Disruptive Innovationen

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01/2012 Innovationspraxis Ein Managementbrief für Kunden und Interessierte zur Reflexion von Innovationsprojekten Disruptive Innovationen Themenschwerpunkt in dieser Ausgabe: Disruptive Innovationen für einen neuen Wettbewerb Erfolgsfaktoren aus der Innovationspraxis Dipl. Ing. Otmar Stillhard

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- Disruptive Innovationen für einen neuen Wettbewerb - Erfolgsfaktoren aus der Innovationspraxis

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Innovationspraxis Ein Managementbrief für Kunden und Interessierte zur Reflexion von Innovationsprojekten Disruptive Innovationen Themenschwerpunkt in dieser Ausgabe: • Disruptive Innovationen für einen neuen Wettbewerb • Erfolgsfaktoren aus der Innovationspraxis

Dipl. Ing. Otmar Stillhard

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Disruptive Innovationen für einen neuen Wettbewerb Bessere Innovationen sind dringend notwendig. Alles und jedes Neue wird als innovativ geprie-sen. Das Adjektiv hat die Bedeutung für erfolg-reiche Neuerung verloren. Der Neuheitsgrad einer Innovation kann aber wohl unterschieden werden in inkrementale und disruptive Innovati-onen. Erstere1 orientieren sich an Wettbewerbs-produkten und führen zu einer Expansion der Gegenwart. Aus Kundensicht sind immer mehr vergleichbare Produkte das Resultat solcher Ent-wicklungen. Im Gegensatz zu inkrementalen Innovationen haben disruptive Innovationen Alleinstellungsmerkmale und ergeben aus Kun-densicht Kostenvorteile. Sie schaffen damit neue Märkte und verändern Machtverhältnisse zwi-schen Unternehmen. Der Begriff «disruptive Innovation» wurde von Clayton M. Christensen im Jahre 2000 definiert. Er zeigte am Beispiel von Hard Disks wie neue Technologien den Markt in kurzer Zeit völlig verändern können2. Disrupti-ve (zerstörend) werden solche Innovationen deshalb genannt, weil gut eingeführte Produkte oft ihre Wettbewerbsvorteile in kurzer Zeit ver-lieren. In den letzten Jahren häufen sich Publika-tionen, die die Notwendigkeit von disruptiven Innovationen bestätigen. Das deutsche Zu-kunftsinstitut zeigt auf, dass inkrementale Inno-vationen lediglich die Gegenwartssituation ex-pandieren und dass disruptive Innovationen zu langfristigem Verwertungsinteresse und damit in eine nachhaltige Zukunft führen3. Als aktuellster

Beitrag in diesem Themenkreis sei der Aufsatz «Die Strategie für Alleinstellung» im Monatsbrief von Prof. Malik erwähnt4. Die gängige Produkt-entwicklung führt zu «me too and all the same» Produkten. Dies ist das Resultat von langjähriger guter Konjunktur. Die Folgen sind heute erkenn-bar an einem intensiven Verdrängungswettbe-werb und an Preiskämpfen in fast allen Märkten. Der neue Innovationsansatz durch Alleinstellung wird zu einem völlig anderen Wettbewerb führen. Disruptive Innovationen haben insofern etwas Magisches an sich, als man ja im Idealfall aus dem Nichts etwas schaffen kann, wenn einem nur das Richtige einfällt. Disruptive Innovationen sind aber ihrem Wesen nach schwierig vorher-sehbar und planbar. Gutes Management und professionelles Vorgehen sind unverzichtbar. Im Folgenden habe ich für Sie 7 Erfolgsfaktoren festgehalten. Sie sind aus Beobachtungen der Innovationspraxis entstanden.

7 Erfolgsfaktoren aus der Innovationspraxis 1. Die Verantwortung liegt beim Top Management Die Sicherung der Autopoiese5 oder der Selbster-halt von Unternehmen gehört zu den fundamen-talen Aufgaben der obersten Führung. In vielen wirtschaftlichen Organisationen ist die permanen-te Neuerfindung des Unternehmens nur über dis-ruptive Innovationen zu erreichen. So hat bei-spielsweise das Management der erfolgreichen dänischen Firma Grundfos eine Innovationskultur etabliert, die auch im Leitspruch nach aussen getragen wird: «Be Think Innovate». Trotz des breiten Produktspektrums werden Innovations-projekte vom CEO persönlich beim Konzept-Meilenstein auf den Neuheitsgrad geprüft und freigegeben oder zurückgewiesen. 2. Dem potenziellen Kunden die richtigen Fragen stellen Ohne Einbezug von Kunden ist die Definition eines erfolgreichen Innovationsprojektes nicht denkbar.

Kontrovers scheint hier die Aussage des er-folgreichen Steve Jobs: «Es ist nicht Aufgabe der Kunden, zu wissen, welche Produkte sie wollen». Entscheidend sind die Fragen, die dem Kunden zu stellen sind. Fragen wie: «Was soll das Produkt leisten, wieviel soll es kosten?» führen zwangsläufig zur Definition von me too Produkten. Es sind Beobachtun-gen oder Fragen zum Verständnis von Prob-lemen oder Sehnsüchten von Menschen, die weiterhelfen. So begleiten Produktmanager von Hilti Handwerker auf der Baustelle oder Ingenieure der Medizinaltechnikfirma Storz beobachten Ärzte bei Operationen. Als Inge-nieur bei Bernina lernte ich früher Schneidern und Nähen. Nutzbringend ist das Verstehen des gesamten Kundenprozesses und nicht nur die Anwendung eines Produktes. Aus solchen Beobachtungen entstehen Ideen für disrupti-ve Innovationen und auch für neue Ge-schäftsmodelle.

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3. Keine zeitliche Koinzidenz zwischen der guten Innovationsidee und dem Innovati-onsauftrag Erfolgreiche Innovatoren beobachten perma-nent den Markt, die Kunden und die Umwelt. Beobachtungen und Ideen werden laufend in Datenbanken gesammelt. In periodischen Re-views werden die Daten gesichtet und nach Erfolgschancen beurteilt. Solche Organisationen sind bereit, auf neue Unternehmensstrategien zu reagieren und Projekte zu starten. Das Vor-handensein von Ideen für disruptive Innovatio-nen ist ohne die permanente Marktbeobachtung nur zufällig in zeitlicher Koinzidenz mit strategi-schen Unternehmensentscheiden. 4. Ideen müssen auch umgesetzt werden Die Idee für eine Innovation ist das eine, die Systementwicklung das andere. Ideen sind meist viele vorhanden, aber die Umsetzung von disruptiven Innovationen ist oft ein steiniger und langer Weg. Die Innovation des neuen Kaf-feezubereitungssystems Nespresso ist ein Leuchtturmprojekt. Die heutigen Milliardenum-sätze belegen den Erfolg. Dass aber die Ent-wicklung von 1970 bis 1985 15 Jahre gedauert hat, wird oft vergessen. In Zeiten der schnellen Produktentwicklung sind 15 Jahre eine lange Zeitspanne während der erhebliche Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Der Aufwand an Zeit und Ressourcen wie auch der notwendige Durchhaltewille bei disruptiven Innovationen sind nicht zu unterschätzen. Erfahrene Füh-rungskräfte wissen, dass erste Zeit- und Res-sourcenschätzungen für Innovationen mit dem Faktor 2 bis 3 zu multiplizieren sind. 5. Individuen stehen hinter disruptiven Innovationen Es sind starke Einzelpersönlichkeiten, die gross-artige Innovationen zum Erfolg führen. Nicht alle Firmen haben einen Steve Jobs oder einen Bertrand Piccard. In erfolgreichen Firmen sind es Innovation Champions, starke Persönlichkei-ten, die als Projektleiter anspruchsvolle Projekte führen. Zur Ideenfindung und Realisierung braucht es Teams von kreativen Ingenieuren und Technikern. Ohne die visionäre Beharrlich-keit einer Führungsperson sind Teams oft nicht in der Lage, aussergewöhnliche Innovationspro-zesse durchzustehen. Steve Jobs hatte eine reiche Lebenserfahrung mit Höhepunkten und Tiefschlägen. Vielleicht war er gerade deshalb so erfolgreich.

6. Know How und Entwicklungskapazität Für die zeitgerechte Umsetzung von disruptiven Innovationen ist die Verfügbarkeit von Know How und Entwicklungskapazität ein entschei-dender Erfolgsfaktor. In der Schweiz und in Deutschland sind diese Ressourcen begrenzt. Die Verlagerung von Aufgaben ins Ausland be-trifft schon längst nicht mehr nur die Produk-tion. Software wird in Indien entwickelt, ein Antriebshersteller im Schwarzwald hat ein Ent-wicklungsteam in Ungarn oder ein deutscher Hersteller von Gebäudeautomationssystemen hat ein Team in Tschechien. Bei Verlagerungs-entscheiden dürfen der Koordinationsaufwand und das unerlässliche Applikationswissen nicht vernachlässigt werden. 7. Nährboden für disruptive Innovationen Es gibt zwei Phasen, die sich bezüglich Anforde-rungen an Personen und Infrastruktur stark unterscheiden. In der Produktdefinitionsphase sind Marktnähe, Menschenkenntnis, Kreativität, Allgemeinbildung und Technologiekenntnisse erforderlich. In der Produktentwicklungsphase ist professionelles, zielgerichtetes und präzises Vorgehen gefragt. Diesen Unterschieden ist sorgsam Rechnung zu tragen. Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten zu konzeptionellen Aufgaben brauchen einen grossen Freiraum. Andere Mitarbeiter haben ihre besonderen Fä-higkeiten in der präzisen und zuverlässigen Entwicklungsarbeit. Sie brauchen eher Sicher-heit und präzise Aufgabenstellungen. Die Zu-ordnung von Aufgaben und Verantwortung, sowie die Gestaltung von Arbeitsbedingungen sind den Projektanforderungen und den Pro-jektphasen unbedingt anzupassen. Der richtige Nährboden beeinflusst die Ergebnisse. 1 Vahs D, Burmester R. Innovationsmanagement.

Schäffer-Poeschel. Stuttgart; 2005 2 Christensen C. The Innovators Dilemma. Harper

Business. New York; 2000 3 Dziemba O, Horx M, Wenzel E. Die Matrix des

Wandels. Zukunftsinstitut 2009, Seite 31 4 Malik F, Stöger M. Die Strategie für Alleinstellung.

m.o.m. Letter; 10/11 und 11/11 5 Mit Autopoiese der Organisation wird der Umstand

bezeichnet, dass sich Organisationen so weiter-entwickeln, dass sie immer wieder weiterexistie-ren. Simon F. Einführung in die systemische Orga-nisationstheorie. Carl Auer. Heidelberg; 2007

Mit einem herzlichen Dank an Gaby Belz, Kurt Krucker und Christian Stillhard für die Durchsicht und die wertvollen Hinweise.

© Stillhard Management Services, Januar 2012

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Dienstleistungen für Ihre Projekte Stillhard Management Services bietet Management und Ingenieurdienstleistungen für Ihre Innovationen. Sie profitieren von erfolgreichen Innovationsprojekten, Überbrückung in Notlagen, Neuausrichtung Ihrer Innova-tionsprozesse oder vom Erfolg Ihres individuellen Projektes. Jede Dienstleistung wird individuell auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet und von Otmar Stillhard persönlich bearbeitet. Stillhard Management Services Ofenbachstrasse 14 CH-8266 Steckborn +41 (0)52 761 30 40 [email protected] www.stillhard-ms.ch