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  • Seit langem hatte er sich auf den Auszug vorbereitet. Nunwar es soweit. Er nahm den Koffer und machte sich auf denWeg zum Bahnhof. . . Georg Landerer, Mitte Fnfzig,Druckereibesitzer mit Frau und drei erwachsenen Kindern,lt eines Tages sein gesichertes brgerliches Leben hintersich. Als Aussteiger findet er Kontakt zu alternativen Krei-sen, freundet sich mit einem erfindungsreichen Bildhauer anund untersttzt ihn in seinem Kampf mit den Behrden umdie Errichtung eines Windrads ... Auch ein Roman gegenpolitische Sprachlosigkeit und gegen den Raubbau an derNatur.

    Peter Hrtling, geboren am i. November 1933 in Chem-nitz, Gymnasium in Nrtingen bis 1952. Danach journa-listische Ttigkeit; von '9 S S bis 1962 Redakteur bei der>Deutschen ZeitungDer Monat

  • Peter Hrtling

    Das Windrad

    Roman

    Deutscher Taschenbuch Verlag

  • Ungekrzte AusgabeMai 1997

    2. Auflage Juli 2003Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

    Mnchenwww.dtv.de

    0 1 995 Verlag Kiepenheuer & Witsch, KlnErstverffentlichung: Darmstadt/Neuwied c 983

    Umschlagkonzept: Balk & BrumshagenUmschlagbild:

  • Fr alle, die dabeisein werden.

    In mir ist Einmal die ganze Zeit.

    Christine Lavant

  • Alle Personen in diesem Roman sind erfunden;und auch wieder nicht.

  • Behutsam zog Georg Landerer die Haustr hinter sich zu,holte den Schlsselbund aus der Jackentasche, wog ihn ei-nen Augenblick in der offenen Hand, bckte sich und warfihn durch den Briefschlitz zurck in das Haus. Seit langemhatte er sich auf den Auszug vorbereitet. Nun war es so-weit. Er nahm den Koffer und machte sich auf den Weg

    zum Bahnhof.Vor vierundzwanzig Jahren waren sie hier eingezogen.

    Die Schmucklosigkeit der Straenzeile hatte sie ein wenigbedrckt, doch das Haus, winzig und reparaturbedrftig,nahm sie in Anspruch. Sie richteten sich nach und nach ein.Das erste der drei Kinder, Alex, kam zur Welt, und sie be-gannen, das Haus zu lieben. Nun verlie er es, ohne daetwas ri.

    Jemand grte ihn, und er glaubte den fragenden Blick inseinem Rcken zu spren. Seine Nachbarn wrden frh ge-nug erfahren, da er auf und davon war. Hella wrde zwarnie von sich aus darauf zu sprechen kommen, sich aber be-stimmt nicht scheuen, Auskunft zu geben, ironisch undselbstbewut: Sie habe ihn nicht halten knnen und auchnicht wollen.

    Ihre Stimme wurde wieder laut, traurig, sich ereifernd,vorwurfsvoll, verstndnislos. Er hrte sie, redete sie nachund merkte, da er schneller lief, als wollte er vor ihr fliehen.

    Hella war spt nach Hause gekommen. Er hatte sie schongar nicht mehr erwartet. Vor fnf Jahren hatte sie in Born-heim eine Buchhandlung aufgemacht, gemeinsam mit einerFreundin, bei der sie, wenn sie von der Arbeit zu mde war,ber Nacht blieb.

  • Du bist noch auf? Ihre Stimme klang verwundert undetwas gereizt: Du bist noch auf? Sie stand in der Tr wie ineinem Bilderrahmen, kniff die Augen gegen das Licht zu-sammen, schttelte sich, zwischen Frost und Wrme gera-ten, zog die Kostmjacke vor der Brust zusammen. IhreMdchenhaftigkeit trieb ihn in die Enge wie immer.

    Ich habe auch noch gearbeitet, murmelte er.Was heit auch? Ich habe ausnahmsweise nicht gearbei-

    tet, sondern bin mit Tini im Kino gewesen.War's gut?Es ging.In solchen Krzeln hatten sie bung.Gute Nacht.Pltzlich wnschte er sich, da sie sich zu ihm setze, ihn

    ausfrage, ihm zuhre, ihre Hand auf die seine lege, ihnwrme. Seine Sehnsucht fing sie ein. Die Jacke in der Hand,kehrte sie auf dem Absatz um. Ist dir nicht gut, Georg?

    Doch.Was dann?Er bersprang seine Angst, dachte Stze so schnell, da

    er ihnen nicht trauen konnte.Nichts, sagte er.Sie sa ihm schon gegenber, strich sich mit den Fingern

    die Haut ber die Backen hoch zu den Augen, eine Geste,die ihm so vertraut war, da er manchmal von ihr trumtewie von einem Zeichen, eine leichte, zrtliche Bewegung.

    Es fehlte ihm der Anfang, der Satz, gegen den sie nichtgleich aufbegehren knnte. Sie wartete, und er wrde ihmnicht einfallen.

    Hast du Martin noch gesehen?Nur gehrt. Er kam gegen zwlf, schaute aber nicht mehr

    herein.Sie nickte. Die Fingerspitzen lagen nun ruhig unter ihren

    Augen.

  • Martin war briggeblieben. Er wohnte noch bei ihnen,ging bei Opel in eine kaufmnnische Lehre. Alexander,der lteste, wohnte nicht weit entfernt, in Offenbach, woer an der Werkkunstschule studierte, und Karolin warvor einem Jahr einem Traumtnzer nach Mnchen ge-folgt. Sie lie kaum von sich hren, rief nur an, wenn derKerl grob wurde oder wenn sie mit Behrden nicht zu-

    rechtkam.Hella, sagte er und stockte.Ja?Ihre Hand kam ber den Tisch, wie er es wnschte, legte

    sich auf die seine, leichter als sonst, abwartend. Er sah ihr indie Augen. In seinem Kopf sammelten sich lauter Satzfrag-

    mente. Er war so sicher gewesen.Ich gehe, sagte er.Du gehst? Wie meinst du das? Sie war unvorbereitet,

    konnte nichts wissen von seiner allmhlichen Loslsung,wie sich alles von ihm entfernte, wie die Bindungen zu ihrund den Kindern, die er aus Liebe und Gewhnung frdauerhaft hielt, gleichgltig wurden. Wie das Haus, in demer ein Vierteljahrhundert gelebt hatte, ihn ausstie, die Ar-beit, die ihn erfllt hatte, nur noch beschwerte.

    Das hatte mit der Krankheit begonnen. Vor einem halbenJahr war er von einem Tag auf den andern matt geworden,hatte das Gefhl, die Innenwnde seines Krpers seien dickverrut wie ein alter Kamin. Das Herz zog sich schmerzhaftzusammen, manchmal ergriff ihn ein so heftiger Schwindel,da er frchtete, bewutlos zu werden, nach Halt suchte,sich gegen die Wand lehnte, aus lauter Angst zu atmen ver-ga und dann aufsthnend Luft holte. Er zog sich ins Bettzurck, zum erstenmal in seinem Leben. Du bist vierund-fnfzig, sagte er sich, und du fhlst dich so, als httest duzwei Leben gelebt. Hella war ratlos; sie zwang ihn schlie-lich, zum Arzt zu gehen.

  • Ohne Zweifel habe er einen leichten Herzinfarkt ber-standen, er brauche sich deswegen jedoch keine Sorgen zumachen, wegen des Bluthochdrucks und eines berraschendfestgestellten Altersdiabetes schon eher. Ihm wurden Tablet-ten verschrieben, die er, wie der Arzt etwas gedankenlosbemerkte, fr den Rest seines Lebens einnehmen msse.

    Die Mittel halfen. Seine Spannkraft nahm wieder zu, erkonnte sich konzentrieren, die Arbeit ging ihm wiederleichter von der Hand. In regelmigen Zeitabstnden aberri der Faden. Er war nahe daran, sich umzubringen. Hellawich ihm aus, blieb oft ber Nacht in Frankfurt, bei derFreundin. Er bat den Arzt um Hilfe. Der verschrieb ihm,nachdem er ihn grndlich ausgefragt hatte, rote Kapseln ge-gen die Schwermut, und es verblffte ihn, wie wenig chemi-sche Substanz es brauchte, um ngste zu vertreiben, Launezu machen. Hella hatte keine Ahnung, mit welchen Mittelner sich half.

    Es war zu spt, ihr diese Geschichte zu erzhlen.Sie schaute ihn fragend an.Es ist so, ich gehe, sagte er, ich verlasse das Haus, mu es

    tun, es ist nur schwer zu erklren, und du wirst es nichtverstehen. Er sprach vor sich hin.

    Nein, sagte sie.Doch, Hella.Was haben wir dir getan?Nichts.Geht es dir denn nicht gut?Doch.Wann willst du gehen? fragte sie.Da war er sich selber noch nicht sicher.Bald, sagte er, und um sich zu besttigen, ihr keine Gele-

    genheit zu geben, seinen Entschlu anzuzweifeln, ihn zuberreden, ihn festzuhalten, fgte er hinzu: Sptestens En-de nchster Woche.

    I0

  • Wohin denn?Erst einmal nach Endringen. Ich habe im Grnen Baum

    fr ein Vierteljahr unser altes Zimmer gemietet.Sie zog ihre Hand langsam zurck.Hast du Frau Windmenger Bescheid gesagt?Das mute ich doch.Sie schttelte den Kopf, stand auf, warf die Jacke auf die

    Couch, ging zur Terrassentr, ffnete sie. Dann wissen allevon deinem Wahnsinn, nur ich nicht.

    Die Kinder auch nicht. Und es ist kein Wahnsinn. Ihrseid finanziell fr die nchsten Jahre gesichert, hoffeich, und dir wrde ja beinahe schon die Buchhandlunggengen.

    Er sah auf ihren Rcken, der sich krmmte, und dachte:Ich geh zu ihr hin, ich nehme sie in die Arme, ich sage ihr,da ich sie liebe, da ich sie alle die Jahre geliebt habe, dadieser Aufbruch nichts mit ihr zu tun hat, nur mit mir, mitmeiner Unfhigkeit, das Abgelebte weiter zu ertragen. Ertraute sich nicht.

    Ich habe die Druckerei verkauft, sagte er.Sie straffte den Rcken, lehnte sich gegen den Trrahmen

    und fing an zu lachen.Das Geld ist gut angelegt, sagte er, und ich werde nicht

    viel brauchen. Die Versicherungen werden monatlich abge-bucht.

    Sie drehte sich zu ihm um, schttelte von neuem den Kopf,kniff die Augen zusammen: Du hast ja alles prachtvoll ge-regelt. Diese Vorsorge, diese Gte. Du machst dir doch etwasvor.

    Sie kam zu ihm, legte ihm flchtig die Hand in den Nak-ken, schlo die Augen, als erwarte sie einen Ku, dochschon hatte sie die Hand wieder weggezogen, war ein paarSchritte zurckgetreten. Ich bitte dich, schlaf heute hierunten, sagte sie. Von morgen an kann ich ja in Frankfurt

    wi

  • bernachten, um dich nicht in deinen Reisevorbereitungenzu stren.

    Sie blieb, wie sie es ihm versichert hatte, die nchste Zeitin Frankfurt, rief ab und zu in der Druckerei an, erkundigtesich nach seinem Befinden, fragte aber nie, wann er auf-breche.

    Zwei Tage bevor er ging, tauchte Hella unangekndigtauf. Die Erregung verjngte sie. Zum erstenmal, seit er sichentschlossen hatte, ein neues Leben zu beginnen, wurde erwankelmtig. Er wollte sie umarmen, doch sie hielt ihn miteiner Frage zurck: Willst du dich scheiden lassen? Zuflligstand er vor dem Spiegel. Er warf einen Blick auf den gro-en und schweren Mann, der ihm unordentlich vorkam, ausden Fugen geraten.

    Nein, das will ich nicht.Ich auch nicht.Sie trat zu ihm in den Spiegel, zierlich, eine kleine Tn-

    zerin, etwas erschpft von einer allzu schwierigen bung.Er sah, da sie sich gegen ihn lehnte, sprte mit einer