Dokumentation des Workshops „Die Beiträge von...

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Dokumentation des Workshops „Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung“ 19. und 20. Dezember 2007 Tagungsstätte Weilburg Frankfurter Straße 20 35781 Weilburg

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Dokumentation des Workshops

„Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen

Bildungsentwicklung“

19. und 20. Dezember 2007 Tagungsstätte Weilburg Frankfurter Straße 20 35781 Weilburg

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 2

Hessisches Kultusministerium Luisenplatz 10 65185 Wiesbaden Die Dokumentation wurde zusammengestellt von Koordinierungsstelle für Organisation, Beratung und Evaluation (KOBE) des Modellprojekts Selbstverantwortung plus Michael Reitz Walter-Hallstein-Straße 3-5 65197 Wiesbaden Tel.: 0611/8803122 E-Mail: [email protected]

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 3

Inhalt Vorwort (Hans-Peter Hochstätter, Hans-Otto Vesper) .…...…………………..……..… 5

Die Beiträge der Projekte SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung .

(Prof. Dr. Rolf Dobischat)...................................................................................... …...9

Internationale Beispiele integrierter Bildungsdienstleister (Dr. Wilfried Kruse) ......... 13

Diskussion der Beiträge von Prof. Dobischat und Dr. Kruse .................................... 20

SVplus und HC: Stand, Probleme, Perspektiven.... ……………………………………23

Die Funktion von Netzwerken und Entwicklungspartnerschaften als Grundlage

für „Mögliche Netzwerkentwicklungen in Hessen“ (Dr. Karl Düsseldorff) ..….…....... 27

Modelle für integrierte Bildungsdienstleister in Hessen (Dr. Wilfried Kruse) …….…. 31

Erarbeitung der Themenbereiche Qualität, Organisation, Region ............................ 41

Gemeinsame Eckpunkte und Perspektiven für die regionale und hessische

Entwicklung .............................................................................................................. 49

Vereinbarungen über das weitere Vorgehen und Abschluss.................................... 50

Anlagen Teilnehmerliste…… .………………………………………………...........................……51

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Weiterentwicklung der

Initiativen des lebensbegleitenden Lernens in Hessen vom 30.10.07………………..53

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP

betreffend Modellprojekt Selbstverantwortung plus vom 6.11.07 bzw. 13.11.07 ..……….54

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP

betreffend verlässliche Rahmenbedingungen für das Modellprojekt

Selbstverantwortung plus schaffen vom 18.01.07 …..……………………………………….56

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP

betreffend Weiterentwicklung der beruflichen Schulen vom 11.07.03……………………..57

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Vorwort

Selbstverantwortung Plus und HESSENCAMPUS sind zwei zentrale Projekte im Lande Hessen, in denen es um eine neue Qualität und eine neue Struktur beruflicher Bildung und des Lebensbegleitenden Lernens für Erwachsene geht. Beide Projekte leben durch das Engagement der Bildungsakteure aus Schulen, Volkshochschulen und Weiterbildungseinrichtungen. Beide Projekte haben im Hessischen Landtag und in den Regionen eine nachdrückliche politische Unterstützung gefunden und sind in die Wahlprogramme der Parteien aufgenommen worden.

Die politische Grundlage für diesen Neuanfang vor allem für berufliche Schulen, Schulen für Erwachsene und Volkshochschulen schuf das Regierungsprogramm 2003 bis 2008. Ein wichtiger fachlicher Ausgangspunkt war die externe Evaluierung der Wirksamkeit des Hessischen Weiterbildungsgesetzes und seine Novellierung in 2006. Die Verantwortlichen aus Bildungspolitik, Wissenschaft und Schulpraxis halten es für notwendig, dass dieser Sektor, der von beruflicher Ausbildung, dem Übergang in die Arbeitswelt, über zweite und dritte Chance z.B. über Schulen für Erwachsene, über Weiterbildung bis zur Seniorenbildung geht, auf eine neue Grundlage gestellt und weiterentwickelt werden muss.

Der Hessische Landtag hat den Auftrag erteilt, zu prüfen, inwieweit durch eine Zu-sammenführung des Modellversuchs Selbstverantwortung Plus (SV Plus) und der Initiative HESSENCAMPUS Bildungs- und Haushaltspolitische Synergieeffekte er-zielt werden können. Der gemeinsame Workshop am 19. und 20. Dezember 2007 in Weilburg war das Ergebnis von gegenseitigem Aufeinanderzugehen, von längst be-stehenden Verflechtungen und der Erkenntnis eines gemeinsamen strategischen Auftrags. In der „Weilburger Erklärung“ wird eine Zusammenführung beider Initiativen angestrebt. Damit eine produktive und nachhaltige Beziehung entstehen kann, wird ein explorativer Prozess organisiert:

• Welche Impulse bringt Selbstverantwortung Plus für HESSENCAMPUS?

• Welche Impulse bringt HESSENCAMPUS für Selbstverantwortung Plus?

Diese Aufgabe wird in beiden Projekte angegangen und dafür ist eine Koordinations-gruppe eingerichtet worden.

Selbstverantwortung Plus und HESSENCAMPUS zusammengenommen werden in vielerlei Hinsicht das Bildungssystem verändern und bereichern. In welche Richtung diese Veränderungen gehen sollen, welche Vorteile dies für die Nutzerinnen und Nutzer sowie für die Regionen bringen kann, unter welchen Bedingungen diese Ver-änderungen auch ermöglichen, die pädagogische Arbeit und ihre Wirkungen zu verbessern sowie bessere Arbeitsbedingungen für die Verantwortlichen, die Lehren-den und Lernenden zu erreichen, können Sie dieser Dokumentation des ersten ge-meinsamen Workshops von SVplus und HC entnehmen.

Dieser Workshop diente auch einer Standortbestimmung durch Einordnung in natio-nale Rahmenbedingungen und den Vergleich mit internationalen Systemstrukturen. Hilfreich waren hier die wissenschaftlichen Beiträge, für die ihre Verfasser allein ver-antwortlich sind.

Hans-Peter Hochstätter Hans-Otto Vesper

www.hessencampus.de www.selbstverantwortungplus.de

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Eröffnung des Workshops

Hans-Otto Vesper Herr Vesper begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops „Die Bei-träge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung“. Bisher sind SVplus und HC eigene Wege gegangen. Bereits im vergangenen Früh-jahr wurde jedoch deutlich, dass dies nun nicht mehr stimmig ist, so dass die Forde-rung entstand, dass SVplus die HC-Entwicklung einbeziehen muss. Im bisherigen Verlauf des Modellprojektes „Selbstverantwortung plus“, das am 01.01.2005 startete, wurden bereits beachtliche Zwischenergebnisse erzielt. Dazu gehören u. a. der sich vollziehende Lernkulturwandel, bei dem selbstorganisiertes und individualisiertes Lernen im Vordergrund stehen, die Implementierung des QM-Systems „Q2E“, die Umsetzung einer neuen Kern-Schulverfassung an einigen der Modellprojektschulen sowie die gewonnene Flexibilität in den Handlungsfeldern Per-sonal und Finanzen. Die Initiative „Hessencampus“ ist eine Entwicklungspartnerschaft zwischen dem Hessischen Kultusministerium und acht regionalen Initiativen, in der öffentliche wie auch private Bildungsträger kooperieren. Der vorliegende Stufenplan sieht als Stufe 1 für das Jahr 2007 die Konzeptentwicklung vor, das Jahr 2008 umfasst die Pla-nungsstufe, im Jahr 2009 folgen die Stufen 3 (Gründung) und 4 (Erprobung) bevor schließlich im Jahr 2011 eine Bilanzierung und Generalisierung vorgenommen wird. Im Rahmen des Workshops sollen die Synergieeffekte geprüft werden, die durch ei-ne Zusammenführung von SVplus und HC erzielt werden können (siehe dazu auch Anlage 2: Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Weiterentwicklung der Initiativen des lebensbegleitenden Lernens in Hessen).

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Die Beiträge der Projekte SVPlus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung

Prof. Dr. Rolf Dobischat

These 1: Selbst für Experten sind die politischen Initiativen und (Förder-)Programme der EU zur Gestaltung und Umsetzung von nationalen bzw. regionalen Bildungslandschaften kaum überschaubar. Der Versuch, einen annähernden Überblick zu erhalten, wird umso schwieriger, bezieht man die jeweils nationalen bzw. regionalen Politikstrate-gien unter den jeweils prägenden staatlichen bzw. regionalen Rahmensetzungen im Kontext der gegebenen Systemstrukturen ein. Man kann gegenwärtig feststellen, dass zwar viele Einzelerfahrungen vorliegen, aber bislang ist der Evaluations- und Benchmark-Prozess noch nicht soweit fortgeschritten, dass tragfähige verallgemei-nerbare politische Umsetzungskonzepte, Strategien wie auch Organisationsformen, die von den jeweiligen nationalen Systembedingungen abstrahieren, nur erst an-satzweise mit handlungsanleitenden Konturen bzw. mit Transferpotenzialen identifi-zierbar sind. These 2: Die Bildungspolitik der EU setzt seit Jahren auf eine stärker Verknüpfung von Bildung und Beschäftigung. Dies betrifft vornehmlich die Bereiche der Aus- und Weiterbil-dung wie auch der Hochschulen. Für die Bildungssysteme ist der Legitimationsdruck hinsichtlich der international vergleichbaren Leistungsfähigkeit und der dabei zum Einsatz kommenden Ressourcen deutlich gewachsen. Damit verkoppelt sind ver-stärkt bildungsökonomische wie auch steuerungs- und ordnungspolitische Sichtwei-sen, die bei der Politikformulierung und -umsetzung im Blickfeld stehen. Dabei treten deutliche Interessenlagen auf, die u. a. auch in strukturkonservativen Positionen bzw. in Erstarrungsmustern ihren Ausdruck finden und einer notwendigen Kooperations-basis entgegenstehen. These 3: Nationale ordnungs- und steuerungspolitische Problemkonstellationen haben das Konzept der dezentralisierten politischen Gestaltung von Bildungslandschaften auf der Agenda nach oben gesetzt. Einerseits haben sich in der Vergangenheit regionale Disparitäten in Bildung und Beschäftigung stabilisiert; andererseits droht infolge der Internationalisierung ein weiteres regionales Auseinanderdriften mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die Innovationsfähigkeit. Regionales politisches Handeln der Akteure vor Ort wird als probates Politikmuster angesehen, spezifische Problem-lagen zu identifizieren und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Klammer für die bildungspolitischen Aktivitäten ist das Postulat des Lebenslangen Lernens, dessen notwendige organisatorische und strukturelle Systemarchitektur in Deutschland aber bei Weitem noch nicht vorhanden ist. These 4: Regionale Bildungsforschung und –politik haben in Deutschland noch keine lange Tradition. Die Debatte um die Etablierung von regionalen Kompetenzzentren (BLK) und das Bundesprogramm „Lernende Region“ als Beispiele haben die bildungspoliti-sche Diskussion der regionalen Gestaltung von Bildung erheblich stimuliert und deut-liche Akzente gesetzt. In Fortführung des klassischen Kooperationspostulats werden

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regionale Netzwerke mit unterschiedlichen Akteurskonstellationen als notwendiges Regulationsmuster für steuerungs- und ordnungspolitische Herausforderungen an-gesehen. Nach den Erfahrungen aus dem Programm „Lernende Regionen“ erweisen sich Netzwerke in Abhängigkeit bestimmter Faktoren und mit bestimmten Profilset-zungen als relativ stabil und sie können Struktur bildend auf die Etablierung und Steuerung regionaler Bildungslandschaften wirken. Die Netzwerke führen auf der Grundlage ihrer spezifischen Profilausrichtung innovative modellhafte Angebote durch, die Pilot- und Erprobungscharakter haben. Im Vordergrund steht u. a. auch die Entwicklung von Angebots- und Anspracheformen, die den Zugang lernschwa-cher und bildungsferner Gruppen zu Bildungsprozessen ermöglichen sollen. Hier-durch sind neue Schnittstellen und Gestaltungsarenen für bildungspolitisches Han-deln der involvierten Akteure eröffnet und definiert. Davon betroffen ist nicht nur das Verhältnis von Aus- und Weiterbildung, dem schulisch basiertem, dem betrieblichen wie auch dem außerbetrieblichen Lernen, und zwar vornehmlich an den prekären Übergangspassagen zwischen Bildung und Beschäftigung, sondern aufgenommen sind auch die veränderten Anforderungen an die individuelle Lebensgestaltung im Wechsel zwischen beruflichen und außerberuflichen Lebensphasen mit der Anforde-rungskomplexität an fachliche, soziale und humane Kompetenzentwicklung, die im regionalen Erfahrungsraum zur Identitäts- und Persönlichkeitsbildung führen. In die-sem Erfahrungsraum werden die Individuen nicht nur mit Lernanforderungen kon-frontiert, die durch das Beschäftigungssystem induziert sind, sondern es geht viel-mehr um weitergehende Kontexte des Identitätslernens, der Persönlichkeitsbildung und Persönlichkeitsentfaltung. Gerade dies in das Zielsystem regionaler Entwicklung und Förderung von Bildungs- und Lernprozessen einzubinden, könnte zum Kristalli-sationskern für die Etablierung einer neuen, innovativen Lernkultur in der Region werden, mit der nicht nur bestehende strukturelle Defizite im Bildungssystem bear-beitet und korrigiert werden können, sondern der Region als Handlungsarena ein bedeutenderes Gewicht bei bildungspolitischen Gestaltungs- und Entscheidungspro-zessen verliehen würde. These 5: Veränderte Anforderungen an die individuell-biografische Bildungs- und Lernpro-zessgestaltung in Folge der Wandlungen im Beschäftigungssystem haben die traditi-onell markierten Grenzziehungen, Funktionslogiken wie auch die Strukturgebung zwischen den Bildungsbereichen und ihren Institutionen, den verschiedenen Teilpoli-tiken wie auch den rechtlich-finanziellen Zuständigkeiten aufgelöst und es werden neue Funktionsbestimmungen sichtbar, die zugleich veränderte Anforderungen an die Träger von Bildungsprozessen formulieren. Gleichfalls sind bekannte bildungspo-litische Problemlagen (Zugangsbarrieren, Exklusion etc.) deutlicher hervorgetreten. Aus traditionellen Bildungsträgern mit klassischem Aufgabenzuschnitt werden mo-derne Bildungsdienstleister mit profilierten Kernkompetenzen, die in regionalen Netzwerken zur adäquaten Problembearbeitung kooperativ mit anderen Akteuren agieren. Der Erfolg wird aber auch davon getragen sein, ob es gelingt, die historisch gewachsenen Segmentierungen und Funktionsbestimmungen im Bildungssystem (z. B. die Trennung von allgemeiner-, beruflicher und politischer Bildung, unterschiedli-che Qualifizierungs- und Zertifizierungsebenen, rechtliche und finanzpolitische Zu-ständigkeiten etc.) wie auch die Separierung der Bildungsakteure und Steuerungsor-gane mit ihren spezifischen Interessen aufzulösen und in einen Prozess neuer insti-tutionell-kooperativer Arrangements mit veränderter Machtbalance zu transformieren These 6:

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Die in den Modellkonzepten Hessencampus und SVplus formulierten übergreifenden Ziele setzen bei regionalen Problemlagen an und konturieren eine bildungspolitische Strategie, die darauf abzielt, vorhandene Potenziale und Ressourcen durch entspre-chende Maßnahmen in unterschiedlichen Handlungsfeldern zu bündeln, um damit die Grundvoraussetzungen für eine zukunftsfähige Gestaltung von Problem ange-messenen regionalen Bildungslandschaften zu etablieren. Der Zukunftsentwurf der politisch intendierten Grundfigur ist der „integrierte Bildungsdienstleister“, der die Be-reiche der Volkshochschulen, der „Berufsbildenden Schulen“ und der „Schulen des zweiten Bildungswegs“ organisatorisch-rechtlich zusammenführen will und sie zu-sätzlich durch „marktagierende“ Institutionen zu arrondieren beabsichtigt. Mit der Figur des integrierten Bildungsdienstleisters ist der Prozess regionaler Re-Formulierung von bildungspolitischen Zielen und Aufgaben und der Re-Strukturierung der darauf auszurichtenden institutionell-organisatorischen Rahmen-bedingungen angesprochen. So hat mit der Durchsetzung unternehmerischer Prinzi-pien am Weiterbildungsmarkt und dessen Rückwirkung auf die institutionelle Weiter-bildungsinfrastruktur das Paradigma der Betrieblichkeit in der Aufgabenbearbeitung die normative Hegemonie angetreten, wie es Klaus Harney formuliert. Konsequenz dieser Entwicklung bei den Bildungsträgern, und dies vor dem Hintergrund zuneh-mender Konkurrenz um bestehende und neu zu erschließende Marktsegmente, ist die forcierte Durchsetzung moderner Management- sowie Organisations- und Pro-fessionalisierungskonzepte, veränderter Marketingstrategien wie auch die Umset-zung von Verfahren der Qualitätssicherung, der Kunden- und Dienstleistungsorientie-rung, des Benchmarking und des Controllings. Die Notwendigkeit der Anpassung wird zudem durch die veränderten Formen der Lehr- und Lernorganisation erzeugt. Der Einsatz neuer Lerntechnologien im Sinne multimedial-unterstützter, selbstorga-nisierter und selbstgesteuerter Lernprozesse im Kontext des „lebenslangen Lernens“, der die traditionellen institutionell-organisatorischen Strukturen, Lernorte, Curricula wie auch Zeitdimensionen in der Verteilung von Lern- und Arbeitsphasen in der Er-werbsbiographie nachhaltig beeinflusst, wird nicht ohne Auswirkungen auf die regio-nalen Bildungslandschaften bleiben. Welches veränderte Selbstverständnis, Aufga-benprofil und Autonomiespektrum infolge auch veränderter Nachfrageanforderungen für das Akteurshandeln daraus entsteht, ist gegenwärtig noch eine offene Frage, dessen Beantwortung einer stärkeren Forschung zugeführt werden müsste. These 7: Die Grundfigur des „integrierten Bildungsdienstleisters“ ist zwischen den Akteuren nicht unumstritten. Die kontrovers diskutierten Punkte konzentrieren sich im Wesent-lichen auf die Aspekte hinsichtlich Privatisierung versus öffentliche Verantwortung und Hierarchisierung von Entscheidungsprozessen versus Partizipation der beteilig-ten Akteure und den damit korrespondierenden vielfältigen Teilaspekten. Mit dem einstimmigen Beschluss des Hessischen Landtags am 1.11.07 ist den SVplus-Schulen jetzt die Möglichkeiten eingeräumt worden, als eigenständiger Bil-dungsträger im Netzwerkkonzert mit anderen Bildungsträgern auf Augenhöhe aufzu-treten. Hierdurch sollen strukturell-rechtliche Defizite ausgeräumt werden, so zumin-dest die politische Option, die im Programm „Lernende Regionen“ u. a. dafür verant-wortlich waren, dass die Berufsbildenden Schulen in der Akteurskonstellation der regionalen Netzwerke unterrepräsentiert waren. These 8: Im Antrag der Fraktionen von CDU und FDP (30.10.2007, siehe Anlage 2) wird die Prüfung angeregt, die Projekt HC und SVPlus angesichts inhaltlicher und bereits e-

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xistierender organisatorischer Überlappungen zusammenzuführen und nach einer adäquaten Rechtsform zu suchen. Hierzu wären aus meiner Sicht folgende Eckpunk-te zu beachten: • Die organisatorische und rechtliche Eigenständigkeit der beteiligten Akteure in einem Netzwerk „Hessencampus“ sollte erhalten bleiben (Prinzipien: Pluralität und Kooperation der Träger); • Das Netzwerk „Hessencampus“ ist grundsätzlich für alle Bildungsträger (Bildungsdienstleister) offen, sofern sie die formulierten Ziele und Aufgaben mittragen und einen eigenständigen Beitrag zur Problemlösung leisten können; • Für die Zielformulierung und Aufgabenbeschreibung gilt der gesetzliche Rahmen, der durch die entsprechenden Gesetze (Weiterbildungsgesetz, Schulgesetz) definiert ist. Zu überlegen ist auch, ob ein eigenständiger gesetzlicher Auftrag für das Gesamtvorhaben Hessencampus ergänzend formuliert werden sollte. • Berufsbildende Schulen agieren in diesem Netzwerkkontext als ausgewiesene Kompetenzzentren mit einer spezifischen regionalen Einbindung. Sie sind in öffentlicher Verantwortung weitgehend autonom und eigenbudgetiert, betreiben ein eigenes Personal- und Bildungsmanagement und kooperieren mit benachbarten Schulen, privaten Bildungsträgern, der Wirtschaft und den übergeordneten Behörden. Kernstück ihres Qualitätsmanagements ist der Unterricht. Dieser wird gesamtkollegial als Produkt der Organisation betrachtet, optimal arrangiert und laufend (auch unter den Bedingungen der Entwicklung zu einem Deutschen Qualifikationsrahmen) aktualisiert. Die Mitwirkung von Schulen sollte daher an das Durchlaufen des SVplus-Prozesses gebunden sein. • Sinnvoll ist es, den Prozess der Verknüpfung beider Projekte über eine zentrale Steuerungsgruppe zu lenken, die die bislang bestehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche neu justiert. Zudem ist es überlegenswert, zu Beginn des aus meiner Sicht notwendigen Verknüpfungsprozesses eine Bestandsaufnahme der Aktivitäten in beiden Projekten vorzunehmen und die bislang im Vordergrund stehende regionale Organisationsfrage unter inhaltlichen Referenzpunkten einer Diskussion zuzuführen.

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Internationale Beispiele integrierter Bildungsdienstleister Dr. Wilfried Kruse Im Folgenden sollen einige Hinweise auf zwei Beispiele aus anderen Ländern, näm-lich auf das Technical Colleges System in Wisconsin und auf die EUCs in Dänemark gegeben werden. Anlass und zur Verfügung stehende Zeit machen es nicht möglich, in der an sich gebotenen Ausführlichkeit und Differenziertheit in die beiden Systeme und ihre unterschiedlichen Umweltbeziehungen einzuführen. Es werden also ledig-lich einige jener Aspekte beleuchtet, die für die aktuelle hessische Diskussion von Bedeutung sein könnten. Systeme können ohnehin nicht 1 zu 1 übertragen werden, aber sie können anregen, sich ein wenig aus der eigenen Pfadabhängigkeit des Denkens zu lösen und andere als die bislang üblichen Optionen in Betracht zu zie-hen. Vorab kann aber schon gesagt werden, dass es sich in beiden Fällen nicht um „Integrierte Bildungsdienstleister“ in dem Sinne handelt, wie es in der HC-Diskussion bislang akzentuiert wurde: nämlich im Sinne des produktiven Miteinanders „auf glei-cher Augenhöhe“ dreier für das Lernen von Erwachsenen zentraler Komponenten öffentlich verantworteter Bildung: Berufliche Schulen, Schulen für Erwachsene im Sinne abschlussbezogener 2. und 3. Chance und Volkshochschulen. Die Einrichtungen, die aus Wisconsin und aus Dänemark hier kurz beleuchtet wer-den, sind sehr stark über berufliche Bildung definiert und sie vereinigen in sich beruf-liche Aus- und Weiterbildung. Dies gilt ohne Abstriche für die regionalen beruflichen Bildungszentren in Dänemark (EUC). Das gilt aber auch für die Technical Colleges in Wisconsin, obwohl diese ihrem Ursprung nach Volksbildung und Berufsbildung (an-geregt von dieser aus Deutschland mitgebrachten doppelten Tradition) in sich verei-nigen sollten. Volksbildung befindet sich immer noch im Angebot der Technical Col-leges, die berufliche Bildung allerdings scheint ihr in jeder Hinsicht den Rang abge-laufen zu haben. Die folgenden Ausführungen werden sich beschränken auf Fragen der internen Steuerung großer Bildungsdienstleister, das Verhältnis von regionaler Autonomie und staatlicher Bildungsverantwortung, die Rolle der Zentren zwischen Exzellenz und Niedrigschwelligkeit und schließlich über die regionale Einbindung der Zentren in Wisconsin und Dänemark – ein Aspekt, der beide in unterschiedlicher Weise für die hessische Diskussion besonders interessant macht.

Die Einrichtungen Es gibt in Wisconsin 16 Technical Colleges, die „zwischen und neben“ dem Weg „High School“ – „University“ technische Bildung anbieten, die prinzipiell tätigkeits- oder berufsbezogen sein muss. Den angebotenen theoretisch – praktischen Bil-dungsgängen müssen nachweisbar in der College-Region vorhandenen beruflichen Tätigkeiten entsprechen. Einrichtung, Ausweitung, Aussetzung oder Abbruch eines Bildungsgangs bedürfen einer Begründung, die sich auf den regionalen Arbeitsmarkt bezieht. Hieraus ergeben sich dann die speziellen fachlichen Profile der Colleges. Diese Bildungsgänge sind das „Kerngeschäft“ des College. Daneben gibt es diverse Weiterbildungsangebote und auch Pflichtangebote von Seiten der Regierung oder Modellprojekte (wie z. B. „Englisch als zweite Sprache“) bzw. Angebote der zweiten oder dritten Chance. Beispielhaft wird im Folgenden Bezug genommen auf das Wau-kesha County Technical College (WCTC), der Partnereinrichtung der Max-Eyth-Schule in Dreieich. Es weist für das Studienjahr 2006-2007 ca. 30.000 Studierende

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aus, die sich zu einem Vollzeitäquivalent von knapp 4000 Studierenden summieren. Das WCTC besteht aus einem einzigen großen Campus, der auch in den Abend-stunden und am Wochenende über das gesamte Jahr mit vergleichsweise kurzen Ferienzeiten genutzt wird.

Das EUC Süd (Erhvervs Udannelses Center) mit Sitz in Sønderborg/Nordschleswig ist eines der dänischen regionalen Beruflichen Aus- und Weiterbildungszentren im Zuständigkeitsbereich des nationalen Unterrichtsministeriums, ausgelegt auf 2.500 Vollzeitschüler/Jahr – Äquivalente. Es hat ca. 400 Beschäftigte, ein eigenes Hotel, in dem TeilnehmerInnen, die mehr als 1,5 Stunden Anreiseweg haben, kostenlos woh-nen können. Das EUC Süd besteht aus vier, jeweils an verschiedenen, weit vonein-ander liegenden Standorten in Nordschleswig lokalisierten Zentren, die jeweils auch eine fachliche Spezialisierung aufweisen. Die EUCs als große berufliche Bildungs-dienstleister sind aus der Fusion vormals eigenständiger lokaler Zentren entstanden, um Größenvorteile realisieren zu können. Die Öffnungszeiten umfassen fünf Tage von morgens bis nachmittags. Der jahresdurchschnittliche Nutzungsgrad beträgt 25 %.

Autonomie und staatliche Bildungsverantwortung

In beiden Fällen haben die Zentren eine erhebliche Autonomie.

Für die Technical Colleges in Wisconsin gibt es ein entsprechendes Gesetz. Die ho-he Autonomie der Zentren leitet sich u. a. aus ihrer spezifischen Form der Basisfi-nanzierung durch einen Prozentsatz an der im jeweiligen county erhobenen Grund-besitzsteuer ab. Die 16 Technical Colleges gehören dem Technical College System an, über die der Staat Wisconsin die Profile der anerkannten Studiengänge und vor allem Qualität und Innovation mitsteuert. Anerkannte Studiengänge bedürfen der Genehmigung durch die Regierung. Unter Beachtung dieser Rahmenbedingungen sind die Technical Colleges gegenüber dem Staat eigenständig und voll geschäftsfä-hig. Sie stellen selbst das Lehr– und weitere Personal an und schließen entspre-chende Tarifverträge mit den Gewerkschaften ab. Studiengebühren, die im College verbleiben, sind die Regel, ergänzt um ein umfangreiches System der (finanziellen) Studienförderung.

Auch die EUCs fungieren als selbstständige, betriebsförmig organisierte Bildungs-zentren. Das EUC Süd hat eine Rechtsform, die es voll geschäftsfähig macht. Ge-bäude und Infrastruktur sind im Besitz des EUC Süd. Es kann und muss eigenes Einkommen generieren. Es schließt jährlich lokale Tarifverträge mit den Gewerk-schaften ab. Die Letzthaftung für alle Geschäfte liegt beim Staat. Die Finanzierung erfolgt im großen Umfang durch den dänischen Staat, der durch Definition von Curri-cula und Kursprogrammen, Akkreditierung etc. stark bildungspolitisch gestaltend wirkt. Die EUCs realisieren also im Wesentlichen staatliche Bildungsgänge, sowohl im Bereich der Erstausbildung, im Bereich der Akademien (am ehesten mit Fach-hochschulgängen in Deutschland vergleichbar) und der arbeitsmarktnahen Weiterbil-dung. Sie dürfen maßgeschneiderte betriebliche Weiterbildung anbieten, aber nur im Rahmen marktüblicher Preise, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Trotz umfangreicher staatlicher Grundfinanzierung werden die EUCs als Anbieter auch auf den Bildungsmarkt orientiert, vor allem mit dem Ziel, mehr Bildungsnachfrage zu mo-bilisieren. Dies geschieht insbesondere dadurch, dass die staatliche Finanzierung

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der Zentren sich an der Zahl der auf Wochenvollzeit hochgerechneten Studierenden und bei Weiterbildung an der Zahl der erfolgreichen Prüfungen orientiert und es ca. 10 % „output“- bezogene Gehaltsbestandteile bei den Leitungen und den Lehrenden gibt.

Leitung

In Wisconsin wird der Präsident/ die Präsidentin des Technical College durch das Board gewählt. Das board wird von der politischen Repräsentanz des Distrikts beru-fen und besteht aus wichtigen Repräsentanten des Distrikts, einschließlich der Ver-treter der Arbeitgeber und Gewerkschaften. Als „Aufsichtsrat“ des Colleges tagt das board zweimal monatlich. Der Präsident nimmt im Auftrag des boards alle laufenden Geschäfte wahr. Das gibt der Collegeleitung eine starke Stellung und bindet sie zugleich in die Region ein. Darunter existiert dann eine Abteilungsleiterstruktur (deans) mit erheblichen eigenständigen Verantwortlichkeiten, die in Richtung von „Profit-Centern“ gehen. Das gesamte Personal wird direkt vom College eingestellt und die Arbeits- und Bezahlungsbedingungen werden mit der lokalen Gewerkschaft ausgehandelt. Das führt u. a. dazu, dass sich Bezahlungs- und Arbeitsbedingungen zwischen den Colleges unterscheiden. Im dänischen Fall – der durchaus Parallelen aufweist – ist der Direktor/Principal als Generalmanager für die Geschäftsführung des EUC verantwortlich. Er wird vom Vor-stand gewählt. Der Vorstand seinerseits setzt sich aus Vertretern der Sozialpartner und der Gemeinden der EUC-Region zusammen. Der Direktor ist dem Vorstand ge-genüber rechenschaftspflichtig. Der Principal ist Arbeitgeber und Dienstvorgesetzter und stellt das Personal ein. Für die Anstellung der Abteilungsleiter bedarf es der Zu-stimmung des Vorstands. Das gesamte EUC Süd wird durch eine Leitungsgruppe gesteuert, die lediglich aus fünf Personen besteht, dem Principal und vier Abteilungs-leitern. Deren Aufgaben ist durch eine Matrix-Struktur bestimmt: sie leiten jeweils ei-nes der Zentren und haben eine zentrale Querschnittsaufgabe.

Angebotsstrukturen / Innovationen

In beiden Fällen kann man wohl sagen, dass die Zentrumsgröße und die damit ver-bundene erhebliche Konzentration von Ressourcen jeglicher Art (also z. B. auch im Sinne unterschiedlicher fachlicher und pädagogischer Kompetenzen des Lehrperso-nals) eine beeindruckende Ausdifferenzierung der Bildungs- und Beratungsangebote zur Folge hat. Vertreter der Einrichtungen sowohl in Wisconsin als auch in Dänemark betonen darüber hinaus, dass es eine erhebliche innovative Dynamik gäbe, die si-cherlich mit aus einer verstärkten Orientierung auf die „Außenwelt“ des regionalen Bildungsmarktes resultiere, aber auch aus Gründen der Ressourcenökonomie und der fachlichen Kombinationsmöglichkeiten in größeren Einheiten erst realisierbar sei. Demgegenüber allerdings müsse auch immer das „eingebaute Beharrungsvermö-gen“ großer Organisationen beachtet werden, dem nur mit klugen internen Steue-rungs- und Beteiligungskonzepten beizukommen sei.

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Einige Hinweise zu Dänemark

Das EUC Süd führt berufliche Erst- und Weiterbildung in breiter fachlicher Differen-zierung durch, ergänzt um eine „Akademie“ für zweijährige zertifizierte Studiengänge z. B. IT and Electronics Technology, Computer Science, Production Technology, Fa-shion Design. Diese zweijährigen Vollzeitstudiengänge sind vor allem für Personen attraktiv, die älter sind und schon berufstätig waren.

Im Bereich der beruflichen Grundbildung werden Grundkurse im EUC durchgeführt, die mittlerweile stark individualisiert sind. Die Lehrenden sind verpflichtet, aktiv die Arbeitsmarktintegration (sprich: Ausbildungsplätze) der Jugendlichen zu unterstüt-zen. Die traditionell hohe Zahl von drop-outs konnte in den letzten Jahren erheblich, aber noch nicht befriedigend, reduziert werden (von 27 % auf 15 %). Hierzu hat ins-besondere eine weitgehende Veränderung der Pädagogik und Didaktik beigetragen, z. B. die Aufgabe des Klassenraum-Prinzips zugunsten anderer Formen. Die meisten Bildungsgänge sind mit Formen des Selbstlernens kombiniert. Hierzu stehen moder-ne und großzügige Selbstlernzentren zur Verfügung.

Differenzierung und Ressourcenökonomie werden über ein modulares Kurssystem vermittelt, das von Mindesteilnehmern pro Kurs ausgeht. Die Teilnehmerschaft wird aus den verschiedenen vorhandenen Bildungsgängen rekrutiert, also z. B. aus der regulären Berufsbildung, der Weiterbildung und den für einzelne Betriebe maßge-schneiderten Angeboten. Die daraus folgende Heterogenität der Kurse wird als eine zentrale pädagogische Herausforderung gesehen, der man mit Individualisierung, Differenzierung nach Lernstilen und Peer-Bildung zu begegnen sucht.

Vor diesem Hintergrund gewinnen pädagogische Innovation und die Weiterbildung des Lehrpersonals an Bedeutung. Ein Pädagogisches Forum bei der Zentrumslei-tung ist der „Kristallisationspunkt“ für die Entwicklung neuer Profile und „Produkte“, Weiterbildung und pädagogischer Innovation, und dies in enger Kooperation mit der Universität Roskilde und dem dänischen Lehrerfortbildungsinstitut.

Einige kursorische Bemerkungen zu Wisconsin Neben den beruflichen Bildungsgängen, die im Technical College abschlussbezogen angeboten werden, einem breiten Angebot mit „Volksbildungs“-Charakter und USA-weiten Angeboten oder staatlichen Programmen, wie z. B. Englisch als zweite Spra-che aufgrund der hohen Anteile von Migranten in der Bevölkerung, hat sich die An-gebotsstruktur z. B. des WCTC vor allem in Richtung auf Berufliche Weiterbildung und auf Beratung und Weiterbildung für die (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt hin ausgedehnt. Die arbeitsmarktbezogenen Aktivitäten werden z. B. im WCTC durch das angegliederte Workforce Development Center wahrgenommen. Dabei handelt es sich um eine Variante staatlicher Arbeitsagentur; mit ihrer Platzierung im Zentrum ist die Erwartung verbunden, dass „Bildung“ im Zusammenhang mit Arbeitsmarktin-tegration aufgewertet wird.

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Im Bereich der Weiterbildung gewinnt Corporate Training (CT), also nicht abschluss- bezogenes, sondern mit Betrieben vereinbartes Training, zunehmend´an Bedeutung. Zum einen scheint dies das einzige Geschäftsfeld zu sein, in dem man zusätzliche Einnahmen erzielen kann, die reinvestiert werden. Auf der anderen Seite ermöglicht das CT einen engen Kontakt zu Betrieben und damit auch zur Entwicklung von Technologie und Qualifikationsanforderungen. Während im WCTC für das CT das College als Ort eine zentrale Rolle spielt, gibt es bei anderen Colleges verstärkt den Ansatz, auf Nachfragen der Unternehmen taylor-made einzugehen und Weiterbil-dung auch „vor Ort“ in den Unternehmen durchzuführen. Für das Corporate Training werden spezielle erwachsenengerechte Lehr-/Lernmethoden entwickelt. In diesem Zusammenhang ist auch von einer pädagogischen Innovation zu berich-ten, die das Potenzial haben könnte, die starke funktionale Orientierung auf berufli-che Qualifizierung zu korrigieren: Die Initiative hierzu kam von den kooperierenden Betrieben, denen die rein technische Ausbildung ohne Bezug auf Verhaltensweisen nicht mehr ausreichend schien. Darauf hin gab es eine collegeinterne Arbeitsgruppe, die sich mit der Definition von sogenannten critical life skills befasste und diese als verhaltensbezogene Lernziele auf die verschiedenen Ausbildungsgänge hin konkre-tisierte.

Zwischen Exzellenz und Niedrigschwelligkeit

Für beide Systeme gilt, dass durch die Angebotsbreite und innere Differenzierung eine gewisse Spannung zwischen Exzellenz im Sinne innovativer und besonders leistungsfähiger Kompetenzzentren und der Eröffnung niedrigschwelliger Zugänge zu Bildung und Weiterbildung besteht. Dies gilt möglicherweise für die Technical Col-leges in verstärktem Maße, weil es dort, wie beispielhaft am WCTC im Bereich der Drucktechnologie, enge Kooperationen mit der Branchenwirtschaft (über den Distrikt hinaus) gibt, Ausbildung und Weiterbildung mit technologischen Exzellenz-Centern zu verknüpfen. Aber auch der weit entwickelte Selbstlernansatz in Dänemark wirft Fragen nach Niedrigschwelligkeit und nach internen pädagogischen Förderkonzep-ten auf, die den Bildungsweg der einzelnen Lernenden begleiten (Beratung, Stüt-zung, Lernklima). In beiden Einrichtungen ist dies ein aktuelles Thema.

Nicht nur die fachliche Ausdifferenzierung im Inneren der Zentren, sondern auch die Unterschiedlichkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Motivation, Lernvor-aussetzungen, sozialer Lage, Alter, Geschlecht und ethnischem Hintergrund führen zu einer enormen Heterogenität in der Zusammensetzung der Lerngruppen. Hierauf muss sich die Gestaltung des Lernklimas beziehen, wenn es ein gedeihliches Mitein-ander in den Zentren, und nicht eine aufgeladene, angespannte und konflikthaltige Atmosphäre geben soll. In beiden Systemen wird hierauf ein erhebliches Augemerk gelegt, von der Ausgestaltung der Räume, ausreichender Räumlichkeit für Rückzug und Entspannung bis hin zur gemeinsamen Vereinbarung von Regeln etc. In Wis-consin hat in diesem Zusammenhang die Förderung studentischer Selbstverwaltung einen erheblichen Rang. Zur „Niedrigschwelligkeit“ gehört auch, dass die Bürgerin-nen und Bürger dem Zentrum in ihrer Alltagswelt begegnen können. Dies geschieht in Wisconsin vor allem über die Zusammenarbeit mit Einrichtungen und Bürgerzent-ren, die im Leben verschiedener Stadtteile und Communities eine wichtige Rolle spielen. Systeme finanzieller Förderung existieren in beiden Ländern.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 18

Regionale Integration

Für die Technical Colleges sind wesentliche Mechanismen ihrer starken regionalen Integration schon skizziert worden. Ergänzend soll noch erwähnt werden, dass sich die Kooperationsbeziehungen der Colleges weit in die jeweilige Region hinein erstre-cken, so z. B. durch die Zusammenarbeit mit Migrationseinrichtungen, Stadtbiblio-theken etc., die auch als niedrigschwellige Anlaufstelle genutzt werden. Immer mehr Collegeleistungen werden auch außerhalb des eigentlichen Collegecampus erbracht. In diesem Fall ist das College „homebase“ und es wird dann in Anspruch genommen, wenn man die spezifische Infrastruktur braucht (Computer, Werkstätten, Medien etc.). Die „Kehrseite“ der Basisfinanzierung über die regional erhobene Grundbesitzsteuer wird man darin sehen müssen, dass die Colleges von Distrikt zu Distrikt über eine unterschiedlich komfortable Ausstattung verfügen. Diese variiert im Grunde nach der Einkommensstruktur oder dem „Reichtum“ eines Distrikts. Einfluss und im gewissen Sinne auch Abhängigkeit von der lokalen Wirtschaft sind erheblich, auch hinsichtlich Spenden und zusätzlichen Investitionen in die technische Infrastruktur des jeweiligen Colleges. Hervorzuheben ist das erstaunliche Engagement der regionalen Wirtschaft, aber auch der Gewerkschaften für „ihr“ College, was besonders sichtbar wird an der großen Zahl von Vertretern, die in den fachbezogenen Beratungsgremien des Col-leges kontinuierlich und unentgeltlich mitarbeiten. Beim WCTC beläuft sich das alles in allem auf die stattliche Zahl von 800 Personen, die sich regelmäßig in solchen Gremien engagieren. Auf diese Weise hält das College lebendigen Kontakt zur Regi-on und deren Bedarfsentwicklung. Auch am EUC Süd in Dänemark existieren für die verschiedenen Fachrichtungen Beratergruppen oder Beiräte, in denen die Sozialpartner vertreten sind, die auch Ex-perten einladen können. Diese „Beiräte“ sollen der fachlichen, pädagogischen und arbeitsmarktlichen Justierung der Ausbildungsgänge und der Innovation dienen. Ihre Qualität – so die Gesprächspartner – ist in hohem Maße von den beteiligten Perso-nen abhängig. Eine Identifizierung der lokalen Wirtschaft mit dem Zentrum - so wie es in Wisconsin der Fall ist – ist aber offenkundig nicht gegeben. Insgesamt seien weder das Sponsoring noch das Engagement in der Beratung besonders ausge-prägt, das Zentrum werde nach wie vor primär als eine staatliche Dienstleistung be-trachtet. Der Direktor von EUC Süd sitzt im Beirat der lokalen Arbeitsmarktagentur. Obwohl die kommunale Verantwortung für Arbeitsmarktpolitik in Dänemark in den letzten Jahren gestärkt wurde, ist die Abstimmung zwischen dieser und dem EUC offenbar schwach. Die lokalen Arbeitsmarkt-Agenturen führen ebenfalls Qualifizierungsmaß-nahmen durch, die sind mit jenen des EUC nicht abgestimmt sind. Die Produktions-schulen, die im kommunalen Kontext eine erhebliche Rolle spielen und zu den euro-paweit anerkannten innovativen Ansätzen zählen, die aus Dänemark kommen, exis-tieren neben den EUCs. Die Beziehungen zwischen ihnen sind eher sporadisch, auch wenn sich, wie in Sønderborg, alle Bildungsanbieter regelmäßig in einem kom-munalen Arbeitskreis treffen. Die Volkshochschulen, ein besonders traditionsreicher Eckpfeiler der dänischen Bildungspolitik, stehen neben diesem – auch in sich offen-

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 19

bar wenig vernetzten – System beruflicher Kompetenzentwicklung und arbeitsmarkt-licher Integration.

Abschließende Bemerkungen In beiden Fällen wird die staatliche Verantwortung für Bildung nicht aufgegeben, vielmehr erstreckt sie sich auch auf den Bereich des lebenslangen Lernens von Er-wachsenen. Die einzelnen Bildungszentren allerdings verfügen über eine große Ei-genständigkeit, insbesondere auch hinsichtlich ihrer pädagogischen und betriebs-wirtschaftlichen Steuerung. Wisconsin steht für eine pointierte regionale Bildungsver-antwortung. Sie hat ein starkes Eigengewicht, muss sich aber mit der staatlichen Bil-dungsverantwortung in eine geregelte Beziehung setzen. Auch im dänischen Fall ist das Zentrum wesentlich stärker mit der Region verknüpft, als dies in Deutschland der Fall ist. Gegenüber Wisconsin bleibt aber in Dänemark die regionale Bindung deutlich schwächer. Demgegenüber ist die Einbindung der Zentren in korporatistische Struk-turen charakteristisch. Während in Dänemark das Zentrum auf dem (im Wesentli-chen regional begrenzten) Bildungsmarkt agiert und zwar neben diversen anderen Anbietern und einen systematischen Bezug auf regional bestimmte Bildungsbedarfe nicht kennt, führt die Art und Weise der regionalen politischen und sozialen Einbin-dung der Zentren in Wisconsin eher dazu, dass diese in vieler Hinsicht auf dem regi-onalen Bildungs-„Markt“ eine dominante Stellung einnehmen. Daraus folgt, dass ih-nen ständig weitere Aufgaben von Bildung, aber auch der Vermittlung zwischen Bil-dung und Arbeitsmarkt, zuwachsen. Die hohe Identifikation der „Region“ mit „ihrem“ Zentrum kann man in Wisconsin unter anderem an der großen Zahl von Vertretern aus der Wirtschaft – und zwar sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmer-Seite – erkennen, die bereit sind, kontinuierlich in fachlichen Beratungsgremien mit-zuarbeiten. Zentrumsgröße im Sinne einer erheblichen Konzentration verschiedener Ressourcen ermöglicht dabei sowohl in Wisconsin als auch in Dänemark jenes Maß an innerer Differenzierung und gezielter Innovation, das in kleineren Einheiten kaum erbracht werden kann – vorausgesetzt, die Zentren verfügen über die entsprechenden Gestal-tungsrechte, - mechanismen und –instrumente. . Eine solche zentrale Position wie in Wisconsin nehmen die Zentren in Dänemark nicht ein. Sie sind vielmehr wichtige Akteure unter anderen. Von daher sind auch die Außenbeziehungen anders bestimmt. Während in Wisconsin die Technical Colleges eher „Konstrukteure“ ihres eigenen, sich in die Region erstreckenden Kooperations-umfeldes sind, agieren die EUCs in Dänemark eher als starke Partner in regionalen Netzwerken, deren Steuerungspotenzial aber nicht als besonders hoch zu veran-schlagen ist.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 20

Diskussion der Beiträge von Prof. Dobischat und Dr. Kruse Dr. Karl Düsseldorff Im Plenum werden die Beiträge von Prof. Dobischat und Dr. Kruse unter Fokussie-rung auf die folgende Fragestellung diskutiert: Welche Chancen und welche Risiken entstehen, wenn das Konzept der „Integrierten Bildungsdienstleister“ in Hessen realisiert wird? - für die Kunden (K) - für die beteiligten Institutionen (I) - für das Personal (P) - Chancen:

� Die Kreisberufsschulen können sich durch Bildungsangebote neu positio-nieren (I)

� Regionale Bildungsangebote können verzahnt werden (=> Schaffung von Transparenz) (K)

� Es wird eine stärkere Spezialisierung und Differenzierung ermöglicht (P) � Eine gezielte regionale Bildungsberatung wird ermöglicht (K) � Die Beteiligten Institutionen werden ebenso wie die Lehrkräfte gestärkt und

aufgewertet (I, P) � Lernende erhalten ein transparentes Angebot und Begleitung (K) � Berufsorientierung wird auf allen Stufen der Allgemeinbildung möglich (K) � Es entstehen Synergien durch gegenseitige Unterstützung der Beteiligten

untereinander und Ergänzungsmöglichkeiten (I) � Ein eigenständiger Bildungsauftrag für HC ist denkbar (I) � Einführung von Qualitätsstandards und deren Einhaltung steigert die Ak-

zeptanz (I) � Stärkung des Personals im Bereich der Weiterbildung als eigenständiger

Auftrag (P) � ganzheitliche Bildung auch im Aus- und Weiterbildungsbereich (K) � gesteigerter Einbezug der Beruflichen Schulen in Fragen der regionalen

Bildungspolitik (I) � gezielte Wahl der Rechtsform als Basis der Arbeit (I) � Neudefinition der Beruflichen Schulen (Bildungsauftrag) und Profilbildung

möglich => Regionale Kompetenzzentren (I) � Umdenkprozesse in den Kollegien (P) � Steigerung der Selbstverantwortung der Schulen durch Qualitätsnachwei-

se (I) � inflationär verwendete Begriffe können mit Inhalten gefüllt werden � gezielte Definition von Qualitätsstandards unterhalb der politischen Ebene

- Risiken:

� Wettbewerb/ Konkurrenz zwischen Anbietern (I) � Organisationsfragen überlagern das Inhaltliche � Lehrkräfte werden inhaltlich und quantitativ überfordert (P) � Stabilität der Beziehungen zwischen den Institutionen (I) � Unsicherheit für Personal (P) � Dumping der Entgelte und Gebühren (I) � Verlust von Standards (I, K) � Verlust der öffentlichen Verantwortung (I)

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 21

� Beliebigkeit von Angeboten und Strukturen von Bildungsgängen (patch-work)

� fehlende Regulierung der Strukturen (I, K) � Destabilisierung der Berufsbildenden Schulen (I) � Schaffen wir einen entsprechenden Kulturwandel? � keine Entscheidung für die Veränderung top-down oder bottom-up (I) � Handlungsstarre bei scheinbarer Offenheit (I)

Auswertung: Mehrheitlich wurden die Chancen der Optimierung der regionalen Bildungslandschaft durch die Verbindung von SVplus und HC höher als die Risiken eingeschätzt. Zwar wird (siehe Risiken) betont, dass die Konstruktion des integrierten Bildungs-dienstleisters umfassend den Bestand des regionalen Besatzes an Anbietern unter Konkurrenzgesichtspunkten partiell gefährdet, durch die anvisierte Kooperationsdich-te sich aber die Leistungserstellung qualitativ auch erheblich verbessern wird. Dies dürfte letztendlich auch zu einer Stabilisierung der nicht-öffentlichen Einrichtungen beitragen und vor allem das Gesamtleistungsspektrum erheblich vergrößern. Es wur-de gesehen: Personal: Risiken und Lösungsanforderungen: Bei einer entsprechenden Weiterführung der Initiativen HC und SVplus steht das Personal (hier: der BBS, aber auch: der anderen Anbieter) vor zusätzlichen quantita-tiven und qualitativen Arbeitsbelastungen, für nicht-öffentliche Anbieter sind ggf. Ar-beitsplatzrisiken nicht auszuschließen. Chancen/ Lösungsperspektiven: Wenn sich ein geändertes Selbstverständnis des Personals der öffentlichen wie der nicht-öffentlichen Bildungsanbieter bildet, ergeben sich daraus diverse professionelle Impulse, die auch als Aufwertungsprozesse zu lesen sein werden, d.h. vor allem die nicht oder semi-professionalisierten Mitarbeiter partizipieren an der Kooperation inso-fern, als sie von der Professionalität der ausgebildeten Lehrkräfte deutlich profitieren können . Organisation: Um eine regional abgestimmte Bildungsentwicklung optimal gestalten zu können bzw. entsprechende Einzelbeiträge leisten zu können, müssen die beteiligten Institu-tionen, hier besonders die Beruflichen Schulen, sich als umfassende Anbieter begrei-fen und entsprechend reorganisieren. Sie müssen Standards formulieren und einhal-ten, interne und externe Organisationsmodelle entwickeln und personell entspre-chend reagieren können. Die Möglichkeiten dazu werden allerdings auch als reali-sierbar eingeschätzt. Die dafür notwendige Flexibilisierung des Personaleinsatzes ist möglich, muss aber auch rechtlich abgesichert werden. (Weiterbildung als eigen-

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 22

ständiger Auftrag). „Leitbildentwicklung und Entwicklung einer entsprechenden Or-ganisationskultur“. Angebote: Gerade im Bereich „Angebote“ werden zentrale Stärken bei den Beruflichen Schulen gesehen, die es auszuschöpfen gilt, da inhaltlich und thematisch Berufliche Schulen, auch wegen der bereits bestehenden wirtschaftsnahen Kooperation „eng am Markt und damit an den Bedarfen“ stehen. Mit den bereits bestehenden Kooperationen zwischen Marktakteuren und Beruflichen Schulen sowie Allgemeinbildenden Schulen können die aktuellen Aufgabenstellungen (Berufsorientierung, ganzheitliche Bildung, verzahnte/modularisierte Bildungsangebote etc.) synergetisch gestaltet werden. Wichtig: Man muss, um dem Vorwurf der Beliebigkeit nicht ausgesetzt zu sein, ent-sprechende Profilbildungen schärfen und auch eingestehen, dass bestimmte Leis-tungen von anderen Anbietern „besser“ angeboten werden können. Situation der Beruflichen Schulen: Die Rechtssituation der Beruflichen Schulen für ein Engagement in der regionalen Bildungsversorgung muss eindeutiger als bisher geklärt und formuliert werden. Erst dann kann von einer Aufwertung der Beruflichen Schulen gesprochen werden, wenn diese als konstante Leistungsträger im System des Lebenslangen Lernens auch ent-sprechend etabliert werden und sich dem neuen Aufgabenspektrum analog verhalten können – dafür ist eine eindeutige Beauftragung und eine strukturelle, organisationa-le und rechtliche Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen zu regionalen Bildungs-zentren für das LLL Voraussetzung. Bildungsstandards: Die europäische Dimension der Bildungspolitik im System des LLL sowie die nationa-le Umsetzung der EU-Vorgaben machen es notwendig, Bildungsstandards zu entwi-ckeln, curricular zu profilieren, Prüfungsvorgänge zu normieren und zu standardisie-ren, Ziel- und Inhaltskataloge zu fixieren und so eine umfassende Systematik aufzu-bauen. Gerade hier haben Schulen und Berufliche Schulen didaktische, curriculare und methodische Leistungsvorteile – entspricht es doch genau ihrer tradierten Praxis sowie ihren Professionalisierungserfahrungen. Regulierung/ Strukturen: Die endogen abzuarbeitenden Aufgaben (s. o.) müssen mittelfristig in Bildungsstruk-turen übersetzt, in Prozessvorgaben überführt und in Regulierungsvorhaben integ-riert werden. Auch dafür, so die plenare Meinung, sind erste Ansätze vorhanden und Umsetzungsmöglichkeiten gegeben.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 23

SVplus und HC: Stand, Probleme, Perspektiven In Gruppenarbeit werden in einer Gruppe SVplus und einer Gruppe HC Stand, Prob-leme und Perspektiven der Projekte erörtert und anschließend im Plenum präsentiert und diskutiert: Selbstverantwortung plus

Dr. Karl Düsseldorff

In den Beiträgen der unterschiedlich eingebundenen Schulakteure aus sämtlichen Handlungsfeldern wurden die folgenden Ergebnisse, Probleme und Perspektiven erörtert und dabei u. a. deutlich: Schulen sind im Rahmen des Modellvorhabens dabei, neue Steuerungslogiken und Steuerungsmechanismen zu entwickeln, die für neue und andersartige Leistungen von Beruflichen Schulen unverzichtbar sind. Dazu gehört auch, dass sie entspre-chend den Handlungsfeldvorgaben neue Zielvereinbarungen, die über den eigentli-chen und den tradierten berufsschulischen Alltag hinausgehen, treffen und die Ziele konzentriert und kooperativ verfolgen. In diesem Rahmen verändert sich auch die Personalentwicklung: Eine geänderte Personalverantwortung sowie weitreichende Initiativen in der Lehrerfortbildung wer-den bilanziert. Im Bereich der Qualität stehen erweiterte und veränderte Evaluationen, neue Formen der (projektorientierten) Qualitätssicherung und Verfahren der „Managemententwick-lung“ (Strategien und Konzepte) im Focus diverser Aktivitäten. Inhaltlich werden Qualitätsfelder wie: Unterrichtsinnovationen entwickelt, die sich auf neue Themen und Inhalte, auf ein erweitertes Repertoire an Methoden sowie auf veränderte Vernetzungs- bzw. Kooperationsformen beziehen. Dies hat zur Folge, dass die Kollegien von Beruflichen Schulen zunehmend ein Selbstverständnis von Beruflichen Schulen als Lernende Organisation ausprägen, was einem integrierten und umfassenden Qualitätskonzept nahe kommt. Weitere Erfolge/ Handlungsfortschritte: - Schulen optimieren ihren Unterricht permanent - Schulen folgen einer Entwicklungslinie: Zielvereinbarungen – Schulverfassung - Schulentwicklung - Schulen nehmen Weiterbildung als Markt zunehmend an und entwickeln ent-

sprechende Angebote. Problem in diesem Zusammenhang: Rechtsfähigkeit. Schulen gelingt es aber noch nicht/nur selten, aus einem angebotsorientierten Ver-halten für den Weiterbildungsmarkt zu einem nachfrageorientierten Marktverhalten zu gelangen. Dies gelingt oft nur dann, wenn ein spezifisches „Verhältnis“ (kontinu-ierlich, etabliert, stabil etc.) zwischen Schule und Nachfrager existiert. Spezieller Fokus auf das SVplus-Handlungsfeld 6 (Bildungsangebot und regionales Bildungsnetzwerk):

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 24

Im HF 6 werden insgesamt ein stetig steigendes Engagement bilanziert, aber auch erhebliche Differenzen in der Umsetzungs- und Erfolgsgeschwindigkeit. Kontinuierlich arbeiten die Akteure im HF 6 in den Bereichen: - Schulverfassung - Qualität - Organisation und Struktur - Finanzen - Personal - Regionale Angebote (Erstellung) - Regionale Angebote (Erhebung von Bedarfen) - Regionale Angebote (Markttransparenz) - Marketing (Hier wünschen alle Beteiligten externe Hilfen!) Aufgabenstellungen, die sowohl im HF 6 als auch in sämtlichen anderen HF beste-hen: - Analyse und Optimierung von Qualitätsprozessen - Entwicklung von Qualitätsmerkmalen und –normen - Entwicklung von Partnernetzwerken Aufgabe: Qualitätsmerkmale und –anforderungen müssen gemeinsam 2008 erstellt werden, und zwar HF-übergreifend. Speziell für das HF 6 wurde noch konstatiert: Eine Kooperation zwischen HF 6 und HC ist sinnvoll und geradezu zwingend! Hier müssen in 2008 folgende Aufgaben kooperativ wahrgenommen und geeignete Stra-tegien und Ziele verfolgt werden: - Regionale Bildungsbedarfsanalyse - Regionales Bildungsmonitoring - Kooperation und Systembildung/Synergieschöpfung - Konzeptentwicklung für einen regional abgestimmten Weiterbildungsmarkt - Flexible und bedarfsgerechte Angebotsgestaltung - Verbindung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung/Weiterbildung Als Problem in diesem Kontext wird genannt, dass für diese diversen Aufgabenstel-lungen nur unzureichende Budgetierungen – etwa für einzelne Projekte in den Auf-gabenfeldern – vorhanden sind. Gesamtfazit: In Summe sehen alle Beteiligten schon erhebliche Fortschritte durch die Arbeit in SVplus. Diese beziehen sich sowohl auf schulinterne Organisations- und Konzeptini-tiativen, auf eine gesteigerte Sensibilisierung für ursprünglich „nicht berufsschulische Aufgabenstellungen“ sowie auf das interne und externe Kooperationsverhalten. Be-sonders herausgestellt wird die methodische, inhaltliche und die insgesamt didakti-sche Kompetenz von BBS: Hier gilt es, die Vorteile und Alleinstellungsmerkmale von

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 25

BBS weiter zu stärken und auszubauen, aber auch andere Beteiligte kooperativ ein-zubinden und teilhaben zu lassen. Mit dem Workshop in Weilburg verbinden die beteiligten SVplus-Akteure einen „gro-ßen Schritt nach vorne“; sie begrüßen, auf einem gemeinsamen Forum eine Platt-form für den Austausch zur Verfügung zu haben, und hoffen, in welcher Form auch immer, ein solches oder ähnliches Forum zukünftig regelmäßig nutzen zu können. Es wird ausdrücklich betont, dass allein der „Zwang“, gemeinsam Bilanz zu ziehen, Pro-zesse, Erfolge und Ergebnisse transparent macht und die Reflexionsarbeit befördert. Hessencampus

Reinhold Stahler

HC ist kein schulinternes Entwicklungskonzept einer Institution. Es geht um integrier-te Bildungsdienstleistung mind. dreier Institutionen, die das gemeinsame Bildungs-angebot abstimmen. Dabei ist auch die Entwicklung gemeinsamer Angebote ent-sprechend des regionalen Bedarfs, abgestimmt auf die Bildungsbiografie der Ler-nenden und deren Lebenslage vorgesehen. Die Ausrichtung auf die Bildungsbiogra-fie und die Lebenslage erfordert auch die Einbeziehung neuer Lehr- und Lernkultu-ren. Insofern hat HC auch das regionale politische Bildungsmanagement im Blick. Die Punkte zeigen, dass HC die Entwicklung der Institutionen aus der Außensicht wahrnimmt und darüber auch die interne Qualitätsentwicklung der Beteiligten im Blickpunkt hat. Im Hinblick auf die pädagogische Integration (einem der drei Schwerpunkte von HC neben der organisatorischen und der regionalen Integration) sind die curriculare Ver-bindung der Angebote, die Zertifizierung von formell und informell erworbenen Kenntnissen sowie die Klärung der Frage nach der Vergabeberechtigung von Ab-schlüssen noch zu vertiefende Aufgaben. Aus der Sicht der Nutzer ist auch die Be-rücksichtigung/ Anerkennung nachgewiesener Standards vordringlich zu berücksich-tigen. Als Einstieg und Zwischenstufe sind HC-Entwicklungsgesellschaften denkbar, die gemeinsame Aktivitäten und Entwicklungsprojekte abstimmen und die erforderlichen Ressourcen gemeinsam planen und zur Verfügung stellen. Wichtig für die weitere Entwicklung ist auch die Regelung der Bildungsverantwortung zwischen Kommunen, Schulträgern und dem Land Hessen. Diskussion Zu den bisherigen Ergebnissen der SVplus-Steuergruppe wird angemerkt, dass der Fokus auf die pädagogischen Basisprozesse gerichtet werden muss. Es ist zu klä-ren, wie man die hier neu gewonnenen Erkenntnisse für die neue Lernwelt HC fruchtbar machen kann. Für die stufenweise durchzuführende Integration der unterschiedlichen Institutionen in HC ist noch zu diskutieren, wie diese unter ausreichender Würdigung der Interes-sen der einzelnen Beteiligten gelingen kann, wobei Veränderungsbereitschaft auf allen Seiten Voraussetzung sein muss.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 26

Bei SVplus muss zunächst die innere (Qualitäts-) Entwicklung im Vordergrund der Arbeit stehen. Das große Potenzial an fachlicher und pädagogischer Kompetenz im Bereich der Beruflichen Schulen kann von allen an HC beteiligten Institutionen ge-winnbringend genutzt werden. Die internen Qualitätsprozesse von SVplus und HC müssen zusammengeführt wer-den, sodass ein Bildungsnetzwerk mit hohem qualitativem Niveau entstehen kann, in dem alle Beteiligten voneinander lernen können. Dies gilt insbesondere für die Quali-tätsentwicklung und für die Qualitätsverbesserung. Die „Integrierten Bildungsdienstleister“ müssen sich öffnen, ihre an die jeweiligen re-gionalen Bedürfnisse angepassten Weiterbildungsangebote sinnvoll miteinander ver-netzen und sich gegenseitig inhaltlich im Interesse der vor Ort befindlichen Nutzer ergänzen. Sie haben die Aufgabe, den Weiterbildungssektor zu strukturieren und die von den SVplus-Schulen im Bereich der Unterrichtsentwicklung gewonnenen Er-kenntnisse auch in allen Weiterbildungsangeboten und für alle (auch neu gewonne-nen) Zielgruppen umzusetzen. Bei den durch die Zusammenführung von SVplus und HC hervorgerufenen Verände-rungsprozessen muss der Fokus stets auf die Pädagogik in den Institutionen gerich-tet werden.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 27

Die Funktion von Netzwerken und Entwicklungspartnerschaften als Grundlage für „ Mögliche Netzwerkentwicklungen in Hessen“ Dr. Karl Düsseldorff Vorbemerkungen: Aktuell scheinen allgemein Netzwerke in Deutschland, im Sprachgebrauch der EU oft als Entwicklungspartnerschaften gekennzeichnet, ein operativ probates Mittel oder gar eine Strategieoption dafür zu sein, sozial-, bildungs- und/oder wirtschaftspoliti-sche Problemlagen zu entschärfen und auf ein hochgradig koordiniertes, eben ver-netztes Agieren diverser Marktakteure in Verbindung mit öffentlichen Handlungspart-nern zu setzen.

Netzwerke als generelle strategische Handlungsoption für die Bearbeitung bil-dungs-, sozial- und wirtschaftspolitischer Problemlagen Durch das Anwachsen differenzierter und komplexer werdender Aufgabenstellungen in funktional sich ausdifferenzierenden modernen Gesellschaften konzentrieren sich ausgewählte Kerninhalte und daran notwendig gebundenes spezifisches Wissen auf die jeweils verantwortlichen staatlichen Institutionen, Unternehmen, Verbände und Organisationen. Dies ist ein Signum moderner Gesellschaften, das mit dem Entste-hen von Netzwerklösungen als Steuerungslösungen gemeinhin verbunden wird. Zum beschriebenen Kontext gehört aber auch, dass hierarchische Systeme nur noch über ein z. T. geringes, in jedem Falle nicht allein ausreichendes Wissen verfügen, das für die Steuerung des Gemeinwohls notwendig ist. Die daraus resultierende mangelnde staatliche Steuerungsfähigkeit macht also kooperative Steuerungsformen notwendig, nicht nur, weil das spezifische Wissen, sondern auch weil andere Steuerungs- und Erledigungsressourcen (neben Know-how, Informationen und Informationszugänge auch Personal und Finanzen, infrastrukturelle Voraussetzungen, Organisationsmus-ter, Klientenaffinitäten etc.) fehlen. In Netzwerken, also in Verbünden verschiedener Akteure in ähnlichen bzw. aneinander angrenzenden respektive sich ergänzenden Handlungsfeldern, können indessen unterschiedliche Ressourcen gebündelt, Res-sourcenbeiträge verhandelt und Leistungsbeiträge unterschiedlich getauscht werden. Kurz: Netzwerke ermöglichen erweiterte, differenziertere, kostengünstigere, innovati-vere, effizientere und effektivere Leistungsgenerierungen durch eine arbeitsteilige, koordinierte und kooperative Bündelung verschiedener Leistungserstellungen von co- agierenden Handlungspartnern. In modernen Gesellschaften werden organisatorische Netzwerke auffällig, die dem Bild der deutlichen Trennung von Staat und Gesellschaft insofern widersprechen, als das der Staat seine Vormachtstellung für die gesellschaftliche Kontrolle partiell ein-büßt. Die Aufgabenerledigungen werden an Netzwerke delegiert und der Staat ver-liert seine umfassende Kompetenz. Damit ergibt sich auch eine Veränderung der Struktur der politischen Ordnung: anstelle von der Regierung oder der gesetzgeben-den Gewalt allein Ergebnisse hervorzubringen entstehen Produkte öffentlicher und privater Organisationen im prozesshaften Austausch. Einzelne Politikfelder unterlie-

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 28

gen damit unterschiedlichen Herrschafts- und Beteiligungsansprüchen und somit dif-ferenzierteren kollektiven Aktivitäten.1 Wenn bislang der Begriff Netzwerk noch nicht definiert wurde, dann soll dies an die-ser Stelle mit einer vorläufigen Arbeitsdefinition geschehen, wobei aber daran zu er-innern ist, dass der Netzwerkbegriff äußerst vielschichtig und seine Implikationen sehr heterogen sind. Folgen wir einer ökonomisch orientierten Darstellung, dann sind Netzwerke „Formen Organisations- übergreifender Zusammenarbeit…einer größeren Anzahl interagierender Organisationen“, die kooperativ, formalisiert und stabil ar-beitsteilig kooperieren, wobei die Selbständigkeit der einzelnen Organisation nicht aufgegeben wird.2 In der Regel gilt für Netzwerkmitgliedschaften das Primat der Freiwilligkeit, d.h., die zu einer kooperativen Leistungserbringung sich zusammen-schließenden Akteure wählen von sich heraus eine Netzwerklösung. Im Zusammenhang zwischen Politiksteuerung und Netzwerkstrategien spielt neben dem effektiveren und effizienteren Ressourceneinsatz und einer optimierten Know-how Verwertung der Ansatz der regionalisierten Politiksteuerung „von unten“ eine entscheidende Rolle. Das heißt, mit dem Eingestehen des Staates, sozial-, wirt-schafts- und bildungspolitische Problemstellungen etwa nicht allein zentralstaatlich lösen zu können, ging einher das Politikkonzept der „Regionalen Modernisierungspo-litik“3. Hierbei geht es in groben Zügen darum, regionale und lokale Entscheidungs-strukturen jenseits zentralstaatlicher Planung zu etablieren und für die sozialverträg-liche Bewältigung des tief greifenden Strukturwandels auf endogene Lösungen zu setzen. Das Auflösen der zentralstaatlichen Logik fokussiert dabei nicht nur auf poli-tische Entscheidungen sondern vielmehr auf eine verstärkte Eigenregie sachver-ständiger Akteure vor Ort bei der Ausgestaltung von Politikfeldern. Dass sich die Europäische Union an diese Tradition der Regionalisierung und der Lokalisierung anschließt, kann dem EU-Memorandum zum lebenslangen Lernen aus dem Jahre 2000 entnommen werden: „Regionale und lokale Entscheidungsstrukturen haben in jüngster Zeit an Einfluss gewonnen, bedingt durch den erhöhten Bedarf an Entscheidungsfindung und Dienst-leistungsangeboten „vor Ort“. Bildung und Berufsbildung sind Politikbereiche, in de-nen dieser Trend zu spüren ist: die meisten Menschen, von der Kindheit bis ins hö-here Alter, lernen lokal.“4 Halten wir also fest, dass Netzwerkstrategien in der Regel lokale und regionale Be-zugspunkte haben und betrachten wir die Aufgaben, die in Netzwerken oder in netzwerkartigen Organisationen offensichtlich besser gelöst werden können, als durch Einzelorganisationen, dann ergibt sich kursorisch das Nachfolgende:

1 Vgl. Mayntz, Renate (1992): Modernisierung und die Logik von interorganisatorischen Netzwerken. In: Journal für Sozialforschung 32. Jg., H. 1, S. 19-32. 2 Vgl. Staber, Udo (2006): Netzwerke. In: Handelsblatt Wirtschaftslexikon, Bd. 8. Stuttgart, S. 4057-4064. Insbes. S. 4057. 3 Vgl. dazu die Beiträge in Bullinger, Udo/Heinze, Rolf G. (Hrsg.) (1997): Regionale Modernisierungs-politik. Nationale und internationale Perspektiven. Opladen. 4 Europäische Kommission (2000): Memorandum über lebenslanges Lernen. Arbeitspapier der Kom-missionsdienststellen. SEK (2000) 1832 vom 30.10. 2000. Brüssel.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 29

- Netzwerke können Probleme, die in die Zuständigkeit mehrerer Institutionen oder Verwaltungen fallen, besser lösen, da durch eine vernetzte Bearbeitung Schnittstellen reduziert und die Effizienz erhöht werden

- Netzwerke erledigen Probleme und Aufgaben, für deren Bearbeitung keine In-stitutionen zuständig sind bzw. welche nur unzureichend von einem Bestand an zuständigen Institutionen/Organisationen abgedeckt werden

- Netzwerke sind geeignet für Probleme, die eine schnelle und effiziente Lösung erfordern, denn Netzwerke können durch die Synergieschöpfung Leistungen zusammenlegen und Anforderungen interorganisational kooperativ bzw. koor-diniert abarbeiten.

- Netzwerke können vor allem mit regionalem Zuschnitt besonders kunden-freundliche/adressatengerechte Lösungen wegen ihrer regionalen Eingebun-denheit und ihres entsprechenden regionalen bzw. lokalen Expertenwissens erarbeiten.

Für das Funktionieren von Netzwerken gibt es ein Set an Regeln und Voraussetzun-gen, an die das Ausschöpfen der Leistungsvorteile gebunden ist. Dazu gehören:

- Eine Analyse des Problems unter der Fragestellung der „erhöhten Wertschöp-fung“ durch eine Netzwerkorganisation

- Die genaue Feststellung des Kooperationsbedarfes und der insgesamt mögli-chen Kooperationsvorteile

- Die Definition von Erfolgskriterien und langfristiger Ziele - Die Suche und Wahl sowie die erfolgreiche Einbindung geeigneter Partner - Vereinbarung von Regeln und Strukturvorgaben für das Netzwerk - Klärung von Werten, Interessen und Zielen des Netzwerkes und Abstimmung

mit den Binnengegebenheiten der einzelnen Netzwerkpartner - Klärung der systematischen Zusammenhänge des Problems und Eruierung

der Wertbeiträge einzelner Partner für spezifische Aufgaben - Festlegung der Kommunikations- und Leitungsprozesse.

Fassen wir zusammen: Wenn an Netzwerke Hoffnungen für eine optimierte Bearbei-tung gesellschaftlicher Probleme gebunden wird, und wenn, wie auch nur kursorisch gestreift, an das Funktionieren von Netzwerken spezifische Bedingungen geknüpft werden, dann ist es ertragreich, danach zu suchen, ob und in wie fern Netzwerke als Organisationsform für die Aufgabenstellungen der regionalisierten Bildungsgestal-tung besonders geeignet sind.

- Von regionalen Netzwerken erhofft man sich besonders eine erhöhte Innova-tionskraft für die Bewältigung der Aufgabenstellungen.

- Diese Innovationskraft ist u. a. deswegen erhöht, weil das Wissen und die Kompetenzen der eingebundenen Akteure mit ihren je spezifischen Kompe-tenz- und Ressourcenvorteilen zusammengelegt werden können/müssen.

- Durch das mit dem Netzwerkzusammenschluss gemeinsam gebildete „soziale Kapital“ entstehen ein Beziehungsgeflecht und eine Verbindungsfähigkeit mit anderen, externen Handlungspartnern, die über die Bindungsmöglichkeiten einzelner Akteure weit hinausreichen.

- Netzwerke, sind sie offen angelegt und somit auch „Innovationsoffen“ verspre-chen Wertzuwächse/Leistungsvorteile, die am Konzept der „Open Invention“

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 30

angelegt sind, d.h. Netzwerke vergrößern aufgrund ihrer Zusammensetzung und ihren Kooperationsfähigkeiten permanent ihre Innovationskraft.

- Netzwerke sind so ein Konstrukt für die permanente Selbstentwicklung von Akteuren, die sich in einem gemeinsamen Feld der Problembearbeitung be-finden – Netzwerke, ich hatte das eingangs gezeigt, sind nicht umsonst im eu-ropäischen Förderkontext als „Entwicklungspartnerschaften“ gekennzeichnet.

Literatur: Bullinger, Udo/Heinze, Rolf G. (Hrsg.) (1997): Regionale Modernisierungspolitik. Na-tionale und inter- nationale Perspektiven. Opladen. Europäische Kommission (2000): Memorandum über lebenslanges Lernen. Arbeits-papier der Kommissionsdienststellen. SEK (2000) 1832 vom 30.10. 2000. Brüssel. Mayntz, Renate (1992): Modernisierung und die Logik von interorganisatorischen Netzwerken. In: Journal für Sozialforschung 32. Jg., H. 1, S. 19-32. Staber, Udo (2006): Netzwerke. In: Handelsblatt Wirtschaftslexikon, Bd. 8. Stuttgart, S. 4057-4064. Wilbers, Karl (2004): Soziale Netzwerke an Berufsbildenden Schulen. Analyse, Po-tenziale, Gestaltungsansätze. Paderborn. Zöpel, Christoph (1991): Staatliche Verantwortung und Zukunftsgestaltung durch Netzwerke. In: Burmeister, Klaus (Hrsg.): Netzwerke: Vernetzung und Zukunftsges-taltung. Dokumentation des Symposiums am 09.12. 1989 in Berlin.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 31

Modelle für integrierte Bildungsdienstleister in Hessen Dr. Wilfried Kruse Ich bin gebeten worden, für die gemeinsame Tagung von „SVplus“ und „HESSENCAMPUS“ im Dezember 2007 in Weilburg einige Hinweise auf die Entwicklung der regionalen Initiativen unter dem Gesichtspunkt „Integrierter Dienstleister“ zu geben. Dem will ich gerne nachkommen, allerdings zwei Vorbemerkungen machen. Die eine bezieht sich auf meine formale Rolle: Gemeinsam mit meinen Kollegen von der sfs berate und begleite ich wissenschaftlich die Entwicklungspartnerschaft HC im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums. Diese Rolle erfordert, zu den tatsächlichen und pragmatischen Abläufen ein produktives Spannungsverhältnis aufrecht zu erhalten. Zweitens: Bei der Entwicklungspartnerschaft Hessencampus handelt es sich um einen innovativen und erstaunlich offenen, wenn man so will experimentellen, Prozess. Es ist also eine Art lernendes Projekt, mit Erfolgen, Perspektiven, Irrtümern, Korrekturen, Umwegen, Präzisierungen.

Hier sind wir als Berater eingeschlossen.

Einleitung

In den Ergänzungen 2008 zur Entwicklungspartnerschaft Hessencampus, die als die Verabredung zwischen dem Land Hessen und den regionalen Initiativen für die Arbeit im Jahr 2008 verstanden werden muss, heißt es zusammenfassend zum erreichten Stand: „Mit der Gründung und der Arbeit der Entwicklungspartnerschaft Zentren Lebensbegleitendes Lernen – HESSENCAMPUS (HC) – haben die Bildungsakteure aus den Startorganisationen Berufliche Schulen, Schulen für Erwachsene, Volkshochschulen und weitere Weiterbildungseinrichtungen, u. a. des Handwerks- und die politischen Verantwortlichen in den Kommunen und das Land einen neuen Entwicklungspfad für das Lebensbegleitende Lernen von Erwachsenen eröffnet. Die HC-Initiativen haben sich auf diesem Weg in den Regionen verankert und belastbare, d. h. umsetzbare Konzepte vorgelegt. Sie haben dabei die politische und materielle Unterstützung des Landtags sowie von Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen – auch des Landkreistags und des Städtetags – gefunden. Die Landesregierung setzt ihre politische und finanzielle Unterstützung für 2008 fort.“ Im Folgenden sollen zu Stand, Perspektiven und den mit der Initiative verbundenen Verständnissen und offenen Fragen einige Hinweise gegeben werden. Dabei wird insbesondere jener „integrative Ansatz“ zu beleuchten sein, der eine Reihe von Missverständnissen und Kontroversen ausgelöst hat. Die vorangehend zitierte Passage unterstreicht allerdings bereits, in welchem Kontext dieser Ansatz bearbeitet wird, nämlich in der für Reformvorhaben im Bildungsbereich bisher unüblichen Form einer Entwicklungspartnerschaft zwischen dem Hessischen Kultusministerium und einer Reihe von hessischen Regionen, deren politisch Verantwortliche die Gemeinsame Erklärung zur Entwicklungspartnerschaft unterzeichnet haben.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 32

Dies markiert den Willen zu einer gemeinsamen Bildungsverantwortung für das Lernen von Erwachsenen zwischen Land und Regionen, also Städten und Kreisen und damit ein wesentlich erhöhtes Gewicht der regionalen Gestaltungsebene von Bildung (Stichwort: Regionale Bildungslandschaften). Die auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit basierende Vereinbarung zur Entwicklungspartnerschaft schließt damit ein, dass es Übereinstimmung in den grundlegenden Zielen gibt. Dies wird in der ergänzenden Vereinbarung für 2008 noch einmal bekräftigt, wenn es dort heißt: der „Aufbau von regionalen Zentren des HESSENCAMPUS ist ein mehrjähriger Prozess und erfolgt in Stufen. Der übergreifende Rahmen der gewollten Entwicklung wird durch die von den Partnern gezeichnete Erklärung zur Entwicklungs-partnerschaft, die weiterhin Gültigkeit hat, abgesteckt. Alle Partner entscheiden auf dieser Grundlage gemeinsam über die nächsten Ziele und Schritte.“ Die Erklärung zur Entwicklungspartnerschaft in der textlichen Fassung vom 21.12.2006, deren Weitergeltung ausdrücklich bekräftigt wird, enthält nun hinsichtlich der institutionellen Fassung der künftigen Zentren jene programmatische Formulie-rung, die in der Folge oft Gegenstand von Debatten geworden ist, nämlich: „Ein ZLL ist in der höchsten Entwicklungsstufe ein betriebsförmig organisierter und integrierter Bildungsdienstleister.“ Die weiteren Erläuterungen zeigen aber, dass diese Formulie-rung in allgemeiner Weise auf das gewünschte Leistungsprofil der Zentren zielt und nicht schon ihre künftige Organisationswirklichkeit vordefiniert. Im folgenden Satz heißt es nämlich: „Es geht über ein reines Netzwerk oder einen Kooperationsverbund hinaus: Die bestehenden, separierenden Strukturen sollen überwunden werden. Ko-operation und Arbeitsteilung zwischen den bestehenden Einrichtungen, vor allem bei gemeinsamen und neuen Aufgaben, sowie die Bildung gemeinsamer Arbeitsstruktu-ren sind ein erster Entwicklungsschritt.“ Die Zentren sollen mehr sein als Netzwerke und Kooperationsverbünde. Insbesonde-re zwischen denjenigen Starteinrichtungen, die einem öffentlichen Bildungsauftrag nachkommen, soll eine Integrationstiefe erreicht werden, die ein wirksames Zusam-menwirken ihrer unterschiedlichen Kompetenzen zugunsten der Nutzerinnen und Nutzer ermöglicht. Die im Zentrum der Gemeinsamen Erklärung stehende NutzerIn-nen–Perspektive, also der Bezug auf die Bildungsbedarfe und -bedürfnisse der Bür-gerinnen und Bürger wird durch die Charakterisierung der Zentren als „Bildungs-dienstleister“ ausgedrückt, nicht aber eine wie auch immer geartete Privatisierungs-perspektive. Im Gegenteil folgt die gesamte Initiative als Partnerschaft zwischen Land und Regionen dem Erfordernis, die öffentliche Verantwortung für Lebensbeglei-tendes Lernen im Bereich der Erwachsenen zu stärken. Aus einer ganzen Reihe von Gründen, die auf der Hand liegen, muss die Ausweitung und Verbesserung der Bil-dung für Erwachsene mit einem rationellen Ressourceneinsatz einhergehen. Dies wurde in der Gemeinsamen Erklärung vorläufig und schlagwortartig mit der Formulie-rung „betriebsformig organisiert“ ausgedrückt. Dies impliziert jedoch nicht, dass die in den Zentren verlaufenden Bildungsprozesse privatwirtschaftlichen Kriterien unterwor-fen werden. In keiner Weise ist die Formulierung „Integrierter Bildungsdienstleister“ als eine An-kündigung zu verstehen. Die beteiligten Starteinrichtungen hätten zugunsten der Zentren ihre Eigenheiten und Identitäten aufzugeben; ganz im Gegenteil sind - wenn sich die Einrichtungen zugleich für Prozesse der qualitativen Weiterentwicklung des eigenen Profils und für Anschlussfähigkeit zu den jeweils anderen öffnen – die jewei-ligen gediegenen Kompetenzen nicht Hemmnis, sondern Voraussetzung erfolgrei-cher Integration.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 33

Dass diese Positionsbestimmungen insofern vorläufig sind, als sie in einen gemeinsamen Such- und Arbeitsprozess eingefasst sind, wird nicht nur daran deutlich, dass es während des gesamten Jahres 2007 eine nicht abreißende Debatte zu zentralen Aspekten der Initiative gegeben hat. Dies wird bereits im Text der Gemeinsamen Erklärung formuliert, wo es an anderer Stelle heißt, es müsse geklärt werden, „welche Strukturen für die Funktionsfähigkeit eines ZLL erforderlich sind, insbesondere für eine handlungsfähige Leitung, interne und externe Kooperation, die aktive Teilnahme der Beschäftigten und eine stabile Organisation des gesamten Zentrums bei hoher Eigenständigkeit der Bildungseinheiten und ggf. unterschiedlichen Standorten.“ Rolle der Zentren HC in der Regionalen Bildungslandschaft

Es muss von vornherein unterstrichen werden: Auch vom Zeitpunkt an, wenn die Zent-ren etabliert sein werden und ihre Arbeit aufgenommen haben, werden sie weder Mo-nopolisten für das Lernen von Erwachsenen in der Region sein können noch sein wol-len. Die Zentren werden auch, wenn sie ausgebaut sein werden, niemals Alleskönner sein.

Denn es wäre ein ganz unsinniges Entwicklungskonzept, im Zentrum etwas nachzuah-men, was andere besser können und wo andere schon langjährige Erfahrungen und gut aufgebaute Kompetenzen haben. Da die Zentren antreten, um die vorhandenen Res-sourcen durch Bündelung für die Endnutzerinnen und Endnutzer, also die Bürgerinnen und Bürger der Region, fruchtbarer zu machen, wäre es auch unter diesem Gesichts-punkt unsinnig, etwas zu kopieren, was andere besser können.

Der Nutzen für die Lernenden muss der Maßstab für jede Gestaltungsentscheidung sein. Von hier aus ergibt sich, dass die Zentren Partner in der Region brauchen, wie auch umgekehrt, dass die „alteingesessenen“ Bildungsanbieter die Zentren gut gebrau-chen können, um ihre eigenen Kompetenzen durch Kooperation zu potenzieren. Zent-ren und regionale Netzwerke schließen sich also nicht aus, sondern können einander sinnvoll ergänzen, aber nur dann, wenn sie sich „auf gleicher Augenhöhe“ begegnen. Freie Träger und die Bildungswirtschaft sind in diesem Zusammenhang ausdrücklich zu nennen.

Anders gesagt: Auch wenn die bisherigen acht hessischen Zentrumsinitiativen ganz unterschiedlich breite Partnerschaften aufweisen, sind die Zentren keineswegs angetre-ten, alles in der Region „zu schlucken“.

Was im Moment geschieht, ist, dass öffentliche Bildungsanbieter unterschiedlicher Her-kunft – in der Regel Berufliche Schulen, Schulen für Erwachsene und Volkshochschulen – ihre „Hausaufgaben“ machen und ihre Angebote und Ressourcen neu bündeln und reorientieren, um sich zu Integrierten Bildungsdienstleistern zu entwickeln, und dies mit dem Ziel, für die lernenden Erwachsenen in der Region leistungsfähiger zu sein.

Zwischen den Zentren und den anderen Bildungsanbietern vor Ort bzw. den Bildungs-netzwerken wird es also darum gehen, dass sie „auf gleicher Augenhöhe“ Arbeitsteilung und Kooperation aushandeln und vereinbaren. Eine solche Neuorientierung im Bereich des Erwachsenenlernens in der Region wird ein Impuls für die Stärkung der Bildungs-

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 34

beteiligung sein – was dringend geboten ist. Es wird also vermutlich und hoffentlich um Arbeitsteilung und Kooperation bei wachsender Nachfrage nach Bildung gehen.

Die Klärung der Rolle der Zentren in ihren Regionen gehörte zu den zentralen Aufga-ben, die den Initiativen im Jahr 2007 aufgegeben waren. Denn in 2007 ging es noch nicht um die Gründung von Zentren, sondern um die Klärung der Voraussetzungen für den Einstieg in eine Gründungsperspektive.

Als Ziel war in der gemeinsam unterschriebenen Erklärung zur Entwicklungs-partnerschaft die „Vorlage belastbarer Zentrumsmodelle“ definiert worden – nicht mehr und nicht weniger. Dies sollte in drei Dimensionen von Integration erfolgen, in der pä-dagogischen, der organisatorischen und der regionalen. Die Zentren waren also aufge-rufen, mit den anderen Bildungsanbietern vor Ort und mit den weiteren zentralen Akteu-ren der regionalen Bildungslandschaft in Kontakt zu treten und den Dialog zu suchen. Stand

Welchen Stand haben die Initiativen gegen Ende 2007 erreicht, insbesondere hin-sichtlich ihrer Ansätze zur „Integration“? Ein kurzer und kursorischer Durchgang durch die Konzepte der Initiativen zeigt zweierlei, die hohe Übereinstimmungen in grundlegenden, auf die künftige Bildung für Erwachsene bezogenen Positionen und die erhebliche Varianz in der Art und Weise, wie dies regional umgesetzt werden soll. In vielerlei Hinsicht erstaunlich – bei aller Unterschiedlichkeit auch in der Intensität der Beteiligung „vor Ort“, der Schwierigkeiten und Widerstände, die sich der Arbeit entgegen stellten, etc. – ist doch, wie insgesamt energisch und produktiv der Impuls HC in den Regionen aufgegriffen und vorangebracht worden ist. Offenbar traf er in den beteiligten Regionen zumeist auf ein Klima der Bereitschaft und des Interesses an einer weiteren qualitativen Ausgestaltung regionaler Bildungslandschaften und auf Personen, die sich über das normale Maß hinaus zu engagieren bereit waren. Der Stand der Arbeiten „vor Ort“ kann in den drei Dimensionen resümiert werden, in denen im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft die „Integrationsfrage“ bearbeitet wird, nämlich pädagogisch, organisatorisch und regional. Hervorzuheben ist, dass sich die Initiativen schon hinsichtlich der Zusammensetzung der Startpartnerschaft unterscheiden. Neben jenen, die mit einer Kerngruppe, die sich eng an den drei Grundkomponenten öffentlich verantworteter Bildung (Berufliche Schulen, Schulen für Erwachsene und Volkshochschulen) anschloss, starteten, gibt es auch Initiativen, die in ihre Startkonstellation eine Vielzahl von regionalen Bildungsanbietern aufge-nommen haben. Dementsprechend variieren auch die Steuerungsgruppen, die es mit unterschiedli-cher Bezeichnung überall gibt. Konferenzen, Beiräte, Begleitgruppen u. ä. sichern Information und Beteiligung auf einer breiteren Ebene ab. Auf Dauer wird sich ver-mutlich aber überall eine Unterscheidung zwischen denjenigen Partnern, die das HC-Zentrum im engeren Sinne bilden und einem Netzwerk regionaler Kooperation her-ausschälen. Regionalkonferenzen wurden überall in der 2. Jahreshälfte durchgeführt, um die Öffentlichkeit zu informieren, weitere Partner und Interessenten zu gewinnen und um das gewachsene Interesse der regionalen Politik an der Gestaltung der je-weiligen Bildungslandschaften zu demonstrieren.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 35

Fragen der pädagogischen Kooperation und von pädagogischen Integrationsansät-zen nahmen im 1. Jahr einen besonders großen Raum ein, denn es bestand und besteht Einigkeit darüber, dass von einem Primat der Pädagogik bei der Entwicklung von Hessencampus in dem Sinne auszugehen sei, als die zentralen Orientierungen an erwachsener Lernerpersönlichkeit, Lernbiografie, an Lebensweltnähe und Le-bensgestaltungsfähigkeit vorrangig gegenüber organisatorischen Lösungen sind: die letzteren sollen den pädagogischen Konzepten funktional folgen und nicht umge-kehrt. Die Frage, wie eigenverantwortliches Lernen zu ermöglichen sei sowie die Ausrich-tung auf die Lebensgestaltungskompetenz stellen von daher in den vorliegenden Konzepten einen Schwerpunkt dar. Bildungsberatung, Selbstlernzentren und Über-gangsmanagement sind diejenigen konkreten Gestaltungsfelder, die sich überein-stimmend in einer Reihe von Initiativen finden. Sie korrespondieren mit den gemein-samen pädagogischen Grundorientierungen, zeigen aber zugleich, das zunächst An-sätze im Vordergrund gestanden haben und stehen, auf die sich die Starteinrichtun-gen als „gemeinsame neue Aktivität“ einigen konnten, die also eine Ergänzungsfunk-tion haben und die Starteinrichtungen als solche zunächst noch weitgehend unbe-rührt lassen (können). Eine neue Lernkultur, neue Lernformen und die veränderte Rolle der Lehrerenden sowie (teil-)selbstgesteuertes Lernen, e-learning und blen-ded-learning haben in den Konzepten als neue Gestaltungsfelder ein erhebliches Gewicht. Die verschiedenen Ansätze, die in den einzelnen Konzepten reflektiert und in eine Umsetzungsperspektive gebracht worden sind, ergänzen sich zu ersten Konturen eines regionalen pädagogischen Profils der Zentren, das gleichwohl mit jenen der anderen Initiativen sowohl in Grundorientierungen als auch in Hinblick auf wichtige Bausteine korrespondiert oder sogar identisch ist (Hessencampus-Profil). So sind pädagogische Leitprojekte entstanden, deren konkrete Ausgestaltung im Zentrum der Arbeiten des Jahres 2008 steht. Das HLL Dreieich nimmt hinsichtlich der organisatorischen Integration gegenwärtig in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung ein, die allerdings als wichtige Integrations-Variante von Hessencampus betrachtet wird und deswegen eine hohe Aufmerksam-keit findet. Das HLL Dreieich wird sowohl räumlich in einem neu gebauten Campus-Komplex als auch institutionell einen hohen Integrationsgrad aufweisen. Dies stellt die Initiative vor erhebliche Herausforderungen, zumal der Campus-Bau im Jahr 2008 fertig gestellt wird, Abendgymasium, Kreisvolkshochschule und weitere Einrich-tungen zur bereits ansässigen Beruflichen Schule (Max-Eyth-Schule) hinzuziehen werden und der Anspruch besteht, ab Anfang 2009 als „integrierter Bildungs-dienstleister“ zu arbeiten. Die interne Arbeitsteilung und -kooperation, Leitungsfra-gen, die Gestaltung einer neuen Lernkultur, die sich auch räumlich konkretisieren, müssen dort also unter hohem Zeitdruck entwickelt werden. Zugleich muss eine vor-läufige Rechtsform gefunden werden, die auf der Basis gemeinsamer Bildungsver-antwortung zwischen Land und Kreis eine gedeihliche Steuerung des Projekts er-möglicht. Auch an anderen Orten wird über den Aufbau oder die systematische Nutzung räum-licher Nähe und gemeinsamer Gebäudenutzung nachgedacht bzw. auch konkret ge-plant. Dies ist aber nicht zwingend. Andere Initiativen entwickeln integrative Konzep-te, die von einer räumlichen Dezentralisierung des Zentrums ausgehen oder es so-

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 36

gar – unter den Bedingungen des ländlichen Raumes – für notwendig erachten. Die-se Variationen sind keine Abweichung vom HC-Konzept, sondern die regionale Vari-ationsbreite charakterisiert geradezu einen Ansatz, der die Entfaltung regionaler Bil-dungslandschaften fördern will. Zur gemeinsamen Bildungsverantwortung zwischen Land und Regionen gehört auch Kofinanzierung. Tatsächlich investiert die Mehrzahl der beteiligten Städte und Kreise – zum Teil erheblich – in das jeweilige regionale Projekt. Ansätze organisatorischer Lösungen, die über Netzwerke hinausgehen, finden sich allerdings in allen regionalen Initiativen. Dies variiert von Geschäftsstellen über Mit-gliederversammlungen, die einen Geschäftsführenden Vorstand wählen, satzungs-mäßigen Grundlagen gleichberechtigter Teilnahme an Steuerungsgruppen, Satzun-gen und Geschäftsordnungen, Projekt- und Arbeitsgruppen, Projektbüros und die Unterstützung durch Beratungseinrichtungen. Diese Vielzahl von Ansätzen folgt nicht nur aus der Unterschiedlichkeit der regionalen Verhältnisse und den jeweils speziel-len Partnerkonstellationen, sondern drückt auch aus, dass es landesseitig für die in-stitutionelle Fassung von HC noch keine belastbaren Vorschläge gibt. Außerdem ver-fügt der wichtige Partner „Berufsschule“ noch nicht über jene rechtliche Autonomie, die ihn zu den erforderlichen Entscheidungen ermächtigt. Es bleibt also festzuhalten: Alle Initiativen projektieren und erproben wesentlich verbindlichere Leitungs- und Steuerungsfunktionen sowie Arbeitsformen, die Kontinuität und Effektivität sichern (sollen). Eine breite Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen an der Entwicklung der HC-Zentren ist unverzichtbar, nicht nur aus Gründen der bestehen-den Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, sondern auch und vor allem, weil die pädagogische und fachliche Kompetenz und das Engagement der Beschäftigten ge-fragt ist. Im Grunde handelt es sich hierbei um das wichtigste Potenzial für zukunfts-fähige Bildung. Zugleich birgt es aber auch das Risiko für das Stocken und Versan-den der Reform, wenn die Beschäftigten nicht gewonnen werden können. Schlüssel-frage hierbei ist, dass pädagogische Innovation gute und befriedigende Arbeitsbe-dingungen und -verhältnisse zur Voraussetzung hat. Pädagogische Innovation kann unter vernünftigen Rahmen- und Gestaltungsbedingungen aber auch erheblich zu einer befriedigenderen Arbeitssituation der PädagogInnen und von allen anderen Beschäftigten in den HCs beitragen. Hierfür zu konsensuellen Grundlagen zu kom-men, ist eine der zentralen Herausforderungen für das Jahr 2008.

Regionalisierung - mehr als die Nähe zu den Nutzern

Ein zentrales Stichwort im Zusammenhang mit der Zukunft von Bildung unter der Über-schrift des Lebenslangen oder Lebensbegleitenden Lernens ist also „Regionalisierung“. Eine besondere Akzentuierung erfährt diese Debatte in Hessen eben durch die Initiative der Zentren HESSENCAMPUS. Ein Regional-/ Lokalbezug von Bildung ist nun an sich nichts Neues, zumal nicht in dem hier versammelten Kreis.

Die Volkshochschulen z. B. haben eine explizite Tradition von Lokalbezügen. Die diver-sen Projekte aus dem Programm Lernende Regionen stehen ebenfalls in diesem Kon-text. Gerade die Projekte der Lernenden Regionen geben aber wichtige Hinweise, wor-um es in der neuen Regionalisierungsdebatte geht oder gehen könnte. Auf der einen Seite bedeutet Regionalisierung, Bildungsangebote lebensweltnah zu platzieren, also

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so nahe an die – potenziellen – Bildungsnachfrager heran zu rücken, dass jene Zu-gangsbarrieren, die mit räumlicher Entfernung und verkehrsmäßiger Anbindung zu tun haben, kaum noch eine Rolle spielen.

Aber es geht natürlich nicht nur um den physischen Standort, sondern es geht um eine aktive und aktivierende Öffnung zu den – tatsächlichen und vor allem: potenziellen – Nachfragerinnen und Nachfragern nach Bildung. Regionalisierung von Bildung ist in diesem Sinne auch als ein erneuter Versuch zu verstehen, Bildungsbereitschaft auch bei „bildungsfernen“ Gruppen wirksam zu erhöhen.

Auf der anderen Seite bedeutet „Regionalisierung“, dass der regionale Bezug nicht nur in Hinblick auf die Erreichbarkeit und Mobilisierbarkeit der Nachfragerinnen und Nach-frager (in mancher Redeweise heißen diese heute „Kunden“) verstanden wird, sondern auch in Hinblick auf die Bedeutung von Bildung als ein regionaler Standort- und Regio-nalentwicklungsfaktor.

Die regionalen Bildungslandschaften und ihre Zukunft sind also zugleich im Horizont der regionalen Entwicklung von Wirtschaftskraft, ökologischen Fragen, sozialem Zusam-menhalt und wachsender Arbeits- und Lebensqualität zu betrachten und hierin einzu-ordnen (Stichwort: „regionale Bildungsbedarfe“). Netzwerkarbeit wäre demnach auch weiter zu fassen und müsste z. B. Kultur- und Jugendzentren, Migrantenselbstorganisa-tionen usw. einbeziehen. Gerade im ländlichen Raum könnte eine solche Initiative bele-bend wirken.

Entscheidend aber ist: Das Verhältnis zwischen Bildung und Region muss sich weiter in Richtung auf eine klare wechselseitige Verantwortungsübernahme entwickeln. Die „Re-gion“ also würde sich für die Entwicklung ihrer Bildung als eine zentrale Dimension von regionaler Zukunft mehr interessieren, als dies meist in der Vergangenheit der Fall war. Aber auch die Bildungsanbieter – insbesondere auch die schulischen – müssten sich zur Region hin öffnen und sich als mitverantwortlich, nicht nur für die Zukunft der ihr anvertrauten Lernenden, sondern auch der Region fühlen.

Diese neue wechselseitige Verantwortungsbeziehung wird in Zukunft auch einen institu-tionellen Ausdruck finden müssen, also z. B. durch Bildungskommissionen, die beim Landrat oder Oberbürgermeister angesiedelt sein könnten, durch Beiräte, eine regel-mäßige Bildungsberichterstattung, die Grundlage für politische Beschlüsse bieten kann, durch Bildungsförderung und Wirtschaftsförderung „auf gleicher Augenhöhe“ usw. Auch in dieser Hinsicht muss „das Rad nicht neu erfunden“ werden, aber es bedarf gerade unter der Prämisse, dass die Zentren als potente neue „Spieler“ in der Region auftreten, eines neuen und breiten regional-politischen Commitments.

Ein Zentrum HESSENCAMPUS kann also das Bildungsprofil einer Region wesentlich erweitern und hinsichtlich der Qualität akzentuieren und es kann darüber hinaus zu ei-nem bedeutenden Element jener weichen Standortfaktoren werden, die für die Lebens-qualität und damit für die Frage, ob Menschen in die Region kommen oder aus ihr flie-hen, ob sie zufrieden sind oder nicht, von großer Bedeutung ist. Bildungsinfrastruktur wird künftig immer stärker über die Lebens- und Standortqualität von Regionen mitent-scheiden.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 38

Land - Regionen

Auch dann, wenn die Regionen – politisch als kommunale Gebietskörperschaften gefasst – verstärkt Bildungsverantwortung übernehmen (wollen), bleiben die allge-meinbildenden und berufsbildenden Schulen in der Verantwortung des Landes. Das Land müsste angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sogar eine auf das Lebensbegleitende Lernen bezogene erweiterte Verantwortung für Bildung über-nehmen. Konventionell werden hier die Zuständigkeiten strikt getrennt gedacht. Sie teilen sich in ein innere (das Programm, d. h. den Auftrag, die Inhalte, die Pädagogik und das pädagogische Personal betreffende) und äußere Schulträgerschaft. Für das erstere ist das Land, für das zweite sind Stadt oder Kreis als Schulträger zuständig. Bei der Volkshochschule ist die Sachlage insofern anders, als diese komplett in der Zustän-digkeit von Stadt oder Kreis liegt, aber aufgrund des Gesetzes zur Weiterbildung und zum Lebensbegleitenden Lernen des Landes Hessen Landessubventionen erhält, wenn sie die gesetzlich definierte Grundversorgung sicher stellt. An die jeweilige Zu-ständigkeit sind auch die jeweiligen Kostenübernahmeverantwortungen gebunden. Die Weiterbildungseinrichtungen haben übrigens nach dem HWBG auch das Recht auf selbstständige Lehrplangestaltung. Die Kommunen können sich aber – perspektivisch – nicht auf die Aufgaben der äu-ßeren Schulträgerschaft beschränken, sondern sie müssen sich zunehmend dafür interessieren, was im Inneren der Gebäude, für die sie bisher gesorgt haben, pas-siert, weil dies eben – wie gesagt – regionale Lebens- und Standortqualität immer stärker beeinflusst. Umgekehrt wissen wir, dass die Qualität der räumlichen Ausstat-tung und der Umgang, der mit dieser gepflegt wird, selbst ein wichtiger Faktor ist, der die pädagogischen Prozesse positiv oder negativ zu beeinflussen vermag. Daraus folgt: Die alten Grenzen zwischen äußerer und innerer Schulträgerschaft so-wie der derzeitige Investitionsumfang des Landes in Lebensbegleitendes Lernen für Erwachsene sind nicht mehr zeitgemäß und müssen neu bestimmt werden. Hierzu müssen sowohl vorläufige rechtliche Konstruktionen vereinbart werden, wie z. B. ei-nen Trägerverbund Kreis-Land, als auch Ansätze für ein verständiges Ko-Investment gefunden werden. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich pädagogi-scher Innovationen.

Zugänglich und differenziert - eine Frage der Integrationstiefe

Lernen im Erwachsenenalter wird für alle immer wichtiger. Es muss aber auch att-raktiv und leicht zugänglich sein. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass sich der Bildungsbedarf nach Themen, Niveaus, aber auch nach den Randbedingungen, wie z. B. den für Weiterlernen zur Verfügung stehenden Tages- und Wochenzeiten oder den individuellen Lernbedürfnissen, immer weiter ausdifferenziert.

Ein HESSENCAMPUS ist dann attraktiv, wenn er für ganz unterschiedliche Lerne-rinnen – und Lernergruppen und ganz verschieden ausgeprägte Lernbedürfnisse eine breite Palette an Lernoptionen zur Verfügung stellt. Hinweis: Solche Differen-zierungsmöglichkeiten bis hin zu maßgeschneiderten Bildungsgängen sind nur dann

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 39

denkbar, wenn die HCs eine kritische Größe und auch eine kritische Mindestqualität der Integration überschritten haben, weil sonst die ausreichenden Ressourcen für Differenzierung fehlen! Ein HC-Zentrum der Zukunft ist also nahezu immer im Be-trieb und hat mit „Schule“ und Beschulung im traditionellen Sinne nur noch wenig zu tun.

In den vergangenen Monaten ist der HESSENCAMPUS-Ansatz oftmals verengt nur und ausschließlich als Ansatz zur Verbesserung der beruflichen Perspektiven und der Lebensbewältigung für Menschen diskutiert worden, die wir oftmals „bildungs-fern“ nennen. Dies ist eine Akzentuierung, die sich aus aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen ebenso ergibt wie aus der Situation in einer Reihe der beteiligten Re-gionen. Dies ist aber eine Verkürzung. Die HESSENCAMPUS-Vision lebt davon, dass es sich potenziell um Zentren für alle Bürgerinnen und Bürger handelt, die im Erwachsenenalter weiterlernen wollen. Nun können die HCs niemals Alleskönner sein. In vielen Fällen werden sie nur Durchlaufstation sein für Re-Orientierung, Auf-frischung und Beratung, z. B. in Richtung Hochschulen und Fachhochschulen des Landes.

Aber: Gerade der Umstand, dass die Beruflichen Schulen unverzichtbarer Bestand-teil der HCs sind, gibt ihnen vom Grundsatz her die Möglichkeit, auch in ausgespro-chen anspruchsvollen beruflichen Kompetenzbereichen attraktive Angebote zu ma-chen. Auf diese Weise könnten HCs entsprechend des in ihnen versammelten fach-lichen und pädagogischen Know-hows und unter Bezug auf die regionalen Bedarfe zu Exzellenzzentren werden. Hierzu gibt es z. B. in Wisconsin hervorragende Bei-spiele. Dasselbe, was hier für die Beruflichen Schulen gesagt wird, gilt sinngemäß auch für die anderen Starteinrichtungen und ihren Beitrag zu dem jeweiligen beson-deren Profil eines HC.

Das Besondere an den HC-Zentren ist, dass sie aufgrund ihrer Angebotsbreite und Differenzierung vielen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Bedarfen eine Option bieten und dass sie aufgrund ihrer gelebten pädagogischen Konzeption, die den erwachsenen Lerner ins Zentrum stellt, diese Heterogenität bei denen NutzerInnen nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung gesehen wird.

Es könnte also eine Art regionaler Lernmittelpunkt entstehen, in dem man zu nahezu allen Tageszeiten sehr viele unterschiedliche Menschen trifft, die mit Freude und Engagement ihren Lerninteressen folgen und die im HC in eine Lernwelt eintreten, die geordnet, transparent, immer anregend, aber niemals bevormundend und autori-tär ist. Wo so gern und ohne Angst gelernt wird, wollen viele weitere lernen. HCs werden eine erhebliche Ausstrahlungskraft erreichen können.

Diese Vision ist nur dann realistisch, wenn es wirklich gelingt, die Kompetenzen der beteiligten Startorganisationen und der Kooperationspartner in den darum liegenden Netzwerken zu bündeln und zu einer gemeinsamen strategischen Ressourcennut-zung zu kommen. Dabei wird die Kooperationstiefe, die erreicht werden kann, über die Qualität des Lernens im HC entscheiden.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 40

Ausblick: Auch ein Nutzen für die Lehrenden?

Bisher war vom Nutzen für die Lernenden und für die Region die Rede. Aber hat diese Entwicklung auch Nutzen für die Lehrenden? Oder handelt es sich lediglich um zusätzliche Belastungen, um Gefährdungen erreichter Positionen, um einen Ra-tionalisierungs- und Kostensparprozess zulasten der Pädagogen? Ich denke: Nein! Aber dies wird, wie vieles, was ich als Vision skizziert habe, von den konkreten Ges-taltungsprozessen der nächsten Monate und Jahre abhängig sein.

HC kann pädagogisch einen Qualitätssprung hinsichtlich der Angebote für die er-wachsenen Lernerinnen und Lerner bedeuten. Aber eine hohe fachliche und päda-gogische Qualität ist nur zu erwarten und zu erbringen, wenn die Arbeitsqualität für die Lehrenden stimmt. HCs bieten allen Lehrenden Chancen, auch aus ihren Routi-netätigkeiten herauszutreten und sich neue Felder zu erschließen, neue Kooperatio-nen auszuprobieren, pädagogische Qualitätsprozesse mitzugestalten. Die Sicherung und der Ausbau der guten Arbeitsbedingungen für die Lernenden ist entscheidend für die zukünftige Leistungsfähigkeit der Zentren. In diesem Feld also ist die Beteili-gung der Beschäftigten ebenso unverzichtbar wie faire Aushandlungsprozesse mit ihren Interessenvertretungen.

Dies vorausgesetzt, könnte dann die angestrebte und erwartete positive Verände-rung des Lernklimas und die Aufwertung beruflichen und allgemeinen (Weiter-) Ler-nens in der Region dazu führen, dass Druck, Spannung und Stress, die heute oft-mals das Lehren begleiten oder sogar bestimmen, zu einem freundlichen, interes-sierten, aber gelassenen Miteinander werden. Außerdem ist die Beteiligung an einem vielversprechenden Bildungsprojekt, wie es der HESSENCAMPUS ist, sicherlich für viele Lehrende, die mit ganzem Herzen PädagogInnen sind, eine professionelle Her-ausforderung.

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 41

Erarbeitung der Themenbereiche Qualität, Organisation, Region In gemischten Gruppen werden die Themenbereiche Qualität, Organisation und Re-gion erarbeitet und anschließend im Plenum präsentiert und diskutiert. Qualität - Dimension „Methode“:

� unterschiedliche Lerngruppen � unterschiedliche Altersgruppen � unterschiedliche Bildungsbiografien � => Diagnostik

=> Integrierte Förderkonzepte => individuelle Förderung => besonderer Förderbedarf => Subjektorientierung => Feedback-Lösungen

� Berücksichtigung der „Lebenslage“ von Klienten Will man die regionale Bildungsentwicklung erfolgreich betreiben, müssen umfang-reiche methodische Fähigkeiten bei den Anbietern vorliegen. Diese beziehen sich auf den Umgang mit unterschiedlichen Lern- und Altersgruppen, auf unterschiedliche Bildungsbiographien sowie auf weitere Differenzierungsmerkmale, die bei An-spruchsgruppen vorliegen. Auch hierfür ist im Diagnosebereich, im Bereich der Ent-wicklung und Realisierung von Förderkonzepten, in einer subjektorientierten Lehr-steuerung usf. schulisch entsprechendes Potenzial vorhanden, das teilweise weit über dem Potenzial weiterer Bildungsanbieter liegt. Insofern ist es nur schlüssig, BBS eine herausragende Rolle für die regionale Bildungsentwicklung zuzusprechen. - Dimension „Unterrichtsorganisation“:

� Flexibilisierung in Bezug auf die Lebenslage von Klienten � Kooperation � Modularisierung � Durchlässigkeit

Mit dem veränderten Aufgabenverständnis (umfassender Bildungsdienstleister) er-geben sich neue Anforderungen an die Unterrichtsorganisation. Hier muss auf die Lebenslage der Klienten/Kunden reagiert werden, Unterricht in kooperativen Formen (interne und externe Kooperation) entwickelt, geplant und durchgeführt werden sowie das Ausschöpfen von Modularisierungs-, Sequenzierungs- und Differenzierungsmög-lichkeiten vorangetrieben und etabliert werden. Nicht zuletzt muss durch eine moder-nisierte Unterrichtsorganisation der Forderung nach umfassender Durchlässigkeit (Bildungsgang-übergreifend, Stufen-übergreifend, Einrichtungs-übergreifend) Vor-schub geleistet werden. Auch dafür, so die Meinung der Beteiligten, liegt gerade im Bereich der BBS ein hohes Potenzial vor. - Dimension „Bildungsfinanzierung“:

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 42

� Regelung zwischen öffentlichen und privaten Finanzierungsmodellen � Controlling und Ressourcensteuerung

Im Bereich der Bildungsfinanzierung müssen Regelungen zwischen öffentlicher und privater Finanzierung so gestaltet werden, dass öffentliche wie private Anbieter aus beiden Finanzierungsquellen ihre Leistungen alimentieren können. Ein dafür not-wendiges Controlling sowie Ressourcenmanagement ist aufzubauen, in SVplus sind dazu erste Instrumente (Vollkostenrechnung, Verrechnungsparameter etc.) entstan-den, die praxisnah einsetzbar sind. - Dimension „EU-Bildungspolitik und nationale Bildungspolitik“:

� Verrechnung von Qualifikationen � Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung � Reform des Prüfungswesens � EQR/ NQR � ECTS/ ECVET etc. � Übergänge � EURO-Bildungspass � „Informelles Lernen“ � Zertifizierung

Den regionalen Bildungslandschaften sind intern wie extern diverse Vorgaben und Pflichten auferlegt. Aus der europäischen Dimension wird in absehbarer Zeit die Ver-bindung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung zur Pflicht (auf der System-ebene, was die Angebotsebene einschließt); wird eine Verrechenbarkeit und damit eine in sich geschlossene Systematik von Qualifikationen zu erstellen sein. Daran gekoppelt ist eine Reform des Prüfungswesens: Immer mehr Anbieter werden in der Lage sein müssen, genormte oder wenigstens an Normen orientierte Prüfungen durchzuführen, Ergebnisse zu zertifizieren und Prozesse in Abstimmung mit den An-forderungen des EQR bzw. des NQR zu steuern. Die Vorgaben des ECTS und des ECVET müssen weiterentwickelt und Lehr/Lernleistungen in den Rahmen integriert werden. Auch dafür, aufgrund der Erfahrungen im Umgang mit Curricula sowie auf-grund der Systematisierungspotenziale (Bildungsgangentwicklung, Profilierung von Lehrgängen und Lehrgangssequenzen, Modularisierung, Lernfeldkooperationen etc.) von öffentlichen Schulen (allgemeinbildende wie BBS) sind öffentliche Schulen im Gegensatz zu anderen Bildungsanbietern in der Regel besonders geeignet. - Dimension „Beratung und Motivation als kooperative Aufgabe in der Region“:

� Angebote � Struktur � Bedarfsfeststellung � regionale Monitoringsysteme und regionale Bildungsplanung mit integrier-

ter Schulentwicklungsplanung Es ist deutliche Aufgabe einer regionalisierten Bildungsentwicklung, Angebote be-darfsorientiert zu entwickeln und zu realisieren, Strukturen für eine „Vollversorgung“ zu erstellen und professionell Bedarfsfeststellungen zu generieren. Dazu sind:

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 43

Regionale Monitoringsysteme & Regionale Bildungsplanung mit integrierter Schul-entwicklungsplanung ist notwendig; erste Ansätze dafür existieren in Hessen bereits. Im Zusammenspiel mit einschlägigen Anbietern müssen regional die beteiligten Ak-teure sich gemeinsam für Professionalisierung für schulische & außerschulische Bil-dungs- und Bildungsmanagementprozesse zusammenschließen und koordiniert und arbeitsteilig vorgehen. SVplus hat mit den entsprechenden Handlungsfeldern den Gesamtrahmen dieser Professionalisierungsansprüche ausgreifend umrissen!!!! Im Weiteren wird der Kontext Bildung & Bildungsprozessevaluation eine wichtige Aufgabenstellung für sämtliche regionalen Bildungsakteure sein. Auch hier haben Lehrer/Lehrerinnen wegen ihres beruflichen Alltags sowie durch ihre Ausbildung ent-sprechende Potenziale. Eckpunkte für die Zusammenarbeit: - Päd. Qualität für das LLL in der Region entwickeln & sichern - Qualität für LLL - Bildungsangebote für die Region - Organisation & Strukturentwicklung Um LLL zu ermöglichen (Angebote, Grundversorgung, Beratung), ist es Aufgabe: - Qualität (s. o.) festzulegen, sicher zu stellen und zu kontrollieren - Organisationsentwicklung für die Zielerreichung zu betreiben - Regionale Strukturen organisationsübergreifend zu entwickeln Organisation Zum Themenbereich „Organisation“ gibt es bereits einige Arbeitsergebnisse aus dem Modellprojekt Selbstverantwortung plus, die für die regionale Bildungsentwick-lung im Rahmen von SVplus und HC bedeutsam erscheinen: Alle SVplus-Schulen verstehen sich als lernende Organisationen. Sie verfügen be-reits über wichtige Instrumente in den Bereichen Qualitätsmanagement, Organisati-onsstruktur (shared leadership), Personalentwicklung und Finanzen, um ihren Bei-trag für die regionale Bildungsentwicklung leisten zu können. Diese Instrumente be-nötigen zwar noch „Feinschliff“ und es fehlt noch die Rechtsfähigkeit, die für die be-nötigte Handlungsfähigkeit Voraussetzung ist. Durch seinen ganzheitlichen Ansatz über das Zusammenwirken von 6 Handlungsfel-dern verfügt SVplus über eine (fast) geniale Struktur, damit berufliche Schulen ihren Beitrag für die Bildungsregion leisten können. Die Arbeit in den Handlungsfeldern kennzeichnet den Prozess der Qualitätsverbesserung an den SVplus-Schulen. Die Verbindlichkeit des Systemischen der Eigenverantwortung müsse im SVplus-Prozess jedoch noch fester sein. Dabei ziele SVplus auf Innenwirkung, HC dagegen auf Außenwirkung. HC könne im Wettbewerb mit anderen Bildungsanbietern nur bestehen, wenn die qualitative Ebe-ne in den Mittelpunkt gestellt werde. HC müsse begrifflich mit Bildungsqualität belegt

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 44

sein. HC steht damit im Kontext einer europäischen Bildungslandschaft und den da-mit verbundenen Zielsetzungen für Lebensbegleitendes Lernen, die durch die „Lis-sabon-Strategie“, Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten wissensba-sierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln, gekennzeichnet sei. Auf dem Wei-terbildungsmarkt gibt es leider auch Anbieter, die nur auf Wertschöpfung abzielen. Aufgabe der Schulen sei es, ihre pädagogische Kompetenz einzubringen. In SVplus wird ein neues Konzept von Schule entwickelt. Dieser Prozess ist schwie-rig. Z.B. haben wir eine Schulverfassung mit fraktalen Strukturen entwickelt, die Ver-bindlichkeit sichern soll. Hierfür ist ein Zielvereinbarungssystem zu schaffen. Auch fordern wir ein anderes Schulleiterbild. Schulleiter wie auch Abteilungsleiter müssen Aufgaben delegieren. Die Delegation von Aufgaben schwächt nicht Führungsperso-nen, im Gegenteil, sie erhalten dadurch den benötigten Freiraum, um ihre eigentli-chen Führungsaufgaben wahrnehmen zu können. Die Entwicklung zu einer neuen Schule ist nicht erst durch den SVplus-Prozess an-gestoßen worden. Immer, wenn es um die Verbesserung des Kerngeschäfts Unter-richt ging, ist den Schulen eine größere Wertschätzung durch Schüler, Betriebe wie auch Lehrkräfte zuteil geworden. Die neue Schulverfassung habe hierfür jedoch Strukturen geschaffen. Erste Erfahrungen der Arbeit mit der neuen Schulverfassung zeigen, dass Kollegen, die bisher abseits standen, sich bereits stärker als bisher ein-bringen. Diese über SVplus erzielten Ergebnisse begeistern. Wenn Lehrer nicht selbstständig sind, können sie das auch nicht an Schüler weitergeben. Eine vergleichbare Diskus-sion sei auch im Projekt HC geführt worden. HC ist nicht nur das Modell Dreieich. In Flächenbereichen sehen die Strukturen an-ders aus. Gemäß dem Auftrag der hessischen Landesregierung müssen wir zu part-nerschaftlichem, selbstverantwortlichem Handeln kommen. Dazu sind adäquate Subsysteme zu definieren, die zueinander passen, z.B. die beruflichen Schulen und die Volkshochschulen. Die Frage der Verfasstheit wird an den Beruflichen Schulen in Taunusstein noch nicht angegangen, um den HC-Prozess nicht durch eine geschlossene Organisati-onsstruktur zu beeinflussen. Erst müssten sich Strukturen bilden, dann könne eine neue Verfasstheit folgen. Demgegenüber ist festzustellen, dass hier eine Chance, richtungweisende Erfahrungen zur Organisationsentwicklung zu gewinnen, in der verbleibenden Laufzeit von SVplus schwindet und damit ein zentrales Handlungsfeld von SVplus nicht bearbeitet wird. Der HC-Prozess ist dem Ziel verpflichtet, HC-Zentren aufzubauen. Dabei handelt es sich um neue Institutionen in dem Bereich zwischen den bestehenden Institutionen des Schulbereichs und den Universitäten. Es geht dabei um die Bereitstellung einer Struktur des lebensbegleiteten Lernens zur Überwindung von drei Zäsuren • zwischen beruflicher Grund- und Weiterbildung • zwischen schulischem- und außerschulischem Lernen • zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung Zielsetzung sei die Weiterbildung zu verstärken und den Menschen über verschiede-ne Stadien ihres Erwachsenenlebens das Weiter-Lernen zu ermöglichen. Dafür gelte

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 45

es die Aufgaben und Funktionen zu definieren und danach erst die Strukturen zu entwickeln („structure follows function“). Die Erklärung zur Entwicklungspartnerschaft weist hierzu den Begriff des betriebsförmig organisierten und integrierten Bildungs-dienstleisters aus. Dieser Begriff schließe ein, dass es auch eine hohe Eigenverant-wortung der Funktionsbereiche und der Beteiligten geben müsse. Im Hinblick auf die unterschiedlichen regionalen Verhältnisse können daher nur Rahmenbedingungen gesetzt werden, die zwei Prinzipien folgen: HC beruhe auf dem Prinzip der Entwick-lungspartnerschaft wie auch dem Prinzip eines entwicklungsoffenen Prozesses. Es gebe keinen Masterplan in der Schublade. Erkennbar sei aber, dass ein HC eine ge-wisse Größe mit sich bringe, berufliche Gymnasien und die Schulen des zweiten Bil-dungsweges unter gewissen Bedingungen als Optionsmodell zusammengeführt wer-den können und dass es wichtig wird, eine erwachsenengerechte Pädagogik überall zu verankern. Dies sei ein schwieriges Unternehmen. Dabei gelte es die Macht der Gewohnheiten zu überwinden. Es wird uns nur gelingen, wenn wir neue Strukturen aufbauen. Vor-stellbar sind

• Netzwerke mit Dachkonstruktion • integrierte Bildungsdienstleister als Teil von Netzwerken und als Element in

einer pluralen Weiterbildungslandschaft. Hierfür arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Institutionen erstmals zusammen. Es gibt bereits regionale Organisationskerne und einen landesweiten Sprecherkreis mit Landestreffen und überregionalen Arbeitsgruppen sowie Ansätze neuer Produkte und ihre praktische Umsetzung. Es liegen aus allen Regionen belastbare Konzepte vor. Doch noch ist unklar, wie HC zukünftig aussehen wird und wie der Entwick-lungspfad verlaufen wird. Für die HC-Entwicklung werden auch Schon- bzw. Schutz-räume benötigt, damit ungleiche Partner zusammenfinden können und Zielkonflikte vermieden werden. Vorstellbar sei es, eine HC-Entwicklungsgesellschaft als mögli-che erste Stufe des integrierten Bildungsdienstleisters zu gründen. Sie eröffne einen abgegrenzten Handlungsspielraum, in dem experimentiert und auch Fehlerverkraftet werden könnten. Im Unterschied zu SVplus müsse am Anfang aber noch nicht das ganze Kollegium mitgenommen werden. Es genüge, klein anzufangen. HC setze auf Freiwilligkeit. Für 2008 stellen sich die Startinitiativen stärker die Aufgabe, die Beleg-schaften zu gewinnen. Erforderlich sei ein Agreement von Land und Schulträger über eine Organisationsform, die Geschäftsfähigkeit ermöglicht. Die neuen Formen der Zusammenarbeit von Land und Kommune sind jedoch noch nicht abschließend ge-klärt. Die Organisation, die zu entwickeln ist, sollte nicht hierarchisch aufgebaut sein. Auch kommen wir an bestimmten verfassungsrechtlichen Grundpositionen nicht vorbei, z.B. bei Vorstellungen einer Kommunalisierung des Schulwesens oder einer Über-tragung der Zuständigkeit für die Volkshochschulen an das Land. Die Politik fordert regionale Bildungslandschaften. Daraus folgt, dass wir zu einer gemeinsamen Bil-dungsverantwortung in gemeinsamer Trägerschaft (Shared Governance) kommen müssen. Daher müssen Lösungen angestrebt werden, die dies auch zum Ausdruck bringen. Die Politik müsse sich auch dazu bekennen, dass die Grundversorgung von Weiter-bildung öffentliche Aufgabe sei. „Grundversorgung von Weiterbildung“ ist, was marktwirtschaftlich nicht erzeugt werden kann. Während betriebsspezifische und be-

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triebliche Weiterbildung Sache der Betriebe sei, müsse allgemeine, politische und allgemeine berufliche Weiterbildung als öffentliche Aufgabe anerkannt werden. Region In der Arbeitsgruppe „Region“ wurden die zentralen Elemente des regionalen Bezugs und der regionalen Integration der beiden Modellprojekte SVplus und HC aufgelistet und mögliche Verbindungen zueinander diskutiert. Aufbauend darauf wurden An-satzpunkte für die gemeinsame Zusammenarbeit in der Region identifiziert. Die regionale Integration ist neben der organisatorischen und pädagogischen eine zentrale Dimension im HESSENCAMPUS. Sie zielt dabei in erster Linie darauf ab,

• regionale Bildungsbedarfe stärker wahrzunehmen und zu bedienen, • die Regionalentwicklung insgesamt zu unterstützen, • Bildungsprogramme (mit) zu entwerfen, • neue Kooperationen aufzubauen und bestehende Kooperationen verbindlich

und nachhaltig auszubauen, • eine einrichtungsübergreifende „Corporate Identity“ zu entwickeln.

Die Sichtbarkeit des HC in der Region soll dazu dienen, den HC als zentralen An-sprechpartner für Bildungsfragen in der Region zu etablieren. Dazu werden Kommu-nikationsstrukturen zwischen Bildungseinrichtungen, Politik und Wirtschaft aufgebaut und verstärkt. Die politische Legitimation durch Einbindung der regional-lokalen Poli-tik sowie eine verlässliche Kooperation mit der regionalen Wirtschaft sind dabei wich-tige Grundpfeiler des HESSENCAMPUS. Die regionale Integration des HC erfolgt über Netzwerkarbeit und gemeinsame Projekte sowie die Einrichtung eines HC-Beirats und die Teilnahme von Repräsentanten in regionalen Gremien (z.B. der Re-gionalentwicklung). Im Projekt SVplus wird die regionale Integration durch den Aufbau nachhaltiger Netzwerke und die Etablierung beruflicher Schulen als berufliche Kompetenzzentren in der Region erzielt. Basis für diese Integrationsaktivitäten ist der Landtagsbe-schluss, berufliche Schulen als Kompetenzzentren in der Region auszubauen. Eingebettet werden sollen die regionalen Aktivitäten in ein landesweites Unterstüt-zungssystem, das es noch zu etablieren und entsprechend weiter zu entwickeln gilt. Fragestellungen bzw. Handlungsbedarf ergaben sich in Bezug auf:

• das Vorhandensein eines regionalen Leitbildes (Gibt es ein regionales Leit-bild? Ist ein regionales Leitbild notwendig?)

• die definitorische Eingrenzung der Region (Was ist sinnvollerweise vor dem Hintergrund Lebensbegleitenden Lernens und einer diesbezüglichen Lebens-weltnähe als Region zu definieren?). Derzeit läuft die definitorische Eingren-zung beim HC über die Gebietskörperschaften. Der regionen-übergreifende Ansatz des HC Osthessen hat gezeigt, dass es sehr schwierig ist, gesetzlich definierte Regionen wie z.B. Gebietskörperschaften organisatorisch zusam-menzuführen. In SVplus und HC gibt es aber auch regional übergreifende Ko-operationen.

• die Legitimation der Aktivitäten durch die Belegschaften (Tragen die Beleg-schaften die Konzepte mit?)

• das Postulat Lebensbegleitenden Lernens (Wird das Postulat Lebensbeglei-tenden Lernens -biografieübergreifendes Lernen, Orientierung an der Lerner-persönlichkeit, Lebensweltnähe - in den Regionen bereits abgebildet?)

Die Beiträge von SVplus und HC zur regionalen Bildungsentwicklung 47

• die Funktion von Netzwerken (Welche Funktionen erfüllen die regionalen Netzwerke?)

• den organisatorischen Rahmen und gesetzliche Regelungen (v. a. Rechtsfä-higkeit der beruflichen Schulen).

Die Diskussion der Rechtsfähigkeit bei Beruflichen Schulen stellt sich derzeit unter dem Aspekt SVplus und HC in vier Kategorien dar: Es gibt Berufliche Schulen, die weder in HC noch in SVplus eingebunden sind, nur in HC eingebunden sind, nur im Modellprojekt SVplus mitarbeiten oder an SVplus und HC teilnehmen. Dementspre-chend existieren allein für den Bereich der Beruflichen Schulen unterschiedlich große Handlungsspielräume. Folgende Punkte wurden als gemeinsame Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit von SVplus und HC in der Region genannt:

• die gemeinsame Entwicklung und Anrechnung von Bildungsangeboten bzw. Modulen,

• die Verbindung zu regionalen Akteuren, • professionelles Netzwerkmanagement, • Professionalisierung nichtakademischer Bildung, • regionale Bedarfsanalysen, • einrichtungsübergreifende professionelle Beratung • Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten.

Zwar müssen die Grundlagen für eine Zusammenarbeit von SVplus und HC weiter geklärt werden, die Diskussion in dieser Arbeitsgruppe hat aber gezeigt, dass die regionale Integration von HC und SVplus wichtige Berührungs- und Synergiepunkte aufweist. HC und SVplus dürfen nicht nebeneinander weiterbetrieben werden, eine synergetische Verknüpfung muss stattfinden. Um eine gemeinsame Grundlage für die Zusammenarbeit zu definieren, sind entsprechende Eckpunkte zu formulieren und in einer „Weilburger Erklärung“ zusammenzuführen. Zwei Strategien sind dabei miteinander zu verbinden: Langfristige Schulentwicklungs- und Bildungsplanung als Element der Regionalentwicklung und Schulentwicklung als Organisationsentwick-lung. Eine gemeinsame Steuerungsgruppe aus SVplus und HC ist zu bilden, um den Informationsaustausch und die weitere Entwicklungsarbeit voranzutreiben. Zusammenfassung der drei Arbeitsgruppen Die Arbeitsgruppen verdeutlichen, dass SV+ und HC sich komplementär und syner-getisch ergänzen können und stärker kooperieren sollten. Zum einen gibt es gemein-same Schwerpunktsetzungen wie z.B. die Überwindung der Zäsur zwischen ver-schiedenen Bildungsbereichen, gemeinsame Qualitätsstandards, gegenseitige Aner-kennung von (modularen) Abschlüssen, einer Bildungsverantwortung für die Regio-nen in gemeinsamer Trägerschaft etc. Zum anderen ergänzen sich HC und SVplus: SVplus zielt eher - wenn auch nicht ausschließlich - auf die einrichtungsinterne Wei-terentwicklung (Innenwirkung), HC im Wesentlichen auf die einrichtungsübergreifen-de Integration (und deren Rückwirkung auf die einrichtungsinterne Entwicklung). Für die weitere Diskussion wird der in der Arbeitsgruppe „Region“ erarbeitete Vor-schlag einer „Weilburger Erklärung“ und der Einrichtung einer gemeinsamen Steue-rungsgruppe aufgenommen und vertieft.

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Gemeinsame Eckpunkte und Perspektiven für die regionale und hessische Ent-wicklung Dr. Karl Düsseldorff Es wird im Plenum diskutiert, wie SVplus und HC durch die Bildung einer gemeinsamen Steuergruppe5 zusammengeführt und neu justiert werden können. Im Ergebnis mündet die Diskussion in der Weilburger Erklärung (s. u.). Weilburger Erklärung Die Beteiligten des gemeinsamen SVplus/HC-Workshops kommen im Sinne des Land-tagsbeschlusses betreffend Weiterentwicklung der Initiativen des lebensbegleitenden Lernens zu folgenden Vereinbarungen, um bildungs- und haushaltspolitische Synergieef-fekte zu erzielen: a) Ziele/ Aufgaben Um Lebensbegleitendes Lernen und damit eine Grundversorgung in öffentlicher Verant-wortung zu ermöglichen ist es Aufgabe: 1. Pädagogische Qualität für das Lebensbegleitende Lernen in der Region zu entwickeln und sichern. 2. In den Einrichtungen permanente Organisationsentwicklung zur Zielerreichung zu betreiben. 3. Regionale Strukturen organisationsübergreifend zu entwickeln und fortzuschreiben. b) Strategien und Wege 1. HC und SVplus sind (als Kompetenzzentrum und künftiger Integrierter Bildungs-dienstleister) das gemeinsame Programm für substantielle Innovation in den regionalen Bildungslandschaften im Feld des lebensbegleitenden Lernens für Erwachsene. SVplus ist ein umfassender und systematischer Ansatz für die pädagogische Qualität und die entsprechende interne Organisations-Entwicklung. 2. Nachhaltige regionale Netzwerke oder andere verstetigte Kooperationsformen in regi-onaler Verantwortung sind zentraler Bestandteil der Konzeption. 3. Diese beiden Projekte werden in mehreren Schritten als HC in SVplus-Qualität zu-sammen geführt. 4. Die sechs Handlungsfelder von SVplus konkretisieren die drei HC - Integrations-Dimensionen. Zugleich werden die Handlungsfelder SVplus um die Integrationsperspek-tive von HC erweitert. 5. Dafür sind wechselseitige Öffnungen und Beteiligungen beider Projekte erforderlich. 6. Dieser Prozess soll für weitere Interessierte geöffnet werden. c) gemeinsame Steuerungsgruppe Es wird eine Steuerungsgruppe (14 Personen: 6 SVplus, 2 SVplus und HC, 6 HC) für Bildungsangebote und regionale Netzwerkentwicklung gebildet, die sich aus Akteuren des Handlungsfeldes 6 von SVplus und aus Akteuren, die aus der Sicht von HC in dieser Gruppe mitarbeiten sollten, zusammensetzen. Ein erstes Treffen dieser Gruppe ist für März/ April 2008 geplant. 5 Auf Wunsch der SVplus-Projektgruppe soll die o. g. Steuergruppe künftig als „Koordinierungsgruppe“ bezeichnet werden.

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Vereinbarungen über das weitere Vorgehen und Abschluss Dr. Karl Düsseldorff Die zu bildende Steuerungsgruppe für Bildungsangebote und regionale Netzwerk-entwicklung hat folgende Funktionen:

� Geschäftsführung der Projekte HC und SVplus auf Landesebene � Landesweite Koordination der Konzept- und Inhaltsarbeit � Interessenkoordination der landesweit eingebundenen Akteure � Integration der Regionen

Sie soll mit einer Person in der interministeriellen Arbeitsgruppe zum lebensbeglei-tenden Lernen vertreten sein. Die weiteren Prozesse sind beim ersten Treffen der gemeinsamen Steuergruppe (März/ April 2008) zu diskutieren. Bis dahin ist sowohl für HC als auch für SVplus zuklären, welche Personen dieser Gruppe angehören sollen. Beide Teilgruppen entwickeln bis zum ersten Treffen ein Vorschlagspapier mit Ziel-vorstellungen und Arbeitsinhalten (Funktionsdefinition des Gremiums). Herr Hochstätter und Herr Vesper laden zu der Veranstaltung ein. gez. Michael Reitz

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Anlage 3: Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Modellprojekt Selbstverantwortung plus

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Anlage 4: Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend verlässliche Rahmenbedingungen für das Modellprojekt „Selbstverantwortung Plus“ schaffen

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Anlage 5: Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend Weiterentwicklung der beruflichen Schulen

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