Dr. Ulrike Murmann Predigt am Ostersonntag, 31.3.2013 in ... · PDF fileRevolution im Himmel...

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Dr. Ulrike Murmann Predigt am Ostersonntag, 31.3.2013 in St. Katharinen Text: Joh 20, 11-18 Liebe Gemeinde, wir sind Suchende, eigentlich sind wir ein Leben lang auf der Suche, nach Liebe, nach Erfüllung, nach Glück, nach Erfolgnach etwas, das unserem Leben Sinn gibt. Oder kennen Sie jemand, der von sich sagt, er hätte alles gefunden und alles erreicht, er sei an seinem Ziel angekommen, am Ende, satt? Sogar die Menschen, die im Sterben liegen und den Tod vor Augen haben, suchen noch und fragen nach dem, was danach kommt, dem Leben nach dem Tod. Wir sind Suchende. Dieser wunderbare Evangeliumstext des Ostermorgens erzählt genau dieses auch von Maria: Sie sucht Jesus, sie sucht einen Toten, der für ihr alles bedeutete, ihr Lehrer, ihr Meister, wahrscheinlich die Liebe ihres Lebens. Sie sucht symbolisch gesprochen nach einem Leben nach seinem Tod, denn sie muss weiterleben – ohne ihn geht es nicht. Aber der tote Jesus ist verschwunden und sie fürchtet, dass die Soldaten seinen Leichnam weggeschafft haben. Dort, wo er gelegen hat, erscheinen zwei Engel und fragen die verzweifelte Frau: Was weinst du? Ich suche meinen Herrn, ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben? Maria auf der Suche – ein Sinnbild für uns Menschen? Was suchen Sie? liebe Gemeinde? Was suchen Sie heute Morgen? Die frohe Botschaft des Osterfestes, die Ansage, dass die Macht des Todes ein für alle mal gebrochen ist, die Gemeinschaft der Glaubenden, die sich mit Ihnen darüber freuen wollen, die erhebende Musik von Johann Sebastian Bach, eine heitere Predigt? Einen Osterwitz vielleicht? Einige von Ihnen kennen das ja schon aus vergangenen Osterpredigten. Ich habe selbst Freude an dem alten Brauch des Osterlachens. Er stammt aus dem Mittelalter, als Priester auf den Kanzeln die Osterfreude der Auferstehung mit lustigen Geschichten und Anekdoten würzten: Über den Tod und den Teufel durfte gelacht werden, sie waren besiegt und hatten keine Macht mehr über die Menschen. Irgendwer hat diesen Brauch wiederentdeckt und seitdem stimmen auch wir in das Osterlachen ein und nehmen uns die Freiheit, den einen oder anderen Witz von der Kanzel zum Besten zu geben. Besonders gern solche, die aus unserem pastoralen Umfeld stammen, wie dieser von einem Pastor aus DithmarschenZum Erntedankfest besucht er seine Bauern. Bauer Hinnerk zeigt ihm seinen Hof mit den bestellten Feldern, den gefüllten Scheunen und den neuen Maschinen nicht ohne Stolz. „Denk dran“, ermahnt ihn der Pastor, „wem du das zu verdanken hast. Gott hat bei alldem mitgeholfen.“ „Weiß ich doch“, antwortet Hinnerk. „Aber, Herr Pastor, Sie hätten mal sehen sollen, wie runtergekommen der Hof war, als Gott ihn noch allein bewirtschaftet hat.“ Zum Anlass des Osterfestes und der Freude über die Auferstehung passen natürlich besonders die Witze, die sich mit Himmel oder Hölle befassen. Zum Beispiel dieser: Ein älteres Ehepaar kommt in den Himmel und aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier ist alles hell, leicht und bequem. Hier dürfen sie nach Herzenslust essen, trinken, schlafen und entspannen. Die Frau ist hellauf begeistert, der Mann auch und raunt ihr zu: Siehst du, das hätten wir alles viel eher haben können, hättest du nicht täglich auf deinem Gesundheitsprogramm bestandenBesonders hintersinnig und in diesem Jahr mein Favorit ist der, gefunden in einem Magazin des SZ vor einigen Wochen: Karl Marx kommt in die Hölle und macht sofort Revolution. Die Bewohner der Hölle sind begeistert, der Teufel ist verzweifelt und ruft Gott an: „Bitte, Gott, kannst du den Marx eine Weile bei dir im Himmel aufnehmen? Nur kurz. Ich verspreche, ich nehme ihn wieder.“ Gott ist einverstanden. Zwei Wochen vergehen, und der Teufel hört nichts von Gott. Er greift zum Hörer und ruft im Himmel an: „He, Gott, willst du denn den Marx nicht wieder loswerden?“ Sagt Gott: „Welcher Gott?“

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Dr. Ulrike Murmann Predigt am Ostersonntag, 31.3.2013 in St. Katharinen Text: Joh 20, 11-18 Liebe Gemeinde, wir sind Suchende, eigentlich sind wir ein Leben lang auf der Suche, nach Liebe, nach Erfüllung, nach Glück, nach Erfolg… nach etwas, das unserem Leben Sinn gibt. Oder kennen Sie jemand, der von sich sagt, er hätte alles gefunden und alles erreicht, er sei an seinem Ziel angekommen, am Ende, satt? Sogar die Menschen, die im Sterben liegen und den Tod vor Augen haben, suchen noch und fragen nach dem, was danach kommt, dem Leben nach dem Tod. Wir sind Suchende. Dieser wunderbare Evangeliumstext des Ostermorgens erzählt genau dieses auch von Maria: Sie sucht Jesus, sie sucht einen Toten, der für ihr alles bedeutete, ihr Lehrer, ihr Meister, wahrscheinlich die Liebe ihres Lebens. Sie sucht symbolisch gesprochen nach einem Leben nach seinem Tod, denn sie muss weiterleben – ohne ihn geht es nicht. Aber der tote Jesus ist verschwunden und sie fürchtet, dass die Soldaten seinen Leichnam weggeschafft haben. Dort, wo er gelegen hat, erscheinen zwei Engel und fragen die verzweifelte Frau: Was weinst du? Ich suche meinen Herrn, ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben? Maria auf der Suche – ein Sinnbild für uns Menschen? Was suchen Sie? liebe Gemeinde? Was suchen Sie heute Morgen? Die frohe Botschaft des Osterfestes, die Ansage, dass die Macht des Todes ein für alle mal gebrochen ist, die Gemeinschaft der Glaubenden, die sich mit Ihnen darüber freuen wollen, die erhebende Musik von Johann Sebastian Bach, eine heitere Predigt? Einen Osterwitz vielleicht? Einige von Ihnen kennen das ja schon aus vergangenen Osterpredigten. Ich habe selbst Freude an dem alten Brauch des Osterlachens. Er stammt aus dem Mittelalter, als Priester auf den Kanzeln die Osterfreude der Auferstehung mit lustigen Geschichten und Anekdoten würzten: Über den Tod und den Teufel durfte gelacht werden, sie waren besiegt und hatten keine Macht mehr über die Menschen. Irgendwer hat diesen Brauch wiederentdeckt und seitdem stimmen auch wir in das Osterlachen ein und nehmen uns die Freiheit, den einen oder anderen Witz von der Kanzel zum Besten zu geben. Besonders gern solche, die aus unserem pastoralen Umfeld stammen, wie dieser von einem Pastor aus Dithmarschen… Zum Erntedankfest besucht er seine Bauern. Bauer Hinnerk zeigt ihm seinen Hof mit den bestellten Feldern, den gefüllten Scheunen und den neuen Maschinen nicht ohne Stolz. „Denk dran“, ermahnt ihn der Pastor, „wem du das zu verdanken hast. Gott hat bei alldem mitgeholfen.“ „Weiß ich doch“, antwortet Hinnerk. „Aber, Herr Pastor, Sie hätten mal sehen sollen, wie runtergekommen der Hof war, als Gott ihn noch allein bewirtschaftet hat.“ Zum Anlass des Osterfestes und der Freude über die Auferstehung passen natürlich besonders die Witze, die sich mit Himmel oder Hölle befassen. Zum Beispiel dieser: Ein älteres Ehepaar kommt in den Himmel und aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier ist alles hell, leicht und bequem. Hier dürfen sie nach Herzenslust essen, trinken, schlafen und entspannen. Die Frau ist hellauf begeistert, der Mann auch und raunt ihr zu: Siehst du, das hätten wir alles viel eher haben können, hättest du nicht täglich auf deinem Gesundheitsprogramm bestanden… Besonders hintersinnig und in diesem Jahr mein Favorit ist der, gefunden in einem Magazin des SZ vor einigen Wochen: Karl Marx kommt in die Hölle und macht sofort Revolution. Die Bewohner der Hölle sind begeistert, der Teufel ist verzweifelt und ruft Gott an: „Bitte, Gott, kannst du den Marx eine Weile bei dir im Himmel aufnehmen? Nur kurz. Ich verspreche, ich nehme ihn wieder.“ Gott ist einverstanden. Zwei Wochen vergehen, und der Teufel hört nichts von Gott. Er greift zum Hörer und ruft im Himmel an: „He, Gott, willst du denn den Marx nicht wieder loswerden?“ Sagt Gott: „Welcher Gott?“

Revolution im Himmel oder Verwirrung in der Hölle? Darf man solche Witze machen? An Ostern darf man, mit ihnen überschreiten wir Grenzen, befreien uns von enger Moral und biederer Frömmigkeit und praktizieren den Aufstand des Geistes über alle Norm – Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, Tod und Teufel, unsere Trübsal und unsere Trauer sind überwindbar. Das ist die Botschaft, die alles übersteigt, was wir denken, fühlen und nachvollziehen können. Der Lieddichter Paul Gerhardt formuliert das so: Die Welt ist mir ein Lachen, mit ihrem großen Zorn, sie zürnt und kann nichts machen, all Arbeit ist verloren. Die Trübsal trübt mir nicht, mein Herz und Angesicht, das Unglück ist mein Glück, die Nacht mein Sonnenblick. Alles hat sich verkehrt, die Vorzeichen sind geändert, der Tod ist nicht das Ende – das konnte niemand erwarten, die Jünger nicht, auch Maria nicht. Immer noch steht sie weinend am Grab, wendet sich um und sucht den Toten im Garten. Plötzlich steht Jesus vor ihr, aber sie erkennt ihn nicht. Sie hält ihn für den Gärtner. Der fragt sie ähnlich wie die Engel zuvor: Frau, was weinst Du? Wen suchst du? Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, dann will ich ihn holen. Da ruft der vermeintliche Gärtner ihren Namen: Maria! Und plötzlich erkennt sie Jesus, ihren Meister. Sie will ihn berühren, ihn umarmen vielleicht, sie meint, sie hat ihn wieder, lebendig, er ist zurückgekehrt aus dem Reich der Toten, zurück zu ihr. Aber er lässt sie nicht näher kommen, er wehrt sie ab und weicht zurück. Denn er gehört nicht mehr auf diese Welt. Er ist noch immer der Gekreuzigte, um den sie weinen, aber der Tod, den er durchlitten hat, trennt ihn unwiederbringlich von den Lebenden. Sein irdisches Leben ist zu Ende, jetzt hat etwas neues, anderes begonnen. Es bleibt uns Menschen ein Geheimnis, ein Wunder, es bleibt unerklärlich, unfassbar, unbegreiflich – Maria kann ihn nicht begreifen. Maria, die Suchende, sie findet ihn – aber ganz anders als erwartet, nicht tot, sondern wunderbar gerettet, lebendig und ihr zugewandt, zugleich unnahbar und entrückt. Wenn wir ganz genau sind, findet nicht sie, sondern umgekehrt ist es richtig: sie wird von ihm gefunden, bei ihrem Namen gerufen, erkannt. Übertragen auf die Suche unseres Lebens, erkenne ich darin vieles wieder. So ist es doch: In Phasen des Schmerzes und des Verlustes sind wir oft ganz gefangen in unserer Not, in unserer Trauer, in unserem Abschied – Hilfe kommt überraschend und unvorhersehbar, manchmal erkenne ich erst im Nachhinein, wer mich gerufen und getröstet hat, wer mich begleitet und bewahrt hat, wer mir mein Lachen zurück gegeben hat. In diesen Erfahrungen geschieht wundervolles, diese Erfahrungen deute ich mit meinem Glauben. In ihnen begegnet mir Gott, verborgen, unsichtbar, unverfügbar. Da besiegt das Leben den Tod, da bricht Licht in das Dunkel unserer Seele, da wird Hoffnung geweckt, auch wenn alles um uns herum ganz und gar hoffnungslos scheint. Es sind, wenn Sie so wollen, kleine Ostererfahrungen, die uns widerfahren, in denen sich Gott entdecken lässt, oder theologisch gesprochen, in denen er sich uns offenbart. Die Begegnung zwischen Maria und dem auferstandenen Jesus ist beides: Sie ist einzigartig und sie ist exemplarisch. Einzigartig ist sie, weil mit Jesus etwas begann, was zuvor undenkbar und unvorstellbar gewesen ist: Gott stirbt mit seinem Sohn, geht hinab bis in den Tod und erweckt ihn zu neuem Leben – durch das Dunkel des menschlichen Elends hindurch in das Licht seiner Herrlichkeit. Das ist der Beginn eines neuen Glaubens: Weil Jesus auferstanden ist, brauchen wir den Tod nicht mehr zu fürchten. Einzigartig! Und die Begegnung zwischen Maria und Jesus ist exemplarisch, sofern wir an ihr entdecken, dass Gott auch uns so begegnet wie ihr damals: Tröstend, beglückend, aufbauend, wegweisend, heilend, zugewandt, persönlich, er kennt uns mit Namen, er ruft uns bei unserem Namen und beruft uns zu seiner Gemeinde, zu Zeuginnen und Zeugen unseres Glaubens. Maria bekommt den Auftrag, zu seinen Jüngern zu gehen und ihnen von der Begegnung zu berichten. Sie wird die erste Zeugin der Auferstehung. Machen wir uns einmal ganz klar, was das bedeutet: Die erste Christin war eine Frau! War Ihnen das bewusst, liebe Gemeinde?

Natürlich wurde auch darüber schon gelacht, an Ostern: In seiner Predigt führt der Pastor aus: „Jesus hatte viele Frauen in seinem Gefolge, und er hat diese besonders geehrt. Sie waren ihm wichtig. Darum ist er nach seiner Auferstehung auch zuerst den Frauen erschienen“. „Und ob er sie kannte“, ruft ein Ehemann in der letzten Reihe, „er wollte, dass die Nachricht schnell unter die Leute kommt…“ Naja, ob unsere katholischen Brüder den Frauen eines Tages auch diese Wertschätzung erweisen und sie Pastorinnen und Priesterinnen werden lassen? Ein neuer Papst, eine neue Hoffnung? Kennen Sie eigentlich die neue E-Mail Adresse des Papstes: urbi@orbi... Und zum Schluss, damit ihnen das Lachen auch heute nicht mehr vergeht, einen besonders frechen, ja anstößigen Witz, zugesteckt von einem ebenso frommen wie humorvollen Gemeindeglied aus Katharinen. Es ist der Moment vor der Begegnung von Jesus und Pilatus: Jesus steht vor Pilatus, der ihn fragt: „Bist du der König der Juden?“ Daraufhin antwortet Jesus und spricht: „Nageln sie mich jetzt bitte nicht fest.“ Fröhliche Ostern!