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DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit Mehrsprachigkeit und Sprachunterricht: Zwei sprachdidaktische Ansätze zur Förderung von Mehrsprachigkeit – Éveil-aux-langues und Interkomprehension Verfasserin Julia Broneder angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. phil.) Wien, 2011 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 328 Studienrichtung lt. Studienblatt: Allgemeine/Angewandte Sprachwissenschaft Betreuer: A.o. Univ. Prof. Mag. Dr. Rudolf de Cillia

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DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit

Mehrsprachigkeit und Sprachunterricht:

Zwei sprachdidaktische Ansätze

zur Förderung von Mehrsprachigkeit –

Éveil-aux-langues und Interkomprehension

Verfasserin

Julia Broneder

angestrebter akademischer Grad

Magistra der Philosophie (Mag. phil.)

Wien, 2011

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 328

Studienrichtung lt. Studienblatt: Allgemeine/Angewandte Sprachwissenschaft

Betreuer: A.o. Univ. Prof. Mag. Dr. Rudolf de Cillia

Inhalt

Einleitung ................................................................................................................................... 1

1. Mehrsprachigkeit ................................................................................................................ 3

1.1. Definition der Mehrsprachigkeit durch den Europarat ................................................ 4

1.2. Formen und Typen der Mehrsprachigkeit .................................................................... 5

1.3. Einstellungen und Ängste zur Mehrsprachigkeit ......................................................... 6

1.4. Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RepA) .................... 8

2. Sprach(en)politik in Europa ................................................................................................ 9

3. Fremdsprachenunterricht in Österreich ............................................................................ 13

3.1. Schulsprachenpolitik .................................................................................................. 14

3.2. Sprachenfolge in Österreich ....................................................................................... 15

3.3. Gesamtkonzept sprachlicher Bildung ........................................................................ 22

4. Schulprojekte zur Förderung von Mehrsprachigkeit - Éveil-aux-langues ............................ 24

4.1. Das KIESEL-Projekt ..................................................................................................... 25

4.1.1. Von den Sprachen des Kindes zu den Sprachen der Welt ........................................... 28

4.1.2. Europanto ............................................................................................................... 30

Exkurs: Plansprachen ....................................................................................................... 34

4.1.3. Latein lebt! .............................................................................................................. 36

4.2. Janua-Linguarum ........................................................................................................... 40

4.2.1. Familiennamen ....................................................................................................... 44

4.3. Vergleich Ja-Ling/KIESEL ............................................................................................ 48

5. Interkomprehension .............................................................................................................. 50

5.1. Theoretische Grundlagen ............................................................................................... 50

5.2. Verwandte Disziplinen der Interkomprehension ........................................................... 51

5.2.1. Komparatistik und Kontrastive Linguistik ............................................................. 52

5.2.2. Sprachtypologie und Universalienforschung .......................................................... 54

5.2.3. Internationalismenforschung .................................................................................. 55

5.2.4. Psycholinguistik: Spracherwerbsforschung ............................................................ 56

5.2.5. Kontakt- und Konfliktlinguistik ............................................................................. 58

5.3. Transfer und Interferenz ................................................................................................ 58

5.4. Interkomprehensionsprojekte ........................................................................................ 63

5.4.1. Die Hagener Projekte .............................................................................................. 63

2

5.4.2. EuRom4 .................................................................................................................. 63

5.4.3. Galatea .................................................................................................................... 64

5.4.4. Intercommunicabilité romane ................................................................................. 64

5.5. EuroCom ........................................................................................................................ 64

5.5.1. EuroComRom ......................................................................................................... 66

5.5.2. EuroComSlav ......................................................................................................... 68

5.5.3. EuroComGerm ....................................................................................................... 68

5.5.4. EuroComDidact ...................................................................................................... 70

5.6. Lesen in der Interkomprehension .................................................................................. 71

5.6.1. Die sieben Siebe ..................................................................................................... 77

5.7. EuroCom im Unterricht ................................................................................................. 86

5.8. EuroCom im Internet ..................................................................................................... 90

Schluss ...................................................................................................................................... 94

Bibliographie ............................................................................................................................ 97

Links ....................................................................................................................................... 104

Zusammenfassung .................................................................................................................. 106

Abstract ................................................................................................................................... 107

Lebenslauf .............................................................................................................................. 109

1

EINLEITUNG Sprachen zu lernen ist in der heutigen Zeit nicht mehr aus dem Alltag und dem Berufsleben

wegzudenken. Deshalb wird mit dem Fremdsprachenunterricht so früh wie möglich

begonnen. Es reicht aber heute nicht mehr nur eine Fremdsprache zu beherrschen, also

zweisprachig zu sein, sondern die Menschen sollen mehrsprachig werden. Vor allem die EU

fordert diese Mehrsprachigkeit von ihren BürgerInnen.

Was bedeutet aber Mehrsprachigkeit, und wie kann man sie fördern?

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich genau mit dieser Frage und stellt als Antwort zwei

Modelle vor, die nicht nur eine Fremdsprache fördern, sondern gleich eine Vielzahl davon.

Der Terminus der Mehrsprachigkeit (vgl. Kapitel 1) wurde deshalb als Ausgangspunkt für die

vorliegende Diplomarbeit gewählt. Die Sprachenpolitik in Europa bietet hierfür einen

wichtigen Rahmen, da sowohl die EU als auch der Europarat versuchen, Mehrsprachigkeit in

Europa zu fördern (vgl. Kapitel 2).

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Fremdsprachenunterricht, insbesondere in

Österreich, der eine wichtige Funktion auf dem Weg zu einer mehrsprachigen Gesellschaft

erfüllt. Begonnen wird mit der Schulsprachenpolitik, deren Aufgaben beschrieben werden.

Eine dieser Aufgaben ist die Sprachenfolge zu bestimmen. Welche Sprachenfolge die richtige

ist bzw. ob es überhaupt eine einzige richtige Sprachenfolge gibt, wird im Unterkapitel 3.2.

erörtert. Als Alternative dazu wird das Gesamtkonzept sprachlicher Bildung vorgeschlagen

(vgl. Kapitel 3.3.).

Um Mehrsprachigkeit in der Schule zu fördern wurden einige Projekte entwickelt, die bereits

Kinder für das Sprachenlernen sensibilisieren. Eines dieser Projekte ist das Éveil-aux-langues-

Projekt, dessen österreichische Beteiligung das KIESEL-Projekt (Kinder entdecken Sprachen)

hervorbrachte. Es handelt sich hierbei um eine Möglichkeit, Kinder mit der Sprachenvielfalt

in Europa zu konfrontieren und ihnen einen spielerischen Umgang mit Sprachen zu

ermöglichen. Im Kapitel 4.1. werden einige der Unterrichtseinheiten des KIESEL-Projektes

detailliert vorgestellt.

Ein weiteres Projekt, welches ebenso sprachsensibilisierend arbeitet, ist das Projekt Janua

Linguarum (vgl. Kapitel 4.2.). Auch aus diesem Projekt werden zwei Unterrichtseinheiten zu

spezifischen Themen genauer vorgestellt.

2

Im Anschluss folgt ein Vergleich der beiden Projekte (vgl. Kapitel 4.3.).

Eine weitere Möglichkeit Mehrsprachigkeit zu fördern, ist die Interkomprehension. Diese

könnte im Schulunterricht, aber auch im Einzelstudium dazu benutzt werden, möglichst

schnell rezeptive Fertigkeiten in mehreren miteinander verwandten Fremdsprachen zu

erlangen, um somit die Forderung der EU nach Mehrsprachigkeit zu erfüllen. Die vorliegende

Arbeit bietet neben den theoretischen Grundlagen zur Interkomprehension (Kapitel 5.1-5.3.)

einen Einblick in einige Interkomprehensionprojekte (Kapitel 5.4.). Speziell wird aber auf das

Projekt EuroCom (Kapitel 5.5.) eingegangen, welches für die romanischen, die slawischen

und die germanischen Sprachen (Kapitel 5.5.1-5.5.3.) konzipiert wurde. Da das Lesen eine

zentrale Rolle in der Interkomprehensionsforschung spielt, wird dieser Fertigkeit ein eigenes

Unterkapitel (5.6.) gewidmet, um zu verdeutlichen, welche Prozesse beim Lesen in der

Mutter- und in der Fremdsprache ablaufen. Im Anschluss folgen die sieben Siebe (Kapitel

5.6.1.), welche beim EuroCom-Projekt auf der Basis des Lesens eine Möglichkeit darstellen,

um fremdsprachige Texte mithilfe einer Brückensprache zu dekodieren. Positiver Transfer

(Kapitel 5.3.) spielt hierbei eine enorm große Rolle.

Die letzten beiden Unterkapitel zeigen, wie die Methode EuroCom in der Schule (Kapitel

5.7.) unter der Leitung einer Lehrperson und im Internet (Kapitel 5.8.) als Möglichkeit für das

Selbststudium Anwendung findet.

Im Anschluss daran, folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse.

3

1. MEHRSPRACHIGKEIT Unter Mehrsprachigkeit/Multilingualismus wird die Fähigkeit einer Person verstanden, mehr

als zwei Sprachen zu beherrschen. Personen, die zwei Sprachen beherrschen, werden

hingegen als bilingual bezeichnet. (Gippert 2005: 427)

Wie gut die jeweiligen Sprachen beherrscht werden, ist weniger wichtig. Auch Menschen mit

geringen Sprachkenntnissen können demnach als mehrsprachig bezeichnet werden.

„Als mehrsprachig darf schon bezeichnet werden, der auf der Basis der Kenntnis seiner Muttersprache eingeschränkte Kenntnis in wenigstens zwei weiteren Sprachen entweder in gleichen oder in verschiedenen Diskursbereichen hat […].“ (Bertrand/Christ 1990: 208, zit. Nach Christ 2004: 31)

Auch das folgende Zitat macht deutlich, dass Mehrsprachigkeit nicht nur bei Individuen

festgestellt werden kann, sondern auch in sozialen Gemeinschaften:

„Multilingualismus oder Mehrsprachigkeit ist eine Eigenschaft einzelner Personen, seltener auch sozialer Gemeinschaften, die sich in der alltäglichen Kommunikation mehrerer (mehr als zwei) Sprachen bedienen. In der Realität häufiger ist allerdings der Bilingualismus bzw. die Zweisprachigkeit.“ (Tafel 2009: 6)

Bei mehrsprachigen Gemeinschaften unterscheidet man:

1. Gemeinschaften mit Menschen unterschiedlicher Muttersprache.

2. Gemeinschaften, die sich in Teilgemeinschaften gliedern, welche wiederum

verschiedene Sprachen benützen.

3. Gemeinschaften, die eine gemeinsame Sprache sprechen und darüber hinaus aus

unterschiedlichen Teilgemeinschaften mit eigener Sprache bestehen. (vgl. Grucza

2003: 18)

Grucza 2003 dehnt den Begriff der Mehrsprachigkeit sogar noch weiter aus und stellt fest,

dass jedes Individuum, das mehrere Varietäten seiner Sprache beherrscht, auch mehrsprachig

ist:

„Von einer gewissen MS [=Mehrsprachigkeit; Anm. JB] kann man auch dann reden, wenn sich die sprachliche Ausstattung eines Menschen aus mehreren Sprachvarianten zusammensetzt, die er funktional, sozial oder lokal getrennt einsetzt und deren Gebrauch oft dazu führt, dass Übersetzung, Interpretation oder Deutung seiner Aussagen (Texte) benötigt werden“ (Gruzca 2003: 17-18)

Diese Art der Mehrsprachigkeit wird als innersprachliche Mehrsprachigkeit bezeichnet.

(vgl. de Cillia 2010b: 248)

4

Unter der innersprachlichen Mehrsprachigkeit werden die verschiedenen Varietäten einer

Sprache verstanden, die die Lernenden beherrschen, wobei sowohl die Standardsprache als

auch diverse Soziolekte und Dialekte gemeint sind. Auch die drei Varianten des Deutschen

(österreichisches Deutsch, deutschländisches Deutsch, Schweizer-Hochdeutsch) sind hiermit

gemeint. (vgl. de Cillia 2010b: 248)

Des Weiteren betrifft es „die Diglossie zwischen Dialekt und Hochsprache“. Sie wurde in den

70er Jahren stark diskutiert, ist aber heute kaum noch ein Thema in der Sprachdidaktik,

obwohl „sie regional in der Praxis mit Sicherheit von Bedeutung ist.“ In der Schweiz

sprechen zB. nur „7,5 % der SchülerInnen regelmäßig ausschließlich Hochdeutsch“. (de

Cillia 2010b: 248)

1.1. Definition der Mehrsprachigkeit durch den Europarat

Der Europarat deutet den Begriff der Mehrsprachigkeit in Hinblick auf die individuelle

Mehrsprachigkeit und trifft eine genaue Unterscheidung zwischen Multilingualismus und

Plurilingualismus:

„Die Sprach- und Sprachunterrichtspolitik des Europarates beruht auf dem Schlüsselkonzept der individuellen Mehrsprachigkeit. Diese ist zu unterscheiden von der Vielsprachigkeit geografischer Regionen.“ (BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 11)

Multilingualismus bzw. Vielsprachigkeit ist demnach „das Vorhandensein von mehr als

einer Sprache oder ‚sprachlichen Varietät’ innerhalb eines geografischen Bereichs“.

Personen, die in diesem geografischen Bereich leben, müssen allerdings nicht zwangsläufig

multilingual, sondern können auch monolingual sein. Der Begriff der Multilingualität

beschreibt demnach nicht die Sprachkompetenz von Einzelpersonen, sondern nimmt Bezug

auf eine Gesellschaft. (BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 11)

Demgegenüber steht die individuelle Mehrsprachigkeit/der Plurilingualismus, welche/r die

Sprachen eines Individuums umfasst. Neben Fremdsprachen auf unterschiedlichsten

Kompetenzstufen geht es hierbei auch um sprachliche Varietäten der Muttersprache.

(BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 11)

Da die Definition des Europarates einen Unterschied zwischen Multilingualismus und

Plurilingualismus macht und somit differenzierter als die anderen Definitionen ist, wird sie in

dieser Diplomarbeit die Grundlage für den Mehrsprachigkeitsbegriff darstellen.

5

Auch im Hinblick auf die Situation in den Schulen muss eine eigene Einteilung bezüglich der

Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit getroffen werden: Es wird hier zwischen innersprachlicher,

lebensweltlicher und fremdsprachlicher Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit unterschieden. (vgl. de

Cillia in 2010a: 247)

Die innersprachliche Mehrsprachigkeit bezieht die Varietäten einer Sprache, die ein

Individuum beherrscht, mit ein. (vgl. S. 6-7)

Von lebensweltlicher Mehrsprachigkeit ist dann die Rede, wenn SchülerInnen aufgrund ihrer

Herkunft bzw. ihrer Familien bereits bilingual, aufwachsen. Es handelt sich dabei sowohl um

SchülerInnen mit autochthonem Minderheitensprachenhintergrund als auch um SchülerInnen

mit Migrationshintergrund. (vgl. de Cillia 2010b: 248-249)

Bei der fremdsprachlichen Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit handelt es sich um die „quantitativ

wichtigste Form der Mehrsprachigkeit in den europäischen Schulen“, welche in Kapitel 3

vorgestellt wird. (vgl. de Cillia 2010b: 249)

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mehrsprachigkeit für jeden Menschen prinzipiell

möglich ist und je nach Sichtweise auch fast jeder Mensch mehrsprachig ist, da er/sie über

mehrere Soziolekte oder Varietäten seiner Sprache verfügt (zB. Standardsprache und ein

Dialekt). Um die unterschiedlichen Facetten von Mehrsprachigkeit aufzuzeigen, sollen im

Folgenden die verschiedenen Formen und Typen der Mehrsprachigkeit nach Bausch 2007

diskutiert werden.

1.2. Formen und Typen der Mehrsprachigkeit

Die erste Einteilung nach Bausch 2007 geht vom Kompetenzgrad der Mehrsprachigkeit aus.

Demnach kann man zwischen einer minimalen (rudimentäre Kenntnisse), einer maximalen

(native-like), einer ausgewogen/symmetrischen (bei Kindern, die bilingual erzogen werden)

und einer dominanten/asymmetrischen (durch den Aufenthaltsort bedingten – zB. bei

MigrantInnen) Zwei- und Mehrsprachigkeit, sowie den Semilingualismusformen, die Defizite

in allen beherrschten Sprachen aufweisen, unterscheiden. (Bausch 2007: 440)

Die zweite Einteilung erfolgt nach Erwerbssituationen und Fremdsprachenlernkontexten, dh.

die individuellen Kriterien des Lernenden werden in den Mittelpunkt gestellt: Es lassen sich

drei Gruppierungen unterscheiden:

6

1. Die funktionale Zwei- und Mehrsprachigkeit: „mit wem, mit welcher Absicht, wann,

wo, mit welcher Sprache“ spreche ich. Es gilt je nach Situation eine Entscheidung zu

treffen. (Bausch 2007: 441)

2. Nach der Art der mentalen Repräsentation, also wie die Mehrspachigkeitsformen im

Gehirn organisiert sind. So können die Sprachen kombiniert gespeichert sein, wie es im

Schulunterricht oft vorkommt (die neue Sprache wird auf Basis der Muttersprache gelernt)

oder auch koordiniert abgespeichert werden. Bei der koordinierten Speicherung handelt es

sich oft um sogenannte true bilinguals, also um Menschen, die bilingual aufgewachsen und

in der Lage sind, diese Sprachen strikt zu trennen. Beispielsweise verwenden sie die eine

Sprache nur in der Familie und die andere im Beruf. (vgl. Bausch 2007: 441-442)

3. Eine weitere Möglichkeit die Mehrsprachigkeit einzuteilen, ist jene nach dem Alter.

Hierbei unterscheidet man frühkindliche Bilingualismusformen (Kinder, die von Beginn an

zweisprachig aufwachsen, nach dem Prinzip une personne – une langue) und

konsekutive/sukzessive Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit, welche erst in der Schule nach einer

bestimmten Erwerbsreihenfolge beginnt. (vgl. Bausch 2007: 442)

Diese Arbeit beschäftigt sich nicht mit den true bilinguals, sondern mit jenen, die in der

Schule oder anderen Bildungseinrichtungen eine Mehrsprachenkompetenz erreichen

sollen/möchten. Zu ergänzen ist beim Begriff der funktionalen Zwei- und Mehrsprachigkeit

nach Bausch 2007 das WIE: Wir fragen nicht nur „mit wem, mit welcher Absicht, wann, wo,

mit welcher Sprache“, sondern auch „Wie verwende ich diese Sprache?“, also welche

Fertigkeiten setze ich ein. Im Mittelpunkt wird hierbei die Lesekompetenz stehen, welche in

der Interkomprehension (vgl. Kapitel 5) eine zentrale Rolle spielt.

Wie bereits angedeutet, stand bzw. steht man dem Thema Mehrsprachigkeit nicht immer

positiv gegenüber. Das folgende Unterkapitel verdeutlicht die kontroversen Einstellungen und

die damit verbundenen Probleme zur Mehrsprachigkeit.

1.3. Einstellungen und Ängste zur Mehrsprachigkeit

Mit der Entstehung des Nationalstaats durch die Französische Revolution 1789 hat sich

zunehmend das Konzept der Nationalsprache durchgesetzt. (Bär 2004: 19)

Ehlich 2006 schreibt dazu: „Diese Konzeption der konsolidierten Einsprachigkeit nun ist

ihrerseits bestimmt durch das Konzept der Nation.“ (Ehlich 2006: 19) Auch Leuprecht 2001

sieht, dass die Ideologie des Nationalismus, welcher einem Staat jeweils eine Sprache

zuordnete, einen großen Einfluss auf die Politik und die Kultur hatte. Minderheitensprachen

7

zu assimilieren und ganze Völker zu kolonialisieren war plötzlich nicht nur geduldet, sondern

auch gerechtfertigt. (Leuprecht 2001: 64)

In der Schule ist nach wie vor die hochsprachliche Einsprachigkeit vorherrschend, da andere

(Mutter-)Sprachen oder Varietäten neben der Unterrichtssprache oft nicht geduldet werden.

Gogolin 1994 bezeichnete diesen Umstand als Monolingualen Habitus. (vgl. Gogolin 1994:

30, Decke-Cornill 2001: 178)

Viele Menschen dachten bzw. denken noch immer, sie würden ihre Kinder mit

Mehrsprachigkeit überfordern und somit ihre Entwicklung stören. Deswegen wurde die

Mehrsprachigkeit oft komplett ignoriert und gar nicht beachtet. (vgl. Bär 2004: 21) Nur für

die besonders Begabten galt die Mehrsprachigkeit als ungefährlich. (vgl. Ehlich 2006: 20)

Als Beispiel dafür folgt nun ein Zitat von Weisgerber 1966:

„Für die große Menge behält es Geltung, daß der Mensch im Grunde einsprachig ist. (…) Vor allem aber gehen corruption du langage und corruption des moeurs Hand in Hand (…) Das geht von einer Störung der geistigen Entfaltung zu einer Einbuße der Geistesschärfe selbst; geistige Mittelmäßigkeit ist die Folge, erschwert dadurch, daß zugleich die Kräfte des Charakters leiden: man läßt sich gehen, unscharfer, grober, fahrlässiger Sprachgebrauch, das ist gleichbedeutend mit wachsender Trägheit des Geistes und sich lockernder Selbstzucht, einem Abgewöhnen des Drängens nach sprachlicher Vervollkommnung. Die Trübung des sprachlichen Gewissens führt nur zu leicht zum Erschlaffen des Gewissens insgesamt.“ (Weisgerber, Leo 1966: 73)

In den 60er Jahren fand ein Umdenken in der Spracherwerbsforschung statt: Heutzutage wird

die Mehrsprachigkeit als Notwendigkeit angesehen, um einen guten Job zu bekommen. (vgl.

Nelde 2003: 15) Dennoch gibt es immer noch einige hartnäckige Klischees bzw. Ängste zur

Mehrsprachigkeit, welche von Klein und Stegmann 2000 zusammengefasst und mit

Gegenargumenten widerlegt wurden:

1. „Ich bin zu alt […].“ Erwachsene lernen zwar anders als Kinder, aber auch das Lernen

von Erwachsenen bringt Vorteile mit sich: Die Erfahrungen des Erwachsenen und sein

Wissen können genutzt werden, um die neue Sprache zu lernen, was eine schnellere

Lernprogression als beim Kind verursacht. (Klein/Stegmann 2000: 17)

2. „Ich bin sprachunbegabt.“ Eine Sprachunbegabung gibt es nicht, es sei denn,

Gehirnfunktionen sind gestört. Jeder Mensch ist demnach in der Lage, neben seiner

Muttersprache weitere Fremdsprachen zu lernen. (Klein/Stegmann 2000: 17)

3. „Ich komme durcheinander, wenn ich noch eine ähnliche Sprache dazulerne […].“

Viele Menschen denken, dass zu wenig Platz im Gehirn für mehrere Sprachen wäre.

Dieses „Hohlraummodell“ lässt sich leicht widerlegen, wenn man bedenkt, dass man

8

durch bereits gelernte Sprachen schneller und besser neue Sprachen lernt. Die

Ähnlichkeiten können genauso als Vorteil interpretiert werden, da sie das Lernen

vereinfachen, und müssen nicht zwangsläufig negativ behaftet werden. Darüber hinaus

kann das Mischen der Sprachen durch schwierige Dialoge hindurchführen.

(Klein/Stegmann 2000: 17-18)

4. „Wenn ich eine neue Sprache lerne, kann ich meine andere(n) Fremdsprache(n) nicht

mehr.“ Auch wenn man sich vorübergehend auf die neue Sprache einstellt und die zuvor

gelernten Sprachen etwas vernachlässigt, gehen diese nicht verloren. Es braucht vielleicht

wieder etwas Zeit, sich in die zuvor gelernte Fremdsprache hineinzufühlen, um die

Sprache wieder neu für sich zu entdecken, aber schon bald werden die Unterhaltungen

wieder flüssiger und das Verstehen wird einfacher. (Klein/Stegmann 2000: 18)

5. „Ich traue mich nicht, eine Sprache zu sprechen, solange ich sie nicht korrekt kann.“

Diese Angst blockiert das spielerische Sprachenlernen wohl am meisten. Die Angst vor

Fehlern ist so groß, dass man gar nichts sagen möchte. Um eine Sprache zu lernen, muss

man aber nicht von Anfang an perfekt sein. Eine (noch) fehlerhafte Sprache ermöglicht

bereits das Kommunizieren und hilft aus den Fehlern zu lernen. (Klein/Stegmann 2000:

18)

Alle fünf Ängste bzw. Vorurteile lassen sich, wie man sieht, leicht widerlegen. Macht sich der

Sprachlernende seine Ängste bewusst, kann er sie überwinden und somit eine individuelle

Mehrsprachigkeit erreichen. Im folgenden Unterkapitel werden vier wichtige Ansätze zur

Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit vorgestellt. (vgl. Raupach 2002: 188-192)

1.4. Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RepA)

Um die bereits existierenden Ansätze zur Förderung von sprachlicher und kultureller Vielfalt

zu katalogisieren, wurde im Jahr 2009 vom europäischen Fremdsprachenzentrum in Graz der

Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (RepA) herausgegeben. Er

zeigt nicht nur auf, welche Ansätze zum Thema Mehrsprachigkeit bereits existieren, sondern

auch, wie diese in Verbindung miteinander stehen. (vgl.Meißner/Schröder-Sura 2009: 5)

Grundsätzlich können plurale Ansätze den einzelsprachlichen Konzepten als Pendant

gegenübergestellt werden. Die einzelsprachlichen Konzepte beschäftigen sich im Gegensatz

zu den pluralen Ansätzen mit nur einer einzigen Sprache und einer einzigen Kultur. (vgl.

Meißner/Schröder-Sura 2009: 5)

9

Derzeit lassen sich vier große plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen unterscheiden.

1. Das interkulturelle Lernen: Es wird im RepA als bekannt vorausgesetzt und deshalb

nicht mehr ausführlich behandelt.

2. Der Eveil aux langues-Ansatz beschäftigt sich unter anderem mit der Sensibilisierung

für sprachliche und kulturelle Diversität. Neben den in der Schule zu vermittelnden

Sprachen bindet er auch die Erstsprachen der Lernenden ein, um ein möglichst breites

Spektrum für die Sensibilisierung zu ermöglichen.

3. Die Interkomprehension nutzt die Verwandtschaft innerhalb einer Sprachfamilie, um

gleichzeitig mehrere Sprachen dieser Sprachfamilie durch die Kenntnis einer

gemeinsamen Brückensprache zu lernen. Lernt man in der Schule beispielsweise

Französisch (Brückensprache), hat man in der Zukunft einen erheblichen Vorteil beim

Erlernen einer anderen romanischen Sprache.

4. Die integrierte Fremdsprachendidaktik: Hier wird besonders auf die Vernetzung der

einzelnen erlernten Sprachen Wert gelegt, auch wenn diese nicht nah verwandt sind.

Somit werden Gemeinsamkeiten über die Ebene der Interkomprehension hinaus genutzt.

(vgl. Meißner/Schröder-Sura 2009: 5-7)

In den Kapiteln 4 und 5 dieser Arbeit wird sowohl auf den Eveil-aux-langues-Ansatz als auch

die Interkomprehension genauer eingegangen. Auf die integrierte Fremdsprachendidaktik

wurde dabei bewusst verzichtet, da sie weit über die Interkomprehension hinaus geht und den

Rahmen dieser Diplomarbeit übersteigen würde.

Welche Rollen nun aber der Sprachenpolitik hinsichtlich des Stellenwerts pluraler Ansätze in

Schulen zukommt, wird im folgenden Abschnitt thematisiert.

2. SPRACH(EN)POLITIK IN EUROPA Unter Sprachpolitik werden laut Ammon 2005 alle politischen Maßnahmen verstanden, die

sich auf eine Einzelsprache (zB. Deutsch, Französisch) beziehen. (Ammon 2005a: 626)

Im Deutschen wird die Sprachpolitik von der Sprachenpolitik unterschieden. Die

Sprachenpolitik „richtet sich […] auf das Verhältnis zwischen verschiedenen Spr.“

Sprachenpolitik bezieht sich demnach auf die Qualität der Beziehungen, die zwischen den

unterschiedlichen Sprachen bestehen.

10

In Europa werden nur drei bis vier Prozent aller Sprachen der Welt gesprochen. Von den

insgesamt geschätzten 2500 bis 8000 Sprachen sind das demnach ca. 200 Sprachen. Obwohl

in Europa global gesehen wenige Sprachen gesprochen werden, stellen die rund 200 Sprachen

eine Vielfalt für die europäische Bevölkerung dar, die durch folgende Klassen von Sprachen

gekennzeichnet ist: (vgl. de Cillia 2010a: 20-21)

• Staatssprachen: zB. Amts- und Arbeitssprachen der EU

• autochthone Minderheitensprachen bzw. Regionalsprachen

• neue Minderheitensprachen wie Türkisch und Kurdisch, sowie

• die europäischen Gebärdensprachen (vgl. de Cillia 2010a: 21)

Eine Sprache kann aber nicht immer einer einzigen Klasse zugeordnet werden. Sie kann

sowohl Staats- bzw. Amtssprache als auch Minderheitensprache sein, je nachdem, in welchem

Land man sich gerade befindet. Demnach ist das Deutsche Amtssprache in Österreich,

Deutschland und der Schweiz und Minderheitensprache in Italien. (vgl. Böhmig 2003: 337)

In der europäischen Union leben ca. 450 Millionen Menschen, deren Sprache(n) einer bzw.

mehrerer dieser Klassen zugeteilt werden kann/können. Aufgrund der Vielfalt an

unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und ethnischen Hintergründen ist die Sprachenpolitik

der EU um Mehrsprachigkeit – auch innerhalb der Bevölkerung – bemüht, das

Sprachenlernen zu fördern, um aus dem Potential einer multilingualen Wirtschaft zu schöpfen.

Darüber hinaus sollen alle EU-BürgerInnen in ihrer jeweiligen Sprache über Rechte,

Vorschriften und Verfahren informieren. (vgl. Europäische Kommission 2006: 1)

Die EU fordert von ihren BürgerInnen, neben der eigenen Muttersprache zwei weitere

Fremdsprachen zu beherrschen. Diese Forderung wurde bereits 1995 im Weißbuch auf dem

Weg zur kognitiven Gesellschaft der EU festgeschrieben. (vgl. de Cillia 2010a: 24,

Europäische Kommission 1995: 62)

Seit Beginn 1995 gilt, dass die Amtssprachen der Mitgliedsländer als Amtssprachen der EU

verwendet werden. (Bär 2004: 21-23)

Bis zum Jahre 2010 stieg die Zahl der Amts- und Arbeitssprachen durch den Beitritt weiterer

Länder in die EU auf 23. Es handelt sich hierbei um die Sprachen Bulgarisch, Dänisch,

Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Lettisch,

Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Slowakisch,

Slowenisch, Spanisch, Schwedisch, Tschechisch und Ungarisch. (vgl. Portal der europäischen

Union: 21. April 2010)

11

Auf die Frage, warum es so viele Amtssprachen gibt, wird folgende Antwort im Portal der

Europäischen Union gegeben:

„Da die EU eine demokratische Organisation ist, muss sie ihre Bürger, aber auch die Regierungen der Mitgliedstaaten und ihre Verwaltungen, Unternehmen und sonstige Organisationen in ihrer eigenen Sprache ansprechen. Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was in ihrem Namen getan wird. Sie müssen sich aktiv beteiligen können, ohne zuerst eine Fremdsprache erlernen zu müssen. Außerdem erläßt die Europäische Union Vorschriften, die für alle Menschen in der EU unmittelbar gelten. Für die Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch die nationalen Gerichte müssen diese Vorschriften in ihrer jeweiligen Muttersprache zugänglich sein, d. h. sie müssen in allen Amtssprachen vorliegen. Die Verwendung der Amtssprachen ist ein Beitrag zur Transparenz, Legitimität und Effizienz der EU und ihrer Organe. […]“ (Portal der Europäischen Union: 21. April 2010)

Auch Pommer 2006 sieht in der Mehrsprachigkeitspolitik der EU Bürgernähe und

Transparenz. (vgl. Pommer 2006: 515)

Oft wird argumentiert, dass die Kosten für ein solches System zu hoch wären, gilt es doch

DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen zu bezahlen, die alle Texte übersetzen. Im Jahre 2005

haben sich die laufenden Kosten zwar auf 1,123 Milliarden Euro belaufen, was einem Prozent

des Gesamthaushaltes der EU entspricht, aber auf jeden EU-Bürger gerechnet nur 2,28 Euro

pro Jahr ausmacht. (vgl. Portal der Europäischen Union: 21. April 2010)

Auf die einzelnen EU-Bürger, die von dieser Möglichkeit profitieren, gerechnet, erscheinen

2,28 Euro pro Person durchaus gerechtfertigt zu sein. Problematisch ist jedoch, dass viele

Sprachen, die in der EU gesprochen werden, nicht als Amts- und Arbeitssprachen im Gesetz

verankert sind, wie zB. Minderheitensprachen.

Im Jahre 2006 wurden 1.541.518 Seiten vom Übersetzungsdienst der EU übersetzt. Ganze 72

% davon wurden aus dem Englischen übersetzt (1997 waren es nur 45,3 %.) Aus dem

Französischen wurden 14 % und aus dem Deutschen nur 2,8 % übersetzt. Die 20 weiteren

Sprachen kommen auf 10,8 %. (de Cillia 2010a: 27)

Seit dem 2. Weltkrieg konnte sich das Englische immer mehr als Welt- und

Wissenschaftssprache durchsetzen. Auch im Fremdsprachenunterricht nimmt das Englische

eine immer größere Rolle ein. Es ist die wichtigste Fremdsprache in Europa und steht mit 38

% vor Deutsch und Französisch (jeweils 14 %). (vgl. de Cillia 2010a: 27)

Dies lässt den Schluss zu, dass Menschen mit englischer Muttersprache keine bzw. weniger

Fremdsprachen erwerben, als Menschen mit anderer Muttersprache.

Ganze 44 % der europäischen Bevölkerung gaben im Jahr 2005 bei einer Umfrage an, dass sie

neben ihrer Muttersprache keine weitere Sprache beherrschen, in der sie sich unterhalten

12

können. Die Forderung der EU (aus dem „Weißbuch auf dem Weg zur kognitiven

Gesellschaft“ (1995)) an ihre BürgerInnen, zumindest zwei Fremdsprachen zusätzlich zu ihrer

Muttersprache zu beherrschen, wird daher kaum erfüllt. 56 % beherrschen nämlich nur eine

Fremdsprache, während nur 28 % die Vorgabe der EU nach zwei Fremdsprachen erfüllen. 11

% beherrschen mindestens drei Fremdsprachen ausreichend. Besonders hoch ist der Anteil an

mehrsprachigen Menschen in Luxemburg, in den Niederlanden und in Slowenien. In

Luxemburg beherrschen ganze 92 % der Befragten zwei Fremdsprachen derartig gut, um sich

darin unterhalten zu können. Nicht bzw. kaum interessiert am Fremdsprachenerwerb sind laut

Umfrage Menschen aus Irland. 66 % der irischen Bevölkerung geben an, keine einzige

Fremdsprache zu beherrschen. Irland wird gefolgt vom Vereinten Königreich (62 %), Italien

(59 %), Ungarn (58 %), Portugal (58 %) und Spanien (56 %). (Europäische Kommision 2006:

4)

Das Desinteresse an Fremdsprachen, erklärt den Vorschlag, eine bestimmte Sprache als lingua

franca zu verwenden:

Das Englische schien aufgrund seiner Verbreitung als Weltsprache/lingua franca geeignet zu

sein. Es sollte eventuell vereinfacht werden, wie es beim Globish (Global English) der Fall ist

(vgl. Ikonomu 2008: 49). Auch eine Plansprache war als EU-Sprache bzw. Euro-Sprache

lange im Gespräch. Eine weitere Möglichkeit wäre Leitsprachen in Europa (wie Deutsch,

Französisch, Englisch) zu bevorzugen. Demgegenüber steht die Möglichkeit alle Sprachen

durch Übersetzungsdienste und DolmetscherInnen zu fördern, wie es im Moment bei der

Sprachenpolitik der EU zumindest für die 23 aktuellen Amtssprachen der Fall ist. (vgl. Nelde

2002: 21)

Gruzca 2003 geht der Thematik der EU-Sprache weiter auf den Grund. Er verfolgt die Punkte

1 und 2. Demnach eignet sich als Euro-Sprache eine künstliche Sprache (Plansprache) bzw.

eine in der EU vertretene Amtssprache. (vgl. Gruzca 2003: 26)

Eine Euro-Sprache müsste drei Funktionen erfüllen:

1. Sie müsste Kommunikationsmittel (lingua franca) sein.

2. Sie sollte eine vollständige Sprache sein, um tiefer gehende Verständigung zu

ermöglichen.

3. Die Sprache soll eine gesamteuropäische Identität herstellen. (vgl. Gruzca 2003: 25)

13

Die Frage nach einer lingua franca, also einer gemeinsamen Verkehrssprache, steht schon

lange im Raum. Für eine solche Sprache spricht die Förderung der gesamteuropäischen

Zugehörigkeit. In der Vergangenheit war allerdings genau dieser Gedanke Grund für die

Einsprachigkeit in den Ländern Europas, als mit der französischen Revolution das Konstrukt

der Nationalsprache entstand, weshalb diese Idee sorgfältig überprüft werden muss.

Neben der EU ist auch der Europarat um die Förderung der Mehrsprachgkeit in Europa

bemüht. Die Ziele des Europarates sind vor allem die Einhaltung der Menschenrechte, sowie

die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Sprachen zu lernen ist deshalb so

wichtig, weil sie gegenseitiges Verständnis schaffen und darüber hinaus zu einem politischen,

interkulturellen und interreligiösen Dialog führen. (vgl. BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 11)

Wichtige Projekte bzw. Errungenschaften des Europarates sind:

• Die Entwicklung des Europäischen Sprachenportfolios (ESP).

• Die Erarbeitung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

(GERS),

• „die Errichtung des Europäischen Fremdsprachenzentrums in Graz usw.“ (de Cillia

2010a: 26)

Das Kapitel Sprachenpolitik in Europa zeigte auf, dass der Forderung der EU an ihre

BürgerInnen – nämlich zusätzlich zur eigenen Muttersprache zwei Fremdsprachen zu

beherrschen – nicht in allen Ländern der EU gleichermaßen nachgegangen wird. Eine

wichtige Rolle bei der Umsetzung dieser Forderung kommt dem Fremdsprachenunterricht in

den einzelnen Ländern zu. Auf die Situation des Fremdsprachenunterrichts in Österreich wird

im folgenden Kapitel Bezug genommen.

3. FREMDSPRACHENUNTERRICHT IN ÖSTERREICH Die Aufteilung der Zuständigkeit für die unterschiedlichen Bereiche in Österreichs

Bildungsstätten erweist sich als überaus komplex: Während für einige Bereiche des

Unterrichts die Bundesregierung zuständig ist, fungieren für andere die jeweiligen Länder als

Verantwortungsträger. Die Universitäten sind hingegen autonom. (vgl. BMUKK/BMWF/ÖSZ

2009: 14)

Diese Komplexität hat Auswirkungen auf den Fremdsprachenunterricht in Österreichs

Schulen. Europaweit gesehen ist die Situation des Fremdsprachenunterrichts in den einzelnen

14

Ländern prinzipiell sehr unterschiedlich, da die SchülerInnen im Ländervergleich nicht gleich

viele Sprachen lernen. In Luxemburg geht man von 2,9 Sprachen aus, wobei Deutschland mit

1,2 und Österreich mit 1,36 Sprachen weit dahinter liegen. (vgl. Krumm 2003: 38)

Der Fremdsprachenunterricht beeinflusst das Sprachenlernen durch verschiedene Faktoren:

• Die Schule gibt den sprachlichen Code an.

• Die Schule ist durch Einsprachigkeit charakterisiert.

• Das Sprachangebot beschränkt sich zum Großteil auf die westlichen Sprachen.

• Es umfasst die Hochsprachen.

• Die Sprachen werden im Rahmen eigens für sie vorgesehener Fächer unterrichtet, z.B.

Französisch als eigenes Fach, im Unterschied zu Italienisch, das wiederum einen

eigenen Gegenstand darstellt. (vgl. Decke-Cornill 2001: 177-178)

Durch die Forderung nach Mehrsprachigkeit der EU (L1+2) sieht sich auch der

Fremdsprachenunterricht mit diesbezüglichen Fragen konfrontiert. Es muss überlegt werden,

welche Sprachen in welchem Ausmaß unterrichtet werden sollen, um auf die reale

Mehrsprachigkeit der EU optimal vorzubereiten. (vgl. Nieweler 2001: 207)

Eine kohärente und transparente Sprach- und Sprachunterrichtspolitik könnte zur besseren

Förderung der Mehrsprachigkeit in der Schule führen. (vgl. BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 14).

Was unter dem Terminus Schulsprachenpolitik verstanden wird, wird im nächsten

Unterkapitel erörtert.

3.1. Schulsprachenpolitik

Die Schulsprachenpolitik ist Teil der Bildungspolitik und der Sprachenpolitik. Demnach

bezeichnet der Begriff Schulsprachenpolitik „alle politischen Maßnahmen zur Steuerung des

Lehrens und Lernens fremder Sprachen in institutionellen Zusammenhängen.“ (Christ 2007:

105). Die Schulsprachenpolitik soll die Politik in Bezug auf den Fremd-, Zweit- und

Herkunftssprachenunterricht entwickeln. (vgl. Christ 2007: 105)

„Zur Entwicklung und Steuerung von Sprachkenntnissen und – indirekt – von Sprachgebrauch werden der Fremd- und Zweitsprachenunterricht benutzt. Sie werden von der Schulsprachenpolitik gesteuert.“ (Christ 2007: 104)

15

3.1.1. Allgemeine Merkmale der Schulsprachenpolitik

Mehrsprachigkeit ist bereits Realität in der Schulsprachenpolitik, dennoch spielen Status,

Prestige und Image einer Sprache eine große Rolle. Die Schule ist mitverantwortlich für das

Prestige einer Sprache, da sie auch Einstellungen vermittelt. (vgl. Huber/Majorosi 2003: 248)

Für die Entwicklung einer funktionierenden Schulsprachenpolitik müssen einige Faktoren

berücksichtigt werden:

1. Das Alter: Wann ist der beste Zeitpunkt mit dem Fremdsprachenunterricht zu

beginnen? Mit dieser Frage beschäftigte man sich bereits im 19. Jahrhundert und

entschied sich für das zehnte bis zwölfte Lebensjahr, da die Alphabetisierung in der

Muttersprache bereits abgeschlossen sein sollte. Erst seit den 80er Jahren des 20.

Jahrhunderts findet Englischunterricht in der Grundschule statt.

2. Die Entlastung des Fremdsprachenunterrichts durch lebensbegleitendes Lernen. Die

Frage ist hier, in wie weit der schulische Fremdsprachenunterricht entlastet werden kann.

Die Verteilung des Fremdsprachenlernens auf verschiedene Institutionen zieht allerdings

ein großes Problem mit sich: Die Unterschiede in den „Lehr- und Lernkulturen,

Zielvorstellungen, Evaluations- und Prüfungsmethoden.“ (Christ 2007: 105)

3. In Bezug auf die MigrantInnen wird folgende Frage gestellt: Sollen sie in der

Landessprache oder in ihren Herkunftssprachen unterrichtet werden? (vgl. Christ 2007:

105-106)

4. Die Sprachenfolge ist ebenso ein wichtiges Thema in der Schulsprachenpolitik. Noch

immer wird darüber debattiert, wann welche Sprache bzw. in welcher Reihenfolge

Fremdsprachen gelernt werden sollen. Sie ist Thema des folgenden Kapitels.

3.2. Sprachenfolge in Österreich

Englisch wird in allen Schultypen und Schulstufen mit Abstand am häufigsten unterrichtet.

Das Sprachenangebot über den Englischunterricht hinaus ist eher klein und wird nicht

ausreichend genutzt, obwohl auch Minderheiten- und Nachbarsprachen Österreichs angeboten

werden.

16

Die folgende Grafik zeigt in Prozenten, welche Sprachen außer Englisch im Schuljahr

2004/05 auf der Primarstufe unterrichtet wurden.

Abbildung 1 in % (ÖSZ 2007)

Die Grafik zeigt, dass die romanischen Sprachen Französisch und Italienisch vor den anderen

Fremdsprachen liegen und kein ausgewogenes Verhältnis besteht. Die Sprachen stehen in

Konkurrenz zueinander, anstatt sich gegenseitig zu stützen. „Französich gegen Latein;

Spanisch gegen Französisch usw. Jede Sprache buhlt um die Gunst der wählenden

Schülerschaft“ (Nieweler 2001: 208)

Im Vergleich dazu lernten im Schuljahr 2004/05 97 % aller SchülerInnen der Primarstufe, die

eine Fremdsprache erwerben, Englisch.

Die derzeitige Sprachenfolge erschwert es SchülerInnen mehrsprachig zu werden, da sie sich

aus einem geringen Angebot an Sprachen max. drei Fremdsprachen aussuchen können. Um

die individuelle Mehrsprachigkeit zu fördern, ist es allerdings wichtig, ein breitgefächertes

Fremdsprachenangebot bereitzustellen. Die verschiedenen Sprachen sollten sich ergänzen

bzw. im Rahmen eines Gesamtkonzeptes sprachlicher Bildung gleichwertig sein.

Eine Momentaufnahme der aktuellen Situation im FSU bietet der Länderbericht des LEPP

(Language Education Policy Profile/Sprach- und Sprachjunterrichtspolitik in Österreich-

Länderbericht), welcher eine Analyse bzw. eine Reflexion der Sprachunterrichtspolitik und

des Sprachenlernens im jeweiligen Land darstellt. (BMUKK/BMWF 2008: 9)

Das LEPP wird in drei Schritten für ein Land erstellt:

17

Zuerst wird durch die Behörden des betreffenden Landes ein Länderbericht erstellt, der durch

einen ExpertInnenbericht ergänzt wird. Zu diesem Zwecke werden ExpertInnen aus anderen

Ländern vom Europarat nominiert und besuchen im Anschluss das betreffende Land für eine

Woche, in der sie ihre Beobachtungen und Diskussionen in einem Bericht zusammenfassen.

Im letzten Schritt wird das LEPP auf Basis dieses ExpertInnenberichts erstellt. Nach der

einvernehmlichen Verabschiedung durch die ExpertInnen des Europarates und der jeweiligen

Behörden, wird das LEPP vom Europarat in Englisch und der offiziellen Landessprache

veröffentlicht. In Österreich stellt das Länderprofil ein „zentrales Referenzdokument für die

sprachenpolitische Arbeit der nächsten Jahre“ dar. (BMUKK/BMWF/ÖSZ 2009: 9-10)

Für den Fremdsprachenunterricht an Österreichs Schulen ergab sich folgender Befund:

Im Primarbereich (erste bis vierte Klasse Volksschule) wird seit dem Schuljahr 1998/1999

Fremdsprachenunterricht seit der ersten Klasse unterrichtet. Ab dem Schuljahr 2003/04 wurde

der FSU ab der ersten Klasse Volksschule verpflichtend. Der Fremdsprachenunterricht

umfasst eine einzige Wochenstunde bzw. 32 Jahresstunden, die in Form einer verbindlichen

Übung auf mehrere Einheiten innerhalb der Pflichtgegenstände pro Woche aufzuteilen sind.

Eine Benotung erfolgt allerdings nicht. Ab der Grundstufe II (3. bis 4. Klasse) kann eine

weitere lebende Fremdsprache als unverbindliche Übung im Ausmaß einer Wochenstunde

unterrichtet werden, wobei im Rahmen der Schulautonomie ein Drittsprachenunterricht

bereits ab der Grundstufe I mit bis zu 80 Jahresstunden pro Schuljahr möglich ist. Als

Sprachen kommen hierbei Englisch und Französisch, sowie die österreichischen

Minderheiten- und Nachbarsprachen infrage. Betrachtet man allerdings die gängige Praxis an

den Schulen, fällt auf, dass – wie bereits erwähnt – hauptsächlich Englisch unterrichtet wird,

und nur wenige Schulen tatsächlich alternative Sprachen anbieten. (vgl. Christ/de Cillia

2007a: 81, BMUKK/BMWF 2008: 36)

Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass es einen Fokus auf Mehrsprachigkeit

im Primarbereich gibt.

In den Sonderschulen wird ebenfalls der FSU von der Klasse 5-8 als unverbindliche Übung –

in Wien als verbindliche Übung – angeboten. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 36)

In der Sekundarstufe I (Unterstufe: fünfte bis achte Klasse) wird nur eine Fremdsprache

verpflichtend angeboten. Die Lehrpläne für die AHS Unterstufe und die Hauptschule sind im

Prinzip wortident und unterscheiden sich lediglich in Hinblick auf das Sprachenangebot. Eine

zweite Fremdsprache kann in der HS im Rahmen eines Freifaches erlernt werden. In der AHS

18

werden hingegen ab der siebten Schulstufe Latein oder eine alternative Fremdsprache

gewählt. (BMUKK/BMWF 2008: 36-37)

Für die Sekundarstufe I bedeutet dies, dass zwar ein Fremdsprachen- nicht jedoch ein

Mehrsprachenunterricht möglich ist.

Je nach Schultyp sind Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, Spanisch, Tschechisch,

Slowenisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Ungarisch, Türkisch, Polnisch, Slowakisch und

Kroatisch mögliche zu erlernende Fremdsprachen. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 37)

Für die AHS-Oberstufe gilt seit dem Schuljahr 2004/05 ein neuer Lehrplan. Dieser sieht vor,

dass sowohl die erste als auch die zweite lebende Fremdsprache im Stundenausmaß von

3/3/3/3 zu unterrichten sind, wobei nur im ORG die zweite lebende Fremdsprache mit 4/3/3/3

unterrichtet wird. Diese zweite lebende Fremdsprache kann bereits in der Unterstufe ab der 7.

Schulstufe begonnen werden und führt in sechs Jahren zur Matura, oder sie wird ab der 9.

Schulstufe unterrichtet und führt in vier Jahren zur Matura. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 38)

Eine dritte lebende Fremdsprache kann in der AHS im Rahmen der Schulautonomie ab der 10,

Schulstufe als Wahlpflichtgegenstand im Ausmaß von -/2/2/2 angeboten werden. (vgl.

BMUKK/BMWF 2008: 38)

SchülerInnen der AHS sollten nach der Schule demnach bis zu drei lebende Fremdsprachen

als Pflichtfach gelernt haben. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 38)

In der einjährigen polytechnischen Schule hingegen gilt der Unterricht in einer Fremdsprache

als ausreichend:

„An den PTS1

In den berufsbildenden Pflichtschulen (BPS) ist seit dem Schuljahr 1991/92 eine lebende

Fremdsprache Pflicht. Diese kann zwischen 40 und 120 Unterrichtsstunden im Laufe der

Ausbildung unterrichtet werden. Darüber hinaus ist in manchen Ausbildungen eine zweite

sind lt. Lehrplan drei Wochenstunden in der lebenden Fremdsprache Englisch (inkl. Fachsprache) zu unterrichten, schulautonom kann sich das Ausmaß im Rahmen von zwei bis vier Wochenstunden bewegen.“ (BMUKK/BMWF 2008: 37)

Im Fachbereich Tourismus kann auch in den PTS eine zweite lebende Fremdsprache im

Ausmaß von zwei – im Rahmen der Schulautonomie zwei bis drei – Wochenstunden

unterrichtet werden. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 37)

1Polytechnische Schulen

19

Fremdsprache Pflicht, bzw. kann diese als Freifach angeboten werden. (vgl. BMUKK/BMWF

2008: 39)

Ein weiterer Schultyp in Österreich sind die berufsbildenden mittleren Schulen (BMS). Das

Fremdsprachenangebot umfasst eine bis zu zwei Fremdsprachen. Die BMS können in drei

Richtungen unterteilt werden, die sich aufgrund der Fremdsprachen bzw. der zu erreichenden

Niveaus bzw. der Dauer unterscheiden:

1. Handelsschulen (HAS): Englisch inklusive Wirtschaftssprache wird im

Stundenausmaß von 3/3/3 angeboten. In Englisch soll nach den drei Jahren HAS das

Niveau B1 des GERS erreicht werden. Eine zweite lebende Fremdsprache +

Wirtschaftssprache kann als Freigegenstand ebenfalls im Ausmaß von 3/3/3 angeboten

werden, wobei es keine Angabe zu der zu erreichenden Niveaustufe des GERS gibt.

2. Fachschulen für wirtschaftliche Berufe: Auch in dieser Form der BMS ist Englisch im

Ausmaß von 3/3/3 vorgeschrieben, wobei zumindest das B1-Niveau erreicht werden

soll. Eine zweite lebende Fremdsprache kann an sechs Standorten in Österreich durch

die Schulautonomie im Ausmaß von mindestens sechs Wochenstunden aufgeteilt auf

drei Schuljahre erlernt werden. Ziel ist hierbei das Niveau A1 in der zweiten lebenden

Fremdsprache, in einigen Fertigkeiten wird das Niveau A2 angestrebt.

3. Technisch-gewerbliche Fachschulen: In den FT wird Englisch als lebende

Fremdsprache unterrichtet. Das Ausmaß variiert von 2/2/1/1 Wochenstunden bis zu

2/2/2/2 oder 2/2/4/2 Stunden. Darüber hinaus kann Englisch als Freigegenstand

unterrichtet werden. Als Ziel wird das Niveau B1 des GERS genannt. (vgl.

BMUKK/BMWF 2008: 39)

Eine Alternative zur AHS Oberstufe bieten in Österreich die berufsbildenden höheren

Schulen, welche ebenfalls mit Matura abschließen. Das Sprachenangebot liegt je nach BHS-

Typ zwischen einer und drei lebenden Fremdsprachen. In Österreich gibt es verschiedene

berufsbildende höhere Schulen:

In den Handelsakademien ist „Englisch einschließlich Wirtschaftssprache“ im

Stundenausmaß von 2/3/3/3/3 vorgesehen, sowie eine weitere lebende Fremdsprache im

Ausmaß von 3/2/3/3/3. Dabei gilt es in Englisch das Niveau B2 bzw. in manchen Bereichen

C1 des GERS zu erreichen und in der zweiten lebenden Fremdsprache das Niveau B1/B2. Im

20

Rahmen der Schulautonomie können bis zu drei Fremdsprachen Pflicht sein (vgl. Christ/de

Cillia 2007a: 82, 40)

Auch bei den höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe (HLW) sind Englisch und

eine zweite lebende Fremdsprache verpflichtend vorgeschrieben. Das Stundenausmaß liegt

hier bei beiden Sprachen bei 3/3/3/3/3, wobei dieselben Niveauziele wie bei den

Handelsakademien für die beiden Fremdsprachen verfolgt werden. Auch in den HLWs kann

durch die Schulautonomie der Fremdsprachenunterricht erweitert werden. (vgl.

BMUKK/BMWF 2008: 40)

An den höheren technischen Lehranstalten (HTL) gibt es laut Lehrplan eine lebende

Fremdsprache, wobei es sich meistens um Englisch im Ausmaß von 2/2/2/2/2 handelt. Die

Schulautonomie erlaubt statt Englisch auch eine andere Fremdsprache zu unterrichten. Es gilt

immer das Niveau B2 des GERS zu erreichen. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 40)

Etwas anders verhält es sich in den höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen

(HLF): Der Pflichtgegenstand lebende Fremdsprache ist im Ausmaß von 2/2/2/2/2

Wochenstunden abzuhalten. Darüber hinaus haben die SchülerInnen die Möglichkeit

zwischen einer zweiten lebenden Fremdsprache (-/-/2/2/2 A2-Niveau) und einem Fachseminar

in Englisch (-/-/2/2/- B2/C1-Niveau) zu wählen. (vgl. BMUKK/BMWF 2008: 40)

Eine weitere höhere bildende Schule ist die BAKIP (Bildungsanstalt für

Kindergartenpädagogik). Im Prinzip kann durch die Schulautonomie jede lebende Fremd-

bzw. Volksgruppensprache unterrichtet werden, meistens handelt es sich jedoch um Englisch.

Es soll zumindest das Niveau B2 des GERS erreicht werden. (vgl. BMUKK/BMWF 2008:

40)

Wie der Länderbericht zeigt, werden in Österreichs Schulen, je nach Schultyp nur ein bis zwei

Fremdsprachen verpflichtend unterrichtet. Die Forderung der EU zusätzlich zur

Muttersprache zwei Fremdsprachen zu beherrschen, wird demnach nicht in allen Schultypen

unterstützt. (vgl. zB. BAKIP, HTL, HLF)

In Zahlen ausgedrückt lässt sich festhalten, dass auf der Primarstufe 92,85 % der

SchülerInnen eine lebende Fremdsprache lernen (vorwiegend Englisch), während nur 3,94 %

zwei und 0,13 % der SchülerInnen drei oder mehr lebende Fremdsprachen lernen. Auf der

Sekundarstufe I ändern sich die Zahlen nur geringfügig. Die Zahl der SchülerInnen, die zwei

Fremdsprachen lernen, steigt erst auf der Sekundarstufe II auf 32,43 %. Auch die Zahl jener

21

SchülerInnen, die drei oder mehr lebende Fremdsprachen lernen steigt auf der Sekundarstufe

II auf 4,22 %. (vgl. ÖSZ 2007)

Primarstufe Sekundarstufe I

Sekundarstufe II

Abbildungen 2-4: ÖSZ 2007

Die Grafiken zeigen, dass ab der Sekundarstufe II deutlich mehr SchülerInnen zwei lebende

Fremdsprachen lernen. Der Großteil der Lernenden ist allerdings von der Forderung der EU

(L1+2) weit entfernt. Das größte Problem scheint der Lehrplan selbst zu sein. „Das

österreichische Schulwesen ist ausgelegt auf fremdsprachliche Zweisprachigkeit, und nicht

auf Mehrsprachigkeit.“ (de Cillia 2008: 21)

Die Dominanz des Englischen an den österreichischen Schulen erklärt sich dadurch, dass der

Englischunterricht neben den beruflichen Chancen noch einen entscheidenden weiteren

Vorteil bietet: Der Englischunterricht kann nach der Primarstufe an (fast) jeder anderen

Schule fortgesetzt werden. Im Gegensatz dazu gibt es oft keine Möglichkeit, auf der

22

Sekundarstufe I zB. Französisch zu lernen, weil nicht alle bzw. nur wenige Schulen den

Französischunterricht ab der 6. Schulstufe anbieten. (vgl. de Cillia 2008: 21-22)

Diese Gegebenheiten sind für viele Eltern bzw. SchülerInnen ein Grund, von Anfang an

Englisch zu lernen, obwohl es sich beim Englischunterricht im Kindergarten und der

Volksschule in den meisten Fällen um einen Schnupperunterricht handelt und auf der

Sekundarstufe I das wenige bereits Erlernte ohnehin nochmals unterrichtet wird. (vgl. de

Cillia 2008: 22)

Als Lösung für diese Problematik schlägt Reich 2009 ein Gesamtkonzept sprachlicher

Bildung vor, das die SchülerInnen von Anfang an zur Mehrsprachigkeit erzieht.

3.3. Gesamtkonzept sprachlicher Bildung

Das Gesamtkonzept sprachlicher Bildung (whole-school-language-policy) stellt eine

ganzheitliche Erziehung zur Mehrsprachigkeit dar. Es sollte demnach keine einzelnen

Fächerziele mehr geben, sondern eine Erziehung zur Mehrsprachigkeit. (vgl. Nieweler 2001:

208)

De Cillia (2010) schlägt vor, bereits erarbeitete unterrichtspraktische Modelle der

Sprachendidaktik und Sprachlehrforschung in Österreichs Schulen einzusetzen, um die

Entwicklung eines Gesamtkonzepts sprachlicher Bildung zu fördern. Geeignet seien dafür die

Programme zur Sprachsensibilisierung wie Éveil-aux-langues, und die

Interkomprehensionsmodelle, welche in den Kapiteln 4 und 5 dieser Arbeit vorgestellt

werden. (vgl. de Cillia 2010b: 250)

Reich (2009) gibt zu denken, dass die SchülerInnen mehrsprachiger geworden sind und sich

die Schulsprachenpolitik daher an die Veränderungen anpassen müsse. Weltsprachen und

MigrantInnensprachen prägen die heutige Schulsprachenpolitik nämlich ebenso wie die

Bildungssprache Deutsch. Deswegen schlägt Reich 2009 eine eigene Charta vor, die den

Status der MigrantInnensprachen verbessern und dazu beitragen soll, sie in der

Schulsprachenpolitik zu integrieren. (Reich 2009: 65, 67)

„Das neue Gesamtkonzept sprachlicher Bildung müsste unterscheiden zwischen dem unerlässlichen Grundangebot und den darüber hinaus gehenden Sprachbildungsmöglichkeiten.“ (Reich 2009: 68)

Unter dem Grundangebot versteht Reich die Nationalsprachen und Weltsprachen, deren

Verständigungsfähigkeit gesichert werden müsste, um ein Fundament für die Gleichheit zu

23

schaffen. Darüber hinaus sollten die Sprachbildungsmöglichkeiten sehr vielfältig sein und

eine Wahl nach

• personellen, institutionellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen zulassen, bzw.

• aufgrund von familiären und persönlichen Voraussetzungen möglich sein.

• Auch politische und geographische Nachbarschaft, bzw. die

• wirtschaftliche Verwertbarkeit und die

• kulturelle Loyalität

sollten bei der Wahl berücksichtigt werden. (vgl. Reich 2009: 68)

Ein fester Platz für die MigrantInnensprachen im Curriculum könnte durch

Bewertungsverfahren und qualifizierte Lehrkräfte geschaffen werden. (vgl. Reich 2009: 69)

Sprachbezogene Lernprozesse können laut Reich 2009 auch gebündelt werden, indem wie

früher durch Latein die Sprachlernfähigkeit gesichert wird.

„Dem Lernen der verschiedenen Sprachen sind kognitive Inhalte gemeinsam, die nicht für jede Sprache neu erarbeitet werden müssen: grammatische und semantische Begriffe, Lern- und Erschließungsstrategien, sprachvergleichende und sprachgeschichtliche Elemente.“ (Reich 2009: 69)

Diese Inhalte könnten zu einem Fach „Sprache“ zusammengefasst werden, welches von der

Primar- bis zur Sekundarstufe II unterrichtet werden könnte. (vgl. Reich 2009: 69)

Die vielschichtigen kognitiven Prozesse, die beim Erwerb unterschiedlicher Sprachen

ablaufen, sind sich also in ihren Grundzügen ähnlich. Ein Unterrichtsfach, das eine Art

grundlegende Kompetenz für den Erwerb von Sprachen vermittelt, kann hier als viel

versprechende Teiletappe auf dem Weg zum angestrebten Ziel der individuellen

Mehrsprachigkeit angesehen werden. Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass ein

Unterrichtsgegenstand mit dem Titel Sprache, der bereits in der Primarstufe angesiedelt sein

sollte, die Ängste und die Fremdheit gegenüber neuen Sprachen und Kulturen nehmen sollte.

Zum anderen lässt ein solcher Ansatz auch ein höheres Reflexionsvermögen in Bezug auf

diese Sprachen und Kulturen erwarten, was wiederum eine positive Wirkung auf die

Entwicklung einer interkulturellen Kompetenz des lernenden Individuums gewährleistet.

In Anbetracht dessen widmen sich die beiden folgenden Kapitel nun der genaueren

Betrachtung zweier Projekte, die einen ersten Ansatz für einen Unterrichtsgegenstand mit dem

Titel Sprache darstellen könnten.

24

4. SCHULPROJEKTE ZUR FÖRDERUNG VON

MEHRSPRACHIGKEIT - ÉVEIL-AUX-LANGUES Bei Éveil-aux-langues handelt es sich um ein Projekt für die Primarstufe, welches sich die

Sensibilisierung für Sprache zum Ziel setzt. Es geht dabei vorrangig um die Entwicklung von

Methoden, die mittels Sprachbetrachtung und Sprachreflexion in den SchülerInnen ein

Bewusstsein für Sprache bilden. Èveil-aux-langues ist ein europäisches Projekt, das zwischen

den Jahren 1997 und 2000 in fünf europäischen Ländern – Österreich, Frankreich, Italien,

Spanien und der Schweiz – entstand. Es konfrontiert SchülerInnen „zwischen acht und elf

Jahren spielerisch mit vielen nahen und fernen Sprachen“. (Macaire 2001: 202,

Candelier/Andrade/Martins 2004: 28) Der Éveil-aux-langues-Ansatz geht zurück auf das

language awareness-Konzept (= LA) der 80er Jahre, als in britischen Schulen festgestellt

wurde, dass SchülerInnen Probleme in ihrer eigenen Muttersprache hatten bzw. nicht mit

sprachlicher Diversität umgehen konnten. (vgl. de Cillia 2007b: 43)

Die Begriffe language-awareness, awareness of language (Sprachaufmerksamkeit),

consciousness of languages (Sprachbewusstheit), éveil-aux-langues, Sprachbewusstsein,

Sprachlernbewusstsein und Sprachsensibilisierung sind miteinander nah verwandte Begriffe,

die auf Kompetenzen der Metaebene der Sprache abzielen. (vgl. de Cillia 2007a: 43,

Wildenauer-Jósza 2005: 44)

„Sprachaufmerksamkeit, Sprachwissen und die daraus entstehende Sprachbewusstheit bedingen und fördern sich gegenseitig. Größere Sprachaufmerksamkeit führt zu mehr Sprachwissen und zu höherer Sprachbewusstheit, die wiederum aufmerksamer macht und das Wissen fördert.“ (Wildenauer-Jósza 2005: 44)

Auf einen ähnlichen Blickwinkel lassen die drei Hauptziele des Evlang-Projekts schließen:

1. Die SchülerInnen sollen offener gegenüber neuen Sprachen und Kulturen werden.

2. Ebenso sollen sie Wissen über diese Sprachen und Kulturen gewinnen, ohne sich nur

auf eine Sprache zu konzentrieren.

3. Wichtige Fertigkeiten sollen spielerisch beim Umgang mit den Sprachen erlernt

werden. (vgl. Macaire 2001: 203)

Dabei entsteht Sprachaufmerksamkeit, welche dazu führt, dass die Kinder Fremdsprachen

besser lernen können. (vgl. Macaire 2001: 204)

25

Auch der Umgang mit der grammatischen Terminologie wird durch Evlang vereinfacht, da

sich die SchülerInnen spielerisch damit auseinandersetzen und somit die Angst davor

abbauen. (vgl. Macaire 2001: 210)

Dieses Sprachbewusstsein kann schon sehr früh auf der Primarstufe durch die richtigen

Übungen erworben werden und stellt somit eine Basis für das lebenslange Lernen dar. Gerade

in Klassen, die multikulturell und vielsprachig sind, ist hohes Potential gegeben, über

Sprachen zu reflektieren. „Die Sprachaufmerksamkeit erhöht das Sprachbewusstsein der

Schüler und umgekehrt, das Sprachbewusstsein fördert den aufmerksamen Umgang mit

Sprachen.“ (Macaire 2001: 201)

Der Evlang-Ansatz bezieht Schul-, Mutter-, Herkunfts- und Umgebungssprachen, sowie

regionale Varietäten mit ein. Das Konzept stellt durch die Mitarbeit mehrerer Länder und oft

dutzender Personen die umfassendste Variante der Pluralen Ansätze dar. „Als ein für die

Grundschule entwickeltes „Propädeutikum“ kann Eveil aux langues auch als ein Werkzeug

des Sprachenlernens dienen, das die Lernenden während der gesamten Schullaufbahn

begleitet.“ (Meißner/Schröder-Sura 2009: 6-7)

Die Materialien des Evlang-Projektes berücksichtigen eine Vielfalt an Sprachen und Kulturen

und fördern somit die Sensibilisierung für die Sprache, ohne jedoch die Sprachen selbst zu

unterrichten. Die Kinder haben keine Probleme mit dieser Vielfalt umzugehen, da sie es

gewohnt sind in einer multikulturellen Welt zu leben. Sie haben im Gegensatz zu

Erwachsenen ein „natürliches metasprachliches Bewusstsein“ und nutzen dieses auch, wenn

sie spontane Vergleiche zwischen den Sprachen ziehen oder assoziieren. Im Laufe der

Schulzeit lässt diese natürliche Aufmerksamkeit für Sprache nach, wenn sie nicht gefördert

wird. Bei gezielter Förderung entwickelt sich jedoch die Sprachaufmerksamkeit automatisch

zu Sprachbewusstsein. (vgl. Macaire 2001: 202-203)

Das Evlang-Projekt brachte mehr als 50 Unterrichtshilfen hervor, die für die zwei letzten

Klassen der Grundschule konzipiert wurden. Die Materialien wurden erprobt und enthalten

neben Arbeitsblättern, Ergänzungsmaterialien, Anleitungen und Lösungen für die LehrerInnen

auch Spiele. (vgl. Macaire 2001: 203)

4.1. Das KIESEL-Projekt

Das Ziel des KIESEL-Projektes (Kinder entdecken Sprachen) ist SchülerInnen für

verschiedene Sprachen und Kulturen zu sensibilisieren. Die Kinder werden mit eigens dafür

26

konzipierten Materialien und Spielen mit fremden bzw. vielleicht bereits bekannten Sprachen

konfrontiert und sollen so ein Bewusstsein für Sprachen entwickeln. Das KIESEL-Projekt

stellt den österreichischen Beitrag zum Éveil-aux-langues-Projekt dar.

„In primary school and even in the first level of secondary school, éveil aux langues/language awareness could be integrated into instruction as a mandatory component – both the project EVLANG, as well as JA-LING offer valuable ideas and materials (in Austria, e.g. KIESEL).” (de Cillia 2007a: 46)

Die Praxisreihe „Kinder entdecken Sprachen. Erprobung von Lehrmaterialien“ (KIESEL)

wurde vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und dem

Österreichischen Sprachen-Kompetenz-Zentrum herausgegeben. Die Reihe besteht aus zehn

thematischen Einheiten, welche sich immer zuerst auf den österreichischen Lehrplan, dann

auf die erstellten Unterrichtseinheiten und letztlich auf die Hintergrundinformation für

LehrerInnen beziehen. Das KIESEL-Projekt wurde für die Pflichtschule entworfen und richtet

sich demnach an Kinder zwischen 6-14 Jahren. Es soll mit Hilfe der einzelnen Themen eine

Sensibilisierung der Kinder für ihre eigenen Sprachen und für die zukünftigen Fremdsprachen

stattfinden. Themen dazu sind

1. Von den Sprachen des Kindes zu den Sprachen der Welt: Bei der ersten

Unterrichtseinheit der KIESEL-Reihe geht es um die Mehrsprachigkeit, wobei sowohl die

eigene Mehrsprachigkeit der Kinder gemeint ist als auch die Situation der

Mehrsprachigkeit in der Welt. Die Kinder sollen für verschiedene Sprachen sensibilisiert

werden und den enormen Sprachreichtum der Welt kennen lernen.

2. Europanto: Auch das Projekt „Europanto“ soll die Sprachenvielfalt der Welt näher

bringen, wobei hier die Phänomene Sprachmix und code-switching im Mittelpunkt

stehen.

3. Die Wochentage in verschiedenen Sprachen: Die Kinder sollen mithilfe dieser

Unterrichtseinheit Gemeinsamkeiten anhand der Analyse der Wochentagnamen in

verschiedenen Sprachen erkennen und herausarbeiten.

4. Die lange Reise der Wörter: Die vierte Unterrichtseinheit der KIESEL-Reihe bringt

den Kindern die Thematik der Lehnwörter näher.

5. Sind Obst und Gemüse männlich oder weiblich? Nominalgruppen und das

grammatische Geschlecht sind Thema der Lehreinheit. Anhand von Obst- und

27

Gemüsesorten sollen die Kinder entdecken, dass nicht jede Sprache Artikel bzw. ein

grammatisches Geschlecht hat.

6. Mein Körper kann sprechen: Nonverbale Kommunikation. Die nonverbale

Kommunikation steht im Mittelpunkt dieser Einheit. Die Kinder sollen nonverbale

Kommunikation erkennen und lernen sie selbst anzuwenden.

7. Latein lebt! Warum es in vielen Sprachen ähnliche Wörter gibt. Die

Verwandtschaftsbeziehungen der romanischen Sprachen und die gemeinsame Ursprache

Latein werden thematisiert. Viele Fremdwörter des europäischen Wortschatzes können

auf das Lateinische zurückgeführt werden – dies sollen die Kinder spielerisch entdecken.

8. Sprachwege. Der Zusammenhang von Sprache und Kultur am Beispiel der

Burgenland-Romani: Die Minderheitensprachen Österreichs werden anhand der

Burgenland-Romani vorgestellt. Die Kinder sollen sich bewusst darüber werden, dass es

in Österreich autochthone Minderheiten gibt.

9. Bilder von der Welt in verschiedenen Sprachen: Bei der neunten Einheit handelt es

sich um ein Sprachforschungsabenteuer, welches viele Übungen und Tipps bietet.

10. Sprachportraits: 38 Sprachen werden hier portraitiert. Informationen über

Verbreitung dieser Sprachen und SprecherInnenzahl werden geboten und stellen ein

Basiswissen der vorgestellten Sprachen dar. Es handelt sich hierbei nicht nur um die in

der Schule unterrichteten Sprachen, sondern auch um die Gebärdensprache, die Sprachen

der Nachbarländer und die Sprachen aus dem muttersprachlichen Unterricht.

Schon bei der Auswahl der Überschriften der einzelnen Unterrichtseinheiten des KIESEL-

Projektes lässt sich das Ziel leicht erschließen: Kinder sollen mit der Sprachenvielfalt

spielerisch konfrontiert werden, um sich anschließend damit auseinanderzusetzen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Sprachen sollen entdeckt werden. Darüber

hinaus sollen die SchülerInnen lernen die Sprachvielfalt zu schätzen. Ein erster Kontakt mit

der komplexen Thematik soll spielerisch hergestellt werden, um die Lernenden zu begeistern

und für das zukünftige Sprachenlernen zu motivieren.

Von den zehn Themen des KIESEL-Projektes werden im Folgenden drei Unterprojekte näher

vorgestellt.

28

4.1.1. Von den Sprachen des Kindes zu den Sprachen der Welt

Das erste Projekt aus der KIESEL-Praxisreihe „Von den Sprachen des Kindes zu den

Sprachen der Welt“ ist als Einstieg für die Sensibilisierung für Mehrsprachigkeit gedacht. Wie

auch die anderen Unterrichtsmaterialien dieser Reihe ist auch das erste Projekt nach einem

bestimmten Schema aufgebaut: Nach dem Inhaltsverzeichnis für das gesamte Projekt findet

sich ein Verweis auf den Lehrplan der Volks- bzw. der Hauptschule und der Unterstufe der

AHS. Danach folgt die Gesamtplanung des Projekts mit den einzelnen Unterrichtseinheiten.

Am Ende werden Hintergrundinformationen für die Lehrpersonen geboten, um einen

theoretischen Kontext zum jeweiligen Thema zu bieten. (vgl. Pirstinger 2006: 7)

Die Kinder werden somit für die Tatsache sensibilisiert, dass es nicht nur viele

unterschiedliche Sprachen gibt, sondern dass diese auch unterschiedlich benutzt werden und

die Kompetenzen in den jeweiligen Sprachen sehr unterschiedlich sein können.

„Von den Sprachen des Kindes zu den Sprachen der Welt“ versteht sich demnach als eine

erste Annäherung an die Sprachdiversität. Ein erster Kontakt zu den Fremdsprachen soll

geschaffen werden, um die SchülerInnen zu sensibilisieren. Es werden viele Sprachen

verwendet, und zusätzlich können die bereits eingeplanten Sprachen durch die Sprachen der

Kinder ergänzt werden. (Pirstinger 2006: 7)

In der ersten Unterrichtseinheit sollen die Kinder einen Fragebogen ausfüllen. Es geht darum,

den Sprachgebrauch in der Familie (zB. „Sprichst du andere Sprachen in deiner Familie?“)

und Freizeit zu evaluieren und darüber hinaus festzustellen, wie weit die Kompetenzen in den

jeweiligen Sprachen reichen (zB. „Kannst du in anderen Sprachen als Deutsch grüßen?“

Pirstinger 2006: 11). Auch Wissensfragen (zB. „Kennst du den Namen eines weiteren Landes,

wo Deutsch gesprochen wird?“) und eine Frage über die Motivation, Sprachen zu lernen,

werden gestellt. (Pirstinger 2006: 10-11)

Der Fragebogen soll in Partnerarbeit ausgefüllt werden, um danach die Antworten an der Tafel

aufzulisten. Danach wird das Ergebnis zusammengefasst, und die Vielfalt der Sprachen in der

Klasse wird thematisiert. Die Kinder sollen Grußformen in anderen Sprachen erlernen und

diese auch zu Unterrichtsbeginn verwenden. (vgl. Pirstinger 2006: 10)

In der zweiten Unterrichtseinheit geht es um die Sprachbiographie eines bolivianischen

Mädchens. Die Geschichte des Kindes wird gelesen und besprochen. In weiterer Folge sollen

die Kästchen innerhalb der Geschichte ausgemalt werden, wobei für die einzelnen Kästchen

29

verschiedene Farben vorgesehen sind: Rot steht hierbei für Sprachen, die man spricht, und

violett für jene, die man versteht. Blau steht wiederum für Sprachen, die man bereits gehört

und gelb für die, die man visuell betrachtet (geschrieben, gesehen) hat. (vgl. Pirstinger 2006:

16)

Die Kinder werden somit für die Tatsache sensibilisiert, dass es nicht nur viele

unterschiedliche Sprachen gibt, sondern dass diese auch unterschiedlich benutzt werden und

die Kompetenzen in den jeweiligen Sprachen sehr unterschiedlich sein können.

Als nächstes soll eine eigene Sprachbiographie erstellt werden. Wieder geht es dabei um die

Sprachen, die das Kind spricht, um die, die es versteht, um die, die es schon mal auditiv

wahrgenommen hat, und um die, die es schon mal visuell wahrgenommen hat. (Pirstinger

2006: 16)

Abbildung 4: Pirstinger 2006: 17

30

Im nächsten Schritt wird ein Sprachblumengarten angefertigt. Jedes Kind malt so viele

Blumen, wie in seiner Geschichte vorkommen, und schreibt in das jeweilige Blütenblatt den

Namen der Sprache. Danach werden die Blütenblätter in den entsprechenden Farben angemalt

und die Zeichnungen aufgehängt, um anschließend über überraschende Ergebnisse zu

sprechen. (vgl. Pirstinger 2006: 16-18)

In der dritten Unterrichtseinheit wird zuerst ein baskisches Lied angehört. Selbstverständlich

wird auch darauf eingegangen, in welchen Ländern Baskisch gesprochen wird. Auch der

Inhalt des Liedes wird besprochen. Im zweiten Teil der dritten Unterrichtseinheit wird ein

Satz in verschiedenen Sprachen vorgelesen, und die Kinder kreuzen an, welche Sprache sie zu

hören glauben. In Gruppenarbeit wird gemeinsam verglichen und begründet. (vgl. Pirstinger

2006: 19-26)

Die dritte Einheit versucht das Hörverstehen für Fremdsprachen zu schulen, um ein Gespür

dafür zu bekommen, wie sich Fremdsprachen anhören. Zu Beginn der vierten

Unterrichtseinheit wird eine Weltkarte ausgeteilt. Die Kinder sollen eintragen, wo Chaska

(siehe Abbildung 4), das Mädchen mit der Geschichte aus Bolivien, lebt und welche Sprachen

in Bolivien gesprochen werden. Die Antworten dazu finden sie bereits im Text (Aymara,

Quechua und Spanisch). In weiterer Folge werden Indien, die Schweiz und Österreich

eingezeichnet und mit ihren Amtssprachen ergänzt. Dabei soll klar werden, dass es im

Vergleich zu vielen anderen Ländern in Österreich nur eine einzige Amtssprache gibt. (vgl.

Pirstinger 2006: 28-29)

In Teil 2 der vierten Unterrichtseinheit werden Speisen aus verschiedenen Ländern

besprochen. Dazu wird ein Text über ein Kinderfest gelesen, bei dem jedes Kind eine

Spezialität aus seinem Land mitbringt. (vgl. Pirstinger 2006: 18)

Ein weiteres Thema aus den KIESEL-Materialien ist Europanto, welches im folgenden

Unterkapitel vorgestellt wird.

4.1.2. Europanto

Das zweite Unterrichtsprojekt aus der KIESEL-Reihe Europanto behandelt die Sprachen im

Umfeld der LernerInnen, sowie die Sprachen Europas. Europanto ist keine richtige Sprache

und auch keine Plansprache. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Sprachmischung aus

europäischen Fremdsprachen, die zwar keinen bestimmten Regeln folgt, dabei aber über einen

uneingeschränkten Wortschatz verfügt, da jeder sein Europanto mit seinem eigenen

31

europäischen Wortschatz kreieren kann. Im Prinzip handelt es sich um eine Möglichkeit mit

den Fremdsprachen zu spielen. Es ist ein Wortcocktail bestehend aus den bekannten

europäischen Sprachen wie Französisch, Spanisch, Englisch, Italienisch und Deutsch. Hat

man eine gewisse Kompetenz in zwei oder drei dieser Sprachen, so kann man sich schon am

Europanto versuchen. Selbstverständlich funktioniert dieses Spiel auch mit anderen als

europäischen Sprachen. Der Erfinder des Europanto ist Diego Marani, Übersetzer beim

Ministerrat der EU in Brüssel und demnach Repräsentant der europäischen Sprachen.

Europanto klingt beim Hören relativ vertraut, da man die einzelnen Sprachen bereits

wahrgenommen hat. Beim Lesen wirkt es aber dafür umso fremder. (vgl. Feichtinger 2006:

25)

Im Prinzip ist alles erlaubt. „Jeder kreiert Europanto mit Hilfe seiner eigenen

(internationalen) Sprachkenntnisse.“ (Feichtinger 2006: 25) Da die eigenen Sprachkenntnisse

aber oft nicht konform mit denen von Klassenkameraden, Freunden usw. gehen, ergibt sich

eine gewisse Schwierigkeit in der Kommunikation in Europanto. Diese wird aber oft durch

den Kontext, den die einzelnen bekannten Wortfetzen bieten, stark reduziert. Die Kreativität

steht im Mittelpunkt bei der Anwendung des Europanto. Oft wird das Europanto in Beziehung

gesetzt mit dem ähnlich klingenden Esperanto. Das Esperanto kann im Gegensatz zum

Europanto auf das Fremdsprachenlernen vorbereiten, während das Europanto erst angewendet

werden kann, wenn eine gewisse Fremdsprachenkompetenz bereits gegeben ist. Esperanto ist

zudem klar strukturiert und arbeitet nach Regeln. Diese sind zugegebenermaßen sehr

überschaubar, aber im Vergleich zum Europanto muss es dennoch extra erlernt werden, wobei

sich Europanto aus dem Mix bereits erworbener Sprachen ergibt. (vgl. Feichtinger 2006: 28)

Die EntwicklerInnen der Unterrichtseinheit Europanto empfehlen das Projekt erst ab der

vierten Schulstufe einzusetzen, da die Kenntnis einer bzw. mehrerer Fremdsprachen von

Vorteil ist. Dieser Umstand ergibt sich vor allem dadurch, dass Wörterbücher verwendet

werden müssen. Deswegen wird vorgeschlagen, die beiden Unterrichtseinheiten des Projektes

Europanto als Einführung in den Umgang mit fremdsprachigen Wörterbüchern zu betrachten.

Die verwendeten Fremdsprachen sind Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch und

können nach Möglichkeit durch weitere Sprachen der SchülerInnen ergänzt werden. (vgl.

Feichtinger 2006: 7)

Die erste Unterrichtseinheit behandelt einen Witz in Europanto. Dieser wird als Hörtext

vorgespielt und durch ein Arbeitsblatt mit dem transliterierten Witz ergänzt. Der Witz besteht

aus Worten bzw. Wortfolgen in den fünf Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch

32

und Spanisch. Es handelt sich hierbei um die Fremdsprachen, die in Österreich am häufigsten

unterrichtet werden. (vgl. Feichtinger 2006: 10-11)

Abbildung 6: Feichtinger 2006: 11

Die Lernenden sollen den Witz bzw. die unbekannten Worte im Text übersetzen. Vielleicht

ergeben sich manche aus dem Kontext und andere müssen durch Hilfsmittel wie

Wörterbücher erschlossen werden. Die Übersetzung des Textes wird an die Tafel geschrieben,

damit jeder seine eigene Arbeit überprüfen kann. Schnell wird durch die Wort-für-Wort-

Übersetzung auffallen, dass die Satzstellung des Witzes nicht immer jene des Deutschen ist.

33

Den Kindern wird somit sofort verständlich gemacht, dass in den verschiedenen Sprachen

nicht immer dieselbe Wortstellung innerhalb des Satzes vorherrscht. (vgl. Feichtinger 2006:

10)

Im nächsten Schritt geht es darum, die Wörter in unterschiedlichen Farben an der Tafel zu

notieren, um sie somit den jeweiligen Sprachen mithilfe einer Tabelle zuzuteilen. Die

Lernenden versuchen zu erklären, was Europanto ist, und diskutieren, welche Sprachen

bereits in der Klasse bekannt sind und welche nicht. Wahrscheinlich wird sehr schnell

festgestellt werden, dass weitaus mehr Sprachen in der Klasse bekannt sind, als in dem Witz

vorkommen. (vgl. Feichtinger 2006: 10-15)

Die zweite Unterrichtseinheit behandelt Sprichwörter, die in vielen europäischen Sprachen

vorkommen. Es werden Kleingruppen gebildet, die zB das Sprichwort „Auf Regen folgt

Sonnenschein“ ins Europanto übersetzen. Die Ergebnisse werden verglichen. Als nächstes

wird eine Liste mit vielen Sprichwörtern ausgeteilt. Die Kleingruppen entscheiden sich für

vier der Sprichwörter und übersetzen die einzelnen Worte nach Europanto-Regeln in alle in

der Klasse vorkommenden Sprachen. Die anderen Gruppen versuchen die neuen Sprichwörter

ins Deutsche zurückzuübersetzen und das Sprichwort auf der Liste wieder zu finden. (vgl.

Feichtinger 2006: 18+20)

Der letzte Teil der dritten Einheit widmet sich einer Diskussion. Die Frage: „Gibt es solche

Sprachmischungen wirklich“, wird in den Raum gestellt und die Lernenden diskutieren

darüber. Die Diskussion sollte das Ziel haben, die Lernenden auf Phänomene wie den

Sprachwechsel (code-switching) und Entlehnungen aufmerksam zu machen. Auch die

Wortstellung in den einzelnen Sprachen wird thematisiert und es sollte festgestellt werden,

dass die Wortstellung zB. im Englischen eine andere ist als jene des Deutschen. Durch die

Übung mit den Sprichwörtern sollte auch klar werden, dass es zwar oft Sprichwörter in

verschiedenen Sprachen gibt, die die gleiche Bedeutung haben, aber nicht gezwungenermaßen

aus denselben Wörtern wie im Deutschen bestehen. (vgl. Feichtinger 2006: 18)

Beispiel:

„Deutsch: Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute. Französisch: Les paresseux remettent toujours au lendemain. (Die Faulenzer verschieben immer auf den nächsten Tag.)“ (Feichtinger 2006: 33)

Das Unterrichtsprojekt Europanto arbeitet sehr stark mit Sprachwechsel und Entlehnungen.

Diese können beim Erwerb mehrerer Fremdsprachen leicht beobachtet werden. Auch bei

34

bilingualen Menschen kommt es häufig zum code-switching. Man wechselt von einer Sprache

kurz in die andere. Dieser Vorgang kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht fallen einem

in diesem Moment die Worte leichter in Deutsch, und im nächsten Moment passt das

Französische plötzlich wieder besser. Oft wird das code-switching nicht wahrgenommen. Es

passiert einfach, stört im Allgemeinen jedoch kaum. (vgl. Feichtinger 2006: 31)

„Dieses Code-Switching ist kein Zeichen von sprachlicher Unfähigkeit, sondern zeigt, wie sich die Identität von Immigrantinnen und Immigranten im Sprachverhalten niederschlägt.“ (Feichtinger 2006: 32)

Es mag den meist einsprachigen Menschen in Europa vielleicht befremdlich vorkommen,

wenn zweisprachige Menschen von einer Sprache in eine andere wechseln, dennoch ist dies

ein vollkommen natürlicher Vorgang und hat nichts mit Inkompetenz in den beiden Sprachen

zu tun, wie früher angenommen wurde. (vgl. Feichtinger 2006: 32)

Um den Unterschied zwischen dem Europanto und dem Esperanto zu verdeutlichen, folgt nun

ein Exkurs zum Thema Plansprachen mit Schwerpunkt auf dem Esperanto.

Exkurs: Plansprachen

Wie bereits erwähnt, wird das Europanto sehr häufig als Reflex des Esperanto gesehen.

Wodurch zeichnet sich das Esperanto nun aber aus? Esperanto ist eine Plansprache. Der

Terminus wurde bereits 1931 geprägt und wird heute neben den Bezeichnungen

künstliche/konstruierte/synthetische Sprache bzw. Universalsprache oder auch Hilfssprache

verwendet. (Blanke/Friedler 2006: 166-167)

Das Gegenteil einer Plansprache stellt eine natürliche Sprache dar. Sie entsteht auf

natürlichem Wege und wird daher als Muttersprache erworben, bzw. stellt sogar die Sprache

eines Volkes dar. (vgl. Blanke 1985: 51)

Plansprachenprojekte wurden seit dem Mittelalter entwickelt. Seit dem 16. Jahrhundert zählt

man ca. 900-1000 Versuche, eine vollkommene Sprache zu erfinden, die nicht nur eine

einfache unkomplizierte Kommunikation zwischen den Menschen verschiedener

Nationalitäten ermöglicht und somit Sprachbarrieren überwindet, sondern darüber hinaus

niemandes Muttersprache ist und somit keinerlei Vorteile für eine bestimmte Sprache bietet.

(Blanke/Friedler 2006: 31-32/166-167, Back 2005: 22-24)

Von den 900 bis 1000 Versuchen, eine Plansprache zu entwickeln, waren natürlich nicht alle

gleichermaßen erfolgreich. Die Vielzahl dieser Versuche verlangte schon bald nach einer

Klassifikation, wobei vier Möglichkeiten unterschieden werden: Die traditionelle

35

Klassifikation nach Moch, Couturat und Leau, welche Plansprachen in apriorische2,

aposteriorische3

Die Plansprache Esperanto wurde im Jahre 1887 unter dem Namen Lingvo Internacia von

Ludwig L. Zamenhof veröffentlicht. Motiviert durch seine Herkunft aus der damals

vielsprachigen Stadt Bialystok (ehemaliges Zarenreich Russland) widmete er sich der

Aufgabe eine Hilfssprache zu schaffen, um die Verständigung zwischen den einzelnen

Nationalitätsangehörigen zu erleichtern. Zamenhof stützte sich bei der Erfindung des

Esperanto auf bereits bestehende Sprachen und strebte gleichzeitig eine vereinfachte

Grammatik an. Seine Sprachkenntnisse reichten von Russisch und Polnisch über Deutsch,

Französisch, Latein, Griechisch und Hebräisch. Darüber hinaus besaß er Grundkenntnisse in

den Sprachen Englisch und Italienisch, wahrscheinlich auch in Spanisch und Litauisch. Sein

Werk wurde unter dem Pseudonym Dr. Esperanto veröffentlicht (esperar = span. Hoffen).

(Blanke 1985: 220-226)

und Mischsysteme gliedert. (Mayer 1987: 14, Blanke 1985: 100)

Mayer 1987 klassifiziert nach dem Grad der Autonomie, also ob die Sprache abhängig von

anderen ethnischen Sprachen ist, und entwickelte die Einteilung nach sprachtypologischen

Kriterien (flektierende, agglutinierende und wurzelisolierende Sprachen). (Blanke 1985:

105ff)

Demgegenüber steht die Klassifikation nach Blanke, welche nach der praktischen

Anwendung getroffen wird. Demnach unterscheidet man drei Stufen: von den Projekten über

die Semi-Plansprachen bis hin zu den Plansprachen. Bei den meisten der Versuche handelt es

sich um Projekte ohne praktische Anwendung. Die dritte Stufe – die Anwendung bis zum

mündlichen Sprachgebrauch – erreichte kaum ein Projekt. Blanke unterteilte diese drei Stufen

in weitere 28 Etappen, um die Entwicklung noch genauer zu präzisieren. (siehe Blanke 1985:

105ff)

Neben dem Esperanto sind noch das Volapük, welches von Martin Schleyer 1889 in Form

eines Manuskriptes veröffentlicht wurde, und das Ido, welches eine Weiterentwicklung des

Esperanto ist, einigermaßen bekannte Plansprachen. (Mannewitz 2005: 44, Künzli 2007: 9,

Wildzeis 2001: 7)

2Apriori-Sprachen bedienen sich künstlicher Wurzeln, die durch bestimmte Derivation Sinn ergeben und einen semantisch begründeten Wortschatz haben.

3Werden als naturalistische oder als Pseudosprachen bezeichnet. Sie bedienen sich der Merkmale der Ethnosprachen. (vgl. Janton 1978: 7-8)

36

1905 wurde das Fundamento de Esperanto beim ersten Esperanto-Weltkongress für alle

SprecherInnen zur verbindlichen Kurzgrammatik erklärt. Es handelt sich dabei um ein

Regelwerk, das aus einem Grammatikteil, einer Vokabelliste, Übungen und Texten besteht.

Das Fundamento trägt dazu bei, dass das Esperanto bewahrt wird und einheitlich bleibt. Es

beinhaltet jedoch nur 16 Grammatikregeln, die die Basis für den Esperanto-Gebrauch bilden.

Somit bietet das Esperanto seinen SprecherInnen großen Freiraum und kann sich wie jede

andere Sprache leicht weiterentwickeln bzw. neue Vokabel wie komputilo (Computer)

erfinden. (vgl. Mayer 1993: 135)

Obwohl das Esperanto im Gegensatz zu den anderen Plansprachen sehr erfolgreich ist und

nach wie vor viele AnhängerInnen hat, konnte es dennoch nicht sein Ziel – internationale

Verkehrssprache zu sein – durchsetzen. Das liegt vor allem daran, dass es nach wie vor nur

einer kleinen Gruppe von LernerInnen vorbehalten ist. (vgl. Heil 1999: 29)

Darüber hinaus ist es zwar einfacher zu lernen als andere natürliche Sprachen, aber es bleibt

dennoch eine fremde Sprache, die zwar an europäische Sprachen angelehnt wurde (90 % des

Morpheminventars stammt von den romanischen Sprachen) und deshalb zwar für

EuropäerInnen leichter zu erlernen ist, aber für alle anderen Menschen keinen großen Vorteil

bietet. (vgl. Blanke/Friedler 2006: 89-98)

Das an das Esperanto angelehnte Europanto wird sich zwar aus genannten Gründen auch nicht

als Welthilfssprache etablieren, aber für die KIESEL-Unterlagen bietet es eine Möglichkeit

auf das Fremdsprachenlernen vorzubereiten.

Als letztes Beispiel für die KIESEL-Unterlagen wurde die Einheit Latein lebt! gewählt, da

viele Wörter des heutigen Sprachgebrauchs aus dem Lateinischen stammen, und somit kommt

der lateinischen Sprache auch heute noch eine wichtige Bedeutung zu.

4.1.3. Latein lebt!

In der deutschen Sprache sind nach wie vor viele lateinische Fremd- und Lehnwörter

enthalten. (vgl. Teufel 2006: 67) Das liegt wahrscheinlich vor allem am hohen Stellenwert,

den das Latein noch bis heute genießt, und an der Tatsache, dass es ein Jahrtausend lang

Verkehrssprache Europas war. Wie sehr die lateinische Sprache die Sprachen Europas geprägt

hat, und dass es noch heute wichtig ist, Latein zu lernen bzw. Eigenheiten dieser Sprache zu

kennen, verwundert nach der Beschäftigung mit den sprachhistorischen Hintergründen wenig.

(vgl. Teufel 2006: 67)

37

Das Projekt Latein lebt! gliedert sich in vier Unterrichtseinheiten. Es werden sowohl der

geschichtliche Hintergrund um das römische Reich als auch die lateinischen Lehnwörter in

den lebenden europäischen Sprachen thematisiert. Das Projekt kann ab der vierten Schulstufe

eingesetzt werden und eignet sich gut in Kombination mit den beiden anderen Projekten Die

lange Reise der Wörter, und Die Wochentage in verschiedenen Sprachen. Neben Latein und

Deutsch werden Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und BKS im Unterricht

verwendet. (vgl. Teufel 2006: 7)

Im ersten Teil der ersten Unterrichtseinheit werden wichtige Informationen über die

lateinische Sprache mit den Kindern geteilt. Dabei spielen die Größe des ehemaligen

römischen Reiches und die dadurch resultierende Macht des Lateins eine große Rolle. Ebenso

wird der Begriff des Lehnwortes nochmals erklärt, da die deutsche Sprache (ebenso wie viele

andere) einen beträchtlichen Teil des lateinischen Wortschatzes übernommen hat. Auf dem

Overheadprojektor können die Kinder die Geschichte des römischen Reiches anhand einer

Karte verfolgen. Danach werden einige Spiele vorgestellt, die mit der lateinischen Sprache

vertraut machen sollen. Es wird ein Stationenbetrieb gestartet, wobei sich die Anzahl der

Stationen nach der Zahl der Lernenden richtet. In Kleingruppen sollen die Kinder die Spiele

ausprobieren. Bei der Legetafel gilt es zu der vollständigen lateinischen Spalte deutsche

Entsprechungen auf der rechten Seite zu finden. Danach wird das Ergebnis mit einer

vollständigen und richtigen Legetafel selbstständig verglichen. Beim Domino bekommt jedes

Kind vier Domino-Steine. Ein Stein wird auf den Tisch gelegt, und es soll nun versucht

werden, die restlichen Kärtchen passend anzulegen. Der oder die erste ohne Karten hat

gewonnen. (ANFANG – mater, die Mutter – sal, das Salz – pater,...) (vgl. Teufel 2006: 10-11,

19)

Das Lehnwörterspiel wird mit der Karte „Europa um 350“ gespielt. Sie dient als Spielplan.

Darüber hinaus gibt es Spielsteine, einen Würfel und einen Stoß Kärtchen mit lateinischen

Begriffen. Im Uhrzeigersinn ziehen die Kinder die gewürfelte Augenzahl weiter. Wer auf

einen roten Punkt kommt, zieht ein Kärtchen und versucht den lateinischen Begriff auf

seinem Zettel zu übersetzen. Erst danach wird das Kärtchen umgedreht, um zu sehen, ob das

Kind richtig lag. Bei einer richtigen Antwort darf das Kind zwei Felder weiter gehen, bei einer

falschen muss es stehen bleiben. Sieger ist, wer die meisten Begriffe richtig übersetzt hat.

(vgl. Teufel 2006: 11)

Zuletzt werden die Ergebnisse in einem Gespräch zusammengefasst. Danach füllen die

Kinder das Arbeitsblatt 1/die Lernzielkontrolle aus, auf dem viele lateinische Begriffe stehen,

38

zu denen eine deutsche Entsprechung noch fehlt. Gesucht sind hier deutsche Übersetzungen

zu Wörtern wie mater, pater, leo, planta, nux, fructus, natura, nebula, schola, fenestra, usw.

(vgl. Teufel 2006: 31)

Die zweite Unterrichtseinheit sollte von der Dauer zwischen 50 Minuten und einer

Doppelstunde in Anspruch nehmen. Begonnen wird wieder mit Informationen über das

„Heilige Römische Reich Deutscher Nation“, wobei Hauptaugenmerk auf die lateinische

Sprache als Wissenschafts- und Kirchensprache, Handschriften und das Leben bzw. das

Lernen im Mittelalter gelegt wird. Wie viel die Kinder erfahren, hängt ganz vom Interesse und

von ihrem bisherigen Wissensstand ab. Während der Erzählung wird eine Landkarte mit

Europa um 1140 n. Chr. an die Wand projiziert, damit die Kinder sehen, wie sehr sich das

Römische Reich Deutscher Nation seit 350 vergrößert hat. (vgl. Teufel 2006: 34-35)

Danach folgen zwei Arbeitsblätter: Eines mit einem Text über das Schreiben im Mittelalter

und eines mit den dazugehörenden Fragen (zB. Was ist eine Handschrift?, Wie lange brauchte

ein Mönch ungefähr für das Abschreiben eines Buches mit 700 Seiten?, Wer durfte im

Mittelalter lesen und schreiben lernen? S. 37) Im Plenum werden dann die Antworten

besprochen und ergänzt. (vgl. Teufel 2006: 34-37)

Je nachdem, wie schnell die Kinder sind, ist hier noch eine Erweiterung durch ein viertes

Arbeitsblatt möglich, bei dem es um mittelalterliche Handschriften geht. Die Kinder sollen

üben, den ersten Buchstaben genau so schön zu gestalten, wie im Mittelalter. (vgl. Teufel

2006: 38)

In der zweiten Unterrichtseinheit sind die Lernziele, Grundkenntnisse über das Leben, die

Kultur und die Sprachen im Mittelalter zu lernen, die Funktion des Lateins zu verstehen und

sich mit der Arbeit der Kopisten durch das schreibmotorische Training auseinanderzusetzen.

(vgl. Teufel 2006: 33)

In der dritten Unterrichtseinheit geht es um den Kalender und die Monatsnamen. Begonnen

wird mit dem Arbeitsblatt 5/Unser Kalender. Es beinhaltet die Geschichte des julianischen

Kalenders und Fragen zum Text. Die Kinder sollen den Text lesen und im Anschluss die

Fragen beantworten. Danach folgt das Arbeitsblatt 6 Monatsnamen mit den dazugehörigen

Fragen und Aufgaben (Arbeitsblatt 7: Wie viele Monate dauern 30 Tage?, Welcher Monat ist

nach Julius Cäsar benannt?...) (vgl. Teufel 2006: 42-43)

39

Um sich die Monatsnamen besser zu merken, folgt ein Monatsnamen-Domino, welches jedes

Kind selbstständig verzieren und legen soll. (vgl. Teufel 2006: 44)

Danach folgt eine Lernzielkontrolle bzw. ein Klassengespräch, bei dem die Kinder von ihren

Beobachtungen erzählen und ihre Ergebnisse miteinander vergleichen können. (vgl. Teufel

2006: 40)

Für die vierte Unterrichtseinheit ist eine Doppelstunde – also zwei mal 50 Minuten nötig.

Begonnen wird mit den Europäischen Sprachen von heute, wobei die Kinder vorerst über die

Sprachenvielfalt in Europa informiert werden. Um das ganze grafisch zu unterstützen, gibt es

eine Europakarte auf einer Overhead-Folie. Die Kinder sollen nun die Länder- und

Sprachennamen den anderen Landessprachen zuordnen – also England/Englisch,

Frankreich/Französisch, usw. (vgl. Teufel 2006: 46+48)

Im Anschluss folgt ein Stationenbetrieb Verwandte Wörter in europäischen Sprachen von

heute. Wie viele Stationen es gibt, richtet sich wiederum nach den vorhandenen bzw.

angebotenen Sprachen und der SchülerInnenzahl. Zur Auswahl stehen zwei Spiele:

1. Die Legetafeln, welche in sechs Varianten zu spielen sind

(Lateinisch/Englisch/Deutsch, Englisch/Deutsch, Spanisch/Deutsch, BKS/Deutsch,

Italienisch/Deutsch, Französisch/Deutsch). Es geht darum, fünf Wörter nach Wahl in der

Fremdsprache mit Übersetzung in die eigene Wortliste zu schreiben, wobei die Kinder die

deutsche Entsprechung für die Wörter in der anderen Sprache finden müssen. (vgl. Teufel

2006: 46)

2. Das Kärtchenspiel, welches in Englisch – Deutsch zur Verfügung steht. Hier gibt es

nur eine Variante, um den SchülerInnen bewusst zu machen, dass heute das Englische

Weltsprache ist, so wie früher das Latein. Gemeinsam mit einer/einem LehrerIn, der/die

als SpielleiterIn arbeitet, spielen zwei Kinder. Ein Wort wird in englischer Sprache

vorgelesen, und die beiden SchülerInnen müssen die deutsche Entsprechung so schnell

wie möglich finden. Das Kind, das am Ende die meisten Wörter gesammelt hat, hat

gewonnen. (vgl. Teufel 2006: 46-47)

Danach folgt eine weitere Lernzielkontrolle. Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen sollen

dabei ermittelt werden, am Arbeitsblatt 8/Stummer Plan von Europa sollen die Länder- und

Sprachennamen eingetragen werden (sowohl in Deutsch als auch in der Landessprache) und

das Europaspiel wird gespielt. Dafür werden ein Plan des heutigen Europas, sowie Würfel,

Spielsteine, Wörterlisten und ein Bleistift benötigt. Jedes Kind beginnt auf einem beliebigen

40

Punkt, würfelt und zieht im Uhrzeigersinn die gewürfelte Zahl weiter. Kommt ein/e SchülerIn

auf ein Land, dessen Wörter auf seiner Liste sind, darf es das Wort unterstreichen und die

deutsche Bedeutung vorlesen. Wer zuerst alle Wörter seiner Liste unterstrichen hat, hat

gewonnen. (vgl. Teufel 2006: 47)

Die Kinder haben also während des Stationenbetriebes Wörter für ihre eigene Liste

gesammelt, die sie später im Spiel benötigen.

Latein lebt! stellt ebenso wie die anderen vorgestellten Unterrichtseinheiten eine Möglichkeit

dar, die Mehrsprachigkeit zu fördern, ohne eine bestimmte Sprache explizit zu unterrichten.

Die vollständigen Materialien des KIESEL-Projektes können im Internet von der Seite des

ÖSZ http://www.oesz.at/links/publi.php?pop=0 heruntergeladen bzw. inklusive CD bestellt

werden.

Ebenfalls ohne Fokus auf eine Einzelsprache arbeitet das Janua-Linguarum-Projekt. Auch hier

wird durch die Sensibilisierung für allgemeines Wissen über Sprache die Schaffung eines

Sprachbewusstseins angestrebt, um die individuelle Mehrsprachigkeit zu fördern.

4.2. Janua-Linguarum

Das Projekt Janua Linguarum „Das Tor zu Sprachen“ ist ein sprachsensibilisierendes Projekt

für den Primar- bzw. Sekundarbereich I. Es wurde als mittelfristiges Projekt zwischen den

Jahren 2000 und 2003 geplant. Das Ja-Ling-Projekt ist sehr umfangreich, da einige Länder

Europas – auch Österreich – mitwirkten. Das Projekt arbeitet in drei Phasen:

1. Initiierungsphase: Es muss vorerst das Interesse für die Sprachen geweckt werden, da

die SchülerInnen unmotiviert sind bzw. die Lust vor langer Zeit verloren haben. Dazu

wurde ein Frageleitfaden erstellt, der die Kinder nach ihren sprachlichen Erfahrungen und

Vorstellungen fragt.

2. Thematische Arbeit: Im zweiten Schritt sollten sowohl Weltwissen als auch

Fachwissen und Methodenkompetenz gemeinsam erworben werden. Es wurden

verschiedene Themen aufbereitet, die sich mit Sprache beschäftigen.

3. Ergebnis: Der dritte und letzte Schritt kann auch als Ziel angesehen werden. Das

Projekt ist nämlich darauf ausgelegt, die Lernenden zum Austausch über ihre Sprache(n)

und ihre Herkunft zu bringen, um ihnen Anerkennung zu geben. (vgl. Ja Ling 1 (o. J.):

letzter Zugriff 20. Mai 2011)

41

Die Unterrichtseinheiten wurden im Anschluss an ihre Erarbeitung an einer Schule getestet. In

Österreich testete eine staatliche Hauptschule in Graz sieben Unterrichtsmaterialien in sieben

verschiedenen Klassen. Insgesamt machten 133 LernerInnen aus dem Sekundarbereich I in

Graz bei dem Projekt mit. Das Alter der Lernenden lag zwischen 9 und 14 Jahren, wobei ca.

30 allophone SchülerInnen waren. Die drei bis sechs Unterrichtseinheiten wurden von

September bis Dezember 2002 unterrichtet, wobei sie jeweils zwischen 15 und 90 Minuten

dauerten. (Andrade/Candelier/Martins 2004: 65-66)

Bei den Unterrichtsmaterialien handelte es sich um ein Sprachenportfolio, einen Fragebogen

zur sprachlichen Vielfalt, Sprachvergleich, ein Memory sowie ein Domino zu den beiden

Themen Frieden und Eine kulinarische Reise um die Welt. Die Unterrichtsmaterialen wurden

für zwei bis zwölf Unterrichtseinheiten entworfen und mit Kartenspielen und einem

SchülerInnenheft verbessert. (Andrade/Candelier/Martins 2004: 66)

Auch die LehrerInnen wurden für das Projekt von Anna Grigoriadis (Lehrerin und Mitglied

des Ja-Ling-Projektes) vorbereitet. Es handelte sich dabei um ein Basistraining mit vier

Einheiten à zwei Stunden mit 17-25 TeilnehmerInnen und ein in-service-training in Ausmaß

von drei Einheiten mit insgesamt 12 Stunden mit 16-25 TeilnehmerInnen.

(Andrade/Candelier/Martins2004: 66)

Im Schuljahr 2001/02 wurde mit einer Klasse das Pilotprojekt in der Dr. Renner Hauptschule

in Graz gestartet, welches sich auf die Muttersprachen, den Sprachvergleich, ein

Sprachenportfolio usw. stützte. Die LehrerInnen stellten bei der Durchführung

Schwierigkeiten fest, da ihnen zu wenige relevante Informationen bezüglich des Ansatzes

bekannt waren. (vgl. Andrade/Candelier/Martins 2004: 67)

Im Folgenden wird ein Arbeitsheft der deutschen Arbeitsgruppe zum Ja-Ling-Projekt

vorgestellt, welches sich mit Fremdwörtern beschäftigt. Fremdwörter

Das Projekt „Fremdwörter“ ist als Heft mit Arbeitsblättern für die SchülerInnen konzipiert.

Es richtet sich demnach anders als das KIESEL-Projekt nicht an die LehrerInnen, die die

Arbeitsblätter kopieren und austeilen sollen, sondern an die SchülerInnen selbst. Die

Arbeitsblätter zu den Fremdwörtern wurden für die sechste bis siebte Schulstufe erstellt. Zu

Beginn steht eine kleine Einleitung, die sich direkt an die Lernenden richtet, mit einer

Erklärung zu den in dem Heft gebräuchlichen Zeichen. Manchmal sollen die Lernenden

nämlich auch etwas im Internet überprüfen, etwas selbst herstellen usw. (vgl. JaLing 2 (o. J.):

letzter Zugriff 20. Mai 2011)

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Das erste Arbeitsblatt der Sammlung präsentiert sich als Einleitung zum Thema. Es werden

Fragen zum Sprachgebrauch gestellt, die die SchülerInnen schriftlich beantworten sollen.

Dazu gehören „Welche Sprachen werden in deiner Klasse gesprochen?“, „Verwendest du

Wörter aus den Sprachen deiner Mitschüler in deinem Alltag?“, „Gibt es ein Fremdwort, das

du besonders oft oder gerne benutzt?“ „Was bedeutet es?“ (vgl. Ja Ling 2 (o. J.): letzter

Zugriff 20. Mai 2011)

Mit den Fragen zum Thema Sprachen wird bereits das Interesse der Lernenden geweckt, und

erste Antworten und somit auch Einstellungen werden provoziert. Bei der nächsten Übung

wird nicht nur der Umgang mit Nachschlagewerken geübt, sondern die SchülerInnen lernen

auch einige neue Wörter:

Das nächste Arbeitsblatt zeigt einige Fremdwörter, die mithilfe eines Buches bzw. des

Internets nachgeschlagen werden sollen. Es handelt sich unter anderem um Wörter wie

phlegmatisch, Hypochonder, frappieren und Rezension. Zur Hilfe werden drei Internetseiten

genannt. (vgl. Ja Ling 2 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011)

Abbildung 7: Ja Ling 2 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

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Abbildung 8: Ja Ling 2 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

Eine weitere Übung behandelt die Herkunft der Fremdwörter. Einige Fremdwörter sollen nach

ihrer Herkunft in Listen eingeteilt werden. Die Kinder sollen herausfinden, ob das jeweilige

Fremdwort griechischer, lateinischer, französischer, englischer oder türkischer Herkunft ist,

wobei Tipps zur Aussprache gegeben werden. (vgl. Ja Ling 2 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai

2011)

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Abbildung 9: Ja Ling 2 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

Hier wird auch die Aussprache berücksichtigt. Die SchülerInnen lernen, dass die Buchstaben,

die sie aus ihrer Muttersprache kennen, in anderen Sprachen anders ausgesprochen werden,

und dass sich Fremdwörter aus vielen Sprachen der Welt zB. im Deutschen wieder finden.

4.2.1. Familiennamen

Als zweites deutschsprachiges Übungsheft wird jenes der Familiennamen vorgestellt. Dieses

wurde für die siebente bis achte Klasse konzipiert und von Ingelore Oomen Welke in

Deutschland koordiniert. Bei den Familiennamen geht es sowohl um die Herkunft als auch

um das Vorkommen der Namen. (vgl. Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011)

Wie auch schon im ersten Arbeitsheft „Fremdwörter“ beginnt dieses ebenfalls mit einer

Einleitung bzw. einer thematischen Einführung und einer Erklärung der Zeichen. Danach folgt

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sofort die erste Übung. Es handelt sich um viele verschiedene Familiennamen in

verschiedenen Schriften. Die Lernenden sollen entscheiden, ob diese Namen etwas über die

BewohnerInnen des Hauses aussagen, was mehrere Familiennamen an einem Schild bedeuten

und ob sie die angegebenen Familiennamen oder ähnliche kennen bzw. woher die Familien

oder der Name kommen. Es handelt sich hierbei um Namen wie Hawelka, Arslan, Yildiz &

Ruf, Wang etc. (vgl. Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011) Wieder wird implizit zum

Thema Sprache gearbeitet.

Die nächsten Übungen befassen sich mit der Geschichte zu den Familiennamen. Den Einstieg

bieten hier die RömerInnen, welche oft drei Namen hatten, nämlich einen Ruf-, einen Sippen-

und einen Beinamen. Auch die heutige Situation in Deutschland wird hier thematisiert. Es

folgen wiederum Fragen, warum der Familienname zuerst in den Städten entstand und was er

aussagt bzw. welche Zusätze zum Familiennamen besonders geeignet wären. (vgl. Ja Ling

3(o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011)

Somit lernen die SchülerInnen nicht nur etwas über die Geschichte der Familiennamen,

sondern erkennen auch die Ähnlichkeit bzw. die Unterschiede zu ihren eigenen Namen.

Abbildung 10: Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

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Im nächsten Schritt befassen sich die SchülerInnen mit Beispielen zu Familiennamen aus der

Türkei, Griechenland, Russland, Serbien und Kroatien, Schottland und Portugal, wobei zu

jedem Familiennamen eine Übersetzung gegeben ist (zB. türkisch Yildiz = Stern). (vgl. Ja

Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011)

Abbildung 11: Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

Durch diese Übung wird das Interesse geweckt, mehr über seinen eigenen Familiennamen zu

erfahren. Als nächstes geht es um die Familiennamen in anderen Ländern, wobei die

wichtigsten Quellen für Familiennamen (Herkunftsnamen, Rufname der Mutter/des Vaters,

Berufsnamen und Beinamen) mit spezifischen Länderbeispielen genannt werden. (vgl. Ja

Ling 3) Wieder wird auf die Geschichte der Familiennamen eingegangen, was zeigt, wie

wichtig im Ja-Ling-Projekt die Vermittlung von Kulturwissen ist.

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Abbildung 12: Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011

Die letzte Übung wird mit Projektvorschlägen begonnen. Beispielsweise bietet der Friedhof

viele Nachnamen mit Jahresangaben, die die SchülerInnen aufschreiben könnten. Auch die

standesamtlichen Nachrichten geben einen Überblick über die Familiennamen in der eigenen

Stadt genauso wie das Telefonbuch. Ebenso könnten die Lernenden eine Liste mit den

Familiennamen an der Schule erstellen. (vgl. Ja Ling 3 (o. J.): letzter Zugriff 20. Mai 2011)

Auf den ersten Blick bietet diese Übung keine kulturellen Informationen an, bei genauerer

Betrachtung fällt allerdings auf, dass sie die Lernenden sehr wohl zur Bildung von

Hypothesen anleitet. So ist es etwas denkbar, dass sich jemandem folgende Annahme

erschließt: Der Familienname Huber kommt in Österreich sehr häufig vor. Auf diese Weise

erwerben die Lernenden implizit Wissen über die österreichische Kultur.

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Es sind nur wenige Übungen des Janua Linguarum-Projektes im Internet zugänglich. Sie

finden sich auf der Seite: http://home.ph-freiburg.de/jaling/material/material_examples.html

bzw. sind in publizierter Form beim Sprachenfächer bestellbar. www.sprachenfaecher.de

Weitere deutschsprachige Themen sind:

• Benimm bei Tisch für SchülerInnen der 5.-6. Klasse.

• Mein Kalender – Dein Kalender. Blicke auf den Jahreslauf und seine Ereignisse für

die 5.-6. Klasse.

• Vornamen. Vorkommen – Bedeutung – Geschichte. (vgl. Ja-Ling 3)

Nachdem die beiden Projekte einzeln ausführlich dargestellt wurden, ist an dieser Stelle eine

Gegenüberstellung ihrer wesentlichen Charakteristika von Interesse.

4.3. Vergleich Ja-Ling/KIESEL

Die beiden Projekte Ja Ling und KIESEL arbeiten sprachsensibilisierend und richten sich an

Kinder in der Primar- und der Sekundarstufe I, dennoch unterscheiden sie sich in einigen

Punkten voneinander:

Das KIESEL-Projekt wurde eher für den Primarbereich konzipiert (Von den Sprachen des

Kindes zu den Sprachen der Welt wird ab der dritten Schulstufe als Einstiegsprojekt

vorgeschlagen, während Ja-Ling auch noch in der Schulstufe 6-7/8 Anwendung findet). Im

KIESEL-Projekt wird demnach viel von den LehrerInnen vorbereitet, und häufig werden

Spiele eingesetzt, während es sich bei Ja-Ling eher um selbstständiges Arbeiten mit einem

Arbeitsheft handelt. Besonders auffallend ist allerdings, dass das Ja Ling-Projekt zwar sprach-

und kultursensibilisierend arbeitet, das KIESEL-Projekt hingegen wesentlich mehr auf das

Thema Sprache fokussiert ist. Schon bei den einzelnen Themen innerhalb des KIESEL-

Projektes wird klar, wie stark der Sprachenaspekt hier ist.

Beim KIESEL-Projekt wirkte Österreich durch das ÖSZ und das BMUKK mit. Das Ja-Ling-

Projekt wurde im Gegensatz dazu nicht durch Österreich unterstützt. Die deutschsprachigen

Materialien entstanden also ausschließlich in Deutschland.

Obgleich beide Projekte nach demselben Ziel streben, nämlich nach der Schaffung eines

Bewusstseins für Sprache, weisen sie dennoch sowohl inhaltliche als auch methodische

Unterschiede auf. Die detaillierte Betrachtung der beiden Projekte legt jedenfalls ihre

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Verhaftung im Éveil-aux-langues-Ansatz offen, dessen Strategien von Macaire 2001 wie folgt

zusammengefasst werden:

1. Wiederholung und Erinnerungen an andere Übungen/Beispiele: Das bereits

vorhandene Wissen wird aktiviert, dh. die SchülerInnen arbeiten mit bereits bekanntem.

2. Vergleich: Die zweite Strategie erfolgt gemeinsam mit der ersten. Es wird sortiert und

klassifiziert.

3. Kombination/Schlussfolgerungen: Es wird analysiert bzw. ein globales Bild

geschaffen.

4. Hypothesenbildung: Das Verstehen wird durch die gebildeten Hypothesen langsam

ermöglicht.

5. Kontrolle: Die letzte Strategie ist, die Ergebnisse zu überprüfen. Sie wird von Evlang

antrainiert, da die Erfahrung gezeigt hat, dass die SchülerInnen eher selten freiwillig und

selbstständig ihre Ergebnisse in Büchern oder im Internet nachprüfen. (vgl. Macaire

2001: 208)

Das Evlang-Projekt wurde für die Schule konzipiert und stellt eine Möglichkeit dar,

Mehrsprachigkeit im Schulunterricht zu fördern. Beim nächsten in dieser Diplomarbeit

vorgestellten Projekt handelt es sich um die Interkomprehension. Sie wurde zwar nicht für

den Schulunterricht konzipiert, lässt sich aber auch, wie Kapitel 5.7. zeigen wird, im

Unterricht einsetzen.

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5. INTERKOMPREHENSION Bei der Interkomprehension handelt es sich um eine Strategie, neue Fremdsprachen auf

Grundlage von bereits erworbenen Fremdsprachen schneller zu erlernen. Zuvor erarbeitetes

Wissen über Sprachen und die dazugehörigen Kulturen wird zum Ausgangspunkt für folgende

Lernprozesse. Um die vielfältigen Charakteristika des interdisziplinären Themenkomplexes

der Interkomprehension zu erörtern, werden nach der Begriffserklärung die zur

Interkomprehension verwandten Forschungsdisziplinen behandelt.

5.1. Theoretische Grundlagen

Der Begriff Interkomprehension setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Aus dem Präfix

inter und dem englischen bzw. dem lateinischen Wort für Verstehen

(comprehension/compendere). Das Präfix inter zeigt an, dass das besagte Verständnis

übergreifend sein soll. Im Fall der Interkomprehension also ein übergreifendes

Sprachverständnis einzelner Sprachen. Interkomprehension kann auch als „gegenseitige

Verständlichkeit“ oder als „Tandemkommunikation“ (Tafel 2009: 5) bezeichnet werden.

Auch Stoye 2000 definiert Interkomprehension als den intersprachlichen Vergleich mehrerer

Sprachen. „Der Begriff der Interkomprehension, definiert als die „Fähigkeit, in einer Gruppe

von Sprachen, die einen gemeinsam Ursprung haben, kommunizieren zu können, […]“ (Stoye

2000: 17)

Die Interkomprehension stellt kein vollkommen neues Konzept dar, da sie schon immer zur

interkulturellen Kommunikation genutzt wurde. Dennoch bemüht man sich erst seit kurzem

um eine Systematisierung dieses Phänomens. Ein bekanntes Projekt, welches sich mit der

Erforschung der Interkomprehension beschäftigt, ist das Projekt EuroCom. (Strasser 2008:9,

vgl. Kapitel 5.5.)

Neben diesem Projekt, das mit den Gemeinsamkeiten (vgl. die sieben Siebe in Kapitel 5.6.1.)

der Sprachfamilie arbeitet, gibt es noch weitere Projekte, welche über die Grenzen der

Sprachfamilie hinausgehen. Im Projekt EU & I wurden Materialien entwickelt, die helfen,

eine komplett unbekannte Sprache zu erlernen. Die alltäglichen Textsorten wie zB. der

Wetterbericht bilden hier die Basis. Die Lernenden sollen auf ihr Kontext-, Welt- und

Strategiewissen zurückgreifen, um die Texte zu verstehen. „Es geht also nicht nur um den

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Transfer von deklarativen Wissen, sondern vor allem um den Transfer von prozeduralen

Wissen.“ (Strasser 2008: 11)

Um Interkomprehension anwenden zu können, muss man auf bereits vorhandenes Wissen

zurückgreifen. Dabei spielen das Weltwissen, das kulturelle Wissen, das Situationswissen, das

nonverbale Verhalten, sowie das pragmatische, das phonologische, das graphemische, das

grammatikalische und das lexikalische Wissen eine entscheidende Rolle. (vgl. Strasser 2008:

13)

Interkomprehension in nicht miteinander verwandten Sprachen ist allerdings wesentlich

schwieriger. Das Verstehen hängt nämlich hauptsächlich von den

Kommunikationsbedingungen ab. Die Lernenden sind auf die linguistische Ebene derartig

fixiert und vergessen dabei völlig, dass auch ohne Kenntnis der Zielsprache ein Verstehen

möglich wäre. Deswegen empfiehlt es sich bei der sprachfamilienübergreifenden

Interkomprehension, die Strategien zu trainieren. (vgl. Strasser 2008: 12)

Um dieses Wissen zu aktivieren, muss eine spezielle Didaktik entwickelt werden. Die

Lehrenden sollen die Lernenden dabei unterstützen, auf das bereits vorhandene Wissen

zurückzugreifen, um dieses gezielt einzusetzen. Bei allen Vorteilen, die sich durch diesen

Wissenstransfer bieten, muss darauf geachtet werden, keine Interferenzen zu produzieren.

(vgl. Strasser 2008: 14)

Welche Ursprünge der Interkomprehensionsforschung zugrunde liegen, wird im folgenden

Kapitel dargestellt.

5.2. Verwandte Disziplinen der Interkomprehension

Die Interkomprehensionsforschung ist aus mehreren verschiedenen Disziplinen entstanden

und stellt nun selbst eine junge Teildisziplin der Sprachlehrforschung dar. Als Vorläufer und

Wegbereiter der Interkomprehensionsforschung zählt Stoye 2000 unter anderem:

• Die Komparatistik/Kontrastive Linguistik

• Die Sprachtypologie und Universalienforschung

• Die Internationalismenforschung

• Die Psycholinguistik (hier Spracherwerbsforschung)

• und die Kontakt- und Konfliktlinguistik (vgl. Stoye 2000: 13-99)

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Im Folgenden werden die Zusammenhänge der einzelnen Disziplinen mit der

Interkomprehensionforschung erörtert:

5.2.1. Komparatistik und Kontrastive Linguistik

Die Idee, Sprachen miteinander zu vergleichen, ist sehr alt und war schon in den

Hochkulturen der Inder und Griechen ein Ausgangspunkt für die Wissenschaft.

„Das Hauptinteresse dieser ersten „vergleichenden Sprachwissenschaft“ als Schwer- und Glanzpunkt jener im 19. Jh. zur Wissenschaftsdisziplin gewordenen Philologie war der allgemeinen historischen Orientierung der Zeit entsprechend auf die Entstehung und geschichtliche Entwicklung von Sprache gerichtet.“ (Rein 1983: 7)

Im Gegensatz zur vergleichenden diachron/historischen Sprachwissenschaft, steht die

synchrone Betrachtungsweise der Sprachen: Die Kontrastive Linguistik, welche oftmals

auch als Kontrastive Grammatik bezeichnet wird, ist eine Analysemethode zweier

Sprachen, bei der die Kontraste im Gegensatz zu den Gemeinsamkeiten im Mittelpunkt

stehen. Dies unterscheidet sie grundlegend von der historisch vergleichenden

Sprachwissenschaft, deren Ziel es ist, Gemeinsamkeiten zu finden, weswegen sie auch

oft als Komparatistik bezeichnet wird. Die historische Sprachwissenschaft verschrieb

sich ganz der Suche nach einer gemeinsamen Ursprache. Die VertreterInnen der

historischen Sprachwissenschaft versuchten mithilfe einer diachronen

Betrachtungsweise, die Sprachen genealogisch in Verbindung zu setzen, um so eine Ur-

Verwandtschaft zu beweisen. (vgl. Rein 1983: 1)

Eine erste Einteilung lässt sich also zwischen der

1. Historischen Sprachwissenschaft mit diachroner Betrachtungsweise der

Gemeinsamkeiten zweier Sprachen und

2. der Kontrastiven Linguistik, deren Hauptmerkmal die synchrone Analyse in

Hinblick auf die Kontraste der Gegenwartssprachen darstellt, treffen. (vgl. Rein

1983: 1-2)

Da letztlich aber auch in der Kontrastiven Linguistik Vergleiche gezogen werden,

bemühten sich einige ForscherInnen um einen anderen Terminus. Der vorgeschlagene

Alternativ-Terminus der Konfrontativen Linguistik, welcher sowohl den Aspekt der

Gemeinsamkeiten und der Kontraste beinhaltet, setzte sich allerdings nicht durch. (vgl.

Rein 1983: 1-2)

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Bei der Kontrastiven Linguistik (=KL) müssen in weiterer Folge zwei andere Aspekte

unterschieden werden. Es handelt sich um:

1. die angewandte vergleichende Sprachwissenschaft, deren Ziel es ist, den

Fremdsprachenunterricht nachhaltig zu verbessern, um Fortschritte der Lernenden

zu fördern und zu garantieren und

2. die allgemeine Kontrastive Linguistik, deren Aufgabe es ist, sprachliche

Universalien zu finden und diese zu katalogisieren, welche die angewandte

vergleichende Sprachwissenschaft erkenntnistheoretisch absichert. (vgl. Rein 1983:

5)

Beide Ansätze, sowohl die angewandte als auch die allgemeine Kontrastive Linguistik,

unterstützen sich also gegenseitig durch Erkenntnisse aus der Praxis bzw. durch

theoretische Ansätze.

Die KL findet ihr Anwendungsgebiet im Fremdsprachenunterricht, wo es um die

gezielte Kontrastierung der zu erlernenden Sprache mit der Ausgangssprache geht. Das

häufigste Anwendungsgebiet der KL ist somit der Tertiärsprachenunterricht, da die

Lernenden mit höherer Wahrscheinlichkeit über die Sprachen reflektieren können. Des

Weiteren stellt die KL eine mögliche Fehlerprophylaxe dar, da man versucht mithilfe

der Kontraste mögliche Fehler frühzeitig zu erkennen, um sie den LernerInnen bewusst

zu machen. (vgl. Stoye 2000: 29-30)

Die Komparatistik ist mit der Interkomprehensionsforschung durch drei Prinzipien

verbunden.

1. Sensibilisierung: Die Lernenden werden sich der Verbindung zwischen ihrer

Muttersprache und den zu erlernenden Sprachen bewusst und entwickeln eine language

awareness. (vgl. Kapitel 4)

2. Verwandtschaftsbeziehungen: Die Beziehungen zwischen den Sprachen werden

gegenübergestellt. So sollen die Lernenden das zu Grunde liegende Konzept der

gegenübergestellten Sprachen erkennen, und eine Typologie der Unterschiede soll erstellt

werden.

3. Nutzung des Vorwissens: Das letzte Prinzip behandelt die Tatsache, dass das Bekannte

auf die neue zu erlernende Sprache übertragen werden kann. (vgl. Stoye 2000: 21-25)

54

Wie bereits erwähnt, geht es bei der KL nicht nur um den Kontrast, sondern auch um den

Kontakt zweier Sprachen, welcher den Ausgangspunkt für die kontrastive Untersuchung

bildet. Auch die strukturellen Übereinstimmungen und Divergenzen, die die Grundlage für

den Fremdsprachenunterricht bilden, hängen mit der KL und dadurch auch in weiterer Folge

mit der Interkomprehensionsforschung zusammen. Es sollen in erster Linie Interferenzen

ermittelt werden. Die KL lässt sich demnach auch in die Sprachklassifikation und in die

Interferenzforschung einteilen. Die Sprachklassifikation ist dafür da, Sprachen in Gruppen

nach typologischen und genetischen Merkmalen anzuordnen. (vgl. Stoye 2000: 25)

5.2.2. Sprachtypologie und Universalienforschung

Wenn es letztlich zum Vergleich zweier Sprachen kommt, können zwei Fragen der

Untersuchung zugrunde liegen. Einerseits die Frage nach der Ähnlichkeit der Sprachen

(Sprachtypologie) und andererseits nach der Frage, inwieweit die untersuchte Sprache wie

alle anderen Sprachen ist (Universalienforschung). Die Sprachtypologie stellt somit die

Grundlage für die Universalienforschung dar, da sie nach der Vielfalt der Sprachen und ihren

linguistischen Strukturen fragt. Die Universalienforschung wiederum versucht, aus empirisch

erhobenen Daten formale Spracheigenschaften zu finden, die in allen Sprachen der Welt zu

finden sind. (Stoye 2000: 26-28)

Die Sprachtypologie und die Universalienforschung sind zwei Verfahren, um Sprachen

miteinander zu vergleichen. Anders aber als bei der KL stellt man sich Fragen nach der

Typologie, also ob eine Sprache einer anderen in gewisser Weise ähnlich ist, und nach den

Universalien: Inwieweit sind Sprachen genauso wie andere Sprachen?

„Sprachtypologie fragt nach der Diversität von Sprache, nach der Variabilität ihrer linguistischen Strukturen. Sie untersucht die Aufbaukriterien, die eine Sprache charakterisieren, und stellt damit eine empirische Basis für die Universalforschung dar.“ (Stoye 2000: 26)

Die Universalienforschung wiederum versucht, innerhalb der durch die Sprachtypologie

erworbenen Daten, Gemeinsamkeiten zu finden, die allen Sprachen der Welt gleich sind. Viele

dieser Universalien sind sehr allgemein und werden daher nur schwer als solche erkannt.

„Die Sprachtypologie und Universalienforschung untersucht die Frage nach Varianz und Invarianz in den Strukturen, Sprachen der Welt, also die Frage, in welchem Maße Sprachen sich voneinander unterscheiden können und in welchem Maße sie gemeinsame, universale Züge aufweisen. […] Zu diesem Zweck orientiert sie sich an verschiedenen Parametern und versucht, auf der Basis von nach bestimmten statistischen Kriterien erstellten Sprachen-Samples charakteristische Bedeutungsmuster von sprachlichen Strukutureigenschaften zu erkennen (Sprachtypologie), wobei die Möglichkeiten zur Bündelung von Struktureigenschaften zu Mustern eingeschränkt sind und bestimmten universellen Gesetzmäßigkeiten zu gehorchen scheinen (Universalienforschung).“ (Bisang 1998: 25)

55

Weitere Vorgängerdisziplinen wie die Internationalismenforschung werden in den nächsten

Unterkapiteln behandelt.

5.2.3. Internationalismenforschung Um zu erklären, was die Internationalismenforschung ist, muss erst verdeutlicht werden, was

ein Internationalismus ist. Unter einem Internationalismus versteht man ein geläufiges

Fremdwort, das in vielen Sprachen vorkommt und deshalb leicht verständlich ist. Oft haben

die Internationalismen dieselbe oder eine ähnliche Bedeutung, und graphemische oder

phonologische Abweichungen, wenn überhaupt vorhanden, werden leicht durchschaut.

Bekannte Internationalismen sind zum Beispiel: Taxi, Hotel, Computer, usw. Die meisten

Internationalismen der deutschen Sprache lassen sich auf lateinische bzw. griechische

Wurzeln zurückführen. (Schmöe 2005: 290)

Die Internationalismenforschung steht ebenfalls in Zusammenhang mit der

Interkomprehensionforschung. Innerhalb der Internationalismenforschung lässt sich zwischen

der Interlexikologie, der Intermorphologie und der Interphraseologie unterscheiden.

1. Interlexikologie: Die Interlexikologie beschäftigt sich mit Lexemen, die in vielen

europäischen Sprachen gleiche oder ähnliche Bedeutung haben. Europäische Interlexeme

sind daher leicht transferierbar, was den Fremdsprachenunterricht um einiges erleichtert.

Die Interlexeme können dabei unterschiedlichen Ursprung haben. Einerseits könnte es

sich um eine Entlehnung aus den romanischen Sprachen handeln, die in verschiedenen

Sprachen derselben Sprachfamilie unter ähnlichen Umwelteinflüssen und Bedingungen

entstanden sind. Andererseits könnte die Interlexik auch aus der gemeinsamen

europäischen Wissenschaftssprache bzw. -tradition entstanden sein, was zu

Paneuropäismen führt. Inter- bzw. auf den europäischen Sprachraum beschränkte

Eurolexeme stellen Sprachbrücken dar, die den interlingualen Transfer fördern. So

kommt es auch zu Bezeichnungsexotismen wie Iglu oder Kimono.

2. Intermorphologie: Ebenso wie die Lexik sind aber auch die einzelnen Morpheme für

die Internationalismen besonders wichtig. Dies zeigt sich besonders in Hinblick auf die

Neologismen. Die größte Anzahl dieser Wortneuschöpfungen ist im 19. Jahrhundert

entstanden, aber auch heute werden Neologismen durch paneuropäische Affixe

griechischen oder lateinischen Ursprungs gebildet. Die Regeln zur Wortbildung sind

dabei geläufig und werden beherrscht, so dass die intermorphologischen Regularitäten

auch eine große Rolle für den Fremdsprachenunterricht bilden.

56

3. Interphraseologie: Neben einzelnen Morphemen und Lexemen gibt es noch ganze

Phrasen, die international bzw. paneuropäisch sind. Da die Redensarten und Sprichwörter

der einzelnen europäischen Sprachen oft gemeinsame Wurzeln haben, ist es nicht

verwunderlich, dass sie sowohl inhaltlich als auch formal gleich sind. Dies ergibt sich

zum einen aus ihrer gemeinsamen lateinischen Basis und zum anderen aus der

gemeinsamen europäischen Kulturtradition. Obwohl Interphraseologismen im FSU nur

eine kleine Rolle spielen, ist es wichtig, sie zu kennen bzw. die Interkomprehension

zwischen den Sprachen zu nutzen, um das Verstehen der Phraseologien, welches nur mit

Übersetzung nicht möglich wäre, zu sichern. (vgl. Stoye 2000: 47-56)

Die Internationalismenforschung grenzt sich somit von der Übersetzungswissenschaft, der KL

und der historisch vergleichenden Sprachwissenschaft ab bzw. interagiert damit. Die

Internationalismenforschung sucht nach den System-Gemeinsamkeiten, die sich im Laufe der

Zeit herausgebildet haben, während die Interkomprehensionsforschung es sich zur Aufgabe

gemacht hat, die Systemgemeinsamkeiten für eine weitere Verwendung auszuwerten.

5.2.4. Psycholinguistik: Spracherwerbsforschung

Stoye 2000 sieht die Psycholinguistik als weitere Vorläuferdisziplin. Die Psycholinguistik ist

ein interdisziplinäres Forschungsgebiet von Psychologen und Linguisten zur Erforschung

„aller aktionalen und prozessualen Seiten der Sprachen, des Sprachverstehens und des

Spracherwerbs.“ (vgl. Knobloch 2005: 522)

Innerhalb der Psycholinguistik ist es allerdings die Spracherwerbsforschung, die auf die

Interkomprehension einwirkt. Um mehr Erfolg beim Fremdsprachenlernen zu erreichen,

versuchte man schon besonders früh herauszufinden, wie das Lernen der Sprachen

funktioniert. Besonders interessant ist der Unterschied zwischen dem Fremdsprachenerwerb

und dem Fremdsprachenlernen. Unter dem Erwerb einer Sprache versteht man nämlich das

natürliche Erlernen einer Fremdsprache ohne Unterricht. Fremdsprachenlernen hingegen setzt

einen aktiven Prozess voraus, der gesteuert und kontrolliert wird durch den Unterricht. Da

sich diese Arbeit mit dem Fremdsprachenlernen beschäftigt, werden nur die Theorien zu

dieser Form des Fremdsprachenlernens vorgestellt. Dazu lassen sich drei große Hypothesen in

der Literatur finden: die Identitätshypothese, die kontrastive Analyse und die Interlanguage-

Hypothese.

In ihrer radikalen Form besagt die Identitätshypothese, dass es keinen Unterschied macht, ob

ein/e LernerIn bereits eine Sprache gelernt hat oder nicht, da der Erst- und Zweitspracherwerb

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identisch verlaufen. Es werden nativistische und kognitivistische Ansätze verfolgt. (vgl.

Giese/Kleppin/Schmöe 2005: 266, Henrici/Riemer 2007: 40)

„In beiden Fällen aktiviert der Lerner angeborene mentale Prozesse, die bewirken, dass die zweitsprachlichen Elemente und Regeln in gleicher Abfolge (Erwerbssequenzen) wie beim kindlichen Erstsprachenerwerb erworben werden.“ (Henrici/Riemer 2007: 40)

Heute wird die Identitätshypothese nicht mehr bzw. nur noch in abgeschwächter Form

vertreten, da der Erstspracherwerb gemeinsam mit der Sozialisation des Kindes abläuft,

während er beim Zweitspracherwerb bereits abgeschlossen oder zumindest fortgeschritten ist.

(vgl. Giese/Kleppin/Schmöe 2005: 266)

In ihrer abgeschwächten Form vertreten BefürworterInnen der Identitätshypothese die

Auffassung, dass der Spracherwerb der Erst- bzw. Zweit- oder jeder weiteren Sprache nach

den gleichen Gesetzmäßigkeiten erfolgt. (vgl. Schachinger 2000: 32)

Die Kontrastive Analyse/Kontrastivhypothese folgt behavioristischen Ansätzen und geht

davon aus, dass gleiche Elemente zweier Sprachen leichter gelernt werden als

unterschiedliche, da die Muttersprache einen Transfer auf die noch zu erlernende

Fremdsprache begünstigt. Nur Kontraste, also Unterschiede der beiden Sprachen, würden zu

Fehlern bzw. Lernschwierigkeiten führen. Ende der 60er Jahre wurde die Kontrastivhypothese

von ihren Gegnern stark kritisiert, da es laut der Theorie keine kognitive Steuerung durch die

Lernenden gibt. Ebenso wird als Kritikpunkt die Tatsache genannt, dass auch Kontrastmangel

zu sprachlichen Fehlleistungen führen kann. Dies wurde bei Sprachen mit gleichen

grammatikalischen Elementen beobachtet. Auch kulturelle Faktoren und andere Aspekte, wie

zB. die Motivation und die Einstellung der Lernenden, wurden in der Kontrastiven Analyse

nicht weiter berücksichtigt. (Stoye 2000: 74-76, Henrici/Riemer 2007: 40)

Die Interlanguage-Hypothese vertritt die Auffassung, dass zwischen der Ausgangs- und der

Zielsprache eine Zwischen- bzw. Interimssprache steht, die sowohl Züge der Ausgangs- als

auch Züge der Zielsprache aufzeigt. Sie wurde unter anderem von Larry Selinker bereits in

den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geprägt. Die Interlanguage wird durch Regeln

und Strategien des/der jeweiligen Lernenden bestimmt und ist somit sehr individuell. (Stoye

2000: 71-79, Glück 2005: 288, Henrici/Riemer 2007: 40)

Selinker 1972 meint, dass ein/e Fremdsprachenlernende/r, der/die eine Äußerung in der

Zielsprache macht, eine andere Äußerung tätigt, als ein native speaker es tun würde, um den

gleichen Sachverhalt auszudrücken. Das wiederum lässt darauf schließen, dass die

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LernerInnen ein eigenes Zwischensystem beim Sprachenlernen entwickeln. „This linguistic

system we will call ‚interlanguage‘ (IL).“ (Selinker 1972: 214)

Die Interlanguage stellt demnach ein Abbild des momentanen Lernzustandes der Lernenden

dar. Auch bei dieser Hypothese steht der Transfer im Mittelpunkt, da auch die Interlanguage-

Hypothese darum bemüht ist herauszufinden, welche Bedingungen den Transfer begünstigen.

(vgl. Stoye 2000: 71-79, vgl. Glück 2005: 288, vgl. Henrici/Riemer 2007: 40)

Fehler werden durch die Interlanguage-Hypothese völlig neu bewertet.

„Gab man sich in der klassischen Fehlerkunde und –analyse mit den bescheidenen Ansätzen zu einer Fehlersystematik zufrieden, so wird diese im Zuge erneuten Hinwendungen zu einer eigenen „Sprache“ erhoben als Zwischensystem zwischen Ausgangs- und Zielsprache.“ (Rein 1983: 106)

Dementsprechend sind die Kontrastivhypothese und die Interlanguage-Hypothese auch

besonders wichtig für den positiven und negativen Transfer, sowie für die

Interferenzforschung bzw. die Fehleranalyse, auf welche im Kapitel 5.3. eingegangen wird.

Zuvor wird allerdings noch die Kontakt- und Konfliktlinguistik behandelt, welche die letzte

der Vorläuferdisziplinen der Interkomprehensionsforschung nach Stoye 2000 darstellt.

5.2.5. Kontakt- und Konfliktlinguistik

Die Kontakt- und die Konfliktlinguistik stehen in engem Zusammenhang mit der

Interkomprehension, da ihnen ein ähnliches Erkenntnisinteresse zugrunde liegt. Während die

Kontaktlinguistik den Sprachkontakt und seine Wirkungen untersucht, zu denen neben der

Pidginisierung/Kreolisierung auch der Sprachwandel gehört, beschäftigt sich die

Interkomprehension mit der Verständigung zwischen miteinander verwandten Sprachen. Die

Konfliktlinguistik ist ihrerseits unmittelbar mit dem Sprachkontakt verbunden, da jeder

Kontakt auch zu Konflikten führen kann. Auch Bilingualismus, code-switching, Interferenz

und Transfer, sowie das Thema der Mehrsprachigkeit und das Miteinander der Varietäten bzw.

das Prestige der einzelnen Sprachen stehen ebenso wie der Sprachwechsel und der Sprachtod

in Verbindung mit der Kontaktlinguistik. (Stoye: 57-70, Raith 2005: 345)

5.3. Transfer und Interferenz

Gemeinsam ist allen Vorläuferdisziplinen der Bezug zum sprachlichen Transfer:

„In der Psychologie und in der Pädagogik wird mit „Transfer“ eine besondere Form des Lernens bezeichnet. Über die amerikanische Fachliteratur hat der Begriff, der aus dem Lateinischen (transferre = hinübertragen, übertragen) stammt, Eingang in die deutsche Fachliteratur gefunden. Hier wird der Begriff, falls er überhaupt übersetzt wird, häufig mit „Übungsübertragung“ oder „Mitübung“ wiedergegeben, ausgehend von dem Begriff „tansfer of training“ in der amerikanischen Fachsprache.“ (Lobin 2002: 35)

59

Die Bezeichnung „Transfer“ ist grundsätzlich nicht wertend, sondern neutral. Um eine

Wertung zu geben wird oft von positivem oder negativem Transfer gesprochen. Eine weitere

Form des Transfers ist der Nulltransfer. Das Wort transferieren stammt vom lateinischen Wort

transferre ab, welches so viel wie übertragen bedeutet. Ein deutscher Begriff dafür könnte

also Übungsübertragung heißen. Dieser Terminus hat sich allerdings nie durchgesetzt. Im

Fremdsprachenunterricht wurde lange Zeit nur der negative Transfer beachtet. Es wurde

Interferenzforschung betrieben, um Interferenzen – also Fehler – zu vermeiden. Dazu wurden

die Gegensätze zweier Sprachen herausgearbeitet, da man die Fehler in den Unterschieden

vermutete. Wenn die Muttersprache der Zielsprache nahe ist und viele Gemeinsamkeiten hat,

so vermutete man, dass es nicht zu Fehlern kommen würde (vgl. Kontrastivhypothese Kapitel

5.2.). Zwar ist es korrekt, dass weniger Probleme beim Erwerb einer Sprache auftreten, wenn

es eine 1:1 Entsprechung in der Muttersprache gibt. Die Praxis zeigt aber, dass sehr wohl auch

hier Fehler auftreten. Der Sprachvergleich seinerseits soll Einsichten vermitteln, um den

Lernenden verstehen zu können. Deswegen verlangt die Fehleranalyse nach einer

konfrontativen Sprachbeschreibung, damit die Fehler verstanden werden und nach Lösungen

gesucht werden kann. Fehler können nicht immer vermieden werden. Darüber hinaus machen

nicht alle Lernenden dieselben Fehler, was eine Prophylaxe erschwert. Viel hängt von dem

Lernenden selbst ab wie zB. die Motivation, die Lernerfahrung oder auch die systemhaften

Merkmale der zu erlernenden Sprache. (vgl. Putzer 1994: 13-22 )

Der Transfer wird genutzt, um das Sprachenlernen zu erleichtern und speziell in der

Tertiärsprachforschung zu beschleunigen. Bär 2009 hat die wichtigsten Merkmale des

Transfers erörtert, die es beim Spracherwerb zu beachten gilt:

• Transfertyp: Hierbei unterscheidet man zwischen Identifikationstransfer, wenn es um

Lese- und Hörverstehen geht, und Produktionstransfer, wenn die Fertigkeiten Schreiben und

Sprechen betroffen sind.

• Transferrichtung: Bei der Transferrichtung wird zwischen proaktivem Transfer (von

der Ausgangssprache auf die Zielsprache hin), retroaktivem Transfer (von der Zielsprache auf

die Ausgangssprache), onomasiologischem Transfer (vom Inhalt auf die Form) und dem

semasiologischen Transfer (von der Form auf den Inhalt) unterschieden.

• Transferreichweite: Gemeint ist damit, zwischen welchen Sprachen sich der Transfer

abspielt. Unterschieden werden können zwei Arten des intralingualen Transfers (a. innerhalb

der Zielsprache, b. innerhalb der Ausgangs- bzw. Brückensprache) und der interlinguale

Transfer, welcher zwischen der Ausgangs und der Zielsprache stattfindet.

60

• Transferbereiche: Entweder lexikalischer bzw. morphologischer Transfer, der sich auf

der Wortebene abspielt, oder morphosyntaktischer bzw. syntaktischer Transfer in Bezug auf

die Satzebene.

• Transferkategorien: Es werden Form-, Inhalts-, Funktions- und Pragmatischer Transfer

unterschieden.

• Didaktischer Transfer: Er beruht auf den Erfahrungen mit dem Lernen. (vgl. Bär 2009:

46-47)

Die Merkmale des Transfers können durch die Arten des Transfers ergänzt werden. Nicht

immer ist der Transfer den Lernenden bewusst, manchmal geschieht er unbewusst.

Boócz-Barna 2006 beschreibt in diesem Zusammenhang zwei Arten von Transfer:

1. Transfererscheinungen ohne Bewusstmachung, wobei sie hier von lehrer- und

lernerinitiierten Transfererscheinungen ausgeht. Bei den lehrerinitierten

Transfererscheinungen macht der Lehrer auf einen Fehler aufmerksam und gibt somit

Gelegenheit diesen auszubessern. Im Gegensatz dazu stehen die lernerinitiierten

Erscheinungen, die entweder erfolgreich sein können, oder gar nicht erst erkannt werden.

Boócz-Barna spricht hierbei von einer verpassten Chance, da kein Sprachvergleich

stattfindet und somit keine Verknüpfung gemacht werden kann.

2. Geplante Bewusstmachung der Transfererscheinungen: Auch hier kann man wiederum

zwischen lehrerinitiierten und lernerininitierten Bewusstmachungen unterscheiden, wobei

letztere mit Strategien seitens der Lernenden verknüpft sind, welche leider auch

übergeneralisiert, dh. zu oft und auch unpassend verwendet werden können. (vgl. Boócz-

Barna 2006: 248-252)

Die Begriffe Interferenz und Transfer werden oft einheitlich verwendet. (vgl. Dengscherz

2009: 14) In der Regel ist aber mittlerweile die Bezeichnung Interferenz für den negativen

Transfer geläufig und wird in dieser Arbeit auch so verwendet.

Die Interferenz lässt sich in zwei Arten unterteilen:

1. Auf der Ebene der langue: Es werden systemhafte lexikalische Interferenzen den

2. Interferenzen auf der parole-Ebene gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich um

Sprachmischungen im Sprachvollzug, also um Situationen, in denen code-switching

praktiziert wird.

61

Ein Phänomen der Inteferenzforschung sind die falschen Freunde (faux amis), welche lange

Zeit das Feindbild des Fremdsprachenunterrichts dargestellt haben. Damit „sind Wörter in

zwei verschiedenen Sprachen gemeint, die sich in phonologischer und orthografischer

Hinsicht ähneln, in Semantik und Funktionalität aber nicht.“ (Dengscherz 2009: 18)

Aus der Tatsache der Existenz der falschen Freunde versuchte man Fehler vorherzusagen und

somit Interferenzen beim Erwerb einer neuen Sprache zu vermeiden. Obwohl es in der

Inteferenzprophylaxe ein großes Potential für die didaktische Stützung des Lernprozesses gibt

und Interferenzen leicht positiv umgekehrt werden können, existiert noch immer eine große

Angst davor, die Interferenzen könnten gegenüber dem Potential des positiven Transfers

überwiegen. Gerade aber beim Erwerb rezeptiver Fertigkeiten (lesen und hören), sind die

Chancen des positiven Transfers um einiges höher als die der Interferenz. Die rezeptiven

Fertigkeiten berücksichtigen nicht nur die lexikalischen, sondern auch die syntaktischen,

morphologischen und phonologischen Transferbasen. Die Art der didaktischen Darstellung

der falschen Freunde ist demnach entscheidend für den positiven Transfer. Die kontrastive

Darstellung der verschiedenen Sprachen fördert den lernökonomischen Effekt. (vgl. Stoye

2000: 36-39)

Aus der Interferenzforschung heraus ergibt sich eine Form der Fehleranalyse. Mit ihrer Hilfe

soll die Ursache der Fehlerbildung geklärt werden. Bereits 1967 erstellte Pit Corder Kriterien

zur Unterscheidung von Fehlern. Er sah eine Parallele zum Erwerb der Muttersprache, da

auch kleine Kinder Fehler beim Erlernen ihrer eigenen Sprache machen. Corder erkannte,

dass die Fehler Hinweise auf eine Zwischensprache darstellen (vgl. Interlanguagehypothese

Kapitel 5.2.):

„It is in such an investigation that the study of learner’s errors would assume the role it already plays in the study of child language acquisition, since, as has been pointed out, the key concept in both cases is that the learner is using a definite system of language at every point in his development, although it is not the adult system in the one case, nor that of the second language in the other.“ (Corder 1967: 166)

Corder unterteilte die Fehler der Lernenden auch bereits in unterschiedliche Kategorien. Er

trennte zwischen systematic und nonsystematic errors. Performanzfehler sind demnach

unsystematische Fehler, während Kompetenzfehler systematischer Art sind. Performanzfehler

bezeichnet er in weiterer Folge als mistakes. Corder erkannte ebenso, dass manche Fehler

aufgrund von physischer Beeinträchtigung entstehen (zB. Müdigkeit und starke Emotionen)

und dass Fehler dieser Art sehr schnell behoben werden können, da sie nichts mit der

62

Kompetenz des Lernenden zu tun haben und auch bei MuttersprachlerInnen auftreten. (Corder

1967: 166-167)

Putzer 1994 nennt drei Gründe, warum Fehler überhaupt entstehen:

1. Fehler zu machen ist ein großer und vor allem auch wichtiger Teil des sprachlichen

Verhaltens. Ohne Fehler könnte der Lernprozess somit wohl gar nicht erst stattfinden.

2. Lernschwierigkeiten bzw. Fehler entstehen aber nicht nur dann, wenn es zwischen der

Muttersprache und der zu erlernenden Fremdsprache große Kontraste gibt. Sie lassen sich

deshalb auch nicht komplett vermeiden, wenn es keine Unterschiede zwischen der

Ausgangs- und der Zielsprache gibt.

3. Kontraste zwischen den beiden Sprachen können zwar eine Fehlerquelle sein, sind

allerdings bestimmt nicht die einzige. (vgl. Putzer 1994:13)

„Unter dem Einfluß behavioristischer Verhaltenstheorien kamen amerikanische Linguisten in den 50er Jahren unseres Jahrhunderts zu der Überzeugung, daß die Unterschiede zwischen der Muttersprache und der Fremdsprache und somit die Notwendigkeit, beim Fremdsprachenerwerb von muttersprachlichen Gewohnheiten („habits“) abweichen zu müssen, das Haupthindernis beim Fremdsprachenerwerb darstellten. Je größer die Unterschiede – so die Hypothese – umso größer die Lernschwierigkeiten.“ (Putzer 1994: 13)

Der Transfer spielt in der Interkomprehension und demnach auch in den nachfolgenden

beschriebenen Projekten eine tragende Rolle. Die vorgestellten Projekte arbeiten stark mit

positivem Transfer und versuchen den Lernenden ein Bewusstsein dafür zu geben. Transfer

soll stattfinden, und um dies zu ermöglichen, wurden eigene Methoden entwickelt, die den

Transfer begünstigen sollen. Im folgenden Unterkapitel werden die zahlreichen

Interkomprehensionsprojekte vorgestellt. Danach folgt ein Kapitel über das bekannteste der

Interkomprehensionprojekte: EuroCom.

Die Beschäftigung mit Disziplinen, die der Interkomprehension nahe stehen (vgl. Kapitel

5.2.), legt offen, was die Interkomprohension auszeichnet: der Sprachvergleich (vgl.

Komparatistik, Kontrastive Linguistik Kapitel 5.2.1), die

Sprachtypologie/Universalienforschung (vgl. Kapitel 5.2.2.) und die

Internationalismenforschung (vgl. Kapitel 5.2.3.), die die Gemeinsamkeiten der Sprachen

bereits analysiert haben und somit als Vorläuferdisziplinen für die Interkomprehension

bezeichnet werden können. Demgegenüber steht die Spracherwerbsforschung (vgl. Kapitel

5.2.4.), die mit ihren Spracherwerbshypothesen einen wichtigen Beitrag für die

Interkomprehension leistet, da erstere zeigt, wie das Sprachenlernen funktioniert bzw.

funktionieren könnte. Auch die Kontakt- und die Konfliktlinguistik unterstützen die

63

Interkomprehension: Ein vorangegangener Sprachkontakt wie bei einer Pidginisierung oder

Kreolisierung ermöglicht die Verständigung zwischen der zB. Kreolsprache und Französisch

aufgrund der Interkomprehensionsstrategien. (vgl. Kapitel 5.2.5.)

Allen Disziplinen gemeinsam ist der Transfer bzw. die Interferenz, welche/r in Kapitel 5.3.

beschrieben wurde.

5.4. Interkomprehensionsprojekte

Klein 2001 fasst insgesamt fünf große Gruppen zusammen, die sich mit Interkomprehension

beschäftigen. Im Folgenden wird besonders auf das Projekt EuroCom eingegangen – die

anderen Projekte werden kurz beschrieben:

• Die Hagener Projekte, welche sich in die Lesekurse, das Projekt IGLO und

Lernen für Europa unterteilen lassen.

• Intercommunicabilité romane

• EuRom4

• Galatea

• EuroCom (vgl. Klein 2001: 40-41)

5.4.1. Die Hagener Projekte

Das Projekt der Hagener Interkulturellen Lesekurse wurde bereits als Pilotprojekt 1995-1998

von der EU gefördert. Es arbeitet mit der deutschen Sprache als Brückensprache, um weitere

Sprachen rezeptiv zu erlernen. Aus dem Projekt sind ein niederländischer und ein dänischer

Lesekurs auf CD erschienen. 1999 startete die Fernuniversität Hagen das internationale IGLO

(Intercomprehension in Germanic Languages Online) Projekt, welches für drei Jahre

finanziert wurde. Es baute auf der skandinavischen Interkomprehensionsforschung auf und

behandelt die sieben germanischen Sprachen Dänisch, Deutsch, Englisch, Isländisch,

Niederländisch, Norwegisch und Schwedisch. (vgl. Klein 2002: 41)

Im Jahr 2000 folgte das EU-geförderte Projekt „Lernen für Europa“, welches die rezeptive

Mehrsprachigkeit für die wissenschaftliche Kommunikation in Mittel- und Osteuropa als Ziel

verfolgt. Neben dem Deutschen und dem Niederländischen stehen hier das Polnische und das

Tschechische im Mittelpunkt. (Klein 2002: 41)

5.4.2. EuRom4

EuRom4 wurde in den 90er Jahren an den Universitäten Aix-Marseilles I, Salamanca, Roma

Tre und Lisboa entwickelt. Es handelt sich um eine Methode, die mit den Vorteilen der

64

kontrastiven Linguistik arbeitet und rezeptive Fertigkeiten in den vier Sprachen Französisch,

Spanisch, Italienisch und Portugiesisch fördert. SprecherInnen einer dieser Sprachen soll es

ermöglicht werden, die weiteren Sprachen rezeptiv zu erlernen. Im Zentrum steht die Technik

mot vide: schwierige Wörter werden durch andere ersetzt (chose, machin). Besonders wichtig

für das Verständnis sind der Kontext und das Textwissen. (Bär 2004: 122-124)

KritikerInnen meinen jedoch, dass EuRom4 zu sehr an der Grammatikübersetzungsmethode

orientiert ist. Dennoch helfen das aus dem Projekt entstandene Buch und die CD, eine

language awareness zu erreichen. (vgl. Klein 2002: 42)

5.4.3. Galatea

Das Projekt Galatea wird seit 1992 an der Université de Grenoble III entwickelt. Viele weitere

Universitäten unterstützten das Projekt. Es stehen wie bei EuRom4 die vier romanischen

Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch im Mittelpunkt. Für Galatea

wurden auch CD-ROMs entwickelt. (Bär 2004: 124-125)

„Die langjährigen Vorarbeiten haben Dekodierungsstrategien in nahverwandten Sprachen, der sogenannten „Romanophonie“, Transferregeln, faux amis und Erschließungshierarchien zwischen Wortarten untersucht und wertvolle Ergebnisse für die Interkomprehensionsforschung in der Romania erzielt.“ (Klein 2002: 42)

5.4.4. Intercommunicabilité romane

Die dänische Aarhus-Universität beschäftigte sich mit einem Projekt, das auf Basis der

skandinavischen Interkomprehension entstand. Im Mittelpunkt standen aber wieder die vier

Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch, welche ein gemeinsames

langue dépot bilden. Es wird aus der diachronen Sprachwissenschaft eine synchrone

Darstellung der Sprachen gewonnen, die es ermöglicht, innerhalb von 30 Kursstunden eine

weitere romanische Sprache zu verstehen. (Bär 2004: 125)

Neben rezeptiven Fertigkeiten sollen in diesem Projekt auch produktive Fertigkeiten

vermittelt werden, sowie eine Bewusstseinsbildung der Lernenden. (vgl. Klein 2002: 42)

5.5. EuroCom

EuroCom ist eine Abkürzung für EuroComprehension, welche ihrerseits wiederum auf die

europäische Interkomprehension schließen lässt (Rensing/Klein 2004: 236). Es handelt sich

um ein Interkomprehensionsprojekt, welches von Klein und Stegmann vorerst für die

romanischen Sprachen entwickelt wurde und später für die slawischen und die germanischen

Sprachen adaptiert wurde. (Rensing/Klein 2004: 236) Im Zentrum stehen die sieben Siebe

65

(vgl. Kapitel 5.6.1.), die helfen sollen systematisch einen fremdsprachigen Text (über eine

bereits beherrschte mit der Zielssprache verwandte Sprache) zu dekodieren. Ziel der

EuroCom-Methode ist eine realistische Mehrsprachigkeit zu ermöglichen, indem die

Verwandtschaftsbeziehungen der einzelnen Sprachen genutzt werden. (vgl. Rutke 2002: 110)

Seit 1998 arbeitet eine Forschergruppe an der Methode EuroCom, um das Erlernen rezeptiver

Fertigkeiten zu erleichtern. Bereits ein Jahr später wurde das Projekt mit dem Europäischen

Sprachensiegel für innovative Sprachenprojekte ausgezeichnet. (Klein 2001: 40) Zuerst wurde

das Modell für die romanische Sprachfamilie ausgearbeitet. Erst Jahre später wurde es

zunächst für die slawische und danach für die germanische Sprachfamilie adaptiert.

(Rensing/Klein 2004: 235-236)

EuroCom bietet die Möglichkeit, nach dem Erwerb des Englischen und des Französischem

innerhalb eines Jahres zB. in Spanisch rezeptive Kompetenzen auf dem B2-Niveau des

Europäischen Referenzrahmens für Sprachen zu erreichen, auf welche in einem weiteren Jahr

die Sprechkompetenz aufgebaut werden kann. (Klein S. 2004: 11) Damit stellt es eine

besonders effektive Lernmethode dar und steht im „methodischen Einklang mit der Zweit-

und vor allem der Drittsprachenerwerbstheorie, die komprehensiblen Input als Bedingung für

alle Arten von Sprachlernprozessen beschreibt.“ (Meißner 2004: 50-51)

Im Mittelpunkt steht hierbei die Brückensprache. Die Brückensprache verkörpert jene

Sprache, in der der/die Lernende bereits Kompetenzen hat und die er/sie zur Erschließung

einer neuen Fremdsprache nutzen kann. (Tafel 2009: 11)

„Dazu erschließen sich die Lernenden selbständig Texte in der fremden Sprache unter Nutzung des relevanten inter- und intralingualen Sprachenwissens. Sie vergleichen die zu erlernende Sprache mit Phänomenen ihnen bekannter Sprachen unter Nutzung der Kontextinformationen, in welchen der unbekannte Text steht.“ (Rensing/Klein 2004: 236)

Durch das Dekodieren der Texte entsteht seitens der Lernenden eine Spontan- bzw.

Hypothesengrammatik. Hierbei handelt es sich um ein Grammatikwissen der Zielsprache,

welches durch Fragen und ergänzende Hilfestellungen durch die Lehrperson angeregt wird.

Der Lernende bildet durch diese Hilfestellungen Hypothesen und sieht sie durch das

Verständnis des Textes bestätigt bzw. revidiert sie wieder. (Rensing/KIein 204: 236-237)

Bei der Spontan- bzw. Hypothesengrammatik handelt es sich laut Meißner 2004 um eine

Sonderform der Interimsprache, wie sie Selinker bereits 1972 beschrieben hat (vgl.

Interlanguage Kapitel 5.2.). Die Spontangrammatik erfasst das sprachliche Wissen in einer

66

unbekannten Zielsprache im Augenblick der Begegnung mit den „lexikalischen,

morphematischen und syntaktischen Strukturen.“ (vgl. Meißner 2004: 53)

Die Hypothesengrammatik wird nach und nach zu einer Zielsprachengrammatik, da ein

vollständiges Erfassen von Anfang an nicht möglich ist. Sie wird bei jedem neuen Text

weiterentwickelt. Deswegen kann es leicht vorkommen, dass Lernende zwar eine Hypothese

über die Verbformen der 3. Person Singular und Plural in der jeweiligen Zielsprache bilden

können, jedoch aus Mangel an Beispielen keine Hypothese für die restlichen Verbformen

bilden können. (Klein S. 2004: 57)

Im Mittelpunkt steht ein Text, welcher durch transferbasierte Erschließungsstrategien

dekodiert wird. Bei den Erschließungsstrategien handelt es sich um die sieben Siebe. Sie

beinhalten den internationalen, sowie den panromanischen Wortschatz, die

Lautentsprechungen, Graphien/Aussprachen, gemeinsame so genannte panromanische

Satzstrukturen, morphosyntaktische Elemente und die den in der Sprachfamilie gemeinsamen

Eurofixe (Suffixe und Präfixe). Die sieben Siebe werden in Kapitel 5.6.1. ausführlich

behandelt. (vgl. Rutke 2002: 110)

Was nicht durch die sieben Siebe abgedeckt werden kann, wird durch die

einzelsprachspezifischen lexikalischen Elemente (Profilwörter) ergänzt. Zu finden sind diese

in einer Tabelle, die jene Wörter beinhaltet, die sich nicht mehr etymologisch erschließen

lassen, da ihre Ähnlichkeit kaum bis gar nicht mehr vorhanden ist. (vgl. Rutke 2002: 110)

Ein Beispiel für ein Profilwort des Französischen ist demnach après, da es für SprecherInnen

anderer romanischer Sprachen nicht durch die sieben Siebe erschließbar ist. (vgl. Klein S.

2004: 30)

Die zweite Ergänzung auf struktureller Ebene sind die Miniportraits. Sie ergänzen das

sprachliche Wissen, welches durch die sieben Siebe zu Tage gefördert wurde und

systematisieren es.

5.5.1. EuroComRom

„Die romanische Interkomprehension basiert auf der Vielfalt der Varietäten des gesprochenen Latein im Kontakt mit den autochthonen Sprachen des Imperium Romanum und dem Griechischen als Bildungssprache.“ (Klein/Reissner 2002: 17)

Lange Zeit konnte sich die Bevölkerung des römischen Reiches problemlos mündlich

verständigen, da das Vulgärlatein in allen Ländern des römischen Reiches gesprochen wurde.

Auch nach dem Untergang des römischen Reiches war eine Verständigung lange problemlos

67

möglich, bis sich schließlich – auf der vulgärlateinischen Basis – völlig neue und

eigenständige Sprachen entwickelten. (vgl. Klein/Reissner 2002:17)

EuroComRom versucht diese Verständigung wieder zu ermöglichen. Eigentlich wurde es für

deutschsprachige Muttersprachler entwickelt, „die eine romanische Sprache – vorzugsweise

das Französische – beherrschen. Es wird somit die Kenntnis von mindestens zwei Sprachen

vorausgesetzt und darüber hinaus von Kenntnissen in der englischen Sprache ausgegangen.“

(Rutke 2002: 109)

Das Französische bietet sich hervorragend als Brückensprache an, da es die starken

Unterschiede zwischen dem code oral und dem code écrit gibt. Wäre das Französische die zu

erlernende Sprache, so bräuchte man ein besonderes Modul für den code oral, der sich

typologisch stark von den anderen romanischen code oraux abgegrenzt hat. (vgl. Rutke 2002:

118) „Prinzipiell eignet sich in der Romania jede Sprache als Brückensprache.“ (Bär 2004:

129)

Das Französische bietet allerdings einige Vorteile gegenüber den anderen Sprachen der

Romania: Zum einen spielt das Französische als Bildungssprache im deutschsprachigen Raum

eine große Rolle. Darüber hinaus sagt Bär 2004 „Wer Französisch kennt, hat eigentlich schon

zwei Sprachen gelernt – einen code oral und einen code écrit“ (Bär 2004: 130)

Gemeint ist damit der große Unterschied zwischen der Schrift und der Aussprache des

Französischen. Zu dem kommt, dass das Lehngut aus der französischen Sprache in allen

anderen europäischen Sprachen durch die geschichtliche Entwicklung Einzug gefunden hat.

Ein letzter Grund, der für das Französische als Brückensprache spricht, sind die

überdurchschnittlich hohen Erschließungserfolge bei den LernerInnen mit Zielsprache

Italienisch. Der Erfolg liegt bei 95 %, wobei er bei LernerInnen mit Brückensprache Spanisch

nur bei 89 % liegt. In Hinblick auf das Rumänische als Zielsprache können 94 % mit

Französisch als Ausgangssprache und 87 % mit Spanisch als Ausgangssprache erschlossen

werden. (Bär 2004: 130-131)

Zu EuroComRom gehören die Sprachen Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch,

Rumänisch, Rätoromanisch, Sardisch, Okzitanisch und Katalanisch. Mit diesen neun

Sprachen sind jedoch noch lange nicht alle romanischen Sprachen abgedeckt. EuroComRom

könnte zB. auch auf das Galicische, das Korsische oder die romanisch basierten

Kreolsprachen adaptiert werden. (Klein/Stegmann 2000: 37)

68

5.5.2. EuroComSlav

EuroComSlav behandelt alle 14 slawischen Standardsprachen: Russisch, Ukrainisch,

Weißrussisch, Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Ober- und Niedersorbisch, Bulgarisch,

Makedonisch, Solwenisch, Serbisch, Kroatisch und Bosnisch. (Bär 2004: 137-138) Es

existieren zwei Schriftsysteme: die Latinica und die Kyrillica. Bei der Sprachgruppe BKS

wird für Bosnisch und Kroatisch beispielsweise die Latinica verwendet und für Serbisch

werden sowohl die Latinica als auch die Kyrillica verwendet. Zudem wird die lateinische

Schriftsprache durch diaktrische Zeichen und Diagraphen erweitert. (Tafel 2009: 16-33)

Brückensprache für EuroComSlav ist das Russische. Dies ergibt sich aus mehreren Gründen:

• Das Russische ist die weitest verbreitete slawische Sprache.

• Wer Russisch gelernt hat, hat sich bereits mit der kyrillischen Schrift

auseinandergesetzt und macht sich somit die Sprachen Bulgarisch, Makedonisch,

Serbisch, Ukrainisch und Weißrussisch zugänglich, ohne zuvor das Alphabet zu lernen.

• Russisch zählt darüber hinaus als lingua franca zwischen den Völkern der ehemaligen

Sowjetunion und

• ist UNO-Sprache. (Bär 2004: 138)

Für Menschen, die bereits zB. Tschechisch als Muttersprache beherrschen, wird es dennoch

Möglichkeiten geben, eine andere slawische Sprache ohne dem Russischen als

Brückensprache zu lernen, da dann das Tschechische seinerseits als Brückensprache fungiert.

Materialien für tschechischsprachige LernerInnen müssten demnach bei Bedarf geschaffen

werden. (vgl. Zybatow 2002b: 478) EuroComSlav steht unter der Leitung von Lew Zybatow,

der die linguistischen Grundlagen bereits erarbeitet hat. (vgl. Klein 2002: 45) Auch wenn

EuroComSlav ebenso die sieben Siebe als Erschließungsmethode benutzt, konnten diese nicht

1:1 übernommen werden, da vor allem in der Morphosyntax, in der Syntax und in der

Wortbildung große Unterschiede liegen. (Zybatow 2002a: 358) 2002 wurde das erste

Lehrwerk „EuroComSlav – Slavische Sprachen interkomprehensiv lesen können“ erstellt und

in der Zukunft soll es als „interaktives multimediales Lehrmittel“ zur Verfügung stehen.

(Zybatow 2002b: 477)

5.5.3. EuroComGerm

Die Leitung für das EuroComGerm-Projekt hat Britta Hufeisen in Darmstadt übernommen.

Bei EuroComGerm handelt es sich um den jüngsten EuroCom-Zweig. Es kann aber hier auf

69

die skandinavischen Erfahrungen zurück gegriffen werden, um die germanische

Interkomprehension zu erleichtern. (vgl. Klein 2002: 45)

Es gibt im Vergleich zu EuroComRom und EuroComSlav jedoch einige Unterschiede:

• Heterogenität: Die germanischen Sprachen sind sehr heterogen.

• Durch die vielen Entwicklungsbrüche kann weniger ausgesiebt werden, auch die

romanischen Einflüsse erschweren das Sieben.

• Es gibt zwei Sprachgruppierungen: nordgermanisch und westgermanisch. Diese

beiden unterscheiden sich stark und erschweren somit die Umsetzung des Projektes. (Bär

2004: 138-139)

Das Projekt EuroComGerm wurde im Jahr 2005 gestartet. Da die germanische Sprachfamilie

einige Unterschiede zur romanischen aufweist, einigte man sich nicht nur auf eine

Brückensprache, sondern auf zwei: Englisch und Deutsch. (Hufeisen/Marx 2007: 1)

Hufeisen und Marx schreiben dazu in der Einleitung:

„Das Englische ist keine ideale Brückensprache, weil es viele romanische Einflüsse aufweist. Da es aber in der Regel die erste Fremdsprache ist, die EuroCom-Interessierte gelernt haben, bietet es sich an, sie als eine Brückensprache zu verwenden. Oft ist jedoch der Weg vom Deutschen direkt zum Dänischen oder Schwedischen kürzer als der (Um)Weg über das Englische.“ (Hufeisen/Marx 2007: 1)

Bei der Erschließung einer neuen germanischen Sprache muss also jeder für sich entscheiden,

welche Brückensprache er/sie verwenden möchte. Die Möglichkeit, germanische Sprachen

trotzdem einfacher zu lernen, wenn man bereits eine beherrscht, bieten die Gemeinsamkeiten

dieser Sprachen. Alle lassen sich auf eine gemeinsame Vorform zurückführen: das

Germanische. Diese Vorform ist zwar nicht überliefert, aber die Gemeinsamkeiten machen

eine Existenz sehr wahrscheinlich. Die germanischen Sprachen haben die ersten Phasen der

Entwicklung gemeinsam durchlaufen, durch geschichtliche Umstände (zB.

Völkerwanderungen) entwickelten sich unterschiedliche Sprachen. (Hufeisen/Marx 2007: 1)

Sie deuteten bereits die heutigen Nationalsprachen an. Dennoch dauerte die vollständige

Entwicklung zur Nationalsprache noch etwas länger, da erst mit der Einführung des

Buchdrucks eine verbindliche schriftliche Varietät geschaffen wurde, die mit einer

Nationalsprache vergleichbar ist. Zuvor waren die dialektalen Varietäten im Handelsbereich

im Vordergrund. (Hufeisen/Marx 2007: 3)

Die direkte Kommunikation war es, die den Austausch von sprachlichen Einheiten in andere

Sprachen förderte. Somit kam es dazu, dass wir heute Lehnworte aus dem Niederdeutschen in

70

skandinavischen Sprachen finden, so wie heute stark aus dem Englischen in das Deutsche

entlehnt wird. (Hufeisen/Marx 2007: 3)

Die Ziele des EuroComGerm Basiswerks sind den Zielen des EuroCom-Konzepts

untergeordnet. Daraus ergibt sich als größtes Ziel europäische Mehrsprachigkeit zu

ermöglichen, mit reduzierter Lernanstrengung und mit Reduktion auf Teilkompetenzen.

EuroComGerm beschäftigt sich neben Englisch und Deutsch als Brückensprachen mit den

Sprachen Niederländisch, Friesisch, Dänisch, Isländisch, Norwegisch und Schwedisch, wobei

man beim Isländischen etwas mehr Aufwand hat als bei den anderen Sprachen.

(Hufeisen/Marx 2007: 5)

5.5.4. EuroComDidact

Ist die vermittlungswissenschaftliche Komponente von EuroCom.

„EuroCom arbeitet mit Transfertechniken, den „Sieben Sieben“, mit denen beim Lesen eines Textes, aufbauend auf den eigenen sprachbiographischen Erfahrungen und der jeweiligen Brückensprache, Hypothesen über das Funktionieren der Zielsprache entwickelt werden.“ (Klein 2004: 15)

Die Hypothesen dienen als Fundament für das Sprachenlernen. Durch den stetigen Fortschritt

bei der Übersetzung verifizieren sich die Hypothesen, und das Niveau B2 des europäischen

Referenzrahmens kann zumindest im Bereich des Leseverstehens erreicht werden. Durch die

verwendeten Originaltexte kann man zwar kurzzeitig etwas falsch verstehen, aber durch den

Kontext wird alles schnell wieder ins rechte Licht gerückt. Somit kann der Lernende selbst

seinen eigenen Fortschritt beim Sprachenlernen steuern. Durch die Brückensprache und durch

die Muttersprache entwickelt sich Sprachselbstbewusstsein für die zu erlernende

Fremdsprache. Durch diese Vorgangsweise entstehen einige Vorteile: Einerseits entsteht ein

Zusammengehörigkeitsgefühl zB. der romanischen Sprachen, welches sich auch in der

Integration und in der Akzeptanz gegenüber Minderheitensprachen manifestiert. Andererseits

werden auch die Mutter- und die Brückensprache bewusster wahrgenommen, und somit

kommt es zu einer Verbesserung der Sprachkompetenz in diesen beiden Sprachen. (Klein

2004: 15-16)

EuroComDidact beschäftigt sich mittlerweile auch damit, den Übergang vom Lese- zum

Hörverstehen zu ermöglichen, bzw. Test- und Evaluationsverfahren zu schaffen und

Fachsprachkurse zu entwickeln. Für die Fachsprachen Geographie und Geschichte gibt es

bereits Kurse, für „Wirtschaft, Verwaltung und Verwaltungswissenschaft“ sind bereits welche

in Planung. (Klein 2001: 44-45)

71

EuroComDidact stellt die LernerInnenperspektive ins Zentrum des Lernens. (Meißner 2004:

50)

5.6. Lesen in der Interkomprehension

In dieser Arbeit wird das Hauptaugenmerk auf die Fertigkeit des Lesens gelegt, da es als

Grundlage für die Interkomprehension dient und die Basis für das weitere

Fremdsprachenlernen bildet. Dennoch muss beachtet werden, dass die Hörkompetenz

gemeinsam mit der Lesekompetenz erworben werden muss, um eine richtige Aussprache und

eine Schreibkonvention zu entwickeln, weswegen die Hörkompetenz immer implizit mit der

Lesekompetenz vermittelt wird. (vgl. Klein 2002: 47)

Das Projekt EuroCom sieht vor, über die Sieben Siebe (vgl. Kapitel 5.6.1.) eine

Lesekompetenz auf hohem Niveau zu entwickeln, die in weiterer Folge durch die anderen

Fertigkeiten ergänzt werden kann. Dabei wird auch die Option offen gelassen, dass die

weiteren Fertigkeiten erst nach der Schule erworben bzw. ausgebildet werden - also im

Rahmen des life-long-learnings.

Das Lesen steht im Mittelpunkt des Interesses, da der Bildungserfolg der SchülerInnen stark

von ihrer Lesekompetenz abhängig ist. Sie dient primär dem Wissenserwerb und nimmt

gemeinsam mit der Hörkompetenz eine höhere Wertigkeit gegenüber den produktiven

Fertigkeiten ein. Das Verhältnis liegt bei 5:2, da man für gewöhnlich mehr liest als man

schreibt und mehr hört als man spricht. (Bär 2004: 147-150)

Auch im GERS4

• Lesen zur Orientierung

spielt das Lesen eine wichtige Rolle. Es wird in folgenden Bereichen

angewendet:

• Lesen, um Informationen aus Wörterbüchern und Nachschlagewerken zu erhalten

• Lesen, um Anweisungen befolgen zu können

• Lesen zur Unterhaltung (vgl. Schramm 2008: 158)

Was in der Muttersprache bereits automatisch funktioniert, muss in der Fremdsprache neu

erlernt werden. Diese „Grundtätigkeiten […] werden durch den Charakter des sprachlichen

Handelns (rezeptiv oder produktiv), durch das Medium (graphisch oder akustisch) und den

Zeitpunkt des Erwerbs (gleichzeitig oder versetzt) bestimmt.“ (Jaks 2008: 7) 4Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen

72

Sprechen und Hören lassen sich auch als primäre Fertigkeiten (in direkter Kommunikation)

bezeichnen, während es sich beim Lesen/Schreiben um sekundäre Fertigkeiten (in indirekter

Kommunikation) handelt. (vgl. Jaks 2008: 7)

Das Lesen wird als rezeptive Fertigkeit bezeichnet. Rezeptiv, ein Wort lateinischen

Ursprungs, stammt vom Verb recipire ab und bedeutet aufnehmen ab. Demnach bezeichnet es

das visuelle Verstehen. Das Hören ist ebenso eine rezeptive Fertigkeit, wobei man hier im

Vergleich vom auditiven Verstehen spricht. (vgl. Tyczkowski 2008: 6)

Die Einteilung in aktive und passive Fertigkeiten wird nicht mehr getroffen, da es sich beim

Lesen/Hören nicht um passive Prozesse handelt, sondern um eine aktive Sprachverarbeitung.

Der Lesende greift hierbei auf sein vorhandenes Wissen zurück. (Jaks 2008: 9)

Das Lesen stellt im Projekt EuroCom die wichtigste Fertigkeit dar. Wie funktioniert es aber

genau?

Beim Lesen wird der Text von den Augen erfasst und durch die Rezeptoren der Netzhaut an

die Sehbahn weitergeleitet. Die visuellen Signale werden im Gehirn letztlich

weiterverarbeitet. (vgl. Berthele 2007: 19)

Wie das Gelesene dabei verstanden wird, ist bis heute noch unbekannt. Ausgeschlossen

werden kann aber das Lesen als mechanischer Prozess, bei dem einzelne Laute, Buchstaben

und Wörter dekodiert werden. Tatsächlich handelt es sich beim Lesen um einen konstruktiven

Prozess, bei dem das Dekodieren alleine nicht ausreichen würde. Jaks 2008 nennt hierfür

einen Beispielsatz:

„Ich habe gestern im Feuerwehr-Wagner einen ausgezeichneten Markovitsch 2000

getrunken.“ (Jaks 2008: 9) Es ist wichtig bei diesem Satz auf das Weltwissen

zurückzugreifen, um diesen Satz richtig interpretieren zu können. Der Feuerwehr-Wagner ist

nämlich ein berühmter Heuriger in Wien und Markovitsch ein Winzer. (vgl. Jaks 2008: 9)

Um das Gelesene zu verstehen, geht man momentan von zwei Verstehensmodellen aus:

1. Datengeleitete Verarbeitung/Bottom-up-processing: Die Informationen werden von

unten durch Dekodierung an das Bewusstsein heran geführt. Demnach werden einzelne

Buchstaben identifiziert und als Buchstabenkombinationen in Einheiten bzw. als Wörter

erfasst, die letztlich als Wortgruppen bzw. Sätze identifiziert werden und schließlich einen

Text ausmachen. Es scheint nur sprachliches Wissen im Vordergrund zu stehen. Das

73

außersprachliche Wissen scheint irrelevant für das bottom-up-processing zu sein. (Jaks 2008:

10-11)

2. Schemageleitete Verarbeitung/Top-down-processing: Das Top-down-Verstehensmodell

geht die umgekehrte Richtung. Es steht also der Kontext im Mittelpunkt, der beim Verstehen

helfen soll. In der Fremdsprache ist das top-down-processing noch wichtiger, da alle

vorhandenen Wissensbestände zur Dekodierung herangezogen werden. (Berthele 2007: 20)

Die Psycholinguistik hat ein Modell entworfen, das sowohl data-driven als auch concept-

driven funktioniert und zusätzlich durch das prozedurale Sprachwissen gesteuert wird. Dies

war nötig, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass der Leseprozess streng linear abläuft. Eine

Kombination der beiden Verstehensmodelle entspricht mehr der komplexen kognitiven

Fertigkeit des Lesens. (Jaks 2008: 13)

Ein mögliches Modell des Verstehens und Erschließens bietet Berthele 2007 (vgl. S. 78) an.

Am Anfang steht eine cue, also ein Signal, das sowohl mündlich als auch schriftlich sein

kann. Diese cue bzw. dieser Input führt letztlich zu einem mentalen Modell. Dazwischen wird

einiges an sprachlichem und nicht-sprachlichem Wissen aktiviert, welches durch die Kreise in

der Grafik (Abbildung 13) dargestellt wird. Dazu gehören das Weltwissen, der Kontext, das

mentale multilinguale Lexikon, die Formschemata zu Satz und Text (zB. Märchen beginnen

mit „Es war einmal…“), sowie die sprachbezogenen Strategien. Das Wissen wirkt

durchgängig auf die Verarbeitung des Gelesenen ein. Der Weg geht von der visuellen

Verarbeitung über die graphematische Verarbeitung, zur lexikalischen Selektion und weiter

zur semantisch syntaktischen Verarbeitung, um über die referentielle Verarbeitung beim

mentalen Modell zu enden. Obwohl dies in der Grafik als linearer Prozess angezeigt ist,

zeigen die auf- und abwärts gehenden Pfeile deutlich, dass es sich nicht um einen reinen

bottom-up-Prozess handeln kann, da auch Schritte retour bzw. sogar das Überspringen

einzelner Schritte möglich sind. (vgl. Bertehele 2007: 16-18)

74

Abbildung 13: Bertehele 2007: 17

Zwischen dem Lesen in der Muttersprache und dem Lesen in der Fremdsprache gibt es einige

Unterschiede, die es zu beachten gilt:

Das Lesen in der Muttersprache ist von mehreren Kenntnisbereichen abhängig, wie den

Buchstabenkombinationen (1), dem Satzverlauf (2), den Wortkombinationen (3), logischen

Strukturen (4) und der Beschaffenheit der Welt. Die ersten drei Bereiche müssen in der

Fremdsprache neu erworben werden, was lange dauern kann, wohingegen die Bereiche vier

und fünf vorausgesetzt werden können. Sie stellen das Weltwissen dar. (Westhoff 1997: 73-

74)

Die Bereiche vier und fünf, also die logischen Strukturen und die Beschaffenheit der Welt,

müssen beim fremdsprachlichen Lesen erst aktiviert werden. Erst dann ist es möglich, dass sie

Defizite in den anderen drei Bereichen ausgleichen können. (Westhoff 1997: 74)

Klein und Stegmann stellen das Verfahren beim Lesen in der Fremdsprache folgendermaßen

dar:

• Der Titel und der Untertitel werden gelesen, um eine Erwartung aufzubauen.

• Der Text wird ein erstes Mal schnell gelesen, wobei Hindernisse (unbekannte Wörter)

vorerst übersprungen werden sollten.

75

• Anschließend sollte man die Frage nach dem Thema beantworten können und die

• bekannten Wörter übersetzen, und sich die unbekannten Wörter durch den Kontext

erschließen. (Klein/Stegmann 2000: 22)

In der Interkomprehension spricht man von der Technik des Erschließens, welche in drei

Teilen erfolgt. Die gewählte Reihenfolge ist nicht immer chronologisch zu verstehen, da das

Individuum seine eigene Lernbiographie nutzt, um sich den Text zu erschließen und hierbei

vielleicht mehr Wissen aktivieren kann, als ein anderes Individuum.

1. Außertextueller Informationskomplex

2. Spontane Erschließung

3. Reflektierte Erschließung

Die folgende Grafik zeigt, wie das Erschließen funktioniert. Was hier sehr geordnet und nach

einer strengen Reihenfolge abzulaufen scheint, ist eigentlich ein komplizierter Prozess, bei

dem die einzelnen Schritte oft gleichzeitig ablaufen. Hufeisen und Marx 2007 schreiben dazu:

„bei einem einzigem Lexem kann es nötig sein, mehrere Siebe zum Verständnis heranzuziehen,

oder ein einzelnes Sieb kann beim Verstehen einer sprachlichen Einheit den Vorrang haben.“

(Hufeisen/Marx 2007: 13)

76

Abbildung 14: Klein (o. J.): letzter Zugriff: 30. November 2010

Beim Außertextuellen Informationskomplex werden sowohl die Leseerwartung als auch das

textrelevantes Vorwissen aktiviert, um vorab wichtige Informationen zu erschließen.

Aufgrund des Wissens um die Textsorte oder aber bei einer Vermutung über den Inhalt stellt

sich die Leseerwartung ein. Zu erschließende Lexeme werden wahrgenommen, welche

einerseits als unbedeutend oder als Transferelemente zur Sinnerfassung weiter verfolgt

werden, um sie spontan zu erschließen. Zuerst versucht man die Erschließung über die Siebe

1-4, gelingt dies nicht, wird zur reflektierten Erschließung übergegangen: Es wird versucht

über die Siebe 5-7 den Text zu erschließen. Bei Gelingen wurde der Text erfolgreich

77

verstanden. Gelingt dies jedoch nicht, werden die Profilwörter und das Miniportrait zu Rate

gezogen. (Rutke 2002: 112)

Obwohl in der Theorie Leseerwartung und textrelevantes Vorwissen beim Lesen helfen

sollten, wissen die SchülerInnen nicht genau, wie sie sich ihr eigenes Wissen zu Nutze

machen. Klein S. 2004 schreibt über das Verhalten der Lernenden:

„Sie werden zwar dazu angehalten, aber der Alltag zeigt, dass sie in der Mehrheit dazu neigen, jedes Wort, das ihnen unbekannt ist, nachzuschlagen, statt den unbekannten Text so weit es möglich ist, logisch zu erschließen.“ (Klein S. 2004: 15)

Das Lesen bzw. Verstehen bei der EuroCom-Methode funktioniert durch die sieben Siebe.

„Gesiebt werden Originaltexte, wobei sich Textsorten empfehlen, mit denen der Leser aus

dem eigenen Kulturkreis vertraut ist.“ Die beliebteste Textsorte ist hierbei der Zeitungsartikel.

(Zybatow 2002a: 360)

Das folgende Unterkapitel stellt deswegen die sieben Siebe vor und liefert darüber hinaus

auch Beispiele für die jeweiligen Siebe.

5.6.1. Die sieben Siebe

Bei den sieben Sieben handelt es sich um sieben Strategien, die es ermöglichen einen

fremdsprachigen unbekannten Text zu dekodieren.

Beim ersten Sieb handelt es sich um den Internationalen Wortschatz (= IW): Der

internationale Wortschatz geht aus dem Wortschatz der lebenden Sprachen hervor. Er ist in

vielen Sprachen gleich, speziell in Hinblick auf die europäischen Sprachen, welche teilweise

eine gemeinsame lateinische Basis haben. Der IW ist deshalb das erste Sieb, weil

Internationalismen am einfachsten in einem fremdsprachigen Text zu identifizieren sind.

(Zybatow 2002a: 361)

„Den ersten Anhaltspunkt für den Inhalt eines Textes in einer unbekannten Sprache bieten – außer Namen und Zahlen – meistens Wörter wie Demokratie, Information, Telefon, Kilometer, die viele Sprachen gemeinsam haben, auch wenn sie nicht verwandt sind […]“ (Möller 2007a: 27)

Ein/e Erwachsene/r kennt über ca. 5000 solcher Worte aus dem IW, welche er/sie problemlos

innerhalb neuer Sprachen wieder erkennen und verstehen kann, da diese - wenn überhaupt -

nur leicht verändert ist. Hinzu kommt, dass der IW einen hohen Prozentsatz innerhalb eines

Zeitungstextes oder zum Beispiel eines Lexikoneintrages einnimmt und darüber hinaus nicht

an Authentizität einbüßt. (Zybatow 2002a: 361)

78

Bei einem Lexikoneintrag zB. zum Thema Frankreich weiß der/die Lesende bereits, mit

welcher Information er/sie rechnen muss. Der Text wird leicht verständlich, da vor allem

Nomen und Internationalismen (oft auch als Fremdwörter bezeichnet) darin vorkommen und

somit das Lesen vereinfachen. Klein und Stegmann 2000 geben ein Beispiel für einen solchen

Lexikoneintrag über Frankreich in Spanisch:

„Francia: Estado de Europa occidental, que limita al NO con el canal de la Mancha y el mar

del Norte; […]“ (Klein/Stegmann 2000: 31)

Das zB. geographische Vorwissen über Frankreich und die Internationalismen ermöglichen es,

den Text zu verstehen, ohne auch nur ein Wort Spanisch zu sprechen. Selbstverständlich kann

der Verstehenseffekt zwischen den einzelnen Lernenden variieren, da nicht alle LernerInnen

dieselben Internationalismen kennen bzw. nicht alle das gleiche Vorwissen haben.

(Klein/Stegmann 200: 31-32)

„In Bezug auf den IW ist die romanische Sprachfamilie die privilegierteste Sprachfamilie der

Welt. Denn: ein sehr großer Anteil des IW stammt aus den romanischen Sprachen und dem

Latein (vermutlich über 90 %).“ (Klein/Stegmann 2000: 37) Besonders aus dem

wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Bereich kommen die Internationalismen.

Als Internationalismus zählen ebenso Eigennamen, Namen von Institutionen und

geographische Begriffe. (vgl. Zybatow 2002a: 361)

Das zweite Sieb umfasst für die romanischen und slawischen Sprachen den panromanischen

bzw. panslawischen Wortschatz (= PW), also Wörter, die allen slawischen und romanischen

Sprachen gleich sind. Man könnte sie demnach als Internationalismen der jeweiligen

Sprachfamilie bezeichnen. Im Falle der germanischen Sprachen wird das zweite Sieb durch

die Funktionswörter repräsentiert. Bei den Funktionswörtern handelt es sich meistens um

kurze Wörter, zB. Textverbindungselemente. Dieser Unterschied zwischen der

romanischen/slawischen und der germanischen Interkomprehension liegt vor allem daran,

dass die germanische Sprachfamilie aufgrund ihrer Größe nicht auf einen gemeinsamen

pangermanischen Wortschatz zurückgreifen kann, jedoch im Falle der Funktionswörter eine

Vergleichsbasis findet. (vgl. Hufeisen/Marx 2007: 9)

Möller 2007b definiert die Funktionswörter folgendermaßen: Es handelt sich dabei um „die

kurzen, häufig erscheinenden Wörter, die keine eigene lexikalische Bedeutung haben, sondern

nur im Zusammenhang mit anderen Elementen eines Textes auf Außersprachliches verweisen

(Pronomina, Konjunktionen, Präpositionen u.ä.).“ (Möller 2007b: 57)

79

Die Funktionswörter sind für einen Text besonders wichtig, da der rote Faden von ihnen

abhängt (zB. Pronomina), aber auch tragende Informationen (zB. Konjunktionen). (Möller

2007b: 57)

Die romanischen und slawischen Sprachen können hingegen auf einen gemeinsamen

Wortschatz zurückgreifen. Beim panromanischen Wortschatz handelt es sich ungefähr um 500

Wörter, die aus der gemeinsamen lateinischen Vergangenheit noch heute in den romanischen

Sprachen zu finden sind. Diese Wörter sind zumeist Worte des Grundwortschatzes, sind also

elementar und absolut notwendig für den Erwerb der Sprache. (Klein/Stegmann 2000: 37)

Beim panromanischen Wortschatz ergibt sich lernökonomisch betrachtet ein wichtiger Effekt:

Jedes Wort aus dem PW, das man beherrscht, beherrscht man in mehreren zB. romanischen

Sprachen. (Klein/Stegmann 2000: 37)

Der panromanische Wortschatz seinerseits besteht aus sechs Teilen bzw. Listen. Die folgende

Grafik zeigt die einzelne Verteilung:

Abbildung 15: Klein (o.J.): letzter Zugriff: 30. November 2010

Der erste Teil stellt die „39 absolut panromanischen Wörter aus dem Nominal- und

Verbalbereich“ dar. (Klein/Stegmann 2000: 38) Sie kommen im Grundvokabular aller sechs

in EuroComRom vertretenen Sprachen vor (Französich, Spanisch, Katalanisch, Italienisch,

Portugiesisch, Rumänisch) und zudem kommen sie versteckt auch im deutschen Wortschatz

vor, warum sie auch als absolut panromanischer Wortschatz bezeichnet werden.

(Klein/Stegmann 2000: 38)

Das nächste Segment in der Grafik beschreibt Wörter des Grundvokabulars in allen neun

Sprachen des EuroComRom-Projektes. Gemeinsam mit dem ersten Segment bilden sie den

80

Nukleus des panromanischen Wortschatzes, also den vererbten lateinischen Kernwortschatz.

(Klein/Stegmann 2000: 38)

Das dritte Segment bezieht sich auf die 33 Wörter, die in acht der romanischen Sprachen

vorkommen. Diese 33 Wörter lassen sich in entlehnter Weise im deutschen Wortschatz wieder

finden. Gemeinsam mit dem vierten Segment, das 227 Wörter aus fünf bis sieben

romanischen Sprachen enthält, bildet das dritte Segment eine Ergänzungsliste zum Nukleus

des panromanischen Wortschatzes, die meistens auch zum Grundwortschatz gehören. Der

Nukleus und die Ergänzungsliste bilden den panromanischen Erbwortschatz. (Klein/Stegmann

2000: 38)

Weitere 73 panromanische Wörter liefern das Gelehrtenlatein, welches als Schriftsprache

Einfluss auf die romanischen Sprachen hatte und die 20 Lehnwörter germanischen Ursprungs,

die in die romanischen Sprachen durch steten Kontakt aufgenommen wurden.

(Klein/Stegmann 2000: 38)

In der slawischen Sprachfamilie lassen sich ca. 150 Wörter zum panslawischen Wortschatz

zählen. Dies ist um einiges weniger als bei den romanischen Sprachen. Eine Einteilung wie

bei den romanischen Sprachen in mehrere Segmente ist demnach nicht sinnvoll. (vgl.

Zybatow 2002a: 364)

Als Beispiel wurde eine Grafik zum panromanischen Wortschatz gewählt, da dieser die

meisten Möglichkeiten bietet. Sie zeigt die ersten fünf Panromanischen Wörter aus der Liste

in alphabetischer Reihenfolge (↓) und in den Sprachen Französisch, Italienisch, Ka talanisch,

Portugiesisch, Rumänisch, Spanisch und Deutsch, sowie eine Assoziationshilfe (von links

nach rechts →)

(ac)clamer chiamare clamar chamar a chema llamar rufen nennen Proklamation Klamauk

(ain)si così així assim aşa así so Così fan tutte

- falda falda falda -- falda Falte Rock Falte

à a a a a a zu ad acta legen

abandonner abbandonare abandonar abandonar a abandona abandonar verlassen

absolu assoluto absolut absoluto absolut absoluto unbedingt absolut

Abbildung 16: Universität Frankfurt 1 (2008): letzter Zugriff 17. Dezember 2010

81

Das dritte Sieb umfasst die Lautentsprechungen (LE). Durch die Lautentsprechungen, die

durch die Methode EuroCom sichtbar werden, können Wortverwandtschaften erkannt

werden. Viele Wörter, die einen gemeinsamen Ursprung haben, haben sich nämlich in den

letzten 1500 Jahren lautlich so stark verändert, dass man sie als Laie kaum noch für verwandt

halten würde. Durch das dritte Sieb, welche zum Teil Lautentsprechungsformeln bietet,

werden die Gemeinsamkeiten wieder deutlich. Die Lautentsprechungen, die man vielleicht

mühsam implizit erkannt hätte, werden somit von vornherein explizit gemacht und stehen von

Anfang an beim Spracherwerb zur Verfügung. (vgl. Klein/Stegmann 2000: 61)

Die folgende Grafik zeigt eine Lautentsprechungsformel für die Auslautvokale und geht dabei

vom Französischen aus. –e im Auslaut wird demnach in den anderen romanischen Sprachen

zu –a bzw zu –ă.

Abbildung 17: Universität Frankfurt 2 (2008): letzter Zugriff 17. Dezember 2010

Ein weiteres Beispiel sind die Worte puerta (Spanisch) und porte. Die folgenden spanischen

Wörter können mit einer einfachen Lautentsprechungsformel ins Französische übersetzt

werden. Ue (Spanisch) o (Französisch). Beispiele dafür sind puente (pont) und muerte

(mort). (Klein/Stegmann 2000: 61)

Das dritte Sieb steht in engem Zusammenhang mit dem vierten Sieb, den Graphien und

Aussprachen, da oft gleiche Laute unterschiedlich geschrieben und gesprochen werden und

manchmal unterschiedliche Laute gleich geschrieben bzw. gesprochen werden. (vgl. Zybatow

2002a: 365)

82

Graphien und Aussprache (GA) stellen den Inhalt des vierten Siebes dar. Durch die

unterschiedliche Aussprache zwischen den verschiedenen romanischen Sprachen kann man

sehr oft keine Verwandtschaft zwischen den Wörtern der einen und der anderen Sprache

finden. Hier nutzen die Graphie- und Ausspracheformeln enorm, da sie systematisch die

Entsprechungen auflisten.

Hier empfiehlt es sich auch, sich den Text anzuhören, um zu wissen, wie die einzelnen

Grapheme ausgesprochen werden. (vgl. Hufeisen/Marx 2007: 10)

Die folgende Grafik zeigt die Graphien und die Aussprachemöglichkeiten des Graphems C in

Verbindung mit bestimmten Vokalen bzw. Konsonanten in den romanischen Sprachen. C vor

–e und –i wird demnach im Französischen als S gesprochen, wohingegen es im Italienischen

als tS gesprochen wird.

GRAPHIE

FRZ

ITL

KAT

PORT

RUM

SPAN

C

c] e, i

s

t S

s

s

t S

g, [s]

centre

centro

centre

centro

centru

centro

c] a, o, u

k

k

k

k

k

k

cas

curieux

caso

curioso

cas

curiós

caso

curioso

caz

curios

caso

curioso

ch

S

k

--

S

k

t S

chemise

chiamare

chamar

a

chema

escuchar

83

ç s -- s s -- --

français

braç

braço

Abbildung 18: Universität Frankfurt 3 (2008): letzter Zugriff 17. Dezember 2010

Ebenso wichtig ist das fünfte Sieb, die panromanischen/panslawischen/pangermanischen

syntaktischen Strukturen (PS). Hier geht es um die Syntaxebene. Da die neun

Kernsatztypen strukturell in allen romanischen Sprachen gleich sind, lassen sich die

Positionen von Artikeln, Nomen, Adjektiven, Verben und der anderen Wortarten leicht im

romanischen Satz, sofern einmal begriffen, lokalisieren. Ebenso bei den Nebensätzen gibt es

Ähnlichkeiten, welche den Erwerb der Syntax sehr einfach machen.

„Das fünfte Sieb hat zum Ziel, Gemeinsamkeiten in der Abfolge von Satzteilen und Teilsätzen herauszuarbeiten. Damit ist z.B. gemeint, dass es in allen Sprachen möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich ist, Aussagesätze mit der Abfolge Subjekt – Prädikat (Verb) – Objekt vorzufinden.“ (Bertehele 2007b: 167)

Durch das Wissen um die syntaktischen Strukturen, kann man schnell feststellen, welches

Wort ein Verb und welches ein Substantiv, ein Adjektiv bzw. eine Präposition ist. (vgl.

Hufeisen/Marx 2007: 11)

„Der regelmäßige Vergleich von Satzstrukturen erlaubt eine Kontrolle des bisherigen lexikalischen Erschließens; man sieht, wenn etwas bei den ersten Sieben falsch eingeschätzt und entdeckt wurde womöglich auch die Funktion einer nicht erschlossenen Konstituente.“ (Hufeisen/Marx 2007: 11)

In der folgenden Grafik geht es um die romanischen Kernsatztypen, welche in allen sechs

romanischen Sprachen nach dem gleichen Schema funktionieren: Eine Nominalphrase wird

gefolgt von einem Verb (in diesem Fall „sein“) und einer weiteren Nominalphrase.

Satzstruktur

NP + V (sein) + NP (Nom)

Frz

Yvonne est étudiante.

Ital

Paola è studentessa.

Kat

Rosa és estudiant.

Port

João é estudante.

84

Rum Radu este student.

Span

Pedro es estudiante.

Abbildung 19: Universität Frankfurt 4 (2008): letzter Zugriff 17. Dezember 2010

Das sechste Sieb umfasst die morphosyntaktischen Elemente (ME). Hiermit werden die

grammatischen Phänomene, wie zum Beispiel Steigerungsformen, Kasus- und

Pluralmarkierungen, sowie die Artikel miteinander verglichen. (vgl. Fernuniversität Hagen

2002: http://www.eurocom.uni-frankfurt.de/siebe/7Siebe/BIN/start.htm letzter Zugriff: 20. August

2010, vgl. Hufeisen/Marx 2007: 11-12)

Das folgende Beispiel befasst sich mit dem bestimmten Artikel, welcher in den romanischen

Sprachen durch ein l erkennbar ist. Das l stellt somit den zentralen Bestandteil des Artikels

dar, wobei das Portugiesische hierbei eine Ausnahme bildet, da es vokalisiert wurde und somit

als o bzw. a verwendet wird. Die folgende Tabelle zeigt die einzelnen Unterschiede in den

romanischen Sprachen auf:

Abbildung 20: Universität Frankfurt 5 (2008): letzter Zugriff 17. Dezember 2010

Die Tabelle zeigt sehr deutlich, dass das Rumänische eine Sonderstellung einnimmt, was die

Artikel betrifft, da der bestimmte Artikel im Singular an das Nomen bzw. an das Adjektiv

angehängt wird. (vgl. Klein/Stegmann 2000: 124, Universität Frankfurt (2008) letzter Zugriff:

17. Dezember 2010)

Bei der Steigerung in den germanischen Sprachen kann man die morphosyntaktischen

Elemente zumindest im Komparativ sehr leicht erkennen. Als Beispiel nennt Zeevaert 2007

das Adjektiv süß. Im Deutschen wird dieses auf süß-er gesteigert, was auch im Englischen

(sweet-er), im Niederländischen (zoet-er) und im Friesischen (swiet-er) zutrifft. Leichte, aber

dennoch erkennbare Abänderungen gibt es im Dänischen (sød-ere), im Norwegischen (søt-

ere) und im Schwedischen (söt-are), sowie im Isländischen (sæt-ari). Ebenso im Superlativ

lässt sich zumindest das –st- immer finden (süßesten, sweetest - Englisch, swietst – Friesisch,

sødest – Dänisch, zoetst – Niederländisch, søtest – Norwegisch, sötast – Schwedisch und

sætastur – Isländisch). (Zeevaert 2007: 181)

85

Das letzte Sieb umfasst die Listen der Prä- und Suffixe (FX). Sie erlauben den Lernenden

den Sinn zusammengesetzter Wörter schnell zu erschließen. Eine kleine Anzahl an Prä- und

Suffixen sorgt für ein Maximum an Wortverständnis. (vgl. Klein, Horst G./Tilbert D.

Stegmann 2000: 14-15)

Die folgende Tabelle stellt die fünf Präfixe ambi-, amphi-, ana-, ante- und anti- mit

Wortbeispielen in den Sprachen Französisch, Italienisch, Katalanisch, Portugiesisch,

Rumänisch und Spanisch dar:

ambi-

ambivalent

ambivalente

ambivalent

ambivalente

ambivalent

ambivalente

amphi-

amphithéâtre

anfiteatro

amfiteatre

anfiteatro

amfiteatru

anfiteatro

ana-

anachronie

anacronismo

anacronisme

anacronismo

anacronism

anacronismo

ante-

antécédant

antecedente

antecedent

antecedente

antecedent

antecedente

anti-

antipathique

antipatico

antipàtic

antipático

antipatic

antipático

Abbildung 21: Universität Frankfurt 6 (2008): (letzter Zugriff: 17. Dezember 2010)

Nachdem ein Text nach den sieben Sieben gefiltert wurde, bleiben unter Umständen einige

unbekannte Wörter übrig, die sich durch keines der Siebe erschließen ließen. Hierbei handelt

es sich normalerweise um wenige Lexeme, die zB. mit dem Wörterbuch bzw. durch

intelligentes Raten erschlossen werden können. Die unbekannten Wörter nennt man

Profilwörter. Ein großer Teil dieser Profilwörter wird durch das von EuroCom für die

jeweilige Sprache erstellte Miniportrait erfasst, welches eine weitere Hilfestellung zur

Erschließung der fremdsprachigen Texte bietet. Im Miniportrait finden sich neben

allgemeinen Informationen zur Sprache (geographische Verbreitung, Ursprung und historische

Entwicklung) auch Informationen zu Varietäten, charakteristische Laut- und Ausspracheregeln

der jeweiligen Sprache, ein Minilexikon mit den wichtigsten Wörtern der jeweiligen Sprache,

sowie die Strukturwörter die 50-60 % der Sprache ausmachen. (vgl. Hufeisen/Marx 2007: 13)

Die Methode EuroCom bzw. die Sieben Siebe könnten selbstverständlich auch im

Schulunterricht Anwendung finden. Das folgende Unterkapitel stellt ein Beispiel für einen

Unterricht mit EuroCom dar.

86

5.7. EuroCom im Unterricht

Bayern, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Hessen waren bis jetzt interessiert daran, das

EuroCom-Projekt in den Unterricht einzubinden. Dafür wurde ein Lehrwerk mit dem Titel

„Europa International – Einführung ins Leseverstehen romanischer Sprachen. EuroCom

Stufe I (Bd. 19)“ geschaffen. Es folgte eine weitere Publikation: „Große Euopäer –

Transkulturelle Texte zum Leseverstehen romanischer Sprachen. EuroCom Stufe II (Bd. 20)“

(Bär 2004: 133-134)

Hauptsächlich wurde bis jetzt mit StudentInnen der Romanistik gearbeitet. 2002 gab es dann

den ersten Versuch mit einer bilingualen Schule in Frankfurt. Eine Frage blieb damals aber

stets offen: Funktioniert EuroCom auch in einer Gesamtschule ohne bilingualen Hintergrund?

(vgl. Klein S. 2004: 9-10)

In der Heinrich Böll Gesamtschule in Hattersheim wurde das EuroCom-Projekt im Rahmen

eines Schnupperkurses eine Woche lang (fünf Schultage) jeweils fünf Stunden pro Tag

getestet. Bei der Hattersheimer Gesamtschule handelt es sich um eine Schule ohne bilingualen

Hintergrund. Das Projekt wurde vom Hessischen Rundfunk begleitet und evaluiert. (vgl.

Klein S. 2004: 12)

Die SchülerInnen der Heinrich Böll Gesamtschule lernen ab der siebenten Klasse Französisch

oder Spanisch als zweite Fremdsprache. Das Projekt wurde so geplant, dass theoretisch alle

SchülerInnen der zehnten und elften Gymnasialklasse teilnehmen könnten. (vgl. Klein S.

2004: 11)

Voraussetzungen für die Teilnahme waren neben sechs bis sieben Lernjahren Englisch auch

vier bis fünf Lernjahre Französisch bzw. Spanisch, weswegen sich die SchülerInnen der

zehnten und elften Klasse am besten eigneten. Da das Interesse seitens der SchülerInnen sehr

groß war, mussten weitere Kriterien durch die LehrerInnen festgelegt werden. Ausgewählt

wurden letztlich SchülerInnen, die mindestens ein Befriedigend in den Fremdsprachen

aufwiesen, vielleicht sogar noch weitere Sprachkenntnisse hatten und ein ernsthaftes Interesse

mitbrachten. (vgl. Klein S. 2004: 14)

Um die Lerninhalte besser vermitteln zu können, wurde mit PowerPoint gearbeitet. Die

Lernenden wurden zwar in zwei Gruppen (Französisch- bzw. Spanischsprechende) geteilt,

wurden aber oft auch gemeinsam unterrichtet. Um eine multi language awareness zu fördern,

wurde ein Laut-Denk-Protokoll eingeführt. Die Lernenden protokollierten damit ihre

87

Wortfindungs- und Worterschließungsprozesse, also ihre persönlichen Gedanken und ihr

Weltwissen. Das Laut-Denk-Protokoll fiel genauso wie das Erstellen einer Hypothesen- bzw.

Spontangrammatik in den Bereich des eigenständigen Arbeitens. (vgl. Klein S. 2004: 16-18)

Am ersten Tag sollten sich die SchülerInnen an das Modell der Interkomprehension

herantasten. Der Ablauf war in unterschiedliche Prozesse aufgeteilt (Annäherung an die

Fremdheit, Vertrautes in der Fremdheit, Verstehen in der Fremdheit, Vertrautes im

Nahverwandten). Sie wurden über verschiedene Fernsehausschnitte zum 11. September 2001

in verschiedenen Sprachen, an die Thematik herangeführt. Der erste Fernsehausschnitt war

eine Nachrichtensendung aus dem chinesischen Fernsehen (Annäherung an die Fremdheit),

wobei nur die Bilder die Thematik erschließen ließen. Danach folgte eine arabische

Nachrichtensendung vom 11. September 2001 (Vertrautes in der Fremdheit), wo bereits

geographische Begriffe verstanden wurden und ein Schüler mit türkischer Muttersprache

einige Lehnworte aus dem Arabischen wieder erkannte. Im Anschluss folgte eine polnische

Nachrichtensendung mit einem Interview zum selben Thema (Verstehen in der Fremdheit).

Hier wurden bereits Begrüßungsrituale erkannt, einige Begriffe übersetzt und ein

Grobverstehen war durch europäische Kulturwörter möglich. Erst der letzte Beitrag ging auf

die romanische Interkomprehension ein (Vertrautes im Nahverwandten), als ein rumänischer

Beitrag zum 11. September gezeigt wurde. Die Muttersprache und die beiden

Brückensprachen Englisch und Französisch/Spanisch halfen beim groben Verstehen. Ein

kurzer rumänischer Text wurde anschließend in Zweier- bzw. Dreiergruppen innerhalb von 15

Minuten bearbeitet. Danach wurden die Erschließungsstrategien erklärt, worauf ein

katalanischer Text zur „Herkunft und Wirkung von Kefir“ folgte. Zum Abschluss wurde ein

Einstufungstest gemacht, bei dem die SchülerInnen einen Text aus ihrer zweiten

Fremdsprache (Französisch/Spanisch) übersetzen sollten, um die nötige B2-Kompetenz im

Leseverstehen zu gewährleisten. (Klein S. 2004: 18-26)

Am zweiten Tag wurde mit einer kurzen Wiederholung des Vortages begonnen, bevor die

ersten beiden Siebe der sieben Siebe erklärt wurden. Der erste Text für den zweiten Tag zielte

auf die Internationalismen (das erste Sieb) ab. Der Text wurde an die Spanischlernenden in

Französisch ausgehändigt und an die Französisch Lernenden in Spanisch. Beim Text handelte

es sich um einen Auszug aus einer Programmzeitschrift des Senders Eurosport. Nach einem

weiteren internationalismenreichen Text folgte ein surrealistischer deutscher Text mit

panromanischen Wörtern. Der deutsche Text mit den panromanischen Wörtern sollte übersetzt

werden. Im Anschluss folgte ein surrealistischer englischer Text, der ebenfalls den

88

panromanischen Wortschatz des anderen Textes enthielt. Um noch mehr Textsorten zu

präsentieren, wurde ein französisch- bzw. spanischsprachiger Text der europäischen

Zentralbank aus dem Internet vorgelegt. Die Klasse wurde für die Bearbeitung in zwei

Gruppen geteilt, wobei die französischsprachige Gruppe, die den spanischen Text bearbeitete,

von der SpanischlehrerIn, und die spanischsprachige Gruppe mit dem französischen Text von

der FranzösischlehrerIn begleitet wurde. Auch die Aussprache wurde hierbei berücksichtigt,

da diese beim Erschließen sehr wichtig sein kann. (Klein S. 2004: 27-36)

Am dritten Tag wurden drei Kontaktanzeigen von den SchülerInnen erschlossen. Im

Anschluss wurde über die Laut-Denk-Protokolle und die Hypothesengrammatik diskutiert, da

beide den Frotschritt im Spracherwerb dokumentieren und diesen sichtbar machen. (vgl. Klein

S. 2004: 37-43)

Abbildung 22: Klein S. 2004: 43

Die Lautentsprechungen wurden ebenfalls an diesem Tag besprochen. Ein Fernsehausschnitt

einer Schweizer Nachrichtensendung zum 11. September 2001 wurde vorgestellt. Den

SchülerInnen gelang es nach einer zweiten Vorführung Unterschiede zwischen dem

Bundesdeutsch und dem Schwyzerdütsch zu finden wie zB. die Intonation, Lautunterschiede

in Bezug auf die Nasale, andere Wörter usw. Im Anschluss sollten die SchülerInnen

entscheiden, ob Schwyzerdütsch eine andere Sprache ist als Bundesdeutsch, wobei sich bei

dieser Entscheidung nicht alle einig waren. Danach wurde ein Ausschnitt eines belgischen

89

Senders in flämischer Sprache gezeigt, und die SchülerInnen erkannten, dass der erste Beitrag

leichter für sie verständlich war. Dennoch konnten die Lernenden einige Ähnlichkeiten finden

wie die Intonation, das verwandte Lautinventar, Assoziationsworte und transferierbare

Wörter/Silben. Dadurch wurde den Teilnehmenden bewusst, wie einfach es ist, diese beiden

Sprachen zu verstehen, wenn man bestimmte Lautentsprechungen berücksichtigt. Im

Anschluss wurde zu den romanischen Sprachen zurück gefunden, indem die wichtigsten

Lautentsprechungen zwischen Französisch und Spanisch auf einem Arbeitsblatt ausgeteilt

wurden. Danach folgte ein Text für alle Teilnehmenden in spanischer Sprache über Asturien,

der bis auf ein Profilwort zur Gänze verstanden wurde. Es folgte ein italienischer Werbetext,

der ebenfalls bis auf zwei Hilfestellungen sofort verstanden wurde. Ebenfalls ein rumänischer

kurzer Werbetext konnte leicht verstanden werden. (vgl. Klein S. 2004: 44-48)

Den Einstieg am vierten der fünf Projekttage bildeten die noch nicht erschlossenen

Kontaktanzeigen vom Vortag. Danach wurde auf das e-learning-Projekt EuroCom-online

eingegangen (vgl. Kapitel 5.8.), indem ein spanischer Text über die Firma SEAT übersetzt

wurde. Im Anschluss wurde ein touristischer Text zu Sehenswürdigkeiten in Kleingruppen

bearbeitet. In Zuge dessen wurde auf die panromanische Syntax (fünftes Sieb) eingegangen

und weiter an der Hypothesengrammatik gearbeitet. Den Abschluss bildete ein Liedtext

(Guantanamera). (vgl. Klein S. 2004: 49-58)

Am letzten Projekttag wurde noch einmal das Lied vom Vortag gesungen, bevor Auszüge aus

Wetterberichten ausgeteilt wurden. In getrennten Gruppen wurde nun eine Ausspracheübung

durchgeführt. Die Transfertechniken waren bereits von den SchülerInnen so verinnerlicht

worden, dass nur noch wenige Profilwörter erklärt werden mussten. Danach wurde ein Text

mit Kurzkommentaren zu Filmen bearbeitet. Wieder wurden die Ergebnisse im Plenum

besprochen. Danach folgte ein Abschlusstext um die Erschließungsstrategien zu überprüfen,

wobei nur das Arbeitsblatt mit den Lautentsprechungen benutzt werden durfte. Jede/r

TeilnehmerIn konnte den Kurs positiv abschließen und erhielt ein Zertifikat für die

Kompetenzstufe B1/B2 des GERS. (vgl. Klein S. 2004: 59-66)

Das Projekt und der Kontrolltest am Ende zeigten, dass auch in einer Schule ohne bilingualen

Fokus EuroCom eingesetzt werden kann, solange die SchülerInnen ein bestimmtes Niveau in

den Brückensprachen mitbringen können. Auch die Gruppe der Spanischlernenden konnte

Französisch mit der EuroCom-Methode lernen, solange die Methode etwas angepasst wurde.

Neben der Kompetenz in der Zielsprache Französisch/Spanisch wurden auch Kenntnisse bzw.

eine language awareness für andere Sprachen (zB. Flämisch) vermittelt. Das dichte Programm

90

wurde zwar als positiv, aber auch als anspruchsvoll und anstrengend bezeichnet. Das Ziel, die

Lernenden mit der Methode bekannt zu machen, sie dafür zu motivieren und die

Lesekompetenz in einer weiteren Sprache zu erreichen, konnte erreicht werden. (vgl. Klein S.

2004: 66-68)

Dennoch bleibt die Frage offen, ob das Projekt tatsächlich an jeder Schule mit Erfolg

unterrichtet werden könnte, da die SchülerInnen nach ihren Noten ausgewählt wurden und

somit eine unnatürliche Lernsituation geschaffen wurde, in der nur die besten lernten. Auch

die Tatsache, dass unter den Lernenden jene bevorzugt wurden, die Kenntnisse in einer

weiteren romanischen Sprache beherrschen, bestärkt diese Vermutung. Um die Methode

sinnvoll zu testen, sollten alle SchülerInnen – unabhängig von Noten und

überdurchschnittlichem Sprachwissen – einbezogen werden, da die Methode EuroCom bereits

mit Englisch-Kenntnissen und Grundkenntnissen in Französisch anwendbar sein sollte.

Der EuroCom-Unterricht an der Heinrich-Böll-Schule hat gezeigt, dass Interkomprehension

mit dem Schulunterricht kompatibel ist. Im folgenden Unterkapitel wird EuroCom als

Selbstlernmethode im Internet vorgestellt, wodurch die Möglichkeit des life-long-learnings

durch die Interkomprehension bzw. durch EuroCom gegeben ist.

5.8. EuroCom im Internet

Da der EuroCom-Methode ein konstruktivistisches Lernmodell zugrunde liegt, bietet sie

ideale Voraussetzungen für eine Umsetzung in den digitalen Medien. Bei EuroCom online

wird der Lernende nämlich immer wieder an den zu bearbeitenden Text zurückgeführt,

während die benötigten Informationen zwischendurch gegeben werden. (vgl. Rensing/Klein

2004: 237)

Zurzeit beschränkt sich EuroCom online auf die drei romanischen Sprachen Rumänisch,

Italienisch und Spanisch. Als Brückensprachen werden das Französische und das Englische

benötigt. Der Spracherwerb erfolgt über mehr oder weniger authentische Texte, die sich als

Lerneinheiten präsentieren. Der Lernprozess zu den einzelnen Texten gliedert sich in vier

Schritte: Textbearbeitung, Kontrollfragen, Übersetzung und Lernfortschritt. (vgl.

Rensing/Klein 2004: 238)

Im ersten Schritt, Textbearbeitung, liest der/die Lernende den Text in der Zielsprache und hört

sich die einzelnen Passagen an. Ein passendes Bild zum Text erleichtert das Verständnis, da

die Lernenden so auf ihr außertextuelles Wissen zurückgreifen können. (Rensing/Klein 2004:

238, Klein S. 2004: 50)

91

Hier wurde als Beispiel ein rumänischer Text gewählt. Es handelt sich um den ersten von

insgesamt 36 Texten.

Abbildung 23: TU Darmstadt (o.J.): letzter Zugriff 9. Juni 2011

Jedes einzelne Wort ist verlinkt mit Tipps und kann somit erschlossen werden, wenn die

Lernenden es noch nicht kennen. Die LernerInnen steuern somit ihren Lernprozess selbst und

sind in der Lage, Hypothesen in Hinblick auf die Grammatik aufzustellen. Als Hilfe stehen

einfache didaktische Strategien, Assoziationen bzw. Assoziationshilfen und systematische

Hilfen zur Verfügung. Darüber hinaus haben die LernerInnen die Möglichkeit sich selbst

Notizen im online-Notizblock zu machen und diese auch zu speichern. (Rensing/Klein 2004:

238-239)

Nach dem Dekodieren des Textes werden den Lernenden Kontrollfragen gestellt. Die Fragen

beziehen sich sowohl auf den Textinhalt als auch auf die grammatikalische

92

Hypothesenbildung und sollen den Lernerfolg vorführen. Währenddessen kann der Lernende

immer noch einen Schritt rückwärtsgehen und sich den Text ansehen, um doch noch die

Fragen richtig zu beantworten. (Rensing/Klein 2004: 238)

Nach den Kontrollfragen geht es weiter zur Übersetzung. Der Originaltext mit einer

Musterübersetzung und die eigenen Notizen werden hierbei einander gegenübergestellt,

wodurch die LernerInnen die Möglichkeit haben, ihren eigenen übersetzten Text mit der

Musterübersetzung zu vergleichen und um auf die Originalstrukturen der Zielsprache

zurückzugreifen. (Rensing/Klein 2004: 239)

Im vierten und letzten Schritt wird der Lernfortschritt protokolliert. Die bereits erworbenen

bzw. kennengelernten grammatikalischen Strukturen werden hier zusammengefasst.

(Rensing/Klein 2004: 239)

Dabei handelt es sich um alle Phänomene, die im Text als Hypothese erschlossen werden

konnten, was natürlich nicht bedeutet, dass diese erstellte und vor allem vollständige

Hypothesengrammatik jener Hypothesengrammatik des Lernenden entspricht. (vgl. Klein S.

2004: 51)

Um im Internet die Methode EuroCom erfolgreich zu präsentieren, hat man sich an einige

Bedingungen gehalten:

• Die Aufmerksamkeit der LernerInnen muss sowohl aufgebaut als auch erhalten

werden.

• Authentizität ist unerlässlich, um eine aktive Auseinandersetzung mit der Thematik zu

gewährleisten.

• Darüber hinaus spielt die Vielfältigkeit der Texte eine große Rolle, da diese

multiperspektivisch sein müssen.

• Die Selbststeuerung muss auch gewährleistet sein, da die Lernenden ihr Lernen selbst

gestalten müssen.

• Ebenso spielt Identitätsverankerung eine große Rolle: Das Vorwissen und die

Erfahrungen der Lernenden sollen eingebracht werden können.

• Bild und Ton sollten mediendidaktisch aufeinander abgestimmt sein.

• Der letzte Punkt für ein erfolgreiches Lernen im Internet, ist die Lern- bzw.

Erfolgskontrolle, um ein Feedback zum Lernfortschritt zu erhalten. (Bär 2004: 137)

93

Wichtige Webseiten für Eurocom sind:

www.eurocomresearch.net

www.eurocomprehension.de

www.eurocomcenter.com

94

SCHLUSS Die vorliegende Arbeit hat einen Überblick über die Projekte zur Vermittlung von

Mehrsprachigkeit im Schulunterricht gegeben. Der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu

Sprachen und Kulturen (RepA) bietet eine erste Orientierung und teilt die Ansätze in vier

Kategorien ein, wobei zwei davon (das Evlang-Projekt und die Interkomprehension) in dieser

Diplomarbeit in den Kapiteln 4 und 5 ausführlich beschrieben wurden.

Neben den beiden hier vorgestellten Projekten gibt es noch weitere, die sich mit dem Thema

Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit befassen.

Das European Centre for Modern Languages (ECML oder EFSZ – Europäisches

Fremdsprachenzentrum) in Graz betreute zwischen 2008 und 2011 zwanzig Projekte, die sich

in vier große Bereiche einteilen lassen.

1. Evaluation

2. Kontinuität beim Fremdsprachenlernen

3. Content and language education mit CLIL-Fokus

4. Plurilinguale Erziehung (vgl. ECML 1)

Zu diesen Projekten zählt unter anderem auch das Projekt MARILLE, welches sich mit der

Erziehung zur Mehrsprachigkeit auseinandersetzt und Strategien sammelt, die helfen sollen,

den Unterricht in der Landessprache (in Österreich Deutsch, in Ungarn Ungarisch) zu

verbessern. (MARILLE 1) Dieses Projekt und andere konnten zwar im Rahmen der

vorliegenden Diplomarbeit nicht mehr behandelt werden, stellen aber ebenso ein großes

Potential für die Förderung der Mehrsprachigkeit im Schulunterricht dar.

Ziel dieser Diplomarbeit war es, die beiden Projekte KIESEL/Ja Ling und die

Interkomprehension zu beschreiben und aufzuzeigen, wie sie im Schulunterricht eingesetzt

werden könnten, um die Mehrsprachigkeit zu fördern.

Beim KIESEL-Projekt handelt es sich nicht um einen Fremdsprachenunterricht in einer

einzigen Sprache, sondern um die Vermittlung eines Sprachbewusstseins, auf das beim

Fremdsprachenlernen zurückgegriffen werden kann. Somit könnte es als Basis für ein

Gesamtkonzept sprachlicher Bildung gesehen werden (vgl. Kapitel 3.3.).

Vermittelt wird dabei bereits sehr früh der Sprachvergleich. KIESEL und Ja-Ling arbeiten

sowohl mit diachronen (zB. im KIESEL-Projekt Latein lebt!) als auch synchronen (zB. im Ja-

95

Ling-Projekt Fremdwörter oder im KIESEL-Projekt Von den Sprachen des Kindes zu den

Sprachen der Welt) Sprachvergleichen. Die Arbeit mit den Internationalismen wird hier schon

sehr früh trainiert und stellt eine Grundlage für das spätere Fremdsprachenlernen dar.

Durch die Sprachsensibilisierung lernen die Kinder schnell, andere Sprachen und Kulturen zu

schätzen, und werden motiviert, Sprachen zu lernen. Diese Motivation kann dabei helfen,

auch nach der Schule weiterhin Sprachen lernen zu wollen, und schafft somit eine Basis für

das life-long-learning.

Darüber hinaus werden in den beiden Projekten Mutter-, Herkunfts- und Weltsprachen

behandelt. Die Lernenden lernen den Sprachenreichtum zu schätzen und sehen, was manchen

Sprachen gemeinsam ist und worin sie sich unterscheiden.

Die Interkomprehension, im Speziellen die Methode EuroCom, eignet sich hervorragend für

den Tertiärspracherwerb und lässt sich, wie in Kaptiel 4.7. beschrieben, sogar für den

Schulunterricht einsetzen, wobei hier eine mediale Unterstützung durch das EuroCom online-

Projekt möglich ist, welches sich aber auch gut für das Selbststudium (Kapitel 5.8.) eignet.

Durch EuroCom ist es leicht möglich, das Ziel der EU – nämlich zwei Fremdsprachen

zusätzlich zur eigenen Muttersprache zu beherrschen – zumindest in Hinblick auf die

rezeptiven Fertigkeiten in kurzer Zeit und auf hohem Niveau zu erreichen. Auf das Lese- und

Hörverstehen lässt sich darüber hinaus aufbauen – eine Erweiterung durch die produktiven

Fertigkeiten ist demnach leicht möglich.

EuroCom kann zwar als Methode des Fremdsprachenlernens betrachtet werden, ist aber erst

beim Tertiärsprachenlernen sinnvoll, da Kenntnisse in Englisch und zumindest einer weiteren

Sprache (zB. Französisch, Russisch) benötigt werden. EuroCom unterstützt demnach die

bisherige Sprachenfolge, nach der statistisch gesehen am häufigsten Englisch als erste

Fremdsprache vor einer romanischen zweiten Fremdsprache erlernt wird. Darüber hinaus

lassen sich die sieben Siebe (Kapitel 5.6.1.), die die Methode EuroCom vermittelt, auch auf

viele andere Sprachen anwenden.

Mit den Projekten EuroComRom, EuroComSlav und EuroComGerm sind sechs romanische,

vierzehn slawische und neun germanische Sprachen abgedeckt. Die Methode EuroCom

ermöglicht den Lernenden insofern einen Zugang zu über einem Drittel aller europäischen

Sprachen und durch die Interkomprehension werden viele Sprachen zu Zielsprachen gemacht,

die abseits der Sprachenfolge der Schulsprachenpolitik liegen. So wird auf slawische

Sprachen wie Polnisch oder BKS aufmerksam gemacht bzw. auf germanische Sprachen wie

96

Isländisch oder die romanische Sprache Rumänisch, die sonst nicht im Zentrum des

allgemeinen Interesses stünden. Wichtig wäre hier weiterzuarbeiten, um auch die

Interkomprehension zwischen weniger verwandten Sprachen oder anderen Sprachfamilien zu

ermöglichen.

Die Sprachsensibilisierungsprojekte und die Interkomprehension sind nicht nur beide

gleichermaßen für den Einsatz im Unterricht geeignet, sie ergänzen sich auch gegenseitig, da

die language awareness, die durch das KIESEL- und das Ja-Ling-Projekt erworben wird, bei

der Interkomprehension ebenso Anwendung findet.

Zwischen den beiden Projekten liegt der Erwerb zumindest einer Fremdsprache, welcher

durch weitere Mehrsprachigkeitsmodelle, wie zB. Immersion oder auch den alltäglichen

Fremdsprachenunterricht in der Schule gestützt wird. Der sprachsensibilisierende Ansatz kann

diesen Unterricht begleiten, evaluieren und die Lernenden zu Diskussionen über die Sprache

motivieren.

97

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ZUSAMMENFASSUNG In dieser Diplomarbeit werden ausgehend von einer umfassenden Diskussion der

vielschichtigen Komponenten der Mehrsprachigkeit einerseits und der politischen

Maßnahmen der EU und des Europarates in den Bereichen der Sprach(en)- und

Sprachunterrichtspolitik andererseits zwei methodische Ansätze mit dem Fokus auf

Mehrsprachigkeit zur Vermittlung von Sprachen und Kulturen vorgestellt, die in den

Fremdsprachenunterricht integriert werden können, um die Mehrsprachigkeit in Österreich zu

fördern.

Es handelt sich hierbei um das sprachsensibilisierend arbeitende Éveil-aux-langues-Projekt

und um die Interkomprehension.

Beim Éveil-aux-langues-Projekt werden Kinder mit (Fremd-)Sprachen konfrontiert, um ein

Bewusstsein für Mehrsprachigkeit bzw. für andere Sprachen und Kulturen zu entwickeln. Das

Éveil-aux-langues-Projekt hat zwei deutschsprachige Unterprojekte (KIESEL – Kinder

entdecken Sprachen und Janua Linguarum – das Tor zu Sprachen) hervorgebracht, die auf der

Primar- und auf der Sekundarstufe I eingesetzt werden (können).

Anhand der Betrachtung des EuroCom-Projekts (einem der bekanntesten

Interkomprehensionsprojekte) wird der zweite bedeutende plurale Ansatz zur Vermittlung von

Sprachen vorgestellt.

Das EuroCom-Projekt nutzt Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Sprachen einer

Sprachfamilie und ermöglicht es den Lernenden mittels durchdachter Methoden, eine neue

Fremdsprache zumindest in den rezeptiven Fertigkeiten innerhalb kurzer Zeit zu erwerben.

Ziel dieser Arbeit ist aufzuzeigen, in welcher Art und Weise die diskutierten methodischen

Ansätze im österreichischem Schulunterricht eingesetzt werden können, um einen Beitrag zur

Förderung der Mehrsprachigkeit zu leisten.

Der Einsatz sprachsensibilisierender Maßnahmen ermöglicht es, bereits Kindern eine

wertschätzende Haltung gegenüber anderen Sprachen und Kulturen zu vermitteln. Darüber

hinaus wird ihre Motivation, auch außerhalb der Institution Schule neue Sprachen zu lernen,

gesteigert. Dies zeigt, dass die vorgestellten Projekte zur Sprachsensibilisierung und

Interkomprehension eine solide Basis für lebenslanges (Sprachen)Lernen bilden und auf diese

Weise den Forderungen des Europarats, die Sprach(en)kenntnisse innerhalb der europäischen

Bevölkerung zu erhöhen, Rechnung tragen.

107

ABSTRACT This thesis discusses the complexity of multilingualism in relation to the language policies of

the EU and the Council of Europe. Based on this discussion this thesis presents two

methodological approaches that focus on teaching foreign languages and cultures. Beside

these approaches can be introduced in language teaching to promote multilingualism.

One of this projects is called Éveil-aux-langues-project and the other one is called

intercomprehension. The first project that is discussed in this thesis is called Éveil-aux-

langues-project. In this project children are confronted with foreign languages in order to raise

their awareness of multilingualism and foreign cultures. Interesting in this context are two

German sub-projects, namely (KIESEL – Kinder entdecken Sprachen und Janua Linguarum –

das Tor zu Sprachen).

The Éveil aux langues project confronts children with (foreign) languages in order to give

them an awareness of multilingualism and cultures. This project has produced two German-

speaking sup-projects, which can be used in the primary and the secondary school.

The second project/approach is called intercomprehension. This approach was the basis for

the EuroComProject, the most famous intercomprehension project. The EuroComProject

focuses on the relationships between individual languages but also language families. It is the

aim of the EuroComProject to secure a faster acquisition of the foreign language concerning

the receptive skills.

The second project – the intercomprehension – will be introduced on the basis of the most

famous intercomprehension-project, the EuroComProject.

The EuroComProject uses relationships between the languages of a language family and it

allows the learners to work with elaborate methods to acquire a new language in a short time,

at least in the receptive skills.

The aim of this thesis is to show, which approaches should be used in the Austrian language

education system to enhance multilingualism.

The increase in language awareness allows the children to develop a respectful attitude

towards other languages and cultures. Besides, it is suggested that a heightened language

awareness increases the motivation of children to learn a new language in a non-educational

setting. To give children an awareness of language gives them a respectful attitude toward

108

other languages and cultures. Furthermore their motivation to learn a new language after or

outside the school institution will increase.

As a result, the projects discussed in this thesis help to develop a sustainable basis for lifelong

language learning. Therefore, these projects support the request of the Council of Europe for

an enhancement of the language skills of the European population. This shows that the

projects discussed in this thesis give a solid basis for a lifelong (language) learning to increase

the knowledge of languages in the European population.

109

LEBENSLAUF Julia BRONEDER (geb. Steininger) 3430 Tulln Geburtsdatum: 21. Juni 1986

Aus- und Weiterbildung:

1992-1996 1996-2000 2000-2005 WS 2005 SS 2006-SS 2009 SS 2006-voraussichtlich SS 2011 4. Dezember 2010

Volksschule Halirschgasse AHS Unterstufe Feldgasse HBLW Strassergasse: Matura: Juni 2005 (mit gutem Erfolg) Studium Übersetzen und Dolmetschen DaF/DaZ Modul Deutsche Philologie Studium Sprachwissenschaft mit Schwerpunkt Sprachlehr- und Unterrichtsforschung Teilnahme an der ÖDaF-Tagung

Berufserfahrung:

Juni bis August 2003:

Pflichtpraktikum an der Rezeption im Hotel Dorint Biedermeier, Wien

WS 2006/07 One-to-one-Praktikum am Wiener Vorstudienlehrgang

September 2006 bis Mai 2007

Kanzlei Mag. Schneider, Bürotätigkeit

WS 2007/08 Hospitationspraktikum am Polycollege Unterrichtspraktikum am Polycollege

Oktober 2008 bis April 2009

Medizinisch pharmazeutischer Verlag (MPV), Bürotätigkeit

August 2009 bis März 2011

Deutschlehrerin in der Deutschakademie

Seit Mai 2011 DaF/DaZ-Lehrerin im IKI

Sprachkenntnisse: Englisch (B2), Französisch (A2-B1), Spanisch (A2-B1), Kroatisch (Grundkenntnisse)

EDV-Kenntnisse: 10-Finger-System, MS-Office

Hobbies: Sprachen lernen, Gesellschaftstanz (Latein, Standard)