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Drogenkonsum in Schwangerschaft und Stillzeit Prof. Dr. habil. Birgit Reime Saarbrücken 20. März 2015

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Drogenkonsum in

Schwangerschaft und Stillzeit

Prof. Dr. habil. Birgit Reime

Saarbrücken

20. März 2015

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WHO- Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms

• 3 oder mehrere der folgenden Symptome müssen während der

letzten 12 Monate gleichzeitig aufgetreten sein:

• Der starke und gelegentlich übermächtige Wunsch oder eine Art

Zwang, psychotrope Substanzen einzunehmen.

• Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der

Beendigung und der Menge des Konsums.

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WHO- Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms

• Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion

des Konsums.

• Nachweis einer Toleranz. Es sind zunehmend höhere Dosen

erforderlich, um die gleiche Wirkung zu erreichen.

• Zunehmende Ausrichtung des Verhaltens auf den Substanzkonsum,

fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen

fortgesetzter Konsum trotz negativer Folgen, z. B. Leberschädigung

durch exzessives Trinken, depressive Verstimmung

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Prävalenz von Schwangerschaft im Kontext von Drogen

• Die genaue Zahl der Kinder von drogenabhängigen Müttern ist nicht unbekannt.

• Etwa ein Drittel der drogenabhängigen Frauen hat mindestens ein Kind.

• Je nach Studie wird eine Häufigkeit von zirka 12-18 % an drogenkranken

Schwangeren in Westeuropa angegeben, Schätzungen: 30.000

• Konsumentinnen von Tabak, Cannabis und Heroin haben häufiger eine eher

niedrige Schulbildung,

• Kokain, Antidepressiva, Tranquilizer oder Partydrogen wie Crystal sind in allen

Bevölkerungsschichten verbreitet.

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Drogenamamnese

• In einer Münchener Stichprobe von 100 Frauen begann der Drogenkonsum im

Durchschnitt 10,4 Jahre vor der Schwangerschaft (Kästner et al. 2007).

• Opiatkonsum dauerte im Mittel 7,6 Jahre an

• Einstiegsdrogen waren neben Nikotin, Marihuana und Alkohol oft Partydrogen und

Tabletten, seltener Kokain.

• 63% nahmen verschiedene Drogen parallel

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„Drogenkarriere“

• Der Lebensweg dieser Patientinnen ist gekennzeichnet durch Phasen des Clean-

Seins und Rückfällen, stationäre Entgiftungen, sogenannte kalte Entzüge ohne

professionelle Hilfe.

• 41% hatten bereits eine Drogentherapie durchgeführt, häufiger jedoch vorzeitig

abgebrochen.

• 52% waren vor der Schwangerschaft schon einmal substituiert worden.

• 30% wurden unter laufender Substitutionsbehandlung schwanger.

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Co-Morbidität (Kästner und Härtl, 2007).

• Viele Schwangere sind mangelernährt oder unterernährt bzw. untergewichtig.

• Die Zähne sind oft in ungepflegtem oder krankem Zustand.

• Durch intravenösen Drogenkonsum haben sich ca. 60% aller schwangeren

Drogensüchtigen mit Hepatitis C infiziert.

• Ca. 25% mit Hepatitis B

• Ca. 5% mit HIV-Infektionen

• Genitale Infektionen gehäuft: Lues, Gonorrhoe

• Periphere Venen sind durch häufige Injektionen dünn und vernarbt

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Bedürfnispyramide nach Maslow

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„Sozialanamnese“

• Diese Frauen haben oft Vernachlässigung und extreme Gewalt erlebt.

• In ihren Partnerschaften machen sie ähnliche Erfahrungen.

• Oft haben sie keine feste Bleibe und sind völlig verarmt.

• Frauen gehen der Prostitution nach zur Beschaffung von Drogen und versorgen

oft ihre Partner noch mit.

• Oft wird Kontakt mit dem Medizinsystem gemieden, weil große Angst besteht,

dass das Kind weggenommen wird.

• Die erste Hürde besteht darin, die Frau überhaupt zu erreichen.

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Empathie ist gefragt

• Mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen ist ein Arbeitsbündnis nicht zu erreichen.

• Nicht zuletzt im Hinblick auf das Kind ist ein Arbeitsbündnis aber unverzichtbar.

• Eigene Vorurteile und Ressentiments sind kritisch zu hinterfragen und ggfs. sollte

Supervision in Anspruch genommen werden.

• Die Schwangeren und jungen Mütter mit Drogenerkrankungen verdienen den

gleichen Respekt und das gleiche Taktgefühl wie jede andere Frau auch.

• Wenn drogenkranke Frauen in einer vorurteilsfreien Umgebung lernen, mit ihren

Kindern gut umzugehen, erhöht sich die Chance für positive, lebensverändernde

Entscheidungen.

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• Rauchen in Pink: Die Wirkung femininer Zigarettenpackungen

Junge Frauen finden feminine Zigarettenpackungen besonders attraktiv.

Dazu wurden junge Raucherinnen unterschiedlich stark feminisierte

Zigarettenverpackungen vorgelegt.

• Die femininen Verpackungen wurden - insbesondere in Kombination mit

femininen Wörtern (z.B. "Slim") - als besonders attraktiv eingeschätzt. Sie

wurden mit Eigenschaften wie Glamour, Schlankheit und Attraktivität

assoziiert.

• Versuchspersonen, die schlichte, in Design und Wortwahl nicht spezifisch

weibliche Verpackungen gesehen hatten, waren vorsichtiger in der

Einschätzung, Rauchen sei ein Weg zur Appetitkontrolle als jene

Versuchspersonen, die feminine Verpackungen gesehen hatte

Sind wir selbst immun gegen Werbung und “Verführungen”? Deadly in pink: the

impact of cigarette packaging among young women. Tobacco

Control. 2011;20(5):353-60.

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Geburtshilfliche Betreuung

• Nichtsdestotrotz: Schwangerschaften von Drogenabhängigen sind immer

Risikoschwangerschaften:

• Das Gestationsalter ist wegen der unregelmäßigen Zyklen oft unbekannt.

• Die Schwangerschaften werden oft erst um die 17. Woche herum entdeckt.

• Gerade bei Kokain-Abhängigen sind die Schwangerschaften oft kurz.

• Ohne Kenntnis der SSW ist eine genaue Diagnose einer Mangelentwicklung vom

Kind nicht rechtzeitig zu erkennen.

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Kein Entzug während der Schwangerschaft!

• Der akute Entzug in der Schwangerschaft ist kontraindiziert und mit hohen Risiken

verbunden:

• Plazentainsuffizienz

• Plazentalösung

• Intrauterine Asphyxie

• Intrauteriner Fruchttod

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Stabilisierung ist oberste Priorität

• In erster Linie muss eine Stabilisierung der Schwangeren erfolgen, um

pathologischen Schwangerschaftsverläufen vorzubeugen.

• In der Regel kann eine vaginale Geburt erfolgen.

• Etwa 5 % aller Kinder werden pränatal oder perinatal infiziert, Strategien zur

Vermeidung gibt es aber nicht…

• Der Nutzen einer primären Sectio ist umstritten, insbesondere bei niedriger

Viruslast von Hepatitis C.

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Effekte von Drogen auf das Kind

• Fast jede Droge überwindet die Plazentaschranke und erreicht den Fötus.

• Nach der Geburt ist das Kind weiterhin von der Substanz abhängig, wird aber nicht

mehr durch den Blutkreislauf der Mutter versorgt.

• Dadurch wird das ZNS des Babys überstimuliert und produziert

Entzugssymptome.

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Merkmale einer ZNS-Dysfunktion (NAS)

• Hohes Schreien

• Unruhe und Schlaf kürzer als 1-3 Stunden nach dem Füttern

• Hyperaktive Reflexe

• Tremor, erhöhter Muskeltonus und Krämpfe

• Schwitzen, Fieber, vermehrtes Gähnen und Niesen, Apnoen stark erhöhte

Atemfrequenz

• Gastrointestinale Störungen: exzessives Saugen, schlechte Nahrungsaufnahme,

Erbrechen, Durchfall

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Kindliche Gewichtsreduktion durch Drogenexposition

• Die durchschnittliche mit Drogenkonsum verbundene Gewichtsreduktion

beim Neugeborenen beträgt:

• 489 Gramm bei Heroin

• 279 Gramm bei Methadon und

• 557 Gramm bei der Kombination von Heroin und Methadon

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Behandlung des NAS

• Zwei neuere Meta-Analysen der Cochrane Library zur Frage der besten

Behandlung des NAS fanden, dass Opiate zwar insgesamt keinen größeren Effekt

auf den Therapieerfolg haben als die unterstützende Pflege ohne Medikamente,

aber der Einsatz von Opiaten ist mit einer kürzeren Zeit bis zur Steigerung des

Gewichts verbunden.

• Allerdings müssen Babys, die mit Opiaten behandelt werden, auch länger in der

Klinik bleiben.

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Effekte von Opiaten

• Opiate wie Heroin haben die schwerwiegendsten Effekte für Mutter und Kind.

• Häufig wird ein anderes Opiat, Methadon, zur Therapie der Heroinsucht

eingesetzt.

• Dies ist zwar häufig mit einer besseren allgemeinen Gesundheit (zum Beispiel

Ernährung) der Mutter und einer stabileren Lebenssituation verbunden, für das

Kind bergen Methadon und Heroin aber gerade in der Kombination das größte

Risiko für Schäden.

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Gefahren durch Kokain

• Die Schwangerschaft erhöht zum Beispiel die Gefährlichkeit von Kokain für das

Herz-Kreislauf-System.

• Dies ist entweder durch den Effekt des Progesteron bedingt oder durch die

erhöhte Sensibilität von α-adrenergen Rezeptoren.

• In der Schwangerschaft ist das Risiko eines Herzinfarktes für Kokainabhängige

höher als vor der Konzeption.

• Aber auch andere Komplikationen wurden beobachtet, wie zum Beispiel höhere

Risiken für Plazentaablösungen, Uterusrupturen, vorzeitige Wehen und

Leberrupturen bis hin zu Todesfällen.

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Kokain

• Kokain führt meist zu kürzeren und weniger dramatischen Entzugssymptomen, ist

jedoch für das Kind stark toxisch.

• Es wirkt sich auf den Stoffwechsel verschiedener Neurotransmitter (Botenstoffe im

Nervensystem) aus und beeinträchtigt das zentrale Nervensystem.

• Außerdem führt der Konsum von Kokain zu Vasokonstriktionen und (dadurch)

häufig zu vorzeitigen Wehen.

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Stillen

• Idealerweise sollte schon in der Schwangerschaft das Thema Stillen

angesprochen werden.

• Dabei sind die Wünsche der Schwangeren zu berücksichtigen.

• Solange kein HIV oder sehr hohe Dosen vorliegen, ist Stillen nicht kontraindiziert,

auch nicht bei Hepatitis C.

• Beim Thema Rauchen wird genauso entschieden wie bei Frauen, die clean sind:

Die Vorteile des Stillens überwiegen die Nachteile des Rauchens. Direkt vor dem

Stillen sollte aber nicht geraucht werden.

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Hilft Stillen gegen NAS?

• Die meisten Drogen befinden sich in verschieden hohen Konzentrationen in der

Muttermilch.

• Deshalb hat eine australische Arbeitsgruppe untersucht, ob bei n=85 gestillten

Kindern ein weniger schweres NAS zu beobachten ist als bei n=105 Kindern, die

ab 5. Lebenstag mindestens zweimal pro Tag mit Ersatzmilch gefüttert wurden.

• Das war entweder der Fall, wenn die Mutter dies so wollte, oder wenn

Kontraindikationen wie eine HIV-Infektion vorlagen.

• Die drogenkranken Mütter waren in den meisten Fällen von Heroin oder Methadon

abhängig, ein kleinerer Anteil von Kokain, Tranquilizern oder Cannabis.

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Ergebnisse

• Die gestillten Kinder benötigten zu einem signifikant geringeren Anteil eine

pharmakologische Behandlung aufgrund eines Entzugssyndroms

(52,9 Prozent versus 79,0 Prozent)

• Gestillte Kinder wurden im Durchschnitt kürzer im Krankenhaus behandelt

(14,7 Tage versus 19,1Tage).

Die Entzugssymptome begannen bei gestillten Kindern am häufigsten

nach 10 Tagen, bei nicht gestillten Kindern schon nach 3 Tagen.

Aber: retrospektive Analyse medizinischer Akten statt RCT.

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Hebammenhilfe gefragt!

• 80% der Kinder werden primär zur Mutter oder zu den Eltern nach Hause

entlassen.

• Mit der Möglichkeit der nachgehenden / aufsuchenden Hilfe in den Wohnungen

der jungen Mütter sind sie eine sehr gefragte Unterstützung.

• Sie können ferner die Mangelversorgung oder Pathologien bei Wöchnerinnen und

Kindern früh erkennen.

• Leider enden knapp die Hälfte aller Kinder Drogenabhängiger nach dem ersten

Lebensjahr in einer Pflegschaft, weil im Verlauf des ersten Lebensjahres doch eine

Destabilisierung eintritt.

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Steiniger Weg

• Die Frauen müssen sich in einer sehr schwierigen Situation, ohne Partner und

ohne soziales Netzwerk, ein komplett neues Leben aufbauen.

• Die drogenkranken Frauen wollen nicht, dass ihre Kinder in Pflegefamilien gehen,

da sie oft selbst schlechte Erfahrungen in Pflegefamilien gemacht haben, die

früher bis zu 25 mal gewechselt wurden.

• Die Geburt eines eigenen Kindes bringt oft die Motivation und große Chance mit

sich, den Teufelskreis zu durchbrechen und das Leben in neue Wege zu leiten.

• Oft gab es keine positiven Eltern-Modelle, können nicht auf eigene Erfahrungen

zurückgreifen.

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Unterstützung nötig

• Die Mutter hat starke Schuldgefühle und kämpft mit Zweifeln, ob sie gut genug für

das Kind ist und ob sie das Kind gut genug versorgen kann.

• Ermutigende Worte über die Entwicklung des Kindes sind Balsam auf die Seele

der Mutter.

• Wenn allerdings die Mutter tatsächlich mit der Situation überfordert sein sollte und

das Kindeswohl gefährdet wäre, müsste die notwendige Hilfe angebahnt werden.

• Hebammen und ÄrztInnen müssen auch die Bereitschaft mitbringen, die

Betreuung der drogenabhängigen Schwangeren interdisziplinär abzuwickeln.

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Rolle der Hebammen

• Hebammen brauchen die Bereitschaft, ein Arbeitsbündnis mit der Schwangeren

einzugehen.

• Professionelle sollten sich klar machen, dass Abhängigkeit und Sucht schwere

chronische Erkrankungen sind.

• Die Betroffenen sind meist früh traumatisierte Patienten, deren

Überlebensmechanismen sich sehr selbstzerstörerisch entwickelt haben.

• Die Beziehungen mit Drogenkranken sind meist schwierig, da die betreffenden

schlechte Erfahrungen gemacht haben und nicht vertrauen können oder Grenzen

austesten.

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Rolle der Hebammen

• Hebammen können einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der mütterlichen

Kompetenzen der drogenkranken Frauen leisten.

• Oft ist das Körpergefühl der Drogenabhängigen beeinträchtigt und die

Wahrnehmung von feinen Empfindungen erschwert.

• Durch Berührung wie bspw. beim Abtasten des Bauches bei den Leopoldschen

Handgriffen kann die Schwangere ermutigt werden, ihre Selbstwahrnehmung und

die Wahrnehmung des Kindes zu verbessern.

• Art und Häufigkeit der Kindsbewegungen zu erkennen hilft beim Bonding und beim

Erkennen der verschiedenen Gemütszustände des Kindes.

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Determinanten von Gesundheit

(Nach Dahlgren & Whitehead 1991)

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Beteiligte im Round-Table-Gespräch

• Schwangere

• Ggfs. ihr Partner

• Eine unterstützende Person (Freundin, Familie, Betreuer)

• Vertreter der Drogenberatung

• Arzt, der die Substitutionsbehandlung durchführt

• Pädiater oder Kinderkrankenpfleger/In

• Vertreter vom Jugendamt / Sozialdienst

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Interdisziplinäre Kooperation mit Behörden

• Die Zusammenarbeit mit dem Sozialamt zum Zeitpunkt der Schwangerschaft hat

den Vorteil, dass das Ungeborene noch keine eigene Rechtsperson ist und es

noch keine Handhabe gibt, die Mutter rechtlich zu belangen.

• Zu diesem Zeitpunkt sollten gemeinsam mit den Behörden Hilfsangebote geplant

werden und Ziele sollten gemeinsam festgelegt werden.

• Falls im weiteren Verlauf irgend etwas schief geht, ist das nicht allein die

Verantwortung der Bediensteten im Medizinsystem, sondern eben die geteilte

Verantwortung auch von Sozialamt und ggfs. Jugendamt.

• Spätestens aber bei der Entlassung des Kindes aus der Klinik sollte der Hilfeplan

feststehen.

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Verhaltens- und Verhältnisprävention

In der Gesundheitsförderung gibt es zwei Zielrichtungen:

Maßnahmen, die individuelle Faktoren verändern sollen, z.B. Kurse für

gesundes Ernährungsverhalten oder Raucherentwöhnung, werden als

verhaltensbezogen bezeichnet.

Maßnahmen, die Faktoren verändern sollen, die von außen auf das

Individuum einwirken, werden als verhältnisbezogen bezeichnet.

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Therapieschulen: Vergleich von sieben Perspektiven

zeitgenössischer Psychologie

Perspektive Untersuchungsschwerpunkt Primäre Forschungsthemen

Psychodynamisch Unbewusste Triebe, Konflikte Verhalten als sichtbarer Ausdruck unbewusster

Motive

Behavioristisch Spezifische gezeigte Reaktionen Verhalten, Stimuli und Konsequenzen

Humanistisch Menschliches Erleben und Potentiale Lebensmuster, Werte, Ziele

Kognitiv Mentale Prozesse, Sprache Schlussfolgern auf geistige Prozesse durch

Verhalten

Biologisch Prozesse in Gehirn und ZNS Biochemische Basis von Verhalten und mentalen

Prozessen

Evolutionär Evolutionär entstandene psychische

Anpassungsvorgänge

Verhalten als evolutionär entstandene adaptive

Funktion

Kulturvergleichend Interkulturelle Muster von Haltungen und

Verhalten

Universelle und kulturspezifische Aspekte

menschlicher Erfahrung

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Eisbergmodell menschlichen Bewusstseins nach Glauben der

Tiefenpsychologie

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Banduras Theorie des Modelllernens

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Zitat einer drogenabhängigen Mütter mit Hebammenhilfe

• „Ich kam hier an ganz verletzt und abgerissen ohne viel Sinn im Leben. Ihr habt

mich mit Respekt und Taktgefühl behandelt. Ich habe mich auf einmal wieder wie

ein Mensch gefühlt. Als sich meine Gesundheit verbesserte, habt Ihr mir das

Gefühl gegeben etwas wert zu sein. Das Leben fing wieder an einen Zweck und

eine Bedeutung zu haben. Es ist nicht mit Worten auszudrücken, wie dankbar ich

Ihnen bin. Ich weiß dass es nicht immer einfach ist hier zu arbeiten.

• Macht weiter so!“