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Diskrete Mathematik Kurzskript zur Vorlesung von Anusch Taraz im Wintersemester 2007/08 Zentrum f¨ ur Mathematik, TUM 19. Februar 2008 Inhaltsverzeichnis 1 Einf¨ uhrung und Grundlagen 2 1.1 Mengen .......................................... 2 1.2 Mengenoperationen .................................... 2 1.3 Vollst¨ andige Induktion .................................. 4 1.4 Exkurs: Das 4-Farben-Problem. ............................ 5 1.5 Relationen und Funktionen ............................... 8 2 ahlen 11 2.1 Summenregel, Produktregel, Z¨ ahlen durch Bijektion ................. 11 2.2 Doppeltes Abz¨ ahlen ................................... 12 2.3 Inklusion–Exklusion ................................... 12 2.4 Teilmengen z¨ ahlen .................................... 13 2.5 Partitionen z¨ ahlen .................................... 15 2.6 Erzeugende Funktionen ................................. 17 2.7 Asymptotisches Z¨ ahlen .................................. 23 3 Elementare Graphentheorie 24 3.1 Subgraphen ........................................ 24 3.2 Matchings ......................................... 26 3.3 Hamilton Kreise ..................................... 28 3.4 Partielle Ordnungen ................................... 29 4 Kodierungstheorie 32 4.1 Hamming–Abstand und Hamming–Schranke ...................... 32 4.2 Lineare Codes ....................................... 33

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Diskrete Mathematik

Kurzskript zur Vorlesung von Anusch Tarazim Wintersemester 2007/08

Zentrum fur Mathematik, TUM

19. Februar 2008

Inhaltsverzeichnis

1 Einfuhrung und Grundlagen 2

1.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Mengenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.3 Vollstandige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.4 Exkurs: Das 4-Farben-Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.5 Relationen und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2 Zahlen 11

2.1 Summenregel, Produktregel, Zahlen durch Bijektion . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.2 Doppeltes Abzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.3 Inklusion–Exklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.4 Teilmengen zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.5 Partitionen zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.6 Erzeugende Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.7 Asymptotisches Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

3 Elementare Graphentheorie 24

3.1 Subgraphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3.2 Matchings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3.3 Hamilton Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3.4 Partielle Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4 Kodierungstheorie 32

4.1 Hamming–Abstand und Hamming–Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4.2 Lineare Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

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1 Einfuhrung und Grundlagen

Wir werden in diesem Kapitel die notwendige grundlegende Terminologie festlegen und sie an einemeinfuhrendem Beispiel, dem 4-Farben-Satz, erlautern.

1.1 Mengen

Wir gehen in dieser Vorlesung davon aus, dass Sie mit dem abstrakten Begriff einer Menge bereitsintuitiv aus der Schule vertraut sind. Wir beschreiben eine Menge M hier entweder durch dieexplizite Angabe aller ihrer Elemente, also zum Beispiel M = 1, 4, 9, oder in dem wir eineBildungsvorschrift nennen, also zum Beispiel: M sei die Menge der Quadratzahlen zwischen 1und 10. Um solche Beschreibungen moglichst kurz und trotzdem prazise zu halten, fuhren wir dieAbkurzungen ∀ (

”fur alle“) und ∃ (

”es existiert“) ein. Also, noch einmal zu unserem Beispiel:

M = x : 1 ≤ x ≤ 10 und ∃ eine naturliche Zahl y mit x = y2.

Die leere Menge bezeichnen wir mit ∅. Bei unendlichen Mengen greifen wir auch manchmal aufdie Punktchenschreibweise zuruck und vertrauen darauf, dass damit die Bildungsvorschrift implizitklar ist. So wird beispielsweise die Menge der naturlichen Zahlen ohne Null mit

N = 1, 2, 3, . . .

bezeichnet, die Menge der naturlichen Zahlen mit Null mit N0 := N ∪ 0. Weitere wichtigeZahlenraume (von denen wir ebenfalls voraussetzen, dass sie Ihnen bekannt sind), bezeichnen wirwie folgt:

• Z, die Menge der ganzen Zahlen,

• Q, die Menge der rationalen Zahlen,

• R, die Menge der reellen Zahlen.

Wenn n ∈ N, dann setzen wir [n] := 1, 2, . . . , n. Unsere obige Menge M konnten wir also nochknapper schreiben als M = y2 : y ∈ [3]. Wenn x ∈ R, dann definieren wir ⌊x⌋ als die großteganze Zahl n mit n ≤ x; und analog ⌈x⌉ als die kleinste ganze Zahl n mit n ≥ x. Unter derKardinalitat einer beliebigen Menge M versteht man die Anzahl der Elemente von M . Sie wirdmit |M | bezeichnet.

1.2 Mengenoperationen

Ausgehend von einer oder mehreren Mengen lassen sich weitere Mengen konstruieren. Sei k ∈ N.Das kartesische Produkt von Mengen M1, . . . , Mk ist eine Menge, deren Elemente aus sogenanntenTupeln der Elemente der einzelnen Mengen besteht:

M1 × · · · × Mk := (x1, . . . , xk) : xi ∈ Mi ∀i ∈ [k] .

Das geht naturlich auch, wenn die Mengen Mi untereinander gleich sind. In diesem Spezialfallschreiben wir fur eine Menge M :

Mk := M × · · · × M︸ ︷︷ ︸

k−mal

= (x1, . . . , xk) : xi ∈ M ∀i ∈ [k] .

Im Gegensatz dazu bezeichnen wir mit(Mk

)die Menge der k-elementigen Teilmengen von M :

(M

k

)

:= S : S ⊆ M, |S| = k

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Der Unterschied zwischen den beiden Konstruktionen besteht also darin, dass die Elemente vonMk Folgen von Elementen aus M sind, bei denen es auf die Reihenfolge ankommt und bei denenein Element aus M auch mehrfach auftreten kann, wahrend die Elemente von

(Mk

)(ungeordnete)

Mengen sind, die k verschiedene Elemente aus M enthalten mussen.

Wenn man alle (also nicht nur die k-elementigen) Teilmengen von M in einer Menge zusam-menfassen mochte, dann spricht man von der Potenzmenge P(M):

P(M) := S : S ⊆ M

Man beachte, dass insbesondere die Menge ∅ und die Menge M Elemente von P(M) sind.

Abschließend noch etwas Terminologie: Wenn fur drei Mengen A, B und C gilt, dass A = B∪Cund B∩C = ∅, dann heißt B∪C eine Partition von A und wir schreiben A = B∪C. Offensichtlichgilt dann |A| = |B| + |C|.

Beispiel 1.1 R2 ist die Menge aller 2-Tupel (d.h. geordnete Paare) von reellen Zahlen,(R

2

)besteht

aus allen zweielementigen Mengen reeller Zahlen. Insbesondere gilt beispielsweise: (7, 7) ∈ R2 und

(7, 8) 6= (8, 7); hingegen ist 7, 7 = 7 6∈(R

2

)und 7, 8 = 8, 7.

Ein Beispiel zur Potenzmenge: Wenn M = 0, 1, dann ist P(M) = ∅, 0, 1, 0, 1.

Graphen. Ein Graph G = (V, E) besteht aus einer sogenannten Knotenmenge V und einersogenannten Kantenmenge E. Dabei muss gelten, dass E ⊆

(V2

). Weiterhin wollen wir voraussetzen,

dass V endlich und nicht leer ist.

Beispiel 1.2 Sei G = (V, E) mit

V = a, b, c, d und E = a, b, b, c.

Graphen werden oft durch ein Diagramm angegeben (oder veranschaulicht), bei dem man die Kno-ten als Knubbel malt und jede Kante dadurch kennzeichnet, dass die beiden an ihr beteiligten Knotendurch eine Linie verbunden werden. Dabei spielt die Lage der Knoten und der Kanten keine Rolle,es kommt nur darauf an, welche Paare von Knoten eine Kante bilden:

a bc d

Abbildung 1: Ein Graph G = (V, E) mit V = a, b, c, d E = a, b, b, c.

Zwei Knoten x, y ∈ V eines Graphen G = (V, E) heißen benachbart, wenn x, y ∈ E. Alle zux benachbarten Knoten bilden die Nachbarschaft von x, die mit

N(x) := y ∈ V : x, y ∈ E

bezeichnet wird. Die Anzahl der Nachbarn von x heißt der Grad von x und wird mit deg(x) :=|N(x)| notiert. Hier ist der erste Satz der Vorlesung:

Proposition 1.3 Sei G = (V, E) ein Graph. Dann gilt:a) Die Summe der Grade der Knoten von G betragt genau 2|E|.b) G hat eine gerade Anzahl von Knoten ungeraden Grades.c) Wenn |V | ≥ 2, dann hat G mindestens zwei Knoten gleichen Grades.

Beweis: a) Wenn wir die Summe der Grade betrachten, stellen wir fest, dass wir jede Kante genauzweimal gezahlt haben - je einmal von ihren beiden Endknoten.b) und c) zeigen Sie in den Ubungen. 2

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1.3 Vollstandige Induktion

Kurz vorweg: es seien a1, . . . , an ∈ R reelle Zahlen. Dann bezeichnen wir mit

n∑

i=1

ai := a1 + . . . + an bzw.

n∏

i=1

ai := a1 · . . . · an

die Summe bzw. das Produkt dieser Zahlen.

Die Beweismethode der vollstandigen Induktion ist ein wichtiges Werkzeug, um Aussagen zubeweisen, die fur alle naturlichen Zahlen n gelten sollen. Sei A(n) eine solche Aussage. Dannuberprufen wir zunachst ob A(1), also die Aussage fur n = 1, stimmt (Induktionsanfang). Nun seik ∈ N beliebig und wir nehmen an, dass die Aussage A(k) wahr ist (Induktionsannahme). Wenn esuns dann gelingt, daraus zu folgern, dass auch die Aussage A(k+1) stimmt, haben wir die AussageA(n) fur alle n ∈ N gezeigt (Induktionsschritt). Zwei einfache Beispiele folgen.

Proposition 1.4 Fur jede naturliche Zahl n gilt die folgende Aussage:

A(n) :n∑

i=1

i =1

2n(n + 1). (1)

Beweis: durch vollstandige Induktion uber n.Induktionsanfang: Fur n = 1 lautet die linke Seite in (1) genau 1. Die rechte Seite betragt 1

2 ·1·2 = 1,also stimmt die Aussage A(1).Induktionsannahme: Sei k ∈ N beliebig. Wir nehmen an, dass die Aussage A(k) wahr ist.Induktionsschritt : Fur n = k + 1 lautet die linke Seite in (1)

k+1∑

i=1

i = 1 + . . . + k + (k + 1),

Wir schauen diese linke Seite scharf an und stellen fest, dass wir dank der Induktionsannahmebereits eine Aussage uber die Summe der ersten k Terme der linken Seite machen konnen:

k+1∑

i=1

i = 1 + . . . + k + (k + 1) =

(k∑

i=1

i

)

+ (k + 1)A(k) stimmt

=1

2k(k + 1) + (k + 1),

was wir durch Ausklammern von (k + 1) umformen konnen zu:

(k + 1)

(1

2k + 1

)

=1

2(k + 1)(k + 2).

Und in der Tat, die rechte Seite von (1) ist fur n = k + 1 ebenfalls gleich 12 (k + 1)(k + 2), und

damit ist unser Induktionsbeweis abgeschlossen. 2

Nachstes Beispiel:

Proposition 1.5 Sei M eine Menge mit n := |M | ∈ N0. Dann gilt:

A(n) : |P(M)| = 2n. (2)

Beweis: durch vollstandige Induktion uber n.Induktionsanfang: liegt diesmal bereits bei n = 0. Die einzige Menge M mit |M | = 0 ist M = ∅.Also ist P(M) = ∅ und somit betragt die linke Seite in (2) genau 1. Die rechte Seite ist 20 = 1,also stimmt die Aussage A(0).Induktionsannahme: Sei k ∈ N beliebig. Wir nehmen an, dass die Aussage A(k) wahr ist.Induktionsschritt : Sei M eine Menge mit |M | = n = k + 1. Wir wahlen ein Element x aus Mbeliebig aus und halten es fest. Nun partitionieren wir die Potenzmenge von M in zwei Teile: indiejenigen Teilmengen von M , die x nicht enthalten, und in diejenigen, die x enthalten.

P(M) = S : S ⊆ M = S : S ⊆ M, x 6∈ S ∪ S : S ⊆ M, x ∈ S= S : S ∈ P(M \ x) ∪ S ∪ x : S ∈ P(M \ x) . (3)

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Da |M \x| = k, gilt nach A(k) dass |P(M \x)| = 2k. Somit haben nach Induktionsannahme diebeiden in (3) genannten Mengen jeweils 2k Elemente, und insgesamt folgt |P(M)| = 2k+2k = 2k+1,was mit der rechten Seite von (2) fur den Fall n = k + 1 ubereinstimmt. 2

Ein paar Bemerkungen noch:1) Wie im Beweis von Proposition 1.5 bereits gesehen, muss der Induktionsanfang immer die Aus-sage A(n) fur die kleinste Zahl n uberprufen, fur die die Aussage geltend gemacht wird.2) In einigen Fallen will man im Induktionsschritt nicht nur auf die Korrektheit von A(k) zuruck-greifen, sondern auf die von allen A(1), . . . , A(k). Das ist naturlich auch zulassig.3) Will man sich im Induktionsschritt immer auf beide vorangegangenen Aussagen A(k − 1) undA(k) berufen, dann mussen beim Induktionsanfang auch die Aussagen A(n) fur die ersten beidenZahlen n (fur die die Aussage gelten soll) uberpruft werden.

1.4 Exkurs: Das 4-Farben-Problem.

Im Jahr 1852 stellte Francis Guthrie die folgende Frage: Konnen die Lander einer beliebigen Land-karte immer so mit hochstens vier Farben gefarbt werden, dass benachbarte Lander nicht die gleicheFarbe erhalten? Zwei notwendige Prazisierungen: ein Land ist ein

”zusammenhangendes Gebiet in

der Ebene“, und zwei Lander gelten als benachbart, wenn sie mindestens ein”Stuck Landesgrenze“

gemeinsam haben. Hier das Beispiel einer Landkarte, fur das man in der Tat vier Farben benotigt,fur das vier Farben aber auch ausreichen:

11

23

23

4

Abbildung 2: Eine mit vier Farben korrekt gefarbte Landkarte.

Die Frage von Guthrie, damals Student am University College London, ging an seinen Profes-sor de Morgan, welcher sie an den Kollegen Hamilton weiterreichte. Das Problem wurde, auch aufGrund seiner scheinbar einfachen Natur, schnell bekannt. Cayley sorgte 1878 fur weitere Verbrei-tung, und 1879 publizierte Kempe einen Beweis. 1890 entdeckte Heawood einen Fehler in KempesBeweis, und seitdem war das Rennen wieder offen, und wirkte als Katalysator fur die weitereEntwicklung der Graphentheorie. 1976 fanden Appel, Haken und Koch einen computergestutztenBeweis, der nach mehrmaligen Korrekturen mittlerweile weitgehend anerkannt ist. Wir wollen hierein paar erste einfache Schritte unternehmen, um das Problem mathematisch zu modellieren, eini-ge fundamentale Satze zu beweisen und Kempes Beweisversuch (und das, was davon ubrig blieb)kennenzulernen.

Wenn wir dieses Problem mathematisch modellieren wollen, dann brauchen wir hier zwei Kon-zepte: eins, das regelt, wer zu wem uberhaupt benachbart sein kann (→ planare Graphen), undeins, das regelt, wie sich eine knappe Ressource so am besten verteilen lasst, dass es zu keinemKonflikt zwischen Nachbarn kommt (→ Graphenfarbungen).

Definition 1.6 (Weg, Pfad, Kreis) Sei G = (V, E) ein Graph und seien x, y ∈ V zwei Knoten.Ein x, y-Weg W in G ist eine Folge (v0, v1, . . . , vℓ) von Knoten mit x = v0, y = vℓ und derEigenschaft, dass vi−1, vi ∈ E fur alle i = 1, . . . , ℓ. Wenn daruberhinaus gilt, dass die Knotendes Weges paarweise verschieden sind, also vi 6= vi′ fur alle i 6= i′ gilt, dann sprechen wir auch voneinem x, y-Pfad W in G. Gilt außerdem, dass ℓ ≥ 2 und auch die Kante vℓ, v0 existiert, dannnennen wir W einen Kreis in G. Die Lange eines Weges, Kreises oder Pfades, ist definiert als dieAnzahl der beteiligten Kanten.

Wenn H = (W, F ) ein Graph ist mit W ⊆ V und F ⊆ E, dann heißt H Subgraph von G, wirschreiben H ⊆ G. Wege, Pfade und Kreise sind also Subgraphen mit einer speziellen Struktur.

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1 2 3 4

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Abbildung 3: Ein Graph, der einen 8, 7-Weg, namlich (8, 1, 2, 3, 4, 5, 3, 2, 7), einen 8, 7-Pfad, namlich(8, 1, 2, 7) und einen Kreis (8, 1, 2) als Subgraphen enthalt.

Proposition 1.7 Sei G = (V, E) ein Graph mit E 6= ∅, der keinen Kreis enthalt. Dann existierenzwei Knoten x, y ∈ V mit deg(x) = 1 = deg(y).

Beweis: Sei W = (v0, . . . , vℓ) ein langster Pfad in G. Wegen E 6= ∅ muss ℓ ≥ 1 gelten. Wirbetrachten die Knoten v0 und vℓ. Der Knoten v0 kann zu keinem Knoten des Pfades (außer zuv1) benachbart sein, denn sonst gabe es einen Kreis. Er kann aber auch nicht zu einem Knotenaußerhalb des Pfades benachbart sein, denn sonst konnte man den Pfad verlangern. Der Knotenv0 hat also nur einen Nachbarn. Das Gleiche gilt fur den Knoten vℓ, setze also x := v0 und y := vℓ.2

Definition 1.8 (zusammenhangend) Ein Graph G = (V, E) heißt zusammenhangend, wennes fur je zwei Knoten x, y ∈ V einen x, y-Pfad in G gibt. Ein zusammenhangender Subgraph Hvon G heißt Zusammenhangskomponente von G, wenn es keinen zusammenhangenden SubgraphenH ′ 6= H von G gibt, der H enthalt, d.h. wenn H inklusionsmaximal zusammenhangend ist.

Die folgende Definition ist auf Grund ihrer umgangssprachlichen Formulierung eigentlich (fureine Definition) nicht prazise genug, genugt aber unseren Bedurfnissen in diesem Exkurs.

Definition 1.9 (planarer Graph) Ein Graph G = (V, E) heißt planar, wenn man seine Knotenund Kanten so

”in die Ebene zeichnen kann“, dass sich Kanten nur in gemeinsamen Endknoten

”beruhren“. Ist eine solche Zeichnung gegeben, dann spricht man von einer Einbettung von G. Die

durch sie entstehenden”Regionen“ der Ebene bilden die Menge R der Gebiete und wir nennen

G = (V, E, R) einen ebenen Graphen.

G1G2

G3

123

4

Abbildung 4: G1 ist ein ebener Graph mit den”inneren“ Gebieten 1, 2, 3 und dem

”außeren“ Gebiet

4. Der Graph G2 ist isomorph zu G1 und daher planar, auch wenn er hier nicht mit einer Einbettungin die Ebene gegeben ist. G3 ist nicht planar, wie wir noch sehen werden.

Satz 1.10 (Polyederformel von Euler, 1750) Sei G = (V, E, R) ein ebener, zusammenhan-gender Graph. Dann gilt:

|V | − |E| + |R| = 2.

Beweis: durch vollstandige Induktion uber |E|.Induktionsanfang: |E| = 0. Dann muss |V | = 1 sein (sonst ist G nicht zusammenhangend) unddamit |R| = 1. Stimmt.Induktionsannahme: Sei k ≥ 1. Die Behauptung stimme fur alle ebenen Graphen G = (V, E, R)mit |E| = k.

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Induktionsschritt: Sei G+ = (V +, E+, R+) ein ebener Graph mit |E+| = k + 1. Wir unterscheidenzwei Falle.

Fall 1: G+ hat keinen Kreis. Sei W = v0, . . . , vℓ ein langster Pfad in G+. Wegen E+ 6= ∅ mussℓ ≥ 1 sein. Wir loschen nun den Knoten v0 sowie die Kante v0, v1 und erhalten dadurch einenneuen, ebenen (warum?), zusammenhangenden (warum?) Graphen G− = (V −, E−, R−) mit

|V −| = |V +| − 1, |E−| = |E+| − 1, |R−| = |R+|. (4)

Wegen |E−| = |E+| − 1 = k konnen wir aus der Induktionsannahme folgern, dass

|V −| − |E−| + |R−| = 2. (5)

Durch Einsetzen der Resultate aus (4) in (5) erhalten wir die gewunschte Gleichung

|V +| − |E+| + |R+| = 2.

Fall 2: G+ hat einen Kreis. Sei e eine Kante des Kreises. Wir loschen nun die Kante e (nichtaber die beiden zugehorigen Knoten) und erhalten dadurch einen neuen, ebenen (warum?), zusam-menhangenden (warum?) Graphen G− = (V −, E−, R−) mit

|V −| = |V +|, |E−| = |E+| − 1, |R−| = |R+| − 1. (6)

Wegen |E−| = |E+| − 1 = k konnen wir aus der Induktionsannahme folgern, dass

|V −| − |E−| + |R−| = 2. (7)

Durch Einsetzen der Resultate aus (6) in (7) erhalten wir wieder die gewunschte Gleichung. 2

Korollar 1.11 Sei G = (V, E, R) ein ebener, zusammenhangender Graph mit |V | ≥ 4. Dann gilt:a) |E| ≤ 3|V | − 6.b) G hat mindestens einen Knoten vom Grad kleiner gleich 5.

Beweis: a) Jedes Gebiet braucht mindestens drei berandende Kanten, jede Kante berandet hochs-tens zwei Gebiete. Daraus folgt, dass 3|R| ≤ 2|E|. Dies impliziert, dass

2

3|E| ≥ |R| (1.10)

= 2 − |V | + |E|,

also |V | − 2 ≥ 13 |E|, was zu zeigen war.

b) Beweis durch Widerspruch: angenommen, alle Knoten v ∈ V wurden deg(v) ≥ 6 erfullen.Dann ware

2|E| 1.3a)=

v∈V

deg(v) ≥ 6|V |,

also |E| ≥ 3|V | was aber im Widerspruch zur Aussage a) steht. 2

Wie man leicht nachrechnet folgt aus der Abschatzung in a) unmittelbar, dass der GraphG3 := ([5],

(52

)) in Abbildung 4 nicht planar ist.

Nun wenden wir uns der Farbungsproblematik zu.

Definition 1.12 (Graphenfarbung) Sei k ∈ N. Ein Graph G = (V, E) heißt k-farbbar, wenn eseine sogenannten k-Farbung von G gibt, namlich eine Abbildung f : V → [k] mit der Eigenschaft,dass benachbarte Knoten nicht die gleiche Farbe erhalten:

∀x, y ∈ E : f(x) 6= f(y).

Die chromatische Zahl (oder Farbungszahl) von G ist definiert als

χ(G) := mink ∈ N : G ist k-farbbar .

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1

1 2

3

3

Abbildung 5: Eine 3-Farbung ist angegeben. Der Graph kann wegen der existierenden Dreiecke(bei denen jeder Knoten seine

”eigene“ Farbe braucht) nicht mit weniger als drei Farben gefarbt

werden.

Bemerkung 1.13 a) Der Graph in Abbildung 5 hat chromatische Zahl 3.

b) Die 4-Farben-Vermutung ist aquivalent zu der Aussage: jeder planare Graph ist 4-farbbar.Das macht man sich am leichtesten dadurch klar, dass man in jedes Land einen Knoten, sozusagenals Hauptstadt, hinein malt, und dann die Hauptstadte benachbarter Lander durch eine Kanteverbindet.

Satz 1.14 Jeder planare Graph ist 5-farbbar.

Beweis: Wir konnen ohne Beschrankung der Allgemeinheit (o.B.d.A.) annehmen, dass G zusam-menhangend ist - andernfalls wenden wir die Behauptung auf die einzelnen Zusammenhangskom-ponente an. Der Beweis wird durch vollstandige Induktion uber |V | gefuhrt.

Der Induktionsanfang ist klar fur alle Graphen mit k := |V | ≤ 5, da diese offensichtlich 5-farbbar sind. Sei also die Behauptung fur alle planaren Graphen mit k Knoten bewiesen und sei Gein beliebiger planarer Graph mit k + 1 Knoten. Nach Korollar 1.11b) existiert ein Knoten v mitdeg(v) ≤ 5. Entferne v und alle Kanten, die v enthalten und erhalte so den neuen Graphen G′. DaG′ nur k Knoten hat liefert die Induktionsannahme, dass G′ eine 5-Farbung f besitzt.

Falls in der Nachbarschaft von v durch f nicht alle Farben 1, 2, . . . , 5 vergeben werden, sindwir fertig, denn dann farben wir v mit einer nicht verwendeten Farbe. Also konnen wir uns aufden Fall beschranken, bei dem v funf Nachbarn hat, die wir zu einer gegebenen Einbettung imUhrzeigersinn mit v1, . . . , v5 bezeichnen und die durch f jeweils mit den Farben 1, . . . , 5 gefarbtseien.

Sei G13 die Menge aller Knoten in G′, die von f Farbe 1 oder 3 erhalten haben und die mit v1

durch einen Pfad verbunden sind, der nur aus Knoten der Farbe 1 oder 3 besteht. Innerhalb dieserMenge konnten wir die Farben 1 und 3 gegeneinander austauschen und behielten dabei trotzdemeine legale 5-Farbung. Falls nur v1 und nicht auch v3 in G13 liegt, fuhren wir diesen Farbtauschdurch – jetzt ist v1 mit Farbe 3 gefarbt, alle anderen Nachbarn von v wie bisher, und damit ist dieFarbe 1 fur den Knoten v frei geworden.

Also betrachten wir abschließend den Fall, bei dem sowohl v1 wie auch v3 in G13 liegen. Hierschließt sich also ein Kreis C, der aus v sowie Knoten aus G13 besteht. Wenn wir jetzt in Analogiezu G13 die Menge G24 definieren, die aus allen Knoten in G′, die von f Farbe 2 oder 4 erhaltenhaben und die mit v2 durch einen Pfad verbunden sind, der nur aus Knoten der Farbe 2 oder 4besteht, dann sehen wir, dass wegen der Planaritat und des Kreises C nicht zusatzlich zu v2 auchv4 in G24 liegen kann. Wir konnen also den Farbtausch innerhalb von G24 durchfuhren und somitwird die Farbe 2 fur den Knoten v frei. 2

1.5 Relationen und Funktionen

Definition 1.15 Sei k ∈ N mit k ≥ 2. Eine k-stellige Relation uber den Mengen A1, . . . , Ak isteine Teilmenge R ⊆ A1 × · · · × Ak. In dem Spezialfall A1 = · · · = Ak = M spricht man auch voneiner Relation auf der Menge M . Eine zweistellige Relation nennt man auch binare Relation, imFolgenden werden wir uns ausschließlich mit ihnen befassen.

Eine binare Relation R ⊆ M × M heißt

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• reflexiv, wenn fur alle a ∈ M gilt: (a, a) ∈ R,

• irreflexiv, wenn fur alle a ∈ M gilt: (a, a) 6∈ R,

• symmetrisch, wenn fur alle a, b ∈ M gilt: wenn (a, b) ∈ R, dann (b, a) ∈ R,

• asymmetrisch, wenn fur alle a, b ∈ M gilt: wenn (a, b) ∈ R, dann (b, a) 6∈ R,

• antisymmetrisch, wenn fur alle a, b ∈ M gilt: wenn (a, b) ∈ R und (b, a) ∈ R, dann a = b,

• transitiv, wenn fur alle a, b, c ∈ M gilt: wenn (a, b) ∈ R und (b, c) ∈ R, dann (a, c) ∈ R.

Wir schreiben oft abkurzend aRb oder a ∼R b fur (a, b) ∈ R und sagen, dass a und b zu einanderin Relation stehen.

Definition 1.16 Ein Graph (wie wir in Abschnitt 1.2 definiert haben) ist also nichts anderes alseine irreflexive, symmetrische Relation. Eine Relation, die reflexiv, antisymmetrisch und transitivist, nennt man auch partielle Ordnung. Eine Relation, die reflexiv, symmetrisch und transitiv ist,nennt man auch Aquivalenzrelation.

Sei R nun eine Aquivalenzrelation uber M . Wenn aRb, dann sagen wir auch, dass a und b aqui-valent sind. Die Menge aller Elemente aus M , die zu a aquivalent sind, und heißt Aquivalenzklassevon a und wird mit

[a]R := b ∈ M : aRbbezeichnet. Die Menge der Aquivalenzklassen heißt Quotientenmenge und wird mit

M/ ∼R:= [a]R : a ∈ M

bezeichnet – sie entsteht dadurch, dass sie einander aquivalente Elemente”gleich macht“. (Achtung:

Reduktionismus!)

Beispiel 1.17 Wir definieren die folgende Relation R auf der Menge Z: fur a, b ∈ Z sei aRb genaudann, wenn aund b bei Division durch 5 den gleichen Rest lassen. Offensichtlich ist beispielsweise8R13 und [3]R = . . . ,−7,−2, 3, 8, . . .. Allgemeiner gilt fur fur eine Zahl k ∈ Z

[k]R = k + 5z : z ∈ Z = . . . , k − 10, k − 5, k, k + 5, k + 10, . . .

Z/ ∼R:= [0]R, [1]R, [2]R, [3]R, [4]R

Proposition 1.18 Sei R eine Aquivalenzrelation uber der Menge M . Dann bilden die Aquivalenz-klassen eine Partition von M . Etwas genauer: Fur zwei beliebige Elemente a, b ∈ M gilt:

[a]R ∩ [b]R 6= ∅ ⇔ [a]R = [b]R ⇔ aRb.

Beweis. Wir bezeichnen die drei obigen Bedingungen mit (i), (ii) und (iii).(i) ⇒ (iii): Sei c ∈ [a]R ∩ [b]R. Dann ist aRc und bRc, wegen Symmetrie also auch cRb, und daherwegen Transitivitat aRb.(iii) ⇒ (ii): Sei c ∈ M ein beliebiges Element mit c ∈ [a]R, d.h. aRc. Wegen (iii) und Symmetriegilt, dass bRa, also durch Transitivitat auch bRc, also c ∈ [b]R. Damit ist [a]R ⊆ [b]R gezeigt, dieumgekehrte Inklusion geht komplett analog.(ii) ⇒ (i): klar, denn wegen der Reflexivitat gilt aRa und somit a ∈ [a]R = [b]R.

Relationen trifft man sehr oft im taglichen Leben... Außerdem helfen sie beim Zahlen, wie wirin Kapitel 2.2 sehen werden. Zuvor noch ein Wort zu Funktionen.

Definition 1.19 Sei f ⊆ A × B eine binare Relation mit der Eigenschaft, dass jedem Elementa ∈ A durch f genau ein Element b ∈ B zugeordnet wird, d.h. dass

∀a ∈ A : |b ∈ B : (a, b) ∈ f| = 1

gilt. In diesem Fall nennt man f eine Abbildung oder Funktion.

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Sei f nun eine Funktion. Um den Zuordnungscharakter auszudrucken schreibt man auch f :A → B und f : a 7→ b und nennt zu jedem a ∈ A das eindeutige Element

f(a) := b ∈ B mit (a, b) ∈ f

das Bild von a unter f . Das Urbild von b ∈ B ist definiert als

f−1(b) := a ∈ A : f(a) = b ⊆ A

und muss nicht notwendigerweise aus genau einem Element bestehen (kann ubrigens auch leersein). Analog definiert man auch Bild bzw. Urbild einer Menge X ⊆ A bzw. Y ⊆ B durch

f(X) :=⋃

a∈X

f(a) ⊆ B und f−1(Y ) :=⋃

b∈Y

f−1(b) ⊆ A.

Eine Funktion f : A → B heißt

• injektiv, wenn fur alle b ∈ B gilt: |f−1(b)| ≤ 1,

• surjektiv, wenn fur alle b ∈ B gilt: |f−1(b)| ≥ 1,

• bijektiv, wenn fur alle b ∈ B gilt: |f−1(b)| = 1.

Beispiel 1.20 Sei R≥0 := x ∈ R : x ≥ 0. Die Funktionf1 : R → R mit f1 : x 7→ x2 ist weder injektiv noch surjektiv,f2 : R≥0 → R mit f2 : x 7→ x2 ist injektiv, aber nicht surjektiv,f3 : R → R≥0 mit f3 : x 7→ x2 ist nicht injektiv, aber surjektiv,f4 : R≥0 → R≥0 mit f4 : x 7→ x2 ist injektiv und surjektiv.

Proposition 1.21 Es seien A und B nicht-leere, endliche Mengen und f : A → B eine Funktion.Dann gilt:a) Wenn f bijektiv, dann |A| = |B|.b) Wenn |A| = |B|, dann gilt:

f injektiv ⇔ f surjektiv ⇔ f bijektiv.

Beweis.a) Es gilt immer, dass A = f−1(B) =

b∈B f−1(b). Da fur b 6= b′ die Mengen f−1(b) und f−1(b′)disjunkt sind, haben wir

|A| =∑

b∈B

|f−1(b)|. (8)

Wegen der Bijektivitat ist |f−1(b)| = 1 fur alle b ∈ B, und daraus folgt |A| = |B|.b) Zu zeigen ist, dass unter der Voraussetzung |A| = |B| aus Injektivitat oder aus Surjektivitatbereits Bijektivitat folgt. Wir betrachten wieder die Gleichung (8):

|B| = |A| =∑

b∈B

|f−1(b)|, (9)

im Durchschnitt sind also die Summanden gleich 1. Wenn f injektiv ist, dann sind nach Definitionalle Summanden hochstens 1, und damit wegen (9) auch genau 1, also ist f bijektiv. Und analoggilt: Wenn f surjektiv ist, dann sind nach Definition alle Summanden mindestens 1, und damitwegen (9) auch genau 1, also ist f wiederum bijektiv.

Ausblick 1: Im nachsten Kapitel werden wir diese einfache Proposition manchmal benutzenund die Kardinalitat einer Menge A dadurch bestimmen, dass wir eine Bijektion in eine Menge Bangeben, deren Kardinalitat wir schon kennen oder einfach berechnen konnen.

Ausblick 2: Im Unendlichen sehen die Dinge etwas anders aus. Es gibt beispielsweise Bijektionenf : N → Z (z. Bsp. n 7→ (−1)n⌊n/2⌋) oder f : N → Q. Mengen M fur die es eine surjektive Funktionf : N → M gilt, heißen abzahlbar. Gibt es eine Bijektion f : N → R? Siehe Analysis 1.

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Literaturhinweise zu Kapitel 1

Weiteres Material zu den Abschnitten 1.1, 1.2, 1.3 und 1.5 findet sich beispielsweise bei [MN] inKapitel 1.2 bis 1.6 oder bei [S] in Kapitel 0.1 bis 0.3. Zusatzliche Informationen zu Abschnitt 1.4finden sich bei [MN] in Kapitel 6 und bei [S] in Kapitel 2.4.2 und 2.4.3.

2 Zahlen

2.1 Summenregel, Produktregel, Zahlen durch Bijektion

Die Summenregel besagt, dass

wenn M = M1∪ . . . ∪Mk, dann |M | = |M1| + · · · + |Mk| =

k∑

i=1

|Mi|.

Hierbei ist es naturlich essentiell, dass die Mi eine Partition von M darstellen, also paarweise dis-junkt sind, andernfalls wurden gemeinsame Elemente mehrfach gezahlt - ist das der Fall, dann mussman die Inklusion-Exklusion-Formel (siehe Abschnitt 2.3) benutzen. Die Summenformel haben wirschon mehrfach (heimlich) benutzt, so zum Beispiel in der Herleitung von (8).

Die Produktregel besagt, dass

wenn M = M1 × · · · × Mk, dann |M | = |M1| · . . . · |Mk| =

k∏

i=1

|Mi|.

Beispiel 2.1 Wir zahlen Autokennzeichen der Form”M − XY abcd“, wobei M fixiert ist, X, Y

Buchstaben aus einem 26-elementigen Alphabet und a, b, c, d Ziffern von 0 bis 9 sind. Dann gibt es1 · 262 · 104 = 6760000 verschiedene Kennzeichen.

Ahnlich wie die Disjunktheit der einzelnen Mengen von Mi bei der Summenregel ist es hierwichtig, dass die Entscheidungen

”welches Element wahle ich aus Mi?“ unabhangig voneinander

sind: die Tatsache, dass ich mich fur xi ∈ Mi entschieden habe, darf mich nicht bei der Wahl desxj ∈ Mj fur j 6= i einschranken. Hier noch ein weiteres Beispiel:

Beispiel 2.2 Sei n ∈ N0. Ein 0− 1-Wort der Lange n ist ein Element der Menge 0, 1n. Es gibtalso 2n verschiedene 0, 1-Worter.

Beim Zahlen durch Bijektion machen wir Gebrauch von Proposition 1.21: wenn f : A → B eineBijektion ist, dann muss |A| = |B| sein.

Beispiel 2.3 Wir kehren zu unserem Beispiel aus Proposition 1.5 zuruck: Sei M := m1, . . . , mneine Menge mit n ∈ N0 Elementen. Wie groß ist ihre Potenzmenge P(M)? Wir betrachten dieFunktion f : P(M) → 0, 1n, die jeder Teilmenge S ⊆ m1, . . . , mn ein 0 − 1-Wort (x1, . . . , xn)wie folgt zuordnet:

f(S) := (x1, . . . , xn) mit xi :=

0 wenn mi 6∈ S

1 wenn mi ∈ Sfur alle i ∈ [n].

Man uberpruft leicht, dass f eine Bijektion ist. Damit folgt

|P(M)| 1.21a)= |0, 1n| (2.2)

= 2n.

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2.2 Doppeltes Abzahlen

Die folgende Beobachtung ist zwar offensichtlich, aber trotzdem manchmal sehr nutzlich.

Proposition 2.4 Sei R ⊆ A × B eine binare Relation. Dann gilt

a∈A

|b ∈ B : (a, b) ∈ R| = |R| =∑

b∈B

|a ∈ A : (a, b) ∈ R|.

Wir wollen dies gleich im folgenden Beispiel anwenden.

Beispiel 2.5 Wir definieren eine Relation R ⊆ [n] × [n] durch (i, j) ∈ R genau dann, wenn i einTeiler von j ist. Außerdem sei t(j) die Anzahl von Teilern von j, und t(n) die durchschnittlicheAnzahl von Teilern, also:

t(j) := |i ∈ [n] : (i, j) ∈ R| und t(n) :=1

n

n∑

j=1

t(j).

Die Funktion t(j) scheint sehr ungleichmaßig zu sein, und entsprechend sieht es nicht ganz leichtaus, t(n) zu bestimmen.

Setzen wir hingegen s(i) := |j ∈ [n] : (i, j) ∈ R|, dann zahlen wir damit zu gegebenem i dieZahlen aus [n], die i als Teiler enthalten, also die Vielfachen von i, und davon gibt es genau ⌊n/i⌋viele. Somit gilt:

t(n) =1

n

n∑

j=1

t(j) =1

n

n∑

j=1

|i ∈ [n] : (i, j) ∈ R| (2.4)=

1

n

n∑

i=1

|j ∈ [n] : (i, j) ∈ R|

=1

n

n∑

i=1

s(i) =1

n

n∑

i=1

⌊n/i⌋.(10)

Wir versuchen jetzt, die Abrundungsklammern ⌊.⌋ los zu werden: es gilt, dass (n/i)− 1 < ⌊n/i⌋ ≤n/i, und daher folgt aus (10), dass

n∑

i=1

(1/i) − 1 =1

n

n∑

i=1

(n/i) − 1 =1

n

n∑

i=1

((n/i) − 1) < t(n) ≤ 1

n

n∑

i=1

(n/i) =

n∑

i=1

(1/i) (11)

Die Summe∑n

i=1(1/i) wird auch als n-te harmonische Zahl bezeichnet, und man kann mit ele-mentaren Mitteln zeigen, dass

ln(n) + 1 − ln(2) ≤n∑

i=1

(1/i) ≤ ln(n) + 1. (12)

Kombiniert man nun (11) und (12), dann ergibt sich

ln(n) − ln(2) ≤ t(n) ≤ ln(n) + 1

2.3 Inklusion–Exklusion

Wir haben bereits die Summenregel kennengelernt, deren Anwendung aber voraussetzt, dass diebeteiligten Mengen paarweise disjunkt sein mussen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, mussenwir

”genauer rechnen“. Fur den Spezialfall von zwei Mengen gilt beispielsweise offensichtlich, dass

|M1 ∪M2| = |M1|+ |M2| − |M1 ∩M2|, weil wir die Elemente in der Schnittmenge doppelt gezahlthaben und daher wieder abziehen mussen. Fur drei Mengen gilt

|M1∪M2∪M3| = |M1|+ |M2|+ |M3|− |M1∩M2|− |M1∩M3|− |M2∩M3|+ |M1∩M2∩M3|, (13)

weil wir die Elemente im Schnitt aller drei Mengen erst dreimal gezahlt haben, dann wieder dreimalabgezogen haben, also noch einmal hinzuzahlen mussen. Im Allgemeinen gilt die folgende Formel:

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Proposition 2.6 Fur endliche Mengen M1, . . . , Mn gilt:

|n⋃

i=1

Mi| =

n∑

r=1

(−1)r−1∑

1≤i1<···<ir≤n

|r⋂

j=1

Mij|. (14)

Der Beweis lasst sich zum Beispiel durch vollstandige Induktion uber n fuhren, ist wegen deminvolvierten Indexgeschacher aber etwas aufwandig (wenn auch nicht schwierig) und wird daherzunachst vertagt. Statt dessen uberprufen wir kurz, dass im Fall n = 3 die drei Summanden furr = 1, 2, 3 der rechten Seite von (14) mit den Summanden aus (13) ubereinstimmen

(−1)1−1∑

1≤i1≤3

|1⋂

j=1

Mij| =

1≤i1≤3

|Mi1 |

(−1)2−1∑

1≤i1<i2≤3

|2⋂

j=1

Mij| = −

1≤i1<i2≤3

|Mi1 ∩ Mi2 |

(−1)3−1∑

1≤i1<i2<i3≤3

|3⋂

j=1

Mij| = |M1 ∩ M2 ∩ M3|.

2.4 Teilmengen zahlen

Wir wollen in diesem Abschnitt zahlen, auf wieviele verschiedene Weisen man aus einer Menge mitn Elementen k Elemente auswahlen kann. Sei dazu M = m1, . . . , mn die Grundmenge, aus derwir wahlen, seien c1, . . . , ck die Elemente ci ∈ M , die wir ausgesucht haben, und X die (noch zuprazisierende) Menge an Kombinationen.

Proposition 2.7 Wir unterscheiden vier Falle, und zwar in Abhangigkeit davon, ob unterschie-den werden soll, in welcher Reihenfolge die Elemente aus der Menge M ausgewahlt wurden (geord-net/ungeordnet), und ob Elemente mehrfach ausgewahlt werden konnen (mit/ohne Zurucklegen).

a) geordnet, mit Zurucklegen:

X := Mk = (c1, . . . , ck) : ci ∈ M ∀i ∈ [k]

Fur die Anzahl der moglichen Kombinationen gilt hier gemaß Produktregel:

|X | = |Mk| = |M |k = nk.

b) geordnet, ohne Zurucklegen:

X := Mk := (c1, . . . , ck) : ci ∈ M ∀i ∈ [k], ci 6= cj ∀i 6= j ∈ [k]

Fur die Anzahl der moglichen Kombinationen gilt hier gemaß Produktregel:

|X | = |Mk| = |M |k = nk := n · (n − 1) · · · · · (n − k + 1)

Die Funktion x 7→ xk fur x ∈ R und k ∈ N0 nennt man auch fallende Faktorielle. Die Spezialfallelauten: x0 := 1 und nn = n · (n − 1) · · · · · 1 =: n!, die sogenannte Fakultat, und insbesondere0! = 00 = 1.

c) ungeordnet, ohne Zurucklegen:

X :=

(M

k

)

= c1, . . . , ck : ci ∈ M ∀i ∈ [k], ci 6= cj ∀i 6= j ∈ [k]

Um hier die Anzahl der moglichen Kombinationen zu bestimmen, gehen wir wie folgt vor. DieElemente einer Menge T ∈

(Mk

)lassen sich auf kk = k! viele Weisen anordnen, dabei erhalt man

jede geordnete Kombination von k verschiedenen Elementen aus M , also jedes Element von Mk,genau einmal. Also gilt gemaß b):

∣∣∣∣

(M

k

)∣∣∣∣k! = nk ⇒ |X | =

∣∣∣∣

(M

k

)∣∣∣∣=

nk

k!=:

(n

k

)

=

(|M |k

)

.

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d) ungeordnet, mit Zurucklegen: Hier stellen die moglichen Kombinationen sogenannte Multi-mengen dar. Dazu zunachst ein Beispiel: Sei M := a, b, c, d, e und T := c, a, b, a, c, c, e. Hierbeiist T eine Multimenge. Sie ist beispielsweise mit der Multimenge a, a, b, c, c, c, e identisch, weiles nicht auf die Reihenfolge der Elemente ankommt, unterscheidet sich aber von der Multimengea, b, c, e, weil es darauf ankommt, wie oft ein Element aus M in T enthalten ist.

Formal definiert man also eine Multimenge als ein Paar (M, ϕ), wobei M eine Menge undϕ : M → N0 eine Funktion ist, die die Vielfachheit der Elemente angibt. In obigem Beispiel warealso T gegeben durch M und ϕ(a) = 2, ϕ(b) = 1, ϕ(c) = 3, ϕ(d) = 0 und ϕ(e) = 1.

Die Menge der k-elementigen Multimengen uber M definieren wir entsprechend durch

X :=

⟨M

k

:=

(M, ϕ) : ϕ : M → N0 mit∑

i∈M

ϕ(i) = k

.

Um die Kardinalitat von X zu bestimmen, kodieren wir die Multimengen in X wie folgt. Sei Y VL 21.11.07die Menge aller Folgen der Lange n + k − 1, die genau k mal das Zeichen ∗ und genau n − 1 maldas Zeichen | verwenden. Die Abbildung f : X → Y ordnet einer Multimenge T = (M, φ) ∈ X dieFolge

∗ . . . · · · ∗︸ ︷︷ ︸

ϕ(m1)mal

| ∗ . . . · · · ∗︸ ︷︷ ︸

ϕ(m2)mal

| . . . . . . | ∗ . . . · · · ∗︸ ︷︷ ︸

ϕ(mn)mal

aus Y zu. Die Multimenge a, a, b, c, c, c, e beispielsweise wird also durch f auf das Wort ∗∗|∗|∗∗∗||∗abgebildet, und man uberpruft leicht, dass f eine Bijektion ist.

Wir konnen uns also darauf zuruckziehen, die Anzahl der Elemente in Y zu bestimmen, unddas ist einfach: wir wahlen (ungeordnet, ohne Zurucklegen) die k Positionen fur die ∗ Zeichen ausden n + k − 1 Positionen in der Folge aus. Dafur gibt es gemaß c) genau

(n+k−1

k

)Moglichkeiten.

Somit gilt: ∣∣∣∣

⟨M

k

⟩∣∣∣∣= |X | = |Y | =

(n + k − 1

k

)

=:

⟨n

k

=

⟨|M |k

.

Noch ein paar abschließende Bemerkungen: die Ausdrucke Mk, Mk,(Mk

)und

⟨Mk

⟩bezeichnen

also Mengen, wahrend die Ausdrucke nk, nk,(nk

)und

⟨nk

⟩Zahlen darstellen. In den Fallen b) und

c) muss zwingend k ≤ n sein, bei a) und d) ist das nicht notwendig. Wir listen nun einige nutzlicheEigenschaften dieser Zahlparameter auf.

Proposition 2.8 Es seien m, n, k ∈ N0 mit k ≤ n und k ≤ m. Ferner seien x, y ∈ R. Danngelten:

a)(nk

)= n!

k!(n−k)! .

b)(nk

)=(

nn−k

).

c)(n−1k−1

)+(n−1

k

)=(nk

)fur n, k ≥ 1.

d) (x + y)n =∑n

i=0

(ni

)xiyn−i.

e) 2n =∑n

i=0

(ni

).

f) xn+k = xn(x − n)k.

g) (x + y)n =∑n

i=0

(ni

)xiyn−i.

h)(n+m

k

)=∑n

i=0

(ni

)(m

k−i

).

Beweis: Die Aussagen a),b),c) und f) folgen unmittelbar aus den Definitionen. Aussage d) habenSie in der Analysis (Aufgabe T 2.3) schon bewiesen.

Aussage e) folgt mit x := 1 und y := 1 aus d). Alternativ kann man auch wie folgt argumentie-ren: Die linke Seite der Gleichung beschreibt die Anzahl der Teilmengen einer n-elemntigen Menge(siehe Proposition 1.5). Und auch die rechte Seite der Gleichung zahlt die Anzahl dieser Teilmen-gen, allerdings sortiert nach der Große (also i) der Teilmengen. Ein solches Argument nennt manauch kombinatorischen Beweis fur eine numerische Formel.

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Aussage g) sollen Sie als Hausaufgabe (Aufgabe 6.2) beweisen. Fur die Aussage h) geben wirwieder einen kombinatorischen Beweis an: Die linke Seite der Gleichung zahlt (zum Beispiel) die k-elementigen Teilmengen einer Menge, die sich aus n Frauen und m Mannern zusammensetzt. Unddie rechte Seite tut das auch, und zwar sortiert nach der Anzahl i von Frauen in der k-elementigenTeilmenge. Formal aufschreiben konnte man das zum Beispiel so: es seien N und M Mengen mitN ∩ M = ∅ und |N | = n und |M | = m. Dann ist

f :

(N ∪ M

k

)

→((

N

0

)

×(

M

k

))

∪((

N

1

)

×(

M

k − 1

))

∪ . . . ∪((

N

k

)

×(

M

0

))

mit f : T 7→ (T ∩ N, T ∩ M) eine Bijektion, und daraus ergibt sich die Formel in Aussage h). 2

2.5 Partitionen zahlen

Definition 2.9 Es seien k, n ∈ N0 und M eine Menge mit |M | = n. Eine k-Partition der MengeM ist eine Zerlegung von M in k disjunkte, nicht-leere Mengen: M = M1∪ . . . ∪Mk. Die Anzahlvon k-Partitionen einer n-elementigen Menge wird mit Sn,k bezeichnet (und heißt Stirling-Zahlzweiter Art). Man setzt S0,0 := 1.

Ein Beispiel: Die Menge M = 1, 2, 3 hat drei 2-Partitionen, namlich

M = 1, 2∪3 = 1, 3∪2 = 2, 3∪1.

Proposition 2.10 Es seien k, n ∈ N0.a) Fur k > n gilt: Sn,k = 0.b) Fur n ≥ 1 gilt: Sn,0 = 0.c) Fur 1 ≤ k ≤ n gilt: Sn,k = Sn−1,k−1 + k · Sn−1,k.

Beweis: Die Aussagen a) und b) sind offensichtlich. Um c) zu beweisen, betrachten wir eine MengeM = m1, . . . , mn deren k-Partitionen wir zahlen mochten.

Wir zahlen zunachst nur diejenigen k-Partitionen, in denen eine Partitionsklasse aus genau demElement mn besteht. Davon gibt es genau Sn−1,k−1 viele, denn die Moglichkeiten erschopfen sichjetzt darin, die Elemente m1, . . . , mn−1 in k − 1 Partitionsklassen zu gruppieren.

Fur alle anderen Partitionen gilt, dass das Element mn nicht alleine in einer Partitionsklasseliegt. Wir verteilen also zunachst alle Elemente m1, . . . , mn−1 auf k Partitionsklassen, und wahlendann aus, zu welcher Klasse wir das Element mn dazu stecken. Dafur gibt es insgesamt k · Sn−1,k

Moglichkeiten. Somit folgt die Behauptung aus der Summenregel. 2

Definition 2.11 Es seien wieder k, n ∈ N0. Eine k-Partition der Zahl n ist eine Zerlegung vonn in k Summanden: n = n1 + · · · + nk mit ni ∈ N fur alle i ∈ [k]. Bei einer geordneten Partitionkommt es auf die Reihenfolge der Summanden an, bei einer ungeordneten nicht. Die Anzahl vonungeordneten k-Partitionen der Zahl n wird mit Pn,k bezeichnet, man setzt P0,0 := 1.

Ein Beispiel: n = 4 und k = 2. Dann gibt es zwei ungeordnete 2-Partitionen von 4, namlich4 = 1 + 3 = 2 + 2, aber drei geordnete 2-Partitionen, namlich 4 = 1 + 3 = 3 + 1 = 2 + 2.

Proposition 2.12 Es seien k, n ∈ N0.a) Fur k > n gilt: Pn,k = 0.b) Fur n ≥ 1 gilt: Pn,0 = 0.

c) Fur 1 ≤ k ≤ n gilt: Pn+k,k =∑k−1

i=0 Pn,k−i.d) Fur 1 ≤ k ≤ n gilt: Es gibt genau

(n−1k−1

)geordnete k-Partitionen der Zahl n.

Beweis: Die Aussagen a) und b) sind wieder offensichtlich.

Um c) zu beweisen wollen wir jeden Summanden in einer Partition, der gleich 1 ist, einen

”Einser“ nennen. Eine k-Partition der Zahl n + k kann offensichtlich zwischen 0 und k − 1 viele

Einser haben.

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Wir behaupten, dass die Anzahl der k-Partitionen der Zahl n + k mit genau i Einsern Pn,k−i

betragt, woraus die Aussage c) folgen wurde. Dazu geben wir eine Bijektion von der Menge derk-Partitionen der Zahl n + k mit genau i Einsern in die Menge der (k − i)-Partitionen der Zahl nwie folgt an: Schreibe zunachst

n + k = 1 + 1 + · · · + 1︸ ︷︷ ︸

i Einsen

+ ni+1 + ni+2 + · · · + nk︸ ︷︷ ︸

k−i Summanden ≥ 2

.

Setze dannn′

i+1 := ni+1 − 1, n′i+2 := ni+2 − 1, . . . , n′

k := nk − 1.

Dann ist n′i+1 + · · · + n′

k = n + k − i − (k − i) = n, und also stellen die n′i+1, . . . , n

′k eine (k − i)-

Partition der Zahl n dar. Diese Abbildung ist bijektiv, denn man kommt umgekehrt von jeder(k − i)-Partition der Zahl n durch Addition von 1 zu jedem Summanden und Hinzufugen von iEinsern wieder zuruck zu einer k-Partition der Zahl n + k mit genau i Einsern.

Der Beweis von d) ist noch einfacher. Wir schreiben n = 1 + 1 + 1 + · · · + 1 als Summe vonn Einsen, und entsprechend mit genau n − 1 Pluszeichen. Eine geordnete k-Partition der Zahl nentspricht jetzt einfach einer Auswahl von k−1 Pluszeichen (ungeordnet, ohne Zurucklegen – dafurgibt es

(n−1k−1

)Moglichkeiten), und an diesen Pluszeichen

”beginnt“ dann der nachste Summand:

n = 1 + · · · + 1︸ ︷︷ ︸

=n1

⊕ 1 + · · · + 1︸ ︷︷ ︸

=n2

⊕ · · · ⊕ 1 + · · · + 1︸ ︷︷ ︸

=nk

.

2 VL 28.11.07

Proposition 2.13 Wir werfen nun n Balle in k Korbe. Wieviele Verteilungsmoglichkeiten gibt es?Hier mussen wir erstens unterscheiden, ob die Balle und die Korbe unterscheidbar sind. Außerdemwollen wir noch spezifizieren, ob es weitere Bedingungen gibt, namlich ob es sich um eine beliebige,injektive (d.h. pro Korb hochstens ein Ball), surjektive (d.h. mindestens ein Ball) oder bijektiveZuordnung der Balle handelt. Es gilt:

beliebig inj. surj. bij.

a) Balle unterscheidbar, Korbe unterscheidbar kn kn k!Sn,k n!

b) Balle nicht unterscheidbar, Korbe unterscheidbar(

n+k−1n

) (kn

) (n−1k−1

)1

c) Balle unterscheidbar, Korbe nicht unterscheidbar∑k

i=1 Sn,i 1 Sn,k 1

d) Balle nicht unterscheidbar, Korbe nicht unterscheidbar∑k

i=1 Pn,i 1 Pn,k 1

(Hierbei ist naturlich klar, dass fur injektive Verteilungen notwendigerweise n ≤ k gelten muss,fur surjektive n ≥ k, und fur bijektive n = k; andernfalls gibt es uberhaupt keine solche Verteilung.)

Beweis: a) In diesem Fall zahlen wir eigentlich Funktionen f : [n] → [k]. Also gibt es offensichtlichkn beliebige Funktionen, und kn injektive.Um die surjektiven zu zahlen, machen wir uns klar, dass die Urbilder f−1(y) fur y = 1, . . . , kdie Menge [n] in k Mengen partitionieren. Von diesen Partitionen gibt es gemaß Definition 2.9genau Sn,k viele. Nun konnen wir noch fur jede Partitionsklasse aussuchen, auf welches y ∈ [k] sieabgebildet wird, dafur gibt es k! Moglichkeiten.Fur bijektive Zuordnungen gibt es genau n! verschiedene Moglichkeiten.

b) Da die Balle nicht unterscheidbar, die Korbe aber unterscheidbar sind, zahlen wir in diesemFall eigentlich so etwas wie Wahlausgange. Einen beliebigen Wahlausgang konnen wir uns alsAuflistung der getroffenen Korbnummern vorstellen, also etwa

1, 1, . . . , 1, 2, . . . , 2, . . . , k, . . . , k

und das ist dann genau eine n-elementige Multimenge uber der Menge [k], wovon es gemaß 2.7 d)genau

(n+k−1

n

)gibt.

Wenn wir injektive Wahlausgange zahlen, dann genugt es, die n Korbe aus k moglichen aus-zuwahlen, die getroffen werden sollen – dafur gibt es

(kn

)Moglichkeiten.

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Umgekehrt entspricht ein surjektiver Wahlausgang einer geordneten Zerlegung der Zahl n in kSummanden, und davon gibt es gemaß Proposition 2.12 genau

(n−1k−1

)viele.

Es gibt nur eine bijektive Zuordnung, namlich in jeden Korb einen Ball.

c) Da jetzt die Korbe nicht mehr unterscheidbar sind, zahlen wir in diesem Fall die Partitionender Menge der n Balle. Gemaß Definition 2.9 zahlt Sn,i genau die Anzahl solcher Partitionen in i

nicht–leere Korbe. Entsprechend ist∑k

i=1 Sn,i die Gesamtanzahl der Partitionen.Da die Korbe nicht unterscheidbar sind, gibt es nur eine injektive Verteilung, namlich je ein Ballin n (beliebige) der k Korbe. Die Anzahl der surjektiven Ballverteilungen betragt Sn,k, wie schonaus unserer Diskussion im vorangegangenen Absatz folgt. Bijektive Zuordnungen gibt es nur genaueine.

d) Im Unterschied zu c) sind jetzt auch die Balle nicht mehr unterscheidbar, das heißt, wirzahlen jetzt Partitionen der Zahl n der Balle. Entsprechend ubertragen sich alle Ergebnisse vonFall c), wenn wir Sn,i durch Pn,i ersetzen.

2

2.6 Erzeugende Funktionen

Angenommen, wir kennen die ersten Werte einer Folge von Zahlen, und außerdem eine Rekursi-onsvorschrift, die besagt, wie sich spatere Folgengliedern aus fruheren berechnen. Unser Ziel ist esin diesem Abschnitt, ein Verfahren kennenzulernen, mit dem wir dann eine explizite Formel furdas n-te Folgenglied herleiten konnen.

Wir wollen dies zunachst am Beispiel der Fibonacci-Zahlen tun, ohne uns viele Gedankendaruber zu machen, was wir dort eigentlich machen, wieso wir es durfen, und warum es funktio-niert. Anschließend werden wir dann den theoretischen Unterbau nachliefern, und ihn an weiterenBeispielen testen.

Beispiel 2.14 Die Folge der Fibonacci-Zahlen ist gegeben durch die Startwerte F0 = 0 und F1 = 1und die rekursive Vorschrift Fn+2 = Fn+1 + Fn, fur alle n ∈ N0. Wir suchen eine explizite Formelfur Fn.

Dazu entwickeln wir eine Methode, die aus sechs Schritten besteht.

Schritt 1: Potenzreihe aufstellen.Wir definieren F (x) :=

n∈N0

Fnxn.

Schritt 2: Setze Anfangswerte und Rekursion in die Potenzreihe ein.

F (x) = F0 + F1x +∑

n≥2

Fnxn

= x +∑

n≥0

Fn+2xn+2 = x +

n≥0

(Fn+1 + Fn)xn+2.

Schritt 3: Ersetze die autretenden Fn unter Verwendung von F (x).

F (x) = x +∑

n≥0

Fn+1xn+2 +

n≥0

Fnxn+2

= x + x ·∑

n≥0

Fn+1xn+1 + x2 ·

n≥0

Fnxn

= x + x(F (x) − F0) + x2F (x) = x + xF (x) + x2F (x).

Schritt 4: Nach F (x) auflosen.

F (x) − xF (x) − x2F (x) = x

F (x) =x

1 − x − x2.

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Schritt 5: Stelle die gebrochen rationale Funktion als Potenzreihe dar.Dazu machen wir folgenden Ansatz. Bestimme α, β, µ, λ ∈ R, so dass fur alle x ∈ R gilt:

F (x) =x

1 − x − x2=

α

1 − µx+

β

1 − λx. (15)

Eine kleine Nebenrechnung zeigt:

x

1 − x − x2=

α(1 − λx) + β(1 − µx)

(1 − µx)(1 − λx)

⇔ x(1 − µx)(1 − λx) = (α(1 − λx) + β(1 − µx)) (1 − x − x2)

⇔ x + (−µ − λ)x2 + µλx3 = (α + β) + (−α − β − αλ − βµ)x

+ (−α − β + αλ + βµ)x2 + (αλ + βµ)x3.

Links und rechts des Gleichheitszeichen stehen nun zwei Polynome dritten Grades (in x), und ausder Tatsache, dass obige Gleichung fur unendlich viele x gelten soll, folgt, dass die vier Koeffizientenlinks gleich den vier Koeffizienten rechts sein mussen. (Warum das folgt, werden wir spater nochin Satz 2.16 diskutieren.) Wir erhalten also die vier Gleichungen

0 = α + β (16)

1 = −(α + β) − αλ − βµ (17)

−µ − λ = −(α + β) + αλ + βµ (18)

µλ = αλ + βµ, (19)

mit deren Hilfe wir nun die vier Variablen bestimmen wollen.

Addition von (17) und (18) ergibt unter Verwendung von (16), dass

1 − µ − λ = −2(α + β)(16)= 0 ⇒ 1 − µ = λ. (20)

Addition von (17) und (19) ergibt, dass

1 + µλ = −(α + β)(16),(20)

=⇒ 1 + µ(1 − µ) = 0.

Die Losung dieser quadratischen Gleichung lautet

µ =1 ∓

√5

2⇒ λ

(20)= 1 − µ =

1 ±√

5

2. Setze also µ =

1 +√

5

2, λ =

1 −√

5

2.

Dann ergeben sich daraus die Werte fur α und β wie folgt:

1(17)= −(α + β) − αλ − βµ

(16)= β(λ − µ) = β

(

1

2−

√5

2− 1

2−

√5

2

)

= −β√

5

⇒ β = − 1√5

(16)⇒ α =1√5,

und damit ist die Nebenrechnung beendet.

Wir kehren zuruck zu unserem Ansatz in (15) und benutzen die Tatsache, dass (fur γx < 1)

n≥0

(γx)n =1

1 − γx, (21)

die wir spater (siehe Beispiel 2.19) noch diskutieren werden, die man aber vielleicht noch alsgeometrische Reihe aus der Schule wiedererkennt. Damit ergibt sich nun

F (x) =α

1 − µx+

β

1 − λx= α

n≥0

µnxn + β∑

n≥0

λnxn.

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Schritt 6: Koeffizientenvergleich.Wir haben gezeigt, dass

n≥0

Fnxn = F (x) =∑

n≥0

(αµn + βλn)xn

fur die errechneten Werte von α, β, µ, λ und fur unendlich viele Werte von x ∈ R gilt, und damitergibt sich (auch das mussen wir spater noch einmal thematisieren), dass die Koeffizienten linksund rechts alle ubereinstimmen mussen:

Fn = αµn + βλn =1√5

(

1 +√

5

2

)n

− 1√5

(

1 −√

5

2

)n

,

womit die gewunschte Formel fur Fn gefunden ware.

Zwei Bemerkungen. Die Formel ist durchaus uberraschend, auf den ersten Blick ist nicht einmalklar, dass sie fur jedes n ∈ N0 eine naturliche Zahl erzeugt, aber der Leser ist eingeladen, probeweiseFn fur einige n zu berechnen. Hatte man die Formel gekannt oder vermutet, ware es leicht gewesen,sie mit Hilfe der Rekursion und eines Induktionsbeweises zu uberprufen. Das Bemerkenswerte ander hier vorgestellten Methode ist also, dass man mit ihrer Hilfe eine solche Formel

”ohne zu raten“

herleiten kann. VL 5.12.07

Wir wollen nun versuchen, den notwendigen theoretischen Unterbau fur das obige”Kochrezept“

zu liefern. Dazu benotigen wir zunachst einige Definitionen.

Definition 2.15 Es sei (an)n∈N = a0, a1, a2, . . . eine unendliche Folge von reellen Zahlen. Das

Objekt∑

n≥0

anxn,

nennt man einerseits eine formale Potenzreihe. Andererseits konnen wir es auch als Funktion

A : R → R mit A(x) :=∑

n≥0

anxn

auffassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Reihe (fur ein gegebenes x) auch kon-vergiert. (Sie haben in der Analysis vermutlich schon Kriterien dafur kennengelernt, wann einesolche Reihe konvergiert.) Wir wollen fur das Folgende vereinbaren, dass wann immer wir A(x)schreiben, wir damit den Grenzwert der Potenzreihe meinen, unter der Voraussetzung, dass siekonvergiert – auch wenn wir diese Voraussetzung nicht jedes Mal explizit nennen.

Einer Folge (an) wird also eine Funktion A(x) zugeordnet. Konnen zwei verschiedene Folgendie gleiche Funktion generieren? Der folgende Satz, den Sie in der Analysis noch beweisen werden,sagt nein.

Satz 2.16 Seien (an)n∈N und (bn)

n∈N zwei Folgen und

A(x) :=∑

n≥0

anxn und B(x) :=∑

n≥0

bnxn.

Wenn es ein ǫ > 0 gibt mit A(x) = B(x) fur alle x ∈ R mit 0 ≤ x ≤ ǫ (und insbesondere beideReihen fur diese x konvergieren), dann muss

∀n ∈ N0 : an = bn

gelten.

Durch diesen Satz ist also klar, dass die Zuordnung”Folge“ →

”Funktion“ im obigen Sinne

injektiv ist und wir daher auch die Umkehrabbildung betrachten konnen. Wir werden spater (sie-he 2.20) noch sehen, wie man aus einer gegebenen Funktion A(x) die Folgenglieder an so berechnet,dass A(x) =

n≥0 anxn gilt. Man sagt dann auch, dass A(x) die erzeugende Funktion der Folge(an)

n∈N ist.

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Definition 2.17 Seien (an)n∈N und (bn)

n∈N zwei Folgen und A(x) und B(x) ihre erzeugendenFunktionen. Das Produkt der formalen Potenzreihen

n≥0 anxn und∑

n≥0 bnxn ist definiert durchdie Potenzreihe

C(x) := A(x) · B(x) :=∑

n≥0

cnxn mit cn =

n∑

k=0

akbn−k.

Achtung: Wir definieren eine Verknupfung von formalen Potenzreihen, nennen diese”Produkt“

und benutzen das Mal-Symbol. Ist das sinnvoll? Ja, denn in der Analysis lernen Sie, dass in derTat das Produkt der Funktionswerte A(x) ∈ R und B(x) ∈ R den Funktionswert C(x) ∈ R ergibt.

Wenn A(x) · B(x) = 1, dann heißt B(x) inverse Potenzreihe zu A(x).

Die formale Potenzreihe∑

n≥1 nanxn−1 =∑

n≥0(n+1)an+1xn heißt Ableitung von A(x) und wird

mit A′(x) bezeichnet.

Proposition 2.18∑

n≥0 anxn hat genau dann eine inverse Potenzreihe∑

n≥0 bnxn, wenn a0 6= 0ist. In diesem Fall gilt

b0 =1

a0und bn = − 1

a0

n∑

k=1

akbn−k ∀n ∈ N.

Beweis:

1 = A(x) · B(x) =∑

n≥0

(n∑

k=0

akbn−k

)

xn

(2.16)⇔ a0b0 = 1 und

n∑

k=0

akbn−k = 0 ∀n ∈ N

⇔ b0 =1

a0und a0bn +

n∑

k=1

akbn−k = 0 ∀n ∈ N

⇔ b0 =1

a0und bn = − 1

a0

n∑

k=1

akbn−k ∀n ∈ N.

2

Beispiel 2.19a) Sei γ ∈ R beliebig und A(x) :=

n≥0 anxn mit an := γn. A(x) ist also die sogenanntegeometrische Reihe. Wir wollen die zu A(x) inverse Potenzreihe B(x) bestimmen und wendendazu Proposition 2.18 an. Dann ist b0 = 1/a0 = 1 und bn = −∑n

k=1 akbn−k, also

b1 = −a1b0 = −γ und b2 = −(a1b1 + a2b0) = −(−γ2 + γ2) = 0.

Auch fur n ≥ 3 folgt dann, dass bn = 0 ist, wie man sich induktiv leicht klar macht:

bn = −(a1bn−1 + a2bn−2 + · · · + an−2b2︸ ︷︷ ︸

=0

+an−1b1 + anb0)

= −(γn−1(−γ) + γn) = 0.

Also ist B(x) = b0 + b1x = 1 − γx die inverse Potenzreihe zu A(x), das heißt(∑

n≥0 γnxn)

(1 −γx) = 1, also

n≥0

γnxn =1

1 − γx, (22)

was wir bereits in (21) benutzt haben.

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b) Nach a) gilt (mit γ = 1), dass∑

n≥0 xn = (1 − x)−1. Bildet man auf beiden Seiten die k-facheAbleitung, dann erhalt man

n≥k

n(n − 1) · · · · · (n − k + 1)xn−k =k!

(1 − x)k+1

und daraus folgt∑

n≥0

(n + k

k

)

xn =∑

n≥k

(n

k

)

xn−k =1

(1 − x)k+1(23)

fur alle k ∈ N, sofern die Summe konvergiert.VL 12.12.07

Der folgende Satz aus der Analysis – uber die sogenannte Taylor–Entwicklung – befasst sich nunmit der schon angerissenen Frage, wie man an einer Funktion A(x) abliest, welche Folge (an)

n∈N0

mit A(x) =∑

n≥0 anxn sie erzeugt.

Satz 2.20 Sei A : R → R eine Funktion, die in 0 unendlich oft differenzierbar ist, und bezeichnemit A(k)(x) die k-te Ableitung an der Stelle x. Dann gilt:

A(x) =∑

n≥0

A(n)(0)

n!xn,

vorausgesetzt, die Summe konvergiert.

Mit anderen Worten: A(x) ist die erzeugende Funktion fur die Folge (an)n∈N0

mit an :=

A(n)(0)/n!. Satz 2.20 werden Sie in der Analysis–Vorlesung beweisen.

Beispiel 2.21 Wir hatten in Proposition 2.8 d) bereits gesehen, dass fur m ∈ N0 gilt:

(1 + y)m =

m∑

n=0

(m

n

)

yn.

Nun wollen wir eine ahnliche Formel fur den Fall m ∈ R herleiten.

Sei also r ∈ R und setze A(y) := (1 + y)r. Dann gilt fur die r-te Ableitung an der Stelle 0:

A(n)(0) = r · (r − 1) · · · · · (r − n + 1) · (1 + 0)r−n = rn,

also

(1 + y)r = A(y)2.20=∑

n≥0

A(n)(0)

n!yn =

n≥0

rn

n!yn =

n≥0

(r

n

)

yn. (24)

Nach dieser kurzen Einfuhrung in die Theorie der erzeugenden Funktionen wollen wir die Me-thode jetzt noch einmal auf ein konkretes Beispiel anwenden.

Beispiel 2.22 Sei C0 = 1 und Cn =∑n

k=1 Ck−1Cn−k fur alle n ∈ N. Wie lautet die expliziteFormel fur Cn?

Wir verfolgen das gleiche Rezept wie in Beispiel 2.14.

Schritt 1: Potenzreihe aufstellen.Wir definieren C(x) :=

n∈N0

Cnxn.

Schritt 2: Setze Anfangswerte und Rekursion in die Potenzreihe ein.

C(x) = C0 +∑

n≥1

Cnxn

= 1 +∑

n≥1

(n∑

k=1

Ck−1Cn−k

)

xn

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Schritt 3: Ersetze die auftretenden Cn unter Verwendung von C(x).

C(x) = 1 +∑

n≥1

(n−1∑

k=0

CkCn−(k+1)

)

xn

= 1 +∑

n≥0

(n∑

k=0

CkCn−k

)

xn+1

= 1 + x ·∑

n≥0

(n∑

k=0

CkCn−k

)

xn

= 1 + x · [C(x)]2.

Schritt 4: Nach C(x) auflosen.

xC(x)2 − C(x) + 1 = 0

C(x) =1 ±

√1 − 4x

2x.

Um zu entscheiden, welche der beiden Losungen korrekt ist, benutzen wir die Tatsache, dassfur x → 0 gilt, dass C(x) → C0 = 1. Da

1 +√

1 − 4x

2x→ ∞,

muss also

C(x) =1 −

√1 − 4x

2x.

Schritt 5: Stelle C(x) als Potenzreihe dar.Nach Schritt 4 gilt, dass

xC(x) =1

2− 1

2(1 − 4x)

1

2 .

Durch Anwendung von (24) mit y := −4x und r := 12 folgt, dass

xC(x) =1

2− 1

2

n≥0

(12

n

)

(−4x)n

= −1

2

n≥1

(12

n

)

(−4)nxn.

Schritt 6: Koeffizientenvergleich.Wir haben gezeigt, dass

n≥0

Cnxn+1 = xC(x) = −1

2

n≥1

(12

n

)

(−4)nxn.

Nach Satz 2.16 folgt damit durch Koeffizientenvergleich, dass

Cn = −1

2

( 12

n + 1

)

(−4)n+1 HA 7.1=

(2n

n

)1

n + 1,

womit wir einen schonen Ausdruck fur Cn gefunden haben.

Diesen Ausdruck nennt man die n-te Catalan–Zahl. In den Hausaufgaben haben Sie bereitsgelernt, dass man damit auch die Anzahl korrekter Klammerungen mit n Klammerpaaren oder dieAnzahl monoton wachsender Funktionen f : [n] → [n] mit f(i) ≤ i bestimmen kann. Eine weitereAnwendung findet sich im folgenden

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Beispiel 2.23 Wir betrachten ein n–Eck P in der Ebene. Eine Diagonale von P ist ein Gera-denstuck, dass zwei nicht-benachbarte Ecken von P miteinander verbindet. P heißt konvex, wennjede Diagonale von P innerhalb von P verlauft. Eine Triangulierung von P ist eine Partitionierungdes Inneren von P in Dreiecke, deren Seiten Seiten von P oder Diagonalen von P sind und derenEcken Ecken von P sind. Bei einer Triangulierung bildet jede der n Kanten von P mit genaueiner weiteren Ecke von P ein Dreieck. Die Ecken seien unterscheidbar und, im Uhrzeigersinn,mit 1, . . . , n numeriert.

Sei Cn die Anzahl von Triangulierungen eines konvexen (n + 2)-Ecks. Dann gilt: C1 = 1 undCn =

∑nk=1 Ck−1Cn−k fur alle n ∈ N.

Beweis: Da ein 3-Eck bereits trianguliert ist, gilt C1 = 1 offensichtlich. Sei P ein konvexes (n+2)-Eck. Wir betrachten die Seite e = [n+1, n+2]. Sei Bk die Menge der Triangulierungen von P , beidenen die Seite e mit der Ecke k ∈ [n] ein Dreieck bildet. Damit ist B1 ∪ · · · ∪ Bn eine Partitionder Triangulierungen von P und es gilt

Cn =

n∑

k=1

|Bk|.

Außerdem besteht jede Triangulierung in Bk aus genau einer Triangulierung des konvexen (k +1)-Ecks P ′ mit den Ecken 1, 2, . . . , k, n+2 und einer Triangulierung des konvexen (n−k+2)-Ecks P ′′

mit den Ecken k, k+1, . . . , n, n+1. Da die Triangulierung von P ′ unabhangig von der Triangulierungvon P ′′ zu wahlen ist, gilt |Bk| = Ck−1Cn−k, woraus die gewunschte Rekursionsformel folgt. 2 VL 19.12.07

2.7 Asymptotisches Zahlen

Definition 2.24 (Laundau–Notation) Es seien f, g : N → R+ := x ∈ R : x > 0 zwei

Funktionen. Wir schreiben

f(n) = O (g(n)) :⇔ ∃ c ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : f(n) ≤ c g(n)

f(n) = Ω (g(n)) :⇔ ∃ c ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : f(n) ≥ c g(n)

f(n) = Θ (g(n)) :⇔ ∃ c1, c2 ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : c1g(n) ≤ f(n) ≤ c2 g(n)

f(n) = o (g(n)) :⇔ ∀ c ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : f(n) ≤ c g(n)

f(n) = ω (g(n)) :⇔ ∀ c ∈ R+ ∃ n0 ∈ N ∀n ≥ n0 : f(n) ≥ c g(n)

Beispiel 2.25a) 7n2 + 17n = O(n2),b) 17n = O(n2),c) 7n2 + 17n = Θ(n2),d) 17n 6= o(n2),e) 1

7n2 + n = o(n2.1),f) 1

7n2 + n 6= o(n2),g) n2 + 7n − 5

√n + (−1)n lnn = Θ(n2).

Beweis:a) Setze n0 := 1 und c := 24. Dann gilt fur alle n ≥ n0

7n2 + 17n ≤ 7n2 + 17n2 = 24n2.

b) Folgt bereits aus a).c) Setze n0 := 1 und c1 := 7 und c2 := 24. Dann gilt fur alle n ≥ n0

7n2 ≤ 7n2 + 17n ≤ 7n2 + 17n2 = 24n2.

d) Ware 17n = o(n2), dann musste es c1 ∈ R+ und n0 ∈ N geben, so dass fur alle n ≥ n0 gilt:

c1n2 ≤ 17n, also n ≤ 17

c1,

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und das geht naturlich nicht, weil damit n nach oben beschrankt ware.Die Aussagen e) und f) behandeln wir im Anschluss an die folgende Bemerkung. Aussage g) ergibtsich ahnlich wie in c). 2

Bemerkung 2.26

a) f(n) = o(g(n)) ⇔ limn→∞f(n)g(n) = 0.

b) f(n) = O(g(n)) ⇐ limn→∞f(n)g(n) existiert.

c) f(n) = Θ(g(n) ⇔ f(n) = O(g(n)) und f(n) = Ω(g(n)).

Beweis:a)

f(n) = o(g(n)) ⇔ ∀c > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 f(n) ≤ c · g(n)

⇔ ∀c > 0 ∃n0 ∀n ≥ n0 0 ≤ f(n)

g(n)≤ c

⇔ limn→∞

f(n)

g(n)= 0.

b) und c) werden eventuell in den Ubungen behandelt. Man beachte, dass bei b) die Implikation⇒ nicht gilt. 2

Mit Hilfe der Charakterisierung in 2.26 a) lassen sich jetzt die Aussagen in 2.25 e) und f) leichteinsehen:

e)17n2 + n

n2.1=

17

n0.1+

1

n1.1

n→∞→ 0.

f)17n2 + n

n2=

1

7+

1

n

n→∞→ 1

7> 0.

Literaturhinweise zu Kapitel 2

Weiteres Material zu den Abschnitten 2.1 bis 2.5 findet sich beispielsweise bei [A] in Kapitel 1.1,1.2 und 2.4; bei [MN] in Kapitel 3.1 bis 3.3 sowie 3.7; und bei [S] in Kapitel 1.1 bis 1.3. ZusatzlicheInformationen zu Abschnitt 2.6 finden sich bei [A] in Kapitel 3.1 und 3.2, bei [MN] in Kapitel 12und [S] in Kapitel 4.2. Zu Abschnitt 2.7 siehe auch [MN], Kapitel 3.4, und [S], Kapitel 0.4.

3 Elementare Graphentheorie

3.1 Subgraphen

Wir wiederholen zunachst noch ein paar alte Definitionen und fuhren einige neue ein.

Definition 3.1 (Graph, Subgraph, isomorph) Ein Graph G = (V, E) besteht aus einer Kno-tenmenge V 6= ∅ und einer Kantenmenge E ⊆

(V2

).

Ein Graph H = (W, F ) ist Subgraph von G = (V, E), wenn W ⊆ V und F ⊆ E. Wir schreibendann H ⊆ G.Ein Graph H = (W, F ) ist induzierter Subgraph von G = (V, E), wenn W ⊆ V und F = E ∩

(W2

).

Wir schreiben dann H = G[W ] und nennen H den durch W induzierten Subgraphen von G.Zwei Graphen G1 = (V1, E1) und G2 = (V2, E2) heißen isomorph, in Zeichen G1

∼= G2, falls es eineBijektion f : V1 → V2 gibt, so dass gilt: u, v ∈ E1 ⇔ f(u), f(v) ∈ E2.

Definition 3.2 (spezielle Graphen) Die folgenden Graphen werden so oft benutzt, dass sie sich

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eigene Namen verdient haben:

Pn := (V, E) mit V := 0, . . . , n und E := i − 1, i : i ∈ [n], fur n ∈ N0

Cn := (V, E) mit V := [n] und E := i, i + 1 : i ∈ [n − 1] ∪ n, 1, fur n ∈ N, n ≥ 3

Kn := (V, E) mit V := [n] und E :=

(n

2

)

fur n ∈ N

En := (V, E) mit V := [n] und E := ∅ fur n ∈ N.

Ein Graph, der isomorph zu Pn ist, heißt Pfad der Lange n.Ein Graph, der isomorph zu Cn ist, heißt Kreis der Lange n.Ein Graph, der isomorph zu Kn ist, heißt Clique auf n Knoten, oder kurz: n-Clique.Ein Graph, der isomorph zu En ist, heißt stabile Menge auf n Knoten, oder kurz: n-stabile Menge.Fur einen beliebigen Graphen G = (V, E) definieren wir die Cliquenzahl von G als

ω(G) := maxk ∈ N : G enthalt eine k-Clique als (induzierten) Subgraphen

und die Stabilitatszahl von G als

α(G) := maxk ∈ N : G enthalt eine k-stab. Menge als induzierten Subgraphen.

Beispiel 3.3 Fur alle n ∈ N gilt:a) ω(Kn) = n, α(Kn) = 1.b) ω(En) = 1, α(En) = n.c) ω(Pn) = 2 wenn n ≥ 2, α(P2n) = α(P2n+1) = n + 1.d) ω(C3) = 3, ω(Cn) = 2 wenn n ≥ 4, α(C2n) = n wenn n ≥ 2, α(C2n+1) = n wenn n ≥ 1.

Eine wichtige Graphenklasse ist die Familie der bipartiten Graphen.

Definition 3.4 (Bipartite Graphen) Ein Graph G = (V, E) heißt bipartit genau dann, wennes eine Partition seiner Knotenmenge V = A∪B gibt, so dass G[A] und G[B] stabile Mengen sind.

Bemerkung 3.5a) G ist genau dann bipartit, wenn G 2-farbbar ist (vgl. Definition 1.12).b) Cn ist genau dann bipartit, wenn n gerade ist.c) G ist genau dann bipartit, wenn jeder Subgraph von G bipartit ist.

Beweis: Alle Aussagen ergeben sich unmittelbar aus den Definitionen. 2

Der folgende Satz besagt, dass Kreise ungerader Lange tatsachlich das einzige Hindernis dar-stellen, das einen Graphen daran hindern kann, bipartit zu sein.

Satz 3.6 (Konig 1936) Sei G = (V, E) ein Graph. Dann gilt:G ist genau dann bipartit, wenn G keinen Kreis ungerader Lange als Subgraphen enthalt.

Beweis: Wenn G bipartit ist, dann sind nach 3.5 c) alle seine Subgraphen bipartit, also kannnach 3.5 b) kein Subgraph ein Kreis ungerader Lange sein.

Fur die umgekehrte Implikation nehmen wir o.B.d.A. an, dass G zusammenhangend ist, an-dernfalls betrachten wir die Zusammenhangskomponenten von G. Wir wahlen weiterhin einenbeliebigen Knoten v ∈ V aus und partitionieren V wie folgt:

A := w ∈ V : ein kurzester Pfad von w nach v hat eine gerade Anzahl von Kanten.

B := w ∈ V : ein kurzester Pfad von w nach v hat eine ungerade Anzahl von Kanten.Damit ist klar: V = A∪B und insbesondere v ∈ A. Wir mussen nun noch zeigen, dass G[A] undG[B] stabile Mengen sind.

Angenommen, dies ware nicht der Fall: dann existiert eine Kante x, y mit x ∈ A, y ∈ A oderx ∈ B, y ∈ B. Wir betrachten einen kurzesten Pfad Px von x nach v, und einen kurzesten Pfad Py

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von y nach v. Sei z der erste gemeinsame Knoten von Px und Py (eventuell gilt z = v). Dann mussdas Pfadstuck in Px von z nach v die gleiche Lange haben wie das Pfadstuck in Py von z nach v.

Somit folgt: Da Px und Py entweder beide gerade Lange oder beide ungerade Lange haben,mussen auch die Teilstucke in Px von x nach z bzw. in Py von y nach z beide gerade Lange oderbeide ungerade Lange haben. In jedem Fall bilden diese Teilstucke zusammen mit der Kante x, yeinen Kreis ungerader Lange, im Widerspruch zur Annahme, dass G keine Kreise ungerader Langeals Subgraphen enthalt. 2 VL 9.1.08

3.2 Matchings

Definition 3.7 Sei G = (V, E) ein Graph. Eine Menge M ⊆ E heißt Matching, falls fur allee, e′ ∈ M mit e 6= e′ gilt, dass e∩ e′ = ∅. Ein Knoten v heißt uberdeckt von M , wenn es eine Kantee ∈ M mit v ∈ e gibt. Wenn x, y ∈ M , dann heißt x Matchingpartner von y (und umgekehrt).

Ein Matching M heißt maximales Matching, wenn fur alle e ∈ E \ M gilt, dass M ∪ e keinMatching ist. M heißt großtes Matching, wenn fur alle Matchings M ′ gilt: |M | ≥ |M ′|. M heißtperfektes Matching, wenn alle Knoten in V von M uberdeckt sind,, d.h. wenn 2|M | = |V | gilt. DieMatchingzahl ν(G) ist die Kardinalitat (d.h. die Anzahl Kanten) eines großten Matchings von G.

Offensichtlich ist ein perfektes Matching auch ein großtes Matching, und ein großtes Matchingauch maximal, aber nicht umgekehrt, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Beispiel 3.8 In G1 ist 3, 6, 2, 4 ein Matching, 1, 2, 3, 2, 5, 4 ist kein Matching,3, 2, 5, 4 ist ein maximales aber kein großtes Matching und 1, 2, 3, 6, 4, 5 ist perfektesMatching. In G2 ist b, f, c, d ein großtes Matching, jedoch kein perfektes.

1

2

3

4

5

6

G1

a b c

d e f

G2

Satz 3.9 (Heiratsatz von Hall) Sei G = (A∪B, E) bipartit. Dann besitzt G genau dann einMatching, das alle Knoten in A uberdeckt, wenn

∀S ⊆ A : |NG(S)| ≥ |S|, (25)

wobei NG(S) := y ∈ B : ∃x ∈ S mit x, y ∈ E, also die Menge der Nachbarn von Knoten in Sist.

In G2 aus Beispiel 3.8 gilt beispielsweise |NG2(e, f)| = |b| = 1 < 2, weswegen G2 kein

perfektes Matching besitzt.

Beweis: Angenommen, G besitzt ein Matching M , das alle Knoten in A uberdeckt. Sei S ⊆ Aeine beliebige Teilmenge. Dann bildet die Menge T der Matchingpartner der Knoten in S eineTeilmenge von NG(S) und es gilt |S| = |T | ≤ |NG(S)|, wie in (25) behauptet.

Die umgekehrte Implikation beiweisen wir durch Induktion uber |A|. Der Induktionsanfang istfur |A| = 0 oder |A| = 1 klar. Fur den Induktionsschritt sei nun |A| = k. Wir unterscheiden zweiFalle:

Fall a): Es gibt eine Menge T mit ∅ 6= T ⊆ A und |T | < |A|, so dass |NG(T )| = |T |. (26)

Wir betrachten dann den bipartiten Graphen G′ := G[T ∪NG(T )]. Auch G′ erfullt die Bedingung(25) (warum?) und es gilt |T | < |A| = k. Somit existiert nach Induktionsannahme ein MatchingM ′ in G′, das alle Knoten in T uberdeckt.Betrachte jetzt den bipartiten Graphen G′′ := G[(A \T )∪(B \NG(T ))]. Wir behaupten, dass auch

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der Graph G′′ die Bedingung (25) erfullt. Angenommen, das ware nicht der Fall, dann gabe es eineMenge

S ⊆ A \ T mit |NG′′(S)| < |S|. (27)

Aber dann ware

|S ∪ T | = |S| + |T |(26),(27)

> |NG′′(S)| + |NG(T )| ≥ |NG(S ∪ T )|,und damit wurde die Menge S ∪ T ⊆ A die Bedingung (25) im Graphen G verletzen.Wegen |A\T | < |A| = k existiert somit nach Induktionsannahme ein Matching M ′′ in G′′, das alleKnoten in A \ T uberdeckt. Wir konnen nun beide Matchings zu einem Matching M := M ′ ∪ M ′′

von G kombinieren, das alle Knoten in A uberdeckt.

Fall b): Fur alle Mengen T mit ∅ 6= T ⊆ A und |T | < |A| gilt, dass |NG(T )| ≥ |T | + 1. (28)

(Man beachte, dass das tatsachlich die Kontraposition von Fall a) ist: alle Mengen T ⊆ A erfullenwegen (25), dass |NG(T )| ≥ |T |. Wenn also Fall a) nicht eintritt, dann muss Fall b) eintreten.)Wir wahlen eine beliebige Kante x, y ∈ E mit x ∈ A und y ∈ B und betrachten den GraphenG′ := G[(A\x)∪(B \y)]. Wegen der Bedingung (28) erfullt G′ immer noch die Bedingung (25)(warum?), also existiert nach Induktionsannahme ein Matching M ′ in G′, das alle Knoten in A\xuberdeckt. Wir konnen nun wieder ein neues Matching M := M ′ ∪ x, y von G konstruieren, dasalle Knoten in A uberdeckt. 2

Korollar 3.10 Sei G = (A ∪ B, E) bipartit. Dann gilt: G besitzt genau dann ein perfektes Mat-ching, wenn |A| = |B| und fur jede Menge S ⊆ A gilt: |N(S)| ≥ |S|.

Beweis: Wenn G ein perfektes Matching besitzt, dann sind insbsondere alle Knoten in A uberdeckt.Nach Satz 3.9 gilt dann |NG(S)| ≥ |S|. Da auch alle Knoten in B uberdeckt sind, und die Kantennur zwischen A und B verlaufen, muss |A| = |B| sein.

Umgekehrt folgt aus der Bedingung |NG(S)| ≥ |S| nach Satz 3.9, dass es ein Matching gibt,das alle Knoten in A uberdeckt. Wegen |A| = |B| sind dann aber auch alle Knoten in B uberdeckt,da die Kanten nur zwischen A und B verlaufen. 2

Satz 3.9 und Korollar 3.10 sind zwar schone Charakterisierungen, liefern aber keine effizientenVerfahren, um festzustellen, ob Graphen ein großes Matching besitzen. Hierfur ist das Konzepteines augmentierenden Pfades wichtig.

Definition 3.11 Sei M ein Matching in G = (V, E). Ein Pfad in G heißt M -alternierend, fallser abwechselnd Kanten aus M und E \ M benutzt. Ein Pfad in G der Lange ≥ 1 heißt M -augmentierend, falls er M -alternierend ist und Anfangs- und Endknoten nicht von M uberdecktsind.

Beispiel 3.12 In G1 ist M := 2, 3, 4, 5 ein Matching, (6, 3, 2, 5, 4) sowie (1, 3, 2, 4) sind M -alternierende, jedoch nicht M -augmentierende Pfade und P := (6, 3, 2, 1) ist M -augmentierenderPfad. Wenn wir M entlang P “augmentieren”, d.h. 6, 3 und 2, 1 zu M hinzufugen und 2, 3entfernen, so erhalten wir ein neues Matching M ′ := 4, 5, 6, 3, 2, 1. Es gibt keine M ′-augmentierenden Pfade.

1

2

3

4

5

6

G1

Warum heißen M -augmentierende Pfade augmentierend? Ganz einfach: weil man durch Vertau-schen von Matching- und Nicht-Matching-Kanten entlang des Pfades ein neues Matching erhalt,das eine Kante mehr enthalt – und damit das alte Matching augmentiert, d.h. erhoht.

Diese Austauschoperation lasst sich am besten durch die symmetrische Differenz zweier MengenX und Y formalisieren. Sie ist definiert als X∆Y := (X\Y )∪(Y \X), also die Menge aller Elemente,die in genau einer der beiden Mengen enthalten ist.

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Proposition 3.13 Sei M ein Matching in G = (V, E) und P = (W, F ) ein M -augmentierenderPfad in G. Dann ist M ′ := M∆F ein Matching in G mit |M ′| = |M | + 1.

VL 15.1.08

Beweis: Wir setzen M1 := F ∩ M und M2 := F \ M = F \ M1 mit |M2| = |M1| + 1. Da M einMatching und P = (W, F ) ein M -augmentierender Pfad ist, gilt dass Kanten aus M , die nicht imPfad liegen, auch keinen seiner Knoten beruhren, also ist M3 := M \ F = e ∈ M : e ∩ W = ∅.

Somit folgt, dass

Da M ein Matching und P ein M -augmentierender Pfad ist, lasst sich M partitionieren indie Menge M1 aller Kanten aus M , die in P liegen, und die Menge M2 aller Kanten aus M , dieknotendisjunkt zu P sind. Bezeichne mit M3 := F \ M = F \ M1 die Menge aller Nicht-MatchingKanten aus P . Nach Definition ist also M ′ = M2∪M3. Damit ist M ′ ein Matching, weil sichdie Kanten aus M2 und M3 nicht beruhren. Wegen |M3| = |M1| + 1 ist |M ′| = |M2| + |M3| =|M2| + |M1| + 1 = |M | + 1, wie gefordert. 2

Wir konnen also unser Matching sukzessive vergroßern, indem wir nach augmentierenden Pfa-den suchen und das jeweilig aktuelle Matching entlang des Pfades augmentieren. Die entscheidendeFrage ist nun: Angenommen, es gibt keinen augmentierenden Pfad mehr, haben wir dann wirklichimmer ein großtes Matching gefunden? Der folgende Satz garantiert genau dies.

Satz 3.14 Sei G = (V, E) ein Graph und M ein beliebiges Matching in G. Dann gibt es genaudann ein noch großeres Matching als M , wenn es einen M -augmentierenden Pfad in G gibt.

Beweis: Wenn es einen M -augmentierenden Pfad gibt, dann wissen wir nach Proposition 3.13,dass es auch ein großeres Matching gibt. Umgekehrt nehmen wir an, dass es ein Matching M∗ mit|M∗| > |M | gibt. Betrachte dann den Subgraph H = (V, M∆M∗) von G. Da in jedem Knoten ausV hochstens eine Kante aus M und eine aus M∗ anliegen kann, besteht H nur aus Kreisen undPfaden. In diesen Kreisen und Pfaden mussen die Kanten abwechselnd aus M und M∗ kommen,also mussen die Kreise gerade Lange haben und insbesondere gleich viele Kanten aus M und ausM∗ enthalten. Da aber |M∗| > |M | gilt, muss es mindestens einen Pfad in H geben, der mehrKanten aus M∗ als aus M enthalt. Ein solcher Pfad ist ein M -augmentierender Pfad in G. 2

3.3 Hamilton Kreise

Definition 3.15 Sei G = (V, E) ein Graph mit n = |V |. Ein Kreis der Lange n in G heißt HamiltonKreis (HK).

Zur Erinnerung: der Grad eines Knoten x ist definiert als die Anzahl seiner Nachbarn und wirdmit deg(x) bezeichnet.

Lemma 3.16 Seien x, y zwei Knoten in G = (V, E) mit deg(x) + deg(y) ≥ n und x, y 6∈ E.Dann gilt: G hat genau dann einen Hamilton Kreis, wenn G′ := (V, E ∪ x, y) einen HamiltonKreis hat.

Beweis: Wenn G einen Hamilton Kreis hat, dann hat offensichtlich auch G′ einen.

Fur die umgekehrte Implikation sei nun C = (V, F ) ein Hamilton Kreis in G′. Wenn x, y 6∈ F ,dann ware C auch Subgraph von G, und damit hatte auch G einen Hamilton Kreis, also warenwir fertig. Wir konnen also o.B.d.A. davon ausgehen, dass x, y ∈ F , und bezeichnen die Knotenvon G′ mit x, v1, v2, . . . , vn−2, y in der Reihenfolge, in der sie auf C liegen. Die grundlegende Ideeunseres Beweises ist die folgende: wenn y, vi ∈ E und x, vi+1 ∈ E, dann existiert in G einHamilton Kreis

C′ = (V, F \ (x, y ∪ vi, vi+1) ∪ y, vi ∪ x, vi+1und wir waren wieder fertig.

Wir betrachten also die Nachbarn von y, die in der Menge v1, . . . , vn−3 liegen. Das sinddeg(y) − 1 viele. Markiere fur jeden solchen Nachbarn vi den Nachfolger vi+1 rot. Damit sind

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deg(y) − 1 Knoten in der Menge v2, . . . , vn−2 rot markiert, und wir waren fertig, wenn x zueinem von ihnen verbunden ware.

Andernfalls bleiben fur die Nachbarn von x, die in der Menge v2, . . . , vn−2 liegen, nur n −3− (deg(y)− 1) = n− 2− deg(y) Platze frei. Da aber x noch deg(x)− 1 Nachbarn in genau dieserMenge unterbringen muss, und da wegen deg(x) + deg(y) ≥ n gilt, dass

deg(x) − 1 ≥ n − 1 − deg(y) > n − 2 − deg(y),

reichen diese Platze nicht aus. 2

Korollar 3.17 Sei G = (V, E) ein Graph mit n = |V | ≥ 3.a) Wenn fur alle Paare x, y mit x, y 6∈ E gilt, dass deg(x) + deg(y) ≥ n, dann hat G einenHamilton Kreis.b) Wenn fur jeden Knoten x gilt, dass deg(x) ≥ n/2, dann hat G einen Hamilton Kreis.

Beweis: a) Wende Lemma 3.16 wiederholt auf jedes Paar von nicht benachbarten Knoten an undfuge hier eine Kante ein. Am Ende ist der vollstandige Graph erreicht, und der hat naturlich einenHamilton Kreis. Wegen Lemma 3.16 muss also auch G einen Hamilton Kreis haben.b) folgt aus a). 2 VL 23.01.08

3.4 Partielle Ordnungen

Wir haben bereits in Abschnitt 1.5 Relationen definiert und wichtige Eigenschaften von ihnenbeschrieben (siehe Definitionen 1.15 und 1.16). Zur Erinnerung: sei M eine Menge und sei R ⊆M ×M eine binare Relation. Wenn R irreflexiv und symmetrisch ist, dann ist R ein Graph. WennR reflexiv, symmetrisch und transitiv, dann ist R eine Aquivalenzrelation. Und wenn R reflexiv,antisymmetrisch und transitiv ist, dann nennen wir R eine partielle Ordnung. (Auf englisch sprichtman von partially ordered sets, oder auch kurz posets).

Beispiel 3.18 Sei M := N und (a, b) ∈ R genau dann, wenn a Teiler von b ist. Dann ist R einepartielle Ordnung.

Fur partielle Ordnungen hat sich die folgende Notation etabliert (neben den in Abschnitt 1.5bereits erwahnten Symbolen (a, b) ∈ R oder aRb oder a ∼R b), namlich a b, und wir schreibendann R = (M,).

Beispiel 3.19 Sei X eine Menge.Fur A, B ⊆ X definieren wir die Relation A B genau dann,wenn A ⊆ B. Dann ist (P(X),) eine partielle Ordnung.

Definition 3.20 Sei R = (M,) eine partielle Ordnung.a) Zwei Elemente a, b ∈ M heißen vergleichbar, wenn a b oder b a.b) Wenn a und b nicht vergleichbar sind, heißen sie unvergleichbar.c) R heißt vollstandig oder linear, wenn alle a, b ∈ M vergleichbar sind.d) R′ = (M,′) heißt lineare Erweiterung von R = (M,), wenn R ⊆ R′ und R′ linear ist.e) Das Element a wird von b uberdeckt, wenn a b und es kein c ∈ M mit c 6= a, b gibt, so dassa c und c b.f) Das Hasse-Diagramm von R ist ein Diagramm des Graphen

(

M, a, b : a wird von b uberdeckt )

,

bei dem fur jedes Paar a b der Knoten a unterhalb des Knoten b gezeichnet wird.g) Eine Kette in R ist eine Menge K ⊆ M mit der Eigenschaft, dass alle a, b ∈ K vergleichbarsind. Eine Antikette in R ist eine Menge L ⊆ M mit der Eigenschaft, dass alle a, b ∈ L mit a 6= bunvergleichbar sind.h) Ein Element a ∈ M heißt großtes Element, wenn es kein b ∈ M mit b 6= a und a b gibt. EinElement a ∈ M heißt kleinstes Element, wenn es kein b ∈ M mit b 6= a und b a gibt.

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Beispiel 3.21 Wir greifen die Beispiele 3.18 und 3.19 wieder auf.a) Sei M = 2, 3, 4, 5, 6, 24, 25, 75 und a b genau dann, wenn a Teiler von b ist. Dann sieht dasHasse-Diagramm von (M,) wie folgt aus:

4

2

6

3

75

25

5

24

b) Sei M = P(1, 2, 3) und A B genau dann, wenn A ⊆ B. Dann sieht das Hasse-Diagrammvon (P(1, 2, 3),) wie folgt aus:

1 2 3

1, 2 1, 3 2, 3

1, 2, 3

Satz 3.22 Es sei M eine endliche, nicht-leere Menge und R = (M,) eine partielle Ordnung.Dann gilt:a) Die maximale Anzahl von Elementen in einer Antikette von R ist gleich der minimalen Anzahlvon Ketten aus R, mit denen man M partitionieren kann.b) Die minimale Anzahl von Antiketten aus R, mit denen man M partitionieren kann, ist gleichder maximalen Anzahl von Elementen in einer Kette von R.

Beweis: Aussage b) ist leichter zu beweisen, was angesichts der scheinbaren Symmetrie in denAussagen vielleicht uberrascht.

Zu b). Sei ℓ die minimale Anzahl von Antiketten aus R, mit denen man M partitionieren kann,sei k die maximale Anzahl von Elementen in einer Kette von R, und sei K eine Kette mit kElementen.

Es ist klar, dass ℓ ≥ k ist, denn jede Antikette kann ja hochstens ein Element von K enthalten.Wir mussen also nur ℓ ≤ k zeigen, d.h. eine Partition von M in hochstens k Antiketten konstruieren.Setze dazu fur i ∈ N

Ai := x ∈ M : die langste Kette mit x als großtem Element hat genau i Elemente.

Da die langste Kette in R genau k Elemente besitzt, muss Ai = ∅ fur i > k sein, und somit folgtM = A1∪ . . . ∪Ak. Es bleibt zu zeigen, dass die Mengen Ai fur alle i ∈ [k] auch Antiketten sind.Angenommen, das ware nicht der Fall, dann gabe es ein i ∈ [k] und x, y ∈ Ai mit x y. Dax ∈ Ai existiert eine Kette x1 . . . xi−1 x, diese konnte jetzt verlangert werden zu einerKette x1 . . . xi−1 x y, und somit konnte y nicht in Ai sein. Damit ist b) bewiesen.

Zu a). Sei ℓ die maximale Anzahl von Elementen in einer Antikette von R, sei L eine Antikettemit ℓ Elementen, und sei k die minimale Anzahl von Ketten aus R, mit denen man M partitionierenkann.

Es ist klar, dass ℓ ≤ k ist, denn jede Kette kann ja hochstens ein Element von L enthalten. Wirzeigen mit vollstandiger Induktion uber |M |, dass ℓ ≥ k ist. Fur den Induktionsanfang |M | = 1gilt ℓ ≥ k offensichtlich.

Sei nun |M | ≥ 2. Wahle ein großtes Element a in R (a existiert, da M endlich ist), und sei R′

die partielle Ordnung, die man aus R erhalt, wenn man a entfernt. Sei ℓ′ ≤ ℓ die maximale Anzahl

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von Elementen in einer Antikette von R′. Nach Induktionsannahme existiert in R′ eine Partitionvon M \ a in hochstens ℓ′ Ketten K1, . . . , Kℓ′ . Unser Ziel ist es, daraus nun eine Partition vonM in ℓ Ketten zu generieren.

Eine Antikette in R′ mit ℓ′ Elementen nennen wir eine gute Antikette. Jede gute Antikettemuss aus jeder der Ki fur i ∈ [ℓ′] genau ein Element enthalten. Die entscheidende Definition istdiese: es sei ai das großte Element aus Ki, das zu einer guten Antikette gehort. (Da L eine guteAntikette ist, sind die ai wohldefiniert.)

Wir zeigen zunachst, dass A := a1, . . . , aℓ′ eine Antikette ist. Denn angenommen ai aj ,dann betrachte man eine gute Antikette Lj, die aj enthalt (eine solche muss es ja nach Definitionvon aj geben). Lj muss, wie jede gute Antikette, auch ein Element a von Ki enthalten. Da Ki eineKette ist, die ai enthalt, sind a und ai vergleichbar. Wenn a ai, dann ware wegen ai aj undder Transitivitat auch a aj , und damit ware Lj keine Antikette mehr. Wenn aber ai a undai 6= a, dann ware a großer als ai und trotzdem in einer guten Antikette enthalten, im Widerspruchzur Definition von ai. Also ist A tatsachlich eine Antikette, und wir unterscheiden nun zwei Falle,je nachdem ob auch A ∪ a noch eine Antikette ist.

Fall 1: A ∪ a ist eine Antikette in R.Da |A∪a| ≥ ℓ′+1 ist, gibt es also eine Antikette mit ℓ′+1 Elementen in R, daher muss ℓ ≥ ℓ′+1sein. In diesem Fall reicht also die Partition von M in die ℓ′ + 1 Ketten K1, . . . , Kℓ′ , a aus.

Fall 2: A ∪ a ist keine Antikette in R.Dann gibt es ein ai mit i ∈ [ℓ′], so dass ai und a vergleichbar sind, und da a als großtes Elementin R gewahlt war, gilt ai a. Somit ist

K := a ∪ x ∈ Ki : x ai

eine Kette. Wir erinnern uns daran, dass in R′ jede Antikette der Kardinalitat ℓ′ ein Element ausKi enthalten muss, und dass ai das großte Element aus Ki war, welches in einer solchen Antiketteenthalten ist. Somit muss in R jede Antikette mit ℓ′ Elementen ein Element aus K enthalten.Daraus folgt wiederum, dass wenn wir nun mit R′′ die partielle Ordnung bezeichnen, die manaus R erhalt, wenn man die Elemente von K entfernt, dann kann R′′ keine Antikette mit ℓ′

Elementen enthalten. Also enthalt die langste Antikette in R′′ hochstens ℓ′−1 Elemente, und nachInduktionsannahme existiert daher eine Partition von M \K in hochstens ℓ′−1 Ketten. Zusammenmit der Kette K liefert das eine Partition von M in hochstens ℓ′ ≤ ℓ Ketten. 2

Definition 3.23 Sei R = (M,) eine partielle Ordnung und seien x, y ∈ M .

a) Ein Element a ∈ M heißt obere Schranke fur x und y, wenn x a und y a. Wennzusatzlich gilt, dass fur jede andere obere Schranke b gilt, dass a b, dann heißt a kleinste obereSchranke, und wir schreiben a = x ∨ y.

b) Ein Element a ∈ M heißt untere Schranke fur x und y, wenn a x und a y. Wennzusatzlich gilt, dass fur jede andere untere Schranke b gilt, dass b a, dann heißt a großte untereSchranke, und wir schreiben a = x ∧ y.

c) R heißt Verband, wenn es zu je zwei Elementen x, y ∈ M eine kleinste untere und eine großteobere Schranke gibt.

Die partielle Ordnung R = (P(X),⊆), die wir schon in Beispiel 3.19 kennengelernt haben, istein Verband: fur zwei Elemente A, B ∈ P(X) ist A ∨ B = A ∪ B und A ∧ B = A ∩ B. Man nenntdiese partielle Ordnung auch Mengenverband.

Fur diese partielle Ordnung sind naturlich speziellere Aussagen als fur allgemeine Ordnungenmoglich.

Satz 3.24 (Sperner, 1928) Sei X eine Menge mit |X | = n und R = (P(X),⊆), und sei A eineAntikette in R. Dann ist

|A| ≤(

n

⌊n2 ⌋

)

.

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Es gilt daruberhinaus der etwas allgemeinere Satz

Satz 3.25 (LYM–Ungleichung, 1954) Sei X eine Menge mit |X | = n und R = (P(X),⊆),und sei A eine Antikette in R. Dann ist

B∈A

(n

|B|

)−1

≤ 1

Offensichtlich folgt Satz 3.24 tatsachlich sofort aus Satz 3.25, denn

|A|(

n

⌊n2 ⌋

)−1

≤∑

B∈A

(n

|B|

)−1

≤ 1.

Literaturhinweise zu Kapitel 3

Weiteres Material zu Abschnitt 3.1 findet sich beispielsweise bei [MN] in Kapitel 4.1 und 4.2 undbei [S] in Kapitel 2.1 und 2.2. Zusatzliche Informationen zu Abschnitt 3.2 finden sich bei [A] inKapitel 8.1 und 8.2 und bei [S] in Kapitel 2.4.4. Zu Abschnitt 3.3 siehe auch [S], Kapitel 2.4.1; undzu Abschnitt 3.4 bei [MN] in Kapiteln 2 und 7.2 sowie bei [S] in Kapitel 1.4.

4 Kodierungstheorie

4.1 Hamming–Abstand und Hamming–Schranke

Das Kernthema der Kodierungstheorie befasst sich mit der folgenden Situation: Ein Sender ver-schickt Informationen, diese konnen durch unterwegs eventuell auftretende Storungen verandertwerden, sollen aber dann trotzdem vom Empfanger richtig verstanden werden. Der Grundansatzbesteht darin, dass Sender und Empfanger vorher im Rahmen eines Kodierungsschemas verein-baren, dass versendete Informationen immer von einer bestimmten Form sein mussen. Falls dasempfangene Wort nicht von der vereinbarten Form ist, weiß der Empfanger, dass eine Storung auf-getreten ist, und kann die Nachricht unter bestimmten Voraussetzungen auch wieder reparieren.

Ein einfaches Beispiel ist der sogenannte parity code. Hierbei werden 0–1-Worter verschickt,bei denen das letzte Zeichen Auskunft daruber gibt, ob vorher eine gerade oder eine ungeradeAnzahl von Einsen stand. Unter der Annahme, dass hochstens ein Zeichen unterwegs verandertwurde, kann der Empfanger also feststellen, ob dies geschehen ist – er hat naturlich keine Chance,herauszufinden, welches Zeichen das war (kann also Fehler nicht reparieren).

Um Reparaturen zu ermoglichen, kann man beispielsweise den Wiederholungscode benutzen:hier verschickt der Sender einfach dreimal hintereinander das eigentlich gemeinte 0–1-Wort. Wie-derum unter der Annahme, dass hochstens ein Zeichen unterwegs verandert wurde, kann derEmpfanger den Fehler identifizieren und reparieren.

Definition 4.1 Sei A eine Menge der Kardinalitat |A| = q ≥ 2 (das sogenannte Alphabet), undseien t, n ∈ N. Die Hammingdistanz zwischen a = (a1, . . . , an) ∈ An und b = (b1, . . . , bn) ∈ An istdefiniert durch

∆(a, b) := |i ∈ [n] : ai 6= bi.Ein Code ist eine Menge C ⊆ An. C heißt t-fehlerentdeckend, wenn fur alle a 6= b ∈ C gilt, dass∆(a, b) ≥ t + 1. C heißt t-fehlerkorrigierend, wenn fur alle a 6= b ∈ C gilt, dass ∆(a, b) ≥ 2t + 1.Die Distanz von C ist definiert durch d(C) := min∆(a, b) : a, b ∈ C.

Bemerkung 4.2 Angenommen, das Wort a ∈ C werde gesendet, das Wort b ∈ An werde emp-fangen, und maximal t Zeichen sind unterwegs gestort worden, also ∆(a, b) ≤ t.1) Wenn C nun t-fehlerentdeckend ist, dann ist entweder b = a oder b 6∈ C. Das heißt: wenn dasempfangene Wort b in C liegt, dann ist es mit dem gesendeten Wort a identisch; und wenn b 6∈ C,

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dann weiß der Empfanger, dass ein Fehler aufgetreten ist.2) Wenn C nun t-fehlerkorrigierend ist, dann gibt es außer a kein Wort a′ ∈ C mit ∆(b, a′) ≤ t,denn sonst wurde aus ∆(a, b) ≤ t und ∆(b, a′) ≤ t ja folgen, dass ∆(a, a′) ≤ 2t (im Widerspruchdazu, dass C t-fehlerkorrigierend ist). Das heißt: der Empfanger kann das gesendete Wort a da-durch identifizieren, dass es das einzige Wort in C ist, das Abstand hochstens t zum empfangenenWort b hat.3) Wir konnen also ein zentrales Ziel der Kodierungstheorie wie folgt formulieren: zu gegebenemAlphabet A und Wortlange n suchen wir einen Code C ⊆ An mit moglichst großem d(C) undmoglichst großem |C|.

Definition 4.3 Seien n, d, q ∈ N. Wir setzen

C(n, d, q) := C ⊆ 0, . . . , q − 1n : d(C) ≥ d und M(n, d, q) := max|C| : C ∈ C(n, d, q).

Die Menge C(n, d, q) beschreibt also die Menge aller Codes mit Wortern der Lange n uber einemq-elementigen Alphabet, die paarweise Abstand mindestens d haben mussen, und M(n, d, q) ist diemaximale Anzahl von Codewortern in einem solchen Code.

Die folgende Schranke ergibt sich unmittelbar aus der Definition.

Satz 4.4 (Hamming–Schranke) Seien n, t, q ∈ N und d = 2t + 1. Dann gilt

M(n, d, q) ≤ qn

∑ti=0

(ni

)(q − 1)i

.

Beweis: Um die Notation zu vereinfachen setzen wir A := 0, . . . , q − 1 und

Bt(c) := c′ ∈ An : ∆(c, c′) ≤ t fur ein beliebiges c ∈ An.

Um die Kardinaltitat von Bt(c) abzuschatzen uberlegen wir uns zuerst, wieviele Worter c′ esgibt, die sich an genau i Stellen von c unterscheiden: es gibt

(ni

)Moglichkeiten, diese i Stellen

auszusuchen, und dann fur jede dieser Stellen q − 1 Moglichkeiten, ein anderes Zeichen (als das,das in c an dieser Stelle steht) auszuwahlen. Wenn wir dann noch uber i summieren erhalten wir

|Bt(c)| =t∑

i=0

(n

i

)

(q − 1)i.

Da fur alle a, b ∈ C gilt, dass ∆(a, b) ≥ d(C) ≥ d ist, also Bt(a) ∩ Bt(b) = ∅, folgt

qn = |An| ≥ |⋃

a∈C

Bt(a)| = |C| ·t∑

i=0

(n

i

)

(q − 1)i,

und daraus die Behauptung. 2 VL 6.2.08

Bemerkung: Ein Code C ∈ C(n, 2t + 1, q), bei dem die obige Schranke mit Gleichheit gilt, also

|C| = qn

P

ti=0 (n

i)(q−1)i, heißt t-perfekt.

4.2 Lineare Codes

Wir wiederholen nun zunachst einige Begriffe aus der Linearen Algebra. Sie haben dort gelernt,dass fur eine Primzahl q die Menge Zq := 0, . . . , q−1 zusammen mit der Addition modulo q undder Multiplikation modulo q einen Korper bilden. (Tatsachlich funktioniert das auch nur genaudann, wenn q eine Primzahl ist.)

Daruberhinaus gilt, dass es genau dann einen Korper mit q ∈ N Elementen gibt, wenn q einePrimzahlpotenz ist, also q = pk mit p Primzahl und k ∈ N. Dieser Korper ist dann (bis auf

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Isomorphie) eindeutig und wird mit Fq bezeichnet. So ist beispielsweise F4 gegeben durch dieVerknupfungstabellen

+ 0 1 2 3

0 0 1 2 31 1 0 3 22 2 3 0 13 3 2 1 0

· 0 1 2 3

0 0 0 0 01 0 1 2 32 0 2 3 13 0 3 1 2

.

Sie wissen außerdem, dass man aus einem beliebigen Korper K einen n-dimensionalen Vek-torraum Kn uber K konstruieren kann. Zu zwei Vektoren v, w ∈ Kn mit v = (v1, . . . , vn) undw = (w1, . . . , wn) defininert man das (Standard-) Skalarprodukt durch

〈v, w〉 :=n∑

i=1

viwi.

Die entscheidende Idee ist nun, dass wir die Menge 0, . . . , q−1 wieder als unser Kodierungsal-phabet benutzen, dabei aber von der zusatzlichen algebraischen Struktur des Korpers Fq Gebrauchmachen werden. Dies schlagt sich in der folgenden Definition nieder.

Definition 4.5 Sei q eine Primzahlpotenz, K = Fq und Kn der entsprechende Vektorraum uberK. Eine Menge C ⊆ Kn heißt linearer Code, wenn C einen Untervektorraum von Kn bildet, dasheißt, wenna) 0 ∈ C,b) ∀x, y ∈ C: x + y ∈ C, undc) ∀α ∈ K und ∀x ∈ C: αx ∈ C.

Wenn k ∈ N die (Vektorraum-) Dimension von C ist, dann heißt C auch (n, k)-Code uber K.Abschließend: Fur x ∈ C heißt w(x) := |i ∈ [n] : xi 6= 0| das Gewicht von x.

Proposition 4.6 Sei C ⊆ Kn ein linearer Code. Dann gilt:

d(C) = mina,b∈C,a 6=b

∆(a, b) = minc∈C,c 6=0

w(c).

Beweis: Einerseits gilt:

mina,b∈C,a 6=b

∆(a, b)0∈C

≤ minc∈C,c 6=0

∆(0, c) = minc∈C,c 6=0

w(c).

Andererseits gilt fur alle a, b ∈ Kn, dass ∆(a, b) = w(a − b), und damit

mina,b∈C,a 6=b

∆(a, b) = mina,b∈C,a 6=b

w(a − b)a−b∈C

≥ minc∈C,c 6=0

w(c).

2

Definition 4.7a) Wenn C ⊆ Kn ein linearer Code ist, dann sei

C⊥ := a ∈ Kn : 〈a, c〉 = 0 ∀c ∈ C.

Aus der Linearen Algebra wissen wir, dass auch C⊥ ein linearer Code ist (er heißt der zu C dualeCode), und dass dim(C) + dim(C⊥) = n und (C⊥)⊥ = C ist.

b) Falls g1, . . . , gk ∈ Kn eine Basis von C bilden, so heißt die Matrix G ∈ Kk×n mit den Zeileng1, . . . , gk Generatormatrix von C. Falls k < n und h1, . . . , hn−k ∈ Kn eine Basis von C⊥ bilden,so heißt die Matrix H ∈ K(n−k)×n mit den Zeilen h1, . . . , hn−k Kontrollmatrix von C.

Die folgende einfache Proposition erklart, womit die Matrix H ihren Namen verdient hat.

Proposition 4.8 Sei a ∈ Kn und C ⊆ Kn ein linearer Code mit Kontrollmatrix H. Dann ista ∈ C genau dann, wenn Ha = 0.

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Beweis:

a ∈ C ⇔ a ∈ (C⊥)⊥ ⇔ 〈a, c〉 = 0 ∀c ∈ C⊥ ⇔ 〈c, a〉 = 0 ∀c ∈ C⊥

⇔ 〈hi, a〉 = 0 ∀i ∈ [n − k] ⇔ Ha = 0.

2

Ein Code C 6= Kn ist also eindeutig durch eine Kontrollmatrix festgelegt. Wie sieht man derKontrollmatrix die Distanz des Codes an?

Satz 4.9 Sei C ⊆ Kn ein (n, k)-Code mit Kontrollmatrix H. Dann gilt:

d(C) ≥ d ⇔ je d − 1 Spalten in H sind linear unabhangig.

Beweis: Seien u1, . . . , un ∈ Kn−k die Spalten von H . Dann gilt

c = (c1, . . . , cn) ∈ C4.8⇔ Hc = 0 ⇔ c1u

1 + · · · + cnun = 0.

Nehmen wir nun an, dass d(C) ≤ d − 1 ist. Dann existiert wegen Proposition 4.6 ein c ∈ Cmit w(c) ≤ d− 1, und es seien ci1 , . . . , ciℓ

mit ℓ ≤ d− 1 die Nichtnullkomponenten von c. Dann istci1u

i1 + · · · + ciℓuiℓ = 0, also existieren ℓ ≤ d − 1 linear abhangige Spalten in H .

Umgekehrt konnen wir analog argumentieren: wenn es cj1 , . . . , cjh∈ K mit h ≤ d − 1 und

cj1uj1 + · · · + cjh

ujh = 0 gibt, dann bilden wir aus diesen Komponenten einen Vektor c ∈ Kn,in dem wir alle anderen Komponenten auf Null setzen. Somit erhalten wir einen Vektor c mitw(c) ≤ d − 1 und c1u

1 + · · · + cnun = 0, also c ∈ C, womit d(C) ≤ d − 1 gezeigt ist. 2

Beispiel 4.10 (Fano-Code) Wir setzen q := 2, K := Fq, n := 7, k := 4 und betrachten dieKontrollmatrix

H =

1 0 0 1 1 0 10 1 0 1 0 1 10 0 1 0 1 1 1

∈ K(n−k)×n.

Wir uberlassen es dem Leser, zu uberprufen, dass die drei Zeilen von H tatsachlich linear un-abhangig sind, und dass je zwei Spalten auch linear unabhangig sind. Entsprechend Satz 4.9 wissenwir daher, dass d(C) ≥ 3 und haben somit einen 1-fehlerkorrgierenden Code C gefunden.

Es ist unmittelbar klar, wieviele Codeworter C enthalt: C hat Dimension 4, das heißt bei derKonstruktion der Codeworter als Linearkombination der vier Basisvektoren haben wir jedesmalzwei Moglichkeiten (0 oder 1) fur den Koeffizienten aus F2 vor dem jeweiligen Basisvektor, mithingibt es 24 Codeworter.

Damit ist C ubrigens ein 1-perfekter Code, denn

qn

∑1i=0

(ni

)(q − 1)i

=27

1 + 7= 24 = |C|.

Nach Proposition 4.8 erhalt man die Vektoren a ∈ Kn durch Ha = 0, in diesem Fall

0000000 1101000 0110100 0011010 0001101 1000110 0100011 10100011111111 0010111 1001011 1100101 1110010 0111001 1011100 0101110.

Wie decodiert man nun lineare Codes?

Bemerkung 4.11 Sei C ein (n, k)-Code uber K mit Kontrollmatrix H und d(C) = 2t + 1. Wirbetrachten die lineare Abbildung s : Kn → Kn−k mit s(a) = Ha. Man nennt s(a) das Syndromvon a, weil durch s(a) der Ubertragungsfehler, der in dem empfangenen Wort a aufgetreten ist,eindeutig beschrieben wird, solange dieser Fehler nicht zu groß ist. Es gelten, genauer gesagt, diefolgenden Aussagen:

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a) Kern(s) = C.b) Fur alle a, b ∈ Kn gelten

s(a) = s(b) ⇔ Ha = Hb ⇔ H(b − a) = 0 ⇔ b − a ∈ C.

c) Eine wichtige Eigenschaft der Abbildung s ist, dass sie, eingeschrankt auf a ∈ Kn : w(a) ≤ t,injektiv ist.Beweis: Es seien a, b ∈ Kn mit a 6= b und w(a) ≤ t und w(b) ≤ t. Ware s(a) = s(b), dann musstenach b) 0 6= b − a ∈ C, und damit w(b − a) ≥ 2t + 1. Das steht aber im Widerspruch zu w(a) ≤ tund w(b) ≤ t.d) Wir nehmen an, das Wort x ∈ C werde gesendet und das Wort y = x + e ∈ Kn mit w(e) ≤ twerde empfangen. Der Empfanger berechnet dann

s(y) = s(x + e) = s(x) + s(e)a)= s(e)

und kann wegen der in c) konstatierten Injektivitat von s(e) auf e zuruckschließen. Mit Hilfe vone kann er dann den Fehler korrigieren und x := y − e berechnen.

Das in Bemerkung 4.11 angedeutete Decodierungsverfahren ist einfach und kann immer ange-wendet werden – aber es ist nicht immer besonders schnell. Fur spezielle Codes gibt es komplizierte-re, aber schnellere Verfahren zur Decodierung. Beispielsweise werden Daten, die auf CDs gebranntwerden, mit solch speziellen Codes aufbereitet; Lesefehler, die durch kleine Kratzer oder Staub aufder Oberflache der CD entstehen, konnen dadurch muhelos und schnell berichtigt werden.

Literaturhinweise zu Kapitel 4

Weiteres Material zu Abschnitten 4.1 und 4.2 findet sich beispielsweise bei [A] in Kapitel 13 undbei [S] in Kapitel 5.4.

Literatur

[A] M. Aigner, Diskrete Mathematik, 6. Auflage, Vieweg, 2006.

[MN] J. Matousek und J. Nesetril, Diskrete Mathematik, 2. Auflage, Springer, 2007.

[S] A. Steger, Diskrete Strukturen, Band 1. 1. Auflage, Springer, 2001.