Drachen haben Mundgeruch - 9783865917416

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"Mein Leben ist im Eimer!", findet der 11-jährige Julius. Warum? Er soll seine Sommerferien bei Opa Ignatz in Bayern verbringen. Dort gibt es nichts Aufregenderes außer einem Teich voller Entengrütze und Opas Gebissreiniger. Doch Julius ahnt noch nicht, wer ihm dort begegnen wird. Bald hat er einen besonderen Wunsch frei. Dieser geht aber ganz anders in Erfüllung, als Julius geahnt hat ... Eine fantasievolle Geschichte über Freundschaft, Glaube und darüber, was wirklich wichtig ist. Mit vielen lustigen Zeichnungen.

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Wenn du die Seiten dieses Buches durch die Finger laufen

lässt, fängt der kleine Drachen rechts unten an zu tanzen.

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Mein Leben ist im Eimer. Aber so was von

im Eimer!

Also erst mal für die nächsten drei bis sechs

Wochen. Aber das ist ja im Prinzip ’ne Ewig-

keit. Und alles bloß wegen der Bachmeise.

Frau Doktor Gerda Bachmeise.

Die Bachmeise ist die Ärztin von meiner

Mutter. Und weil meine Mutter mit mir und

meinen Geschwistern so viel zu tun hat, soll

sie jetzt auf Kur. Mindestens drei Wochen lang.

Vielleicht sogar länger.

Mutter-Kind-Kur nennt sich das. Weil die

Kinder nämlich mit kuren sollen. Will ich ja

aber gar nicht! Ich hab zwei kleine Schwes-

tern. Die müssen mit! Aber ich, ich bin schon

elf. Fast zwölf! Und ich hab so lange Theater

gemacht, bis meine Eltern gesagt haben: „Na

schön, du musst nicht mit.“

Da war ich dann zufrieden.

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Allerdings nur für zwei Tage. Denn dann

sagten meine Eltern, sie hätten gute Nach-

richten! (Das ist ja schon sehr verdächtig!)

Nämlich: Ich könnte zu Opa Ignatz für die Zeit,

in der Mama und meine Schwestern auf Kur

sind. Denn dann sind ja Sommerferien.

Ja, klasse! Was soll ich denn bitteschön bei

Opa Ignatz? Der lebt in ’nem winzigen Kaff in

Bayern. Eigentlich ganz nett da. So für ’nen

Nachmittag mit Kaff eetrinken. Aber dann

fahren wir immer gleich wieder heim. Und

plötzlich soll ich da mindestens drei Wochen

wohnen? Geht’s noch???

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Tja. Meine Eltern meinten, entweder Kur oder

Opa Ignatz. Weil nämlich mein Papa in den

Ferien arbeiten muss und ich wäre noch nicht

alt genug, um die ganze Zeit allein zu Hause

zu bleiben. Klasse, oder? Ich hatte also die

Wahl zwischen Rotz und Schnotz. Und hab

mich für Schnotz entschieden. Drei Wochen

Bayern. Mindestens. Mit Opa Ignatz.

Vielen Dank, Frau Doktor Bachmeise! Das

werden sicher wunderbare Ferien! Morgens

reinigen wir Opa Ignatz’ Gebiss. Mittags kochen

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wir Nudelsuppe und abends gehen wir um

halb  6 ins Bett, damit wir morgens wieder fi t

sind fürs Gebissputzen.

Wie schon gesagt: Mein Leben ist im Eimer.

***Mein Name ist übrigens Julius.

Nein, ohne Cäsar! Den Witz könnt ihr euch

sparen, den habe ich schon oft genug gehört.

Julius Sommer. Julius Ignatz Wilhelm Sommer,

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wenn ihr’s genau wissen wollt. Aber die zwei

anderen Namen sind streng geheim. Die habe

ich von meinen beiden Opas geerbt und zwar

zu ’ner Zeit, als ich mich noch nicht dagegen

wehren konnte. Wer will schon Ignatz Wilhelm

heißen? Ich nicht! Also sag ich’s keinem und

damit ist das Problem soweit gelöst.

Dieses Buch hier habe ich übrigens von

meinem Opa Wilhelm bekommen. Opa Wil-

helm wohnt im selben Ort wie wir. Er hat mir

das dicke Buch in die Hand gedrückt und ge-

sagt, in Bayern hätte ich dann genug Papier

für mein Gekritzel.

Was er damit sagen will ist, dass ich gerne

zeichne. Ich zeichne dauernd. Zu Hause, im

Unterricht, im Restaurant. Meine Hand macht

das von ganz alleine. Ich kritzel so rum und

dann kommen Bilder aus dem Stift. Wenn ich

zeichne, kann ich besser zuhören und mich

besser kon zen trie ren.

Meine Lehrer und meine Eltern fi nden das

nicht ganz so klasse, weil in jedem Heft, in

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jedem Schulbuch und auf jedem Block Zeich-

nungen von mir sind. Ich weiß manchmal gar

nicht so genau, wo die herkommen. Schwupp-

diwupp Kartoff elsupp sind sie da. Und dann

gibt’s meistens Ärger, weil man natürlich die

Hefte und Bücher nicht vollkritzeln sollte . . .

Tja, jedenfalls dachte Opa Wilhelm, ich

könnte das Papier für drei bis sechs Wochen

Bayern dringend gebrauchen. Vermutlich hat

er recht. Was soll man auch sonst in dem Kaff

anfangen? Außer der Sache mit dem Gebiss

fällt mich echt nix ein. Ich hab beschlossen,

dass ich in das Buch nicht nur zeichnen werde,

sondern auch schreiben.

Die letzten Worte des Julius Sommer. Oder

so.

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Normalerweise sind die letzten Tage vor den

Sommerferien genial. In der Schule ist kaum

mehr was los. Hier noch ’n Sportfest, da noch

’ne Party. Und dann sind sie da, die Ferien.

Sechs wunderschöne lange hausaufga-

ben-freie Wochen. Lange aufbleiben. Freibad.

Lagerfeuer. Ferien am Meer . . .

Dieses Jahr waren die letzten Tage eine

Qual. Alle sind aufgeregt und freuen sich wie

blöde. Auf Italien. Spanien. Schweden. Ein

Zeltlager. Ne Fahrradtour.

Und ich? Ich freu mich auf Opa Ignatz so

sehr, wie ich mich gefreut habe, als mein

Zahnarzt mir den vorderen Schneidezahn zie-

hen musste, weil jemand beim Hockey mit

dem Schläger zu weit ausgeholt hatte . . . Ich

war sieben Jahre alt und es war zum Glück

noch ein Milchzahn, aber oh Mann, das war

vielleicht übel.

Meine Kumpels packen ihre Badeklamotten

und Luftmatratzen ein. Zwei meiner Freunde

dürfen sogar auf ein Fußballcamp! Und ich?

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Ich fahr nach Bayern. Spitze . . . Papa hat mich

die ganze Woche versucht zu trösten. Er

meint, dass viele Leute in den Sommerferien

nach Bayern fahren. Und dass es dort wirklich

schön sei. Und dass er ja schließlich auch mal

dort gelebt hätte. In meinem Alter . . .

Ja. Is klar. Aber als Papa so alt war wie ich,

war Opa Ignatz ja auch noch kein Opa, son-

dern bloß Papa. Er hatte bestimmt noch

alle seine Zähne und brauchte kein Gebiss.

Er konnte noch kicken, schwimmen und radeln.

Aber Opa Ignatz heute? Das ist ja wohl mal

voll krass was anderes! Wenn wir heute bei

Opa Ignatz sind, dann gehen wir höchstens

zum Entenweiher und werfen Brotkrümel rein.

Meine Schwestern fi nden das klasse. Die sind

vier und sechs Jahre alt.

Klar, als ich vier war, fand ich das auch

spitze. Aber hallo? Ich bin fast zwölf!!! Ich ver-

suche dann, mit den Brotkrümeln die Enten

abzuwerfen. Aber mit Krümeln lässt sich blöd

zielen . . .

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Jetzt ist es dann gleich soweit. Papa fährt

mit mir heute zu Opa Ignatz und seinem

Entenweiher. Ich schreib dann heute Abend

weiter . . .

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Mama ist mit meinen Schwestern zu Hause

geblieben. Die fahren erst übermorgen und

haben mit dem Koff erpacken alle Hände voll

zu tun. Also hat nur Papa mich gefahren. Ich

fand’s echt doof, dass Mama nicht mitfahren

konnte. Es gibt so Zeiten, da braucht ein Junge

eben auch seine Mama. Groß und tapfer und

vernünftig sein ist dann halt mal nicht so an-

gesagt. Auch wenn man im Frühling schon

zwölf wird. Mama fand das glaub ich auch. Wir

haben heimlich ein bisschen zusammen in der

Küche geheult. Aber wirklich nur kurz.

Die Fahrt ist immer ziemlich lang. Zum

Glück sind wir zweimal (!) auf ’ne Raststätte

und haben Burger verdrückt. Zu Hause gibt’s

so was nicht! Wir haben Hörbücher gehört

und gequatscht. Ich durfte sogar vorne sitzen.

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Sonst sitzt da immer meine Mutter. Die ganze

Zeit hab ich mir vorgestellt, wir machen bloß

’nen kleinen Ausfl ug und kommen abends

wieder heim. Aber natürlich wusste ich ganz

genau, dass das nicht stimmt.

Nach einer Ewigkeit sind wir dann ange-

kommen. Na ja gut, also nach über vier Stun-

den. Weil wir so viel Stau hatten. Opa Ignatz

hat sich gefreut wie Bolle. Und ich mag ihn

echt gern. Aber halt nicht für so lange. Allein.

Papa blieb noch zum Kaff eetrinken (wie im-

mer) und ist dann gleich wieder zurück nach

Hause. Und jetzt bin ich hier. In Bayern. Und

ich könnte schreien! Mach ich natürlich nicht.

Ich bin ja ach so groß und vernünftig.

Mein Zimmer ist das frühere Kinderzim-

mer von meinem Papa und Onkel Josef. Na-

türlich stehen hier keine Kinderbettchen und

so mehr drin. Aber in dem alten Schrank, bei

dem die Türen immer klemmen, liegen noch

Papas Comicsammlung, ein altes selbstge-

bautes Segelschiff chen und uralte Brettspiele.

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Daneben sind viele freie Regalböden. Da darf

ich meine Klamotten reinpfeff ern. Hab aber

gerade keinen Bock. Ehrlich gesagt: Solange

das Zeug noch im Koff er liegt, habe ich das

Gefühl, ich wäre nur auf der Durchreise.

Oh Mann, ich glaube, ich hatte noch nie

in meinem Leben so bescheuerte Sommer-

ferien! Meine Freunde sitzen jetzt im Flugzeug

oder schon am Strand. Und ich? Ich sitze in

dem alten Kinderzimmer meines Vaters.

Ganz, ganz toll . . .

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Die erste Nacht in ’nem fremden Zimmer ist im-

mer komisch. Die Bettdecke fühlt sich anders

an. Das Kissen riecht nicht so wie zu Hause.

Und dann die Geräusche! Da kratzt irgendwas

auf dem Dach. Und Opa Ignatz schnarcht so

laut, dass ich ihn bis ins Kinderzimmer gehört

habe. Dabei schläft er am anderen Ende des

Flurs! Vielleicht ist sein Schnarchen deshalb so

laut, weil er nachts das Gebiss rausnimmt. Da

ist ja dann viel mehr Platz im Mund und das

hallt dann so, wie der Fahrradtunnel auf mei-

nem Schulweg.

Zum Frühstück gab es frische Brötchen.

Opa Ignatz ist extra zum Bäcker geradelt. Echt

nett. Wie gesagt: Ich mag meinen Opa. Aber

Sommerferien sind Sommerferien. Und Opas

sind eben . . . tja, Opas.

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Beim Frühstück meinte er dann: „Kannst ja

mal mit dem Radel zum Weiher!“

Ich: „Äh, und was soll ich da?“

Er: „Schwimmen!“

Ich: „Was? In der Entenplörre?“

Er: „Davon ist noch keiner gestorben.“

Ich: „Ja . . . klar! Ihr Bayern seid dagegen

wahrscheinlich immun!“

Er: (lacht) „Genauso ist es!“

Ich sehe das schon genau vor mir: Wie ich

im See schwimme und diese riesige Ente an-

kommt und frech grinst, bevor sie klamm-

heimlich ins Wasser pupst. Aber mit dem Rad

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mal die Gegend abfahren ist vielleicht gar

keine schlechte Idee . . .

***Ich war dann tatsächlich auch am Entenwei-

her. Und was mir da passiert ist . . . das glaubt

mir keiner! Echt jetzt! Aber ich fange mal lie-

ber von vorne an.

Habe also meinem Opa gesagt, dass ich mit

dem Rad ein bisschen rumkurven will. Was ich

vergessen hatte war, dass mein Opa nur so

eine uralte Klapperkiste besitzt. Das Ding ist

brutal schwer, hat nur einen einzigen Gang

und die Schutzbleche wippen auf und ab,

wenn man über den Bordstein fährt. Aber im-

merhin: Es fährt! In Opas Kaff gibt’s nicht viel

zu sehen. Da gibt’s den Bäcker, den Getränke-

fuzzi, ’ne Werkstatt und ’nen kleinen Super-

markt, der gleichzeitig die Post ist. Der Ort sel-

ber hat vielleicht 15 Straßen. Fährt man fünf

Minuten in die eine Richtung (egal in welche),

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ist man aus dem Dorf schon wieder draußen.

Tja, was soll ich sagen. Hat man quasi schnell

gesehen.

Aber direkt hinter Opas Haus ist ein kleiner

Weg. Der führt an Wiesen entlang über einen

Hügel und dann in einen kleinen Wald. Wenn

man da immer weiterfährt, kommt man zum

Entenweiher. Und da bin ich dann doch hin.

Auch wenn ich gar nicht schwimmen wollte.

Ich rumpel also über die Wege und die

Schutzbleche klappern so vor sich hin und da

hör ich was. Erst dachte ich, es wäre ein Tier.

Aber dann war da so ein Gurgeln und spitze

Schreie. Ziemlich unheimlich. Ich hab, ehrlich

gesagt, ziemlich Schiss bekommen und wollte

schon umkehren. Aber dann war da die Neu-

gier und ich bin vom Rad gesprungen, hab’s

zwischen die Bäume gepfeff ert und bin zum

Weiher geschlichen. Und auch, wenn ich das

vermutlich niemals jemandem erzählen kann

– weil mich alle für total durchgeknallt halten

würden –, schreibe ich es wenigstens auf:

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Die Schreie und das Gurgeln kamen von

einem . . . äh . . . winzigen Wesen. Dieses „Ding“

schwamm mitten auf dem Weiher. Na ja,

schwamm ist vielleicht übertrieben. Es ging

nämlich gerade unter. Und dabei machte es

’ne Menge Lärm und spritzte und schimpfte

und gurgelte.

Ich konnte einfach nicht erkennen, was es

war und ging etwas näher ran. Aber sehen

konnte ich nur Blasen und Wassergespritze.

Tja, und so bin ich dann doch noch schwim-

men gewesen. In der Entenplörre.