförmig) gestalteten Figuren (Abb. 11 und 12) waren mit hoher Wahrscheinlichkeit

Vorbild für Friedl Dickers Figuren. Am deutlichsten ist der Einfluss an der

herzförmigen Schulterpartie zu erkennen. Die hintere Figur von Dickers Studie (Abb.

10) erinnert durch ihren herzförmigen Rumpf ebenfalls an Schlemmer, aber sie hat auch

große Ähnlichkeit mit einer anderen Skizze Friedl Dickers, die bereits 1918 entstanden

ist (Abb. 13). Der sorgenvolle Gesichtsausdruck ist fast derselbe und auch die Schulter-

und Armpartie ist fast gleich.

Das formale Vorbild für Dickers kolorierte Skizzen, sind eindeutig die Werke

Schlemmers, für die farbliche Gestaltung ist dies nicht so eindeutig zu sagen. Zum einen

könnte hier wieder die Lehre zu den Farbkontrasten, wie sie sich bei den

Bauhausmeistern findet, herangezogen werden. Bei der ersten Skizze (Abb. 9) wäre auf

das Nebeneinander von den Primärfarben Rot und Blau hinzuweisen und das

Nebeneinander der Sekundärfarben Grün und Violett. Bei der zweiten Studie (Abb. 10)

fällt der Komplementärkontrast zwischen Rot und Grün im Hintergrund ins Auge.

Für den Stil der farblichen Gestaltung, besonders für die der zweiten Studie (Abb. 10),

könnten die Bilder „Für Wilhelm Runge“ von 1916 (Abb. 14) und „Komposition Null“

von 1913 (Abb. 15) von Georg Muche dienen. Wie Muche verwendet Dicker-Brandeis

in ihren Skizzen kräftige Farben, die teilweise eine bestimmte Form beschreiben,

teilweise als farbige Flächen für sich stehen bzw. Formen flüchtig kolorieren. Doch da

es sich bei den vorliegenden Werken um unvollständige Skizzen handelt, kann der

soeben erörterte Vergleich nur eine konstruierte Vermutung darstellen.

Die nächste Studie, auf 1921 datiert, (Abb. 16) ist eindeutig als Vorstufe zu der Skulptur

(Abb. 18) zu erkennen. Dargestellt ist ein perspektivisch nicht perfekter Raum, von dem

nur zwei Wände in kräftigen Farben (blau und grün), der Boden sowie die Decke zu

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sehen sind. In diesem Raum ist ein Figurenensemble gesetzt, welches aus

dreidimensionalen Körpern (Kugeln, Zylinder, Röhren) zusammengesetzt ist.

In der Mitte sitzt eine schwarze Figur auf einem weißen Tuch, welches über eine

Konstruktion aus roten Röhren gespannt ist. Ihr Kopf, der wie es scheint auf einem

schwarzen, zylindrischen Hals sitzt, ist nach vorn geneigt. Auf den Beinen der

schwarzen Figur sitzt eine kleinere, weiße, deren Arme und Kopf erhoben sind. hinter

dem oberen Teil der schwarzen Figur ist noch eine weitere, kleine, rote Figur zu

erkennen.

Eine weitere wahrscheinliche Vorstufe ist die um 1920 entstandene Studie (Abb. 17).

Man erkennt wieder in der Mitte eine sitzende schwarze Figur, auf deren Beinen eine

kleinere, diesmal rote Figur sitzt und die Arme erhoben hat. Hinter der schwarzen Figur

ist eine silberne Figur auszumachen und über allen schwebt noch eine kleine, dunkle

Figur scheinbar von oben herab. Das besondere an diesem Entwurf ist die Verwendung

verschiedener Materialen. Die silberne Figur ist tatsächlich aus silberner Folie

ausgeschnitten und aufgeklebt und die schwebende Figur scheint aus Kupferfolie

gearbeitet zu sein. Collagen aus verschiedenen Materialien, wie dies eine ist, war auch

Teil des Unterrichts bei Itten.

Den Abschluss dieser Gruppe von Studien bildet die Skulptur Anna Selbdritt von 1921

(Abb. 18). Es ist wahrscheinlich die einzige Plastik, die Friedl Dicker-Brandeis

anfertigte. Leider ist sie nur durch ein Foto belegt. Die Figurenkonstellation ist dieselbe,

wie auf der vorangegangenen Studie.

Hintergrund der Studien Abb. 14 und 15 und der Skultpur Abb. 16 ist natürlich die

Beschäftigung mit geometrischen Formen und v.a. Körpern, wie sie in Ittens Vorkurs

stattfand. Als ein weiterer Einfluss kann aber auch Fernand Léger genannt werden, der

sich schon vor den Zwanziger Jahren mit der Darstellung von Menschen aus reduzierten

geometrischen Formen beschäftigte. Deutlich zu erkennen ist dies auf seinem Bild

„Mann mit Hund“ von 1921 (Abb. 19). Auch bei seinen menschlichen Figuren sind

Rumpf und Gliedmaßen durch Zylinder und der Kopf durch eine Kugel dargestellt.

An dieser Stelle soll auf eine Gruppe von Kompositionen hingewiesen werden, die man

als geometrisch-graphische Kompositionen bezeichnen könnte. Sie bestehen aus

geometrischen Elementen, aus Buchstaben und Schriftzügen, die teilweise in

geometrischen Formen angeordnet sind und aus diversen Mustern. Die Komposition

von ca. 1920 (Abb. 20), eine Einladungskarte für Helge Lindbergs Konzert, beinhaltet

neben geometrischen Elementen, auch Buchstaben und Noten. In der Mitte sind die

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Umrisse eines halben Streichinstrumentes zu erkennen, vielleicht eines Cellos. Oberhalb

davon, auf der linken Seite, kann man einen Kopf im Seitenprofil erkennen, an dessen

linker Seite der Schriftzug „Helge“ zu lesen ist. Die mittlere Linie des Cellos und die

Linie, auf der der Kopf sitzt bilden zwei Seiten eines Dreiecks, dessen dritte Seite als

stilisierter Arm erkennbar ist, der scheinbar mit einer Note anstatt eines Bogens das

Cello spielt. Auf gleicher Höhe des Kopfes, rechts von dem Cello, zieht sich eine

Notenzeile halbkreisförmig nach unten. Im unteren Drittel sind verschiedengroße

Buchstaben (BERG) zu erkennen.

Vergleichbar sind die beiden Kompositionen mit Werken Kandinskys, wie zum Beispiel

„Der blaue Kreis“ von 1922 (Abb. 21) und „Ohne Titel“ von 1922 (Abb. 22). Auch hier

finden sich verschiedene Formen (teils geometrische) und Muster, die zueinander in

Bezug stehen, miteinander Verbunden sind, aber dennoch frei im Raum schweben bzw.

den Raum vollständig negieren. Es sind abstrakte Kompositionen, die verschiedene

Assoziationen zulassen. Friedl Dicker verwendet neben geometrischen Elementen auch

freie Elemente, genau wie Kandinsky. Die einzelnen Elemente hängen zwar alle

untereinander zusammen, sind untereinander verschlungen, schweben jedoch frei auf

der Bildfläche, ohne jeden räumlichen Bezug. Auch Dickers Kompositionen sind

abstrakt. Nur durch Hinweise im Bild – zum Beispiel die Noten oder Schriftzüge – kann

man erahnen, was das Dargestellte bedeuten soll.

Ein weiteres Werk dieser Reihe, die eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten

der künstlerischen Verwendung von Buchstaben darstellt, ist eine Einladung für eine

Lesung mit Else Lasker Schüler aus dem Jahr 1920 (Abb. 23). Das Auffälligste bei

diesem Entwurf ist das Spiel mit dem Namen „Else Lasker Schüler“. Friedl Dicker-

Brandeis experimentiert hier mit verschiedenen Schriften. Zum einen sind die

Buchstaben sehr plakativ und konstruiert, wie es bei den im Kreis angeordneten

Buchstaben in der Mitte deutlich wird, bei denen sich Schwarz und Weiß in der

Farbgebung abwechseln, bedingt durch die Sternform, welche über das Geschriebene

gelegt ist. Zum anderen gibt es Buchstaben, die sehr filigran geschrieben sind. Umgeben

sind diese verschiedenen Schriften von einer abstrakten Form, aus der pflanzenähnliche

Formen zu wachsen scheinen. Die Auseinandersetzung mit der künstlerischen

Darstellung von Schrift ist am Bauhaus kein Einzelfall. So kam Friedl Dicker auf jeden

Fall damit in Berührung, als sie u.a. mit Itten 1921 an der Gestaltung dessen „Utopia“

arbeitete (Abb. 24). Auch hier sind die Wörter in unterschiedlichen Schriften dargestellt

und bilden teilweise eine Form (das geschwungene Schriftband links oben).

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Doch auch Klee beschäftigte sich mit der künstlerischen Gestaltung von Texten bzw.

mit dem künstlerischen Einsatz von Buchstaben. Als Beispiel dafür sollen seine Werke

„Fragmentarisches Aquarell“ von 1918 (Abb. 25) und „Die erhabene Seite“ von 1923

(Abb. 26) dienen. Klee spielt hier mit der Form der Buchstaben und Wörter, wie bei

„Die erhabene Seite“ oder umgibt die Buchstaben mit verschiedenen Mustern, wie bei

dem „Fragmentarischen Aquarell“.

3.1.3.4. weitere Werke am Bauhaus

In diesem Kapitel sollen einige Werke vorgestellt werden, die in ihrer Komplexität über

die Studien hinausgehen. Es sind zwar auch Studien oder Entwürfe, doch haben sie den

Charakter von autonomen Bildern oder Vorstufen dazu, wenn auch teilweise

unvollendet. In diesen Bildern zeigt sich sehr stark Friedl Dickers Beschäftigung mit

den Form- und Farblehren, mit denen sie am Bauhaus konfrontiert war und die

Auseinandersetzung mit anderen Künstlern. Die folgenden Werke sind neben den

Studien, die Aufschluss über die unterrichteten Lehren geben, die interessantesten

Werke Friedl Dickers am Bauhaus.

Die ersten beiden Bilder habe das gleiche Thema, es sind vielleicht sogar zwei

Versionen des gleichen Bildes bzw. von Vorstufen zu einem Bild. Es sind die um 1920

entstandenen Kompositionen „Sitzender mit Flügeln I und II“ (Abb. 27 und 28).

Bei der „Komposition Sitzender mit Flügeln I“ (Abb. 27) sind die Körperteile der

Person nur zu erahnen. Der Kopf scheint leicht nach vorn geneigt zu sein. Details wie

Augen, Nase und Mund sind nicht erkennbar. Unterhalb des Kopfes befinden sich zwei

flügelähnliche Gebilde (mit blauem Rand ...), von denen eines vor und eines hinter dem

Körper angelegt ist. Der Körper geht über in zwei Spiralen, die eine Hose darstellen

könnten, aus der zwei dünne Beine hervorragen, die verschränkt sind. Um den Körper

herum sind noch weitere Flügel angebracht, die meist in einer Spirale enden. Es sind

höchstwahrscheinlich Flügel, wenn man vom Titel der Komposition ausgeht. Das Bild

hat den Charakter einer Skizze. Die grob vorgezeichneten Konturen sind nur flüchtig

koloriert. Vorherrschend sind die Farben Blau und Rot in verschiedenen Schattierungen,

die Verbindung aus beiden Farben – Violett, und die „Nichtfarbe“ Schwarz. Ob die

weißen Flächen in der Farbsymbolik eine Rolle spielen, oder ob es nur unvollendete

Stellen sind, ist nicht eindeutig zu sagen.

Auch in der „Komposition Sitzender mit Flügeln II“ (Abb. 28) hat Dicke die oben

genannten Farben verwendet. In diesem Bild ist die Figur des Sitzenden schon

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deutlicher zu erkennen. Er hat seinen Kopf nach unten geneigt. Um seine Schulter legt

sich ein violetter Umhang (oder sind es zwei Flügel?).Vom Kopf scheint etwas

Rauchartiges nach oben zu steigen. Seine Hände sind nicht genau zu erkennen, es

könnte sein, dass er sie vor der Brust verschränkt hat. Die verschränkten Beine sind hier

deutlicher zu auszumachen als bei der ersten Komposition. Neben dem Körper sind

noch weitere Flügel dargestellt. Die beiden, die neben dem Kopf nach beiden Seiten

ragen, sind als Flügel zu erkennen, die anderen sind wieder zu Spiralen

zusammengerollt. Interessant ist die Farbgestaltung. Oben das Blau, in dem rechts und

links zwei weitere Figuren weiß eingezeichnet sind. Es sind zwei weitere geflügelte

Figuren, die sich in einem spiralförmigen Flug der sitzenden Person nähern. Die

Bewegung wird durch die Spiralen verdeutlicht, die sich jeweils neben den Figuren

befinden. Das kühle Blau (Kandinsky) wird durch die zwei schon erwähnten Flügel von

der unteren Zone getrennt. Diese untere Zone teilt sich wiederum in zwei Teile. Im

rechten Teil herrscht das warme Rot vor, im linken dominieren Schwarz bzw. dunkle

Farben und Weiß. Sie verwendet hier sowohl den Kontrast zwischen warmen und kalten

Farben, als auch den Kontrast zwischen Hell und Dunkel. Es könnte sein, dass die

weiße Fläche rechts unten auch mit Rot koloriert werden sollte. Wenn das so wäre,

würde der violette Umhang des Sitzenden die Harmonie zwischen dem „himmlischen“

Blau (Kandinsky) und dem „irdischen“ Rot darstellen.

Was das eigentliche Thema ist, bleibt unklar. Es könnte sich um die Darstellung eines

Engels, oder, wegen der vielen Flügelpaare, eines Cherubs, handeln. Darauf deutet

natürlich auch der Titel „Sitzender mit Flügeln“ hin.

Auf jeden Fall könnten die Kompositionen aus der Beschäftigung mit Formen und mit

den Farblehren, die von den verschiedenen Künstlern am Bauhaus gelehrt wurden,

resultieren. Friedl Dicker-Brandeis verwendet hier häufig das Motiv der Spirale. Die

Spirale spielt auch bei Itten, eine große Rolle. Für ihn ist es ein Darstellungsprinzip der

inneren Bewegung und steht bei ihm oft in Zusammenhang mit Schöpfung, mit Werden

und Entstehen.168

Auch die Verwendung der Farben deutet auf die intensive Beschäftigung mit den

Farbtheorien der Bauhausmeister, v.a. mit der Farbtheorie Kandinskys, hin. Sie

verwendet in erster Linie die Primärfarben Rot und Blau in verschiedenen

Schattierungen. Und auch die Nichtfarbe Schwarz spielt in den Bildern eine große

Rolle. Die farbliche Gestaltung weist auch wieder in Richtung Muche. Auch hier nutzt

168 Vgl. Helfenstein, Josef: Vom Weiß ins blaue Land der Gewissheit, In: Helfenstein 1984, S. 26, 29.

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Dicker wieder die reinen Farben, aber nicht gegenständlich, sondern zur diffusen

Kolorierung.

Bei der formalen Gestaltung ist der Eindruck von Dynamik sehr auffallend. Er entsteht

durch die Anordnung der „Flügel“, die entweder vom Körper weg, oder zum Körper hin

streben. Vergleichbar ist der Eindruck mit dem, den das Bild „Porträt der Yvonne

Landsberg“ (1914) (Abb. 29) von Henri Matisse vermittelt. Auch um die Frau auf

diesem Bild legen sich Linien, die aus ihrem Körper herauswachsen. Um den Körper

der Dargestellten herum äußert sich eine Dynamik, die aus dem Körper heraus

entstanden ist. Bei Dickers Werk entsteht diese Dynamik durch die Flügel, die aus dem

Körper heraus wachsen.

Ein weiteres Thema, dass Friedl Dicker um 1920 in verschieden Versionen bearbeitet

hat, ist das des „Flirtenden Paares“ (Abb. 30, 31 und 32). Auf dem Bild „Flirtendes

Paar I“ (Abb. 30) sind zwei Personen bzw. Figuren abgebildet, was allerdings nur

schwer zu erkennen ist. Die linke Person läuft nach links und zeigt mit dem Arm in

diese Richtung zu einem Punkt, der sich außerhalb des Bildes befindet. Auf dem

schwarzen Kopf dieser Figur zeichnet sich nur der Mund ab. Sie dreht sich nach hinten

zu einer zweiten Figur, die rechts von ihr steht. Am orangefarbenen Kopf dieser Person

sind nur ein schwarzes Ohr, welches sich nahe am Mund der ersten Person befindet und

ein Auge, das halb von einem großen Hut bedeckt ist, dargestellt. Von der zweiten

Person sind sonst nur die Arme zu erkennen. Sie scheint etwas in ihren Händen zu

halten. Über ihrer Schulter trägt sie ein Tuch.

Auffallend ist, dass hier nur die notwendigsten Details dargestellt sind – Mund , Ohr

und Auge, - wobei das schwarze Ohr der zuhörenden Person in Verbindung mit dem

schwarzen Kopf der redenden Person stehen könnte. Wieder ist hier die Vorzeichnung

nur flüchtig koloriert. Der Hintergrund besteht nur aus farbigen, nebelähnlichen Flächen

(Rot, Braun, Grün, Blau, Gelb) die die zwei Figuren ähnlich einem Regenbogen

hinterlegen.

Bei der zweiten Version des Bildes „Flirtendes Paar II“ (Abb. 31) sind die Figuren

schon deutlicher zu erkennen. Die rechte Person, die „Zuhörende“ ist nun eindeutig als

weiblich zu erkennen, was deutlich wird an dem einen sichtbaren weißen Stiefel und an

dem Rock, der sich in Rüschen um ihre Hüfte legt. Die linke Figur, die „Sprechende“ ist

in ähnlicher Haltung dargestellt, wie in der ersten Version. Die farbliche Gestaltung ist

kräftiger und intensiver. Die Kolorierung der Köpfe ist dieselbe, der „sprechende“ Kopf

schwarz und der „hörende“ orange-rot.

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Auch in diesen (beiden) Bildern treten wieder zwei Merkmale hervor, die typisch für

Friedl Dicker sind – Dynamik und Reduktion. Auch sollte man die Verteilung der

Farben näher betrachten. Während der eine Kopf, der der „spricht“, in schwarz gehalten

ist, ist der andere, der hörende und sehende Kopf in einem freundlichen, lebendigen rot-

orange dargestellt. Somit hat Dicker ein Gegensatzpaar geschaffen, dem die Begriffe

männlich – weiblich, aktiv (sprechen) – passiv (hören), Hell – Dunkel zugeordnet

werden können.

Bei diesen Bildern, besonders bei „Flirtendes Paar II“, verweist Einiges auf eine

Auseinandersetzung mit den Theorien der Bauhausmeister, mit denen sich Friedl

Dicker-Brandeis beschäftigte. Die bereits erwähnten Gegensatzpaare deuten auf den

Einfluss Ittens hin, vor allem der Kontrast zwischen Hell und Dunkel, wie er sich in den

Köpfen zeigt. Doch die farbliche Gestaltung lässt noch deutlicher einen Einfluss der

Farblehren Kandinskys erkennen. Die hintere, sich weg bewegende Figur ist in blau

gehalten. Da, laut Kandinsky, Blau eine, vom Betrachter wegstrebende Farbe ist,

verstärkt dieses Blau also die eher nach hinten verlaufende Bewegung der Figur.

Demzufolge könnte man den roten Kopf, dessen Farbe ins Gelbe tendiert, als den

hervorstrebenden sehen.

Doch noch ein weiteres Prinzip kommt hier zum Einsatz. Es ist Klees Prinzip der

Bewegung. Die Figuren bewegen sich in verschiedene Richtungen. Diese

entgegengesetzte Bewegung wird durch das Zusammentreffen der Köpfe und ihre

symbolische Zusammengehörigkeit (durch die Attribute des Sprechens und Zuhörens)

ausgeglichen und harmonisiert. Damit wurde auch Klees dreiteilige Gesamtharmonie

angewandt. Die beiden Figuren an sich, sind zwei gegensätzliche Teile, sowohl in ihrer

Bewegungsrichtung, als auch in ihrer Farbigkeit. Doch durch die Beziehung der Köpfe

und das aufeinander Reagieren (Mund – Ohr, Sprechen – Zuhören) bilden sie ein

Einheit und gleichen somit den Gegensatz inhaltlich aus.

Doch hier könnte man auch Muche als mögliches Vorbild für die farbliche Gestaltung

heranziehen, v.a. sein Bild „Und das Licht schied von der Finsternis“ von 1916 (Abb.

33). Muches Bild besteht fast nur aus diffusen Farbnebeln in kräftigen Farben. Die

Anordnung der fast gegenständlichen Farbflächen ist dynamisch, sie scheinen im Raum

zu schweben. Auch die Farbnebel sind nicht lokal begrenzt, sondern breiten sich

teilweise über das ganze Bild aus. Dadurch wird der Eindruck von Dynamik vermittelt.

In Dicker-Brandeis’ Bilder kommen ebenfalls kräftige Farben zur Anwendung.

Während die Körper durch die Farbe geformt sind, besteht der Hintergrund lediglich aus

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verschiedenen, ebenfalls diffusen Farbflächen. Sowohl Farben, als auch die Formen

verleihen den Bildern einen Eindruck von Leichtigkeit und Dynamik.

Die Zeichnung zu dem Thema, „Flirtendes Paar III“ (Abb. 32) geht wahrscheinlich auf

die Formübungen zurück, die Friedl Dicker in Ittens Vorkurs anfertigen musste. Es ist

gut möglich, dass dies auch die erste Version ist. Auch hier sind die zwei Figuren zu

erkennen, diesmal jedoch reduziert auf die elementaren, dreidimensionalen

Grundformen Kugel und Zylinder. Der stilisierte Kopf der linken Figur hat als einziges

Detail wieder den Mund aufzuweisen, den er an das Ohr der rechten Figur hält. Diese ist

wieder, neben dem Ohr, durch das Auge und den großen Hut ausgezeichnet, welcher sie

wahrscheinlich als weiblich erkennbar machen soll. Ein großer Unterschied zu den

anderen Versionen besteht darin, dass die linke Person hier aufsichtig dargestellt ist,

während sie in den anderen Versionen immer von der Seite zu sehen ist. Die

Darstellung ist extrem stilisiert und reduziert, aber dennoch leicht erkennbar. Auch hier

könnte wieder Klees Grundsatz gelten, dass das, was der Künstler der Natur voraus hat

die Reduktion ist. Die Figuren sind soweit reduziert, dass sie nur noch das darstellen,

was mit dem Bild ausgesagt werden soll. Es wird deutlich, dass es sich um eine

Begegnung, ein Flirten, ein Kommunizieren von zwei Personen handelt. Für diese

Tätigkeit sind nur die Dinge wichtig, die dargestellt sind – Auge, Mund und Ohr.

Interessant ist auch, dass trotz der Geometrisierung des Motivs, was gleichzeitig eine

gewisse Starre mit sich bringen könnte, Friedl Dicker es geschafft hat, das Motiv

schwungvoll und dynamisch umzusetzen. (Das entspricht ihrem Stil ein Motiv zu

reduzieren und trotzdem dynamisch auszuführen.) Doch auch Kandinskys Lehren

könnten hier als möglicher Einfluss herangezogen werden, v.a. seine Schrift „Über das

Geistige in der Kunst“ worin es heißt „In einer Komposition also, wo das Körperliche

mehr oder weniger überflüssig ist, kann man auch dieses Körperliche mehr oder

weniger auslassen und durch rein abstrakte oder durch ganz ins Abstrakte übersetzte

körperliche Formen ersetzen.“169 Man könnte sagen, dass hier das Körperliche

ausgelassen wurde. Zwar sind die Elemente körperlich, d.h. dreidimensional dargestellt,

dennoch sind die daraus entstandenen Figuren abstrakt. Sie sind nur durch die Attribute

wie Auge und Ohr als quasi menschliche Figuren zu erkennen. Damit würde es aber

auch wieder Kandinsky entsprechen, der der Meinung war, dass, wenn man das

Gegenständliche weglässt, man sich eines Ausdrucksmittels beraubt170.

169 Kandinsky .1980, .S. 75 170 Ebd., S. 76.

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Wie bereits erwähnt, könnte diese Zeichnung in Zusammenhang mit den Formübungen

in Ittens Vorkurs entstanden sein. Aber es ist auch noch ein weiterer Einfluss möglich,

nämlich, wie schon bei der Skulptur „Anna Selbdritt“, Fernand Léger.

Als Vergleichsbeispiel für den formalen Aufbau der Figuren kann wieder „Mann mit

Hund“ (Abb. 19) angegeben werden. Allerdings gibt es drei entscheidende

Unterschiede. Zum einen sind die geometrischen Figuren bei Dicker dynamisch

angeordnet, des Weiteren zeigen die „Gesichter“ menschliche Züge (Mund, Auge,

Ohr), die jeweils ihren Tätigkeiten zuzuordnen sind (Sprechen, Hören und (An)Sehen)

und die Figuren sind sehr stark reduziert. Daher soll noch ein zweites Bild Légers als

Vergleich herangezogen werden – „Rauchender Soldat“ aus dem Jahr 1916 (Abb.

34)171. Auch bei dem dargestellten Soldaten sind Züge erkennbar, die ihn als

Individuum auszeichnen. Sein Gesicht ist dargestellt, in seinem Mund hält er eine

rauchende Pfeife und seine Hände sind erkennbar. Die erkennbaren Merkmale sind

wichtig für die Tätigkeit des Rauchens. Außerdem strahlt auch dieses Bild eine gewisse

Dynamik aus, durch die von der Pfeife aufsteigenden Rauchwolken. Eine Dynamik

also, die auch durch die drehende Bewegung bei den beiden Figuren in Dickers Studie

zu erkennen ist.

Eine eher ungewöhnliche Darstellung ist das Bild „St. Peter“, welches zwischen 1919

und 1923 entstanden ist (Abb. 35). Die dargestellte Landschaft breitet sich nicht in die

Bildtiefe aus, sondern formt ein scheibenartiges Gebilde, welches parallel zur Bildebene

verläuft. Auf diesem „Landschaftsball“ sind ländliche Szenen abgebildet. Im

Vordergrund, auf der uns zugewandten Seite dieser kleinen Welt, sieht man eine

Schafherde grasen. Oben auf der Scheibe sind einige Häuschen gruppiert, links davon

steht eine Mühle. Auf der linken Seite bewegt sich eine Person mit einem Tier (ein

Pferd?, ein Ochse, mit dem er das Feld bestellt?) nach oben. Die Perspektive ist hier

völlig außer Acht gelassen. Sämtliche Personen, Figuren und Gegenstände sind in

Seitenansicht dargestellt. Interessant sind die zwei Personen rechts unten. Sie scheinen

nicht zu dieser kleinen Welt zu gehören, sondern sie von außen zu betrachten.

Ähnlichen Darstellungen finden sich bei Kandinsky. Als Beispiele sollen hier „Glasbild

mit Sonne (Kleine Freuden)“ von 1911 (Abb. 36) und „Aquarell zur Radierung 1916 –

No. III“ von 1916 (Abb. 37) dienen. Auch hier gibt es keine Perspektive, alles ist in

Rundungen angeordnet. Durch die starken Konturen bei Kandinsky ist besser zu

erkennen, um was es sich jeweils handelt. Bei dem „Glasbild mit Sonne (Kleine

171 Die kubistischen Anklänge in diesem Bild werden außer Acht gelassen.

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Freuden)“ sind Figuren und Gebäude um Hügel herum angeordnet. Man könnte also zu

dem Schluss kommen, dass es sich bei Dicker ebenfalls um einen Hügel handelt, was

auch wiederum die zwei außenstehenden Personen erklären würde, die dann am Fuße

des Hügels stehen würden. Auch die Kolorierung ist bei Kandinskys Bild von 1911

ähnlich. Die Landschaftsteile sind nur teilweise flüchtig mit wolkigen, kräftigen Tönen

gefärbt.

Neben weiteren diversen Studien, Zeichnungen und Skizzen Friedl Dickers sticht ein

Werk noch besonders hervor. Die Komposition „Ohne Titel“, welche zwischen 1919

und 1923 entstanden ist (Abb. 38). Es könnte sich um einen Entwurf für einen

Wandbehang handeln. In einem schmalen, hochrechteckigen Format sind verschiedene

Ebenen untereinander geschichtet, auf denen jeweils eine Szene untergebracht ist. Die

erste, oberste Ebene ist mit einem Gittermuster unterlegt Die Verbindung zur zweiten

Ebene bildet ein großer Vogel. Auf dieser Ebene ist ein kleines Dorf mit Häusern,

einem Kirchturm, Wegen und Gleisen dargestellt. Die dritte Ebene bildet ein Wald

unterhalb dessen ein Weg zu sehen ist. Auf diesem befindet sich ein Schäfer mit seiner

Herde. Hinter ihm zieht ein Pferd zwei Wagen nach sich. Die nächste Ebene ist

schwerer zu deuten. Es könnte sich hierbei um den Himmel mit Wolken und einem

Schwalbenschwarm handeln. Die darunter befindliche Ebene beschäftigt sich mit dem

Thema Wasser. Unter einer durch Wellenformen angedeuteten Wasseroberfläche sieht

man rechts einige Fische, die auf einen Angelhaken zu schwimmen, der in der Mitte ins

Wasser hängt. Links ist ein rotes Boot auszumachen, auf dem sich fünf Gänse im

Gänsemarsch bewegen (man achte darauf, dass deren Körper mit nur einem Strich

gezeichnet sind). Die vorletzte Ebene zeigt scheinbar verschiedene Felder, die gerade

bewirtschaftet werden bzw. bewirtschaftete worden sind und auf denen schon die ersten

Pflanzen sprießen. Bis zu dieser Ebene könnte es sich um die Darstellung von

ländlichen Szenen handeln, die das Leben auf dem Land und mit der Natur zeigen bis

hin zu dem Ort, der die Zivilisation repräsentiert. Die Darstellung auf der nächsten

Ebene setzt die Inhalte der ersten Ebenen allerdings scheinbar nicht fort. Als erstes

sieht man einen Schriftzug172, wobei allerdings nicht genau zu erkennen ist, was

geschrieben steht. In dem Schriftzug befinden sich einige Darstellungen von Augen.

Rechts auf der Linie, auf der die Schrift geschrieben steht, erkennt man einige

Strichmännchen, die sich auf ein geschlossenes Tor zu bewegen. Unter dieser Linie ist

172 Man könnte es als „lieber Gott“ deuten, wodurch ein religiöser Bezug belegt wäre. Der Text darunter ist leider nicht vollständig zu entziffern.

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ein weiterer Text zu erkennen (es könnte sich hierbei um Sütterlinschrift173 handeln).

Die letzte Ebene zeigt wahrscheinlich eine biblische Szene. Auf der rechten Seite sieht

man eine Gruppe von Personen, deren Handeln nicht eindeutig zu erkennen ist174. Dass

es sich um eine religiöse Szene handeln könnte, machen einerseits die stilisierten Engel

deutlich, die sich im unteren Bereich um die dargestellten Personen gruppieren,

andererseits die drei Engelfiguren, die auf der rechten Seite dargestellt sind.

Obwohl es sich wahrscheinlich um einen skizzenhaften Entwurf handelt, könnte die

Darstellung stilistisch von zwei Künstlern beeinflusst sein. Zum einen kann Klee als

Vergleich herangezogen werden. Dafür spräche zum Beispiel die Darstellung der

Figuren in kindlicher Einfachheit, wie sie sich auch bei Klee oft findet. Doch noch ein

weiterer Aspekt erinnert an Klee. Betrachtet man zum Beispiel die erste Szene mit der

Darstellung des Dorfes, so fällt auf, dass die Perspektive völlig außer Acht gelassen

wurde. Die Räumlichkeit wird nicht durch ein Hintereinander oder Überlagern der

einzelnen Komponenten erreicht, sondern durch ein übereinander Anordnen.

Auch bei Klee findet sich diese Prinzip oft wieder. Als Beispiel sollen „Kamel in

rhythmischer Baumlandschaft“ von 1920 (Abb. 39) und „Gartensiedlung“ von 1922

(Abb. 40) dienen. Bei „Kamel in rhythmischer Baumlandschaft“ sind die Bäume auf

einzelnen Ebenen angeordnet, die jeweils durch horizontale Striche voneinander

getrennt sind. Eine räumliche Tiefe ist nicht erkennbar, da die Bäume nicht

hintereinander, sondern übereinander angeordnet sind. Auch bei Klees „Gartensiedlung“

ist diese Anordnung zu erkennen, nur dass hier die dargestellten Objekte sehr abstrakt

sind. Bei Dicker sind aber nicht nur die Objekte der einzelnen Szenen übereinander

angeordnet, sondern auch die Szenen selbst. Wenn es sich wirklich, wie vermutet, um

einen Entwurf für einen Wandbehang handelt, so ist die Anordnung der Szenen logisch,

gerade auch wegen der hochrechteckigen Form des Bildes. Doch diese Anordnung

würde auch ein narratives Moment vermuten lassen. Es ist unklar, ob hier eine Szene

mit verschiedenen Teilszenen, die übereinander, statt in einer in die Tiefe führenden

Landschaft, angeordnet sind, oder, ob es sich um Szenen handelt, die nacheinander

erzählt werden.

173 Sütterlinschrift ist eine von dem Berliner Grafiker Ludwig Sütterlin entworfene Schreibschrift, die von 1915 bis 1941 an deutschen Schulen als „deutsche Schreibschrift“ gelehrt wurde. Vgl. MEYERS 2007, S. 902. 174 Es könnte sich um die Erschaffung Evas aus Adams Rippe handeln. Diese Ebene könnte somit den Garten Eden vor dem Sündenfall symbolisieren, als die Menschen noch nicht hart für ihre Nahrung arbeiten mussten. Damit stünde die letzte Ebene inhaltlich im Gegensatz zu den anderen Ebenen, in denen u. a, die Feldarbeit thematisiert wird. Sie würden also das Leben nach dem Sündenfall und nach der Verbannung aus dem Paradies darstellen.

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Ein weiterer Künstler, der von Einfluss sein könnte, ist Muche. In seinem „Bild mit

schwebendem Rot“ (1920) (Abb. 39) können gleich zwei Merkmale als Vergleich

herangezogen werden. Zum einen ist das Gittermotiv, welches Dicker-Brandeis in der

oberen Ebene des Entwurfes verwendet, vergleichbar mit denen, die in Muches Bild

eine große Rolle spielen. Eine weitere Ähnlichkeit kann erneut in den nebelartigen

Farbflächen gesehen werden, mit denen beide Werke koloriert sind.

3.2. Prag und Hronov

Als Friedl Dicker 1934 nach Prag kam, lag die Bauhaus-Zeit schon weit hinter ihr. In

Prag war sie frei von den unmittelbaren künstlerischen Einflüssen, die am Bauhaus von

allen Seiten auf sie einströmten. Nun konnte sie sich auf ihren persönlichen Stil

besinnen, frei von Studien, Übungen und Experimenten. Dort malte sie nicht mehr um

zu studieren und sich mit den verschiedenen Theorien und Einflüssen auseinander

zusetzen, sondern aus Freude am Malen. Nun beschäftigte sie sich mit der Natur und

den Menschen aus ihrem Umfeld. So entstanden Bilder, die ihre Persönlichkeit

wiederspiegelten. Sie malte nun häufig Landschaften, v.a. in Hronov. Sehr wichtig war

ihr offensichtlich auch die Darstellung von Menschen, die in ihrem Leben eine große

Rolle spielten.

Es entstanden zu dieser Zeit aber auch Bilder mit tieferer Bedeutung. Sie haben

Themen, mit denen sich Friedl Dicker auseinandersetzen musste. Sie zeigen Ereignisse,

die sie offensichtlich sehr belasteten und die sie in ihren Bildern zu verarbeiten

versuchte.

3.2.1. Eventuelle Einflüsse

In den Prager Bildern wird eine Abkehr vom Bauhaus und den avantgardistischen

Strömungen, mit denen sie sich während der Jahre am Bauhaus auseinandergesetzt

hatte, deutlich. Sie besinnt sich zurück auf eine Malerei, die sie vor ihrer Zeit am

Bauhaus kennen gelernt hatte. Ihr Stil war nun impressionistisch geprägt. Sie malte

einerseits das, was sie sah, so, wie sie es sah, andererseits wird auch eine bewusste

Auseinandersetzung mit dem Gebrauch von Licht und Farbe deutlich. Dabei orientiert

sie sich zum einen an den Impressionisten, wobei vor allem eine Ähnlichkeit mit den

impressionistischen Werken von Lovis Corinth zu erkennen ist. Zum anderen lassen

sich auch Vergleiche mit Werken Paul Cézannes ziehen. Und an Matisse und seiner

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Auseinandersetzung mit dem Licht und dessen Wirkung auf Farben, könnte sie sich

ebenfalls orientiert haben

3.2.1.1. Paul Cézanne (1839 – 1906)

Paul Cézanne beschäftigte sich über Jahre mit dem Impressionismus, auch wenn er

selbst nicht zu den Impressionisten zu zählen ist. Er arbeitete mit deren stilistischen

Mitteln, aber mit einem anderen Ziel. Die Impressionisten wollten den Augenblick

festhalten, Cézanne war darauf bedacht, das Dargestellte aus jedem zeitlichen Rahmen

zu lösen. Das von den Impressionisten dargestellte Licht sollte die Oberflächen der

Dinge beleben. Cézannes Licht war hingegen ein „aus der Intensität der Farbe kraftvoll

leuchtendes Element, eine gestaltgebende Energie aus Farbe“.175 Er setzte die Farbe

kontrastierend ein. Außerdem hat sie, durch einen differenzierten Farbauftrag

(unterschiedliche Stärke, Spachtel oder Pinsel), einen konstruktiven Charakter.176 Er

arbeitete darauf hin, dass „im Bild ein lückenloser Zusammenschluss von Fläche,

Körpern und Raum aus der Farbe entsteht.177 Das Dargestellte hat keine individuellen

Details.178 Auch die Objekte in den Bildern haben keine symbolische Bedeutung. Sie

sind aus der Natur genommen und stehen für sich selbst.179 Die Bilder sind klar

strukturiert und logisch im Aufbau.180 „Jede Form von stofflicher Fülle oder von

reizvollen Details hätte Cézannes Auffassung von Malerei als einer elementaren

Einheit, die aus der Farbe ihre Substanz gewinnt, widersprochen“.181

3.2.1.2. Lovis Corinth (1858 – 1925)

Auch die Werke Corinths könnten einen Einfluss auf Friedl Dicker-Brandeis gehabt

haben. Auch hier soll der Blick auf den Umgang mit der Farbe gelenkt werden. Vor

1900 sind Corinths Bilder impressionistisch. Anfang des 20. Jahrhunderts ist sein

Anliegen die „Lichtdurchlässigkeit, die atmosphärische Verbindung aller Dinge der

Erscheinungswelt“.182 In den letzen Jahren setzte er sich mit dem Problem auseinander

einen Flächenzusammenhang mit den vorgefundenen Naturformen zu konstruieren.183

175 Adriani 1993, S. 17. 176 Vgl. ebd., S. 17. 177 Ebd., S. 24. 178 Vgl. ebd., S. 16. 179 Vgl. ebd., S. 18. 180 Vgl. ebd., S. 18. 181 Ebd., S. 18. 182 Schröder, Klaus Albrecht: Nähe und Ferne – Faktur und Ausdruck im Schaffen Corinths, In: Schröder 1992, S. 14. 183 Vgl. ebd., S. 16.

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„Der künstlerische Abstraktionsvorgang betrifft nicht nur die malerische Kleinform des

differenzierten Farbauftrags, der dünn oder pastos, glatt oder rau sein kann, der mit dem

Pinsel diagonal gekämmt, oder mit dem Palettenmesser umgekehrt jeweils ohne

erkennbare Ordnung und Gerichtetheit vorgetragen sein kann. Der Abstraktionsvorgang

betrifft auch die kompositionelle Großform: Corinth setzt die gesehene Wirklichkeit in

einfache, die Bildfläche klar strukturierende Formen um.“184 Die Struktur wird der

Natur übergeordnet.185 In den letzten zweieinhalb Jahren wird der Bildaufbau immer

noch von einem Teppich aus Farbflecken dominiert. Doch ist dieser nun nicht mehr

durch Parallelschraffuren gekennzeichnet, sondern aus amorphen Farbflecken

zusammengesetzt.186 Es fällt ebenfalls auf, dass die Figuren in den späteren Jahren nicht

mehr modelliert sind, dass sie die Oberfläche des Farbenteppichs nicht aufreißen.187

Auch die Modellierung der Gegenstände geschieht durch die Farbe.188

3.2.1.3. Henri Matisse (1869 – 1954)

Anfangs noch dem bürgerlichen Naturalismus verhaftet, löste sich Matisse mehr und

mehr vom Farbrealismus.189 Ab 1900 spielte er mit den Möglichkeiten der Farbgebung,

mit Licht und Gegenlicht.190 Durch das Gegeneinandersetzen von Farben suchte er das

Licht.191 Dies wird v.a. in den Stilleben und Landschaften deutlich. Die Farbgebung ist

bei diesen Bildern eine Besondere. Es dominieren kräftige Farben. Oftmals sind die

Farben nicht natürlich, sondern zeigen das Objekt in speziellen

Beleuchtungssituationen, wie zum Beispiel Gegenlicht. Ab 1913 wandte er sich wieder

der Form zu. Die Figuren waren nun wieder klarer definiert. Ein große Rolle spielten

auch immer Muster und Ornamente, v.a. in seinen Stilleben. An dieser Stelle soll das

Augenmerk auf dem Stil seiner Landschaften, Porträts und Stilleben des frühen 20.

Jahrhunderts liegen, der vor allem durch eine außergewöhnliche Farbgebung

gekennzeichnet ist.

184 Ebd., S. 16. 185 Vgl. ebd., S. 16. 186 Vgl. ebd., S. 18. 187 Vgl. ebd., S. 28. 188 Koja, Stephan: Von der Gültigkeit des Augenblicks – Bemerkungen zum Impressionistischen im Werk Lovis Corinths, In: Schröder 1992, S. 47. 189 Vgl. Gowing 1997, S. 9/18. 190 Vgl. ebd., S. 24/27. 191 Vgl. ebd., S. 51.

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3.2.2. Das Werk

3.2.2.1. Porträts

In den Porträts die in Prag und Hronov entstanden, zeigt sich wieder einmal Friedl

Dicker-Brandeis’ Auffassungsgabe, ihr Blick für das Wesentliche, ihr Blick hinter die

Fassade. Im Vergleich zu den Porträts, die am Bauhaus entstanden waren, gehen diese

über den skizzenähnlichen Zustand hinaus, jedoch teilweise nur dadurch, dass sie

koloriert sind. Trotz der oftmals flächigen Kolloration lassen sie Friedl Dicker-

Brandeis’ dynamische Linienführung nicht vermissen. Teilweise lässt sich sogar ihr

früherer Umgang mit Farbe (die Wahl der Farbe erkennen). Ob man jedoch behaupten

kann, dass sie sich auch in ihren späteren Jahren in Prag und Hronov noch an den

Lehren der früheren Bauhausmeister orientierte, ist wohl eher unwahrscheinlich, aber

natürlich nicht ganz auszuschließen. Was man bei den Porträts, die in Prag und Hronov

entstanden sind, nicht außer Acht lassen darf, ist, dass es, wie auch die Bauhaus-

Porträts, eher Momentaufnahmen sind, Porträts, die aus einer Situation heraus

entstanden sind. Daher wirken sie oftmals sehr skizzenhaft.

Das erste Porträt, dass besprochen werden soll, ist das Porträt der Maria Brandeis192

(Abb. 42), welches zwischen 1938 und 1940 entstanden ist. Wir sehen eine Frau in

einem auffälligen, roten Kleid. Kopf stützt sie mit ihrem linken Arm auf den Tisch

neben sich. Ihre Lippen sind rot geschminkt. Sie hat die Beine übereinander geschlagen

und blickt nachdenklich, aber gleichzeitig auch selbstbewusst geradeaus in Richtung des

Betrachters. Das Porträt zeigt Maria Brandeis als eine selbstbewusste, aber auch

nachdenkliche Frau.

Hier zeigt sich besonders deutlich Friedl Dicker-Brandeis’ dynamische Malweise, ihr

Hang zur Reduktion und nur das darzustellen, was wesentlich und wichtig zur

Charakterisierung der Person ist - also alles das, was sich bei ihren Porträts am

Bauhaus ausprägte und diese charakterisierte. Die Konturen des Körpers sind nur

angedeutet und dynamisch. Im Gesicht sind die Augen und der rote Mund

hervorgehoben, die Hände sind schematisch dargestellt. Die Farbgebung des Bildes ist

sehr ausgewogen. Das Rot sticht zwar hervor, fügt sich jedoch sehr gut in die Brauntöne

des Bodens und der Wand ein. Die einzigen Farbakzente, die sich nicht in die Reihe der

warmen Farben eingliedern sind das weiße, leicht blaustichige Tischtuch und die

diversen kleinen farbigen Elemente auf dem Tisch. Es ist nicht irgendein Porträt einer

Frau, sondern einer lieben Verwandten, die im eigenen Heim zu Besuch ist.

192 Sie war die Frau von Otto Brandeis, einem Bruder von Pavel Brandeis. Vgl. Makarova 2000, S. 28.

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Stilistisch erinnert dieses Porträt sehr an Cézanne. Als Vergleich sollen das Bild „Zwei

Kartenspieler“ (Abb. 43), welches zwischen 1892 und 1985 entstanden ist dienen.

Wenn auch die Farbigkeit nicht verglichen werden kann, so findet sich doch der für

Cézanne typische, dynamische Pinselstrich, der in diesem Beispiel erkennbar ist, auch

bei Dicker-Brandeis’ Porträt von Maria Brandeis wieder. Genau wie Cézanne, arbeitet

Dicker-Brandeis auch mit hellen und dunklen Farbflecken, um Licht und Schatten

darzustellen und die Objekte zu modellieren. Die Ähnlichkeit zwischen Dicker-

Brandeis’ Porträt und „Zwei Kartenspieler“ ist auch in der Art und Weise zu finden, wie

die dargestellten Objekte konturiert sind. Die Konturen sind vorhanden, teilweise aber

nur skizzenhaft. Sowohl das Gesicht der Maria Brandeis, als auch die sonstigen

Objekte, sind wenig detailliert dargestellt. Auch bei Cézannes Bild sind auf den

Gesichtern der Kartenspieler keine Details dargestellt.

Noch ein weiteres Porträt soll hier vorgestellt werden, welches deshalb besonders ist, da

es das einzige oder zumindest das einzig erhaltene Selbstporträt Friedl Dicker-Brandeis’

ist, welches sie von vorn zeigt.193 Das „Selbstporträt im Wagen“ aus dem Jahr 1940

(Abb. 44) zeigt einen kleinen Ausschnitt eines Wagens, an dessen Fenster eine Frau –

Friedl Dicker-Brandeis – sitzt und hinausschaut. Rechts hinter dem Wagen erhält man

Ausblick auf eine Straße und ein Haus. Der Innenraum des Wagens liegt im Dunkeln.

Durch das kleine Fenster an der Rückseite ist kein Ausblick möglich. Vor dem dunklen

Hintergrund hebt sich das Gesicht der Dargestellten deutlich ab. Auch bei diesem

Porträt hat Dicker-Brandeis das Mittel der Reduktion angewandt. In ihrem Gesicht sind

Augen und Mund hervorgehoben. Vollständig sichtbar ist nur das rechte Auge, das

andere ist nur angedeutet. Ihr Kopf ist zur Hälfte von einem krempenlosen Hut bedeckt.

Neben dem kräftigen Rot des Mundes nutzt Dicker-Brandeis hier noch eine andere

Primärfarbe, die hervorsticht – das leuchtende Blau des Halstuches.

Zu beachten ist die Perspektive, in der der Wagen dargestellt ist. Bedingt durch den

kleinen Ausschnitt des Bildes, ist nicht viel von dem Wagen zu erkennen. Interessant

ist, dass das Fenster aus dem die dargestellte Person schaut, schräg von der Seite

dargestellt ist, während man den sichtbaren Rest des Wagens von oben bzw. von vorn

betrachtet. Außergewöhnlich für Friedl Dicker-Brandeis ist es auch, dass kaum etwas

von der Gegend dargestellt ist, die der Wagen gerade verlässt. Dadurch kann man das

Bild weder in einen zeitlichen, noch in einen räumlichen bzw. geografischen Kontext

193 Ein weiteres Werk, welches ebenfalls eine Darstellung Friedl Dicker-Brandeis zeigt, ist „Verhör I“ (Abb. 64), welches während ihrer Zeit in Prag entstand. Auf diesem Bild ist sie allerdings nur von hinten zu sehen.

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einordnen. Vielleicht steht es stellvertretend für jedes Zurücklassen, für jeden Aufbruch,

den Friedl Dicker-Brandeis bis dahin durchlebt hat und noch durchleben wird.

Noch ein weiteres Porträt soll an dieser Stelle betrachtet werden. Es ist ein

Doppelporträt von ihrem Mann Pavel und dessen Schwägerin Maria Brandeis, welches

1939 entstanden ist (Abb. 45). Pavel und Maria sitzen eng beieinander. Beide haben

ihren Kopf auf eine Hand gestützt. Pavel blickt links, Maria rechts am Betrachter

vorbei. Auffällig bei diesem Bild, ist die Kolorierung. Vor allem das Blau über Pavels

Schultern und das Violett auf Marias linker Seite, stechen hervor. Diese Art der

Kolorierung erinnert sehr an die Studien der Bauhauszeit, bei denen eine

Auseinandersetzung mit Muche erkennbar war. Doch man könnte noch an ein anderes

vergleichbares Werk denken. Bei „Die Lesende“ aus dem Jahr 1906 (Abb. 46) von

Henri Matisse, ist eine ähnliche Kolorierung zu erkennen. Matisses Bild ist in der

Auseinandersetzung mit Objekten im Gegenlicht entstanden. Dadurch finden sich bei

ihm Farben wieder, wie das Hellblau und das Hellrot, die keinen natürlichen Bezug zu

haben scheinen. Auch bei Dicker-Brandeis könnte die Darstellung von Licht, Schatten

und Gegenlicht bei der Farbgebung eine Rolle gespielt haben. Vergleichbar sind die

farbigen Schattierungen, die sich auf dem Gesicht, sowohl der Lesenden bei Matisse, als

auch der Maria Brandeis bei Friedl Dicker-Brandeis zeigen, außerdem die farbigen

Reflexe auf Maria Brandeis’ Haar und das bereits erwähnte Blau über Pavel Brandeis’

Schultern.

Dass sie sich nicht nur Porträts ihrer Familie und Freunde zeichnete, sondern sich auch

mit den Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten, die sie umgaben, beschäftigte,

zeigt das Bild „Zigeunerin mit Kind“ aus den Jahren 1937 und 1938 (Abb. 47). Vor

einem dunklen Hintergrund sitzt eine Frau mit einem schlafenden Kind auf dem Schoß.

Ihr dunkles Gesicht wird durch den Kontrast des weißen Kopftuches, welches es

umgibt, betont. Der Stil dieses Bildes ist wesentlich traditioneller, als der der anderen

Werke. Der Pinselstrich ist weicher. Die Farbgebung ist eher zurückhaltend. Es ist kein

Akzent gesetzt. Vergleichbar ist dieses Bild mit den Werken Corinths, die zu Beginn

des 20. Jahrhunderts entstanden sind wie zum Beispiel das „Selbstporträt mit Modell“

von 1910 (Abb. 48). Neben der stilistischen Ähnlichkeit, ist es vor allem der dunkle

Hintergrund, bei dem der Raum hinter den Dargestellten kaum auszumachen ist, der als

ein vergleichbares Element aufgezeigt werden kann und im Werk von Friedl Dicker-

Brandeis eine Ausnahme darstellt.

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3.2.2.2. Landschaften

Die Landschaften, die in Prag und später in Hronov entstanden, unterscheiden sich sehr

von den Landschaften am Bauhaus. Hier kam es Friedl Dicker-Brandeis nicht mehr nur

auf die Umsetzung der Lehren der Bauhausmeister an, sondern hier malte sie, was sie

sah, was ihr Freude machte. Es entstanden farbenfrohe Landschaften, die teils einen

weiten Blick boten, teils den Ausblick aus einem Fenster. Es zeigen sich sowohl die

Liebe zum Detail, als auch der Blick fürs Ganze. Auch die Landschaften sind

impressionistisch beeinflusste Momentaufnahmen.

Die folgenden ausgewählten Landschaften sollen verschiedene inhaltliche und

stilistische Aspekte ihrer Landschaftsmalerei zeigen. „Blick auf die Moldau“ (Abb. 49),

welches zwischen 1934 und 1936 entstand, zeigt einen Ausschnitt einer Stadtlandschaft.

Gebildet werden die Häuser, Bäume und weiteren Objekte, aus aneinander und

übereinander gesetzten Farbflächen ohne Konturen. Es gibt in dem Bild zwei markante

Linien, die den Blick auf sich ziehen. Zum einen ist das der Fluss (die Moldau), der das

Bild im unteren Drittel horizontal gerade durchschneidet, zum anderen ist es der große,

dunkle Schornstein, der sich in der linken Bildhälfte von der Mitte bis zum oberen

Bildrand erstreckt. Der Vordergrund ist fast leer. Es sind nur einige Menschen

auszumachen, die sich auf die Boote am Ufer der Moldau zu bewegen. Auch sie sind

nur sehr schemenhaft dargestellt und eigentlich nur aus dem inhaltlichen Kontext als

Menschen zu erkennen. Der Mittelgrund, auf der anderen Seite des Flusses, wird von

dicht an dicht gesetzten Bäumen dominiert, zwischen denen ab und zu ein Haus

hervorragt. Im Hintergrund wiederum, dicht am Horizont, sind nur Häuser

aneinandergereiht, die auf Hauskorpus und Dach reduziert sind und gänzlich auf Details

wie Fenster verzichten. Somit ist auch eine Art atmosphärischer Staffelung gegeben, bei

der desto weniger Details dargestellt sind, je weiter das Objekt sich im Hintergrund

befindet. Insgesamt wirkt das Bild eher unruhig durch die vielen kleinen Farbflächen,

die nebeneinander gesetzt sind.

In der Art der Kolorierung und der schemenhaften, impressionistischen Darstellung der

Objekte lässt das Bild eine Ähnlichkeit erkennen mit Landschaftsbildern von Cézanne.

Als Beispiel sei hier „Berge in der Provence“ aus den Jahren 1886 bis 1890 (Abb. 50)

genannt. Bei Cézanne sind die Objekte im Vordergrund etwas detaillierter dargestellt als

im Hintergrund, wo sie nur noch schemenhaft zu erkennen sind. Auch bei Dicker-

Brandeis ist dies zu erkennen. Auch die Art und Weise wie die Bäume gemalt sind, lässt

sich vergleichen. Teils sind die Pinselstriche, die das Laub darstellen sollen, zu

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erkennen, teils sind sie verwischt. Auch die Farbigkeit ist ähnlich. Kein Objekt sticht

durch kräftige Farben hervor. Nur hier und da wurden kleine Farbakzente gesetzt.

Insgesamt ist bei beiden der Stil fast schon aquarellartig.

Das nächste Bild, „Straßenansicht von Prag-Nusle“ aus den Jahren 1934 bis 1936 (Abb.

51), dass im selben Zeitraum entstanden ist, wie das Bild zuvor, hat einen ganz anderen

Charakter. Die Stadtlandschaft zuvor ist farbenfroh ausgeführt, die vielen Häuser und

die Menschen sind ein Zeichen für Leben. Die nun vorliegende Stadtansicht vermittelt

einen anderen Eindruck. Die fast monochrom wirkende Darstellung zeigt nur einen

Ausschnitt der Stadt, wobei auch hier die Häuser wenig detailliert dargestellt sind. Wir

blicken außerdem auf eine leere, trist und düster wirkende Straße, auf der weder

Mensch noch Gefährt zu sehen sind. Der Stil ist impressionistisch, jedoch sind

Farbigkeit und Pinselduktus sehr zurückhaltend.

Das Thema des Bildes „Blick aus dem Fenster in Franzensbad“ (Abb. 52), welches in

den Jahren 1936 und 1937 entstanden ist, ist ein häufig wiederkehrendes in Friedl

Dicker-Brandeis’ Bildern. Wir sehen einen sehr begrenzten Ausschnitt des Ortes. Auf

der rechten Seite ragt direkt vor dem Betrachter die Ecke eines Balkons ins Bild. Außer

dem Balkon sind noch ein Wohnhaus und eine Kirche im Bild zu sehen. Der Betrachter

nimmt direkt den Standpunkt der Malerin ein. Wieder sind hier die einzelnen Dinge,

wie Gebäude und Bäume nur wenig detailliert dargestellt. Bei diesem Werk ist die

Farbpalette sehr gedeckt. Die einzigen wirklichen Farbakzente sind das ziegelrote Dach

der Kirche und der in kräftigem Blau gehaltene Himmel. Auch hier zeigt sich der für

Friedl Dicker-Brandeis schon seit der Bauhauszeit charakteristische Stil, bei dem sie

alles schnell, scheinbar flüchtig, dynamisch und dennoch treffsicher und

charakterisierend malt. Bei diesem Bild fällt die Darstellung des Himmels besonders

auf, der, anders als in anderen Landschaftsbildern Dicker-Brandeis’, sehr

abwechslungsreich gestaltet ist. Hier wird eine Auseinandersetzung mit den

atmosphärischen Lichtverhältnissen (die Sonne, die um dunkle Wolken einen

Strahlenkranz bildet) deutlich. Eine solche intensive Bearbeitung des Himmels findet

sich auch bei Lovis Corinth, wie zum Beispiel an dem Bild „Blick aus dem

Atelierfenster“ von 1891 (Abb. 53) zu erkennen ist. Bei Dicker-Brandeis ist der Himmel

in der gleichen Farbigkeit wiedergegeben wie bei Corinth. Es zeigt sich ein ähnliches

Spiel der Wolken, die teilweise von Sonnenlicht durchbrochen werden. Auch der

impressionistische Stil der beiden Bilder ist vergleichbar.

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Das Bild „Straße zum evangelischen Friedhof in Hronov“ (Abb. 54), welches zwischen

1938 und 1942 entstanden ist, erinnert in seiner Malweise wieder sehr an Cézanne. Der

Blick des Betrachters wird von einem Weg, der links von Bäumen und einer Mauer und

rechts von einem Gebäude und weiteren Bäumen gesäumt ist, in den Bildhintergrund

geführt. Die einzelnen Objekte sind aus aneinander gereihten Farbtupfen

zusammengesetzt. Auch das Licht spielt hier wieder eine große Rolle. Das Licht fällt

durch das Blätterdach und wird auf dem Weg reflektiert, wo sich Licht und Schatten

abwechseln. Dieser getupfte Duktus ist mit Cézannes Malweise vergleichbar, wie sie an

den Bildern „Das Bassin im Park des Jas de Bouffan“ (Abb. 55), welches zwischen

1876 und 1878 entstanden ist, und „Allee im Park des Schlosses von Chantilly“ (Abb.

56) aus dem Jahr 1888, deutlich wird. Auch hier sind die Farben nicht flächig

aufgetragen, sondern als Tupfen und Striche. Besonders deutlich wird die Ähnlichkeit

bei den Bäumen. Doch im Unterschied zu Cézannes „Allee im Park des Schlosses von

Chantilly“ kann man bei Dicker-Brandeis` Bild dem Weg bis in den Hintergrund folgen.

Bei Cézanne hingegen, verschwimmen die Bildebenen fast miteinander, so dass der

Hintergrund nicht klar zu definieren ist.

Neben der Auseinandersetzung mit Cézanne und Corinth ist es auch möglich, dass

Matisse Einfluss auf Friedl Dicker-Brandeis’ Landschaftsdarstellungen ausübte. Vor

allem bezüglich der farblichen Gestaltung sind einige von Dicker-Brandeis’ Werken

durchaus mit einigen seiner Werke zu vergleichen. Als Vergleichsbild soll „Der

Olivenbaum“ von 1898 (Abb. 57) von Matisse herangezogen werden. Sowohl die

Landschaft, als auch der Himmel setzen sich aus intensiven Farbstrichen zusammen.

Auf den schemenhaft dargestellten Blättern der Bäume finden sich blaue und hellrote

Lichtakzente. Dies zeigt wieder seine Auseinandersetzung mit Licht und Gegenlicht.

Auch die Landschaften Friedl Dicker-Brandeis’ „Ansicht von Ostas“ (Abb. 58),

welches um 1940, und „Landschaft mit Moldau“ von 1939 (Abb. 59) zeigen ähnliche

Merkmale. Zum einen die intensive Farbgebung der Landschaft und des Himmels. Zum

anderen erkennt man, vor allem bei “Landschaft mit Moldau“, blaue und hellrote

Farbgebungen, welche nur als Lichtreflexe zu erklären sind.

So wie Matisse Farben und Licht wahrgenommen und verarbeitet hatte, so nimmt auch

Dicker-Brandeis ihre Umwelt wahr, wie folgendes Zitat aus einem ihrer Briefe, belegt:

„[...]Ich stürze mich auf ein kleines Fleckerl bräunlicher Tannen, die sich sehr

scharf gegen rosa und blau schimmernden Schnee abheben (rosa die

waagrechten Flächen, bläulich die halb senkrechten, tiefblau die ganz

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senkrechten oder ganz schattigen). Dadurch, dass sich die Bäume so dunkel

abheben, sieht alles dahinter so besonders zart aus, aber das Blau der Ferne

wirkt dadurch, dass die nahen Bäume so bräunlich sind, und diese sind nicht

fad, weil dazwischen ein violettes Braun ist, und dieses fällt als Farbe auf, weil

der Schornstein dieselbe Farbe hat, nur gesteigert, und dieser Stecken fällt gar

nicht heraus aus dem Bild, weil eine sehr elegante wurlerte zartbraune

waagrechte Rauchfahne ihn mit der Höhe der gegenüberliegenden Hügel

verbindet und sich in ein helles zartes Grau hineinschneidet, das wieder ein

Gegengewicht zu dem Schnee im Vordergrund ist, und so male ich seufzend

immer mehr und habe doch nur ein kleines schimmerndes Fleckerl gemeint, aber

das gibt’s gar nicht.[...]."194

3.2.2.3. Stilleben und Pflanzendarstellungen

Auch die Stilleben und Pflanzendarstellungen, die Friedl Dicker-Brandeis in Prag und

Hronov malte, sind, wie die Porträts und Landschaften eher traditioneller. Auch bei

ihnen sind wieder Einflüsse von Cézanne und Matisse erkennbar.

„Begonien auf einem Fensterbrett“ (Abb. 60), welches zwischen 1934 und 1936

entstanden ist, zeigt zwei Blumentöpfe mit blühenden Begonienpflanzen die auf einem

Fensterbrett stehen. Die Blüten der Begonien sind in einem strahlenden Weiß und in

einem kräftigen Rot wiedergegeben. Das Licht, dass von außen in das Fenster fällt, lässt

das Fensterbrett in einem hellen Blau erstrahlen. Diese Folge des Lichteinfalls lässt

wieder einen Vergleich mit dem frühen Matisse zu. Auch er lässt oftmals den

Hintergrund oder den Untergrund von dargestellten Objekten in einem hellen Blau

erleuchten. Sehr deutlich zu sehen, ist dies an seinem Bild „Stilleben mit Geranien“

(1906) (Abb. 58). Hier erstrahlt die Wand hinter den Geranien, bedingt durch die

Beleuchtungssituation des Gegenlichtes, mit dem sich Matisse wohl auch in diesem

Bild beschäftigte, in einem leuchtenden Blau.

Das „Stilleben mit Pinseln, Flaschen und Laub“ von 1940 (Abb. 62) sticht aus den

Stilleben Dicker-Brandeis’ aus. Man blickt frontal auf eine Objektgruppe, bestehend aus

Flaschen, einem Krug mit Pinseln und einem Krug mit einem belaubten Ast darin. Die

Objekte stehen auf einem horizontal verlaufenden Untergrund, von dem nicht eindeutig

gesagt werden kann, worum es sich handelt. Es könnte ein Bord, ein Tisch oder auch

eine Kommode sein. Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Bild sei ein

194 Friedl Dicker-Brandeis an Judith Moller, Hronov, 7. Januar 1939, zitiert nach: Makarova 2000, S. 128.

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Aquarell. Die Objekte sind kaum detailliert dargestellt, an der Wand und unterhalb der

Standfläche scheint zu großen Teilen der Untergrund durch. Die Farben sind leicht

aufgetragen, scheinen schon fast ineinander überzulaufen. Doch bei diesem Bild handelt

es sich um ein Gemälde Öl auf Leinwand. Einen ähnlichen Eindruck bekommt man bei

Cézannes Ölgemälde „Stilleben mit Wasserkrug“, welches um 1893 entstanden ist

(Abb. 63). Obwohl die Darstellung der Objekte eine andere ist, sind die beiden Bilder

aufgrund ihres aquarellartige Charakters, der sie auch gleichzeitig unvollendet wirken

lässt, vergleichbar. Auch bei Cézanne entseht der soeben beschrieben Eindruck durch

die teils fehlende, teils flüchtige Kolorierung der Objekte.

3.2.2.4. weitere Werke

Die unter weitere Werke zusammengefassten Bilder haben teilweise einen

biographischen Hintergrund. Diese Werke dienten wahrscheinlich zu einem großen Teil

der Verarbeitung einiger Erlebnisse, die Friedl Dicker-Brandeis’ Leben geprägt haben.

Sie sind auch vom inhaltlichen Aspekt sehr interessant und nicht immer von der

Biographie Dicker-Brandeis’ zu trennen. Stilistisch sind auch diese Werke sehr dem

Impressionismus verhaftet, wie wir ihn bei Cézanne und Corinth finden.

Das erste Bild „Verhör I“ (Abb. 64) ist 1934 nach Friedl Dickers kurzer Inhaftierung

entstanden. Der Betrachter beobachtet von einem erhöhten Standpunkt aus eine

Verhörszene. Die Person (ist es Dicker selbst?), die verhört wird, sitzt mit dem Rücken

zum Betrachter, leicht nach vorn geneigt auf einem Stuhl. Vor dieser Person erstreckt

sich ein langer Tisch, der an der gegenüberliegenden Wand, unterhalb eines Fensters

endet, von dem nur der untere Teil sichtbar ist. An der linken Seite des Tisches sitzt,

dem bzw. der Verhörten zugewandt, ein Mann. Er hat seinen linken Unterarm auf einem

Zettel abgestützt, welcher auf dem Tisch liegt. Der Mund des Mannes ist leicht geöffnet,

so dass seine Zähne sichtbar werden.

Der Malstil ist eher als grob zu bezeichnen. Feine Details fehlen vollkommen.

Modelliert wurde eigentlich nur mit Farbflächen. Konturen sind fast nicht vorhanden.

Teilweise gehen Person und Hintergrund ineinander über. Einen starken Kontrast dazu

bilden die Schreibmaschine und die Finger auf deren Tasten in der linken unteren Ecke.

Die Schreibmaschine ist im Vergleich zum restlichen Bild in einem ganz anderen Stil

gemalt. Sie ist sehr viel feiner und detaillierter ausgeführt.

„Fuchs lernt Spanisch“ von 1938 (Abb. 65) entstand während ihrer Auseinandersetzung

mit dem Spanischen Bürgerkrieg. Ursprünglich wollte sich Friedl Dicker-Brandeis mit

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einer Gruppe politisch aktiver Frauen, die sich regelmäßig in der Buchhandlung

„Schwarze Rose“ in Prag trafen, im Spanischen Bürgerkrieg engagieren, sie wollte sich

aber nicht von ihrem Mann trennen.

Auf dem Bild sieht man im Vordergrund den Philosphen Albert Fuchs sitzen mit einem

Buch in der Hand. Er blickt mit leeren Augen, gerade aus, weit in die Ferne. Hinter

seinem Kopf breitet sich blutrot der Umriss Spaniens aus. Da nicht alles auf dem Bild

genau zu identifizieren ist, soll zur weiteren Beschreibung ein Zitat von Elena

Makarova herangezogen werden: „eine rote Karte Spaniens über dem Kopf des jungen

Philosophen Albert Fuchs. Die Riesenfigur eines Kriegsgotts mit Schwert breitet ihre

Flügel über ihn und das leere Bett. Hinter dem Kopfteil des Bettes lugt nachdenklich

Erzengel Raphael hervor. Auch Fuchs ist nachdenklich; er sitzt in der Mitte des Bildes

und hält ein Spanischlehrbuch in der Hand. In der Hand ein Buch, hinter dem Rücken

der Krieg. Wir sind keine Krieger sagt Friedl Dicker-Brandeis mit diesem Bild, aber die

Zeit verlangt Opfer von uns, und wir, naiv und waffenlos, folgen ihrem Ruf. Wir sind

dem Tod geweiht, wir geben nicht auf.“195

Es ist ein düsteres Bild, expressiv und chaotisch. Die Pinselstriche sind grob, teilweise

ist die Farbe auf die Leinwand nur in groben Tupfen aufgetragen. Neben dem

vorherrschenden Schwarz und dem akzentuierendem Weiß, sind hauptsächlich die

Primärfarben Gelb, Rot und etwas Blau vorhanden. Inhaltlich sind es zwei Ebenen, wie

die Beschreibung von Elena Makarova zeigt. Zum einen sitzt Fuchs in seinem Zimmer

mit einem Buch in der Hand, um, wie der Titel besagt, Spanisch zu lernen. Er

beschäftigt sich also mit der Kultur eines Landes in dem gerade ein Bürgerkrieg wütet.

Auch setzt er sich wahrscheinlich mit diesem Zustand auseinander, aber nur theoretisch,

wie auch Dicker-Brandeis und ihre Gruppe. Das eigentliche, alptraumhafte Szenario

spielt sich in der Realität weit, weit weg von ihm ab bzw. in seinen Gedanken.

Als Einfluss für diese beiden Bilder können wieder Cézanne und erneut Corinth genannt

werden. Wieder verwendet Dicker-Brandeis kräftige, kontrastreiche Farben die nicht die

Figuren kolorieren, sondern sie modellieren. Der Hintergrund ist auf beiden Bildern nur

verschwommen dargestellt. Ebenso sind die Gegenstände mit schnellen und groben

Pinselstrichen gemalt. Auch die Gesichter und Hände der dargestellten Personen sind

wenig detailliert wiedergegeben. Der Pinselstrich ist, wie bereits erwähnt, flüchtig,

dynamisch, grob. Die Farbe gibt die Form vor, nicht umgekehrt. Als Vergleich soll auf

Corinths „Nach dem Bade“ von 1906 (Abb. 66) hingewiesen werden. Hier sind die

195 Makarova, Elene, Friedl Dicker-Brandeis – ein Leben für Kunst und Lehre, S. 25

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Merkmale erkennbar, die auch bei Dicker-Brandeis’ Werken aufgefallen sind. Die Farbe

ist in groben Strichen aufgetragen. Der Hintergrund ist nur vage zu erkennen. Auch hier

bestimmt die Farbe die Form. Details sind nicht vorhanden. Die einzelnen Objekte sind

nur im Zusammenhang erkennbar.

Die Einzigartigkeit in Dicker-Brandeis’ Bildern liegt in der dargestellten Thematik.

Anders als zum Beispiel Cézannes Bilder, haben ihre Werke einen Zeitbezug, sogar

einen persönlichen Bezug, da sie Ereignisse und Gedanken darstellen, die sie erlebt hat,

mit denen sie sich beschäftigt hat.

Ein weiteres Werk, welches auf jeden Fall stilistisch mit den vorangegangenen Werken

zu vergleichen ist, ist „Don Quijote und Lenin“ (um 1940) (Abb. 67). Fast das gesamte

Bild wird von einer Personengruppe eingenommen. Die eine Person sitzt auf einem

weißen Pferd, welches sich aufbäumt. Sie fasst mit ihrer rechten Hand der anderen

Person auf die linke Schulter. Diese zweite Person scheint im Gehen begriffen und ist

dem Betrachter zugewandt, was daran deutlich wird, dass sie den rechten Arm nach

vorn streckt. Die andere Hand ist zu einer Faust geballt. Das Gesicht dieser Person ist

nicht zu erkennen. Sie zeigt mit ihrer linken Hand auf eine geometrische Konstruktion,

die als der Satz des Pythagoras zu erkennen ist. Vor dieser Konstruktion befindet sich

eine rot blühende Pflanze.

Das Bild wirkt ebenso chaotisch und düster, wie „Fuchs lernt spanisch“. Die einzelnen

Figuren sind wieder nur flüchtig gemalt, der Hintergrund besteht nur noch aus

ungeordneten farbigen Strichen und Flächen. Ein Raum ist nicht mehr erkennbar. Das

Thema ist sehr konfus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es ein Traum war, wie Hilde

Kothny196 Elena Makarova in einem Gespräch mitteilte:

„Es war Friedls Traum. Sie sprang aus dem Bett auf und fing sofort an zu

malen, direkt auf die Leinwand. Friedl schuf immer Allegorien [...] Don Quijote,

die Entwicklung des Pythagoras [...] ihre ewigen Allegorien.“197

Die eben beschriebenen, sind einige der wenigen Werke, neben den Porträts, in denen

Friedl Dicker-Brandeis Menschen eine zentralere Rolle zugewiesen hat. Neben diesen

doch sehr persönlichen und vor allem auch politischen Werken gibt es noch ein

weiteres, bei dem Menschen in den Blickpunkt geraten. Es ist das Bild „Kinder im

Tiergarten“ (Abb. 68), welches zwischen 1935 und 1936 entstanden ist. Auf einem

196 Hilde Kothny war eine Freundin Friedl Dicker-Brandeis’ die sie 1936 in Prag kennen lernte. Vgl. Makarova 2000, S. 25. 197 Hilde Kothny über „Don Quijote und Lenin“ im Gespräch mit Elena Makarova, in: Makarova 2000, S. 153.

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Weg, der, auf beiden Seiten von Bäumen flankiert, gerade in den Bildhintergrund führt,

sind einige Personen zu erkennen. Sie sind, ungeachtet der Aufsicht auf den Weg,

frontal dargestellt. Die Personen und anderen Objekte sind durch aneinander gesetzte

Farbflächen entstanden und weißen so gut wie keine Details auf. Alles scheint sehr

flüchtig auf die Leinwand gebracht zu sein. Deutlich zu erkennen ist jedoch der

Wechsel von Licht und Schatten auf dem Weg. Der Stil ist sehr impressionistisch. Das

Bild scheint in erster Linien aus Farbflächen zu bestehen und nicht aus kolorierten

Objekten.

Bilder in ähnlichem Stil finden sich auch bei Corinth. Als Beispiel soll hier

„Walchensee, auf der Terrasse“ (1922 oder 1923) (Abb. 69) gezeigt werden. Auch hier

bestehen sowohl die Menschen, als auch die Bäume aus großen aneinander gesetzten

Pinselstrichen. Das Dargestellte wirkt verschwommen und wenig detailliert. Objekte

im Mittel- und im Hintergrund sind kaum noch als solche zu erkennen. Es wirkt wie ein

Teppich aus Farbstrichen.

Das letzte hier beschriebene Bild, ihrer in Prag entstandenen Werke, ist selbst für Friedl

Dicker-Brandeis, die von je her viel experimentierte, sehr außergewöhnlich. Es handelt

sich hierbei um zwischen 1934 und 1938 entstandene Bild „Traum“ (Abb. 70) (1934-

38). Es wird von einem schwarzen senkrechten Strich, der vom unteren Rand des Bildes

bis nach oben verläuft und dort in einer dunklen, amorphen Farberscheinung endet,

geteilt. Diese Farberscheinung ist ein Farbfleck, der von rotbraunen Linien umgeben

und von blauen und grünlichen Linien durchzogen ist. Auf der rechten Seite dieser

Wolke sind schemenhaft Personen zu erkennen, die lange hellblaue Schatten nach vorn

werfen. Auf der linken Seite der schwarzen Linie befindet sich noch eine weitere Linie,

die rot gestrichelt ist und ebenfalls senkrecht nach oben läuft. Sie liegt direkt vor einer

weiteren Person, die scheinbar Richtung Hintergrund laufen. Diese Person ist

vollkommen weiß dargestellt, fast wie bei einem Fotonegativ, bis auf die Hände, die in

Blau erscheinen. Hinter dieser Person ist ein brauner Umriss zu erkennen. Es könnte

sich um eine weitere Person handeln. Wenn man das Bild betrachtet, kommt es einem

vor wie ein Traum, an den man sich nur schemenhaft erinnert nachdem man aufgewacht

ist. Da Bild ist eine undefinierbare Komposition aus schemenhaften

Figurendarstellungen und abstrakten Objekten. Ein wenig erinnert das Bild die früheren

Bauhaus-Künstler, wie Kandinsky, Muche oder Klee, die sich mit dem Miteinander und

Gegeneinander von Farbe und Form, von abstrakt und gegenständlich auseinander

setzten.

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3.3. Theresienstadt

Mit der Deportation 1942 nach Theresienstadt, begann für Friedl Dicker-Brandeis ein

vollkommen neuer Lebensabschnitt und gleichzeitig auch ein tiefer Einschnitt in ihr

bisheriges Leben. Dort endet Friedl Dicker-Brandeis’ Laufbahn als aktive Malerin.

Theresienstadt bedeutete Gefangensein, Einschränkung der Rechte und überaus

erschwerte Lebensbedingungen. Doch gerade diese äußeren Umständen gaben Friedl

Dicker-Brandeis die Möglichkeit in einer Rolle aufzugehen, mit der sie sich schon

während ihrer gesamten Laufbahn als Künstlerin auseinander setzte, die Rolle als

Kunstpädagogin für Kinder, auf die im nächsten Kapitel noch genauer eingegangen

werden soll. Unter den schrecklichen Umständen des Lagerlebens war ein freier,

unbeschwerter Umgang mit Kunst nur schwer möglich, doch Friedl Dicker-Brandeis

gelang es, sich selbst und auch anderen mit der Malerei das Leben ein wenig zu

verschönern.

3.3.1. Die Rahmenbedingungen

Bevor die Werke Friedl Dicker-Brandeis’, die in Theresienstadt entstanden sind,

genauer betrachtet werden, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über das Lager

Theresienstadt, dessen Geschichte und die Lebensumstände der Gefangenen, gegeben

werden. Dieser Überblick ist wichtig zum Verständnis der Werke Friedl Dicker-

Brandeis’ aus dieser Zeit.

3.3.1.1. Die Geschichte von Theresienstadt

Den Grundstein zu der Stadt, die als Festung dienen sollte, legte Kaiser Josef II.

1780.198 Die Vorpostenstellung zu der Stadt bildete die sog. Kleine Festung, welche seit

Anfang des 19. Jahrhunderst als Militärgefängnis genutzt wurde.199

Mit der Annexion der Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten, wurde die

Nutzung der Kleinen Festung als Gefängnis für politische Häftlinge fortgesetzt.200 1941

begann dann die Umwandlung von Theresienstadt in ein Lager für Juden.201 Bis 1943

mussten die Juden, die dorthin deportiert wurden, von dem drei Kilometer entfernten

Bahnhof von Bauschowitz nach Theresienstadt gehen. 1942 war das Ghetto dann in ein

198 Vgl. Drori 1999, S. 13. 199 Vgl. ebd., S. 13. 200 Vgl. ebd., S. 13. 201 Vgl., ebd., S. 14.

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großes Konzentrationslager umgewandelt worden. Die ursprünglich 7000 Einwohner

von Theresienstadt wurden vertrieben. An ihre Stelle rückten unzählige jüdische

Häftlinge aus Böhmen, Mähren, Deutschland, Österreich, Dänemark, Holland, Ungarn

und der Slowakei.202 Immer wieder gingen Transporte mit tausenden Häftlingen in den

Osten, meist nach Birkenau oder Auschwitz. Gegen Ende 1944 wurden noch mal über

18000 Menschen nach Auschwitz deportiert.203 Ab Anfang 1945 wurden nach und nach

immer mehr Häftlinge befreit. Im April 1945 kamen bis zu 15000 Häftlinge aus anderen

Konzentrationslagern nach Theresienstadt, deren Zustand furchtbar war. Sie waren

ausgehungert, krank und verzweifelt ob der schrecklichen Dinge die sie erlebt hatten.204

Am 5. Mai 1945 verließ die SS endlich das Konzentrationslager.

3.3.1.2. Die Umstände im Lager

Was Theresienstadt im Vergleich zu anderen Konzentrationslagern besonders machte

und vielleicht auch etwas leichter zu ertragen, war die jüdische Selbstverwaltung, die

auf Anweisung der deutschen Behörden eingerichtet wurde.205 Da die Lagerleitung es

nicht verhindern konnte, dass von Theresienstadt aus Menschen in den Osten, in das

Vernichtungslager Birkenau transportiert wurden, versuchten sie wenigsten das Leid der

Häftlinge so weit wie möglich zu lindern.206 Oberste Priorität hatte das Wohl der Kinder

und Jugendlichen. Es wurden Kinder- und Jugendheime errichtet und auch für ihre

Betreuung und Erziehung wurde gesorgt.207

Um der ganzen Welt zu zeigen, dass es im Osten keinen Genozid gibt, und um damit

die Gerüchte darüber zu bekämpfen, wurde das Lager 1943 in einer sog.

Verschönerungsaktion in ein Vorzeigelager verwandelt. Die Fassaden der Häuser

wurden repariert, es wurden Parkanlagen mit Bänken geschaffen, es gab sogar einen

Musikpavillon, in dem Konzerte stattfanden. Es wurden „Geschäfte“ eingerichtet, in

denen man mit dem „Ghettogeld“, welches extra gedruckt wurde, bezahlen konnte.

Auch ein mustergültiges Kinderheim wurde eingerichtet.208 Alles nur zum schönen

Schein für den Besuch einer Abordnung des Internationalen Roten Kreuzes am 23. Juni

1944.209 Im diesem Zeitraum entstand auch der Propagandafilm mit dem Arbeitstitel

202 Vgl. ebd., S. 14. 203 Vgl. ebd., S. 16. 204 Vgl. ebd., S. 16/17. 205 Vgl. ebd., S. 14. 206 Vgl. ebd., S. 14. 207 Vgl. ebd., S. 15. 208 Vgl. ebd., S. 15. 209 Vgl. ebd., S. 15.

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„Theresienstadt – Ein Film aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“210, heute eher bekannt

unter der Bezeichnung „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“211.

Doch die bittere Realität sah anders aus. Es gab nur sehr wenig Essen, welches in sehr

kleinen Rationen verteilt wurde. Nur für die Kinder wurde etwas besser gesorgt.212 Der

Hunger war allgegenwärtig. Auch der Platz war ein Problem. Eigentlich war

Theresienstadt für 7000 Menschen konzipiert, doch 1942 wurde ein Höchststand von

58.491 Personen erreicht.213 Um dieses Problem zu lösen, erfolgte die Deportation von

tausenden von Juden in Vernichtungslager.214 Trotzdem war Theresienstadt

überbevölkert, so dass viele Menschen sogar auf den Dachböden untergebracht

wurden.215 Ein wenig besser hatten es die Prominenten, die in eigenen

Prominentenhäusern lebten und vor Transporten geschützt waren.216 Und auch den

Kindern und Jugendlichen wurde, wie bereits erwähnt, ein, den Umständen

entsprechendes, besseres Leben ermöglicht. Obwohl es streng verboten war, stellten

sich einige Erzieher zur Verfügung, die die Kinder, unter Einsatz ihres Lebens,

unterrichteten, so dass die Kinder eine recht gute Schulbildung erhalten konnten.217

Es gab im Lager auch ein ausgeprägtes kulturelles Leben, dass anfangs von der SS nur

geduldet wurde, im Zuge der Verschönerungsaktion aber als „Freizeitgestaltung“

offiziell erlaubt wurde.218 Es gab Konzerte, Vorträge, Theater- und Operaufführungen

und eine Bücherei.

3.3.1.3. Friedl Dicker-Brandeis in Theresienstadt

Offiziell durften die Künstler nur Bilder malen, die das schöne Theresienstadt zeigte.

Dafür gab es die Technische Abteilung, in die auch Friedl Dicker-Brandeis gleich nach

ihrer Ankunft geschickte wurde.219 Mit viel Mühe ließ sie sich als Erzieherin in das

Mädchenheim L 410 einteilen.220 Dort wohnten Mädchen zwischen zehn und sechszehn

Jahren in Zimmern mit dreistöckigen Betten, die Platz für 24 Mädchen boten. Friedl

Dicker-Brandeis’ Aufgabe als Erzieherin beschränkte sich auf die Malstunden.221 Auf

210 Ebd., S. 15. 211 Ebd., S. 16. 212 Vgl. ebd., S. 17. 213 Vgl. Niklas 2007, S. 37. 214 Vgl. ebd., S. 38. 215 Vgl. Starke 1975, S. 54. 216 Vgl. ebd., S. 51. 217 Vgl. ebd., S. 49. 218 Vgl. Niklas 2007, S. 99. 219 Vgl. Makarova 2000, S. 32. 220 Vgl. ebd., S. 32. 221 Vgl. ebd., S. 33.

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ihre Arbeit mit den Kindern, soll im nächsten Kapitel noch genauer eingegangen

werden.

3.3.2. Das Werk

Die Bilder, die in Theresienstadt entstanden, sind nur Skizzen und flüchtige

Zeichnungen, was durch die äußeren Umstände bedingt war. Es sind trotz (oder gerade

wegen?) der Umstände farbenfrohe Bilder, die nichts von der doch sicherlich

bedrückenden und auch hoffnungslosen Stimmung erahnen lassen. Sie zeigen auch,

dass Friedl Dicker-Brandeis die Hoffnung nie ganz aufgegeben hat. Interessant ist, dass

Friedl Dicker-Brandeis nicht wie andere Künstler das schreckliche, düstere Lagerleben,

nicht Krankheit oder Tod darstellte, sondern Ansichten von Theresienstadt in bunten,

fröhlichen Farben.222

Bei den Bildern, die in Theresienstadt entstanden sind, lassen sich ebenfalls

impressionistische Einflüsse erkennen. Doch man darf nicht vergessen, dass die

Tatsache, dass es sich nur um skizzenhafte Werke handelt und nicht um größere

Gemälde, wie sie beispielsweise in Prag enstanden sind, sich wahrscheinlich nicht nur

nach dem Ermessen von Friedl Dicker-Brandeis richtete. Vielmehr ist davon

auszugehen, dass das Erscheinungsbild der einzelnen Werke bedingt ist durch die

äußeren Umstände, unter denen sie leben und malen musste. Sowohl fehlende Zeit, als

auch fehlende Mittel (sie sparte die wenigen Malutensilien, die vorhanden waren,

oftmals für ihren Unterricht mit den Kindern auf223) oder andere widrige Umstände

dürften dazu beigetragen haben, dass die Bilder so geworden sind, wie sie sind.

Dennoch sollen die möglichen Einflüsse bei den einzelnen, im Folgenden vorgestellten

Bildern, aufgezeigt werden.

3.3.2.1. Porträts

Die Porträts sind in ihrem Stil ähnlich jenen Porträts, die in Prag und Hronov entstanden

waren. Es sind Aquarelle, die den Gemütszustand der dargestellten Person sehr gut

widerspiegeln. Friedl Dicker-Brandeis zeigt hier wieder ihre Begabung das Innere des

Menschen zum Ausdruck zu bringen, so wie sie es schon bei den Porträts ihrer

222 Auch wenn viele Künstler ganz offiziell schöne Bilder von Theresienstadt, für Propagandazwecke, malen sollten, so ist doch anzunehmen, dass Friedl Dicker-Brandeis’ Bilder nicht in diesem Zusammenhang entstanden sind. Die Bilder sind viel zu flüchtig gemalt und wirken unvollständig, als dass sie Auftragsarbeiten sein könnten. Die eher positiv anmutenden und farbenfrohen Darstellungen sind wohl eher auf Friedl Dicker-Brandeis’ Eigenschaft, immer positiv zu denken und niemals aufzugeben, zurück zuführen. 223 Vgl. Pařik 1988 (Judaica Bohemiae), S. 79.

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Bauhauszeit bewiesen hat. Doch im Gegensatz zu den Porträts am Bauhaus und später

in Prag, hat sie hier sehr viel Wert darauf gelegt, die Gesichter so detailliert wie möglich

darzustellen. Dadurch wird nicht eine allgemeine Charakterisierung des Dargestellten

möglich, so wie am Bauhaus, dafür wird uns aber die Stimmung der Menschen

vermittelt. Es wird uns ein Gefühl von Traurigkeit und gleichzeitiger, noch nicht

verschwundener Hoffnung vermittelt, welches wahrscheinlich die allgemeine

Grundstimmung der Gefangenen in Theresienstadt wiedergibt.

Bei dem Frauen-Porträt (Abb. 71) und dem Porträt eines Mannes (Abb. 72), beide

zwischen 1943 und 1944 entstanden, wird die soeben beschriebene Grundstimmung

besonders deutlich. Das Frauenporträt (Abb. 71) zeigt eine Frau mit erhobenem, von

dunklem, welligem Haar gerahmtem Gesicht und geradeaus gerichtetem Blick. Das

kräftige Blau ihrer Augen, welches sich in Kragen und Gewand fortsetzt, bildet einen

Kontrast zu den ansonsten erdigen Farben des Bildes. Die dynamischen, langen

Pinselstriche, die in alle Richtungen verlaufen, und das nicht vollständig modellierte

Gesicht, lassen die gleichen Einflüsse erkennen, wie die Bilder in Prag und Hronov.

Auch ist die Auseinandersetzung mit Cézanne und Corinth noch erkennbar, sowohl in

der Farbgebung, als auch im Pinselduktus.

Auch bei dem Porträt eines Mannes (Abb. 72) lassen sich Ähnlichkeiten mit flüchtig

kolorierten Bildern früherer Zeiten erkennen. Das Besondere an diesem Porträt ist die

detaillierte Wiedergabe der Gesichtsmerkmale. Diese naturgetreue Darstellung einer

Person findet sich kaum bei Friedl Dicker-Brandeis’ Werken. Wieder arbeitet sie wenig

mit Konturen, aber dafür ist das Gesicht sehr viel genauer mit Schattierungen

modelliert, als das Porträt der Frau. Interessant ist die nur bruchstückhafte Darstellung

des Mannes, wie sich sich auch schon bei früheren Porträts feststellen lässt. So ist zum

Beispiel nur die rechte Schulter wiedergegeben und auch bei der Hand sind nur die

Fingerspitzen koloriert. Auch bei diesem Porträt spiegelt sich der Gemütszustand der

dargestellten Person sehr deutlich wieder. Der Mann schaut aus müden Augen zu

Boden. In Gedanken scheint er woanders zu sein.

Das Porträt eines jungen Mannes (Abb. 73), ebenfalls zwischen 1943 und 1944

entstanden, lässt neben der latenten Traurigkeit noch etwas anderes erkennen. Das stolz

erhobene Haupt des Mannes, der nach vorn gerichtete Blick, lässt nicht nur Hoffnung,

sondern auch Kampfeswillen erahnen – „wir sind stolz, wir behalten unsere Würde, wir

lassen uns nicht unterkriegen“. Stilistisch erinnert das Porträt an frühe Zeichnungen

Corinths. Als Vergleichsbeispiel soll dessen „Porträt eines lesenden Mannes“ (Abb. 74)

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aus dem Jahr 1882 dienen. Die Ähnlichkeit ist hierbei weniger in der Kolorierung zu

sehen, als in den dynamischen, geschwungenen Linien mit denen die Dargestellten auf

beiden Bildern konturiert sind.

Auch bei dem letzten Porträt „Kindergesicht“ aus dem Jahr 1944 (Abb. 75), welches

Friedl Dicker-Brandeis malte, lässt sich eine Rückbesinnung auf die Zeit am Bauhaus

erkennen. Aus großen, tieftraurigen Augen blickt uns ein Kind an. Es ist ein trauriger,

anklagender, aber auch verzeihender Blick. Die Augen dominieren das Bild und sind

neben dem Mund und der angedeuteten Nase die einzigen Details. Das Gesicht selbst

besteht nur aus einigen roséfarbenen Flächen. Bei diesem Bild hat Friedl Dicker-

Brandeis wieder stark reduziert. Wieder ist nur das für die Aussage Wesentliche

dargestellt. Es ist eines der wenigen Bilder, wenn nicht sogar das einzige, bei dem

Friedl Dicker-Brandeis die Augen in solch einer Deutlichkeit dargestellt hat. Die weit

aufgerissenen Augen und der volle, geschlossene Mund wirken wie ein stummer

Hilfeschrei.

3.3.2.2. Landschaften und Stilleben

Neben den Porträts sollen hier auch noch einige Landschaften und ein Stilleben aus

Friedl Dicker-Brandeis’ Zeit in Theresienstadt gezeigt werden. Die Landschaften sind

farbenfrohe Skizzen von Ansichten in Theresienstadt. Sie vermitteln kein düsteres oder

trostloses Bild, im Gegenteil. Je nach den gerade vorhandenen Mitteln sind sie mal

detaillierter, mal weniger detailliert ausgeführt. Auch bei den Landschaften sind wieder

impressionistische Einflüsse zu erkennen.

Die „Ansicht von Theresienstadt“ (Abb. 76) zeigt den Blick auf einen großen Platz, an

dessen hinterer und rechter Seite Häuser gereiht sind. Der Platz ist fast leer. Der Blick

auf den Platz wird teilweise von einem Baum verstellt, der sich von der Mitte des

Vordergrundes bis zum oberen Bildrand erstreckt. Links von dem Baum sind einige

schwarze Striche auszumachen, von denen man allerdings nicht erkennen kann, was sie

darstellen sollen. Insgesamt sind die Objekte auf dem Bild kaum detailliert dargestellt.

Ein bereits aus Prag bekanntes Thema greift das folgende Werk (Abb. 77) auf. Es zeigt

die Aussicht aus dem Korridorfenster des Hauses L410, in dem Friedl Dicker-Brandeis

in Theresienstadt lebte. Der Blick aus dem Fenster zeigt eine von Bäumen gesäumte

Straße. Die Kolorierung erfolgte hier wieder nur teilweise und in sehr kräftigen Farben.

Ungewöhnlich ist das helle Blau rechts neben dem Fenster. Es lässt an die Bilder von

Matisse denken, in denen er sich mit der Problematik des Gegenlichtes beschäftigte.

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Impressionistisch beeinflusst ist auch eine weitere Ansicht in Theresienstadt (Abb. 78),

welche den Blick auf eine herbstlich gefärbte Allee zeigt. Die Bäume sind jeweils aus

kleinen, breiten Farbflächen zusammengesetzt. Teilweise verschwimmen die

Farbflächen untereinander. Der Einfluss von Cézanne oder auch von Corinths späteren

Werken ist hier unverkennbar.

An dieser Stelle soll noch auf ein Stilleben eingegangen werden, welches in

Theresienstadt entstanden ist. Es handelt sich um das Bild „Blumenstrauß mit

Schlüsseln“ von 1944 (Abb. 79). Es zeigt einen Strauß verschiedener Blumen und

Gräser in einer Glasvase. Links hinter der Vase sind zwei Schlüssel (oder handelt es

sich um einen Schlüssel und seinen Schatten?) abgebildet. Die Pflanzen sind nur

teilweise detailliert ausgeführt Auf auffallende Akzente verzichtet wurde verzichtet.

Das Stillleben kann stilistisch mit den späten Aquarellen Corinths verglichen werden,

wie z.B. mit dem Werk „Vase mit welken Blumen“ von 1925 (Abb. 80). Bei beiden

sind die Pflanzen flüchtig ausgeführt, aber dennoch zu erkennen. Bei Dicker-Brandeis’

Komposition ist wie bei Corinth nur die Vase mit den Blumen dargestellt. Ein

Untergrund auf dem die Vase steht, ist nicht ersichtlich.

4. Friedl Dicker-Brandeis als Kunstpädagogin

Der letzte Abschnitt der vorliegenden Arbeit soll sich mit Friedl Dicker-Brandeis’

Arbeit als Kunstpädagogin befassen, welche wahrscheinlich ihre eigentliche Berufung

war, der sie bis zu ihrem Tod folgte. Wie sie ihren Unterricht gestaltete und welche

Ideen und Methoden ihrer Lehrer und Vorgänger sie einfließen ließ, soll noch zu zeigen

sein. Eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung mit der Kunstpädagogin Friedl

Dicker-Brandeis, sollen nicht nur die theoretischen Methoden spielen, sondern auch ihre

Persönlichkeit, wie sie die Kinder wahrnahmen, wie sie sich zeigte.

Doch um Friedl Dicker-Brandeis’ kunstpädagogische Arbeit genauer einordnen zu

können, sollen im Folgenden die Methoden und Lehren einiger Reformpädagogen, die

alle auch in Wien wirkten, aufgezeigt und erläutert werden, von denen ein Einfluss auf

Friedl Dicker-Brandeis’ Methode anzunehmen ist. Zum einen ist das Franz Čižek, der

durch seine Arbeit mit Kindern und die Wertschätzung der Kinderkunst bekannt wurde.

Er war der Professer der Textilklasse der k.u.k. Kunstgewerbeschule, die Friedl Dicker

von 1915 bis 1916 besuchte.. Wie ausgeführt, spielte auch Johannes Itten in Dicker-

Brandeis’ Leben eine wichtige Rolle, in seiner Funktion als Lehrer, vielleicht sogar die

wichtigste. Seine Lehrmethoden erlebte sie, als sie ab 1916 bei ihm in Wien studierte.

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Ausgeprägter erfuhr sie seine Methoden sicherlich in seinem Vorkurs am Bauhaus. Da

Maria Montessori in der Reformpädagogik eine große Rolle spielte und ihre Lehren und

Ansichten auch auf Čižek und Itten Einfluss hatten, soll auch ihr hier ein kurzer

Abschnitt gewidmet werden. Friedl Dicker-Brandeis selbst kam, im Zuge der

Umgestaltung eines Montessori-Kindergartens224,, auch mit ihren Lehren in Berührung.

Doch zu Beginn soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, was die Ideen und

Ziele der Reformpädagogik im Allgemeinen und der reformpädagogischen

Kunsterziehung im Speziellen, waren.

4.1. Einflüsse

4.1.1. Reformpädagogik

Die schulische Reformbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts hatte zur Folge, dass

der traditionelle Zeichenunterricht abgelöst wurde von dem Schulfach

„Kunsterziehung“.225 Die reformierte Kunsterziehung wandte sich gegen „ein

sinnentleertes Lernen, das einseitig kognitiv-rezeptiv ausgerichtet war“.226 Ziel war es

stattdessen, die schöpferischen Kräfte zu fördern und der individuellen Persönlichkeit

Raum zur Entfaltung zu geben.227 Vorher hatte das Kind als „unfertiges, kleines Abbild

des Erwachsenen“228 gegolten, welches der Erzieher zu formen hatte. Die Kinder sollten

zu Ordnung, Sauberkeit, Vaterlandsliebe und Anpassung erzogen werden.229 Der

traditionelle Zeichenunterricht verlief dementsprechend in strengen Bahnen. Geprägt

wurde er von Vorlagen wie Schablonen, Malbüchern und Vorlagenbau mit

Klötzchen.230 Auch „stigmatisches Zeichnen oder Netzzeichnen, Takt- und

Diktatzeichnen waren Teil der schulischen Übungen“ gewesen.231 Es mussten

bestimmte Handgriffe erlernt werden. Spontaneität und Freude am selbsttätigen

Schaffen oder auch Übungen wie das Naturstudium und Gedächtniszeichnungen waren

nicht erwünscht.232 Gegen diese traditionellen Ansichten gingen die Reformpädagogen

vor. Vor der Reform hatte man spontanes Kinderzeichnen als banale Kritzelei abgetan.

224 Vgl. Makarova, S. 20. 225 Laven 2006, S. 22. 226 Ebd., S. 22. 227 Vgl. ebd., S. 22. 228 Ebd., S. 86. 229 Vgl. ebd., S. 86. 230 Ebd., S. 87. 231 Ebd., S. 87. 232 Vgl. ebd., S. 87.

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Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man sich mit der Psyche des

schöpferischen Kindes zu beschäftigen.233

Die Reformpädagogik, die sich als eine Erziehungswissenschaft „vom Kinde aus“

verstand, übertrug dem Kind eine aktive Rolle im Lernprozess. „Kernpunkte waren die

Orientierung am Kind mit den spezifischen Eigenheiten der kindlichen Welt, das Lernen

anhand praktischer Arbeit, eine ganzheitliche und gemeinschaftsfähige

Persönlichkeitsbildung sowie die Beobachtung und Förderung des schöpferischen

Potenzials, von dem angenommen wurde, dass es in jedem Kind angelegt sei.

›Selbsttätigsein‹, ›Mitgestaltung‹ und ›Eigenverantwortung‹ etablierten sich als zentrale

Begriffe.“234 Nicht Intellektualität, das Rationale und Kognitive wurden betont, sondern

das Emotionale, das gemeinsame Erleben und Tun.235

Einen hohen Stellenwert in der Kunsterziehung hatte die Kinderzeichnung, da man

durch sie viel über die Entwicklung des Kindes sagen konnte. Das Kind malt

unbekümmert drauf los. Formale Gestaltungsprinzipien sind ihm unbekannt.236 Die

Zeichnung spiegelt die Sehweise des Kindes wieder. Man kann durch sie viel darüber

erfahren, wie sich das Kind etwas aneignet. Doch sie offenbart auch gleichzeitig

Gefühle, Erlebnisse und Träume.237

Bezüglich der Reform des Zeichenunterrichtes wurden einige Punkte als wichtig

angesehen. Durch das Studium der charakteristischen Natur- und Lebensformen, sollte

sich Sinn und Gedächtnis für Form und Farbe entwickeln. Durch die einfache

Wiedergabe des Beobachteten sollte die Hand geübt werden. Damit das Interesse des

Kindes geweckt wird, sollte der Zeichenstoff der Umgebung des Kindes entnommen

sein, damit das Kind zu dem Nachzubildenden in gefühlsmäßiger Beziehung steht.

Außerdem solle der Zeichenunterricht der psychischen Entwicklung des Kindes

folgen.238

4.1.2. Franz Čižek

Der Künstler und Kunstpädagoge Franz Čižek befasste sich schon früh mit den

Zeichnungen von Kindern. Schon 1885 begann er als Student Mal- und

233 Vgl. ebd., S. 29. 234 Ebd., S. 46. 235 Vgl. ebd., S. 46. 236 Vgl. Hamann 1994, S. 45. 237 Vgl. ebd., S. 45. 238 Vgl. ebd., S. 160/161.

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Zeichenunterricht für Kinder zu geben.239 Er war überzeugter Vertreter der

reformpädagogischen Bewegung. Sich auf Rousseau stützend, war Čižek der Meinung,

dass Lernen Freude machen sollte, es sollte spielerisch sein und geprägt von einem

individuellen Erleben.240 Die Erziehung sollte quasi ohne Erzieher vonstatten gehen.

Die Kinder sollten durch eigenes Erfahren und unmittelbares Erleben mit den eigenen

Sinnen lernen.241 Seine Idealvorstellung von einem Lehrenden war die eines Hegenden

und Pflegenden, der Impulse gibt und Mittel und Befehle zur Verfügung stellt, aber nie

in den Bildungsprozess eingreift, um die Selbstentfaltung nicht zu hindern. Außerdem

sollte alles, was nicht kindgemäß war , von den Kindern ferngehalten werden.242

Čižek gründete schließlich die Wiener Jugendkunstklasse. Diese Klasse besuchten

Kinder verschiedener Altersstufen und mit unterschiedlichem gesellschaftlichem

Hintergrund. Auch das künstlerische Niveau der Klasse war keineswegs homogen.243

Eine Voraussetzung zur Teilnahme war ein hohes Maß an Selbständigkeit.244 Das

Kopieren von vorgegebenen Werken lehnte Čižek grundlegend ab. Die Schüler wurden

dazu ermutigt, selbstbewusst innere Bilder zu Papier zu bringen. Čižek zeichnete nie

etwas vor und griff auch nicht in die Arbeiten der Schüler ein. Auch die Wahl der

Materialien und Techniken überließ er den Kindern selbst.245 Im Gegensatz zu dem

bisherigen Zeichenunterricht, gab Čižek dem Naturstudium und dem Zeichnen von den

Dingen in der Natur (Pflanzen, Blüten,...) den Vorrang vor dem wiederholten Zeichnen

von geometrischen Formen:

„Das Kind, das sich für die zahllosen Gegenstände seiner Umgebung

interessiert, mit einer nach Nahrung dürstenden Phantasie, seinem angeborenen

künstlerischen Illusionsbedürfnis würde mit Dreiecken, Vierecken usw. geplagt,

die für ihn nichts als leere Formen, Schemen, Abstraktionen bedeuteten. (...) Die

Geometrie solle von einem Lehrer der Mathematik gelehrt werden, nicht aber

vom Zeichenlehrer (...) Das viele Zeichnen des Flächenornaments ist ebenso

verwerflich wie das geometrische Freihandzeichnen. Die formalen Prinzipien

lernen die Kinder viel besser am natürlichen Blatt, an Blüten und symmetrisch

239 Vgl. Laven 2006, S. 83. 240 Vgl. ebd., S. 43. 241 Ebd., S. 44. 242 Vgl. ebd., S. 136. 243 Vgl. ebd., S. 123. 244 Vgl. ebd., S. 124. 245 Vgl. ebd., S. 155.

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gewachsenen Zweigen, an denen sie überdies ein viel gefühlsmäßigeres

Interesse nähmen. (...)“246

Da Čižek selbst sich nicht als Pädagoge sah, sondern als „Wecker, Hervorrufer, Anreger

und Förderer“247, sah er die eigentliche Herausforderung darin, den

„entwicklungspsychologischen Bedürfnissen der Kinder nach Ausdruck und

Betätigung“ gerecht zu werden.248 In seiner Klasse herrschte immer eine lockere, lustige

Stimmung. Die Kinder mussten nicht still sein. Sie konnten herumlaufen, miteinander

reden und lachen. Nebenbei wurde Musik gehört. Die Kinder durften einfach Kinder

sein.249 Die Werke, die sie schufen, wurden nicht getadelt oder verbessert. Nachdem

die Kinder eine Weile gearbeitet hatten, wurden die Werke ausgestellt und gemeinsam

besprochen. Somit stand das Kind als Schaffender seinem Werk gegenüber und konnte

es gleichzeitig in einen Gesamtzusammenhang einordnen.250 Dieses Vorgehen förderte

Toleranz und Offenheit gegenüber der Vielfalt an möglichen Ausdrucksformen.251 In

Čižek Klassen hatten die Kinder größtmögliche Freiheiten sich selbst zu verwirklichen.

Sie wurden sogar gefordert in hohem Maße selbständig und selbsttätig zu handeln.252

Bezüglich der Kinderkunst war Čižek, entgegen der allgemeinen Ansicht, der Meinung,

dass „die eigenständige Produktivität der kindlichen Entwicklungsstufe als ein in sich

abgeschlossenes Kunstgebiet“ zu gelten hat und nicht als „Vorstufe für die reife Kunst

zu betrachten ist“.253

4.1.3. Johannes Itten

Auch Johannes Itten stand in der Tradition der Reformpädagogen wie Rousseau,

Pestalozzi, Fröbel und Montessori.254 Sein Beitrag zur Kunstpädagogik liegt darin, dass

er einer der ersten war, der die reformpädagogischen Tendenzen zusammengefasst hat

und für die Kunsterziehung nutzte.255 Sein Ziel als Lehrer war eine ganzheitliche

Bildung des Menschen, da er der Meinung war, dass ein Kind nur in der Ganzheit von

Denken, Fühlen und Tun, spielend und dabei schöpferisch seine Welt erobert.256

246 Ebd., S. 25. 247 Ebd., S. 139. 248 Ebd., S. 45. 249 Vgl. ebd., S. 139. 250 Vgl., ebd., S. 134. 251 Vgl. ebd., S. 136. 252 Vgl. ebd., S. 87. 253 Vgl. Bisanz, Hans: Franz Cizek – Kunstpädagogik für das „Jahrhundert des Kindes“, In: Bisanz 1985, S. 13. 254 Vgl. Wick 1982, S. 101. 255 Vgl. ebd., S. 101. 256 Vgl. ebd., S. 101.

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Dementsprechend fand seine Erziehung auf körperlicher, seelischer und intellektueller

Ebene statt.257 Ihm war es auch immer wichtig, auf die jeweiligen Eigenarten der

einzelnen Schüler einzugehen.258 Jeder sollte sich so entwickeln, wie es in den eigenen

Möglichkeiten lag.

Für Itten war der aufzubauende und entwicklungsfähige Mensch, die Aufgabe seiner

pädagogischen Tätigkeit. Er war der Meinung, dass ein verantwortungsbewusster

Lehrer als Mittel und Weg die Entwicklung der Sinne und der Denkfähigkeit wählt und

wert legt auf das seelische Erleben. Außerdem solle er für körperliche Durchbildung

und Lockerung sorgen.259 Itten verglich den wahren Lehrer mit einem Gärtner, der den

Boden bearbeitet, sät und in das Wachstum nur eingreift, wenn es notwendig ist, da die

Natur so groß und mächtig ist und er selbst so gering.260

Seine Auseinandersetzung mit der reformpädagogischen Bewegung gipfelte in seinem

Vorkurs, den er ab 1919 am Bauhaus in Weimar abhielt.261 Dort baute er seinen

Unterricht so auf, dass die von ihm gewünschte ganzheitliche Bildung des Menschen

möglich wurde. Der Unterricht begann immer mit gymnastischen Übungen. Durch die

körperlichen Übungen sollten die schöpferischen Kräfte befreit werden, durch welche

dann Erlebnisse und Erkenntnisse der Studenten sich in ihren Arbeiten zeigen

konnten.262 Itten sah in den gymnastischen Übungen den Zweck,

„dem Körper die Ausdrucksfähigkeit, die Erlebnisfähigkeit zu geben, sie in ihm

zu erwecken. Zuerst muss er erleben. Ich sollte deshalb zuerst Turnübungen

dazu brauchen, zu erleben, zu fühlen, chaotische Bewegungen zu entfesseln, den

Körper durchzuschütteln.“263

Der nächste Programmpunkt in seinem Unterricht waren die rhythmischen

Formübungen, bei denen er den Schülern eine Form vorgab, die sie dann nach dem von

ihm vorgegebenen Takt, wiederholen sollten. Das sollte den Studenten die Möglichkeit

geben, frei zu werden, sich zu entkrampfen.264 Sowohl die körperlichen Übungen, als

auch die rhythmischen Formübungen waren von Adolf Hölzl beeinflusst, bei dem Itten

in Stuttgart studierte.265

257 Vgl. ebd., S. 101. 258 Vgl. ebd., S. 102. 259 Vgl. ebd., S. 111. 260 Vgl. ebd., S. 118. 261 Vgl. ebd., S. 87. 262 Vgl. ebd., S. 87. 263 Itten Tagebuch, 2.3. 1918, in: Rotzler, Willy (Hrsg.): Johannes Itten. Werke und Schriften, 1978,S. 52, zitiert nach: Wick 1982, S. 88. 264 Vgl. Wick 1982, S. 88. 265 Vgl. ebd., S. 88.

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Ein wichtiger Bestandteil seines Unterrichts waren Form-, Farb- und Kontrastübungen,

die dazu dienten, den Studenten die notwendigen handwerklichen Vorraussetzungen zu

geben, um sich frei entfalten zu können. Damit steht er im Gegensatz zu Čižek, der

jegliches Wiederholen von Formen usw. ablehnte. Itten jedoch, sah das Erlernen der

Gestaltungsmittel und ihrer Gesetzmäßigkeiten als eine Notwendigkeit für die eigene

schöpferische Selbstentfaltung an.266 Außerdem erfolgte bei Itten die Beschäftigung mit

den Elementarformen nie rein mechanisch, sondern es sollten diese Formen auch erlebt,

erfühlt und körperlich erfahren werden.267 Des Weiteren konnten die Studenten ihre

Kreativität in diversen Improvisations- und Konstruktionsübungen unter Beweis stellen,

die von zweidimensionalen Studien bis hin zu dreidimensionalen, aus verschiedenen

Materialien bestehenden Kompositionen reichten.268

Itten schaffte es, die Studenten zur Auseinandersetzung mit ihrem Selbst (ihrem Ich) zu

motivieren.269

4.1.4. Maria Montessori

Als eine weitere Vertreterin der Reformpädagogik soll an dieser Stelle noch kurz auf die

Lehren von Maria Montessori eingegangen werden. Zum einen, weil sie, neben anderen,

sowohl für Čižek, als auch für Itten von Einfluss waren, zum anderen weil Friedl

Dicker-Brandeis ebenfalls mit ihren Lehren in Berührung gekommen sein dürfte, als sie,

anlässlich der Planung des Kindergartens Goethehof, die sie mit Franz Singer

durchführte, mit dort praktizierenden, psychoanalytisch orientierten Montessori-

Pädagoginnen in Kontakt kam.270

Für Maria Montessori stehen Geist und Intelligenz im Mittelpunkt der menschlichen

Existenz. Laut Montessori durchläuft ein Kind verschiedene Entwicklungsstadien, die

dem Erwerb geistiger, körperlicher und psychischer Fähigkeiten dienen.271 Auch sie ist

der Ansicht, dass das Kind nicht „fertig“ auf die Welt kommt, sondern dass es zur

Entwicklung einer passenden Umwelt bedarf.272 Ist die dem Kind bereitete Umgebung

günstig, entwickelt es sich selbstständig durch geeignete Anregungen aus der Umwelt.

266 Vgl. ebd., S. 102. 267 Vgl. Wick 1997, S. 82. 268 Vgl. Wick 1982, S. 88/89. 269 Vgl. Wick, Rainer: Johannes Itten am Bauhaus: Ästhetische Erziehung als Ganzheitserziehung, In: Helfenstein 1984, S. 111. 270 Vgl. Zwiauer 1997, S. 54. 271 Vgl. Hedderich 2001, S. 26., 272 Vgl. ebd., S. 26.

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Dabei unterstreicht sie, dass Kinder einen hohen Anteil an Eigeninitiative beim

Selbstaufbau zeigen.273

Die Tätigkeit, die das Kind in dem vorbereiteten Umfeld erfüllt, nennt Montessori

„Arbeit“. Diese „Arbeit“ dient der Entwicklung und muss vom Kind selbst verrichtet

werden, der Erwachsene darf nur unterstützend eingreifen.274 Eine besondere Rolle

spielen, für die richtige Entwicklung des Kindes, natürlich die Lehrer. Nach

Montessoris Meinung sollte die Lehrerin Wissenschaftlerin und Beobachterin des

Kindes sein. In erster Linie sollte sie eine reife Persönlichkeit besitzen, die

gekennzeichnet ist durch Demut, Liebe und Geduld.275

Die Machtverhältnisse von Kindern und Erwachsenen sollten umgekehrt werden. Die

Kinder sollten zu Lehrmeistern werden, die Erwachsenen zu Dienern.276 Anders als in

der traditionellen Pädagogik soll in der Montessori-Pädagogik dem Erwachsenen die

passive Rolle zufallen und dem Kind Raum für seine Aktivität zu gewährleisten.277

Als Grundlage für eine kindgerechte Erziehung sieht sie Freiheit und

Selbstbestimmung. Dass bedeutet jedoch keinesfalls, dass es keine Regeln gibt,

sondern, dass dem Kind die Freiheit zum richtigen Handeln ermöglicht wird, auf der

Basis von selbstgefundenen Regeln.278

4.2. Friedl Dicker-Brandeis’ kunstpädagogische Arbeit mit Kindern

Friedl Dicker-Brandeis’ Arbeit als Kunstpädagogin begann 1931,als sie die Stadt Wien

einlud, Kurse für Kindergärtnerinnen zu halten. Bei der Arbeit mit den Erzieherinnen

lernte sie selbst, den Erwachsenen beizubringen, die Persönlichkeit und die

künstlerischen Fähigkeiten von Kindern zu erkennen.279 Das Besondere an Friedl

Dicker-Brandeis war, dass sie während ihrer Arbeit mit Kindern, einen sehr intensiven

Kontakt zu ihnen aufbaute.280 Ihr Ziel war es, den Kindern zu helfen, eigene

Erfahrungen und Empfindungen zu erkennen und auszudrücken.281 Sie verfolgte mit

ihren Übungen keinen Zweck, sondern forderte dadurch die Kinder zu einem

konzentrierten und aktiven Schaffensprozess auf.282 Nach ihrer Emigration nach Prag,

273 Vgl. ebd., S. 26. 274 Vgl. ebd., S. 39. 275 Vgl. ebd., S. 37. 276 Vgl. ebd., S. 34. 277 Vgl. ebd., S. 37. 278 Vgl. ebd., S. 37. 279 Vgl. Makarova 2000, S. 21. 280 Vgl. ebd., S. 21. 281 Vgl. ebd., S. 22. 282 Vgl. ebd., S. 22.

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setzte sie ihre pädagogische Tätigkeit mit Kindern283 fort. Edith Kramer, die schon in

Wien Dicker-Brandeis’ Schülerin gewesen war und nun in Prag ihre Assistentin,

berichtete, dass Dicker-Brandeis hier auf das gleiche Prinzip zurückgriff, wie schon in

Wien. Die Kinder sollten nach Diktaten zeichnen, nach Klang und Rhythmus. Sie

fertigten Collagen und Kopien an und Dicker-Brandeis führte mit ihnen, in Anklang an

Itten, rhythmische Übungen durch.284 In Prag begann Dicker-Brandeis in dem

Unterricht mit den Kindern auch einen therapeutischen Sinn zu sehen. Hier und dann

besonders in Theresienstadt arbeitete sie fast ausschließlich mit traumatisierten Kindern,

die ihre Familien und ihre Heimat verlassen mussten.285

4.2.1. Friedl Dicker-Brandeis’ Unterricht in Theresienstadt

Die Arbeit mit Kindern bedeutete ihre so viel und füllte ihr Leben so sehr aus, dass,

selbst, als sie sich 1942 auf ihre eigene Deportation nach Theresienstadt vorbereitete,

eine ihrer größten Sorgen war, ob sie in Theresienstadt auch genügend

Zeichenmaterialien hätten. Sie malte sich schon in Gedanken aus, was sie alles mit den

Kindern machen würde.286 In diesem Anflug von Vorfreude zeigte sich Friedl Dicker-

Brandeis’ ungebrochener Optimismus. Um sogleich den Kindern, die ihr so wichtig

waren, nahe zu sein, ließ sie sich, wie bereits erwähnt, mit viel Mühe in das

Mädchenheim L410 einteilen, in dem sie fortan einen Mal- und Zeichenkurs leitete.287

Ihre mütterliche, liebevolle Art, verbunden mit ihrer Professionalität, sorgten dafür, dass

sie einen großen Einfluss auf die Kinder hatte. Doch auch sie bekam viel von den

Kindern zurück, sie wurden zur „Quelle ihrer Kraft“.288

Ein großes Problem stellten natürlich die, nur mangelhaft vorhandenen Materialien dar.

Friedl Dicker-Brandeis musste sie sich meist selbst beschaffen, entweder aus der

Technischen Abteilung, in der sie arbeitete, oder von anderen Künstlern. Es wurde alles

verwenden, mit dem man irgendwie künstlerisch arbeiten konnte – Papier von

Päckchen, die Rückseite von technischen Zeichnungen, Formulare usw.289

„Papier zu bekommen, war immer schwierig, und auch die Farben waren

knapp. Um Techniken und Material kümmerte Friedl sich wenig, vielleicht weil 283 „Darunter waren sowohl die Kinder der deutschsprachigen Intelligenzia in Prag als auch Proletarierkinder, die mit ihren Eltern als politische Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland nach Prag gekommen waren.“ Edith Kramer über Friedl Dicker-Brandeis, in: Makarova 2000, S. 235. 284 Vgl. ebd., S. 24/25. 285 vgl. ebd., S. 25. 286 Vgl. ebd., S. 31. 287 Vgl. ebd., S. 33. 288 Vgl. ebd., S. 33. 289 Vgl. ebd., S. 34.

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es so wenig Material gab und wir ohnehin keine Auswahl hatten. Oft zeichneten

die Kinder einfach mit dem Bleistift, ganz gleich zu welchem Thema.“290

Im Folgenden sollen die Ziele und Methoden von Friedl Dicker-Brandeis’ Unterricht

erörtert werden, um dann kurz darauf einzugehen, welche reformpädagogischen Ideen

in ihre Arbeit mit den Kindern eingeflossen sind. Ermöglicht wird die

Auseinandersetzung mit ihren Methoden, durch Aussagen von ehemaligen Schülerinnen

und durch einen Text, der von ihren Aufzeichnungen, die sie in Theresienstadt

anfertigte, noch erhalten geblieben ist. Es handelt sich hierbei um den Vortrag

„Kinderzeichnen“, den sie 1943, zum Jahrestag der Gründung der Kinderheime in

Theresienstadt hielt.291

Ohne hier näher auf die Kinderzeichnungen selbst einzugehen, muss gesagt werden,

dass der Eindruck den die Zeichnungen so stark traumatisierter Kinder, wie Friedl

Dicker-Brandeis sie in Theresienstadt vorfand, und die Erkenntnisse, die man daraus

gewinnen kann, grundsätzlich nur andere sein können, als die Erkenntnisse, die die

Zeichnungen „normal“ aufwachsender Kinder vermitteln. Weder Itten, noch Čižek

mussten ihren Unterricht in einer solchen Extremsituation abhalten.

Dadurch, dass die Kinder in Theresienstadt durch das Zeichnen auch gleichzeitig ihre

Ängste ausdrücken konnten, gelang es ihnen, ein Stück weit besser mit ihrer Situation

umzugehen.292 Daran wird deutlich, dass Friedl Dicker-Brandeis auch therapeutische

Arbeit verrichtete. Als Ziel setzte sie sich, das erschütterte Bewusstsein der Kinder

wieder, so gut es ging, herzustellen. Das Chaos in den Kindern sollte wieder

harmonisiert werden. Dabei griff sie auf Methoden und Übungen zurück, welche sie

selbst als Schülerin erfahren hatte.293

Um die Kinder an einer aktiven Teilnahme an den Übungen zu motivieren, war Friedl

Dicker-Brandeis’ Stimme wohl ihr überzeugendstes Instrument. „Die Kinder reagierten

auf Friedl Dicker-Brandeis’ Stimme. Ihre hohen und tiefen Obertöne erzeugten

spiralförmige Linien, zuweilen graphisch ausgeformt, zuweilen kaum zu erkennen. Sie

motivierten zur emotionalen Konzentration auf das Eigentliche der Übung – der

Rhythmus von Friedl Dicker-Brandeis’ Stimme und Atem muss eine geradezu

hypnotische Wirkung gehabt haben. Er zog die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich

und entführte sie in den Zauber ihres Unterrichts.“294 In dieser Beschreibung ist klar

290 Eva Štichová-Beldová im Gespräch mit Elene Makarova, In: Makarova 2000, S. 213. 291 Vgl. ebd., S. 167. 292 Vgl. ebd. S. 194. 293 Vgl. ebd., S. 195. 294 Ebd., S. 195.

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erkennbar, dass Friedl Dicker-Brandeis Rhythmusübungen durchführte, wie sie auch

Teil des Vorkurses bei Itten am Bauhaus waren. Edith Kramer295 erinnerte sich:

„[...] Man musste den Klang ihrer Stimme ins Graphische übersetzen, z.B. eins –

zwei und eins – zwei. Sie gab den Rhythmus vor, und man musste ihrer Stimme

ganz genau folgen und den Rhythmus ganz genau aufzeichnen, so dass man ihn

vom Papier ablesen konnte. [...].“296

Für Itten war der Sinn einer solchen Übung, dass die Schüler frei wurden, sich

lockerten, um somit ihrer Kreativität sowohl geistig, als auch mit den Händen, freien

Lauf lassen zu können. Auch Friedl Dicker-Brandeis dürfte diese Wirkung beabsichtigt

haben

Ein weiteres Unterrichtsmittel in Friedl Dicker-Brandeis’ Kurs war das Erzählen von

Märchen und Geschichten.297 Die Erzählungen sollten die Kinder zum Zeichnen

anregen. Doch auch die Konzentration wurde gefördert, in dem Friedl Dicker-Brandeis

noch bestimmte Aufgabenstellungen an eine solche Geschichte knüpfte, z.B. dass nur

diese Objekte gezeichnet werden sollen, die zweimal in der Erzählung vorkamen.298

Doch neben der Förderung von Kreativität und Konzentration, waren die Erzählungen

sicherlich auch aus einem anderen Grund ein Höhepunkt in den Kursen. Die

Geschichten ermöglichten es den Kindern, für eine Weile ihrer schrecklichen Situation

zu entfliehen und in schönere und bessere Welten einzutauchen, in denen es

wahrscheinlich immer ein Happy End gab, und somit vielleicht wieder Hoffnung für ihr

eigenes Leben zu schöpfen. Sicherlich trugen auch die Übungen, bei denen die Kinder

um Objekte herum eine Geschichte entwickeln sollten, dazu bei. Es gab auch Stunden,

in denen die Kinder das Zeichnen sollten, was ihnen einfiel, ohne groß darüber

nachzudenken, wie sich Eva Štichová-Beldová erinnerte:

„[...]In den sogenannten Freistunden wurde kein Thema vorgegeben, die Kinder

sollten nicht einmal nachdenken – einfach zeichnen, sich sammeln, träumen und

dann wieder zeichnen, was immer dabei auch herauskäme. Ziel dieser Stunden

war die spontane Äußerung, die zur Befreiung des Geistes führen sollte.[...]“299

295 Edith Kramer war sowohl in Wien, als auch in Prag Schülerin Friedl Dickers. Sie emigrierte 1938 nach New York. Vgl. Makarova 2000, S. 230 296 Edith Kramer über Friedl Dicker-Brandeis, in: Makarova 2000, S. 231/232. 297 Vgl. ebd., S. 195. 298 Vgl. ebd., S. 195. 299 Eva Štichová-Beldová im Gespräch mit Elene Makarova, In: Makarova 2000, S. 213.

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Eine weitere, für die künstlerische Ausbildung wichtige Übung, war es, ein Objekt mit

einer vorgegebenen Größe oder Oberflächenbeschaffenheit zu zeichnen.300 Diese Übung

ist vergleichbar mit Ittens Material- und Texturstudien, welche er dann von seinen

Schülern erfühlen und abzeichnen ließ, um den Sinn für Oberflächen zu schulen.

Auch Ittens „Analysen alter Meister“ fand sich in Friedl Dicker-Brandeis’ Unterricht

wieder, wenn auch in vereinfachter Form. Das Ziel, das Wesen des Malers und des

Werkes zu erfassen, war jedoch das gleiche.301

Das Studium nach der Natur nahm in Friedl Dicker-Brandeis’ Kurs einen besonderen

Stellenwert ein. Neben der Schulung des Sehens, ist die Bedeutung für die Kinder in

Theresienstadt eine noch viel tiefgründigere gewesen. Sie lernten, dass sie die Dinge um

sich herum erfassen, wiedergeben und gestalten konnten und das mit den einfachsten

Mitteln. Diese Tatsache steigerte das Selbstvertrauen. Doch das Darstellen von

Menschen und der Natur, vielleicht sogar noch aus der Erinnerung an frühere Zeiten, als

sie noch frei waren, gab den Kindern auch die Möglichkeit wieder in ihre

Vergangenheit zurückzukehren.302 Die Kinder hatten dadurch wieder schöne Bilder vor

Augen oder konnten Erlebtes verarbeiten. „Die Themen des Zeichenunterrichts wurden

so gewählt, dass sie in den Kindern Reaktionen hervorriefen: Themen, die den Kindern

vertraut, die ihnen nahe waren. Dazu gehörten Motive aus der Natur (Blumen,

Schmetterlinge und Tiere), Landschaften und Naturereignisse (Stürme und

Regenbögen), die vier Jahreszeiten, Straßen, Bahnhöfe, Häuser (von innen wie von

außen), FamilienPorträts und Feste (Seder und Weihnachten303), Veranstaltungen

(Zirkus, Theater, Karussell und Riesenrad304) und so weiter – alles, was zum

Erfahrungsschatz eines Kindes gehören und was jedes Kind auf seine eigene, ganz

persönliche Weise ausdrücken konnte.“305

Bei den Zeichenkursen in Theresienstadt kam auch noch eine weitere Bauhaus-

Tradition zum Einsatz – die kollektive künstlerische Arbeit. Dabei hatte jedes Kind

seine Aufgaben und seine Rolle, die jedes mal anders verteilt wurde. Nach der

300 Vgl. ebd., S. 195. 301 Vgl. ebd., S. 196. 302 Vgl. ebd., S. 196. 303 Die Juden entfremdeten sich im 19. Jahrhundert immer mehr von ihrer Religion. Die nichtjüdische Kultur gewann mehr und mehr an Bedeutung. Die Kinder gingen auf öffentliche, christlich geprägte Schulen und kamen dort auch mit den christlichen Traditionen, darunter auch Weihnachten in Berührung. Im Zuge von Säkularisierung und Akkulturation wurde das Weihnachtsfest und auch der Weihnachtsbaum in die jüdischen Familien integriert. Es wurde allerdings nicht als christliches Fest gefeiert, sondern als säkulare häusliche Familienfeier. Vgl. Richarz, Monika, Weihnukka – Das Weihnachtsfest im jüdischen Bürgertum, in: KUGELMANN 2005, S. 87 – 99. 304 Sicherlich von Wiener Kindern gemalt. 305 Ebd. ,S. 196.

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Fertigstellung wurde dann jedes Werk von allen besprochen, wodurch die Kinder

Exaktheit lernten und vor allem, was sehr wichtig war in einer solchen Extremsituation,

sie lernten Toleranz.306 Genau diese Ziele hatte Itten, aber auch Čižek verfolgt, die,

unabhängig voneinander, eben diese Methode anwandten.

Friedl Dicker-Brandeis zeigte den Kindern nicht, wie man zeichnete und malte, sondern

sie versuchte ihnen das Wesen der Kunst näher zu bringen, wie folgende zwei Zitate

verdeutlichen sollen:

„[...]Sie sprach darüber, wie man mit einer Zeichnung beginnt, wie man die

Dinge betrachtet, wie man räumlich denkt. Wie man etwas erträumt und wie wir

unsere Phantasien in die Wirklichkeit umsetzen können [...].“307

„[...]Sie setzte gerne Übungen ein. Rhythmus und Linie, die ein Haus zum Haus

und einen Pinsel zum Pinsel machten. Die Suche nach der Essenz der Dinge –

das war ihre Lehre, die ich nie vergessen habe.[...]“308

4.2.2. Friedl Dicker-Brandeis’ kunstpädagogische Ansätze und Erkenntnisse

Die Erkenntnisse, die Friedl Dicker-Brandeis aus dem Studium der Kinderzeichnungen

zog, wollte sie eigentlich nach dem Krieg für eine Studie über Kunst als Therapie

verwenden. Als Vorstufe zu dieser geplanten Studie ist der bereits erwähnte Vortrag

„Kinderzeichnen“309 zu sehen, dessen Inhalt in schriftlicher Form erhalten geblieben ist.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte des Textes, und damit Friedl Dicker-

Brandeis’ Ansätze, aufgezeigt werden.

Friedl Dicker-Brandeis wollte die Kinder nicht in erster Linie zu Malern ausbilden,

sondern ihre Phantasie, Urteilskraft und Beobachtungsgabe stärken.310 Sie weist darauf

hin, dass man das Kind nicht als unfertige Vorstufe zu einem Erwachsenen sehen darf.

Ihrer Meinung nach, muss der Unterricht mit Kindern, sich dem Alter dieser anpassen.

Da Kinder unter 10 Jahren im Spielen lernen, sollten sie dabei nicht durch spezielle

Übungen gestört werden. Für sie ist Malen ein Hauptausdrucksmittel um das

wiederzugeben, was sie in ihrer Phantasie sehen. Im Gegensatz dazu, wollen ältere

Kinder das darstellen, was sie wirklich sehen. Doch dazu benötigen sie die notwendigen

technischen Voraussetzungen, da sie sonst unzufrieden sind. Nun kann der

306 Vgl. ebd., S. 197. 307 Helga Kinsky im Gespräch mit Elena Makarova, In: Makarova 2000, S. 213. 308 Eva Adorian im Gespräch mit Elena Makarova, in: Makarova 2000, S. 215. 309 Der vollständige Text ist abgedruckt in: Škochová 1983, 46 – 51. 310 Vgl. Škochová 1983, S. 46.

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Formunterricht beginnen, aber nur soweit, wie es das Kind zulässt und braucht.311 Man

darf auch nur soweit in seine kreative Tätigkeit eingreifen und Vorschläge einbringen,

wie es das Kind annimmt, da die Zeichnungen, die aus eigenem Antrieb entstehen, viel

auch über die Psyche des Kindes aussagen. 312

Besser sei es auch, meint Friedl Dicker-Brandeis, wenn Kinder in einer möglichst

großen Gruppe unterrichtet werden, da sie sich dann gegenseitig beeinflussen und

Zusammenarbeit lernen. So werden sie auch mit Schwierigkeiten, wie zu knappes

Material, fertig.313 Auch das gemeinsame kritisieren der entstandenen Werke, hält Friedl

Dicker-Brandeis für sehr wichtig. Zum einen lernen die Kinder Toleranz, zum anderen

entstehen aus den Fehlern Anregungen zu neuen Ideen.314

In ihrem Vortrag betont sie auch die Wichtigkeit der rhythmischen Übungen, die die

Hand und die ganze Person lockern sollen. Doch sie haben auch noch ein ganz

pragmatisches Ziel – sie sind ein „geeignetes Mittel eine Horde in eine Arbeitsgruppe

zu verwandeln, die bereit ist, sich gemeinsam einer Sache hinzugeben“.315

Wichtig war ihr, dass man es dem Kind ermöglicht, schöpferisch zu zeichnen, um sich

sowohl stimmungsgemäß, als auch formal mitzuteilen. Um das Kind zu bereichern,

kann man ihm verschiedene Kunstwerke zeigen, aus denen es sich dann nimmt, was es

braucht. Aber es sollte an möglichst breites Spektrum an Kunst sein, damit das Kind

nicht in eine Richtung beeinflusst oder gar gedrängt wird.

„Obwohl die Kinder geleitet werden müssen, ist doch zunächst Gelegenheit

geben und abwarten das Eigentliche. Beim selbständigen Wählen, Finden und

Erarbeiten seiner Form bekommt das Kind Mut Aufrichtigkeit, entfaltet seine

Phantasie, Urteilskraft, Beobachtungsgabe, Ausdauer, später (sehr spät) den

Geschmack und es wird so ein Zugang zum Schönen gesichert [...].“316

Anhand der Schilderung, wie sie ihren Unterricht gestaltete und ihres Vortrages, wird

deutlich, dass ihre Art zu unterrichten auf ihre eigenen Lehrer Čižek und Itten

zurückgeht. Außerdem zeigt sich, dass Friedl Dicker-Brandeis auch die menschlichen

und persönlichen Qualitäten mitbringt, die die Reformpädagogen von einem Lehrer

erwarteten. So erfüllt sie Montessoris Forderung nach einer Lehrerin, die sich mit den

Kindern auseinandersetzt und dabei mit Demut, Liebe und Geduld vorgeht. Friedl

311 Vgl. ebd., S. 46. 312 Vgl. ebd., S. 46. 313 Vgl. ebd., S. 46. 314 Vgl. ebd. S. 47. 315 Ebd., S. 47. 316 Ebd., S. 49.

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Dicker-Brandeis lässt den Kindern Raum, ihre eigene Kreativität auszuleben. Doch

damit dies nicht irgendwie geschieht, versucht sie, durch die rhythmischen Übungen

und das Vorgeben eines Objektes oder Themas, den Kindern einen Weg aufzuzeigen,

um die Schaffenskraft gezielt einzusetzen. Somit kommt sie Montessoris Aufforderung

nach, den Kindern einerseits Freiheit und Selbstbestimmung zu lassen, andererseits

durch das Aufzeigen von Möglichkeiten, von gewissen Regeln, die aber nicht

einschränken, sondern neue Wege aufzeigen, den Kindern das richtige Handeln zu

ermöglichen.

Die Orientierung an Čižek ist insofern zu sehen, dass sie den Kindern spielerisch etwas

beibrachte. Es war kein direkter Unterricht, in dem die formalen Übungen an erster

Stelle standen, sondern die Kinder wurde zur Wiedergabe, von dem in der Natur

Wahrgenommenen, angeregt. Sowohl bei Čižek, als auch bei Friedl Dicker-Brandeis

nahm das Studium der Natur und das Malen nach der Natur einen sehr hohen

Stellenwert ein. Doch die Atmosphäre in Dicker-Brandeis’ Unterricht war eine andere,

als in den Kursen von Čižek. Während bei Čižek die Stimmung ausgelassen und locker

war, herrschte bei Friedl Dicker-Brandeis’ Stunden meist Ruhe.317 Bei beide Pädagogen

ist jedoch vergleichbar, dass sie Kinder unterschiedlichsten Alters, Milieus und vor

allem unterschiedlichen künstlerischen Niveaus zu unterrichten hatten.

Ein großer Unterschied zu Čižek bestand aber in den formalen Übungen. Hier orientiert

sie sich an Itten. So wie Itten, ist Friedl Dicker-Brandeis der Ansicht, dass

Formübungen eine notwendige Voraussetzung sind, um den Kindern das technische und

formale Können mitzugeben, damit diese auch wirklich das wiedergeben können, was

sie ausdrücken möchten. Durch die, an Itten orientierten, rhythmischen Übungen und

dadurch, dass die Kinder durch das Zeichnen an ihrem Seelenleben arbeiteten, gelang

Friedl Dicker-Brandeis auch das, was Itten immer erreichen wollte, ein ganzheitliche

Bildung des Menschen.

Um Friedl Dicker-Brandeis’ Unterricht und dessen Wirkung auf die Kinder nochmals

zusammenzufassen, soll hier ein Ausschnitt aus dem Buch von Hannelore Brenner-

Wonschick, „Die Mädchen von Zimmer 28“, zitiert werden, welches aus Gesprächen

mit Frauen, die damals in dem Heim L410 lebten, in dem auch Friedl Dicker-Brandeis

lebte, entstanden ist:

317 Vgl. Eva Štichová-Beldová im Gespräch mit Elena Makarova, in: Makarova 2000, S. 213.

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„Die Malstunden mit Friedl Dicker-Brandeis waren für viele Kinder ein

leuchtender Stern im Dunkel des Ghettos. „In diesen Malstunden habe ich alles

vergessen“, erinnerte sich Helga318. „Da waren nur der große Tisch und die

Malutensilien. Auch wenn das ganz primitives Papier war, oft Makulaturpapier

oder Packpapier von irgendwelchen alten Paketen. Aber da hab ich mich wie ein

freier Mensch gefühlt.“

Die Kinder malten und zeichneten, bastelten und machten Collagen. Friedl

Dicker-Brandeis brachte Farben, Pinsel, Bleistifte und Papier mit. Oft auch

Kunstbücher und Gegenstände, die als Modell dienten – eine Vase, ein

holländischer Holzschuh, eine Teekanne. Mal gab sie ein Thema vor – ein Tier

in einer Landschaft oder Sturm/Wind/Abend; mal skizzierte sie in kurzen Sätzen

eine phantastische Geschichte. Manchmal sagte Friedl nicht mehr als: „Male,

wo du jetzt sein möchtest. Male, was du dir wünschst. Male, was dir besonders

viel bedeutet.“ Oder: „Schau doch aus dem Fenster, und male, was du siehst.“

Meist herrschte Stille bei der Arbeit. Denn von Friedl Dicker-Brandeis ging eine

Kraft aus, die die Kinder inspirierte. „Man musste bei ihr nicht gut zeichnen

können. Das war nicht das Wichtigste für sie“, schilderte Helga ihren

Unterricht. „Es kam darauf an, sich zu entfalten, sehen zu lernen. Farben zu

erkennen. Mit Farben zu spielen. Bewegungen nach Musik zu machen oder nach

einem bestimmten Takt. Sie klopfte zum Beispiel in einem bestimmten Takt auf

den Tisch, und wir sollten diese Bewegungen im entsprechenden Rhythmus

zeichnen. Ihre Art zu unterrichten – das gab uns für Augenblicke ein Gefühl der

Unbeschwertheit. Sie hat es vermocht, eine positive Einstellung zu unserem

Zustand, zum Leben in Theresienstadt in uns wachzurufen. In ihrer Gegenwart

fügte sich alles zum Guten, und das fast wie von selbst.“

Dabei fand auch Friedl Dicker-Brandeis, wenn sie ins Zimmer kam, keineswegs

immer ruhige, disziplinierte Kinder vor, die nur darauf warteten, malen zu

dürfen. Im Gegenteil. Aber Friedl schaffte es, die Kinderschar im Nu für ihre

Sache einzunehmen. Am meisten halfen dabei die rhythmischen Übungen. „Sie

erwiesen sich (ein Nebenresultat, sie sollen die Hand und die ganze Person des

Malers beschwingt und gefügig machen) als geeignetes Mittel, eine Horde in

318 Es handelt sich hier um Helga Pollak, die als Kind nach Theresienstadt kam und dort in dem Heim L410 im Zimmer 28 lebte. Sie ist eine der Überlebenden, dank derer Erzählungen und Tagebuchaufzeichnungen Hannelore Brenner-Wonschick das Buch Die Mädchen von Zimmer 28 schreiben konnte.

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eine Arbeitsgruppe zu verwandeln, die bereit ist, sich gemeinsam einer Sache

hinzugeben, statt sich gegenseitig zu stören und sogar ihre Arbeiten zu

zerstören“, ist in einem Bericht zum ersten Jahrestag der Theresienstädter

Heime Mitte 1943 zu lesen. „Außerdem heben sie das Kind aus den Denk- und

Sehgewohnheiten heraus ..., stellen es vor eine Aufgabe, die es so lust- und

phantasievoll und dabei mit größter Präzision erfüllen kann.“

Friedl Dicker-Brandeis liebte die Kinder, und die Kinder liebten sie. Die kleine,

rührige Person mit den kurzen hellbraunen Haaren, den großen

haselnussbraunen Augen und der sanften, hellen Stimme war stets freundlich zu

ihnen, war ruhig und geduldig. Sie maßregelte sie nicht, bedrängte sie nicht,

übte keinerlei Zwang auf sie aus. Spielerisch ging sie ans Werk, phantasievoll,

intuitiv. Beobachtete mit Interesse die ersten, zaghaften Malversuche ihrer

Schüler, stellte vorsichtig Fragen, machte wie beiläufig auf etwas aufmerksam.

Vor allem: Sie ermunterte sie, den eigenen Ideen und Einfällen zu folgen und

diese gestalterisch zum Ausdruck zu bringen. Denn, so einer ihrer Leitgedanken:

„Das Kind sei frei auszudrücken, was es über sich zu sagen hat.“

In ihren Malstunden gab Friedl Dicker-Brandeis ihren in künstlerischer wie

menschlicher Hinsicht reichen Erfahrungsschatz an die Kinder weiter und

mobilisierte jene Kräfte in ihnen, die ein positives Gegengewicht zum

erdrückenden Seinszustand bilden und ihr seelisches Gleichgewicht

wiederherstellen konnten. Sie weckte die Erinnerung an das Gute in der

Vergangenheit der Kinder und bestärkte sie in ihrer Hoffnung auf eine bessere

Zukunft. Damit gab sie ihnen auch ein Stück weit ihr Selbstvertrauen zurück.

Denn so ihr Credo: „Wo eine Kraft sich auf sich besinnt und versucht, durch

sich zu bestehen, ohne Angst vor Lächerlichkeit, da springt auch eine neue

Quelle des Schöpferischen auf, und dieses Ziel hat auch der Versuch unseres

Zeichenunterrichts.““319

319 Brenner-Wonschick 2004, S. 204 – 206.

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5. Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass Friedl Dicker-Brandeis eine Frau war, die sich

immer zwischen Emanzipation und Tradition bewegte, ohne sich je für eine Richtung zu

entscheiden. Als Frau, die künstlerisch tätig sein wollte, ist sie ihren eigenen Weg

gegangen. Sie versuchte weder an einer traditionellen Akademie angenommen zu

werden, noch trat sie einer Künstlerinnenvereinigung bei. Um dem drohenden

Dilettantismus zu entfliehen, besuchte sie Kurse bei Cizek und Itten und folgte diesem

1919 ans Bauhaus. Dort schaffte sie es, trotz einer oft frauenfeindlichen Atmosphäre,

sich gegen die männlichen Kommilitonen durchzusetzen und als Künstlerin anerkannt

zu werden. Ihr gelang es, sich, im Vergleich zu anderen Künstlerinnen, zumindest

durch ihre Anerkennung als Künstlerin, zu emanzipieren. Auch wenn Friedl Dicker-

Brandeis als Frau ein emanzipiertes Leben führte und für ihren Unterhalt selbst aufkam,

so war es doch nicht das, was sie sich eigentlich erträumte. Ihr größter Wunsch, der

wieder ganz der Tradition verhaftet war, war es, eine Familie zu haben. Einen Ausgleich

für ihre Kinderlosigkeit, fand sie in ihrer Tätigkeit als Kunstpädagogin. Dank ihrer

liebevollen, mütterlichen Art, war sie als Lehrerin sehr beliebt und erfolgreich.

In der Kunstpädagogik zeigte sich, dass Friedl Dicker-Brandeis keinesfalls stur an

überlieferten Traditionen festhielt. Sie machte sich in ihrem Unterricht die

reformpädagogischen Methoden und Lehren u.a. von Cizek, Itten und Montessori

zunutze. Damit emanzipierte sie sich von den noch immer vorherrschenden

traditionellen Methoden. Doch in ihrer Tätigkeit als Lehrerin wird sie auch innovativ.

Sie greift zwar die Art des Unterrichts, die sie selbst bei Cizek und Itten erlebt hatte auf,

doch sie folgt nicht ohne weiteres einem von beiden Pädagogen, die doch teilweise

unterschiedliche Vorgehensweisen und Ansichten hatten. Sie versuchte aus deren

Lehren und ihren eigenen Erkenntnissen, ihren eigenen Weg zu finden. Somit

emanzipierte sie sich teilweise von ihren Lehrern.

Als Künstlerin gelang es ihr nicht konstant sich von traditionellen Stilrichtungen zu

lösen und innovative Kunst zu schaffen.320

Am Bauhaus beschäftigte sie sich sehr ausführlich mit den aktuellsten Kunstströmungen

und Einflüssen. Ihre Bilder lassen sogar teilweise abstrakte Züge erkennen, werden

jedoch nie vollkommen ungegenständlich. Die Bilder dieser Zeit sind ein Konglomerat

aus den unterschiedlichen Stilrichtungen und Lehren, die am Bauhaus, v.a. durch die

Bauhausmeister dieser Jahre, zusammenflossen. 320 Hierbei bleibt immer die Frage, wie sie sich als Künstlerin entwickelt hätte, hätte sie nicht nach Prag emigrieren müssen und wäre sie nicht in Auschwitz getötet worden.

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Friedl Dicker-Brandeis emanzipierte sich zwar ganz klar von der traditionellen Malerei,

war jedoch nicht eigenständig innovativ. Gewissermaßen war sie den Lehren und

stilistischen Einflüssen der Künstler unterworfen, mit denen sie sich befasste.

Bei ihren Werken aus der Zeit in Prag und Hronov, wandelt sich das Bild etwas. Hier

experimentiert sie nicht mehr mit den verschiedensten, neuartigen Kunstströmungen.

Hier lassen ihre Werke den Einfluss von Künstlern erkennen, die einen traditionellen

Stil verfolgten, Einflüsse von Cézanne, Corinth und Matisse. Dennoch kopiert sie auch

diese Vorbilder nicht bloß. In ihren Werken wird eine Auseinandersetzung mit der

Behandlung von Licht und Farbe deutlich, wie sie auch bei den bereits erwähnten

Impressionisten zu erkennen ist. Sie orientierte sich also an einem eher traditionalen

Stil, der mit den geometrischen und abstrakten Experimenten am Bauhaus nichts

gemein hatte. Doch in Prag und Hronov sind ihre Intentionen auch andere als am

Bauhaus. Hier malt sie aus Freude und zur Verarbeitung bewegender Ereignisse in

ihrem Leben. Sie versuchte nicht, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen, sondern bewegte

sich im Dilettantismus, den viele Künstlerinnen zu dieser Zeit zu überwinden suchten.

In Theresienstadt schließlich, rückt die eigene Malerei bei Friedl Dicker-Brandeis in den

Hintergrund. Während sie am Bauhaus in der Rolle der selbstbewussten Frau war, die

sich mit viel Fleiß, Ausdauer und Durchsetzungsvermögen als Künstlerin zu behaupten

wusste, und ihrem Drang sich künstlerisch auszudrücken, alles in sich aufsaugend, auf

unterschiedliche Weise nachkam, scheint es, als habe sie in dem Konzentrationslager

Theresienstadt ihre wahre Bestimmung gefunden – die Arbeit mit Kindern. Was bereits

in Wien begonnen hatte, füllte nun ihr ganzes Dasein. Sie tritt völlig zurück und widmet

sich ganz ihrer Arbeit mit Kindern. Dass sie auch dabei innovative Züge aufweist, ist

bereits erwähnt worden. Ihre Werke, die in Theresienstadt entstanden sind, sind

stilistisch mit denen aus Prag und Hronov vergleichbar. Man muss sie hinsichtlich ihres

Erscheinungsbildes aber immer im Zusammenhang mit den Umständen – wie dem

Mangel an Material und der wenigen Zeit, die sie sich für die Malerei nehmen konnte –

betrachten, denen Friedl Dicker-Brandeis in dem Lager ausgesetzt war.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Friedl Dicker-Brandeis eine emanzipierte

Frau war, die es schaffte, sich in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen.

Dennoch war sie in erster Linie eine Frau, der Familie, Freude am Malen und v.a. die

Arbeit mit den Kindern wichtiger war, als Erfolg und Anerkennung als Künstlerin.

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Anhang

Abbildungen

Abb. 1, Friedl Dicker, Porträt einer Frau, Abb. 2, Friedl Dicker, Porträt um 1920 eines Mannes, um 1920 Abb. 3, Oskar Schlemmer, Tisch – Stühle, Abb. 4, Oskar Schlemmer, Kopf mit

1914 Tasse, 1923

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Abb. 5, Friedl Dicker, Landschaft, um 1920 Abb. 6, Friedl Dicker, Form- und Tonstudie, 1919 – 1923

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Abb. 7, Alexander Rodtschenko, Abb. 8, Alexander Rodtschenko, Komposition Nr. 88, 1919 Komposition Nr. 100, 1920 Abb. 9, Friedl Dicker, Studie zu Anna Selbdritt, Abb. 10, Friedl Dicker, Studie zu um 1920 Anna Selbdritt, um 1920

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Abb. 12, Oskar Schlemmer, Plan mit Figuren, 1919 Abb. 11, Oskar Schlemmer, Figurine nach rechts mit geometrischen Formen, 1923 Abb. 14, Georg Muche, Für Wilhelm Runge, 1916 Abb. 13, Friedl Dicker, Ohne Titel, 1918

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Abb. 15, Georg Muche, Komposition Null, 1913 Abb. 16, Friedl Dicker, Studie zu Anna Selbdritt, 1921 Abb. 18, Friedl Dicker, Skulptur Anna Selbdritt, 1921 Abb. 17, Friedl Dicker, Studie zu Anna Selbdritt, um 1920

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Abb. 19, Fernand Léger, Mann mit Hund, 1921 Abb. 21, Wassily Kandinsky, Blauer Kreis, 1922 Abb. 20, Friedl Dicker, Entwurf für eine Einladung, um 1920

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90

Abb. 22, Wassily Kandinsky, Ohne Titel, 1922 Abb. 24, Friedl Dicker, Seite aus „Utopia“, 1921 Abb. 23, Friedl Dicker, Einladung für den ersten Bauhausabend: Lesung Else Lasker-Schüler, 1920

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Abb. 25, Paul Klee, Fragmentarisches Aquarell, Abb. 26, Paul Klee, Die erhabene 1918 Seite, 1923 Abb. 28, Friedl Dicker, Sitzender mit Flügeln II, um 1920 Abb. 27, Friedl Dicker, Sitzender mit Flügeln I, um 1920

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Abb. 30, Friedl Dicker, Flirtendes Paar I, um 1920 Abb. 29, Henri Matisse, Porträt der Yvonne Landsberg, 1914 Abb. 31, Friedl Dicker, Flirtendes Paar II, Abb. 32, Friedl Dicker, Flirtendes um 1920 Paar III, um 1920

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Abb. 33, Georg Muche, Und das Licht Schied von der Finsternis, 1916 Abb. 34, Fernand Léger, Rauchender Soldat, 1916 Abb. 35, Friedl Dicker, St. Peter, um 1919 – 1923

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94

Abb. 36, Wassily Kandinsky, Kleine Freuden, Abb. 37, Wassily Kandinsky, 1911 Aquarell zu Radierung 1916 – No. III, 1916 Abb. 38, Friedl Dicker, Ohne Titel, 1919 - 1923

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95

Abb. 40, Paul Klee, Gartensiedlung, 1922 Abb. 39, Paul Klee, Kamel in rhythmischer Baumlandschaft, 1920 Abb. 41, Georg Muche, Bild mit schwebendem Rot, 1920

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Abb. 43, Paul Cézanne, Zwei Kartenspieler, 1892 – 95 Abb. 42, Friedl Dicker-Brandeis, Porträt der Maria Brandeis, 1938-40 Abb. 44, Friedl Dicker-Brandeis, Selbstporträt im Wagen, 1940

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Abb. 45, Friedl Dicker-Brandeis, Pavel und Maria Brandeis, 1939 Abb. 46, Henri Matisse, Die Lesende, 1906

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Abb. 47, Friedl Dicker-Brandeis, Abb. 48, Lovis Corinth, Selbstporträt Zigeunerin mit Kind, 1937/38 mit Modell, 1901 Abb. 49, Friedl Dicker-Brandeis, Blick auf die Moldau, um 1934/36 Abb. 50, Paul Cézanne, Berge in der Provence, 1886 – 1890

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Abb. 51, Friedl Dicker-Brandeis, Straßenansicht Prag-Nusle, um 1934-36 Abb. 52, Friedl Dicker-Brandeis, Blick aus dem Abb. 53, Lovis Corinth, Blick aus Fenster in Franzensbad, 1936-37 dem Atelierfenster, 1891

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Abb. 54, Friedl Dicker-Brandeis, Straße zum evangelischen Friedhof, um 1938-42 Abb. 55, Paul Cézanne, Das Bassin im Park Des Jas de Bouffan, 1876 – 1878 Abb. 56, Paul Cézanne, „Allee im Park des Schlosses von Chantilly“, 1888

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Abb. 57, Henri Matisse, Der Olivenbaum, 1898 Abb. 58, Friedl Dicker-Brandeis, Ansicht von Ostas, 1939 Abb. 59, Friedl Dicker- Brandeis, Landschaft mit Moldau, um 1940

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Abb. 60, Friedl Dicker-Brandeis, Begonien auf dem Fensterbrett, um 1934-36 Abb. 61, Henri Matisse, Stillleben mit Geranien, 1906 Abb.. 62, Friedl Dicker- Brandeis, Stillleben mit Pinseln, Flaschen und Laub, 1940 Abb. 63, Paul Cézanne, Stillleben mit Wasserkrug Um 1893

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Abb. 64, Friedl Dicker, Verhör I, 1934 Abb. 65, Friedl Dicker-Brandeis, Fuchs lernt Spanisch, 1938

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104

Abb. 66, Lovis Corinth, Nach dem Bade, 1906 Abb. 67, Friedl Dicker-Brandeis, Don Quijote und Lenin, um 1940

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Abb. 68, Friedl Dicker-Brandeis, Kinder im Tiergarten, um 1935-36 Abb. 69, Lovis Corinth, Walchensee auf der Terasse, 1922 oder 1923 Abb. 70, Friedl Dicker- Brandeis, Traum, um 1934-38

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Abb. 71, Friedl Dicker-Brandeis, Abb. 72, Friedl Dicker-Brandeis, Frauenporträt, 1943/44 Porträt eines Mannes, 1943/44 Abb. 73, Friedl Dicker-Brandeis, Abb. 74, Lovis Corinth, Porträt Porträt eines jungen Mannes, 1943/44 eines lesenden Mannes, 1882

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Abb. 76, Friedl Dicker- Brandeis, Ansicht von Theresienstadt, 1943/44 Abb. 75, Friedl Dicker-Brandeis, Kindergesicht, 1944 Abb. 77, Friedl Dicker-Brandeis, Abb. 78, Friedl Dicker-Brandeis, Aussicht aus dem Korridorfenster Ansicht in Theresienstadt, Im Haus L410, 1943/44 1943/44

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Abb. 79, Friedl Dicker-Brandeis, Blumenstrauß mit Schlüsseln, 1944 Abb. 80, Lovis Corinth, Vase mit welken Blumen, 1925

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Friedl Dicker-Brandeis, Porträt einer Frau, um 1920, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 2: Friedl Dicker-Brandeis, Porträt eines Mannes, um 1920, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 3: Oskar Schlemmer, Tisch – Stühle, 1914, Öl auf Transparentpapier, auf Pappe aufgelegt, Kunstmuseum Basel Abb. 4: Oskar Schlemmer, Kopf mit Tasse, 1923, Öl und Lack auf Sperrholz, Privatbesitz, München Abb. 5: Friedl Dicker-Brandeis, Landschaft, um 1920, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 6: Friedl Dicker-Brandeis, Form- und Tonstudie, 1919 – 23, Kreide auf schwarzem Papier, Getty Research Institute, Research Library, Los Angeles Abb. 7: Alexander Rodtschenko, Komposition Nr. 86 (66), „Dichte und Gewicht“, 1919, Öl auf Leinwand, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau, Abb. 8: Alexander Rodtschenko, Komposition Nr. 100 (Heller Farbton), 1920, Öl auf Furnier Abb. 9: Friedl Dicker-Brandeis, Studie zu Anna Selbdritt, um 1920, Pastellkreide, Bleistift auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 10: Friedl Dicker-Brandeis, Studie zu Anna Selbdritt, um 1920, Pastellkreide, Bleistift auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 11: Oskar Schlemmer, Figurine nach rechts mit geometrischen Formen, 1923, Gouache auf Bütten , auf Japanpapier, Privatbesitz Abb. 12: Oskar Schlemmer, Plan mit Figuren, 1919, Öl und Collage auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart Abb. 13: Friedl Dicker-Brandeis, Ohne Titel, 1918, Kohle auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 14: Georg Muche, Für Wilhelm Runge, 1916, Öl auf Pappe, Städt. Galerie im Lenbachhaus, München Abb. 15: Georg Muche, Komposition Null, 1913, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Abb. 16: Friedl Dicker-Brandeis, Studie zu Anna Selbdritt, 1921, Öl auf Holz, Privatsammlung Abb. 17: Friedl Dicker-Brandeis, Studie zu Anna Selbdritt, um 1920, Gouache, Folie und Bleistift auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst

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Abb. 18: Friedl Dicker-Brandeis, Skulptur Anna Selbdritt, 1921, nicht erhalten, Foto im Bauhausarchiv Berlin Abb. 19: Fernand Léger, Mann mit Hund, 1921, Öl auf Leinwand, Sammlung Mr. Und Mrs. Nathan Cummings, NY Abb. 20: Friedl Dicker-Brandeis, Entwurf für eine Einladung, um 1920, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 21: Wassily Kandinsky, Blauer Kreis, 1922, Öl auf Leinwand, New York, The Solomon R. Guggenheim Museum Abb. 22: Wassily Kandinsky, o.T., 1922, Aquarell, Tusche und Bleistift auf Papier, Guggenheim Museum, NY Abb. 23: Friedl Dicker-Brandeis, Titelblatt für den ersten Bauhausabend: Lesung Else Lasker-Schüler, 1920, Lithographie, Privatsammlung Abb. 24: Friedl Dicker-Brandeis, Seite aus „Utopia“, 1921, Lithographie, Privatsammlung Abb. 25: Paul Klee, Fragmentarisches Aquarell, 1918, Aquarell mit Kreidegrund Abb. 26: Paul Klee, Die erhabene Seite, 1923, Postkarte, aquarellierte Lithographie, Probe vom schwarzen Stein mit Handkolorierung Abb. 27: Friedl Dicker-Brandeis, Sitzender mit Flügeln I, um 1920, Aquarell, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 28: Friedl Dicker-Brandeis, Sitzender mit Flügeln II, um 1920, Aquarell, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 29: Henri Matisse, Portrait der Yvonne Landsberg, 1914 Abb. 30: Friedl Dicker-Brandeis, Flirtendes Paar I, um 1920, Gouache, Tusche, Tinte auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 31: Friedl Dicker-Brandeis, Flirtendes Paar II, um 1920, Gouache, Farbtinte, Wasserfarben auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 32: Friedl Dicker-Brandeis, Flirtendes Paar III, um 1920, Kreide auf Papier, Archiv der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Abb. 33: Georg Muche, Und das Licht schied von der Finsternis, 1916, verm. Öl auf Leinwand, verschollen, ehem. Lothar Schreyer Abb. 34: Fernand Léger, Rauchender Soldat, 1916, Öl auf Leinwand, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

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Abb. 35: Friedl Dicker-Brandeis, St. Peter, um 1919 – 1923, Wasserfarben auf Papier, Privatsammlung Abb. 36: Wassily Kandinsky, Glasbild mit Sonne (Kleine Freuden), 1911, Hinterglasbild, München, Städtische Galerie im Lenbachhaus Abb. 37: Wassily Kandinsky, Aquarell zu Radierung 1916 – No. III, 1916, Bleistift aquarelliert auf Papier, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München Abb. 38: Friedl Dicker-Brandeis, Ohne Titel, 1919 – 23, Tinte und Wasserfarbe auf Papier, Getty Research Institute, Research Library, Los Angeles Abb. 39: Paul Klee, Kamel in rhythmischer Baumlandschaft, 1920, Öl, kreidegrundierte Gaze auf Karton Abb. 40: Paul Klee, Gartensiedlung, 1922, Öl, Leinwand Abb. 41: Georg Muche, Bild mit schwebendem Rot, 1920, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Abb. 42: Friedl Dicker-Brandeis, Porträt Maria Brandeis, um 1938 – 40, Pastell auf Papier, Jüdisches Museum, Prag Abb. 43: Paul Cézanne, Zwei Kartenspieler, 1892 – 1895, Öl auf Leinwand, Musée d’Orsay, Paris Abb. 44: Friedl Dicker-Brandeis, Selbstporträt im Wagen, 1940, Pastell auf Papier, Jüdisches Museum Prag Abb. 45: Friedl Dicker-Brandeis, Pavel und Maria Brandeis, 1939, Pastell auf Papier, Privatsammlung Abb. 46: Henri Matisse, Die Lesende, 1906, Musée de Grenoble Abb. 47: Friedl Dicker-Brandeis, Zigeunerin mit Kind 1937/38, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 48: Lovis Corinth, Selbstporträt mit Modell, 1901, Öl auf Leinwand, Winterthur, Kunstmuseum Winterthur (Tafel 11) Abb. 49: Friedl Dicker-Brandeis, Blick auf die Moldau, um 1934/36, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 50: Paul Cézanne, Berge in der Provence, 1886 – 1890, Öl auf Leinwand, The Trustees of the National Gallery, London Abb. 51: Friedl Dicker-Brandeis, Straßenansicht Prag-Nusle, um 1934-36, Öl auf Karton, Privatsammlung Abb. 52: Friedl Dicker-Brandeis, Blick aus den Fenster in Franzensbad, 1936/37, Pastell auf Papier, Privatsammlung

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Abb. 53: Lovis Corinth, Blick aus dem Atelierfenster, 1891, Öl auf Karton, Linz, Neue Galerie der Stadt Linz Abb. 54: Friedl Dicker-Brandeis, Straße zum evangelischen Friedhof in Hronov, um 1938 – 42, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 55: Paul Cézanne, Das Bassin im Park des Jas de Bouffan, 1876 – 1878, Ölfarben auf Leinwand, Albright-Knox Art Gallery, Fellows for Life Fund, 1927, Buffalo, New York Abb. 56: Paul Cézanne, Allee im Park des Schlosses von Chantilly, 1888, Öl auf Leinwand, Berggruen Collection, National Gallery, London Abb. 57: Henri Matisse, Der Olivenbaum, 1898, Privatbesitz Abb. 58: Friedl Dicker-Brandeis, Ansicht von Ostas, 1939, Pastell auf Papier, Privatsammlung Abb. 59: Friedl Dicker-Brandeis, Landschaft mit Moldau, um 1940, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 60: Friedl Dicker-Brandeis, Begonien auf dem Fensterbrett, um 1934 – 36, Pastell auf Papier, Jüdisches Museum Prag Abb. 61: Henri Matisse, Stillleben mit Geranien, 1906, The Art Istitute of Chicago, Joseph Winterbotham Collection Abb. 62: Friedl Dicker-Brandeis, Stillleben mit Pinseln, Flaschen und Laub, 1940, Öl auf Leinwand, Jüdisches Museum Prag Abb. 63: Paul Cézanne, Stillleben mit Wasserkrug, um 1893, Öl auf Leinwand, The Trustees of the Tate Gallery, Bequeathed by C. Frank Stoop 1933, London Abb. 64: Friedl Dicker-Brandeis, Verhör I, 1934, Öl auf Sperrholz, Jüdisches Museum Prag Abb. 65: Friedl Dicker-Brandeis, Fuchs lernt Spanisch, 1938, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 66: Lovis Corinth, Nach dem Bade, 1906, Öl auf Leinwand, Hamburg, Hamburger Kunsthalle Abb. 67: Friedl Dicker-Brandeis, Don Quijote und Lenin, um 1940, Öl auf Leinwand, Privatsammlung Abb. 68: Friedl Dicker-Brandeis, Kinder im Tiergarten, um 1935 – 36, Tempera auf Leinwand, Bauhaus-Archiv, Berlin Abb. 69: Lovis Corinth, Walchensee, auf der Terrasse, 1922 oder 1923, Öl auf Leinwand, Wiesbaden, Museum Wiesbaden

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Abb. 70: Friedl Dicker-Brandeis, Traum, um 1934 – 38, Sprühtinte, Gouache und Pastell auf Papier, Jüdisches Museum Prag Abb. 71: Friedl Dicker-Brandeis, Frauenporträt, 1943/44, Gouache und Tempera auf Karton, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 72: Friedl Dicker-Brandeis, Porträt eines Mannes, 1943/44, Wasserfarben auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 73: Friedl Dicker-Brandeis, Porträt eines jungen Mannes, 1943/44, Pastell auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 74: Lovis Corinth, Porträt eines lesenden Mannes, 1882, Bleistift und Aquarell auf beigem Velin, Städtische Kunsthalle Mannheim, Mannheim Abb. 75: Friedl Dicker-Brandeis, Kindergesicht, 1944, Wasserfarben auf Papier, Beit Theresienstadt, Kibbuz Givat, Chaim, Israel Abb. 76: Friedl Dicker-Brandeis, Ansicht von Theresienstadt, 1943/44, Wasserfarben auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 77: Friedl Dicker-Brandeis, Aussicht aus dem Korridorfenster im Haus L410, 1944, Pastell auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 78: Friedl Dicker-Brandeis, Ansicht in Theresienstadt, 1943/44, Gouache auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 79: Friedl Dicker-Brandeis, Blumenstrauß mit Schlüsseln, 1944, Wasserfarben auf Papier, Simon Wiesenthal Center, Los Angeles Abb. 80: Lovis Corinth, Vase mit welken Blumen, 1925, Aquarell, Privatbesitz, Courtesy Galerie Pels-Leusden

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Abbilungsnachweis:

Abb. 43, 50, 55, 56, 63: ADRIANI, Götz: Cézanne – Gemälde, Köln, 1993, S. 205, 158,

97, 168, 192

Abb. 21, 36: BECKS-MALORNY, Ulrike : Wassily Kandinsky, 1866 - 1944 -

Aufbruch zur Abstraktion , Köln ; London, 2003, S. 138, 68

Abb. 25, 26, 39, 40: BUDERER, Hans-Jürgen (Red.): Paul Klee - Konstruktion,

Intuition ; anlässlich der Ausstellung in der Städtischen Kunsthalle Mannheim, (9. 12.

1990 - 3. 3. 1991), Stuttgart, 1990, S. 111, 99, 143, 117

Abb. 14, 15, 33, 41: BUSCH, Ludger : Georg Muche: Dokumentation zum maler.

Werk

d. Jahre 1915 bis 1920, Tübingen, 1984, S. 172, 165, 181, 193

Abb. 22, 37: HAHN, Peter (Hrsg.): Kandinsky : russische Zeit und Bauhausjahre 1915

- 1933 ; Ausstellung 9.8. - 23.9.1984, Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, Berlin,

1984, S. 155, 94

Abb. 6, 13, 16, 18, 23, 24, 35, 38, 42, 44, 45, 47, 49, 51, 52, 54, 58 – 60, 62, 64, 65, 67,

68,

70 – 73, 75 – 79: MAKAROVA, Elena: Friedl Dicker-Brandeis – Ein Leben für Kunst

und Lehre (Wien – Weimar – Prag – Hronov – Theresienstadt – Auschwitz), Wien,

2000, S. 47, 40, 53, 52, 51, 49, 55, 144, 131, 150, 124, 109, 108, 112, 126, 133, 135,

145, 147, 110, 118, 152, 153, 121, 119, 164, 168, 172, 191, 158, 160, 174, 185

Abb. 29, 46, 57, 61, 79: MATISSE, Henri, Vorw. Von Robert Hughes, Stuttgart, 2002,

S. 146, 59, 22, 62, 139

Abb. 4; 5; 11; 12: MAUR, Karin von: Oskar Schlemmer - der Maler, der Wandgestalter,

der Plastiker, der Zeichner, der Graphiker, der Bühnengestalter, der Lehrer ;

Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart im Württembergischen Kunstverein Stuttgart, 11.

August bis 18. September 1977, Stuttgart, 1977, S. 48, 52, 21, 157

Abb. 7, 8: NOEVER, Peter (Hrsg.): Alexander M. Rodtschenk, Warwara F. Stepanova –

Die Zukunft ist unser einziges Ziel …, Münche, 1991, Tafel 10, Tafel 14

Abb. 1; 2; 5; 9; 10; 17; 20; 27; 28; 30; 31; 32: Archiv der Sammlung der Universität für

Angewandte Kunst

Abb. 19, 34: SCHMALENBACH, Werner: Fernand Léger, Köln, 1977, S. 109, 93

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Abb.74: SCHUSTER, Peter-Klaus (Hrsg.): Lovis Corinth, anlässlich der Ausstellung

"Lovis Corinth, Retrospektive" Haus der Kunst, München, 4. 5. bis 21. 7. 1996,

München, 1996, S. 326

Abb. 48, 53, 66, 69: SCHRÖDER; Klaus Albrecht (Hrsg.): Lovis Corinth , anlässlich

der Ausstellung "Lovis Corinth" im Kunstforum der Bank Austria in Wien vom 2.

September bis 22. November 1992 und im Forum des Landesmuseums in Hannover

vom 8. Dezember 1992 bis 21. Februar 1993, München, 1992, Tafel 11, Tafel 4, Tafel

21, Tafel 65

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Lebenslauf

28.02. 1984 geb. in Karl-Marx-Stadt (Sachsen, Deutschland)

2002 Abitur am Bertolt-Brecht-Gymnasium in Schwarzenberg (Sachsen,

Deutschland)

2003 – 2005 Studium der Kunstgeschichte (HF), Musikwissenschaften (NF) und

Lateinischen Philologie des Mittelalters und der Neuzeit (NF) an

der

Friedrich-Schiller-Universität in Jena und der Hochschule für Musik

„Franz Liszt“ in Weimar

Seit 2005 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien mit den

Wahlfachschwerpunkten Lateinische Philologie und Judaistik

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Abstract

Die vorliegende Diplomarbeit setzt sich mit Friedl Dicker-Brandeis als Frau und

Künstlerin auseinander, die sich zwischen Emanzipation und Tradition bewegte.

Im ersten Teil wird der Status der Künstlerin zu Beginn des 20. Jahrhunderts beleuchtet.

Während die Frauen in der Kunstwelt allgemein in den Dilettantismus verdrängt

wurden, wird deutlich, dass es Friedl Dicker-Brandeis gelang, sich zu emanzipieren, in

dem sie ans Staatliche Bauhaus nach Weimar ging. Das Bauhaus galt damals als

fortschrittlich, besonders bezüglich der Gleichberechtigung. Dort erlangte sie

Anerkennung, trotz der allgemeingültigen Meinung der Männer am Bauhaus, dass eine

Frau als Künstlerin ungeeignet sei.

Hier schließt sich der zweite Abschnitt an, die Auseinandersetzung mit dem malerischen

Oeuvre von Friedl Dicker-Brandeis. Es ist zugleich auch der umfangreichste Teil der

Arbeit. Dem malerischen Werk wird hier deshalb so viel Raum gegeben, weil die

bisherige Literatur zu Friedl Dicker-Brandeis der kunsthistorischen Betrachtung der

Bilder kaum Beachtung schenkte. Basierend auf der Biographie Dicker-Brandeis’, kann

das Werk in drei Schaffensperioden unterteilt werden – 1. die Zeit am Bauhaus, 2. in

Prag und Hronov und 3. in Theresienstadt.

Am Bauhaus weisen ihre Werken verschiedene Einflüsse von Künstlern und deren

Lehren auf, welche in den Zwanziger Jahren als innovativ galten. Die

Auseinandersetzung schlägt sich hauptsächlich in diversen Studien nieder. Man kann

sagen, dass sie zu dieser Zeit eine künstlerische Emanzipation von der traditionellen

Malerei vollzieht, welche noch immer an den Akademien gelehrt wurde, aber sich auch

an anderen Künstlern orientierte.

Während der zweiten Periode in Prag und Hronov, wendet sie sich ab von den

avantgardistischen Tendenzen, hin zu einer traditionelleren Stilrichtung, dem

Impressionismus. Landschaften und Porträts sind hier ihre bevorzugten Themen. Hier

verfällt sie wieder in den Dilettantismus, dem sie einst entfliehen wollte. Insgesamt wird

in ihrer Malerei deutlich, dass sich in ihren Werken zwar viele Einflüsse erkennen

lassen, welche sie aber kreativ und eigenständig umzusetzen weiß.

In Prag beginnt auch ein Abschnitt ihres Lebens, auf welchen im letzten Teil ausführlich

eingegangen wird. Hier beginnt sie als Kunstpädagogin tätig zu werden und Kinder zu

unterrichten. Die Tätigkeit als Zeichenlehrerin wird sie bis an ihr Lebensende begleiten

und ihrem Leben, besonders nach der Deportation nach Theresienstadt, einen Inhalt

geben.

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Sie unterrichtete die Kinder in Theresienstadt mit den gleichen Methoden, die sie selbst

im Unterricht bei Cizek und Itten erfahren hat. Diese orientierten sich an der

Reformpädagogik, welche sich gegen den traditionellen Unterricht wandte. Die

Reformpädagogen vertreten die Ansicht, dass ein Kind aus eigenem Antrieb heraus

lernt, ohne dass es Einflüssen oder Vorschriften seitens der Lehrer bedarf.

Doch Friedl Dicker-Brandeis griff nicht unüberlegt auf die Einflüsse ihrer früheren

Lehrer zurück, zumal diese teilweise verschiedene Ansichten hatten. Durch die

Beobachtung der Kinder und das Studium der Zeichnungen, entwickelte sie,

unabhängig von den Einflüssen, ihre eigene Methode.

Zusammenfassend betrachtet, zeigt die Arbeit, dass Friedl Dicker als Frau, Künstlerin

und Pädagogin, zwar das Spannungsfeld zwischen Emanzipation und Tradition,

zwischen der Umsetzung der eigenen Ideen und dem Unterordnen unter die

verschiedenen Einflüsse, nie ganz verlassen hat, aber es dennoch schaffte, ihren eigenen

Weg zu finden.