Dominum et vivificantem - Der Hl. Geist im Leben von Kirche und Welt - Johannes Paul II.

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    Ioannes Paulus PP. II

    Dominum et vivificantem

    ber den heiligen Geist im Leben der Kirche und der Welt

    1986.05.18

    ______________________________________

    Segen

    InhaltsverzeichnisEINLEITUNG ........................................................................................................................................ 2I. DER GEIST DES VATERS UND DES SOHNES, EIN GESCHENK AN DIE KIRCHE ........... 4

    1. Verheiung und Offenbarung Jesu beim Ostermahl .............................................................. 42. Vater, Sohn und Heiliger Geist ................................................................................................... 63. Gott schenkt sich im Heiligen Geist zu unserem Heil ............................................................ 84. Der Messias, mit dem Heiligen Geist gesalbt ........................................................................... 95. Jesus von Nazaret, erhht im Heiligen Geist...................................................................... 126. Der auferstandene Christus: Empfangt den Heiligen Geist ............................................. 147. Der Heilige Geist und die Zeit der Kirche .............................................................................. 16

    II. DER GEIST, DER DIE WELT IHRER SNDE BERFHRT.................................................. 18

    1. Snde, Gerechtigkeit und Gericht ............................................................................................ 182. Das Zeugnis des Pfingsttages ................................................................................................... 203. Das Zeugnis vom Anfang: die Ursnde .................................................................................. 234. Der Geist, der das Leiden in heilbringende Liebe wandelt .................................................. 275. Das Blut, welches das Gewissen reinigt .................................................................................. 306. Die Snde gegen den Heiligen Geist ....................................................................................... 34

    III. DER GEIST, DER LEBENDIG MACHT .................................................................................... 37

    1. Grund fr das Jubilum des Jahres 2000: Christus, empfangen vom Heiligen Geist ... 37

    2. Grund fr das Jubilum: Die Gnade ist erschienen ............................................................... 393. Der Heilige Geist im inneren Konflikt des Menschen ........................................................... 414. Der Heilige Geist bei der Strkung des inneren Menschen .............................................. 455. Die Kirche, Sakrament der innigen Einheit mit Gott............................................................. 496. Der Geist und die Braut sagen: Komm! ............................................................................... 52

    SCHLUSS ............................................................................................................................................. 54

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    Verehrte Mitbrder im Bischofsamt, liebe Shne und Tchter!

    Gru und Apostolischen Segen!

    EINLEITUNG

    1. Die Kirche bekennt ihren Glauben an den Heiligen Geist als den, der Herr ist undlebendig macht. So spricht sie im sogenannten nizno-konstantinopolitanischenGlaubensbekenntnis, das nach den beiden Konzilien - dem von Niza (325) und demvon Konstantinopel (381) - benannt ist, auf denen es formuliert oder verkndetworden ist. Darin fgt man noch hinzu, da der Heilige Geist durch die Prophetengesprochen hat.

    Diese Worte empfngt die Kirche aus der Quelle ihres Glaubens selbst, von Jesus

    Christus. Nach dem Johannesevangelium ist uns ja mit dem neuen Leben der HeiligeGeist geschenkt worden, wie Jesus am groen Tag des Laubhttenfestes ankndigtund verspricht: Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt.

    ie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Strme von lebendigem Wasserflieen1. Und der Evangelist erklrt dies: Damit meinte er den Geist, den alleempfangen sollten, die an ihn glauben2. Das ist derselbe Vergleich mit dem Wasser,den Jesus im Gesprch mit der samaritischen Frau benutzt, wenn er von dersprudelnden Quelle spricht, deren Wasser ewiges Leben schenkt3, wie auch imGesprch mit Nikodemus, wenn er die Notwendigkeit einer neuen Geburt aus

    asser und Geist ankndigt, um in das Reich Gottes zu kommen4.

    Durch das Wort Christi belehrt und durch die Pfingsterfahrung und die eigeneapostolische Geschichte bereichert, verkndet die Kirche deshalb von Anfang an ihrenGlauben an den Heiligen Geist als den, der lebendig macht und in dem sich derunerforschliche dreieinige Gott den Menschen mitteilt und so in ihnen die Quelle zumewigen Leben begrndet.

    2. Dieser Glaube, den die Kirche ununterbrochen bekennt, mu im Bewutsein desVolkes Gottes immer wieder neu belebt und vertieft werden. In den letzten hundert

    Jahren ist dies schon mehrmals geschehen: von Leo XIII., der die Enzyklika Divinum

    illud munus (1897) herausgegeben hat, die vollstndig dem Heiligen Geist gewidmetist, zu Pius XII., der sich in der Enzyklika Mystici Corporis (1943) auf den HeiligenGeist als das Lebensprinzip der Kirche bezieht, in der dieser zusammen mit Christus,dem Haupt des mystischen Leibes, wirkt5; bis zum II. Vatikanischen kumenischenKonzil, das auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, sich erneut der Lehre vomHeiligen Geist zuzuwenden, wie Paul VI. unterstrich, als er sagte: Auf dieChristologie und vor allem auf die Ekklesiologie des Konzils mu nun ein neuesStudium und eine neue Verehrung des Heiligen Geistes folgen, eben als notwendigeErgnzung der Ehre des Konzils6.

    In unserer Epoche sind wir also vom stets alten und zugleich neuen Glauben derKirche aufgerufen, uns nher mit dem Heiligen Geist zu befassen als dem, derlebendig macht. Hierbei ist uns Hilfe und Ansporn auch das gemeinsame Erbe mit

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    den Ostkirchen, die den auerordentlichen Reichtum der Lehre der Vter ber denHeiligen Geist mit groer Sorgfalt bewahrt haben. Auch darum knnen wir sagen, daeines der wichtigsten kirchlichen Ereignisse der letzten Jahre die 1600-Jahrfeier des I.Konzils von Konstantinopel gewesen ist, die am Pfingstfest des Jahres 1981gleichzeitig in Konstantinopel und in Rom begangen worden ist. Der Heilige Geist hatsich damals durch die Meditation ber das Geheimnis der Kirche deutlicher alsderjenige gezeigt, der die Wege angibt, die zur Einheit der Christen fhren, ja sogar alsdie tiefste Quelle dieser Einheit, die aus Gott selbst stammt und der der heilige Paulus

    esonderen Ausdruck mit den Worten verliehen hat, mit denen oft die Eucharistiefeiereginnt: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die

    Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch7.

    Von dieser Aufforderung haben die vorhergehenden Enzykliken Redemptorhominis und Dives in misericordia gewissermaen ihren Ausgang und ihreInspiration genommen; sie heben das Ereignis unserer Erlsung besonders hervor, das

    sich im Sohn vollzogen hat, den der Vater in die Welt gesandt hat, damit die Weltdurch ihn gerettet wird8 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zurEhre Gottes des Vaters9.

    Aus dieser Aufforderung erwchst nun die vorliegende Enzyklika ber den HeiligenGeist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohnangebetet und verherrlicht wird: Als gttliche Person lebt er im Herzen deschristlichen Glaubens und ist Quelle und treibende Kraft fr die Erneuerung derKirche10. Diese Enzyklika schpft aus der Tiefe des konzialiaren Erbes. Durch ihreLehre ber die Kirche in sich und ber die Kirche in der Welt regen uns nmlich die

    Konzilstexte dazu an, uns immer mehr in das dreifaltige Geheimnis Gottes selbst zuvertiefen und dabei dem Weg des Evangeliums, der Vter und der Liturgie zu folgen:zum Vater durch Christus - im Heiligen Geist.

    Auf diese Weise gibt die Kirche auch Antwort auf gewisse tiefe Anliegen, die sie imHerzen der Menschen von heute zu erkennen glaubt: eine neue Entdeckung Gottes inseiner transzendenten Wirklichkeit als unendlicher Geist, wie Jesus ihn dersamaritischen Frau kundtut; die Notwendigkeit, ihn im Geist und in der Wahrheitanzubeten11; die Hoffnung, in ihm das Geheimnis der Liebe und die Kraft zu einerneuen Schpfung12 zu finden: Ja, es geht genau um denjenigen, der das Leben

    schenkt.

    Zu einer solchen Sendung, nmlich den Heiligen Geist zu verknden, wei sich dieKirche berufen, whrend sie sich zusammen mit der Menschheitsfamilie dem Endedes zweiten Jahrtausends nach Christus nhert. Angesichts von Himmel und Erde, dievergehen, ist ihr bewut, da die Worte, die nicht vergehen13, eine besondereAussagekraft bekommen. Es sind die Worte Christi ber den Heiligen Geist, dieunerschpfliche Quelle fr das Wasser, das... ewiges Leben schenkt14, als Wahrheitund heiligmachende Gnade. ber diese Worte will sie nachdenken, auf diese Wortemchte sie die Glubigen und alle Menschen aufmerksam machen, whrend sie sich

    darauf vorbereitet - wie wir spter noch erlutern werden -, das groe Jubilum zuegehen, welches den bergang vom zweiten zum dritten christlichen Jahrtausend

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    esonders kennzeichnen soll.

    Natrlich wollen die folgenden Betrachtungen die beraus reiche Lehre vom HeiligenGeist nicht vollstndig ausschpfen noch irgendeine Lsung fr noch offenstehendeFragen begnstigen. Sie beabsichtigen in erster Linie, in der Kirche das Bewutsein

    dafr zu entwickeln, da sie im Heiligen Geist angetrieben wird, mitzuwirken, dader Ratschlu Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils fr die ganze Welt bestellthat, tatschlich ausgefhrt werde15.

    I. DER GEIST DES VATERS UND DES SOHNES, EIN GESCHENK AN DIEKIRCHE

    1. Verheiung und Offenbarung Jesu beim Ostermahl

    3. Als fr Jesus Christus der Zeitpunkt zum Verlassen dieser Welt kurz bevorstand,kndigte er den Aposteln einen anderen Beistand an16. Der Evangelist Johannes,der zugegen war, schreibt, da sich Jesus whrend des Ostermahles vor dem Tagseines Leidens und Sterbens mit den folgenden Worten an sie gewandt habe: Alles,um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohnverherrlicht wird... Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderenBeistand geben, der fr immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit17.

    Gerade diesen Geist der Wahrheit nennt Jesus Parakletos - und Parakletos bedeutetTrster, auch Frsprecher oder Rechtsbeistand. Er spricht von einemanderen, zweiten Beistand; denn er selbst, Jesus Christus, ist der erste Beistand18,weil er als erster die Frohe Botschaft gebracht und verkndet hat. Der Heilige Geistkommt nach ihm und durch ihn, um in der Welt das Wirken der Frohen Botschaftvom Heil mit Hilfe der Kirche fortzusetzen. Von dieser Fortfhrung seines Werkesdurch den Heiligen Geist spricht Jesus wiederholt whrend der gleichenAbschiedsrede, als er die im Abendmahlssaal versammelten Apostel auf sein

    eggehen, das heit auf sein Leiden und seinen Tod am Kreuz, vorbereitet.

    Die Worte, auf die wir uns hier beziehen, stehen im Johannesevangelium. Jedes vonihnen fgt jener Ankndigung und Verheiung einen bestimmten neuen Inhalt hinzu.Zugleich aber sind sie im Hinblick auf dieselben Ereignisse, aber auch im Blick auf dasGeheimnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist eng miteinander verbunden, dasGeheimnis, das vielleicht in keinem Abschnitt der Heiligen Schrift einen so

    edeutenden Ausdruck findet wie gerade hier.

    4. Kurz nach der oben erwhnten Ankndigung fgt Jesus hinzu: Der Beistand aber,der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alleslehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe19. Der Heilige Geist soll

    der Beistand der Apostel und der Kirche sein, stets gegenwrtig unter ihnen - wennauch unsichtbar - als Lehrer derselben Frohen Botschaft, die Christus verkndigt hat.Dieses Lehren und Erinnern besagt nicht nur, da er in der ihm eigenen Weise

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    fortfhrt, die Ausbreitung der Heilsbotschaft zu frdern, sondern auch hilft, die wahreBedeutung des Inhaltes der Botschaft Christi zu verstehen, sowie die Kontinuitt undIdentitt ihres Verstndnisses inmitten der wechselnden Bedingungen und Umstndezu sichern. Der Heilige Geist soll also bewirken, da in der Kirche stets dieselbe

    ahrheit, wie die Apostel sie von ihrem Meister gehrt haben, fortlebt.

    5. Bei der Weitergabe der Frohen Botschaft sollen die Apostel in besonderer Weisedem Heiligen Geist verbunden sein. Hierzu sagt Jesus anschlieend: Wenn aber derBeistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit,der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis fr mich ablegen. Und auch ihr solltZeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid20.

    Die Apostel waren unmittelbare Zeugen, Augenzeugen. Sie haben Christus gehrtund mit eigenen Augen gesehen, sie haben ihn angeschaut und sogar miteigenen Hnden angefat, wie derselbe Evangelist Johannes an anderer Stelle

    schreibt21. Dieses ihr menschliches und geschichtliches Augenzeugnis von Christusverbindet sich mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes: Er wird Zeugnis fr michablegen. Im Zeugnis des Geistes der Wahrheit soll das menschliche Zeugnis derApostel seine strkste Sttze finden. Und spter soll es darin auch das verborgeneFundament seiner Kontinuitt zwischen den Generationen von Jngern undBekennern Christi finden, die im Laufe der Jahrhunderte aufeinander folgen werden.

    enn Jesus Christus selbst die hchste und vollstndigste Offenbarung Gottes fr dieMenschheit ist, so frdert, gewhrleistet und bekrftigt das Zeugnis des Geistes ihregetreue Weitergabe in der Verkndigung und den Schriften der Apostel22, whrend

    das Zeugnis der Apostel ihr den menschlichen Ausdruck in der Kirche und in derGeschichte der Menschheit sichert.

    6. Das wird auch ersichtlich aus der engen Beziehung von Inhalt und Absicht zursoeben erwhnten Ankndigung und Verheiung, wie sie sich in den anschlieenden

    orten des johanneischen Textes findet: Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihrknnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird ereuch in die ganze Wahrheit fhren. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden,sondern er wird sagen, was er hrt, und euch verknden, was kommen wird23.

    In seinen vorhergehenden Worten stellt Jesus den Beistand, den Geist der Wahrheit,als denjenigen dar, der lehren und erinnern wird, der fr ihn Zeugnis ablegenwird; jetzt sagt er: Er wird euch in die ganze Wahrheit fhren. Dieses Einfhren indie ganze Wahrheit im Hinblick auf das, was die Apostel jetzt noch nicht tragenknnen, hngt notwendigerweise mit der Entuerung Christi durch Leiden und Todam Kreuz zusammen, die damals, als diese Worte gesprochen wurden, kurz

    evorstand.

    Dann wird jedoch deutlich, da dieses Einfhren in die ganze Wahrheit sich nichtnur auf das scandalum crucis- das rgernis des Kreuzes - bezieht, sondern auch aufalles, was Christus getan und gelehrt hat24. Denn das gesamte Mysterium Christi

    erfordert den Glauben, weil dieser es ist, der den Menschen auf angemessene Weise indie Wirklichkeit des geoffenbarten Geheimnisses einfhrt. Die Einfhrung in die

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    ganze Wahrheit verwirklicht sich also im Glauben und mit Hilfe des Glaubens: Sie istdas Werk des Geistes der Wahrheit und die Frucht seines Wirkens im Menschen. DerHeilige Geist mu hierbei der oberste Fhrer des Menschen, das Licht desmenschlichen Geistes sein. Das gilt fr die Apostel, die Augenzeugen, die nunmehrallen Menschen die Botschaft bringen sollen von dem, was Christus getan undgelehrt hat, vor allem aber von seinem Kreuz und seiner Auferstehung. In einerumfassenderen Sicht gilt das auch fr alle Generationen von Jngern und Bekennerndes Meisters; denn sie sollen das Geheimnis Gottes, das in der Geschichte desMenschen am Werk ist, im Glauben annehmen und mit Freimut bekennen, dasgeoffenbarte Geheimnis, das den endgltigen Sinn dieser Geschichte erklrt.

    7. Zwischen dem Heiligen Geist und Christus besteht also in der Heilsordnung eineinnere Verbindung, durch die der Geist in der Geschichte des Menschen als einanderer Beistand wirkt, indem er Weitergabe und Ausbreitung der von Jesus vonNazaret offenbarten Frohen Botschaft auf Dauer sicherstellt. Im Heiligen Geist als

    Paraklet, der im Geheimnis und im Wirken der Kirche die geschichtliche Gegenwartdes Erlsers auf Erden und sein Heilswerk unaufhrlich fortsetzt, strahlt deshalb dieHerrlichkeit Christi auf, wie die anschlieenden Worte bei Johannes bezeugen: Er(der Geist der Wahrheit) wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was meinist, nehmen und es euch verknden25. Mit diesen Worten wird noch einmal all das

    ekrftigt, was die vorhergehenden Worte besagten: Er wird lehren, erinnern,Zeugnis ablegen. Die hchste und vollstndige Selbstoffenbarung Gottes, wie siesich in Christus ereignet hat und durch die Predigt der Apostel bezeugt wurde, tutsich weiterhin in der Kirche kund durch die Sendung des unsichtbaren Beistandes, desGeistes der Wahrheit. Wie innig diese Sendung mit der Sendung Christi verbunden

    ist, wie vollkommen sie aus dieser seiner Sendung schpft, wenn sie seineHeilsfrchte im Ablauf der Geschichte krftigt und frdert, ist durch das Wortnehmen ausgedrckt: Er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euchverknden. Um das Wort nehmen gleichsam zu erklren, indem er die gttlicheund dreifaltige Einheit der Quelle deutlich hervorhebt, fgt Jesus hinzu: Alles, wasder Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, undwird es euch verknden26. Indem er von dem Meinen nimmt, schpft er zugleichaus dem, was der Vater hat.

    Im Licht dieses Nehmens kann man ebenso auch die anderen Worte ber den

    Heiligen Geist erklren, die Jesus im Abendmahlssaal vor Ostern gesprochen hat,orte von tiefer Bedeutung: Es ist gut fr euch, da ich fortgehe. Denn wenn ich

    nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ichihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er die Welt berfhren (undaufdecken), was Snde, Gerechtigkeit und Gericht ist 27. Auf diese Worte wird nochin einer gesonderten Betrachtung zurckzukommen sein.

    2. Vater, Sohn und Heiliger Geist

    8. Es ist charakteristisch fr den johanneischen Text, da dort der Vater, der Sohn und

    der Heilige Geist deutlich als Personen genannt werden, von denen die erste von derzweiten und dritten unterschieden ist, ebenso wie diese beiden untereinander. Jesusspricht vom Geist, dem Beistand, indem er mehrmals das personale Frwort er

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    enutzt; zugleich offenbart er in der gesamten Abschiedsrede die Bindungen, die denVater, den Sohn und den Heiligen Geist untereinander vereinen. So geht der Geist ...vom Vater aus28, und der Vater gibt den Geist29. Der Vater sendet den Geist imNamen des Sohnes30, der Geist legt Zeugnis ab fr den Sohn31. Der Sohn bittet denVater, den Geist als Beistand zu senden32, aber ebenso schenkt er uns im Blick auf seinFortgehen durch das Kreuz die Verheiung: Wenn ich fortgehe, werde ich ihn zueuch senden33. Der Vater sendet also den Heiligen Geist kraft seiner Vaterschaft, wieer auch den Sohn gesandt hat34; zugleich aber sendet er ihn kraft der von Christusgewirkten Erlsung - und in diesem Sinne wird der Heilige Geist auch vom Sohngesandt: Ich werde ihn zu euch senden.

    hrend alle anderen Verheiungen des Abendmahlssaals das Kommen des HeiligenGeistes einfach fr die Zeit nach dem Fortgang Christi ankndigen, so gilt hier zu

    emerken, da die Verheiung des Textes Joh 16, 7f. klar auch die Beziehung derAbhngigkeit, fast mchte man sagen, der Urschlichkeit, zwischen dem Eintreten des

    einen und des anderen Ereignisses einschliet und betont: Wenn ich aber fortgehe, sowerde ich ihn zu euch senden. Der Heilige Geist wird kommen, insofern Christusdurch den Kreuzestod fortgeht: Er wird nicht nur nach, sondern aufgrund derErlsung kommen, die Christus nach dem Willen und durch das Handeln des Vatersgewirkt hat.

    9. In der sterlichen Abschiedsrede erreichen wir also - so knnen wir sagen - denHhepunkt der Offenbarung der Dreifaltigkeit. Zugleich stehen wir kurz vorendgltigen Ereignissen und hchst entscheidenden Worten, die schlielich in dengroen missionarischen Auftrag einmnden werden, der sich an die Apostel und

    durch sie an die Kirche richtet: Darum geht zu allen Vlkern, und macht alleMenschen zu meinen Jngern, ein Auftrag, der in etwa bereits die trinitarischeTaufformel enthlt: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und desHeiligen Geistes35. Diese Formel verweist auf das innerste Geheimnis Gottes undseines gttlichen Lebens: Vater, Sohn und Heiliger Geist, gttliche Einheit inDreifaltigkeit. Man kann die Abschiedsrede lesen als eine besondere Vorbereitung aufdiese trinitarische Formel, in der sich die lebenspendende Kraft des Sakramentesausdrckt, das die Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes bewirkt, indem es demMenschen die heiligmachende Gnade als bernatrliche Gabe schenkt. Durch sie wirder berufen und befhigt, am unerforschlichen Leben Gottes teilzuhaben.

    10. In seinem inneren Leben ist Gott Liebe36, wesenhafte Liebe, die den drei gttlichenPersonen gemeinsam ist: Die personhafte Liebe aber ist der Heilige Geist als Geist desVaters und des Sohnes. Daher ergrndet (er) die Tiefen Gottes37 als ungeschaffeneLiebe, die sich verschenkt. Man kann sagen, da im Heiligen Geist das innere Lebendes dreieinigen Gottes ganz zur Gabe wird, zum Austausch gegenseitiger Liebe unterden gttlichen Personen, und da Gott durch den Heiligen Geist als Geschenkexistiert. Der Heilige Geist ist der personale Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, dieses Seins als Liebe38. Er ist die Liebe als Person. Er ist Geschenk alsPerson. Wir stehen hier vor einem unergrndlichen Reichtum der Wirklichkeit und

    vor einer unsagbaren Vertiefung des Begriffes von Person in Gott, wie nur diegttliche Offenbarung sie uns erkennen lt.

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    eil eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn in seiner Gttlichkeit, ist der HeiligeGeist zugleich Liebe und (ungeschaffenes) Geschenk, aus dem wie aus einer Quelle(fons vivus - lebendiger Quell) jegliche Gabe an die Geschpfe entspringt(geschaffenes Geschenk): das Geschenk der Existenz fr alle Dinge durch dieSchpfung; das Geschenk der Gnade fr die Menschen durch die gesamteHeilskonomie. Wie der Apostel Paulus schreibt: Die Liebe Gottes ist ausgegossen inunsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist39.

    3. Gott schenkt sich im Heiligen Geist zu unserem Heil

    11. Die Abschiedsrede Christi beim Ostermahl bezieht sich in besonderer Weise aufdieses Schenken und Sichverschenken des Heiligen Geistes. In diesem Text des

    Johannesevangeliums enthllt sich gleichsam die tiefste Logik des im ewigen PlanGottes enthaltenen Heilsgeheimnisses als Ausweitung der unaussprechlichenGemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es ist die gttliche

    Logik, die vom Geheimnis der Dreifaltigkeit zum Geheimnis der Erlsung der Weltin Jesus Christus fhrt. Die Erlsung, vom Sohne Gottes vollbracht in denDimensionen der irdischen Geschichte des Menschen - vollbracht in seinemFortgehen durch Kreuz und Auferstehung - wird zugleich in ihrer vollen erlsendenKraft dem Heiligen Geist bertragen: demjenigen, der von dem Meinen nehmenwird40. Die Worte des johanneischen Textes zeigen, da das Fortgehen Christi imgttlichen Heilsplan unerlliche Bedingung fr die Sendung und das Kommen desHeiligen Geistes ist; sie besagen aber auch, da Gott dann beginnt, sich im HeiligenGeist zu unserem Heil erneut mitzuteilen.

    12. Es ist dies ein neuer Anfang im Vergleich zu jenem ersten, ursprnglichen Anfangder heilbringenden Selbstmitteilung Gottes, der mit dem Geheimnis der Schpfungselbst identisch ist. So lesen wir schon in den ersten Zeilen des Buches der Genesis:Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen..., und Gottes Geist (ruahElohim) schwebte ber dem Wasser41. Dieser biblische Begriff der Schpfungenthlt nicht nur den Ruf ins Dasein des Kosmos als solchem, das heit das Geschenkder Existenz, sondern auch die Gegenwart des Geistes Gottes in der Schpfung, dasheit den Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes an die Dinge, die ererschafft. Das gilt vor allem fr den Menschen, der nach Gottes Bild und Gleichnisgeschaffen worden ist: Lat uns Menschen machen als unser Abbild, uns hnlich42.

    Lat uns machen: Darf man annehmen, da die Mehrzahl, die der Schpfer beimSprechen von sich selbst hier benutzt, schon in gewisser Weise das dreifaltigeGeheimnis, die Gegenwart der Dreifaltigkeit im Werk der Erschaffung des Menschen,nahelegt? Der christliche Leser, der die Offenbarung dieses Geheimnisses bereitskennt, kann dessen Widerschein auch in diesen Worten schon entdecken. Auf jedenFall erlaubt uns der Zusammenhang des Buches der Genesis, in der Erschaffung desMenschen den ersten Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes nach demMa seines Abbildes und seiner hnlichkeit zu sehen, die er dem Menschenschenkt.

    13. Es scheint also, da auch die Worte Jesu bei der Abschiedsrede im Hinblick aufenen so fernen, aber grundlegenden Anfang gelesen werden mssen, den wir ausder Genesis kennen. Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch

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    kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden. Indem Christus seinFortgehen als Bedingung fr das Kommen des Beistandes darstellt, verbindet erden neuen Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes im Heiligen Geist mitdem Geheimnis der Erlsung. Das ist ein neuer Anfang vor allem deswegen, weil sichzwischen den ersten Anfang und die gesamte Geschichte des Menschen - angefangenmit dem Urfall - die Snde gestellt hat, welche den Widerspruch zur Gegenwart desGeistes Gottes in der Schpfung und vor allem zur heilbringenden SelbstmitteilungGottes an den Menschen bedeutet. Der heilige Paulus schreibt, da gerade aufgrundder Snde die Schpfung der Vergnglichkeit unterworfen ist ... und bis zumheutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt und da sie sehnschtig auf dasOffenbarwerden der Shne Gottes wartet43.

    14. Darum sagt Jesus Christus im Abendmahlssaal: Es ist gut fr euch, da ichfortgehe; wenn ich aber gehe, so werde ich ihn zu euch senden44. Das FortgehenChristi durch das Kreuz enthlt erlsende Kraft - und das bedeutet auch eine neue

    Gegenwart Gottes in der Schpfung: der neue Anfang der Selbstmitteilung Gottes anden Menschen im Heiligen Geist. Weil ihr aber Shne seid, sandte Gott den Geistseines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater, schreibt der ApostelPaulus im Galaterbrief45.

    Der Heilige Geist ist der Geist des Vaters, wie die Worte der Abschiedsrede imAbendmahlssaal bezeugen. Er ist zugleich der Geist des Sohnes: der Geist Jesu Christi,wie die Apostel und insbesondere Paulus von Tarsus46 bezeugen werden. Wenndieser Geist in unsere Herzen ausgegossen wird, beginnt sich damit zu erfllen,worauf die Schpfung sehnschtig wartet, wie wir im Rmerbrief lesen. Der Heilige

    Geist kommt um den Preis des Fortgehens Christi. Wenn dieses Fortgehen bei denAposteln Traurigkeit hervorgerufen hat47, die ihren Hhepunkt beim Leiden undSterben am Karfreitag erreichen sollte, so wird sich doch dieser Kummer seinerseitsin Freude verwandeln48. Das erlsende Fortgehen Christi wird ja auch dieHerrlichkeit der Auferstehung und der Auffahrt zum Vater umfassen. Der Anteil derApostel beim Fortgehen ihres Meisters ist also eine Traurigkeit, die von Freudedurchstrahlt wird; es ist ein gutes Fortgehen, weil dadurch ein anderer Beistandkommen sollte49. Um den Preis des Kreuzes, des Werkzeuges der Erlsung, und inder Kraft des gesamten Ostergeheimnisses Jesu Christi kommt der Heilige Geist, umvom Pfingsttag an bei den Aposteln zu bleiben, um bei der Kirche und in der Kirche

    und durch sie in der Welt zu bleiben. Auf diese Weise verwirklicht sich endgltigener neue Anfang der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geistdurch Jesus Christus, den Erlser des Menschen und der Welt.

    4. Der Messias, mit dem Heiligen Geist gesalbt

    15. Es verwirklicht sich auch vollstndig die Sendung des Messias, dessen also, der dieFlle des Heiligen Geistes fr das erwhlte Volk Gottes und fr die ganze Menschheitempfangen hat. Wrtlich bedeutet Messias Christus, das heit Gesalbter, und inder Heilsgeschichte bezeichnet es den mit dem Heiligen Geist Gesalbten. Das war

    die prophetische Tradition des Alten Testamentes. Als ihr Schler wird Simon Petrusim Hause des Kornelius sagen: Ihr wit, was im ganzen Land der Juden geschehenist... nach der Taufe, die Johannes verkndet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt

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    hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft50.

    Von diesen Worten des Petrus und von vielen anderen hnlichen Stellen51 mu manvor allem auf die Verheiung des Jesaja zurckgehen, die mitunter das fnfteEvangelium oder auch das Evangelium des Alten Testamentes genannt wird. Als

    Jesaja das Kommen einer geheimnisvollen Figur ankndigt, die die neutestamentlicheOffenbarung mit Jesus identifizieren wird, verbindet er deren Person und Sendungmit einem besonderen Handeln des Geistes Gottes, des Geistes des Herrn. So lautendie Worte des Propheten:

    Aus dem Baumstumpf Isais wchst ein Zweig hervor,ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.Und der Geist des Herrn lt sich nieder auf ihm:der Geist der Weisheit und der Einsicht,der Geist des Rates und der Strke,

    der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.Mit dem Geist der Gottesfurcht erfllt er ihn52.

    Dieser Text ist wichtig fr die gesamte Geistlehre des Alten Testamentes, weil ergleichsam eine Brcke bildet zwischen dem alten biblischen Begriff des Geistes,verstanden vor allem als geisterfllter Hauch, und dem Geist als Person undGabe, als Gabe fr die Person. Der Messias aus dem Stamm Davids (aus demBaumstumpf Isais) ist genau jene Person, auf der sich der Geist des Herrnniederlt. Gewi kann man an dieser Stelle noch nicht von der Offenbarung desBeistandes sprechen: Jedenfalls aber ffnet sich mit diesem verhllten Hinweis auf

    die Figur des knftigen Messias der Weg, auf dem sich die volle Offenbarung desHeiligen Geistes in der Einheit des dreifaltigen Geheimnisses, wie sie schlielich imNeuen Bund offenkundig werden wird, vorbereitet.

    16. Des Messias selbst ist dieser Weg. Im Alten Bund war die Salbung das uereSymbol der Geistgabe geworden. Der Messias (mehr als jede andere gesalbte Personim Alten Bund) ist jener einzige groe von Gott selbst Gesalbte. Er ist der Gesalbte imSinne des vollen Besitzes des Gottesgeistes. Er selbst wird auch der Mittler sein, umdiesen Geist dem ganzen Volk zu verleihen. Hierzu weitere Worte des Propheten:

    Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir,denn der Herr hat mich gesalbt.Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringeund alle heile, deren Herz bedrckt ist,damit ich die Entlassung der Gefangenen verkndeund die Befreiung der Gefesselten,damit ich ein Jahr der gttlichen Gnade verknde53.

    Der Gesalbte ist auch zusammen mit dem Geist des Herrn gesandt: Jetzt hat Gott derHerr mich und seinen Geist gesandt54. Nach dem Buch Jesaja ist der Gesalbte undder zusammen mit dem Geist des Herrn Gesandte auch der erwhlte Knecht des

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    Herrn, auf dem der Geist Gottes ruht:

    Seht, das ist mein Knecht, ich halte ihn an der Hand;das ist mein Erwhlter, an ihm finde ich Gefallen,ich habe meinen Geist in ihn gelegt55.

    Bekanntlich wird der Knecht des Herrn im Buch Jesaja als der wahreSchmerzensmann offenbart: als der Messias, der leidet fr die Snden der Welt56.Und dabei ist gerade er es, dessen Sendung der ganzen Menschheit wahreHeilsfrchte bringen wird:

    Er wird den Vlkern das Recht bringen57; er wird zum Bund des Volkesund zum Licht der Vlker werden58, auf da er mein Heil bis ans Ende derErde trage59. Denn:

    Mein Geist, der auf dir ruht, soll nicht von dir weichen,und meine Worte, die ich dir in den Mund gelegt habe,sollen immer in deinem Mund seinund im Mund deiner Kinder und im Mund deiner Enkel,

    jetzt und in Ewigkeit - spricht der Herr60.

    Die hier angefhrten prophetischen Texte mssen im Licht des Evangeliums gelesenwerden - wie auch das Neue Testament seinerseits durch das wundervolle Licht dieseralttestamentlichen Texte in besonderer Weise erhellt wird. Der Prophet stellt den

    Messias als denjenigen dar, der in der Kraft des Heiligen Geistes kommt, der die Flledieses Geistes in sich selbst und zugleich fr die anderen besitzt, fr Israel, fr alleVlker, fr die ganze Menschheit. Die Flle des Geistes Gottes wird von vielfltigenGaben begleitet, den Heilsgtern, die insbesondere fr die Armen und Leidenden

    estimmt sind, fr alle, die ihr Herz diesen Gaben ffnen - manchmal durchschmerzvolle Erfahrungen ihres Lebens, aber vor allem mit jener inneren Bereitschaft,die aus dem Glauben kommt. Das erkannte spontan der greise Simeon, ein gerechterund frommer Mann, auf dem der Heilige Geist ruhte, im Augenblick derDarstellung Jesu im Tempel, als er in ihm das Heil erblickte, das... vor allenVlkern bereitet ist um den Preis des groen Leidens - des Kreuzes -, das er

    zusammen mit seiner Mutter werde auf sich nehmen mssen61. Das erkannte nochtiefer die Jungfrau Maria, die durch den Heiligen Geist empfangen hatte62, als sie inihrem Herzen ber die Geheimnisse des Messias nachdachte, an dessen Seite siegestellt war63.

    17. Man mu an dieser Stelle betonen, da der Geist des Herrn, der auf demkommenden Messias ruhen wird, deutlich ein Geschenk Gottes fr die Person jenesKnechtes des Herrn darstellt. Er selbst aber ist keine eigene, fr sich allein stehendePerson; denn er wirkt auf Gehei des Herrn, kraft dessen Entscheidung und Wahl.Auch wenn das Heilshandeln des Messias, des Knechtes des Herrn, im Licht der Textedes Jesaja das Wirken des Geistes einschliet, das durch ihn selbst geschieht, so wirddoch im alttestamentlichen Kontext noch keine Unterscheidung der handelndenSubjekte oder der gttlichen Personen nahegelegt, wie sie im dreifaltigen Geheimnis

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    existieren und spter im Neuen Testament offenbart werden. Bei Jesaja wie im ganzenAlten Testament bleibt der Personcharakter des Heiligen Geistes vllig verborgen:verborgen in der Offenbarung des einen Gottes wie auch in der Verheiung deskommenden Messias.

    18. Jesus Christus wird sich am Beginn seines messianischen Wirkens auf diese beiJesaja enthaltene Verheiung beziehen. Das wird in Nazaret selbst geschehen, wo erdreiig Jahre seines Lebens im Hause Josefs, des Zimmermanns, bei Maria, seinerungfrulichen Mutter, verbracht hat. Als er die Gelegenheit hatte, in der Synagogedas Wort zu ergreifen, ffnete er das Buch des Jesaja und fand die Stelle, in dergeschrieben steht: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt,und nachdem er den betreffenden Abschnitt vorgelesen hatte, sprach er zu denAnwesenden: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehrt habt, erfllt64.Auf diese Weise bekannte und verkndete er, derjenige zu sein, der vom Vatergesalbt ist, also der Messias zu sein, derjenige, auf dem der Heilige Geist als

    Geschenk Gottes selbst ruht, derjenige, der die Flle dieses Geistes besitzt und an demsich der neue Anfang des Geschenkes zeigt, das Gott der Menschheit im HeiligenGeist macht.

    5. Jesus von Nazaret, erhht im Heiligen Geist

    19. Auch wenn Jesus in seiner Heimatstadt Nazaret nicht als Messias angenommenwird, so wird doch am Beginn des ffentlichen Wirkens seine messianische Sendungim Heiligen Geist von Johannes dem Tufer dem Volk offenbart. Johannes, Sohn vonZacharias und Elisabet, verkndet am Jordan die Ankunft des Messias und spendet

    die Butaufe. Er sagt: Ich taufe euch nur mit Wasser zum Zeichen der Umkehr. Deraber, der nach mir kommt, ist strker als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuheauszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen65.

    Johannes der Tufer verkndet den Messias, den Christus, nicht nur als denjenigen,der im Heiligen Geist kommt, sondern auch als den, der den Heiligen Geistbringt, wie Jesus selbst es im Abendmahlssaal deutlicher offenbaren wird. Johannesist hier das treue Echo der Worte des Jesaja, die bei diesem Propheten des AltenTestamentes die Zukunft betrafen, whrend sie in seiner eigenen Verkndigung anden Ufern des Jordan die unmittelbare Hinfhrung zur neuen messianischen

    irklichkeit bilden. Johannes ist nicht nur ein Prophet, sondern auch ein Bote: Er istder Vorlufer Christi. Was er verheit, verwirklicht sich vor den Augen aller. Jesusvon Nazaret kommt zum Jordan, um auch selbst die Butaufe zu empfangen. Als

    Johannes ihn herankommen sieht, ruft er aus: Seht, das Lamm Gottes, das die Sndeder Welt hinwegnimmt66. Das sagt er unter der Eingebung des Heiligen Geistes67und bezeugt damit die Erfllung der Weissagung des Jesaja. Gleichzeitig bekennt erseinen Glauben an die erlsende Sendung Jesu von Nazaret. Im Munde des Tufers

    Johannes ist Lamm Gottes ein Ausdruck der Wahrheit ber den Erlser, der nichtweniger reich an Inhalt ist als der von Jesaja benutzte Ausdruck Knecht des Herrn.

    Durch das Zeugnis des Johannes am Jordan wird also Jesus von Nazaret, den dieeigenen Mitbrger zurckgewiesen hatten, vor den Augen Israels als Messiashervorgehoben, als der vom Heiligen Geist Gesalbte. Und dieses Zeugnis wird noch

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    estrkt durch ein anderes Zeugnis einer hheren Ebene, wie die drei Synoptikererichten. Denn als das ganze Volk sich taufen lie und whrend Jesus nach seiner

    Taufe im Gebet verharrte, ffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kamsichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab68, und zugleich sprach eine Stimmeaus dem Himmel: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe69.

    Dies ist eine trinitarische Gotteserscheinung, die Zeugnis gibt fr die HervorhebungChristi bei der Taufe im Jordan. Sie besttigt nicht nur das Zeugnis Johannes' desTufers, sondern enthllt eine noch tiefere Dimension der Wahrheit ber Jesus vonNazaret als Messias: Der Messias ist der geliebte Sohn des Vaters. Seine feierlicheHervorhebung beschrnkt sich nicht auf die messianische Sendung des Knechtes desHerrn. Im Licht der Gotteserscheinung am Jordan erreicht diese Hervorhebung sogardie Person des Messias selbst. Er wird hervorgehoben, weil er der Sohn des gttlichen

    ohlgefallens ist. Die Stimme von oben nennt ihn mein Sohn.

    20. Die Gotteserscheinung vom Jordan erhellt nur flchtig das Geheimnis Jesu vonNazaret, dessen gesamtes Wirken sich in Gegenwart des Heiligen Geistes vollziehenwird70. Dieses Geheimnis sollte von Jesus selbst durch das, was getan und gelehrthat71 Schritt fr Schritt enthllt und besttigt werden. Auf der Linie dieserVerkndigung sowie der messianischen Zeichen, die Jesus vollbrachte, bevor es zurAbschiedsrede im Abendmahlssaal kam, finden wir Ereignisse und Worte, die

    esonders wichtige Momente in dieser fortschreitenden Offenbarung bilden. DerEvangelist Lukas, der Jesus bereits vorgestellt hat als erfllt vom Heiligen Geist undvom Geist in die Wste gefhrt72, berichtet uns, da Jesus nach der Rckkehr der72 Jnger von der ihnen vom Meister aufgetragenen Sendung73, whrend diese ihm

    voller Freude von den Ergebnissen ihres Wirkens erzhlten, in dieser Stunde, vomHeiligen Geist erfllt, jubelnd ausgerufen hat: Ich preise dich, Vater, Herr desHimmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, denUnmndigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen74. Jesus jubelt ausFreude ber die gttliche Vaterschaft; er jubelt, weil es ihm geschenkt ist, dieseVaterschaft zu offenbaren; er jubelt schlielich, weil sich diese gttliche Vaterschaft in

    esonderer Weise auf die Unmndigen erstreckt. Und der Evangelist nennt all diesJubel im Heiligen Geist. Ein solcher Jubel drngt Jesus gewissermaen dazu, unsnoch mehr zu sagen. Hren wir: Mir ist von meinem Vater alles bergeben worden;niemand wei, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand wei, wer der Vater ist,

    nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will75.

    21. Was bei der Gotteserscheinung am Jordan sozusagen von auen, von obenkam, kommt hier aus dem Innern, aus der Tiefe dessen, was Jesus ist. Es ist dies eineweitere Offenbarung des Vaters und des Sohnes, die geeint sind im Heiligen Geist.

    Jesus spricht nur von der Vaterschaft Gottes und der eigenen Sohnschaft; er sprichtnicht direkt vom Geist, der Liebe ist und darum Vater und Sohn verbindet. Was eredoch vom Vater und von sich selbst, dem Sohn, sagt, entspringt nichtsdestowenigeraus jener Flle des Geistes, die in ihm ist, die sich in sein Herz ergiet, sein Ich selbstdurchdringt und sein Wirken von innen her anregt und belebt. Von daher jener Jubel

    im Heiligen Geist. Die Einheit Christi mit dem Heiligen Geist, der er sichvollkommen bewut ist, drckt sich in jenem Jubel aus, der so deren verborgeneQuelle gewissermaen wahrnehmen lt. So ergibt sich eine besondere Offenbarung

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    und Hervorhebung, wie sie dem Menschensohn, dem Christus und Messias, zu eigenist, dessen Menschheit zur Person des Gottessohnes gehrt, der mit dem HeiligenGeist in der Gottheit wesenhaft eins ist. In seinem wundervollen Bekenntnis derVaterschaft Gottes offenbart Jesus von Nazaret auch sich selbst, sein gttliches Ich:Er ist frwahr der Sohn gleichen Wesens, und darum wei niemand, wer der Sohnist, nur der Vater, und niemand wei, wer der Vater ist, nur der Sohn; jener Sohn ister, der fr uns Menschen und zu unserem Heil... Mensch geworden ist... durch denHeiligen Geist... von der Jungfrau Maria.

    6. Der auferstandene Christus: Empfangt den Heiligen Geist

    22. Durch seine Darstellung fhrt uns Lukas ganz in die Nhe jener Wahrheit, die inder Abschiedsrede des Abendmahlssaals enthalten ist. Jesus von Nazaret, erhht imHeiligen Geist, zeigt sich whrend dieser Rede und dieses Gesprches als derjenige,der den Geist bringt, der ihn um den Preis seines Fortgehens durch das Kreuz den

    Aposteln und der Kirche bringen und geben mu.

    Das Wort bringen bedeutet hier vor allem offenbaren. Im Alten Testament,angefangen vom Buch der Genesis, ist uns der Geist Gottes in etwa bekannt gewordenzunchst als Hauch Gottes, der das Leben gibt, als gttlicher Lebenshauch. ImBuch Jesaja wird er dargestellt als Gabe fr die Person des Messias, als derjenige,der auf ihm ruht, um das gesamte Heilswirken des Gesalbten von innen her zulenken. Am Jordan hat die Verheiung des Jesaja eine konkrete Form angenommen:

    Jesus von Nazaret ist derjenige, der im Heiligen Geist kommt und diesen als seineGabe in eigener Person bringt, um ihn durch seine Menschheit zu verbreiten: Er wird

    euch im Heiligen Geist taufen76. Im Lukasevangelium ist diese Offenbarung desHeiligen Geistes als innere Quelle des messianischen Lebens und Wirkens Jesu Christi

    ekrftigt und weiter entfaltet worden. Im Licht dessen, was Jesus in derAbschiedsrede des Abendmahlssaales sagt, wird der Heilige Geist in neuer undvollerer Weise offenbart. Er ist nicht nur eine Gabe fr eine Person (fr die Person desMessias), sondern ist als Gabe selbst eine Person. Jesus kndigt ihr Kommen an als daseines anderen Beistandes, der als Geist der Wahrheit die Apostel und die Kirche indie ganze Wahrheit fhren wird77. Das wird geschehen aufgrund der besonderenGemeinschaft zwischen dem Heiligen Geist und Christus: Er wird von dem, wasmein ist, nehmen und es euch verknden78. Diese Gemeinschaft hat ihre

    ursprngliche Quelle im Vater: Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ichgesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verknden79. Weil derHeilige Geist vom Vater stammt, wird er vom Vater gesandt80. Der Heilige Geistwurde zunchst gesandt als Gabe fr den menschgewordenen Sohn, um diemessianischen Verheiungen zu erfllen. Nach dem Fortgehen Christi, des Sohnes,wird der Heilige Geist dem johanneischen Text zufolge direkt kommen - das ist seineneue Sendung -, um das Werk des Sohnes zu vervollstndigen. So wird er es sein, derdie neue ra der Heilgeschichte zur Vollendung bringt.

    23. Wir stehen an der Schwelle zu den Osterereignissen. Die neue, endgltige

    Offenbarung des Heiligen Geistes als Person, die ganz Gabe ist, geschieht geradedann. Die Osterereignisse - Leiden, Tod und Auferstehung Christi - sind auch die Zeitdes erneuten Kommens des Heiligen Geistes, nun als Beistand und Geist der

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    ahrheit. Sie sind die Zeit des neuen Anfangs in der Selbstmitteilung desdreieinigen Gottes an die Menschheit im Heiligen Geist durch das Werk Christi, desErlsers. Dieser neue Anfang ist die Erlsung der Welt: Denn Gott hat die Welt sosehr geliebt, da er seinen einzigen Sohn hingab81. Bereits im Geben des Sohnes,im Geschenk des Sohnes, zeigt sich das tiefste Wesen Gottes, der ja als gttliche Liebedie unerschpfliche Quelle des Schenkens ist. Im Geschenk, das der Sohn gibt,vervollstndigen sich die Offenbarung und das Schenken der ewigen Liebe: DerHeilige Geist, der in den unergrndlichen Tiefen der Gottheit Geschenk als Person ist,wird durch den Sohn, das heit durch das Ostergeheimnis, in einer neuen Weise denAposteln und der Kirche und durch diese der Menschheit und der ganzen Weltgeschenkt.

    24. Seinen endgltigen Ausdruck erhlt dieses Geheimnis am Tag der Auferstehung.An diesem Tag wird Jesus von Nazaret, der dem Fleisch nach geboren ist alsNachkomme Davids, wie der Apostel Paulus schreibt, dem Geist der Heiligkeit

    nach eingesetzt... als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten82.So kann man sagen, da die Erhhung Christi als Messias im Heiligen Geist ihrenHhepunkt in der Auferstehung erreicht, in der er sich als Sohn Gottes offenbart, vollder Kraft. Und diese Kraft, deren Quellen in der unergrndlichen dreifaltigenGemeinschaft sprudeln, zeigt sich vor allem darin, da der auferstandene Christussowohl die schon durch den Mund des Propheten ausgesprochene Verheiung Gottes:Ich schenke euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist..., meinenGeist83, als auch seine eigene, den Aposteln gemachte Verheiung: Wenn ichfortgegangen bin, so werde ich ihn zu euch senden84, erfllt. Es ist der Geist der

    ahrheit, der Beistand, den der auferstandene Christus sendet, um uns in seine

    eigene Gestalt des Auferstandenen zu verwandeln85. So heit es im Evangelium: AmAbend dieses ersten Tages der Woche, als die Jnger aus Furcht vor den Juden dieTren verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede seimit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hnde und seine Seite. Da freutensich die Jnger, da sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede seimit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagthatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!86.

    Alle Einzelheiten dieses Schlsseltextes des Johannesevangeliums haben ihreAussagekraft, vor allem wenn wir sie im Bezug auf die Worte lesen, die am Beginn der

    Osterereignisse im selben Abendmahlssaal gesprochen worden sind. Nunmehrgelangen alle Ereignisse - das Triduum sacrum, die drei heiligen Tage Jesu, den derVater gesalbt und in diese Welt gesandt hat - zu ihrer Erfllung. Christus, der amKreuz seinen Geist aufgegeben hatte87 als Menschensohn und Lamm Gottes, gehtgleich nach der Auferstehung zu den Aposteln, um sie mit jener Kraft anzuhauchen,von der der Rmerbrief spricht88. Das Kommen des Herrn erfllt die Anwesendenmit Freude: Ihr Kummer wird sich in Freude verwandeln89, wie er selbst vorseinem Leiden schon versprochen hatte. Und vor allem verwirklicht sich diehauptschliche Verheiung der Abschiedsrede: Der auferstandene Christus bringtden Aposteln, indem er gleichsam eine neue Schpfung einleitet, den Heiligen Geist.

    Er bringt ihn um den Preis seines Fortgehens: Er schenkt ihnen diesen Geistgewissermaen durch die Wunden seiner Kreuzigung: Er zeigte ihnen seine Hnde

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    und seine Seite. Kraft dieser Kreuzigung kann er ihnen sagen: Empfangt denHeiligen Geist. Es bildet sich so ein enges Band zwischen dem Senden des Sohnesund dem Senden des Heiligen Geistes. Es gibt keine Sendung des Heiligen Geistes(nach der Ursnde) ohne das Kreuz und die Auferstehung: Wenn ich nicht fortgehe,wird der Beistand nicht zu euch kommen90.

    Es bildet sich auch ein enges Band zwischen der Sendung des Heiligen Geistes undder Sendung des Sohnes innerhalb der Erlsung. Die Sendung des Sohnes findet ingewissem Sinne ihre Vollendung in der Erlsung. Die Sendung des Heiligen Geistesschpft aus der Erlsung: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euchverknden91. Die Erlsung wird vollstndig gewirkt vom Sohn als dem Gesalbten,der in der Kraft des Heiligen Geistes gekommen ist und gehandelt hat, indem er sichschlielich am Holz des Kreuzes als Ganzopfer hingegeben hat. Aber zugleich wirddiese Erlsung im Herzen und Gewissen der Menschen - in der Geschichte der Welt -vom Heiligen Geist, dem anderen Beistand, stndig gewirkt.

    7. Der Heilige Geist und die Zeit der Kirche

    25. Als das Werk vollendet war, das der Vater dem Sohn auf Erden zu tunaufgetragen hatte (vgl. Joh 17, 4), wurde am Pfingsttag der Heilige Geist gesandt, aufda er die Kirche immerfort heilige und die Glubigen so durch Christus in einemGeiste Zugang htten zum Vater (vgl. Eph 2, 18). Er ist der Geist des Lebens, dieQuelle des Wassers, das zu ewigem Leben aufsprudelt (vgl. Joh 4, 14; 7, 38-39); durchihn macht der Vater die in der Snde erstorbenen Menschen lebendig, um endlich ihresterblichen Leiber in Christus aufzuerwecken (vgl. Rm 8, 10-11)92.

    In dieser Weise spricht das II. Vatikanische Konzil von der Geburt der Kirche amPfingsttag. Dieses Ereignis bildet die endgltige Offenbarung dessen, was schon amOstersonntag im selben Abendmahlssaal geschehen war. Der auferstandene Christuskam und brachte den Aposteln den Heiligen Geist. Er schenkt ihn mit den Worten:Empfangt den Heiligen Geist. Was damals im Innern des Abendmahlssaals, beiverschlossenen Tren, geschehen war, wird spter, am Pfingsttag, auch nachdrauen getragen, vor die Menschen. Es ffnen sich die Tren des Saales, und dieApostel wenden sich den Einwohnern und den zum Fest anwesenden Pilgern in

    Jerusalem zu, um in der Kraft des Heiligen Geistes fr Christus Zeugnis abzulegen.

    Auf diese Weise erfllt sich die Verheiung: Er (der Geist) wird fr mich Zeugnisablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid93.

    In einem anderen Dokument des II. Vatikanischen Konzils lesen wir: Ohne Zweifelwirkte der Heilige Geist schon in der Welt, ehe Christus verherrlicht wurde. AmPfingsttage jedoch ist er auf die Jnger herabgekommen, um auf immer bei ihnen zu

    leiben. Die Kirche wurde vor der Menge ffentlich bekanntgemacht, und dieAusbreitung des Evangeliums unter den Heiden durch die Verkndigung nahm ihrenAnfang94. Die Zeit der Kirche hat begonnen mit dem Kommen, das heit mit derHerabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel, die im Abendmahlssaal von

    Jerusalem mit Maria, der Mutter des Herrn, versammelt waren95.Die Zeit der Kirche hat in jenem Augenblick begonnen, als die Verheiungen und

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    Ankndigungen, die sich so ausdrcklich auf den Beistand, auf den Geist derahrheit, bezogen, anfingen, sich in aller Macht und Deutlichkeit an den Aposteln zu

    erfllen und so die Geburt der Kirche zu bewirken. Hiervon spricht ausfhrlich undan vielen Stellen die Apostelgeschichte, aus der sich ergibt, da der Heilige Geist imBewutsein der Urgemeinde, deren berzeugungen Lukas wiedergibt, dieunsichtbare - in gewisser Weise aber auch wahrnehmbare - Fhrung dererbernommen hat, die sich nach dem Fortgang des Herrn Jesus zutiefst als Waisenzurckgelassen fhlten. Mit dem Kommen des Geistes sahen sie sich nun in die Lageversetzt, die ihnen anvertraute Sendung zu erfllen. Sie fhlten sich voller Kraft.Ebendies hat der Heilige Geist bewirkt, und das bewirkt er in der Kirche stndig inihren Nachfolgern. Das Gnadengeschenk des Heiligen Geistes, das die Apostel durchdie Auflegung der Hnde an ihre Mitarbeiter weitergaben, wird ja in derBischofsweihe immer wieder bertragen. Die Bischfe ihrerseits geben im

    eihesakrament den geistlichen Anteil an dieser Gnadengabe und sorgen dafr, daim Firmsakrament alle, die wiedergeboren sind aus dem Wasser und dem Geist, darin

    estrkt werden. So bleibt die Pfingstgnade in gewisser Weise immer in der Kirchegegenwrtig.

    ie das Konzil schreibt, wohnt der Geist in der Kirche und in den Herzen derGlubigen wie in einem Tempel (vgl. 1 Kor 3, 16; 6, 19), in ihnen betet er und bezeugtihre Annahme an Sohnes Statt (vgl. Gal 4, 6; Rm 8, 15-16 u. 26). Er fhrt die Kirche inalle Wahrheit ein (vgl. Joh 16, 13), eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitetund lenkt sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben undschmckt sie mit seinen Frchten (vgl. Eph 4, 11-12; 1 Kor 12, 4; Gal 5, 22). Durch dieKraft des Evangeliums lt er die Kirche allezeit sich verjngen, erneuert sie

    immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Brutigam96.

    26. Die zitierten Stellen aus der Konzilskonstitution Lumen gentium sagen uns, damit dem Kommen des Heiligen Geistes die Zeit der Kirche begonnen hat. Sie sagenuns auch, da diese Zeit, die Zeit der Kirche, fortdauert. Sie dauert fort ber die

    Jahrhunderte und Generationen hinweg. In unserem Jahrhundert, in dem sich dieMenschheit bereits dem Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus nhert, hat sichdiese Zeit der Kirche einen besonderen Ausdruck im II. Vatikanischen Konzilgegeben, als dem Konzil unseres Jahrhunderts. Es ist ja bekannt, da dies vor allemein ekklesiologisches Konzil gewesen ist: ein Konzil ber das Thema der Kirche.

    Zugleich ist die Lehre dieses Konzils wesentlich pneumatologisch: durchdrungenvon der Wahrheit ber den Heiligen Geist als Seele der Kirche. Wir knnen sagen, dadas II. Vatikanische Konzil in seiner reichhaltigen Lehre gewi alles enthlt, was derGeist den Kirchen sagt97 im Hinblick auf die gegenwrtige Phase derHeilsgeschichte.

    Indem das Konzil der Fhrung des Geistes der Wahrheit gefolgt ist und zusammenmit ihm Zeugnis abgelegt hat, hat es die Gegenwart des Heiligen Geistes, desBeistandes, in besonderer Weise besttigt. In gewissem Sinne hat es diesen in unsererschwierigen Epoche erneut gegenwrtig gesetzt. Im Licht dieser berzeugung

    versteht man besser die groe Bedeutung aller Initiativen, welche die Verwirklichungdes II. Vatikanischen Konzils, seiner Lehre und seiner pastoralen wie kumenischenAusrichtung, zum Ziel haben. In diesem Sinne mssen auch die nachfolgenden

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    Versammlungen der Bischofssynode gesehen und gewertet werden, die bewirkenwollen, da die Frchte der Wahrheit und der Liebe - die echten Frchte des HeiligenGeistes - ein bleibendes Gut des Volkes Gottes auf seiner irdischen Pilgerschaft durchdie Jahrhunderte werden. Diese Arbeit der Kirche ist unerllich, um die vom Konzilgeschenkten Heilsfrchte des Geistes zu sichten und zu bestrken. Zu diesem Zweckmu man sie aufmerksam von allem zu unterscheiden wissen, was im Gegensatzdazu vor allem vom Herrscher dieser Welt98 stammen kann. Diese Unterscheidung

    ei der Verwirklichung des Konzilswerkes ist um so notwendiger, als das Konzil sichder heutigen Welt so geffnet hat, wie aus den wichtigen KonzilskonstitutionenGaudium et spes und Lumen gentium klar ersichtlich ist.

    ir lesen in der Pastoralkonstitution: Ist doch ihre eigene Gemeinschaft (der JngerChristi) aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrerPilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangenhaben, die allen auszurichten ist. Darum erfhrt diese Gemeinschaft sich mit der

    Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden99. Die Kirche weisehr wohl, da Gott, dem sie dient, allein die Antwort ist auf das tiefste Sehnen desmenschlichen Herzens, das an den Gaben der Erde nie voll sich sttigen kann100. Diewunderbare Vorsehung (des Geistes Gottes) leitet den Lauf der Zeiten und erneuertdas Antlitz der Erde101.

    II. DER GEIST, DER DIE WELT IHRER SNDE BERFHRT

    1. Snde, Gerechtigkeit und Gericht

    27. Als Jesus whrend der Abschiedsrede im Abendmahlssaal das Kommen desHeiligen Geistes um den Preis seines Fortgehens ankndigt und verspricht: Wennich fortgehe, werde ich ihn zu euch senden, fgt er im gleichen Zusammenhanghinzu: Und wenn er kommt, wird er die Welt berfhren (und aufdecken), wasSnde, Gerechtigkeit und Gericht ist102. Derselbe Beistand und Geist der Wahrheit,der versprochen ist als derjenige, der lehren und erinnern, der Zeugnis ablegenund in die ganze Wahrheit einfhren wird, wird mit den soeben zitierten Worten

    angekndigt als jener, der die Welt berfhren (und aufdecken) wird, was Snde,Gerechtigkeit und Gericht ist. Bedeutungsvoll erscheint auch der Kontext. Jesusverbindet diese Ankndigung des Heiligen Geistes mit den Worten, die auf seinFortgehen durch das Kreuz hinweisen, und unterstreicht sogar dessenNotwendigkeit: Es ist gut fr euch, da ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe,wird der Beistand nicht zu euch kommen103.

    Noch wichtiger aber ist die Erklrung, die Jesus selbst zu diesen drei Worten - Snde,Gerechtigkeit, Gericht - hinzufgt. Denn er sagt: Er wird die Welt berfhren (undaufdecken), was Snde, Gerechtigkeit und Gericht ist; Snde, da sie nicht an mich

    glauben; Gerechtigkeit, da ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht; Gericht,da der Herrscher dieser Welt gerichtet ist104. Snde, Gerechtigkeit und Gericht

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    haben im Denken Jesu einen sehr bestimmten Sinn, der sich von dem unterscheidet,den einer vielleicht diesen Worten geben mchte, unabhngig von der Erklrungdessen, der hier spricht. Diese Erklrung weist auch darauf hin, wie jenes die Weltberfhren verstanden werden soll, welches der Heilige Geist bewirkt. Hier istsowohl die Bedeutung der einzelnen Worte wie auch die Tatsache wichtig, da Jesussie miteinander im selben Satz verbunden hat.

    Snde bezeichnet an dieser Stelle den Unglauben, den Jesus inmitten der Seinenangetroffen hat, angefangen von seinen Mitbrgern in Nazaret. Sie bedeutet dieAblehnung seiner Sendung, die die Menschen dazu fhrt, ihn zum Tod zu verurteilen.

    enn Jesus anschlieend von Gerechtigkeit spricht, scheint er jene endgltigeGerechtigkeit vor Augen zu haben, die der Vater ihm zuteil werden lt, wenn er ihnmit der Herrlichkeit der Auferstehung und der Himmelfahrt bekleidet: Ich gehe zumVater. Im Zusammenhang der so verstandenen Snde und Gerechtigkeit

    edeutet Gericht sodann, da der Geist der Wahrheit die Schuld der Welt an der

    Verurteilung Jesu zum Tod am Kreuz aufzeigen wird. Doch ist Christus nicht nur indie Welt gekommen, um sie zu richten und zu verurteilen: Er ist gekommen, um siezu retten105. Die Welt der Snde und der Gerechtigkeit zu berfhren, hat ihreRettung zum Ziel, das Heil der Menschen. Genau diese Wahrheit scheint durch dieFeststellung betont zu werden, da das Gericht nur den Herrscher dieser Welt,das heit Satan, betrifft, der von Anfang an das Werk der Schpfung gegen das Heil,gegen den Bund und die Einheit des Menschen mit Gott mibraucht: Er ist vonAnfang an schon gerichtet. Wenn der Geist, der Beistand, die Welt gerade demGericht berfhren soll, so geschieht dies, um das Heilswerk Christi fortzusetzen.

    28. Wir wollen hier unsere Aufmerksamkeit hauptschlich auf diese Sendung desHeiligen Geistes richten, die die Welt der Snde berfhren soll, dabei aberzugleich auf den allgemeinen Kontext der Worte Jesu beim Abendmahl achten. DerHeilige Geist, der vom Sohn das Werk der Erlsung der Welt bernimmt, bernimmteben damit die Aufgabe, der Snde zu berfhren, um zu heilen. Dieses berfhrensteht in stndiger Beziehung zur Gerechtigkeit, das heit zum endgltigen Heil inGott, zur Vollendung der Heilskonomie, deren Mitte der gekreuzigte undverherrlichte Christus ist. Diese Heilskonomie Gottes entzieht den Menschengewissermaen dem Gericht, der Verdammung, von der die Snde Satans, desHerrschers dieser Welt, betroffen ist, der aufgrund seiner Snde Beherrscher dieser

    finsteren Welt106 geworden ist. Durch einen solchen Bezug zum Gericht erffnetsich ein weiter Horizont fr das Verstndnis von Snde und auch vonGerechtigkeit. Indem der Heilige Geist vor dem Hintergrund des Kreuzes Christidie Snde in der Heilskonomie (sozusagen die erlste Snde) aufzeigt, lt er unszugleich verstehen, wie es auch zu seiner Sendung gehrt, jener Snde zuberfhren, die schon endgltig verurteilt ist (die verurteilte Snde).

    29. Alle Worte, die vom Erlser im Abendmahlssaal vor seinem Leiden gesprochenwurden, prgen sich der Zeit der Kirche ein: vor allem jene ber den Heiligen Geist alsBeistand und Geist der Wahrheit. Sie prgen sich ihr in immer neuer Weise ein, in

    eder Generation, in jeder Epoche. Soweit es unser Jahrhundert betrifft, wird dies vonder gesamten Lehre des II. Vatikanischen Konzils, besonders aber von derPastoralkonstitution Gaudium et spes, besttigt. Viele Abschnitte dieses

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    Dokumentes zeigen deutlich, da sich das Konzil, indem es sich dem Licht des Geistesder Wahrheit ffnet, als der wahre Hort der Ankndigungen und Verheiungenversteht, die Christus den Aposteln und der Kirche in seiner Abschiedsrede gemachthat: in Besonderer Weise jener Ankndigung, nach welcher der Heilige Geist die Weltberfhren (und aufdecken) soll, was Snde, Gerechtigkeit und Gericht ist.

    Das zeigt schon der Text, in welchem das Konzil erklrt, wie es die Welt versteht:Vor seinen (des Konzils) Augen steht also die Welt der Menschen, das heit dieganze Menschheitsfamilie mit der Gesamtheit der Wirklichkeiten, in denen sie lebt;die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, von ihren Unternehmungen,Niederlagen und Siegen geprgt; die Welt, die nach dem Glauben der Christen durchdie Liebe des Schpfers begrndet ist und erhalten wird; die unter die Knechtschaftder Snde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durchBrechung der Herrschaft des Bsen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werdennach Gottes Heilsratschlu und zur Vollendung zu kommen107. In bezug auf diese

    kurz zusammenfassende Beschreibung sind alle anderen Abschnitte in dieserPastoralkonstitution zu lesen, die mit ganzem Glaubensrealismus die Situation derSnde in der gegenwrtigen Welt aufzuzeigen und auch ihr Wesen von verschiedenenSeiten her zu erklren suchen108. Wenn Jesus am Vorabend des Osterfestes vomHeiligen Geist als jenem spricht, der die Welt der Snde berfhren wird, mu manseiner Aussage einerseits den grtmglichen Umfang beimessen, insofern sie dieGesamtheit der Snden in der Geschichte der Menschheit umfat.

    enn Jesus andererseits jedoch erklrt, da diese Snde darin besteht, da sie nicht

    an ihn glauben, so scheint dieser Umfang sich auf diejenigen zu beschrnken die diemessianische Sendung des Menschensohnes verworfen und ihn zum Kreuzestodverurteilt haben. Aber es ist offenkundig, da dieser mehr eingeschrnkte undgeschichtlich festgelegte Umfang der Bedeutung von Snde schlielich universaleAusmae annimmt aufgrund der Universalitt der Erlsung, die durch das Kreuzvollbracht worden ist. Die Offenbarung des Geheimnisses der Erlsung erffnet den

    eg zu einem Verstndnis, in dem jede Snde, wo und wann auch immer sieegangen wurde, auf das Kreuz Christi bezogen wird - und so indirekt auch auf die

    Snde jener, die nicht an ihn geglaubt haben, indem sie Jesus Christus zum Tod amKreuz verurteilt haben.

    Von diesem Gesichtspunkt her mssen wir noch einmal zum Pfingstereigniszurckkehren.

    2. Das Zeugnis des Pfingsttages

    30. Die Verheiungen Christi in seiner Abschiedsrede und insbesondere dieAnkndigung, die wir hier behandeln: Der Beistand... wird die Welt der Sndeberfhren, fanden am Pfingsttag ihre wrtliche und unmittelbare Besttigung. Anenem Tag kam der verheiene Heilige Geist auf die Apostel herab, die zusammen mit

    Maria, der Mutter Jesu, im gleichen Abendmahlssaal zum Gebet versammelt waren,wie wir in der Apostelgeschichte lesen: Alle wurden mit dem Heiligen Geist erflltund begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab109,

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    indem sie so die verstreuten Rassen zur Einheit fhrten und dem Vater dasErstlingsopfer aller Nationen darboten110.

    Die Beziehung zwischen diesem Ereignis und der Ankndigung Christi istoffenkundig. Wir sehen hier die erste und grundlegende Erfllung der Verheiung

    des Beistandes. Vom Vater gesandt, kommt dieser nach dem Fortgehen Christi, umdessen Preis. Dies ist zunchst ein Fortgehen durch seinen Tod am Kreuz, dann aberauch, 40 Tage nach seiner Auferstehung, durch seine Himmelfahrt. Noch imAugenblick der Himmelfahrt gebietet Jesus den Aposteln: Geht nicht weg von

    Jerusalem, sondern wartet auf die Verheiung des Vaters, ihr werdet schon inwenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft; ihr werdet die Kraft des HeiligenGeistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugensein in Jerusalem und in ganz Juda und Samarian und bis an die Grenzen derErde111.

    Diese letzten Worte enthalten ein Echo oder eine Erinnerung an die Verheiung imAbendmahlssaal. Am Pfingsttag erfllt sich diese Verheiung ganz genau. Unter demAntrieb des Heiligen Geistes, den die Apostel whrend des Gebetes imAbendmahlssaal empfangen haben, zeigt sich Petrus vor einer groen Schar vonMenschen verschiedener Sprachen, die zum Fest versammelt sind, und spricht zuihnen. Er verkndet, was er vorher nicht den Mut gehabt htte zu sagen: Israeliten, ...

    Jesus, den Nazorer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten,under und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat..., ihn, der nach Gottes

    eschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Handvon Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Gott aber hat ihn von den

    ehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmglich, da er vom Todfestgehalten wurde112.

    Jesus hatte es vorausgesagt und versprochen: Er wird Zeugnis fr mich ablegen, undauch ihr sollt Zeugnis ablegen. Mit der ersten Rede des Petrus in Jerusalem nimmtenes Zeugnis seinen deutlichen Anfang: Es ist das Zeugnis ber Christus, denGekreuzigten und Auferstandenen, das Zeugnis des Geistes und Beistandes sowie dasder Apostel. In den Worten jenes ersten Zeugnisses berfhrt der Geist der

    ahrheit durch den Mund des Petrus die Welt der Snde: vor allem jener Snde,die in der Zurckweisung Christi bis zur Verurteilung zum Tod, bis zum Kreuz auf

    Golgota, besteht. Verkndigungen mit hnlichem Inhalt wiederholen sich nach denTexten der Apostelgeschichte bei anderen Gelegenheiten und an verschiedenenOrten113.

    31. Von diesem Erstzeugnis zu Pfingsten an ist das Handeln des Geistes der Wahrheit,der die Welt der Snde der Zurckweisung Christi berfhrt, eng mit der Bezeugungdes sterlichen Geheimnisses verbunden: mit dem Geheimnis des Gekreuzigten undAuferstandenen. In dieser Verbindung offenbart dieses der Snde berfhren seineheilschaffende Dimension. Es ist ja ein berfhren, dessen Ziel nicht die bloeAnklage der Welt ist, noch weniger ihre Verdammung. Jesus Christus ist nicht in die

    elt gekommen, um sie zu verurteilen und zu verdammen, sondern um sie zuretten114. Das wird bereits in dieser ersten Rede unterstrichen, wenn Petrus ausruft:Mit Gewiheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und

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    Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt115. Und als darauf dieAnwesenden Petrus und die anderen Apostel fragen: Was sollen wir tun, Brder?antwortet dieser: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christitaufen zur Vergebung seiner Snden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistesempfangen116. Auf diese Weise wird das der Snde berfhren zugleich einberzeugen von der Vergebung der Snden in der Kraft des Heiligen Geistes. Inseiner Rede zu Jerusalem ruft Petrus zur Umkehr auf, so wie Jesus seine Zuhrer amBeginn seiner messianischen Sendung aufgerufen hat117. Umkehr erfordert, von derSnde berzeugt zu werden; sie enthlt ein inneres Gewissensurteil, und da dieseseine Prfung durch das Handeln des Geistes der Wahrheit im Herzen des Menschenist, wird es zugleich zum Beginn einer neuen Ausspendung von Gnade und Liebe:Empfangt den Heiligen Geist118. Wir entdecken so in diesem der Sndeberfhren eine doppelte Gabe: das Geschenk der Wahrheit des Gewissens und dasGeschenk der Gewiheit der Erlsung. Der Geist der Wahrheit ist auch der Beistand.

    Das berfhren der Snde durch den Dienst der apostolischen Verkndigung in derUrkirche, wird - unter dem Antrieb des Pfingstgeistes - auf die erlsende Kraft desgekreuzigten und auferstandenen Christus bezogen. So erfllt sich die auf denHeiligen Geist gerichtete vorsterliche Verheiung: Er nimmt von dem, was mein ist,und wird es euch verknden. Wenn darum Petrus whrend des Pfingstereignissesvon der Snde jener spricht, die nicht geglaubt haben119 und die Jesus von Nazareteinem schmachvollen Tod bergeben haben, legt er Zeugnis ab fr den Sieg ber dieSnde: Ein Sieg, der in gewissem Sinne durch die grte Snde vollbracht wordenist, die der Mensch begehen konnte: die Ttung Jesu, des Gottessohnes, der dem Vaterwesensgleich ist! hnlich besiegt der Tod des Sohnes Gottes den Tod des Menschen

    Ich werde dein Tod sein, o Tod,120 wie die Snde, den Sohn Gottes gekreuzigt zuhaben, die menschliche Snde besiegt! Jene Snde, die sich am Karfreitag in

    Jerusalem ereignete - und auch jede Snde des Menschen. Der grten Snde vonseiten des Menschen entspricht nmlich im Herzen des Erlsers die Darbietung derhchsten Liebe, die das Bse aller Snden der Menschen berwindet. Auf derGrundlage dieser Gewiheit zgert die Kirche nicht, in der rmischen Liturgie jedes

    Jahr whrend der Feier der Osternacht, wenn der Diakon die Auferstehung mit demGesang des Exsultet verkndet, die Worte zu wiederholen: O glckliche Schuld!

    32. Von dieser unsagbaren Wahrheit kann jedoch niemand die Welt, den Menschen,

    das menschliche Gewissen berzeugen, wenn nicht er selbst, der Geist der Wahrheit.Er ist der Geist, der die Tiefen Gottes ergrndet121. Angesichts des Geheimnissesder Snde mu man die Tiefen Gottes ganz und gar ergrnden. Es gengt nicht, dasmenschliche Gewissen, das innerste Geheimnis des Menschen zu durchforschen,sondern man mu in das innerste Geheimnis Gottes vordringen, in jene TiefenGottes, die man so zusammenfassen kann: zum Vater - im Sohn -durch den HeiligenGeist. Der Heilige Geist ist es, der sie ergrndet, und von dort her gibt er dieAntwort Gottes auf die Snde des Menschen. Mit dieser Antwort endet der Vorgang,durch den dieser die Welt ihrer Snde berfhrt, wie es das Pfingstereignis deutlichmacht.

    Indem der Heilige Geist so die Welt der Snde von Golgota, des Todes desunschuldigen Lammes, berfhrt, wie es am Pfingsttag geschieht, deckt er auch jede

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    im Wort des Vaters. Die Zurckweisung uert sich praktisch als Ungehorsam, imEingehen auf die Versuchung, die vom Vater der Lge129 ausgeht. An der Wurzelmenschlicher Snde steht also die Lge, radikale Zurckweisung der Wahrheit, die im

    ort des Vaters enthalten ist, durch das sich die liebevolle Allmacht des Schpfersausdrckt: die Allmacht und zugleich die Liebe Gottes des Vaters, des Schpfers desHimmels und der Erde.

    34. Der Geist Gottes, der nach der biblischen Darstellung der Schpfung ber denassern schwebte130, bezeichnet denselben Geist, der die Tiefen Gottes ergrndet:

    Er ergrndet die Tiefen des Vaters sowie des Sohnes und Ewigen Wortes imGeheimnis der Schpfung. Er ist nicht nur der unmittelbare Zeuge ihrer gegenseitigenLiebe, aus der die Schpfung hervorgeht, sondern ist selbst diese Liebe. Er selbst ist alsLiebe ewiges, unerschaffenes Geschenk. In ihm ist der Ursprung und Anfang jederGabe fr die Geschpfe. Das Zeugnis vom Anfang, das wir vom Buch Genesis an inder ganzen Offenbarung finden, ist in diesem Punkt eindeutig. Erschaffen heit aus

    dem Nichts in das Sein rufen; erschaffen will also sagen, Existenz schenken. Undwenn die sichtbare Welt fr den Menschen geschaffen wird, dann wird ihm damit die

    elt als Geschenk gegeben131. Gleichzeitig erhlt derselbe Mensch fr sein Wesen einesonderes Bild und Gleichnis Gottes zum Geschenk. Das bedeutet nicht nur

    Verstand und Freiheit als konstitutive Eigenschaften der menschlichen Natur, sondernauch von Anfang an die Fhigkeit zur personalen Beziehung mit Gott, als ich unddu, und so die Fhigkeit, einen Bund mit ihm zu schlieen, zu dem es durch dieheilschaffende Selbstmitteilung Gottes an den Menschen kommen wird. Auf demHintergrund jenes Bildes und Gleichnisses Gottes bedeutet das Geschenk desGeistes schlielich die Berufung zur Freundschaft, bei der sich die transzendenten

    Tiefen Gottes gleichsam ffnen, damit der Mensch daran teilhaben kann. Das II.Vatikanische Konzil lehrt: Der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1, 15; 1 Tim 1, 17) redet ausberstrmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33, 11; Joh 15, 14-15) undverkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3, 38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen undaufzunehmen132.

    35. Deswegen kennt der Geist, der alles, auch die Tiefen Gottes ergrndet, vonAnfang an die Geheimnisse des Menschen133. Aus diesem Grund kann nur ervollkommen der Snde berfhren, die es von Anfang an gab, jener Snde, die die

    urzel aller anderen Snden und der Herd der Sndhaftigkeit des Menschen auf der

    Erde ist, der nie erlischt. Der Geist der Wahrheit kennt die Ursnde, die durch denVater der Lge - durch den, der schon gerichtet ist134 - im Willen des Menschenverursacht wird. Der Heilige Geist berfhrt also die Welt der Snde im Hinblick aufdieses Urteil, aber auch, indem er stndig zu jener Gerechtigkeit hinfhrt, die demMenschen zusammen mit dem Kreuz Christi offenbart worden ist: durch denGehorsam bis zum Tod135.

    Nur der Heilige Geist kann der Snde des menschlichen Anfangs berfhren, erallein, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist, er, der ganz und gar Geschenk ist,whrend die Snde des menschlichen Anfangs in der Lge und in der Zurckweisung

    dieses Geschenkes und dieser Liebe besteht, die ber den Anfang der Welt und desMenschen bestimmen.

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    36. Dem Zeugnis vom Anfang entsprechend, das wir in der Heiligen Schrift und in derTradition finden, wird die Snde nach der ersten und auch vollstndigerenBeschreibung im Buch Genesis in ihrer ursprnglichen Form als Ungehorsamverstanden, was einfach und direkt bertretung eines von Gott gegebenen Verbotes

    edeutet136. Aber im Licht des ganzen Zusammenhanges ist es auch offenkundig, dadie Wurzeln dieses Ungehorsams in der Tiefe der gesamten konkreten Wirklichkeitdes Menschen gesucht werden mssen. Nachdem er ins Dasein gerufen ist, bleibt derMensch - Mann und Frau - ein Geschpf. Das Abbild Gottes, das in Vernunft undFreiheit besteht, besagt die Gre und die Wrde des Menschen, der Person ist. Aberdiese Person bleibt doch immer ein Geschpf: In ihrem Sein und Wesen hngt sie vomSchpfer ab. Nach dem Buch Genesis sollte der Baum der Erkenntnis des Guten unddes Bsen die fr ein geschaffenes Wesen unberschreitbare Grenze zumAusdruck bringen und sie dem Menschen stndig in Erinnerung rufen. So wird alsdas Verbot Gottes verstanden: Der Schpfer verbietet dem Mann und der Frau, vonden Frchten des Baumes der Erkenntnis von Gut und Bse zu essen. Die Worte derEinflsterung oder Versuchung, wie sie in der Heiligen Schrift beschrieben wird,verfhren dazu, dieses Verbot zu bertreten - das heit, die Grenze zuberschreiten: Sobald ihr davon et, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott(>wie Gtter

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    Darstellung der Genesis kann man leicht den graduellen Unterschied zwischen dembsen Hauch dessen, der von Anfang an sndigt (oder in der Snde verharrt)140und der schon gerichtet ist141, und der Bosheit des Ungehorsams des Menschenfeststellen.

    Aber auch dieser Ungehorsam bedeutet immer, Gott den Rcken zu kehren, ingewissem Sinn ein Sichverschlieen der menschlichen Freiheit ihm gegenber. Er

    edeutet aber auch eine gewisse ffnung dieser Freiheit - des Gewissens und desmenschlichen Willens - auf den hin, der der Vater der Lge ist. Dieser Akt bewuterEntscheidung ist nicht blo Ungehorsam, sondern bringt auch eine gewisseZustimmung zu jener Motivation mit sich, die in der ersten Anstiftung zur Sndeenthalten ist und in der ganzen Geschichte des Menschen auf Erden stndig erneuertwird: Gott wei vielmehr: Sobald ihr davon et, gehen euch die Augen auf; ihrwerdet wie Gott und erkennt Gut und Bse.

    ir befinden uns hier mitten im Zentrum dessen, was man das Gegen-Wort, dasheit die Gegen-Wahrheit, nennen knnte. Die Wahrheit des Menschen wird in derTat verflscht: wer der Mensch ist und welches die unberschreitbaren Grenzen seinesSeins und seiner Freiheit sind. Diese Gegen-Wahrheit ist mglich, weil gleichzeitigdie Wahrheit darber, wer Gott ist, vollstndig verflscht wird. Gott, der Schpfer,wird im Gewissen des Geschpfes verdchtigt, ja sogar angeklagt. Zum erstenmal inder Geschichte des Menschen erscheint hier der bse Geist der Verdchtigung. Ersucht das Gute an sich, das absolute Gute, zu verflschen, das sich gerade imSchpfungswerk als das Gute offenbart hat, das sich in unsagbarer Weise schenkt: alsbonum diffusivum sui - als das Gute, das sich verstrmt -, als schpferische Liebe.

    er knnte vollkommen der Snde berfhren oder diese Motivation desursprnglichen Ungehorsams des Menschen aufdecken, wenn nicht der, der allein dasGeschenk und die Quelle aller Ausspendung ist, wenn nicht der Geist, der die TiefenGottes ergrndet und der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist?

    38. Gegen das gesamte Zeugnis der Schpfung und der mit ihr verbundenenHeilskonomie ist der Geist der Finsternis142 dazu fhig, Gott als Feind seineseigenen Geschpfes hinzustellen und vor allem als Feind des Menschen, als Quellevon Gefahr und Bedrohung fr den Menschen. Auf diese Weise wird von Satan in dieSeele des Menschen der Keim des Widerstandes gegen den eingepflanzt, der als Feind

    des Menschen von Anbeginn betrachtet werden soll - und nicht als Vater. DerMensch wird herausgefordert, der Gegner Gottes zu werden! Die Analyse der Sndein ihrer ursprnglichen Dimension zeigt, da der Vater der Lge dieMenschheitsgeschichte hindurch einen stndigen Druck ausbt zur ZurckweisungGottes von seiten des Menschen bis hin zum Ha: Amor sui usque ad contemptumDei - Selbstliebe bis zur Verachtung Gottes, wie es der heilige Augustinusausdrckt143. Der Mensch neigt dann dazu, in Gott vor allem seine eigeneBegrenzung zu sehen und nicht die Quelle seiner Befreiung und die Flle des Guten.Das sehen wir in der modernen Zeit besttigt, in der die atheistischen Ideologien dieReligion aufgrund der Annahme auszurotten trachten, da sie eine radikale

    Entfremdung des Menschen bewirke, als ob der Mensch seines eigenen Menschseinseraubt wrde, indem er in der Bejahung der Idee Gottes diesem zuschreibe, was demMenschen und ausschlielich dem Menschen gehre. Hieraus hat sich eine

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    Entwicklung im Denken und in der historisch-soziologischen Praxis ergeben, bei derdie Zurckweisung Gottes bis zur Erklrung seines Todes gelangte. Einegedankliche und sprachliche Absurditt! Die Ideologie des Todes Gottes bedrohtaber vielmehr den Menschen, wie es das II. Vatikanische Konzil aufzeigt, wenn es beider Behandlung der Frage nach der Autonomie der irdischen Wirklichkeitenschreibt: Das Geschpf sinkt ohne den Schpfer ins Nichts. berdies wird dasGeschpf selbst durch das Vergessen Gottes unverstndlich144. Die Ideologie desTodes Gottes beweist in ihren Auswirkungen leicht, auf theoretischer wiepraktischer Ebene eine Ideologie des Todes des Menschen zu sein.

    4. Der Geist, der das Leiden in heilbringende Liebe wandelt

    39. Der Geist, der die Tiefen Gottes ergrndet, wird von Jesus in seiner Rede imAbendmahlssaal Paraklet, Beistand, genannt. Er wird ja seit dem Anfang angerufen,um die Welt der Snde zu berfhren145. In endgltiger Weise wird er durch das

    Kreuz Christi angerufen. Der Snde berfhren bedeutet, das Bse, das in ihr ist,aufzuzeigen. Das entspricht dem Aufdecken der geheimen Macht des Bsen. Es istnicht mglich, das Bse der Snde in seiner ganzen schmerzhaften Wirklichkeit zuerfassen, ohne die Tiefen Gottes zu ergrnden. Seit dem Anfang zeigt sich dasdunkle Geheimnis der Snde in der Welt vor dem Hintergrund seiner Beziehung zumSchpfer der menschlichen Freiheit. Es zeigt sich als Willensakt desMenschengeschpfes gegen den Willen Gottes: gegen den Heilswillen Gottes; ja, sogarals Widerspruch zur Wahrheit, als Folge der Lge, die bereits endgltig gerichtet ist:der Lge, die die schpferische und heilbringende gttliche Liebe selbst stndiganklagt und verdchtigt. Der Mensch ist dem Vater der Lge gefolgt, indem er sich

    dem Vater des Lebens und dem Geist der Wahrheit widersetzt hat.

    Sollte dieses der Snde berfhren demnach nicht auch das Aufdecken des Leidensedeuten? Das Aufdecken des unfabaren und unaussprechlichen Schmerzes, den die

    Heilige Schrift in ihrer anthropomorphen Sicht wegen der Snde in den TiefenGottes und gewissermaen sogar im Herzen der unbegreiflichen Dreifaltigkeit zusehen scheint? Die Kirche, von der Offenbarung inspiriert, glaubt und bekennt, dadie Snde eine Beleidigung Gottes ist. Was entspricht im unergrndbaren Innern desVaters, des Wortes und des Heiligen Geistes dieser Beleidigung, dieserZurckweisung des Geistes, der Liebe und Geschenk ist? Der Begriff von Gott als des

    unbedingt vollkommensten Wesens schliet ganz gewi jeden Schmerz von Gott aus,der aus einem Mangel oder einer Verletzung kme; aber es gibt in den Tiefen Gotteseine Liebe des Vaters, die angesichts der Snde des Menschen so stark reagiert, da esin der Sprache der Bibel sogar heit: Es reut mich, den Menschen gemacht zuhaben146. Der Herr sah, da auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm... Da reute es den Herrn, den Menschen auf der Erde gemacht zu haben, und es tatseinem Herzen weh. Der Herr sagte: >Es reut mich, sie gemacht zu haben

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    erweisen kann als die Snde. Damit die Gnadengabe Gottes siegt!

    Der Heilige Geist, der nach den Worten Jesu der Snde berfhrt, ist die Liebe desVaters und des Sohnes, und als solche ist er die dreifaltige Gnadengabe und zugleichdie ewige Quelle aller gttlichen Gaben fr die Geschpfe. Gerade in ihm knnen wir

    enes Erbarmen in Gestalt einer Person erblicken und in transzendenter Weise amerk sehen, wie es die patristische und theologische Tradition auf der Linie des Alten

    und Neuen Testamentes Gott zuschreibt. Im Menschen umfat das Erbarmen Schmerzund Mitleid fr das Elend des Nchsten. In Gott fhrt der Geist, der Liebe ist, von der

    ahrnehmung menschlicher Snde hin zu einer neuen Ausspendung heilbringenderLiebe. In Einheit mit dem Vater und dem Sohn geht aus ihm das Heilswerk hervor,das die Geschichte des Menschen mit den Gaben der Erlsung erfllt. Wenn die Sndedurch die Zurckweisung der Liebe das Leiden des Menschen hervorgebracht hat,das sich in gewisser Weise ber die ganze Schpfung ausgedehnt hat148, soll derHeilige Geist in das menschliche und kosmische Leiden mit einer neuen Ausspendung

    der Liebe eingehen, die die Welt erlsen wird. Und aus dem Munde Jesu, des Erlsers,in dessen Menschsein sich das Leiden Gottes bewahrheitet, wird ein Wort zu hrensein, in dem sich die ewige Liebe voll gttlichen Erbarmens zeigt: Misereor - Ichhabe Mitleid149. So verwandelt der Heilige Geist das der Snde berfhrengegenber der Schpfung, die der Vergnglichkeit unterworfen ist, und vor allem inder Tiefe des menschlichen Gewissens in eine Offenbarung darber, wie die Sndedurch das Opfer des Gotteslammes besiegt wird, des Messias, der bis in den Todder gehorsame Knecht geworden ist und die Erlsung der Welt bewirkt, indem er denUngehorsam des Menschen wiedergutmacht. Das ist die Weise, wie der Geist der

    ahrheit, der Beistand, der Snde berfhrt.

    40. Der erlsende Wert des Opfers Christi wird mit sehr bedeutungsvollen Wortenvom Verfasser des Hebrerbriefes ausgedrckt, der an die Opfer des Alten Bundeserinnert, bei denen das Blut von Bcken und Stieren... leiblich rein macht, und dannhinzufgt: Wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen GeistesGott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werkenreinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen?150 Wenn wir auch um anderemgliche Interpretationen wissen, so fhren uns unsere berlegungen ber dieGegenwart des Heiligen Geistes im ganzen Leben Christi dazu, in diesem Textgleichsam eine Einladung zu erblicken, ber die Gegenwart dieses Geistes auch im

    erlsenden Opfer des menschgewordenen Wortes nachzudenken.

    Betrachten wir zunchst die Anfangsworte, die von diesem Opfer handeln, und dann,getrennt davon, die Reinigung des Gewissens, die es bewirkt. Es ist wirklich einOpfer, das kraft (= durch das Wirken) ewigen Geistes dargebracht worden ist, derdaraus die Kraft schpft, um des Heiles willen der Snde zu berfhren. Es istderselbe Heilige Geist, den Jesus Christus nach der Verheiung im Abendmahlssaalam Tag seiner Auferstehung den Aposteln bringen wird, wenn er sich ihnen mit den

    unden der Kreuzigung zeigt, und den er ihnen zur Vergebung der Sndenschenkt: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Snden vergebt, dem sind sie

    vergeben151.

    ir wissen, da Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist, wie

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    Simon Petrus im Haus des Hauptmanns Cornelius sagte152. Wir kennen das sterlicheGeheimnis seines Fortgehens, wie es das Johannesevangelium darstellt. Die Wortedes Hebrerbriefes erklren uns nun, in welcher Weise sich Christus selbst alsmakelloses Opfer Gott dargebracht hat, und wie er dies kraft ewigen Geistesgemacht hat. Der Heilige Geist ist im Opfer des Menschensohnes gegenwrtig undhandelt dort so, wie er bei seiner Empfngnis gehandelt hat, bei seinem Kommen indiese Welt, in seinem verborgenen Leben und seinem ffentlichen Wirken. Nach d