Disease Management Programme (DMP) und integrierte Versorgung · 1 Berlin, 19. März 2012 Disease...

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Berlin, 19. März 2012 1 Disease Management Programme (DMP) und integrierte Versorgung – Miteinander oder Nebeneinander in der Gesundheitsversorgung? Dr. Jörg Gebhardt, Referat VI 3 – Bundesversicherungsamt (BVA)

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Berlin, 19. März 20121

Disease Management Programme (DMP)und integrierte Versorgung

– Miteinander oder Nebeneinander in der Gesundheitsversorgung?

Dr. Jörg Gebhardt, Referat VI 3 – Bundesversicherungsamt (BVA)

2 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind DMP als „Versorgungsform“? - besonderer Organisationsansatz- Vergleich verschiedener Organisationsansätze- Managed Care- Ziele

2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP4. Vorteile von DMP5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

3 Berlin, 19. März 2012

DMP in der Gesundheitsversorgung

• DMP sind ein Organisationsansatz, derdie Gesundheitsversorgung von Patientengruppenüber den gesamten Verlauf einer Krankheit undüber die Grenzen der einzelnen Leistungserbringer hinweg koordiniert und optimiert(Neuffer 1997).

• Die Definition lässt - ungeachtet der gesetzlichen Regelungen in §§ 137f und g SGB V - erkennen, dass DMP ein besonderer Organisationsansatzin der Gesundheitsversorgung sind.

4 Berlin, 19. März 2012

Vergleich verschiedener Organisationsansätze(eigene Darstellung, in Anlehnung an Szathmary 1999)

Strukturiertes Behandlungsprogramm für chronisch Kranke

DMP

Koordination von Gesundheitsleistungen,zum Beispiel durchintegrierte Versorgung

Organisationsansatz

Gemeinsamkeiten

• Koordination von Maßnahmen

• Integration von Dienstleistungen

• Qualitätssicherung

• Kontinuität in der Behandlung

• Kosteneinsparung

DiseaseManage-

ment

CaseManage-

ment

5 Berlin, 19. März 2012

DMP und „Managed Care“

• „Managed Care“ bedeutet:aktive Abstimmung von Angebot, Nachfrageund Finanzierung im Gesundheitswesen(Steuerung der Prozesse)

• DMP sind ein besonderer Ansatz zur Durchführung von „Managed Care“, weil eine Behandlung der Patienten auf der Grundlage der jeweils besten medizinischen, vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgestellten Erkenntnisse gesichert wird. DMP sind aber noch mehr.

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Ziele von DMP

• Problem: Über-, Unter- und Fehlversorgung in derVersorgung chronisch Kranker

• Verbesserung der Versorgung durchKoordinierung der Behandlungs- und Betreuungsprozesse über die Grenzen der einzelnen Versorgungssektoren hinwegundOptimierung dieser Prozesse auf der Grundlage medizinischer Evidenz (Leitlinien)

• Gewährleistung einer effizienten Versorgung

7 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind „DMP“? 2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP4. Vorteile von DMP5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

8 Berlin, 19. März 2012

Einführung von DMP und integrierter Versorgungin Deutschland

Bei Einführung gab es finanzielle Anreize,und zwarbei DMP:Anbindung an den Risikostrukturausgleich (RSA)bei der integrierten Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V (im Folgenden: IV-Verträge):von 2004 bis 2008 sog. Anschubfinanzierung

9 Berlin, 19. März 2012

Hausarzt

Sozio-therapie

Häusliche Pflege

Patient mit chronischer Erkrankung

Rehabilitationseinrichtung

Krankenhaus

Facharzt

Physio-therapie

Psycho-therapie

Im Mittelpunkt steht der Patient. Die Darstellung von horizontaler und vertikaler Integration ist vereinfacht nach Busse/Schreyögg/Gericke 2006.

10 Berlin, 19. März 2012

DMP „mittendrin“ oder Mittelpunkt des Versorgungsgeschehens?

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„S y m p o s iu m d e r D e u ts c h e n G e s e lls c h a f t fü r K a s s e n a r z t re c h t a m1 2 . A p r i l 2 0 1 1 “

A m b u la n t- s ta t io n ä re r G re n z b e re ic h

P ra x is k lin ik e n§ 1 1 5 S G B V

D M P§ 1 3 7 f S G B V

A m b u la n te V e r s o rg u n gb e i U n te rv e rs o rg u n g

§ 1 1 6 a S G B V

P s y c h ia t r is c h eIn s t itu t s a m b u la n z e n

§ 1 1 8 S G B V

A m b u la n te L e is t u n gim K ra n k e n h a u s

§ 1 1 6 b S G B VE rm ä c h t ig u n g e n§ 1 1 6 S G B V f f . Krankenhäuser

B e le g ä rz te§ 1 2 1 A b s . 2 S G B VVe

rtra

gsär

zte

I n te g r ie r te V e rs .§ 1 4 0 a - f S G B V

T e i ls ta t io n ä r§ 3 9 S G B V

H o c h s c h u la m b u la n z e n§ 1 1 7 S G B V

N o t fa l la m b u la n z e nE B M

A m b u la n te s O p e r ie re n§ 1 1 5 b S G B V

S p e z ia la m b u la n z e n a n K in d e rk li n ik e n

§ 1 2 0 S G B V

B G B - K o o p e ra t io nV Ä n d G

M V Z§ 9 5 A b s . 2 S G B V

V o r- u n d n a c h s ta t io n ä r§ 1 1 5 a S G B V

S o z ia lp ä d ia t r i s c h eZ e n t re n

§ 1 1 9 S G B V

DMP und integrierte Versorgung schließen sich gegenseitig nicht aus.

11 Berlin, 19. März 2012

„Schnittstellenproblematik“ als Ansatz integrierter und integrierender Versorgung?Dabei sind DMP-Verträge meist auf die KV-Regionen bezogen. Im Gegensatz dazu:

1. IV-Verträge sind weniger auf die KV-Regionen bezogen, eher auf subregionale Versorgungsnetze „vor Ort“.

2. IV-Verträge gibt es als „Insellösung“, „Leuchtturmprojekt“ ...

DMP sind i.d.R. nicht IV-Verträge, aber IV-Verträge als Add-on zum DMP-Vertrag!

12 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind „DMP“? 2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP

- Grundsätzliche Vereinbarkeit- Zulassungsrechtliche Vorlagepflicht- Zusätzliche Klausel in DMP-Verträgen

4. Vorteile von DMP5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

13 Berlin, 19. März 2012

Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP• Ein in ein DMP eingeschriebener Versicherter

kann gleichzeitig (auch) an einem anderen Versorgungsmodell teilnehmen.

• Auch bezüglich der Behandlung im Rahmen anderer Versorgungsprogramme (neben DMP) müssen die DMP-Anforderungen eingehalten werden, denn der Versicherte kann zu einer DMP-Indikation nicht durch verschiedene Programme einer Kranken-kasse medizinisch unterschiedlich behandelt werden.

14 Berlin, 19. März 2012

Zulassungsrechtliche Vorlagepflicht• Der Vertrag bezieht sich (auch) auf DMP-

Versicherte und/oder DMP-typische Indikationen und entfaltet Gültigkeit über eine eng regionale Begrenzung (z.B. Region Köln/Bonn) hinaus, erstreckt sich also zumindest auf eine DMP-Gesamtregion (z.B. Nordrhein).

• Der Vertrag sieht zugleich eine Steuerung/ Beratung (auch) von DMP-Teilnehmern durch die Krankenkasse vor oder betrifft Behandlungs-vorgaben für Leistungserbringer, die sich auf DMP-Indikationen beziehen (z.B. HbA1c-Wert).

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Zusätzliche Klausel in DMP-Verträgen„Die Vertragspartner stimmen überein, an diesem strukturierten Behandlungsprogramm für [DMP-Indikation] teilnehmende Versicherte gemäß der jeweils aktuellen Anlage „Versorgungsinhalte“ des DMP-Vertrages zu behandeln und zu beraten. Dies gilt auch, wenn teilnehmende Leistungs-erbringer Versicherte wegen [DMP-Indikation] auch aufgrund anderer Verträge behandeln und beraten.“

16 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind „DMP“? 2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP4. Vorteile von DMP

- Überblick- bundesweites Erfolgsmodell

5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

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Vorteile von DMP – Ein Überblick

Patientenmitwirkung

Qualitätssicherung

Organisations-management

Datenmanagement undInformationssysteme:

Elektronische Unterstützung aller DMP-Prozesse

Evaluation

BehandlungspfadeBehandlung nach

aktuellem Stand der Medizin (Leitlinien,

beste Evidenz)

Fortbildung

Stärkung der Eigen-verantwortung durch

Schulung u. Motivation

Verzahnung der Schnittstellen der

Versorgung

Dokumentation undfortlaufende Optimierung:

Feedback, Beratung,Broschüren

Weiterbildung der Ärzte nach neuesten

wissenschaftlichen Erkenntnissen

u.a. Messung des medizinischen

Outcome

18 Berlin, 19. März 2012

DMP - ein Erfolgsmodell• bundesweite Anwendung einheitlicher evidenzbasierter

Leitlinien • bundesweit Maßnahmen zur Qualitätssicherung• bundesweite, standardisierte Dokumentation mit regional

etablierten Strukturen, aufgebaut von Krankenkassen undLeistungserbringern

• bundesweite, standardisierte und risikoadjustierte Evaluation

• erstmalige Möglichkeit eines bundesweiten Vergleichs von medizinischen und ökonomischen Zielwerten – und zwar auch regional !

• besonders qualitätsgesicherte Versorgung für ca. 6 Mio. Versicherte(u.a. 50 % der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2)

19 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind „DMP“? 2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP4. Vorteile von DMP5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

20 Berlin, 19. März 2012

Morbi-RSA ab 2009

• Einführung von Morbiditätsgruppen als Risiko-merkmal im Risikostrukturausgleich (RSA)

• Teilnahme am DMP ohne Verteilungswirkung im RSA• Zuweisungen zur Deckung der Programmkosten für

Dokumentations- und Koordinationsleistungen

Verminderung der finanziellen Anreize zur Durchführung von DMP ?

21 Berlin, 19. März 2012

Abgesenkte Basiszuschläge werdendurch Morbiditätszuschläge ergänzt

Frau, 54 Jahre, gesund Frau, 54 Jahre,Brustkrebs, nichteingeschrieben

Frau, 54 Jahre,Brustkrebs, DMPeingeschrieben

Grund-pauschale

AbschlagMorbiditätszuschlag

für Brustkrebs

DMP-Programmkostenpauschale

22 Berlin, 19. März 2012

DMP-spezifische Kosten werden durch zusätzliche Pauschale abgegolten

• DMP-Pauschale „zur Deckung der Programmkosten für medizinisch notwendige Aufwendungen wie Dokumentations- oder Koordinierungsleistungen“

• Festlegung der Höhe durch den GKV-Spitzenverband erstmals am 9.9.2008: 180 € jährlich, aktuell 153,12 €

• Auszahlung nach Versichertentagen für rechtswirksame Einschreibungen in ein DMP

• Rückzahlungsverpflichtung bei Aufhebung der DMP-Zulassung

23 Berlin, 19. März 2012

Agenda

1. Was sind „DMP“? 2. DMP und integrierte Versorgung3. Vereinbarkeit von IV-Verträgen und DMP4. Vorteile von DMP5. DMP und Morbi-RSA6. Ausblick

- Verschiedene Standpunkte- Bewertung aus Sicht des BVA- Schlussfolgerung

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Standpunkt der KBVDr. Andreas Köhler, in: Deutsches Ärzteblatt 2011, Seite A 822:

„Eine Weiterentwicklung von DMP in diese Richtung... könnte ... Angebote in der Fläche erleichtern, ohne Vielfalt und bedarfsgerechte Anpassungen an regionale Besonderheiten zu behindern.“

25 Berlin, 19. März 2012

Standpunkt einiger Krankenkassen

Ärzte-Zeitung vom 15.01.2012 berichtet:

„Großkassen mit wenig Interesse an Regional-Versorgung?

Der Fusionstrend zu überregionalen Kassen führt möglicher-weise zur Vernachlässigung der Versorgung vor Ort...“

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Bewertung aus Sicht des BVAVerzahnung von DMP und IV-Verträgen nutzen !

„Versorgung aus einer Hand“ ist unrealistisch.Realistisch ist eine Versorgung mit dem Ziel der

„Sicherstellung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung“(vgl. Präambel GKV-Versorgungsstrukturgesetz)

27 Berlin, 19. März 2012

Sachverständigenrat 2009Bundestags-Drucksache 16/13770, Ziffer 708, Seite 332:

„Neben der gezielten Berücksichtigung von häufigenKomorbiditäten einer Indexerkrankung erstreckt sich dieses Defizit auch auf „generische Interventionen“ wie z. B. dasCase Management. Wenn, wie oben begründet, Multi-morbidität in der Hausarztpraxis eher der Regelfall als die Ausnahme ist, kommt solchen generischen Leistungen in der Langzeitbetreuung zukünftig besondere Bedeutung zu.“

28 Berlin, 19. März 2012

Warum lohnen sich DMP für Krankenkassenauch sonst?

Effektiv gestaltete DMP können dazu beitragen, die Erhebung von Zusatzbeiträgen zu vermeiden.Reduktion der Gesamtkosten pro Versicherter/-m

• Der individuelle Beitragssatz wird durch besondere Versorgungsangebote wie DMPals Wettbewerbsinstrument ersetzt.

• DMP-Wahltarife mit der Möglichkeit der Zuzahlungsermäßigung/Prämienzahlung(§ 53 Abs. 3 SGB V)

29 Berlin, 19. März 2012

SchlussfolgerungDMP bieten – als Wettbewerbsinstrument –weiterhin die Chance, Versorgung

• systematisch,• integriert (also z.B. durch integrierte Versorgung !),• multi-professionell und• patientenorientiert

zu organisieren.

30 Berlin, 19. März 2012

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !