Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA...

199
Dynamik und Mechanismen der heterogenen Elektronentransferprozesse von synthetischen und natürlichen Hämproteinen vorgelegt von Diplom Chemiker Tim Albrecht aus Essen Von der Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften Dr. rer. nat. genehmigte Dissertation Promotionsausschuß: Vorsitzender: Prof. Dr. Martin Schoen Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Peter Hildebrandt Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Gerhard H. Findenegg Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 08. September 2003 Berlin 2003 D83

Transcript of Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA...

Page 1: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

Dynamik und Mechanismen

der heterogenen Elektronentransferprozesse

von synthetischen und natürlichen Hämproteinen

vorgelegt von

Diplom Chemiker

Tim Albrecht

aus Essen

Von der

Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften

der Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Naturwissenschaften

Dr. rer. nat.

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuß:

Vorsitzender: Prof. Dr. Martin Schoen

Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Peter Hildebrandt

Berichter/ Gutachter: Prof. Dr. Gerhard H. Findenegg

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 08. September 2003

Berlin 2003

D83

Page 2: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II

Abstract

Tim Albrecht: „Dynamik und Mechanismen der heterogenen Elektronentransferprozesse

von synthetischen und natürlichen Hämproteinen“

Die Synthese von de novo Proteinen eröffnet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten,

die die Verwendung als Modellsysteme zur Erforschung grundlegender chemischer oder bio-

chemischer Prozesse einschließt.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden synthetische de novo Hämproteine mit einer Vier-Helix-

Bündel-Struktur verwendet, um erstmals an diesen Systemen die Dynamik und die Mecha-

nismen von heterogenen Elektronentransferreaktionen an modifizierten Metallelektroden im

Detail zu untersuchen.

Es wurden fünf verschiedene de novo Proteine synthetisiert, wobei alle fünf Proteine im

gewünschten Ligandierungszustand des Hämeisens vorlagen. Die geringe Stabilität und

Kooperativität bei chemisch induzierter Entfaltung deutete allerdings darauf hin, daß die

Qualität der Faltung der de novo Proteine im Vergleich zu natürlichen Proteinen Defizite auf-

wies.

Die Immobilisierung der Proteine gelang je nach Proteindesign über elektrostatische, hydro-

phobe oder kovalente Wechselwirkungen an entsprechend modifizierten Metalloberflächen.

Die immobilisierten de novo Proteine zeigten ein nichtideales elektrochemisches Verhalten

mit deutlich verbreiterten Redoxübergängen. Ihre Stabilität reichte für kinetische Elektronen-

transferuntersuchungen nicht aus. Zum ersten Mal gelang jedoch die Abbildung von immobi-

lisierten de novo Proteinen mit Hilfe von in situ Rastertunnelmikroskopie.

Im Gegensatz dazu eignete sich Cytochrom b562, ein strukturell sehr ähnliches, natürliches

Hämprotein, sehr gut für die Untersuchung von heterogenen Elektronentransferprozessen an

Metalloberflächen. Das immobilisierte Cytochrom b562 Wildtyp zeigte ein nahezu ideales

elektrochemisches Verhalten und einem Redoxpotential, das dem Wert des Proteins in

Lösung entspricht. Das Redoxpotential nahm mit dem Abstand dA zwischen Hämzentrum

und Metalloberfläche in H2O zu und in D2O ab und zeigt damit einen umgekehrten Trend in

den beiden Lösungsmitteln.

Die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten kET ergab ein nichtmonotones Verhalten

mit zunehmendem Abstand dA zur Metalloberfläche. Auf Monoschichten von mittlerer Länge

kam es im Vergleich zu kurzen Monoschichten zunächst zu einer Zunahme der Elektronen-

transfergeschwindigkeit und erst bei längeren Monoschichten erfolgte die erwartete Ab-

nahme von kET. Ein kinetischer Isotopieeffekt konnte nicht festgestellt werden. Diese Befunde

konnten qualitativ auf der Grundlage eines einfachen Modells zur Beschreibung der

Potentialverteilung in der Grenzschicht erklärt werden.

Page 3: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III

Diese Arbeit wurde in der Zeit von Mai 2000 bis Oktober 2001 am Max-Planck-Institut für

Bioanorganische Chemie in Mülheim/Ruhr (vormals MPI für Strahlenchemie) und von

November 2001 bis Februar 2003 am Instituto de Tecnologia Química e Biológica (ITQB),

Universidade Nova de Lisboa in Oeiras, Portugal angefertigt.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich während meiner Arbeit durch ihr Interesse,

ihre Diskussions- und Hilfsbereitschaft unterstützt haben. Im besonderen gilt mein Dank

Prof. Dr. Peter Hildebrandt für die interessante Themenstellung, seine Unterstützung und

die Betreuung der Arbeit,

Prof. Dr. Gerhard H. Findenegg für die Übernahme des Koreferats,

Prof. Dr. Karl Wieghardt, Prof. Dr. Kurt Schaffner und Prof. Dr. Wolfgang Lubitz sowie

Prof. Dr. Manuel Nunes da Ponte und Prof. Dr. Peter Lindley für die Aufnahme am Max-

Planck-Institut und am ITQB,

Prof. Dr. Wolfgang Haehnel und vor allem Prof. Dr. Jens Ulstrup für ihre Gastfreundschaft

während der Arbeit in ihren Arbeitsgruppen,

den Mitarbeitern meiner Arbeitsgruppe und ganz besonders Dr. Robert Schnepf für ihre

ständige Hilfs- und Diskussionsbereitschaft,

Dr. Daniel Murgida für die Einführung in die SERR-Spektroskopie,

Patric Hörth und Dr. Bernhard Monien für die Aufnahme der Massenspektren und ihre

Unterstützung bei der Proteinsynthese,

Dr. Jingdong Zhang und Dr. Hainer Wackerbarth für die Einführung in die in situ Raster-

tunnelmikroskopie,

Corinna Manroth, Christoph Breitenstein und Dr. Sebastian Sinnecker für ihre Korrektu-

ren und Anregungen,

Helen Kexel für ihre unermüdliche Unterstützung während dieser Zeit

und der Volkswagen-Stiftung sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes für die

Finanzierung von Teilen der Arbeit.

Page 4: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV

Kein Teil der vorliegenden Arbeit wurde bereits veröffentlicht.

Page 5: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V

Meinen Eltern

Page 6: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VI

„Erfahrung ist fast immer eine Parodie auf die Idee“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Page 7: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII

I. EINLEITUNG.......................................................................................................................................................................1

II. GRUNDLAGEN.................................................................................................................................................................5

A. PROTEINSYNTHESE .......................................................................................................................................................... 6

1. Protein de novo Design..............................................................................................................................................6

2. Die Synthese von Vier-Helix-Bündel-Proteinen nach dem TASP-Konzept.......................................................8

B. CYTOCHROM B562 ......................................................................................................................................................... 14

C. ELEKTRONENTRANSFERTHEORIE ................................................................................................................................ 16

1. Grundbegriffe .............................................................................................................................................................16

2. Elektronentransfer an der Metallelektrode ..........................................................................................................20

3. Kinetischer Isotopieeffekt und Elektronentransfer ..............................................................................................22

4. Elektronentransfer in biologischen Systemen ......................................................................................................23

D. RASTERTUNNELMIKROSKOPIE..................................................................................................................................... 24

E. CYCLOVOLTAMMETRIE UND VERWANDTE METHODEN ........................................................................................... 27

F. DIE THEORIE DES RAMAN-EFFEKTES.......................................................................................................................... 29

1. DER RAMAN-EFFEKT ..................................................................................................................................................... 29

2. DER RESONANZ-RAMAN-EFFEKT ................................................................................................................................ 30

3. DER OBERFLÄCHENVERSTÄRKTE RAMAN-EFFEKT ................................................................................................... 31

4. RESONANZ-RAMAN-SPEKTROSKOPIE AN PORPHYRINEN......................................................................................... 32

G. RELAXATIONSKINETIK.................................................................................................................................................. 34

III. MATERIAL UND METHODEN...............................................................................................................................36

A. PROTEINSYNTHESE ........................................................................................................................................................ 37

1. Manuelle Synthese im Rührkesselreaktor.............................................................................................................37

2. Automatisierte Synthese im Rohrreaktor..............................................................................................................38

3. Synthese der de novo Proteine................................................................................................................................39

B. PROTEINCHARAKTERISIERUNG.................................................................................................................................... 45

1. ESI-Massenspektrometrie........................................................................................................................................45

2. Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (RP-HPLC) .......................................................45

3. UV-vis-Absorptionsspektroskopie..........................................................................................................................45

4. Stabilität der de novo Proteine...............................................................................................................................46

5. Bestimmung der Extinktionskoeffizienten .............................................................................................................47

6. Gelfiltrationschromatographie...............................................................................................................................48

C. CHARAKTERISIERUNG DER GRENZSCHICHT UND DER ADSORBIERTEN PROTEINE............................................... 48

1. Poly- und einkristalline Goldelektroden für elektrochemische Messungen....................................................48

2. Präparation der Silberelektroden und Oberflächenmodifikation.....................................................................49

3. Raman-Spektroskopie in Lösung und auf der Oberfläche..................................................................................56

4. Cyclovoltammetrie und verwandte elektrochemische Methoden......................................................................61

Page 8: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VIII

D. IN SITU RASTERTUNNELMIKROSKOPIE (IN SITU STM).............................................................................................. 62

1. Aufbau des Mikroskops............................................................................................................................................62

2. Herstellung der Spitzen ............................................................................................................................................63

3. Vorbereitung der Au(111)-Elektroden ..................................................................................................................64

4. Durchführung einer STM-Messung........................................................................................................................64

IV. ERGEBNISSE.................................................................................................................................................................65

A. CHARAKTERISIERUNG DER DE NOVO PROTEINE IN LÖSUNG.................................................................................... 66

1. Massenspektrometrische Identifizierung...............................................................................................................66

2. UV-vis-Spektroskopie...............................................................................................................................................67

3. Chemisch induzierte Entfaltung der de novo Proteine.......................................................................................70

4. Gelfiltrationschromatographie...............................................................................................................................73

5. Resonanz-Raman-Spektroskopie ............................................................................................................................74

B. CHARAKTERISIERUNG DER DE NOVO PROTEINE AN DER ELEKTRODE.................................................................... 80

1. Eigenschaften der adsorbierten Thiole .................................................................................................................80

2. Elektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine..............................................................................84

3. Stationäre SERR-Spektroskopie .............................................................................................................................93

3.2 Das Protein MOP-P2 .............................................................................................................................................97

3.3 Das Protein MOP-P3 .......................................................................................................................................... 101

3.4 Das Protein MOP-C ............................................................................................................................................ 104

3.5 Das Protein MOP-F............................................................................................................................................. 108

C. MESSUNG DER ELEKTRONENTRANSFERKINETIK AN MOP-C: TR SERRS.........................................................112

D. IN SITU RASTERTUNNELMIKROSKOPIE AN MOP-C UND MOP-P3........................................................................115

1. Das Protein MOP-C............................................................................................................................................... 115

2. Das Protein MOP-P3............................................................................................................................................. 121

E. CHARAKTERISIERUNG VON CYTOCHROM B562 IN LÖSUNG ..................................................................................124

1. UV-vis-Spektroskopie............................................................................................................................................ 124

2. Resonanz-Raman-Spektroskopie ......................................................................................................................... 126

F. CHARAKTERISIERUNG VON CYTOCHROM B562 WT UND R98C AN DER ELEKTRODE ......................................128

1. Die Immobilisierung von Cytochrom b562........................................................................................................ 128

2. Die spektralen Parameter zur Analyse von Cyt b562 WT und R98C............................................................ 131

3. Thermodynamische Untersuchungen an Cytochrom b562............................................................................. 133

G. ELEKTRONENTRANSFERKINETIK DES CYTOCHROM B562......................................................................................141

Page 9: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IX

V. DISKUSSION................................................................................................................................................................. 147

A. UNTERSUCHUNG DER DE NOVO PROTEINE...............................................................................................................148

1. Proteinfaltung: Stabilität und Kooperativität ................................................................................................... 148

2. Adsorption und Redoxgleichgewichte an der Oberfläche............................................................................... 150

3. Spezifische Probleme bei der Untersuchung der de novo Proteine .............................................................. 151

B. CYTOCHROM B562 .......................................................................................................................................................155

1. Adsorptionseigenschaften..................................................................................................................................... 155

2. Cytochrom b562 in der elektrischen Doppelschicht ........................................................................................ 157

3. Das Elektronentransferverhalten von Cyt b562 WT......................................................................................... 162

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK........................................................................................................ 164

VII. ANHANG..................................................................................................................................................................... 168

A. DETAILS ZUR SYNTHESE VON MOP-P1 UND MOP-P2..........................................................................................169

1. Die Massen der Peptidfragmente ........................................................................................................................ 169

2. Daten zur Aufreinigung der Proben mittels RP-HPLC.................................................................................... 170

B. MATHCAD-PROGRAMME............................................................................................................................................171

1. Topologische Auswertung von STM-Bildern..................................................................................................... 171

2. Simulation von Cyclovoltammogrammen........................................................................................................... 177

3. Komponentenanalyse von UV-vis-Spektren....................................................................................................... 181

4. Fit von „trumpet plots“ unter Berücksichtigung der Fermi-Funktion ......................................................... 183

5. Der „m“-Parameter für die Auswertung kinetischer Daten nach Laviron ................................................. 185

Page 10: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

X

Abkürzungsverzeichnis

(t-) Boc t-Butoxycarbonyl

5c fünffach koordiniert

6c sechsfach koordiniert

6coxLS sechsfach koordiniert oxidiert low spin Konfiguration

A-C6 6-Aminohexylmercaptan

Acm Acetamidomethyl

Alloc Allyloxycarbonyl

C12F Dodecylmercaptan

C3 3-Mercaptopropansäure

Fmoc Fluorenyloxycarbonyl

HS high spin

LS low spin

MOP modulares Protein

OtBu t-Butoxy

Pbf 2,2,4,6,7-Pentamethyldihydrobenzofuran-5-sulfonyl

rd reduziert

RR Resonanz-Raman

SAM self-assembled monolayer, selbstorganisierte Monoschicht

SER(S) surface-enhanced Raman (spectroscopy )

SERR(S) surface-enhanced resonance Raman (spectroscopy)

oberflächenverstärkte Resonanz-Raman-Spektroskopie

SIMP Succinimidylmaleinimidopropionyl

STM scanning tunnelling microscopy, Rastertunnelmikroskopie

TASP template-assembled synthetic protein

TFA Trifluoressigsäure

Trt Trityl

UV Ultraviolett

vis visible, sichtbar

WT Wildtyp

z Anzahl der übertragenen Elektronen pro Redoxereignis

„Nernst-Parameter“

Page 11: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

XI

Drei- und Einbuchstabencode für Aminosäuren

Aminosäure Xxx-Code Y-Code

Alanin Ala A

Arginin Arg R

Asparagin Asn N

Aspartat Asp D

Cystein Cys C

Glutamat Glu E

Glutamin Gln Q

Glycin Gly G

Histidin His H

Isoleucin Ile I

Leucin Leu L

Lysin Lys K

Methionin Met M

Phenylalanin Phe F

Prolin Pro P

Serin Ser S

Threonin Thr T

Tryptophan Trp W

Tyrosin Tyr Y

Valin Val V

Page 12: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl
Page 13: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

I. EINLEITUNG 1

I. Einleitung

Page 14: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

I. EINLEITUNG2

Bei einem großen Teil von Redoxproteinen erfolgt der Elektronentransfer (ET) über große

Distanzen, die zum Teil in der Größenordnung von 10 Å liegen (langreichweitiger ET). Dies

schließt einen direkten Kontakt der Redoxzentren aus und erfordert die Beteiligung von da-

zwischen liegenden Aminosäuren an der ET-Reaktion. Die Mechanismen dieser Reaktionen

sind jedoch trotz einer Vielzahl von experimentellen und theoretischen Arbeiten im Detail

noch nicht vollständig verstanden, so daß mehrere theoretische Erklärungsansätze neben-

einander vorliegen. Gibt es spezifische ET-Wege oder spielt nur der Abstand der Redoxzen-

tren eine wichtige Rolle? Welchen Einfluß haben bestimmte Aminosäuren auf die ET-

Eigenschaften eines Redoxsystems?

Speziell in biologischen Systemen erfolgt ET häufig intermolekular über geladene Grenzflä-

chen und trotz der großen Bedeutung dieser Prozesse in der Natur ist die Rolle der Ladungs-

verteilung in der Grenzschicht und der dort vorherrschenden elektrischen Felder erst in

Ansätzen untersucht worden.

Die Ursache für diese Defizite im Verständnis von ET-Prozessen liegt zum Teil darin

begründet, daß es an Modellsystemen mangelt, die eine präzise Untersuchung der für den

ET relevanten Parameter zulassen. Mit Hilfe der gerichteten Mutagenese ist es zwar

möglich, an verschiedenen Stellen zusätzliche Redoxzentren in natürlichen Proteinen einzu-

führen und dann den ET zum Kofaktor des Proteins zu untersuchen. Doch werden dadurch

in der Regel gleich mehrere Parameter verändert, die den ET beeinflussen können. Dazu

zählen neben der ET-Distanz auch die Zusammensetzung des ET-Weges, die treibende

Kraft für die Reaktion und die elektronische Kopplung zwischen den Redoxzentren.

Außerdem ist der Modellcharakter solcher Untersuchungen für heterogene ET-Reaktionen

nur begrenzt, da zum Beispiel Adsorptions-/Desorptionsprozesse nicht simuliert werden

können.

Genau an diesen Punkten soll die vorliegende Arbeit anknüpfen und einen Beitrag zum

Verständnis heterogener Elektronentransferprozesse leisten.

Eine Alternative zur gerichteten Mutagenese von natürlichen Proteinen besteht in der

Herstellung von synthetischen Proteinen mit Hilfe der de novo Synthese. Die gewünschten

Aminosäuresequenzen werden dabei auf chemischem Weg hergestellt, so daß die Zusam-

mensetzung des Proteins in weiten Grenzen kontrolliert werden kann. Die im Rahmen dieser

Arbeit verwendeten templatgestützten Vier-Helix-Bündel-Proteine wurden zum Beispiel mit

jeweils zwei Histidinen zur Bindung eines Redoxzentrums wie der Hämgruppe ausgestattet.

Durch die Veränderung der Position dieser Histidine innerhalb des Vier-Helix-Bündels ist es

im Prinzip möglich, die ET-Distanz zu einem Redoxpartner zu verringern, ohne dabei

gleichzeitig die Zusammensetzung des ET-Weges zu verändern.

Page 15: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

I. EINLEITUNG 3

Außerdem erlaubt die Protein de novo Synthese die Variation der Oberflächenzusammenset-

zung der Proteine, so daß verschieden geladene Bindungsdomänen zwischen dem Protein

und seinem Redoxpartner, wie z. B. in der vorliegenden Arbeit einer modifizierten Metall-

oberfläche, erzeugt werden können.

Modifizierte Metalloberflächen können als Modellsysteme für heterogenen ET an biologi-

schen Grenzschichten dienen, da ihre Struktur und die Ladungsverteilung in der Grenz-

schicht gewisse Ähnlichkeiten zu geladenen Doppelschichten von Membranen aufweist.

Die Modifikation der Metalloberfläche erfolgt mit Hilfe von bifunktionalen Alkylthiolen, die bei

ausreichender Kettenlänge auf Metalloberflächen homogene selbstorganisierte Monoschich-

ten mit hoch geordneter Struktur bilden (self-assembled monolayer, SAM).

Durch Variation der zweiten funktionellen Gruppe dieser Alkylthiole können so die Eigen-

schaften der Monoschicht in weiten Grenzen verändert werden. COOH-terminierte Mono-

schichten stellen in einer neutralen Meßlösung zum Beispiel eine negativ geladene SAM dar,

während aminoterminierte Monoschichten eine positive Nettoladung aufweisen.

Die Modifikation der Metalloberflächen beugt zum einen einer Denaturierung des Proteins

auf der „blanken“ Metalloberfläche vor, wie sie beispielsweise bei Cytochrom c beobachtet

wurde. Zum anderen können die Eigenschaften der modifizierten Metalloberfläche so verän-

dert werden, daß die spezifische Bindung eines Proteins mit einer bestimmten Bindungsdo-

mäne möglich wird. Über die Dicke der Monoschicht kann außerdem die ET-Distanz

zwischen Protein und Metalloberfläche in definierter Form verändert werden.

Das Verständnis von ET-Prozessen immobilisierter Proteine erfordert eine Fülle von Informa-

tionen über das untersuchte System. Konventionelle elektrochemische Methoden leisten

bereits einen wertvollen Beitrag dazu, doch liefern sie keine strukturellen Informationen über

die am ET beteiligten Spezies. Deshalb kann zum Beispiel eine Kopplung von

Konformationsänderungen mit dem eigentlichen ET-Schritt nicht unmittelbar nachgewiesen

werden.

Oberflächenverstärkte Resonanz-Raman-Spektroskopie (surface-enhanced resonance

Raman spectroscopy, SERRS) bietet demgegenüber entscheidende Vorteile. Bei dieser

Methode macht man sich zwei Effekte zunutze, die die sonst relativ schwache Raman-

Streuung verstärken. Dies sind der Oberflächenverstärkungseffekt, der beispielsweise auf

molekulare Spezies in der Nähe von Silberberflächen wirkt, und der Resonanzeffekt, der zu

einer Verstärkung bestimmter Raman-Moden führt, wenn die Frequenz des Anregungslichtes

in Resonanz mit einem elektronischen Übergang ist.

Page 16: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

I. EINLEITUNG4

Durch die Kombination beider Effekte ist SERR-Spektroskopie so empfindlich, daß selektiv

das Verhalten von Hämproteinen auf Silberoberflächen potential- und zeitabhängig unter-

sucht werden kann. Gleichzeitig erhält man mit dem SERR-Spektrum detaillierte Informatio-

nen bezüglich des Redox- und Ligandierungszustandes der Hämgruppe, so daß die SERR-

Spektroskopie in diesem Fall ein ideales Werkzeug zur Untersuchung heterogener ET-

Prozesse darstellt.

Zusammen mit elektrochemischen Techniken und der in situ Rastertunnelmikroskopie steht

somit eine Pallette von Methoden zur Verfügung, die eine Fülle von komplementären Infor-

mationen zu dem immobilisierten Redoxsystem liefern kann.

Trotz der potentiellen Vorzüge von synthetischen de novo Proteinen im Vergleich zu natürli-

chen Proteinen, sind solch detaillierte ET-Untersuchungen an diesen Systemen noch nicht

durchgeführt worden.

Es gilt also herauszufinden, inwieweit de novo Proteine tatsächlich für die gestellte Aufgabe

geeignet sind. Dazu müssen die Proteine zunächst synthetisiert und in Lösung charakteri-

siert werden. Das Design der Proteine muß sich bereits an einer möglichen Immobili-

sierungsstrategie orientieren und eine Bindungsdomäne für die Immobilisierung an modifi-

zierten Metalloberflächen aufweisen. In diesem Zusammenhang soll die Bindung an die

Oberfläche über elektrostatische, hydrophobe und kovalente Wechselwirkungen getestet

werden.

Nach der erfolgreichen Immobilisierung an der Metalloberfläche müssen die Proteine mit

Hilfe elektrochemischer und SERR-spektroskopischer Methoden charakterisiert werden.

Unter Umständen bietet die in situ Rastertunnelmikroskopie die Möglichkeit, die adsorbierten

Spezies auch zu visualisieren.

Vor allem unter Verwendung der potential- und zeitabhängigen SERR-Spektroskopie sollen

dann die elektrochemischen Parameter wie das Redoxpotential oder die Anzahl der

transferierten Elektronen pro Redoxereignis, sowie die Kinetik des ET-Prozesses für die

adsorbierten Proteine bestimmt werden.

Als ein Kriterium zur Einschätzung der Qualität des Protein de novo Designs dient der

Vergleich mit einem natürlichen ET-Protein wie Cytochrom b562. Seine Struktur wurde im

Laufe der Evolution für ET-Reaktionen im Organismus optimiert und stellt deshalb eine

Referenz für die Evaluierung der de novo Proteine dar.

Page 17: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 5

II. Grundlagen

Page 18: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN6

A. Proteinsynthese

1. Protein de novo Design

Unter Protein de novo Design versteht man im engeren Sinn die Synthese eines bestimmten

Strukturmotivs ohne direkten Bezug zu der Aminosäuresequenz einer natürlichen Vorlage1.

Der Begriff wird allerdings im weiteren Sinn auch für andere Strategien gebraucht, bei denen

die gezielte Veränderung einer natürlichen Struktur im Zentrum steht. Dazu zählen zum

Beispiel die Vereinfachung natürlich vorkommender Aminosäuresequenzen unter

Beibehaltung der nativen Funktion (minimalistischer Ansatz)2 oder die zielgerichtete

Veränderung dieser Funktion durch den Austausch einzelner Aminosäuren3.

Die Herstellung bestimmter Sequenzen kann sowohl durch biochemische Verfahren, z. B.

Display-Methoden4, als auch auf dem Weg der chemischen Synthese erfolgen, wobei im

Folgenden ausschließlich vom synthesechemischen Ansatz die Rede sein wird.

Bei der de novo Synthese von Proteinen mit bestimmten Eigenschaften steht die Auswahl

einer geeigneten Aminosäuresequenz zunächst im Mittelpunkt des Interesses. Man

unterscheidet prinzipiell zwischen rationalem und kombinatorischem Design.

Beim rationalen Design wird versucht, die Aminosäuresequenz a priori so auszuwählen, daß

das resultierende Protein gleich die gewünschten Eigenschaften aufweist. Ist dies nicht der

Fall, wird die Sequenz an bestimmten Stellen variiert, ein neues Protein hergestellt und auf

die entsprechende Eigenschaft geprüft. Die Schwierigkeit besteht hier vor allem in der

Vorhersage der Proteineigenschaften, zumal die Anzahl der erforderlichen Synthesen im

Vorhinein unbekannt ist.

Im Gegensatz dazu versucht man beim kombinatorischen Ansatz, eine Bibliothek von

unterschiedlichen Aminosäuresequenzen gleichzeitig zu synthetisieren und ihre

Eigenschaften mit einem geeigneten Screening-Verfahren zu überprüfen. In der Regel

werden manche Sequenzen der gewünschten Eigenschaft näher kommen als andere und in

einem weiteren Syntheselauf können diese "Treffer" dann durch Variation ihrer Sequenz

weiter optimiert werden. Die kombinatorische Methode hat den Vorteil, daß in einem

bestimmten Zeitraum ein größerer Teil des Sequenzraumes untersucht werden kann. Der

1 W. F. DeGrado et al., Annu. Rev. Biochem. 1999, 68:779-8192 Z. Xu et al., Protein Sci. 2000, 9: 403-4163 T. M. Penning, J. M. Jez, Chem. Rev. 2001, 101, 3027-3046; Y. Lu et al., ebd., 3047-30804 J. Hanes, A. Plückthun, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, vol. 94, 4937-4942, 1997; R. W. Roberts, J. W.

Szostak, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, vol. 94, 12297-12302, 1997

Page 19: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 7

Nachteil im Vergleich zum rationalen Ansatz besteht in einem zunächst höheren apparativen

und synthetischen Aufwand, da nur ein Bruchteil einer Sequenzbibliothek für nachfolgende

Schritte weiter verwendet wird. Auch die Suche nach einem geeigneten Screening-Verfahren

kann sich je nach gewünschter Eigenschaft schwierig gestalten.

Die Anwendungsgebiete für Protein de novo Design sind ausgesprochen groß. Durch die

große synthetische Flexibilität können Aminosäuresequenzen und deren dreidimensionale

Organisation in weiten Grenzen variiert werden, so daß im Prinzip vielfältige

Verwendungsmöglichkeiten offenstehen, die von der Erforschung von Faltungsprozessen5

über die Herstellung künstlicher Enzyme6 und dem Design von Nanostrukturen mit anti-

bakteriellen Eigenschaften7 reichen.

Die Beurteilung der Qualität eines de novo Proteins richtet sich jedoch empfindlich nach den

Kriterien, die dazu angelegt werden. Die Stabilität des Proteins gegenüber

Entfaltungsreagenzien oder Temperatur ist dazu nicht geeignet, da der Energieunterschied

zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand nicht in direktem Zusammenhang mit der

Kooperativität des Entfaltungsprozesses steht. Gerade die hohe Kooperativität bei der

Entfaltung wird aber als charakteristisch für natürliche Proteine erachtet.

Auch die Kooperativität kann nicht als alleiniges Kriterium verwendet werden, da eine hohe

Kooperativität nicht zwangsläufig mit der für natürliche Proteine typischen spezifischen

Packung der Aminosäureseitenketten einher gehen muß. Detaillierte Untersuchungen an

Drei-Helix-Bündel-Proteinen haben gezeigt, daß selbst bei de novo Proteinen, für die NMR-

Strukturen vorliegen, im Unterschied zu natürlichen Proteinen eine erhöhte Mobilität der

Seitenketten vorliegen kann8.

Die Optimierung einer Struktur muß sich also sowohl an der Stabilität eines Proteins als auch

an der Spezifität der Packung orientieren. Das eine spiegelt den Engergieunterschied

zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand wider, das andere vor allem die

Energiedifferenz zwischen dem globalen Energieminimum und den strukturell ähnlichen

lokalen Minima einer gefalteten Struktur (molten globule Zustände). Um gleichzeitig eine

hohe Kooperativität zu erreichen, muß zudem der Übergangszustand der Entfaltungsreaktion

bezüglich seiner relativen Energie und seiner Spezifität optimiert werden (Abb. 2.1).

5 R. B. Hill et al., Acc. Chem. Res., vol. 33, no. 11, 2000, 745-7546 D. N. Bolon et al., Curr. Op. Chem. Biol. 2002, 6:125-1297 M. R. Ghadiri et. al., Nature 2001, vol. 412,4528 S. T. Walsh et al., Biochemistry 2001, 40: 9560-9569

Page 20: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN8

Auch bei modifizierten natürlichen Proteinen ist das

Auftreten von molten globule Zuständen jedoch nicht

gleichbedeutend mit dem Einbüßen der natürlichen

Funktion9, so daß sich die Beurteilung des Erfolges eines

Protein-Designs an pragmatischen Maßstäben orientie-

ren sollte: Das Design war erfolgreich, wenn das Protein

kann, was es soll. Die Imitation aller Eigenschaften eines

natürlichen Proteins muß nicht zwingend erforderlich

sein.

2. Die Synthese von Vier-Helix-Bündel-Proteinen nach dem TASP-Konzept

2.1 Vier-Helix-Bündel: Vorkommen, Stabilität und Struktur

Ein in natürlichen Proteinen ausgesprochen häufig vorkommendes Strukturmotiv ist das Vier-

Helix-Bündel, wobei die unterschiedlichsten Funktionen mit dem jeweiligen Protein

verbunden sein können, z. B. Elektronentransfer (Cytochrom b562), Transkriptionsregulation

(ROP), Eisenspeicherung (Ferritin), Sauerstofftransport und -speicherung (Hemerythrin) und

Katalyse (Ribonukleotid Reduktase).

Auch im Rahmen dieser Arbeit wurde das Vier-Helix-Bündel als Grundstruktur für die

untersuchten Proteine gewählt. Ein wichtiger Unterschied zu ihren natürlichen Pendants

besteht allerdings darin, daß es sich um sogenannte TASP-Proteine handelt, bei denen die

vier Helices durch ein Templat in die vordefinierte Tertiärstruktur gebracht werden (TASP:

Template Assembled Synthetic Protein)10. Als Template können eine Vielzahl von Molekülen

9 D. Booth et al., Nature 1997, 385, 787-79310 M. Mutter, S. Vuilleumier, Angew. Chem. Int. Ed. Engl., 1989:8:535-554

Abb. 2.1: Energieschema der

Faltungszustände

Page 21: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 9

wie Cavitanden, Cyclodextrine, Porphyrine, Zucker oder zyklische Polypeptide verwendet

werden11.

Die Auswahl der Aminosäuresequenzen für die einzelnen Helices ist kritisch für das

Gelingen des angestrebten Proteindesigns und obwohl die grundlegenden Beiträge für die

Stabilität eines Proteins bekannt sind, ist die Vorhersage einer Proteinstruktur aus der

Sequenz allein bis heute im Allgemeinen nicht möglich.

Dennoch gibt es einige Regeln, die die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Designs

erhöhen. Beispielsweise werden die Aminosäuresequenzen der Helices so ausgewählt, daß

eine Seite der Helix hydrophobe, die andere jedoch hydrophile Aminosäuren aufweisen.

Diese amphiphile Struktur der Helices führt in wäßriger Lösung zur Ausbildung eines

hydrophoben Kerns innerhalb des Vier-Helix-Bündels, der bedingt durch den hydrophoben

Effekt die Stabilität des Proteins erhöht.

Daneben tragen auch elektrostatische Effekte zu dieser Stabilität bei. Die Plazierung von

Aminosäuren mit entgegengesetzt geladenen Seitenketten wie Glutamat und Lysin genau

eine Helixdrehung voneinander entfernt ermöglicht die Ausbildung von Salzbrücken (1

Drehung ≅ 3.6 Aminosäuren).

Die antiparallele Orientierung der vier Helices im Bündel führt zum partiellen Ausgleich des

Helix-Makrodipols (N-Terminus → C-Terminus), wodurch die elektrostatische Abstoßung

zwischen den Helices verringert und die Stabilität des Vier-Helix-Bündels insgesamt erhöht

wird. Den gleichen Effekt hat das sogenannte helix capping, d. h. die Amidierung des C-

Terminus bzw. die Acetylierung des N-Terminus einer Helix.

Auch die Aminosäuren selbst zeigen unterschiedliche Neigung helikale Strukturen

auszubilden. Während Alanin und Lysin eine Helix-Struktur bevorzugen, brechen Prolin und

Glycin solche Strukturen auf.

Die Energiebeiträge der einzelnen Wechselwirkungen zur Gesamtstabilität des Proteins sind

im Allgemeinen gering und liegen im Bereich von 2-8 kJ/mol. Erst durch Summation über

eine größere Anzahl von Aminosäuren entsteht eine signifikante Stabilisierung der Struktur.

Dies wird besonders beim hydrophoben Effekt deutlich, bei dem eine kritische Helixlänge

überschritten werden muß12. Für eine detaillierte Diskussion dieser Zusammenhänge sei auf

die Literatur verwiesen13.

11 A. A. Watson et al., Inorg. Chem. 1997: 36:752-&; K. S. Akerfeldt, W. F. DeGrado, Tetrahedron Lett.

1994:35:4489-4492; K. S. Akerfeldt et al., Tetrahedron 1992:48:9217-9232; K. J. Jensen, G. Barany,

J. Pept. Res. 56 (2000) 3-1112 M. Mutter et al., J. Am. Chem. Soc. 1992, 114:1463-1470; Y. Wei et al., Prot. Sci. (2003), 12:92-10213 J. W. Bryson et al., Science, vol. 270, 1995, 935-941; L. Baltzer et al., Chem. Rev. 2001, 101, 3153-

3163 (s. Referenzen dort)

Page 22: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN10

2.2 Peptidsynthese

Die Herstellung der TASP de novo Proteine erfolgt in einer konvergenten Synthese.

Zunächst werden die einzelnen Bausteine des Proteins nach der Merrifield-Methode

synthetisiert und dann nach einem modularen Prinzip zusammengesetzt14. Um einzelne

Aminosäuren gezielt ansteuern zu können, ist eine ausgeklügelte Schutzgruppen-Chemie

vonnöten.

Für die α-NH2-Gruppen der Aminosäuren stehen mit den Schutzgruppen 9-

Fluorenyloxycarbonyl (Fmoc) und tert-Butoxycarbonyl (tBoc oder Boc) zwei Grundstrategien

zur Verfügung (Abb. 2.2). Obwohl sich die Boc-Strategie durch weniger Nebenreaktionen

auszeichnet, hat die Verwendung von Fmoc-Schutzgruppen heute eine größere Verbreitung

gefunden15,16. Bei Verwendung der Fmoc-Methode kann Boc auch als Schutzgruppe in den

Seitenketten der Aminosäuren benutzt werden, d. h. Fmoc und Boc sind orthogonale

Schutzgruppen.

14 R. B. Merrifield, J. Am. Chem. Soc. 1963:85:2149-215415 R. H. Angeletti et al., Method. Enzymol. 289: 697-717 199716 G. B. Fields, R. L. Noble, Int. J. Pept. Protein Res. 1990:35:161-214

Abb. 2.2: Struktur einiger Schutzgruppen in der Peptidsynthese - R = Aminosäure

BocOtBu

Page 23: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 11

Als Templat wurde in der vorliegenden Arbeit ein zyklisches Decapeptid mit β-

Faltblattstrukturelementen verwendet, das nach den Ergebnissen von NMR-Untersuchungen

eine relativ starre Struktur aufweist (Kap. III.3.1)17. Es ist mit vier Cysteinen ausgestattet,

deren Thiol-Funktionen alternierend mit den orthogonalen Schutzgruppen Acetamidomethyl

(Acm) und Trityl (Trt) versehen sind (Abb. 2.2).

Durch diese Variation der Schutzgruppen ist es möglich, zwei verschiedene Helixtypen A

und B an das Templat zu binden und gleichzeitig ihre Position festzulegen. Es entstehen

Vier-Helix-Bündel des ABAB-Typs, bei dem sich die gleichartigen Helices diagonal

gegenüber stehen. Die Vielfalt an Cystein-Schutzgruppen ist damit allerdings bei weitem

noch nicht ausgeschöpft, Vier-Helix-Bündel ABCD mit vier verschiedenen Helices sind

prinzipiell möglich17.

Für den Schutz der übrigen funktionellen Gruppen der Aminosäureseitenketten stehen eine

Vielzahl von Substituenten zur Verfügung (Tab. 2.1). Aufgrund dessen werden hier nur die

kurz zusammengefaßt, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden (Abb. 2.2). Eine sehr

detaillierte Übersicht geben Chan und White18.

Schutzgruppe Abspaltreagenzien inert gegenüber Schutz von Lit.

Fmoc 20% Piperidin/DMF TFA, Pd(0) NH215,16

Boc TFA Piperidin, Hydrazin, Thiol,

1% TFA, Pd(0), TFMSA

NH215,16

Trt TFA, I2 Thiol SH, NH(2)19

Acm Hg2+, I2, Ag+ TFA, TFMSA, Thiol SH 20

OtBu 90% v/v TFA k. A. COOH 18

Alloc Pd(0) TFA, Piperidin, Hydrazin NH221

Pbf 95% v/v TFA k. A. NH218

Tab. 2.1: Abspaltreagenzien für die verwendeten Schutzgruppen

17 R. Schnepf, Dissertation (Bochum, 2000)18 W. C. Chan, P. D. White (eds.), "Fmoc Solid Phase Synthesis ", Oxford Univ. Press (2000)19 J. Photaki et al., J. Chem. Soc., Chem. Commun. 1970:2683.268720 D. F. Veber et al., J. Am. Chem. Soc. 1972:94:5456-546121 H. Kunz, C. Unverzagt, Angew. Chem. Int. Ed. 1984:23:436-437

Page 24: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN12

2.3 Reaktionsmechanismen

Die Synthese der Polypeptide erfolgt vom

C- zum N-Terminus. Je nach Verknüpfung

zwischen erster Aminosäure und Harz

wird das fertige Polypeptid in

unterschiedlichen Formen freigesetzt. Im

Fall des PAL-PEG-PS-Harzes22 geschieht

dies in amidierter Form, was sich

wiederum günstig auf die Stabilität des

späteren Vier-Helix-Bündels auswirkt

(Abschn. 2.1). Abbildung 2.3 illustriert die

Anordnung anhand eines allgemein gehaltenen Pentapeptids.

Die Abspaltung des Fmoc von der α-NH2-Gruppe der Aminosäure mit Hilfe von Piperidin

beginnt mit einem nucleophilen Angriff auf den tertiären Wasserstoff des Fluorenyl-Rings an

C9. Das resultierende Carbanion wird durch Umlagerung zum Dibenzofulven stabilisiert.

Gleichzeitig bildet sich eine Carbaminsäure, die wiederum durch Decarboxylierung die α-

NH2-Gruppe des Peptids freigibt (Abb. 2.4)18.

22 PAL: (4-N-Fmoc-aminomethyl-3.5-dimethoxyphenoxy)valeryl, F. Ende, Dissertation (Hamburg 2001)

Abb. 2.3: Anordnung des Polypeptids am Harz

Abb. 2.4: Abspaltung der Fmoc-Schutzgruppe - Mechanismus

Page 25: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 13

Nach dem Entschützen der α-NH2-Gruppe kann die nächste Aminosäure gekoppelt werden.

Dazu wird deren COOH-Gruppe jedoch vorher mit Hilfe von TBTU23 in einen reaktiven Ester

überführt, um die Carboxylgruppe zu aktivieren (Abb. 2.5)18, 24.

Die α-NH2-Gruppe des Peptids greift nucleophil am Carboxyl-Kohlenstoff der aktivierten

COOH-Gruppe an und bildet unter Spaltung des Esters eine Peptidbindung aus. Im nächsten

Schritt beginnt mit der Abspaltung von Fmoc die Addition der nächsten Aminosäure25.

23 (2(1-H-Benzotriazol-1-yl)-1.1.3.3-tetramethyluronium)-tetrafluoroborat24 H. Rau, Dissertation (Freiburg 1998)25 Reinigungs- und Aufbereitungsschritte wurden ausgelassen, da es hier ausschließlich um die

Mechanismen der Kopplungen geht.

Abb. 2.5:

Aktivierung der COOH-

Funktion einer Aminosäure

Page 26: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN14

B. Cytochrom b562

Cytochrom b562 (Cyt b562) ist ein strukturell einfaches, monomeres Hämprotein, das

ausschließlich im Periplasma von E. coli auftritt26. Es besteht aus 106 Aminosäuren (MW =

12 kDa), die zum großen Teil in α-helikaler Struktur vorliegen. Das Protein hat einen

Durchmesser von 25 Å und eine Länge von 50 Å.

Die natürliche Funktion von Cyt b562 ist unbekannt, aufgrund seiner hohen Löslichkeit und

seiner Struktur handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein Elektronentransferprotein

handelt. Die axiale Ligandierung des Cofaktors erfolgt über Met7 und His102 (pdb-

Datenbank: 1QPU), wobei die Bindungsgeometrie der des Cytochrom c (Cyt c, Pferdeherz)

sehr stark ähnelt. Im Unterschied zum Cyt c liegt das Häm jedoch deutlich näher an der

Proteinoberfläche, so daß die Propionat-Gruppen des Porphyrins höchstwahrscheinlich zur

negativ geladenen Bindungsdomäne des Proteins beitragen (Abb. 2.6).

Das Redoxpotential von Cyt b562 ist stark pH-abhängig mit +150 mV bei pH 8.5 und +280

mV bei pH 4.6 (gegen SHE)27. Aus diesem Befund heraus wurde auf das Vorhandensein von

drei protonierbaren Gruppen in der Nähe des Cofaktors geschlossen: eine mit einem pKa-

Wert von 9.0 im oxidierten Zustand und einem deutlich höheren Wert im reduzierten

Zustand, die dem koordinierenden His102 zugeordnet wurde (Histidin ↔ Histidinat). Die

26 F. S. Mathews, "Handbook of Metalloproteins", A. Messerschmidt, R. Huber, T. Poulos, K.

Wieghardt (eds.), vol. 1, Wiley (2001)27 P. D. Barker, persönliche Mitteilung

Abb. 2.6:

Struktur und Bindungstasche von

Cytochrom b562 WT (1QPU)

Page 27: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 15

zweite Gruppe mit pKa-Werten von 6.8 (oxidiert) und 7.0 - 7.6 (reduziert) entspricht ver-

mutlich einer Propionatseitenkette des Häms, während eine dritte Gruppe mit pKa-Werten

von < 5.0 (oxidiert) und 5.5 - 6.5 (reduziert) nicht zugeordnet werden konnte28.

Cytochrom b562 ist recht stabil gegenüber thermischer und chemisch induzierter Entfaltung

mit einer Entfaltungstemperatur Tm von 67°C bei pH 7.0 bzw. einer Freien

Entfaltungsenthalpie von 30.0 kJ/mol ([GuHCl] → 0 M, m = 14.2 kJ/(mol⋅M)). Der

isoelektrische Punkt liegt bei pH 5.0. Die Nettoladung des Proteins bei pH 7.0 beträgt -229.

Die Resonanz-Raman-spektroskopische Untersuchung von Cyt b562 ergab große

Ähnlichkeiten zu Cyt c, was aufgrund der gleichen Ligandierung des Häms den Erwartungen

entspricht30. Die elektrochemische Charakterisierung ergab kein Signal auf unmodifizierten

Gold- oder Graphitelektroden (EPG). Erst durch den Einsatz von Promotoren wie Neomycin

oder durch die Beschichtung der Goldoberflächen mit Polypeptiden wie KCTCCA konnte ein

reversibles elektrochemisches Signal nachgewiesen werden. Die Oberflächenmodifikation

mit Cysteamin und Cystamin ergab hingegen nur schwache und instabile Signale31.

28 G. R. Moore et al., Biochim. Biophys. Acta, 829, 83-96 (1985)29 F. Arnesano et al., Biochem. 2000, 39, 1499-151430 R. P. Srivastava et al., J. Raman Spectr., 11(1): 20-23 198131 P. D. Barker et al., Inorg. Chim. Acta 252 (1996), 71-77

Page 28: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN16

C. Elektronentransfertheorie

Elektronentransferreaktionen oder allgemein Ladungstransferreaktionen sind in der Natur

weit verbreitet und waren deshalb seit dem Aufkommen moderner Reaktionstheorien in den

20'er und 30'er Jahren des 20. Jahrhunderts Gegenstand zahlloser experimenteller und

theoretischer Arbeiten32. Besonders kritisch für die theoretische Behandlung dieser Prozesse

war die Kopplung des Elektronentransfers (ET) mit Veränderungen in der Umgebung des

Donor/Akzeptorpaares. Bereits 1952 stellte Libby fest, daß ET nur unter Erhaltung von

Energie und Impuls möglich sein kann und führte so das Franck-Condon-Prinzip in ET-

Theorie ein33. Frühe Arbeiten von Marcus und Hush basierten zunächst auf der klassischen

Theorie des Übergangszustandes, doch wurden bald quantenmechanische Korrekturen für

nukleare Tunneleffekte u. ä. hinzugefügt34. Parallel zu diesen Arbeiten gelang Levich und

Dogonadze eine vollständige quantenmechanische Beschreibung des

Lösungsmitteleinflusses35.

1. Grundbegriffe

Ein einfaches, allgemein formuliertes Elektronentransfersystem wie in Gl. 2.1 kann mit Hilfe

von parabolischen Freie-Enthalpie-Kurven in guter Näherung beschrieben werden, da die

Anharmonizitäten im relevanten Energiebereich noch keine Rolle spielen32. Dabei stehen die

Edukte, der Elektronendonor D und der Akzeptor A, mit einem Übergangszustand im

Gleichgewicht, der mit einer Geschwindigkeitskonstante k3 zu den Produkten D+ und A-

reagiert. Dieser letzte Schritt wird als irreversibel angesehen.

(Gl. 2.1)

32 R. A. Marcus, N. Sutin, Biochim. Biophys. Acta 811, 265-322 (1985) (Übersichtsartikel)33 W. F. Libby, J. Phys. Chem., 56, 863 (1952)34 R. A. Marcus, J. Chem. Phys., 24, 966 (1956); ebd., Disc. Faraday Soc., 29, 21, 129 (1960); N. S.

Hush, Trans. Faraday Soc., 57, 557 (1961)35 R. R. Dogonadze, Dokl. Acad. Nauk. SSSR, 133, 1368 (1960); V. G. Levich, R. R. Dogonadze,

Dokl. Acad. Nauk. SSSR, 124, 123 (1959)

D + A D+ A- D+ + A-k1

k2

k3

=

Page 29: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 17

Die wichtigsten Parameter für den ET

sind in Abbildung 2.7 eingetragen. Die

parabelförmigen Energiefunktionen

sollen sich nur durch die

Verschiebung entlang der

Koordinatenachsen unterscheiden.

Die Reorganisationsenergie λ ist die

Energie, die aufgewendet werden

muß, um die Kernkonfiguration der

Edukte in die Gleichgewichtskon-

figuration der Produkte zu bringen.

Die Energie zum Erreichen des Über-

gangszustandes kommt aus ther-

mischen Fluktuationen des Systems

(Reaktanden und Lösungsmittel).

Bei den diabatischen Energiekurven wurde die

Kopplung zwischen den Kurven vernachlässigt

(Abb. 2.7). Das Elektron steht ständig mit den

Kernen "seines" Systems im Gleichgewicht und

kann nicht zum jeweils anderen überwechseln.

Die Einführung der elektronischen Kopplung HDA =

⟨ΨDHΨA ⟩ führt zur Aufspaltung in eine untere und

eine obere Energiekurve, wobei der Ener-

gieunterschied am Schnittpunkt der diabatischen

Ausgangskurven bei kleinem Überlappungsintegral

SDA = ⟨ΨDΨA⟩ gerade 2⋅HDA beträgt (adiabatische

Energiekurven, Abb. 2.8)36.

Die Abstandsabhängigkeit der elektronischen

Kopplung ist in etwa exponentiell und kann in den

meisten Fällen durch Gleichung 2.2 wiedergegeben

werden36:

( )( )00DADA rrexpHH −⋅β−⋅= (Gl. 2.2)

36 N. Sutin, Prog. Inorg. Chem. 30: 441-498 (1983)

Abb. 2.8: Adiabatische Energiekurven

Abb. 2.7: Energiediagramm einer ET-Reaktion

Page 30: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN18

Der Abklingkoeffizient β liegt je nach Reaktionsmedium zwischen 0.6 und 2.5 Å-1.

Je nach Größe der Kopplung HDA variiert die Geschwindigkeit des ET vom

Übergangszustand zum Produkt. Bei kleinem HDA spricht man vom diabatischen, bei großem

HDA vom adiabatischen Limit.

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron von einer Energiefunktion zur anderen wechselt,

hängt von der Aufspaltung 2⋅HDA ab. Sie wird in einfacher Form durch die Landau-Zener-

Gleichung ausgedrückt37:

−⋅⋅⋅π

−−=21

2DA

2

DA ssvhH4

exp1P (Gl. 2.3)

Der Parameter v ist die mittlere Geschwindigkeit, mit der das Elektron die Region des

Übergangszustandes durchquert und sk entspricht der Steigung der diabatischen

Energiekurven an deren Schnittpunkt.

Im adiabatischen Grenzfall geht PDA gegen 1 und jedes Erreichen des Übergangszustandes

führt zur Bildung des Produktes (HDA groß, v klein). Im diabatischen Limit, d. h. für kleine

Kopplungen HDA und große Geschwindigkeit v, wird PDA klein und kann durch Gl. 2.4

angenähert werden.

21

2DA

2

DA ssvh

H4P

−⋅⋅⋅π

≈ (Gl. 2.4)

In diesem Fall geht nur ein kleiner Bruchteil PDA der Übergangszustände in die Produkte

über.

Mit der Reorganisationsenergie λ, der „treibenden Kraft“ ∆G0 und der elektronischen

Kopplung HDA läßt sich ein Ausdruck für die Geschwindigkeitskonstante kET des ET angeben

(diabatisch, Hochtemperaturlimit)32:

( )

⋅⋅λ⋅λ+∆−⋅

⋅⋅λ⋅π⋅⋅π=

TR4G

expTR4

1H

h4

k20

2

DA

2

ET (Gl. 2.5)

37 L. Landau, Phys. Z. Sowjetun., 2, 46 (1932), C A 27, 224; C. Zener, Proc. R. Soc. A, 137, 696

(1932); E. C. G. Stueckelberg, Helv. Phys. Acta, 5, 369 (1932), C A 27, 2072

Page 31: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 19

Der Exponentialterm ist dabei nichts anderes als der Boltzmann-Faktor, da sich für

diabatische Energiekurven aus algebraischen Überlegungen ein einfacher Zusammenhang

zwischen ∆G≠, ∆G0 und λ ergibt (Gl. 2.6).

( )λ⋅

λ+∆=∆ ≠

4G

G2

0 (Gl. 2.6)

Gleichung 2.5 stellt ein Spezialfall der Fermischen Goldenen Regel dar, die sich aus der

Behandlung des diabatischen ET mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie erster

Ordnung ergibt (FC = Franck-Condon-Faktor)38.

FCHh

4k 2

DA

2

ET ⋅⋅π= (Gl. 2.7)

38 V. G. Levich, R. R. Dogonadze, Dokl. Akad. Nauk SSSR, Ser. Fiz. Khim. 124 (1959) 133

Page 32: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN20

2. Elektronentransfer an der Metallelektrode

Im Vergleich zu molekularen Redoxpartnern stellen Metallelektroden aufgrund ihrer

elektronischen Struktur einen Sonderfall dar. Dort stehen nicht einzelne Molekülorbitale für

den ET zur Verfügung, sondern eine quasi-kontinuierliche Verteilung von Energiezuständen,

die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erreicht werden können. Dementsprechend

muß das Energieschema aus Abbildung 2.7 modifiziert werden (Abb. 2.9)39.

Das Vorhandensein einer Vielzahl von

erreichbaren elektronischen Niveaus

verursacht unter bestimmten

Bedingungen einige signifikante

Abweichungen vom ET-Verhalten eines

molekularen Systems. Selbst bei sehr

hoher „treibenden Kraft“, entsprechend

einer Überspannung η, wird

beispielsweise nie der invertierte

Bereich erreicht, weil im

Reaktionsprodukt grundsätzlich höhere

Energiezustände zur Verfügung

stehen, die die Eduktkurve im Minimum

schneiden. Dadurch bleibt der ET vom

Grundzustand zum hochangeregten

Niveau des Produktzustandes aktivierungslos, so daß die Geschwindigkeitskonstante bei

steigender Triebkraft nicht wieder sinkt, sondern in ein Plateau übergeht.

Ferner sind vor allem die Energiezustände des Metalls um das Fermi-Niveau εF herum am

ET beteiligt40. Das liegt daran, daß die gefüllten Zustände unterhalb von εF eine höhere

Aktivierungsenthalpie und damit eine niedrigere Geschwindigkeitskonstante besitzen,

während die Niveaus oberhalb eine geringere Besetzung gemäß der Fermi-Dirac-Statistik

aufweisen (Gl. 2.8). µe ist das elektrochemische Potential der Elektrode.

( )1

e

Tkexp1f

⋅µ−ε

+=ε (Gl. 2.8)

39 In Abb. 2.9 sind zur Veranschaulichung nur einige Energieniveaus eingezeichnet, deren Energie-

unterschiede zudem stark vergrößert wurden.40 R. A. Marcus, J. Chem. Phys., 43, 679-701 (1965)

Abb. 2.9: ET-Reaktion an einer Metallelektrode

Page 33: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 21

Die makroskopische Geschwindigkeitskonstante kET ergibt sich analog zu Gleichung 2.7 aus

dem Produkt von Franck-Condon-Faktor FC und dem Quadrat der elektronischen Kopplung

HεA integriert über die beteiligten Energiezustände ε (Gl. 2.9)41.

( ) ( ) ( )∫ ε⋅ε⋅

⋅⋅λ⋅ε+η⋅−λ

−⋅⋅⋅λ⋅π

επ

= fVTk4

eexp

Tk4

1d

h4

k2

22

ET (Gl. 2.9)

( )

⋅⋅λ⋅ε+η⋅−λ

−⋅⋅⋅λ⋅π

=Tk4

eexp

Tk4

1FC

2

(Gl. 2.10)

V(ε) ist das elektronische Kopplungselement und ergibt sich aus dem Integral von HDA über

die Wellenvektoren k des Metalls (Gl. 2.11)41:

( ) ( )( )∫ ε−εδ⋅=ε kHkdV2

DA32

(Gl. 2.11)

Die Lösung des Integrals in Gl. 2.9 kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, z. B. auf

numerischem Weg oder mit Hilfe der Trapezregel. Hale hat jedoch gezeigt, daß die Fermi-

Funktion auch durch die Fehlerfunktion erf(x) angenähert werden kann, was die Berechnung

von Gl. 2.9 erleichtert42. Mit dieser Näherung ergibt sich folgende einfache Gleichung für

kET43:

⋅⋅λ⋅⋅

λη⋅±⋅⋅⋅λ⋅π⋅= ηTR22

Ferf1

FTR

kk s,dRe/Ox

ET

m(Gl. 2.12)

kη,s ist eine Konstante, die u. a. die elektronische Kopplung enthält.

Für viele praktische Anwendungen liefert Gl. 2.12 bereits zufriedenstellende Ergebnisse44.

41 S. Gosavi, R. A. Marcus, J. Phys. Chem. B 2000, 104, 2067-207242 J. M. Hale, J. Electroanal. Chem., 19 (1968), 315-31843 T. M. Nahir, E. F. Bowden, J. Electroanal. Chem. 410 (1996) 9-1344 Die Anpassung von Meßdaten kET vs. η gemäß den Gln. 2.8 und 2.11 für Cyt c (D. H. Murgida, P.

Hildebrandt, J. Phys. Chem. B 2002, 106, 12814-12819) ergab eine Abweichung < 5% für λ und HDA.

Page 34: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN22

3. Kinetischer Isotopieeffekt und Elektronentransfer

Die Betrachtungen in den vorhergehenden Abschnitten 1 und 2 beziehen sich ausschließlich

auf den Elektronentransfer zwischen zwei Reaktionspartnern. Dieser ET kann jedoch mit

weiteren Prozessen wie zum Beispiel Protonentransfer gekoppelt sein, die die

Geschwindigkeit des Gesamtprozesses beeinflussen können.

Die Rolle des Protonentransfers kann mit Hilfe von Isotopenaustauschexperimenten

beleuchtet werden, indem man die ET-Geschwindigkeit sowohl in H2O als auch in D2O

vermißt.

Die Nullpunktsenergie E0 einer Schwingung R-H bzw. R-D hängt von deren Frequenz ν ab,

wobei diese näherungsweise durch die Kraftkonstante f und die reduzierte Masse µ

beschrieben werden kann (harmonischer Oszillator).

ν⋅⋅= h21

E0 (Gl. 2.13)

µ⋅

π=ν f

21

(Gl. 2.14)

Unter der Annahme, daß die Masse von R groß gegenüber den Massen von H und D ist,

erhält man für das Verhältnis der Schwingungsfrequenzen νRH und νRD:

( )( ) 2

mm

mmmmmmmm

H

D

HRDR

HRDR

RD

RH ==⋅⋅+

+⋅⋅=νν

(Gl. 2.15)

Dadurch ergibt sich auch eine Differenz in den Nullpunktsenergien E0,RH und E0,RD, die im

Übergangszustand kleiner ausfällt, wenn dort die R-H- bzw. R-D-Bindung gelockert wird.

Da die Aktivierungsenergie aber dem Energieunterschied zwischen Edukt und

Übergangszustand entspricht, resultieren daraus unterschiedliche Aktivierungsenergien für

den Protonen- und den Deuteronentransfer (Abb. 2.10)45.

Eine quantenmechanische Betrachtung des Isotopieeffektes unter Einbeziehung des

Tunneleffektes findet sich bei Kuznetsov und Ulstrup46.

45 M. J. Pilling, P. W. Seakins, "Reaction Kinetics", Oxford University Press, 2. korr. Nachdruck (1999)46 A. M. Kuznetsov, J. Ulstrup, "Electron Transfer in Chemistry and Biology", Wiley (1999)

Page 35: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 23

Die Höhe des Isotopeneffektes ist system-

abhängig, er kann aber für das Verhältnis

kH/kD Werte von bis zu 50 annehmen47.

Daneben treten in besonderen Fällen auch

inverse Isotopieeffekte auf, die jedoch

spezfische Erklärungsansätze erfordern.

Farver et al. führten beispielsweise einen

"Schrumpfungsprozeß" des Proteins beim

Übergang von H2O in D2O als Erklärung für

einen beschleunigten ET in D2O an48. Dies

würde zu einer Verkürzung der ET-Distanz

und somit durch die größere elektronische

Kopplung zu einer Beschleunigung der

Reaktion führen.

4. Elektronentransfer in biologischen Systemen

In biologischen Systemen ist Elektronentransfer häufig verbunden mit Proteinen, die große

Vielfalt von (Übergangsmetall-) Cofaktoren enthalten können. Diese Cofaktoren befinden

sich also nicht in unmittelbaren Kontakt mit dem Lösungsmittel, sondern sind vielmehr in

einem Medium mit niedriger Dielektrizitätskonstante eingebettet. Dies hat zahlreiche

Konsequenzen für die Redoxeigenschaften der Cofaktoren, u. a. ist die

Reorganisationsenergie λ deshalb verhältnismäßig niedrig32. Gleichzeitig ist der Abstand der

Redoxpartner in der Regel im Bereich von mehreren Ångstrom, so daß biologischer ET mit

diabatischen Formalismus behandelt wird.

47 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Am. Chem. Soc. 2001, 123, 4062-406848 O. Farver et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 2001, vol. 98, 4426-4430

Abb. 2.10: Isotopieeffekt und Aktivierungsenergie

Page 36: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN24

D. Rastertunnelmikroskopie

Das Rastertunnelmikroskop (STM) wurde 1982 von Binnig und Rohrer entwickelt und war

der erste Vertreter der Familie der Rastersondenmikroskope49. Das Prinzip beruht auf der

Messung des Tunnelstroms zwischen einer leitfähigen Spitze und einer ebenfalls leitfähigen

Oberfläche, die durch einen Abstand d voneinander getrennt sind. Dadurch entsteht eine

Potentialbarriere φ(x), die näherungsweise durch die sogenannte Gamov-Gleichung

beschrieben werden kann50:

( )( )( )

−φ⋅⋅⋅

π−=Γ ∫

d

0

Exm2dxh4

exp (Gl. 2.16)

Γ ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron mit der Energie E die Barriere φ(x) mit der

Breite d durchdringt. In dieser Gleichung zeigt sich die exponentielle Abstandsabhängigkeit

des Tunnelstroms, die bereits im Rahmen der Elektronentransfertheorie bei der

elektronischen Kopplung H0DA aufgetaucht war (Kap. II C).

Ähnlich wie in der konventionellen ET-Theorie kann auch in der theoretischen Beschreibung

des Tunnelstroms die Wechselwirkung zwischen Meßspitze und Oberfläche durch die

Überlappung des s-Orbitals des äußersten Atoms der Spitze mit den Orbitalen des Metalls

beschrieben werden (Hamann-Tersoffsche Näherung). Für den Tunnelstrom ergibt sich51:

( )dAexpUI maxbiasT ⋅φ⋅−⋅∝ (Gl. 2.17)

Die Konstante A hat den Wert 1.025 eV-0.5Å-1, typische Barrierenhöhen φmax sind 3-4 eV im

Vakuum und 1-2 eV in wäßrigen Elektrolyten52. Die Tunnelspannung Ubias ist die

Potentialdifferenz zwischen Spitze und Oberfläche.

Damit hängt die Höhe des Tunnelstroms neben der Tunnelspannung Ubias vom Abstand d

zwischen Spitze und Oberfläche, der elektronischen Kopplung und der Gestalt der Barriere

φ(x) ab, wobei letztere offenbar von den physikalischen Eigenschaften des Mediums

zwischen Oberfläche und Spitze beeinflußt wird.

49 G. Binnig, H. Rohrer, Helv. Phys. Acta 1982, 55, 72650 G. Gamov, Z. Phys. 51 (1928) 20451 J. Tersoff, D. R. Hamann, Phys. Rev. Lett. 1983, B 50, 1998; alternativer Ansatz: J. G. Simmons, J.

Appl. Physics 1963, 34, 1793, 2581 (scattering approach)52 M. A. Schneeweiss, D. M. Kolb, Chem. unserer Zeit, 34 (2): 72-84 2000

Page 37: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 25

Das bedeutet, daß aus dem Tunnelstrom IT nicht unmittelbar auf die topologische Gestalt der

Oberfläche geschlossen werden kann, da selbst bei konstantem Abstand d

Oberflächenbereiche mit unterschiedlich starker Kopplung oder unterschiedlichen

Tunnelbarrieren verschiedene Tunnelströme IT ergeben würden.

Im STM-Experiment wird in der Regel ein bestimmter Tunnelstrom Iset festgelegt und dann

die Position der Spitze über der Oberfläche in der x, y-Ebene verändert (constant current

mode)53. Da die Veränderung der Ortskoordinaten x, y sowie z nur Bruchteile von

Nanometern groß ist, sind konventionelle mechanische Positioniersysteme überfordert. Die

Positionierung der Spitze geschieht deshalb mit Hilfe von Piezokristallen, deren Ausdehnung

proportional zur angelegten Spannung Upiezo ist54,55.

Unter der Annahme, daß Kopplung und Barriere in der x,y-Ebene ortsunabhängig sind, hängt

die Höhe von IT(x, y) nur vom Abstand d ab. Weicht der Tunnelstrom IT von Iset ab, wird durch

einen Rückkopplungsmechanismus der Abstand d über die Variation von Upiezo in z-Richtung

wieder so korrigiert, daß IT wieder Iset entspricht. Wegen der Proportionalität zwischen Upiezo

und ∆z kann dann auf die "Höhenänderung" der Oberfläche zurück geschlossen werden.

STM-Experimente können sowohl in Vakuum oder Luft (ex situ) als auch in Lösung

durchgeführt werden (in situ). Der Aufbau eines in situ Experimentes ist in Abbildung 3.13

(Kap. III D) dargestellt.

Der wichtigste Unterschied besteht darin, daß die Apparatur in einem bipotentiostatischen

Aufbau betrieben werden kann. Die Potentiale der Oberfläche und der Spitze werden

bezüglich einer Referenzelektrode unabhängig voneinander festgelegt, so daß die

Tunnelspannung Ubias als drittem Parameter eindeutig bestimmt ist. Dadurch ist es möglich,

den Einfluß der Elektrodenpotentiale (Spitze und Oberfläche) auf den Tunnelstrom IT bei

konstantem Ubias zu untersuchen. Dies ist besonders dann interessant, wenn in dem

Zwischenraum von Spitze und Oberfläche redoxaktive Zentren lokalisiert sind, die je nach

energetischer Lage ihres Redoxzentrums zum Tunnelstrom beitragen (Abb. 2.11)56.

53 Die z-Koordinate sei die Höhe über der Oberfläche.54 Die Anordnung der Piezokristalle kann sich von Instrument zu Instrument unterscheiden. Die früher

verwendeten Dreibeinscanner werden heutzutage meist von sogenannten Röhrenscannern ersetzt.

Die verschiedene Bauarten diskutieren zum Beispiel Binnig und Smith55.55 G. Binnig, D. P. E. Smith, Rev. Sci. Instrum. 1986, 57, 168856 G. Iversen et al. J. Biol. Inorg. Chem. (1998) 3:229-235; H. Sumi, Chem. Phys. 222(1997) 269-280;

N. J. Tao et al., J. Electroanal. Chem. 492 (2000) 81-93

Page 38: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN26

Abb. 2.11:

Energien u. Potentiale im in situ STM-Experiment

Page 39: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 27

E. Cyclovoltammetrie und verwandte Methoden

Die Cyclovoltammetrie (CV) ist eine der traditionellen Methoden der Elektrochemie. Der

experimentelle Aufbau besteht in der Regel aus drei Elektroden: der Arbeitselektrode, der

Referenzelektrode und der Gegenelektrode. Das zu untersuchende System befindet sich

entweder in Lösung oder auf der Oberfläche der Arbeitselektrode, deren Potential über einen

Potentiostaten konstant gehalten wird.

Durch das Aufprägen einer zeitabhängigen Potentialfunktion wird das Potential der

Arbeitselektrode relativ zur Probe variiert, so daß unter bestimmten Bedingungen

Elektronentransfer zwischen Probe und Arbeitselektrode erfolgen kann.

Die Gestalt dieser Potentialfunktion kann variieren: Handelt es sich um eine lineare Funktion,

dann spricht man von analoger Cyclovoltammetrie. Aus technischen Gründen ist es jedoch

einfacher, ein treppenförmiges Signal zu erzeugen, so daß die sogenannte staircase

Cyclovoltammetrie große Verbreitung gefunden hat. Abbildung 2.12 zeigt die

Potentialfunktionen für beide CV-Methoden und die nah verwandte differentielle

Pulsvoltammetrie (DPV)57.

Auch wenn die Potentialfunktion der staircase CV (SCV) im Mittel bei kleinen

Potentialschritten ESchritt ebenfalls durch eine lineare Funktion angenähert werden kann,

können sich die elektrochemischen Signale von denen der analogen CV unterscheiden. Die

Messung des Stroms I erfolgt bei der SCV nach der relativen Meßzeit τ = tMeß/tSchritt. Ist die zu

untersuchende Redoxreaktion schnell, dann kann der exponentiell abfallende Meßstrom I(t)

der Redoxreaktion nach dem Potentialsprung ESchritt bereits weitgehend abgeklungen sein,

57 J. Osteryoung, Acc. Chem. Res., vol. 26, no. 3, 77-83 (1993); H. A. Heering et al., Anal. Chem.

1999, 71, 174-182

Abb. 2.12: Potentialfunktionen verschiedener voltammetrischer Methoden

Page 40: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN28

bevor die Messung von I(t) erfolgt. Das elektrochemische Signal I(E)SCV ist also unter

bestimmten Bedingungen von τ abhängig, so daß sich I(E)SCV vom Signal aus der analogen

CV unterscheidet. Erst bei kleinen Potentialschritten ESchritt und einer im Vergleich zur

Geschwindigkeitskonstante k0 des Redoxprozesses großen Vorschubgeschwindigkeit ν

gehen die Signale von analoger CV und SCV ineinander über (k0⋅ESchritt/ν < 0.01, I(E)SCV ≠

f(τ))58. Dann gelten auch für SCV die mathematischen Zusammenhänge der einzelnen

Meßgrößen aus der analogen CV, wie zum Beispiel zwischen Signalhöhe Ip und

Vorschubgeschwindigkeit ν für den Fall eines immobilisierten und eines gelösten

Redoxsystems (Gl. 2.18 und 2.19).

ν⋅Γ⋅⋅⋅⋅

⋅= O

22

p ATR4

FzI ν∝PI (Gl. 2.18)

ν⋅⋅⋅⋅⋅⋅⋅= OO

33

p cDATRFz

4463.0I ν∝PI (Gl. 2.19)

A ist die Elektrodenoberfläche, ΓO und cO sind die Oberflächen- bzw. Lösungskonzentration

der Redoxspezies im vollständig oxidierten oder reduzierten Zustand und DO ist der

Diffusionskoeffizient59.

SCV weist im Vergleich zur analogen CV einige Vorteile auf. Die Empfindlichkeit der

Methode ist deutlich höher, da durch die Wahl eines geeigneten τ störende

Hintergrundströme wie die Aufladung der Doppelschicht gar nicht erst erfaßt werden. Die

Abhängigkeit des Meßsignal I(E)SCV von τ kann außerdem dazu benutzt werden, ET-

Kinetiken bei konstanter Vorschubgeschwindigkeit ν zu messen. Dadurch kann der ET-

Schritt unter Umständen von anderen Grenzschichtprozessen entkoppelt werden58.

Die differentielle Pulsvoltammetrie (DPV) besitzt eine noch höhere Empfindlichkeit als die

SCV. Dabei wird zu zwei Zeitpunkten t1 und t2 der anliegende Strom I gemessen und

voneinander subtrahiert. Durch die relativ komplizierte Potentialfunktion sind die

Zusammenhänge zwischen den experimentellen Parametern und den dahinter stehenden

physikalischen Größen allerdings weniger transparent als bei der Cyclovoltammetrie. Eine

Einführung in die Theorie der DPV gibt Osteryoung57.

58 H. A. Heering et al., Anal. Chem. 1999, 71, 174-18259 A. J. Bard, L. R. Faulkner, "Electrochemical Methods", 2. Aufl., Wiley (2001)

Page 41: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 29

F. Die Theorie des Raman-Effektes

1. Der Raman-Effekt

Der sogenannte Raman-Effekt wurde bereits 1923 von Smekal vorhergesagt und wenige

Jahre später von Raman und Krishan in Flüssigkeiten bzw. von Landsberg und Mandelstam

in Quartz experimentell bestätigt60. Es handelt sich um ein inelastisches Streuphänomen,

dem die Wechselwirkung des elektrischen Feldes E(t) des Anregungslichtes mit den

Elektronen des Grundzustandes des anzuregenden Moleküls zugrundeliegt (IRaman ∝ E).

Es handelt sich in der quantenmechanischen Betrachtung um einen Zwei-Photonen-Prozeß,

bei dem gleichzeitig ein Photon ausgelöscht und ein neues gebildet wird. Die Frequenz des

neugebildeten Photons kann entweder der Anregungsfrequenz entsprechen (νStreu = ν0,

Rayleigh-Streuung) oder sich von dieser unterscheiden (νStreu = ν0 ± νk, Raman-Streuung).

Die Frequenz der Raman-Strah-

lung kann sowohl kleiner als auch

größer als die Anregungsfrequenz

ν0 sein. Im ersten Fall findet die

Anregung vom Schwingungsgrund-

zustand statt, während das Mole-

kül nach der Emission des Photons

auf einen angeregten Schwin-

gungszustand zurückfällt (Stokes-

Streuung). Im zweiten Fall geht die

Anregung von einem angeregten

Schwingungszustand aus, das

Molekül fällt nach dem Streupro-

zeß allerdings auf den Schwingungsgrundzustand zurück (Anti-Stokes-Streuung) (Abb.

2.13).

60 C. V. Raman, K. S. Krishnan, Nature 1928, 121, 501; G. S. Landsberg, L. J. Mandelstam,

Naturwissenschaften 1928, 16, 557

Abb. 2.13: Rayleigh- und Raman-Streuung

Page 42: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN30

2. Der Resonanz-Raman-Effekt

Die Intensität des Raman-Effektes ist im Vergleich zur Fluoreszenz sehr schwach. Eine

substantielle Verstärkung erfolgt jedoch, wenn die Frequenz ν0 des Anregungslichtes in der

Nähe eines elektronischen Übergangs νabs liegt (Resonanz-Raman-Effekt).

Generell gilt für die Intensität IR der Raman-Strahlung

[ ]2 'v,vRI α∝ (Gl. 2.20)

wobei [α]v,v ' ist der Polarisierbarkeitstensor zur Kopplung der Schwingungszustände v und v'

des elektronischen Grundzustandes ist.

[α]v,v' läßt sich mit Hilfe der Kramers-Heisenbergsche Dispersionsgleichung herleiten:

[ ] ( ) ∑

Γ+ν+ν−ν

⋅+

Γ+ν−ν−ν

⋅⋅=α=α

ρσσρσρσρ

r r0grr0grk,k, i

gMrrMf

i

gMrrMf

h1

gf (Gl. 2.21)

Die Integrale ⟨fMρg⟩ usw. sind die elektronischen Übergangsdipolmomente, wobei „g" und

„f“ jeweils den Ausgangs- und den Endzustand bezeichnen. Γr ist der Dämpfungsfaktor der

Wellenfunktion im angeregten Zustand r und hängt unter anderem von der Lebensdauer

dieses Zustandes ab. Die Indizes ρ und σ stehen für die Raumkoordinaten x, y und z.

In Gleichung 2.21 lassen sich bereits wichtige Grenzfälle herauslesen. Weit entfernt von der

Resonanzbedingung (νr - νg >> ν0) ist [α]k unabhängig von ν0 und eine große Zahl von

Zuständen trägt zur Raman-Intensität bei.

Zudem können in der Summation die elektronischen Übergänge vernachlässigt werden, für

die sich die Übergangsfrequenz deutlich von ν0 unterscheidet. Deshalb wird die RR-Intensität

letztlich nur von einem (oder nur von wenigen) elektronischen Übergang (Übergängen)

bestimmt, da nur für diesen der Nenner in Gl. 2.21 klein und der Beitrag zu [α]k damit groß

wird. Folglich erfahren auch nur die Schwingungsbanden des Chromophors eine

Resonanzverstärkung, in dem der elektronische Übergang lokalisiert ist.

Page 43: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 31

Unter der Annahme der Born-Oppenheimer-Näherung können in Gleichung 2.21

elektronische und vibronische Komponenten getrennt und das elektronische Übergangsmo-

ment in einer Taylor-Reihe nach den Kernkoordinaten entwicklelt werden.

Der erste Term der resultierenden Summe, der sog. A-Term, wird bestimmt durch die Größe

des Übergangsdipolmomentes und der Franck-Condon-Faktoren und dominiert bei starken

(erlaubten) elektronischen Übergängen. Der A-Term ist beispielsweise entscheidend für die

Resonanzverstärkung der Raman-Banden von Porphyrinen bei Anregung in Resonanz mit

der Soret-Bande.

Der zweite Term hängt von der vibronischen Kopplung zweier elektronischer Übergänge ab

(B-Term, Herzberg-Teller-Kopplung) und spielt bei schwachen Übergängen eine Rolle (Q-

Banden-Anregung bei Porphyrinen).

3. Der oberflächenverstärkte Raman-Effekt

Neben dem Resonanzeffekt existiert noch ein zweiter Verstärkungseffekt, der die Intensität

der Raman-Streuung unter speziellen Bedingungen erhöhen kann: der

Oberflächenverstärkungseffekt. Er kann dann auftreten, wenn die zu untersuchenden

Moleküle auf submikroskopisch rauhen Metalloberflächen wie Cu-, Ag- oder Au-Oberflächen

adsorbiert sind.

Zur Erklärung des Effektes, der zuerst von Fleischmann et al. an Pyridin/Ag nachgewiesen

werden konnte61, wird heute in erster Linie ein Mechanismus diskutiert, den man als

„elektromagnetische Theorie“ bezeichnet.

Dieser Ansatz basiert auf der Dipol-Dipol-Kopplung des Strahlungsfeldes und der

delokalisierten Elektronen des Metalls (Oberflächenplasmonen). Ist die Frequenz der

anregenden Strahlung in Resonanz mit den Eigenschwingungen dieser

Oberflächenplasmonen, kommt es zu einer Verstärkung des mit der Frequenz ν0

oszillierenden elektrischen Feldes.

Auf die gleiche Weise kann auch das elektrische Feld an einem Molekül verstärkt werden,

das sich im Nahfeld des Metalls befindet. Da die Strahlungsintensität proportional zum

Quadrat der elektrischen Feldstärke ist, geht der Feldverstärkungsfaktor näherungsweise in

der vierten Potenz in die Raman-Intensität ein. Dadurch lassen sich Oberflächen-

verstärkungen der Raman-Intensität von 104 ohne weiteres erklären.

61 M. Fleischmann et al., Chem. Phys. Lett. 26, 163 (1974)

Page 44: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN32

4. Resonanz-Raman-Spektroskopie an Porphyrinen

Die Absorptionsspektren von Porphyrinen weisen im

Allgemeinen drei wichtige Banden auf, deren Herkunft sich

aus dem Vier-Orbital-Modell von Gouterman verstehen

läßt62. Es beschreibt die elektronische Struktur eines

Porphyrins mit idealisierter D4h-Symmetrie durch zwei

energetisch sehr ähnliche a1u- und a2u-Orbitale, die im

Grundzustand besetzt sind (HOMO). Das LUMO besteht

aus zwei entarteten π*-Orbitalen mit eg-Symmetrie. Beide

elektronischen Übergänge, a1u → eg und a2u → eg, stehen

in Wechselwirkung miteinander, wobei sich die

Übergangsdipolmomente für die starke Soret-Bande (γ- oder B-Bande) bei etwa 400 nm

addieren und sich für die deutlich schwächere Q0-Bande (α-Bande) bei ca. 550 nm fast

aufheben. Die Vermischung von B- und Q-Übergangen führt ferner zur Anregung zu

vibronischen angeregten Zuständen, deren Umhüllende ein Absorptionssignal bei etwa 520

nm liefert (Qv - oder β-Bande)63.

Bedingt durch das komplizierte Interaktionsschema der elektronischen Zustände ist auch das

Resonanz-Raman-Spektrum stark von der Wellenlänge des Anregungslichtes abhängig. Je

nach Symmetrie der Mode sind sowohl Franck-Condon-Streuung als auch Herzberg-Teller-

Kopplungen als Verstärkungsmechanismen wirksam 63.

Bei Anregung im Bereich der Soret-Bande (B-Band) werden vor allem Schwingungen der

Symmetriegruppe A1g angeregt, zu der auch die Banden ν2, ν3 und ν4 gehören64. Zusammen

mit weiteren Banden der Symmetriegruppe B1g wie ν10 sind sie die wichtigsten Moden im

sogenannten Markerbanden-Bereich zwischen 1300 cm-1 und 1700 cm-1. Sie sind bezüglich

ihrer Lage und Intensität charakteristisch für den Ligandierungs- und Redoxzustand des

zentralen Metallkations (Ni, Fe usw.)65.

62 M. Gouterman, in D. Dolphin (ed.), „The Porphyrins“, vol III, part A, Academic Press, 1979, 1-15663 T. G. Spiro et al., Coord. Chem. Rev. 100 (1990) 541-57164 Die Bezeichnung der Banden mit νi stammt von Kitagawa et al., die die Schwingungsmoden für

NiOEP beginnend mit der Symmetriegruppe A1g in absteigender Reihenfolge numerierten. Diese

Ordnung gerät jedoch für andere Porphyrine durcheinander, weil die Bandenlagen sich teilweise

deutlich unterscheiden66.65 P. Hildebrandt in R. A. Scott, A. G. Mauk (eds.), „Cytochrome c“, Kap. 6, „Resonance Raman

Spectroscopy of Cytochrome c“, University Science Books (1996)

Abb. 2.14: Porphyrin-Gerüst

Page 45: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 33

Auch wenn diese Banden von Normalmoden herrühren, die den gesamten Porphyrin-Ring

betreffen, tragen manche Koordinaten in besonderem Maße bei. So geht die ν4-Bande

hauptsächlich auf die Cα-N-Streckschwingung zurück, während ν3 und ν10 vor allem Anteile

der Cα-Cm-Streckschwingung beinhalten (Abb. 2.14)66.

Besonders an ν4 wird der Einfluß des Redoxzustandes des Zentralions deutlich. Bei

Hämproteinen im oxidierten Zustand liegt die Bande bei etwa 1370 cm-1. Durch die

Reduktion des Eisens wird die Rückbindung in das π*-Orbital verstärkt, was wiederum in

erster Linie die Cα-N-Bindung schwächt. Dementsprechend verschiebt sich ν4-Bande um

etwa 10 cm-1 zu niedrigeren Wellenzahlen, so daß die Bande bei reduzierten Hämproteinen

im Bereich von 1360 cm-1 liegt.

Bei den anderen Moden ist der Einfluß weniger direkt. Veränderungen des π-

Elektronensystems und/oder geometrische Verzerrungen des Ringes können aber dennoch

zu signifikanten Verschiebungen der Banden führen. Dies wird vor allem bei der ν3-Mode

deutlich, die sich bei reduzierten Hämproteinen im sechsfach koordinierten low spin Zustand

bei ca. 1490 cm-1 befindet und somit etwa 20 cm-1 höher liegt als bei der fünffach

koordinierten high spin Form (∼ 1470 cm-1).

66 M. Abe et al., J. Chem. Phys. 69 (10), 4526-4534 (1978)

Page 46: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN34

G. Relaxationskinetik

Die Kinetik komplexer Gleichgewichtssysteme kann mit der sogenannten

Relaxationsmethode untersucht werden. Dazu wird ein bestehender Gleichgewichtszustand

zwischen den Komponenten D und A durch die sprunghafte Veränderung eines Parameters

gestört und dann die Geschwindigkeit der Neueinstellung des Gleichgewichtszustandes

gemessen (Relaxation).

mit [ ][ ]DA

kk

K2

1 == (Gl. 2.23)

Bei der Auswertung der Relaxationsexperimente verwendet man nicht unmittelbar die

absoluten Konzentrationen der beteiligten Spezies, sondern deren Abweichung y vom

Gleichgewicht zum Zeitpunkt t mit y = [A] Gl - [A]t. Die Abweichung vom

Gleichgewichtszustand für die Komponente D sei x.

Damit ergibt sich für das zeitabhängige Verhalten der Abweichung y:

[ ]( ) [ ]( ) [ ]( )yAkxDkdt

yAdGl2Gl1

Gl −⋅−−⋅=−(Gl. 2.24)

Aus stöchiometrischen Gründen gilt x = -y:

[ ] [ ] [ ] ( ) ykkAkDkdtdy

dtAd

21Gl2Gl1Gl ⋅++⋅−⋅=− (Gl. 2.25)

Im Gleichgewicht ändern sich die Konzentrationsverhältnisse nicht, so daß sich Gleichung

2.25 weiter vereinfachen läßt.

[ ] [ ] [ ] 0AkDkdtAd

Gl2Gl1Gl =⋅−⋅= (Gl. 2.26)

( ) ykkdtdy

21 ⋅+=− (Gl. 2.27)

Dk1

k2

A(Gl. 2.22)

Page 47: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

II. GRUNDLAGEN 35

Gleichung 2.27 ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung, deren Lösung eine

einfache Exponentialfunktion mit der Abklingkonstante (k1+k2) ist.

( )( )tkkexpyy

210

⋅+−= (Gl. 2.28)

y0 ist die maximale Abweichung vom Gleichgewichtszustand [A]Gl. Die inverse

Abklingkonstante (k1+k2)-1 bezeichnet man als Relaxationszeit τ (Zeitkonstante).

Aus Gleichung 2.28 ist bereits ersichtlich, daß die Steigung einer logarithmischen Auftragung

von y/y0 gegen die Zeit t die Summe der Geschwindigkeitskonstanten k1 und k2 ergibt67.

Diese stehen wiederum über Gleichung 2.23 im Zusammenhang, so daß bei der Kenntnis

der Gleichgewichtskonstante K und einer Geschwindigkeitskonstante auch die zweite

festgelegt ist.

Bei der Untersuchung von Redoxprozessen für die Relaxation zum Redoxpotential E0 ist die

treibende Kraft gleich null und beide Geschwindigkeitskonstanten sind gleich groß. Damit

vereinfacht sich der Ausdruck für τ und die Geschwindigkeitskonstanten lassen sich direkt

aus der Steigung der logarithmischen Auftragung berechnen.

121 k21

kk1

⋅=

+=τ (Gl. 2.29)

67 Die Zeit t ist hier relativ zum Beginn des Relaxationsprozesses (t = 0), wo die Abweichung von der

Gleichgewichtskonzentration y maximal ist (y0).

Page 48: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN36

III. Material und Methoden

Page 49: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 37

A. Proteinsynthese

1. Manuelle Synthese im Rührkesselreaktor

Die Synthese des Templats T wurde manuell in einem

Rührkesselreaktor durchgeführt.

Wie in Abbildung 3.1 zu sehen ist, besteht der Reaktor

aus einem Glasrohr mit einer Zuleitung im oberen und

einer weiteren im unteren Bereich. Je nach Reaktions-

schritt können beide zur Einleitung von Argon benutzt

werden. Die Glasfritte trägt das Harz, auf dem das Poly-

peptid synthetisiert wird. Die Durchmischung der Reakti-

onsmasse sowie das Entleeren des Reaktors erfolgt

durch die Zuleitung von Argon.

Das Standardprotokoll für die Synthese des Templats T ist in Tab. 3.1 aufgeführt:

Schritt Aminosäure Reagenzien Dauer [min] Wdh.

Aktivierung

(Veresterung der

AS-COOH-Gruppe)

alle außer Cys

Cys

3 Äq. Fmoc-AS,

3 Äq. TBTU +

6 Äq. DIPEA (DMF)

6 Äq. Cys + 3 Äq.

DIC (DMF)

5-10

20-30

0

0

Kopplung

(Zugabe zum Harz)

alle außer Cys

(Pro)

Cys

30

(30)

60

0

(1)

0

Waschen 20 mL DMF 5-10 2

Fmoc-Abspaltung

(Entschützen d. AS)

20 mL 20% Piperidin

in DMF

15 2

Tab. 3.1: Standardprotokoll der manuellen Peptidsynthese

Abb. 3.1: Rührkesselreaktor zur

manuellen Peptidsynthese

Page 50: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN38

2. Automatisierte Synthese im Rohrreaktor

Für die Synthese von längeren Polypeptidketten (~ 20-25 Aminosäuren) ist die automati-

sierte Synthese besser geeignet, weil sich durch die Automatisierung ein erheblicher Zeit-

vorteil ergibt. Die Reaktionszyklen für die verschiedenen Aminosäuren unterscheiden sich in

der Regel nur sehr geringfügig und zudem lassen sich die einzelnen Reaktionsschritte leicht

in einen Prozeß integrieren. Dadurch konnten Polypeptidketten mit etwa 20 Aminosäuren

Länge innerhalb von 24 Stunden synthetisiert werden, während bei der manuellen Synthese

in 12 Stunden nur etwa fünf bis sechs Aminosäuren (AS) gekoppelt werden können. Die ma-

nuelle Synthese einer längeren Kette erstreckt sich deshalb auf mehrere Tage, so daß zu-

sätzliche Zeitverluste durch die Lagerung oder durch die Wiederaufnahme der Synthese

(Quellzeit des Harzes usw.) entstehen.

Für die automatisierte Synthese wurde ein Syntheseautomat der Firma Perseptive Biosy-

stems (Modell 9050) verwendet. Das Standardsyntheseprotokoll ähnelt sehr stark dem der

manuellen Synthese, doch entstehen Unterschiede unter anderem dadurch, daß ein anderes

Harz verwendet wurde (s. Anhang A).

Schritt Aminosäure Reagenzien Dauer [min]

Aktivierung

(Veresterung der

AS-COOH-Gruppe)

alle außer Cys

Cys

4 Äq. Fmoc-AS,

4 Äq. TBTU +

8 Äq. DIPEA (DMF)

manuell

7

Kopplung

(Zugabe zum Harz)

alle außer Cys

Cys manuell

30

Waschen DMF 4

Fmoc-Abspaltung

(Entschützen d. AS)

20% Piperidin

in DMF

7

Tab. 3.2: Standardprotokoll der automatisierten Peptidsynthese

Page 51: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 39

3. Synthese der de novo Proteine

Die Herstellung der synthetischen Proteine erfolgt nach einem modularen System, d. h. in

einer konvergenten Synthese (Kap II).

Alle Proteinsynthesen wurden im Arbeitskreis von Professor W. Haehnel an der Universität

Freiburg durchgeführt, wobei die Proteine MOP-P1 und MOP-P2 vom Autor selbst, die Pro-

teine MOP-P3, MOP-C und MOP-F von Dr. W. Li synthetisiert wurden.

3.1 Sequenzen der verwendeten Peptidmodule

3.1.1 Das Templat

Als Templat der hier untersuchten Vier-Helix-Bündel-Proteine diente ein zyklisches Deca-

peptid, das manuell hergestellt wurde.

Die Aminosäuresequenz lautet:

H2N-C(Acm)-A-C(Trt)-P-G-Cys(Acm)-A-C(Trt)-P-G-COOH

Seine Struktur nach der Cyclisierung ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Der Übersicht halber

wurden die orthogonalen Schutzgruppen Acetamidomethyl (Acm) und Trityl (Trt) nicht be-

rücksichtigt.

Durch die Position der verschiedenen Cysteine in der Aminosäuresequenz und die Art ihrer

Schutzgruppen ist der Vier-Helix-Bündel-Typ bereits festgelegt, da ein bestimmter Helixtyp

nur dort addiert werden kann, wo eine Schutzgruppe selektiv abgespalten wurde. Im

Höchstfall könnte mit dieser Art von Templat ein Vier-Helix-Bündel (4HB) mit vier verschie-

denen Helixtypen hergestellt werden. Dazu wären allerdings Cysteine mit vier verschiede-

nen, zueinander orthogonalen Schutzgruppen notwendig. Die vorliegende Aminosäurese-

quenz erlaubt lediglich ein 4HB mit zwei unterschiedlichen Helices (Typ ABAB, vide infra).

Die Synthese des Polypeptids erfolgte auf einem mit Glycin vorbeladenen Chlortritylharz mit

einer Beladungsdichte von 0.54 mmol/g („high-load") nach dem in Tabelle 3.1 dargestellten

Protokoll.

Zur Abspaltung des Polypeptids am Ende der Synthese wurde das mit Peptid beladene

Harz für 2 h in 25 mL Essigsäure//MeOH/DCM (5:1:4) gerührt, filtriert und dreimal mit dem

Cys

Pro

Gly

Gly

ProCys

Ala Cys

Ala

Cys

Abb. 3.2: Das Templat T

Page 52: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN40

Lösungsmittelgemisch gewaschen. Das Lösungsmittel wurde dann bei 20 °C Badtemperatur

im Rotationsverdampfer destilliert und eventuelle Rückstände an Essigsäure mit Hexan her-

ausgelöst. Nach Aufnahme des Rückstandes in Acetonitril, Lyophilisierung und der anschlie-

ßenden HPLC-Reinigung (s. Anhang A) erfolgte die Cyclisierung der Polypeptidkette. Dazu

wurde das Peptid in DMF gelöst und nach Zugabe von 2 Äq. TBTU und 4 Äq. DIPEA etwa

8h gerührt. Nach der Abtrennung des Lösungsmittels im Hochvakuum bei einer

Badtemperatur von 40 °C wurde das Produkt erneut mittels HPLC gereinigt und lyophilisiert.

Die Identität der Produkte wurde durch ESI-Massenspektrometrie überprüft.

3.1.2 Die Aminosäuresequenzen der verwendeten Helices

Zur Herstellung der fünf verschiedenen de novo Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3, MOP-

F und MOP-C wurden sechs verschiedene Helices verwendet, deren Sequenzen im Folgen-

den in der sogenannten „Netzdarstellung" aufgeführt sind. Die Helices sind dabei so orien-

tiert worden, wie sie in den entsprechenden Vier-Helix-Bündeln zu finden sind. Die Numerie-

rung der Aminosäuren ist relativ zum Templat (Mp = Maleinimidopropyl-Linker), nicht in der

Synthesereihenfolge (C-Terminal → N-Terminal).

Helix H1a Helix H1b Helix H2a Helix H2b Helix H3 Helix H4

Bevor die fertigen Aminosäuresequenzen zu einem Vier-Helix-Bündel-Protein zusammenge-

fügt werden können, müssen die Helices noch chemisch modifiziert werden. Dies kann unter

Abb. 3.3: Aminosäuresequenzen der verwendeten Helices

Page 53: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 41

anderem das sogenannte „helix-capping" einschließen, das die Stabilität des Proteins

erhöhen soll. Darunter versteht man die Acetylierung des N- bzw. die Amidierung des C-

Terminus. Da das zur Helixsynthese verwendete PAL-PEG-PS-Harz die Polypeptidketten bei

der Abspaltung bereits als Amid freisetzt, wird für die Amidierung in diesem Fall kein

zusätzlicher Syntheseschritt benötigt.

Für die Acetylierung der dafür vorgesehenen Helices (z.B. Helix H1a, H2a und H2b) wurde

das polypeptidbeladene Harz in DMF in einen SPPS-Reaktor überführt und dort zweimal 30

Minuten in 30 mL Essigsäureanhydrid/DIPEA/DMF-Lösung (1.5 mL (AcO)2O + 150 µL

DIPEA + 28.5 mL DMF) gerührt. Nach dreimaligem Waschen mit 10 mL DMF und 10 mL

DCM wurde das Harz getrocknet und nach einer Probeabspaltung mit TFA/Anisol/DTT

(23:1:1, v/v/w) mittels ESI-MS charakterisiert.

Die Helices H1a, H2a und H2b sollten über die Aloc-geschützte ε-Aminogruppe der Lysin-

seitenkette an das Templat gebunden werden.

Zur Abspaltung der Aloc-Schutzgruppe wurden zunächst unter einer Argonatmosphäre

587 mg (0.51 mmol) Pd(P(C6H5)3)4 in 20 mL Chloroform/Essigsäure/N-Methylmorpholin

(37:2:1) gelöst, zu dem in Chloroform suspendierten Harz gegeben und für 4 h unter Ar ge-

rührt.

Das Waschen des Harzes erfolgte dreimal mit 5mL Chloroform, dann abwechselnd je zwei-

mal mit 25 mL 0.5%iger DIPEA-Lösung in DMF und je zweimal mit 25 mL 0.5%iger Natrium-

diethyldithiocarbamat-Lösung in DMF und schließlich dreimal mit 25 mL DMF. Nach einer

weiteren dreimaligen Reinigung mit DCM wurde das Harz getrocknet und die Identität des

gebundenen Peptids nach einer Probeabspaltung mit TFA/Anisol/DTT (23:1:1, v/v/w) mit

Hilfe von ESI-MS überprüft.

Ein weiterer Modifikationsschritt besteht in der Addition eines

geeigneten Linker-Moleküls, das die Anbindung der fertigen He-

lix an die Thiolgruppen des Templats erlaubt. Dazu wurde in

dieser Arbeit die Maleinimidopropionyl-Gruppe (Mp) verwendet,

die bereits in den Netzdarstellungen der Helices zu sehen ist

(Abb. 3.3).

Die Addition der Mp-Gruppe an eine freie Aminogruppe des

Peptids geschah in Form des symmetrischen Anhydrids, das

zunächst in einem Voraktivierungsschritt gebildet wird.

Dazu wurden 6 Äq. Maleinimidopropansäure in etwa 10 mL DMF

gelöst und 3 Äq. DIC hinzugegeben. Nach einer Reaktionsdauer

von mindestens 10 Minuten wurde die Lösung direkt auf das in DMF gequollene Harz gege-

ben und für zwei Stunden unter Ar gerührt. Danach wurde das Harz viermal mit je 10 mL

DMF und dreimal mit je 20 mL DCM gewaschen und getrocknet. Mit einer Probeabspaltung

N

OR

O

O

Helix

Templat

Maleinimido-

propyl (Mp)

Page 54: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN42

und einer nachfolgenden ESI-MS Analyse wurde die Vollständigkeit der Mp-Addition über-

prüft.

Die Abspaltung der Polypeptidkette vom Harz erfolgte weitgehend analog zu den Probeab-

spaltungen. Dazu wurden 24 mL TFA/Anisol/DTT (23:1:1, v/v/w) zu dem trockenen Harz ge-

geben und drei Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Durch die Überführung der Reakti-

onslösung in 250 mL eines kalten Diethylether/Hexan-Gemisches (1:1) konnte das Peptid

ausgefällt werden. Dieses Präzipitat wurde dann durch Zentrifugieren und Dekantieren vom

Lösungsmittel abgetrennt (5000 rpm, 5 Min., 4 °C), mit etwa 60 mL Diethylether gewaschen

und erneut zentrifugiert. Nach der Trocknung im Exsikkator für ca. eine Stunde wurde das

Peptid mittels HPLC gereinigt und lyophilisiert bzw. anhand seines Massenspektrums cha-

rakterisiert.

3.2 Synthese der Vier-Helix-Bündel-Proteine

Die Assemblierung der Vier-Helix-Bündel-Proteine beginnt zunächst mit der Abspaltung der

Trityl-Schutzgruppe vom Templat.

Dazu wurde das Templat in 15 mL TFA/DTT (19:1) gelöst und 30 Minuten bei Raumtempe-

ratur gerührt. Das teilentschützte Peptid wurde dann in eiskaltem Diethylether ausgefällt,

abzentrifugiert und mehrere Male mit eiskaltem Ether gewaschen. Nach der HPLC-Reini-

gung wurde mittels ESI-MS die Vollständigkeit der Trityl-Abspaltung überprüft und das fertige

Produkt lyophilisiert.

Für die Kupplung der ersten beiden Helices wurden jeweils etwa 5-10 µmol Templat und 2.2

Äq. Helix (1.1 Äq. pro entschütztem Cys) in einem 0.15 M Natriumphosphat/Acetonitril-Puffer

(3:2, pH 7.0, 1.25 mL pro 100 mg Peptid) gelöst. Die Retentionszeiten der Ausgangsstoffe

wurden mit Hilfe von analytischer HPLC gemessen, so daß nach der Vereinigung der beiden

Lösungen der Fortgang der Kupplungsreaktion über die Retentionszeiten und Signalintensi-

täten der Edukte und Produkte kontrolliert werden konnte68.

Nach der vollständigen Umsetzung des Templats wurden noch vorhandene freie Mp-Grup-

pen durch Zugabe von 10 µL Mercaptoethanol abgesättigt. Die Reinigung des fertigen Zwei-

Helix-Bündels erfolgte mittels präparativer HPLC.

Zur Addition des zweiten Helixpaares mußte zunächst die Acetamidomethyl-Schutzgruppe

vom Templat abgespalten werden. Dazu wurden 0.05 mmol des Acm-geschützten Zwei-

Helix-Bündels in Ammoniumacetat-Puffer (pH 4.0) gelöst und 10 Äq. Quecksilber(II)acetat

68 Es ist wichtig, bei der Einwaage der Peptide die Salzbildung der basischen Aminosäuren (Lys, Arg

und His) mit dem TFA-Anion zu berücksichtigen, da dadurch das effektive Molekulargewicht steigt und

- bei gegebener Einwaage - die effektive Stoffmenge an Peptid sinkt.

Page 55: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 43

hinzugegeben. Nach ca. 30 Minuten erfolgte die Zugabe von 100 Äq. DTT und nach einer

weiteren Reaktionszeit von etwa drei Stunden konnte der verbliebene Feststoff abzentrifu-

giert, mit H2O/Acetonitril/Essigsäure (5:4:1, v/v/v) gewaschen und die vereinigten Peptidlö-

sungen durch präparative HPLC gereinigt werden.

Die Bindung des zweiten Helixpaares erfolgte nach der gleichen Vorschrift wie die Addition

der ersten beiden Helices.

Durch die Kombination der obengenannten sechs Helices konnten fünf verschiedene Vier-

Helix-Bündel-Proteine synthetisiert werden.

Name Orientierung Helices Aufsicht* Bindungsdomäne

MOP-P1 parallel H1a + H2a elektrostatisch?

MOP-P2 parallel H1a + H2b+

+elektrostatisch

MOP-P3 antiparallel H1b + H2b++

++elektrostatisch

MOP-C antiparallel H1b + H3SH

SHkovalent

MOP-F antiparallel H1b + H4F

Fhydrophob

Modell in der

Seitenansicht inkl.

Hämgruppe

Tab. 3.3: Design der Vier-Helix-Bündel, Vier-Helix-Bündel-Modell

* Blick von „oben" auf die Bindungsdomäne (entlang der 4-HB-Achse zum Templat)

Legende:

grün = N-Terminus, rot = C-Terminus an der Bindungsdomäne

dick umrandeter Kreis = Histidin-tragende Bindehelix H1a/b

„+"/„++" = Lysin mit einer bzw. zwei nicht-acetylierten NH2/NH3+-Gruppe(n)

„SH" = freies Thiol (Cystein)

„F" = hydrophobe Alkylkette (Dodecylsäurerest)

Page 56: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN44

Der obere Teil des Proteinmodells in Tabelle 3.3 (rechts) dient zur Immobilisierung des Pro-

teins auf einer modifizierten Metalloberfläche. Je nach Art der Kräfte, die zu dieser Immobili-

sierung führen, wurden die verschiedenen Typen von Bindungsdomänen in „elektrostatisch",

„kovalent" und „hydrophob" eingeteilt. Details zur Modifikation der Metalloberfläche und zur

Immobilisierung der jeweiligen Proteine finden sich im Abschnitt C.2.2.

3.3 Einbau der Hämgruppe in die Vier-Helix-Bündel-Proteine

3.3.1 Die de novo Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3 und MOP-C

Das Protein wurde entweder in einer 100 mM NaCl-Lösung (pH 7.5 mit 50 mM Tris/HCl-

Puffer eingestellt) oder in einem 10 mM Phosphatpuffer (pH 8.0, 12.5 mM K2SO4) gelöst. Die

Proteinkonzentration betrug etwa 50 µM. Dann wurde gerade soviel einer ca. 2 mM Hämin/

DMSO-Lösung hinzugefügt, daß ein eineinhalb- bis zweifacher Überschuß an Hämin gegen-

über den Hämbindestellen vorlag (MOP-C: 1.1:1), und sofort umgeschwenkt. Nach etwa

zwei Stunden Reaktionszeit wurde die Reaktionslösung über eine Gelfiltrationssäule (PD-10,

Sephadex G-25 M, Amersham Biosciences) von überschüssigem Hämin befreit. Die Säulen

wurden mit dem jeweils verwendeten Ausgangspuffer äquilibriert.

3.3.2 Das de novo Protein MOP-F

Der Hämeinbau in MOP-F erwies sich als bedeutend schwieriger als bei den anderen Protei-

nen. Möglicherweise interferiert der lange hydrophobe Alkylrest an der Bindungsdomäne des

Proteins mit der Hämbindungsstelle in dessen Inneren. Ausgehend von dieser Hypothese

wurde dem obengenannten 10 mM Phosphatpuffer soviel Guanidiniumhydrochlorid (GuHCl)

hinzugefügt, daß eine etwa 1 M Lösung entstand. Danach wurde wie bei den anderen Pro-

teinen verfahren. Die Proteinlösung zeigte schon sehr bald nach Zugabe des Hämins die für

Hämproteine typische, tiefrote Färbung.

Page 57: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 45

B. Proteincharakterisierung

1. ESI-Massenspektrometrie

Die massenspektrometrische Analyse der Proteine und Proteinbausteine erfolgte im Arbeits-

kreis Haehnel (Universität Freiburg) mit einem Tandem-Quadrupol Massenspektrometer

(Finnigan, Modell TSQ 700). Zur Kalibrierung wurde apo-Myoglobin der mittleren Molekül-

masse MW = 16950.5 Da verwendet.

Die Spektrenanalyse geschah mit den Programmen „Biomass Calculation" und „Biomass

Deconvolution" der Firma Finnigan.

Die Massen der relevanten Zwischen- und Endprodukte der Synthesen von MOP-P1 und

MOP-P2 finden sich in Anhang A.

2. Umkehrphasen-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (RP-HPLC)

Die RP-HPLC-Experimente wurden in der Arbeitsgruppe Haehnel (Universität Freiburg)

durchgeführt.

Für die analytischen HPLC-Experimente wurde das System „Waters Model 600E" benutzt.

Es war mit einem Photodiodenarray-Detektor („Model 996") und einem automatischen Pro-

bensammler („Waters 717plus") ausgestattet.

Die präparativen Läufe wurden mit dem „Waters Model 4000"-System mit einem gekoppel-

ten, regelbaren UVvis-Absorptionsdetektor („Model 486") durchgeführt, das über das Soft-

ware-Paket „Waters Millenium 32 chromatography manager" angesteuert werden konnte.

Details zu den jeweiligen HPLC-Experimenten finden sich in Anhang A.

3. UV-vis-Absorptionsspektroskopie

Alle UV-vis-spektroskopischen Untersuchungen wurden in der Arbeitsgruppe Melo (Universi-

dade Nova de Lisboa, ITQB) an einem Doppelstrahlspektrometer (Varian, Cary 3E) mit

Deuterium- und Wolframlampe durchgeführt.

Für alle Messungen wurden entweder eine Mikroküvette oder eine Halbmikroküvette für

anaerobes Arbeiten (HELLMA) mit einer optischen Dicke von 1 cm verwendet.

Page 58: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN46

Die UV-vis-Spektroskopie diente in allen Fällen zur Konzentrationsbestimmung der apo-

Formen der de novo Proteine, da jedes dieser Proteine zwei Tryptophane in seiner Amino-

säuresequenz aufweist (ε(Trp, 280 nm) = 5700 mM-1cm-1). Zur Bestimmung der Konzentra-

tionen der holo-Proteine diente die Soret-Absorption der oxidierten Form des Hämproteins

(vide infra).

4. Stabilität der de novo Proteine

Die Stabilität der Vier-Helix-Bündel-Proteine wurde durch GuHCl-induzierte Entfaltung UV-

vis-spektroskopisch im Bereich der Soret-Absorption der Hämgruppe charakterisiert. Dabei

ergab sich nicht nur die Entfaltungsenthalpie des Proteins, sondern auch ein Maß für die

Kooperativität des Entfaltungsprozesses. Die Analyse basiert auf der Annahme eines Zwei-

Zustand-Modells der Entfaltung.

Die hochkonzentrierte GuHCl-Lösung (GERBU Biotechnik) wurde zunächst mit konzentrier-

ter Natronlauge auf pH 7.5 eingestellt. Die Bestimmung der GuHCl-Konzentration erfolgte

refraktometrisch gemäß69:

32 60.9118.3615.57]GuHCl[ ∆⋅−∆⋅+∆⋅= (Gl. 3.1)

Die Temperatur betrug bei den Bestimmungen 20 °C, die Konzentration der GuHCl-Stamm-

lösung betrug 6.24 M.

Dann wurde eine Konzentrationsreihe aus Proteinstammlösung (c ≈ 20 mM Protein in Ka-

liumphosphatpuffer pH 7.5, 12.5 mM K2SO4), Kaliumphosphatpuffer pH 7.5 (12.5 mM K2SO4)

und GuHCl-Stammlösung erstellt, wobei die Lösungen in der genannten Reihenfolge unter

Umschwenken gemischt wurden, um v. a. GuHCl-Konzentrationsgradienten zu vermeiden.

Nach einer Inkubationszeit von zwei Stunden wurden die Proben UV-vis-spektroskopisch

gemessen. Das Erreichen des Gleichgewichtszustandes konnte durch die Wiederholung

dieser Messungen nach einigen Stunden überprüft werden.

Unter der Annahme, daß das Spektrum unter Abwesenheit von GuHCl dem des vollständig

gefaltenen Proteins und das Spektrum bei der höchsten GuHCl-Konzentration dem des voll-

ständig entfaltenen Protein entspricht, wurde auf der Basis dieser beiden Einzelspektren eine

69 C. N. Pace, Method. Enzymol., vol. 131 (1986), 266-281

)OH(n)GuHCl(n mit 2DD −=∆

Page 59: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 47

Komponentenanalyse der übrigen UV-vis-Spektren im Bereich von 350-490 nm durchge-

führt. Dazu diente das MathCad-Programm „fit_unfoldingUVvis" (Anhang C).

In keinem Fall konnte eine systematische Abweichung zwischen den angepaßten und den

experimentellen Spektren festgestellt werden, was UV-vis-spektroskopisch unterscheidbare

Zwischenprodukte ausschließt und die Annahme eines Zwei-Zustand-Prozesses stützt.

Da bei jedem de novo Protein das Ende des Entfaltungsprozesses bereits vor der höchsten

GuHCl-Konzentration erreicht war, kann außerdem davon ausgegangen werden, daß das

Spektrum bei der höchsten GuHCl-Konzentration bereits den vollständig entfalteten Zustand

repräsentiert.

5. Bestimmung der Extinktionskoeffizienten

Die Bestimmung der Extinktionskoeffizienten der Hämgruppe wurde nach der Hämochrom-

Methode durchgeführt70.

Dazu wurde zunächst ein Spektrum der Stammlösung des (oxidierten) holo-Proteins in 10

mM Kaliumphosphat-Puffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) aufgenommen. Zu 250 µL dieser

Stammlösung wurden 3 µL einer 0.1 M K3[Fe(III)(CN)3]-Lösung und 250 µL 0.2 M Natron-

lauge (40% Pyridin) hinzu gegeben und 30 Minuten inkubiert. Nach der Aufnahme eines UV-

vis-Spektrums des oxidierten Hämochroms erfolgte die Zugabe von wenig festem Na2S2O4

unter leichtem Umschwenken. Nach weiteren zwei Minuten wurde das UVvis-Spektrum des

reduzierten Hämochroms aufgenommen und die Vollständigkeit der Reduktion durch die

erneute Zugabe von etwas Na2S2O4 geprüft.

Die Konzentration an Hämochrom errechnet sich aus der Differenz der Hämochrom-Spek-

tren bei 556 nm und 540 nm (ε556-540 = 23.98 mM-1cm-1). Da der Verdünnungsgrad V der Hä-

mochrom-Lösung im Vergleich zur Proteinstammlösung bekannt ist, kann die Konzentration

an Hämprotein und damit der Extinktionskoeffizient der Hämgruppe berechnet werden.

cm 1cmmM 98.23

EE]Hämochrom[

11

540ox

556red

⋅−

=−−

(Gl. 3.2)

[ ] cm 1VHämochromAStamm

⋅⋅=ε

λλ (Gl. 3.3)

Die angegebenen Werte für ε sind die Mittelwerte aus mindestens drei Bestimmungen.

70 E. A. Berry, B. L. Trumpower, Anal. Biochem. 161, 1-15 (1987)

Page 60: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN48

6. Gelfiltrationschromatographie

Die Gelfiltrationsexperimente zur Bestimmung des Aggregierungszustandes der de novo

Proteine wurden von Michael Reuß (MPI f. Strahlenchemie, Mülheim) durchgeführt.

Die Kalibrierung der Säule (Superdex 75 HR 10/30) erfolgte mit Hilfe von fünf Standards

(Vitamin B12 (1.3 kDa), Aprotinin (6.5 kDa), α-Lactalbumin (14.2 kDa), Kohlenstoffanhydrase

(29.0 kDa) und Albumin (45.0 kDa)), als Elutionsmittel diente 150 mM Natriumphosphatpuffer

pH 7.0, der Volumenstrom betrug 0.7 mL/min (T = 278 K). Die UV-vis-spektroskopische De-

tektion erfolgte entweder bei 280 nm oder gleichzeitig bei 280 nm und 412 nm.

C. Charakterisierung der Grenzschicht und der adsorbierten Proteine

1. Poly- und einkristalline Goldelektroden für elektrochemische Messungen

Alle elektrochemischen Messungen sind in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup (Technical

University of Denmark, Lyngby) durchgeführt worden. Die Goldelektroden wurden von Dr. J.

U. Nielsen und Dr. J. Zhang zur Verfügung gestellt und waren aus eigener Herstellung. Als

Einkristallelektroden wurden ausschließlich Au(111)-Elektroden verwendet, deren Identität

durch ihr charakteristisches Cyclovoltamogramm in 0.01 M H2SO4 sichergestellt wurde71.

Zur Vorbereitung auf jedes Experiment wurden die Elektroden zunächst in 0.1 M H2SO4 bei

einer Spannung von 10 V für ca. 30 Sekunden anodisch elektropoliert und dann mit H2O, 1 M

Salzsäure und wieder mit H2O abgespült. Gegebenenfalls wurde dieser Prozeß ein- bis

zweimal wiederholt. Zu beachten ist, daß die Einkristalloberflächen nach der „hanging meni-

scus"-Methode gereinigt worden sind, so daß eine unnötige Abnutzung der Elektrode ver-

mieden werden konnte. Nach der Elektropolierung wurden die Elektroden vorsichtig von

Wassertropfen befreit und in einem Ofen (Nabertherm, Buch&Holm) bei etwa 900 °C für min-

destens zwei Stunden geglüht. Nach einer langsamen Auskühlung wurden die Elektroden bis

zum nächsten Experiment gelagert.

Unmittelbar vor jedem Experiment wurden die Elektroden vorsichtig in einer Wasserstoff-

flamme geglüht, dann in einer mit Wasser gesättigten Atmosphäre gekühlt und zur Auftra-

gung der Monoschicht in die Lösung mit den entsprechenden Thiolderivaten getaucht (Ab-

schn. C 2.2).

71 A. Hamelin, J. Electroanal. Chem., 407 (1-2), 1-11 (1996)

Page 61: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 49

2. Präparation der Silberelektroden und Oberflächenmodifikation

Im Gegensatz zu den in der Elektrochemie verwendeten Goldelektroden müssen die Sil-

berelektroden für die SERR-Spektroskopie eine bestimmte Rauhigkeit als Voraussetzung für

die Oberflächenverstärkung der Raman-Streuung aufweisen (s. Abschn. II F.1). In der Regel

wurden nicht blanke, sondern modifizierte Elektroden verwendet.

2.1 Präparation der Ag-Oberfläche für die SERR-Spektroskopie

Das elektrochemische Aufrauhen der Silberelektroden erfolgte in einer Glaszelle mit einer

ringförmigen Platin-Gegenelektrode, in deren Zentrum sich eine drehbare Achse mit der Sil-

berelektrode befand. Als Referenzelektrode diente eine gesättigte Kalomelelektrode (E0 =

+241.2 mV bzgl. SHE 72), die durch eine Kapillare mit dem Hauptraum der Zelle in

Verbindung stand. Als Elektrolyt diente 0.1 M KCl-Lösung.

Schritt Beschreibung Wdh.

1. manuelles Aufrauhen

2. Reinigung durch naszie-

renden Wasserstoff

3. Oberflächenpräparation

Entfernung der oberen Ag-Schichten mit

Schmirgelpapier, Abspülen mit H2O, EtOH

und H2O

mit rotierender Achse:

-2.0 V für ca. 10 s, 5 s o. c. p.

mit ruhender Achse:

+0.3 V für 60 s, -0.3 V für 60 s

+0.3 V für 20 s, -0.3 V für 20 s

Abspülen mit H2O oder H2O und EtOH

-

2

-

2

Tab. 3.4: Protokoll zum Aufrauhen der Ag-Elektroden für die SERR-Spektroskopie

72 A. J. Bard, L. R. Faulkner, „Electrochemical Methods“, 2. Auflage Wiley (2001)

Page 62: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN50

Abbildung 3.4 zeigt ein mit einem Rasterkraft-

mikroskop (NanoScope, Digital Instruments) in

der Arbeitsgruppe von D. A. Smith (University

of Leeds) aufgenommes Bild von einer nach

dem Protokoll in Tabelle 3.4 aufgerauhten

Elektrode. Es zeigt Oberflächenstrukturen in

der Größenordnung von etwa 100 nm, die

vermutlich für das Auftreten der Oberflächen-

verstärkung des Raman-Effektes verantwort-

lich sind. Eine Aufnahme im Größenbereich

von 400 nm zeigte keine weiteren Substrukturen (hier nicht dargestellt). Die „Silberinseln"

sind somit ausreichend groß, daß adsorbierte Proteine effektiv auf einer planaren Oberfläche

binden und der Einfluß der Rauhheit auf den Adsorptionsprozeß wahrscheinlich ver-

nachläßigbar ist.

2.2 Modifikation der Gold- und Silberoberflächen

Die Adsorption von Proteinen auf blanken Metalloberflächen kann zu unerwünschten

Denaturierungseffekten führen. Es konnte jedoch gezeigt werden, daß durch eine chemische

Veränderung der Oberfläche diese Effekte weitestgehend ausgeschaltet werden können.

Deshalb wurden die Metalloberflächen je nach Protein mit verschiedenen organischen

Thiolen bedeckt, die homogene, selbstorganisierte Monoschichten (SAM) bilden73.

2.2.1 Elektrostatische Immobilisierung von MOP-P1, MOP-P2 und MOP-P3:

Die Aminosäuresequenzen der Proteine P1, P2 und P3 sind so gewählt worden, daß im Be-

reich der Bindungsdomäne bei neutralem pH-Wert ein Überschuß an positiver Ladung vor-

handen ist. Für eine elektrostatische Immobilisierung der Proteine ist demzufolge eine SAM

notwendig, die ihrerseits mit negativen Kopfgruppen ausgestattet ist. Im Rahmen dieser Ar-

beit wurden dazu ω-Mercaptocarbonsäuren verwendet, da diese in der Regel dicht gepackte,

homogene Schichten bilden, die zudem bereits sehr gut charakterisiert sind74.

73 A. Ulman, "Introduction to Ultrathin Organic Films. From Langmuir-Blodgett to Self-Assembly",

Academic Press (1991), 279-29674 H. O. Finklea, "Self-assembled Monolayers on Electrodes", Encycl. of Anal. Chem., Wiley (2000)

Abb. 3.4: AFM-Bild der SERRS-Elektrode

Page 63: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 51

Die Elektrodenvorbereitung erfolgte nach den unter C.1 und C.2 beschriebenen Vorgehens-

weisen; alle Lösungen wurden erst unmittelbar vor Gebrauch hergestellt.

SAM Abk. Vorschrift

2-Mercaptoethansäure/

3-Mercaptopropansäure

11-Mercaptoundecansäure

„C2“

„C3“

„C11“

1-5 mM Lösung in H2O zu je 3.5 mL aliquotiert

und frisch präparierte Elektrode hineingeben

1-5 mM Lösung in Ethanol oder Ethanol/H2O

(1:1, v/v) zu je 3.5 mL aliquotiert und frisch

präparierte Elektrode hineingeben

Tab. 3.5: Herstellung der COOH-terminierten Monoschichten

Alle zur Oberflächenmodifizierung verwendeten Chemikalien waren von höchstem Rein-

heitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka) und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.

Nach einer Reaktionszeit von 12 Stunden für C2 und C3 und 24 Stunden für C11 wurden die

Elektroden mit H2O bzw. Ethanol abgespült, vorsichtig im Luftstrom getrocknet und in die

Apparatur eingebaut. Die langen Reaktionszeiten sind nötig, weil Ordnungsprozesse in der

SAM im Vergleich zur Chemisorption der Thiolgruppe relativ langsam ablaufen. Eine zu

lange Reaktionszeit kann jedoch ebenfalls kontraproduktiv sein, weil die Bildung von Fehl-

stellen zunimmt7.

Abb. 3.5: Adsorption von holo-MOP-P

Page 64: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN52

2.2.2 Kovalente Immobilisierung von MOP-C:

Über die Abschirmhelices H3 ist die Bindungsdomäne von MOP-C mit insgesamt zwei Cy-

steinen ausgestattet, die es im Prinzip erlauben, das Protein direkt auf der Metalloberfläche

zu binden. Allerdings konnte bei Arbeiten an ähnlichen Proteinen bei direkter Anbindung an

die Elektrode keine elektrochemische Aktivität, bei Verwendung eines Cysteamin/

Maleinimidopropionyl-Linkers ("SIMP") jedoch ein reversibles elektrochemisches Signal

gemessen werden. Aus diesem Grund wurde diese Immobilisationstechnik auch hier ge-

wählt75. Die Elektrodenvorbereitung erfolgte wie unter C.1 und C.2 beschrieben, alle Lösun-

gen wurden erst unmittelbar vor Gebrauch hergestellt.

Schritt Vorschrift

Addition von Cysteamin

Addition des SIMP-Linkers

Addition von apo-MOP-C

frisch präparierte Elektrode für 2 h in 3.5 mL einer 1-5

mM Lösung (H2O), dann mit H2O und EtOH abgespü-

len und im Luftstrom trocknen

Elektrode für 4 h in frisch bereitete 1-5 mM Lösung von

3-Maleimidopropionsäure-N-succinimidylester

(DMSO); mit DMSO, EtOH und H2O abgespülen u.

vorsichtig im Luftstrom trocknen

Elektrode für 2 h in frisch bereitete apo-MOP-C Lösung

([MOP-C] ≈ 10 µM) geben und mit 10 mM Kalium-

phosphat-Puffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) reinigen (2-3

Wdh.)

75 T. Kitagawa et al., Chem. Pharm. Bull. 29 (4), 1130-1135 (1981) ; Haehnel, persönl. Mitteilung;

I. Willner et al., Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, no. 23, 3253-3256

Abb. 3.6: Chemisorption von holo-MOP-C

Page 65: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 53

Einbau der Hämgruppe Elektrode in 3.5 mL 10 mM Kaliumphosphat-Puffer

pH 8.0 (12.5 mM K2SO4) überführen, 1 µL 2 mM

Hämin/ DMSO-Lsg. hinzu geben und sofort ver-

mischen; Reaktionszeit: 30-120 Minuten

danach Elektrode mit 1% Triton-X100-Lsg. und meh-

rere Male mit dem o. g. Phosphatpuffer pH 7.0 spülen

und sofort in die Meßapparatur überführen

Tab. 3.6: Herstellung der MOP-C-bedeckten Elektroden

Alle zur Oberflächenmodifizierung verwendeten Chemikalien waren von höchstem Rein-

heitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka) und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.

Anstatt des apo-Proteins kann auch sofort das holo-Protein addiert werden, so daß der letzte

Schritt wegfällt. Die experimentellen Ergebnisse waren jedoch die gleichen und da sich der

Hämeinbau in dieses Protein in Lösung als schwierig darstellte, wurde in der Regel das in

Tabelle 3.6 dargestellte Protokoll befolgt.

2.2.3 Immobilisierung von MOP-F über hydrophobe Wechselwirkungen

Wie aus der Netzdarstellung von Helix 4 zu entnehmen ist, enthält das Protein MOP-F ins-

gesamt zwei Dodecylsäurereste, die die hydrophobe Bindung des Proteins an eine entspre-

chende SAM ermöglichen sollten. Dazu wurde sowohl 11-Mercaptoundecansäure (C11) als

auch 12-Dodecanthiol (C12F) getestet. Abbildung 3.7 verdeutlicht den Bindungsmechanis-

mus am Beispiel des C12F.

Die Herstellung der modifizierten Elektroden ist im Fall von C11 und C12F identisch (Abschn.

2.2.1). C12F war wie C11 vom höchsten erhältlichen Reinheitsgrad (Sigma/Aldrich/Fluka)

und wurde ohne weitere Reinigung verwendet.

Abb. 3.7: Immobilisierung von holo-MOP-F (schematisch)

Page 66: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN54

2.2.4 Elektrostatische Immobilisierung von Cytochrom b562

Wie auch die de novo Proteine des P-Typs kann Cytochrom b562 elektrostatisch auf modifi-

zierten Metalloberflächen gebunden werden. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß

Cyt b562 eine negativ geladene Bindungsdomäne besitzt, die höchstwahrscheinlich auch die

Propionat-Gruppen des Häms einschließt. Die Oberflächenmodifizierung erfolgte daher in

diesem Fall mit ω-Aminoalkylthiolen, deren NH2-Gruppen in neutraler wäßriger Lösung zum

Teil protoniert sind und so eine positiv geladene Monoschicht darstellen.

Cysteamin (A-C2) wurde von Sigma/Aldrich/Fluka, die anderen Aminoalkylthiole (A-C6, A-C8

und A-C11) von Dojindo Inc. bezogen. Alle Chemikalien waren von höchster Reinheitsstufe

und wurden ohne weitere Reinigung verwendet.

Die Modifikation der Elektroden verläuft ganz analog zu den carboxylterminierten Thiolen:

SAM Abk. Vorschrift

2-Aminoethylthiol

6-Aminohexylthiol

8-Aminooctylthiol

11-Aminoundecylthiol

„A-C2“

„A-C6“

„A-C8“

„A-C11“

frisch präparierte Elektrode für 12 h in 3.5 mL

1-5 mM Lösung in H2O geben

frisch präparierte Elektrode für 24 h in 3.5 mL

1-5 mM Lösung in Ethanol oder Ethanol/H2O

(1:1, v/v) geben

Tab. 3.7: Herstellung der aminoterminierten SAM

Eine Komplikation bei den aminoterminierten Thiolen ist jedoch, daß nicht nur der Thiol-

Schwefel, sondern auch nichtprotonierte Aminogruppen relativ starke Bindungen mit dem

darunterliegenden Metall eingehen können76. Dadurch sind diese Monoschichten weniger

76 W. Hill et al., Langmuir, 15, 3162-3168 (1999)

Abb. 3.8: Adsorption von Cyt b562 (1QPU)

Page 67: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 55

homogen und bezüglich ihrer Dicke weniger gut definiert als die COOH-terminierten Mono-

schichten.

Ferner können freie, über die NH2-Gruppe an die Elektrode gebundene Thiole leichter zur

Sulfonsäure oxidiert werden als in Lösung, so daß Bereiche der Monoschicht möglicherweise

negativ geladene Kopfgruppen aufweisen77.

Im Laufe der Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, daß Cytochrom b562 spezi-

fisch an aminoterminierte Monoschichten adsorbiert. Charakteristische Schwingungsbanden

der Sulfonylgruppe im Bereich von 1370 cm-1 wurden im SERR-Spektrum unter typischen

Meßbedingungen nicht nachgewiesen, so daß die oben genannten Probleme bei den hier

durchgeführten Experimenten vermutlich vernachlässigbar sind77.

77 Wallwork et al., Langmuir, vol. 17, 1126-1131 (2001)

Page 68: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN56

3. Raman-Spektroskopie in Lösung und auf der Oberfläche

3.1 Der optische Aufbau

Die Aufnahme der Resonanz-Raman-Spektren in Lösung und der SERR-Spektren von der

Silberoberfläche erfolgte durch Anregung bei 413 nm mit einem Kryptonionen-Laser (Co-

herent Innova 302 oder Innova 400). Der optische Strahlengang unterschied sich bei beiden

Techniken nicht (Abb. 3.9).

Der Interferenzfilter L diente dazu, störende Plasmalinien des Lasers zu entfernen. Die Meß-

zelle bestand entweder aus einer Quarzrotationsküvette (RRS) oder aus einer elektrochemi-

schen Zelle (SERRS).

Das gestreute Licht wurde im 90°-Winkel zur Strahlrichtung von der Probe auf den Spektro-

meterspalt fokussiert (d = 200-300 µm). Unmittelbar davor befand sich ein Depolarisator, um

die Polarisationsabhängigkeit der Gitterempfindlichkeit zu kompensieren.

Als Spektrometer diente ein Doppelmonochromator (U-1000, Jobin Yvon), der als Spektro-

graph betrieben wurde. Das auftreffende Licht wurde mit Hilfe der beiden optischen Gitter

dispergiert (1200 Linien/mm) und auf eine stickstoffgekühlte CCD-Kamera (Jobin Yvon)

abgebildet.

Bei einer spektralen Auflösung von 4 cm-1 mit 0.53 cm-1 pro CCD-Element konnte in dieser

Konfiguration ein Bereich von 350 cm-1 (λexc = 413 nm) detektiert werden.

Der typische Meßbereich lag zwischen 1250 und 1720 cm-1, also im sogenannten „Marker-

Banden-Bereich“ der Hämgruppe (s. Kap. II F.2). Die Kalibrierung des Spektrometers er-

folgte mit Hilfe der Quecksilberlinie bei λ = 435.834 nm.

„IF“: Interferenzfilter 415 nm

„(TR)“: Pockels-Zelle (opt., s. 3.2.2)

„L“: Linse

„SCR“: „scrambler“

„CCD“: Detektor

Abb. 3.9: Aufbau der Raman-Experimente

Page 69: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 57

3.2 Besonderheiten der SERR-Spektroskopie

3.2.1 Potentialabhängige Messungen

Bei der SERR-Spektroskopie wird eine elektrochemische Zelle als Meßzelle verwendet, die

in Abb. 3.10 schematisch dargestellt ist.

Die Arbeitselektrode, bestehend aus einem Silberring mit einer äußeren Mantelfläche von

1 cm2, wurde auf eine im Inneren leitfähige Achse montiert, die während des Experimentes

zur Minimierung der Belastung der Probe durch das Laserlicht rotiert wurde.

Als Referenzelektrode diente eine Ag/AgCl-Elektrode (∅ = 2 mm, World Precision Instru-

ments, E0 = +194 mV vs. SHE), als Gegenelektrode fungierte ein Platindraht (∅ = 0.5 mm,

Goodfellow). Drei weitere Zugänge auf der Seite der Platin- bzw. der Referenzelektrode sind

in Abb. 3.10 der Übersichtlichkeit halber nicht eingezeichnet. Sie wurden für die Zuleitung

von deoxygeniertem Argon (Chrompack, 5N) verwendet. Die Entgasungszeit betrug minde-

stens 30 Minuten für alle Proben.

Durch den hier beschriebenen Aufbau war es möglich, stationäre SERR-Spektren der ad-

sorbierten Hämproteine in Abhängigkeit vom angelegten Potential zu messen. Durch eine

zusätzliche Erweiterung kann dieser Aufbau jedoch so modifiziert werden, daß auch zeitliche

Veränderungen in der Zusammensetzung der adsorbierten Spezies untersucht werden kön-

nen.

Abb. 3.10:

Aufbau der elektrochemischen Zelle

(Aufsicht)

Page 70: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN58

3.2.2 Messung von Elektronentransferkinetiken: TR SERR-Spektroskopie

Zur Störung der potentialabhängigen Gleichgewichte der auf der Silberoberfläche adsor-

bierten Spezies wurde das Potential der Arbeitselektrode über einen Vierkanal-Pulsgenerator

moduliert, der gleichzeitig auch der Steuerung eines optoelektronischen Intensitätsmodula-

tors (Linos Photonics, LM0202, 5W) diente (Abb. 3.9). Der Modulator besteht aus einem

elektrooptischen Kristall (hier KD2PO4, „KD*P“), der die Polarisationsrichtung des Laser-

strahls je nach angelegter Spannung verändert. Im Idealfall läßt ein nachgeschalteter exter-

ner Polarisator den Strahl je nach Polarisationsrichtung entweder ungehindert passieren

(„an“) oder er lenkt ihn in 90°-Richtung ab („aus“). Das Verhältnis zwischen Ian und Iaus wird

als Extinktion E der Pockels-Zelle bezeichnet und kann als Güteparameter für die Einstellung

der Optik verstanden werden. In den hier durchgeführten Experimenten war die Extinktion

stets größer 300.

In einem typischen SERR-Experiment zur Bestimmung von ET-Kinetiken wird das beste-

hende Redox- und Konformationsgleichgewicht K(Ei) auf der Silberoberfläche durch einen

Sprung vom Startpotential Ei zum Endpotential Ef zur Zeit t0 gestört und strebt einer neuen

Gleichgewichtszusammensetzung K(Ef) entgegen. Die Geschwindigkeit der Gleichgewichts-

einstellung hängt von den Geschwindigkeitskonstanten der Einzelschritte ab (s. Kap. II G),

so daß die Zusammensetzung nach einer Zeit δ einen Wert zwischen K(Ei) und K(Ef) erreicht

hat. Für den Zeitraum ∆t passiert nun der Anregungslaser die Pockels-Zelle („an“) und er-

laubt die Akkumulation der SERR-Signale auf der CCD-Kamera. Da das gemessene Spek-

trum über ∆t gemittelt wird, entspricht es dem Zustand der Probe zum Zeitpunkt t = δ + ∆t/2.

Typischerweise liegt die Zeit δ im Millisekunden-Bereich, so daß mit einer Akkumulationszeit

von ∆t (≈ 1/5⋅δ) kein ausreichendes Signal/Hintergrund-Verhältnis erreicht werden kann.

Wiederholt man diesen Potentialsprung jedoch N-mal, so beträgt die Gesamtakkumulations-

Abb. 3.11:

Signalsequenz im TR-Experiment

Page 71: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 59

zeit N⋅∆t (N ≤ 1⋅105, N⋅∆t = 20 s). Wichtig ist hierbei, daß die Gleichgewichtszusammenset-

zung K(Ei) vor einem erneuten Potentialsprung zu Ef vollständig regeneriert wird. Deshalb

wird unmittelbar nach dem Meßintervall ∆t das Potential Ei wieder eingestellt und für die Re-

laxationszeit trelax bis zum nächsten Potentialsprung beibehalten (s. Kap. II G). Eine typische

Konzentration-Zeit-Entwicklung ist ebenfalls in Abb. 3.11 dargestellt.

trelax sollte jedoch nicht zu lang gewählt werden, da auch während des „aus“-Zustandes die

Leistung P des Anregungslasers an der Probe gemäß der Extinktion der elektrooptischen

Zelle nicht gleich null ist. Die Akkumulationszeit während Paus beträgt (trelax + δ) und ist dem-

nach um ein Vielfaches größer als ∆t. Dadurch steigt der Beitrag des während Paus

gemessenen Spektrums zum Gesamtspektrum. Das Verhältnis

( ) ( )( ) ausrelaxan

ausrelax

PtPtPt

alGesamtsignaus""Signal

⋅+δ+⋅∆⋅+δ= , (Gl. 3.4)

das als Maß für den Meßfehler gewertet werden kann, lag in der Regel unter 0.1 (trelax/δ ≈ 5).

3.2.3 Auswertung der RR- und der SERR-Spektren

Die Analyse der Raman-Spektren erfolgte mit dem am MPI für Strahlenchemie (Mülheim a.

d. Ruhr) entwickelten Programm „Xm-PIPSI“.

Die Meßspektren wurden dazu zunächst auf den interessanten Spektralbereich zugeschnit-

ten (1250 cm-1 bis 1520 cm-1/1720 cm-1). Der strukturlose Hintergrund wurde durch ein Poly-

nom simuliert und vom Meßspektrum abgezogen.

Die Anpassung der Raman-Banden erfolgte durch Lorentz-Profile Lz mit der Intensität Iz, der

Frequenz νz und der Halbwertsbreite dz.

Liegen in einem Meßspektrum mehrere Spezies vor, wie z. B. verschiedene Redoxzustände,

so ist es sinnvoll, die Anzahl der Freiheitsgrade zu reduzieren. Jede Spezies weist ein cha-

rakteristisches RR- oder SERR-Spektrum auf, das durch Gruppen von simulierten Einzel-

banden repräsentiert werden kann.

In diesen Gruppen oder Komponenten Enj ändern sich die Parameter νz, Iz und dz der einzel-

nen Banden relativ zueinander nicht, so daß für die Anpassung eines Mehrkomponenten-

Spektrums nur die Gewichtung der einzelnen Komponenten variiert wird. Dadurch verringert

sich die Anzahl der Freiheitsgrade bei der Anpassung deutlich und deren Verläßlichkeit wird

erhöht (P = Anzahl der Komponenten).

Page 72: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN60

Das simulierte Spektrum Mn entspricht damit:

∑ ⋅=j

njnn EaM (Gl. 3.5)

Der Faktor an ist der Anteil einer Komponente am Gesamtspektrum. Normiert man die Inten-

sitäten aller Komponentenspektren bezüglich einer gemeinsamen Bande und gibt die Pro-

portionalitätsfaktoren fn relativ zu einer Referenzkomponente an, dann lassen sich aus den

Gewichtungsfaktoren an die relativen Konzentrationen cn der beteiligten Spezies n berech-

nen:

norm,nrel,nn afc ⋅= (Gl. 3.6)

In der vorliegenden Arbeit wurde die oxidierte Form des sechsfach koordinierten Hämpro-

teins als Referenzkomponente verwendet. Die ν4-Bande war unter den gewählten experi-

mentellen Bedingungen die intensivste und diente deshalb zur Intensitätsnormierung.

Zur Bestimmung der Proportionalitätsfaktoren fn,rel muß die Konzentration der Spezies be-

kannt sein. Da die Oberflächenkonzentration im SERR-Experiment jedoch unbekannt ist

bzw. stark von den experimentellen Parametern abhängen kann, wurden die hier verwende-

ten Proportionalitätsfaktoren in RR-Experimenten entweder selbst bestimmt oder von sehr

ähnlichen Systemen übernommen (s. Kap. IV). Dabei wurde vorausgesetzt, daß die Propor-

tionalitätsfaktoren der adsorbierten Spezies denen der gelösten Proteine entsprechen.

Page 73: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 61

4. Cyclovoltammetrie und verwandte elektrochemische Methoden

Alle elektrochemischen Untersuchungen wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup

(DTU, Kopenhagen) an einem „Autolab“-Potentiostaten (Eco Chemie, Niederlande) durch-

geführt.

Die Reinigung der verwendeten Glasgeräte erfolgte in ko-

chender 15%iger HNO3 und anschließend durch mehrma-

lige Behandlung im Ultraschallbad. Die Glasgeräte wurden

über Nacht in Wasser gelagert (18.2 MΩ, Millipore) und

nach einigen weiteren Spüldurchgängen am nächsten Tag

sofort verwendet.

Unmittelbar vor der Messung wurden die vorbereiteten

Einkristall-Elektroden zunächst etwa 2-3 mm tief in die

Elektrolytlösung eingetaucht und dann so weit zurückge-

zogen, daß der Kontakt mit der Lösung nur noch über die

Einkristall-Oberfläche bestand (Abb. 3.12). Nach einer Wartezeit von ca. 5-10 Minuten zur

Trocknung des polykristallinen Teils der Elektrode konnte mit der Messung begonnen wer-

den. Alle Lösungen wurden für mindestens 30 Minuten mit deoxygeniertem Argon (Chrom-

pack, 5N) entgast.

Abb. 3.12:

hanging meniscus-Methode

Page 74: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN62

D. in situ Rastertunnelmikroskopie (in situ STM)

1. Aufbau des Mikroskops

Alle in situ STM-Experimente wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulstrup (DTU, Kopen-

hagen) an einem kommerziellen Rastertunnelmikroskop durchgeführt (PicoSPM, Molecular

Imaging und Rasterscope3000, DME). Zwei Platindrähte dienten als Gegen- bzw. Referenz-

elektrode (+(480 ± 50) mV vs. SHE bei pH 7.0), die Arbeitselektrode bestand aus einem

scheibenförmigen Au(111)-Kristall (MaTeck, ∅ = 11 mm, d = 1 mm), der über ein metalli-

sches Kontaktplättchen mit dem elektrischen Schaltkreis verbunden war. Die STM-Spitze

stellte die vierte Elektrode des Systems dar. Die Elektrodenpotentiale wurden über einen bi-

potentiostatischen Aufbau gesteuert, so daß zwei der drei Potentiale unabhängig voneinan-

der kontrolliert werden konnten (Potential der Arbeitselektrode EAu, Potential der W-Spitze

Etip und die Potentialdifferenz Ebias zwischen Spitze und Arbeitselektrode).

biastipAu EEE =−

Abb. 3.13: Aufbau des in situ Rastertunnelmikroskops

Page 75: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN 63

2. Herstellung der Spitzen

Alle im Rahmen dieser Arbeit verwendeten STM-Spitzen wurden aus Wolframdraht herge-

stellt (∅ = 0.25 mm). Dazu wurde ein etwa 2 cm langes Stück so fixiert, daß ein Ende etwa

1 mm in die darunterstehende 2 M KOH-Lösung hineinragte. Durch das Anlegen einer 12 V-

Wechselspannung wurde dieses Ende elektrochemisch so weit abgetragen bis der Kontakt

zwischen Wolframdraht und KOH-Lösung abriß und der Stromfluß zum Erliegen kam.

Im Idealfall bleibt nach dieser Prozedur eine Spitze zurück, die an ihrem äußersten Ende

lediglich aus einem einzelnen Atom besteht.

Da das Rastertunnelmikroskop im in situ Modus betrieben wurde, mußte der Wolframdraht

zur Minimierung von Faradayischen Leitungsprozessen gegen die Elektrolyt-Lösung isoliert

werden. Gleichzeitig durfte die Spitze selbst nicht vollständig bedeckt werden, damit nicht

auch der Tunnelstrom unterbunden wird.

Die Isolierung erfolgte mit Apiezon-Wachs (Schmelzpunkt 140 °C), der zunächst in einem

kleinen Reservoir mit Hilfe einer Heizvorrichtung zum Schmelzen gebracht wurde. Der

Wolframdraht wurde dann mit der stumpfen Unterseite zuerst in das heiße Wachs getaucht

und über ein Loch in der Unterseite des Heizreservoirs auf eine vertikal verstellbare Halte-

rung aufgebracht. Die Spitze des Wolframdrahtes tauchte dabei noch nicht in den Wachs

ein.

Dann wurde die Heizung des Reservoirs abgeschaltet und der Draht so weit nach unten be-

wegt, daß die Spitze gerade unter der Oberfläche des erkaltenden Wachses verschwand.

Nach einigen Minuten konnte der Draht nach oben aus dem Wachs herausgedrückt und

überschüssiger Wachs manuell entfernt werden. Etwa 4-5 mm des Drahtes sollten mit

Wachs bedeckt bleiben.

Abb. 3.14:

Herstellung der STM-Spitzen

Page 76: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

III. MATERIAL UND METHODEN64

3. Vorbereitung der Au(111)-Elektroden

Die für die STM-Experimente verwendete Au(111)-Elektrode (MaTeck, ∅ = 11 mm, d = 1

mm) wurde in der gleichen Weise auf die Messung vorbereitet wie die Elektroden für die

elektrochemischen Versuche. Dies bezieht sich sowohl auf die Vorbereitung der Einkristall-

Oberfläche selbst als auch auf deren Modifikation (Abschn. C 1, C 2.2.1 und C 2.2.2).

4. Durchführung einer STM-Messung

Alle Bestandteile der Meßzelle wurden vor jedem Experiment in 15%iger HNO3 gekocht, im

Ultraschallbad mit H2O (Millipore) gereinigt und mehrere Male abgespült. Erst unmittelbar vor

dem Beginn des Experimentes erfolgte die Trocknung der Bauteile im Argonstrom, die Mon-

tage der Zelle und der Einbau der Meßspitze (Abb. 3.13). Danach wurden die Elektroden mit

den Potentiostaten verbunden und ca. 100 µL Meßpuffer in die STM-Zelle gegeben. Nach

dem Einsetzen der Meßspitze sollte der Abstand zwischen Spitze und Au-Oberfläche nicht

zu groß sein, damit die Höhenregulierung des Piezo-Motors den fehlenden Abstand noch

überbrücken kann.

Nach der Annäherung der Meßspitze an die Oberfläche mit Hilfe des Piezo-Motors konnte

sofort mit der Messung begonnen werden, obwohl die aufgenommenen Bilder in der Regel

erst nach der Äquilibrierung des Systems eine akzeptable Qualität erreichten (z. B. durch

Ausgleich von Temperaturgradienten).

Alle Messungen wurden im constant current-Modus durchgeführt.

Page 77: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 65

IV. Ergebnisse

Page 78: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE66

A. Charakterisierung der de novo Proteine in Lösung

1. Massenspektrometrische Identifizierung

Ein unverzichtbarer Schritt zur Verifizierung der Aminosäuresequenz der de novo Proteine ist

die Bestimmung der Molekülmasse mittels Massenspektrometrie. In Tabelle 4.1 sind die be-

rechneten und die über ESI-MS bestimmten Massen der Proteine gegenübergestellt.

Protein MWav [g/mol], berechnet MW [g/mol], exp.

MOP-P1 12166.8 12167.2 ± 0.6

MOP-P2 12537.3 12538.1 ± 0.6

MOP-P3 12140.3 12140.2 ± 0.6

MOP-C 12288.3 12287.8 ± 0.6

MOP-F 12504.9 12504.3 ± 1.9

Tab. 4.1: Molekülmassen der de novo Proteine (apo-Form)

Obwohl die berechnete Molekülmasse von MOP-P2 leicht außerhalb der Fehlertoleranz des

experimentellen Wertes liegt, kann dennoch davon ausgegangen werden, daß alle de novo

Proteine gemäß der vorgesehenen Aminosäuresequenz synthetisiert wurden. Für die Pro-

teine MOP-P1 und MOP-P2, die vom Autor selbst hergestellt worden sind, können die

Massen der Proteinmodule ferner in Anhang A eingesehen werden.

Page 79: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 67

2. UV-vis-Spektroskopie

Nach dem Einbau der Hämgruppe in die de novo Proteine bietet sich zunächst eine UV-vis-

spektroskopische Charakterisierung des Hämproteins an. Durch die Anzahl der auftretenden

Banden sowie deren Lage und Intensität können Rückschlüsse auf den Ligandierungszu-

stand des Hämeisens gezogen werden.

Bis-Histidin-koordinierte Fe(III)-Hämine befinden sich im low-spin (LS) Zustand und weisen

charakteristische α- und β-Banden bei etwa 560 nm und 530 nm, sowie eine Soret-Absorp-

tion bei ca. 413 nm auf78. Liegt der Hämkomplex im high-spin (HS) Zustand vor, weil das

Hämeisen nur fünffach oder mit einem schwachen sechsten Liganden koordiniert ist, dann

taucht eine Absorptionsbande bei ca. 635 nm auf, die als ein Indikator für den HS-Zustand

betrachtet werden kann.

Ähnliches gilt bei reduzierten Fe(II)-Häminkomplexen. Auch hier tritt im HS-Zustand eine

Bande im Bereich von 630 nm auf, die damit deutlich höher liegt als die entsprechenden

Banden der LS-Konfiguration. Charakteristisch für das Spektrum der reduzierten bis-His-

koor-dinierten Hämine ist die Verschiebung der Soret-Bande auf etwa 426 nm und die In-

vertierung des Intensitätsverhältnisses zwischen α- und β-Bande. Im Gegensatz zum Spek-

trum der oxidierten Form taucht die α-Bande hier als scharf definierte Bande im Spektrum

auf79.

oxidierte Form (Fe III) reduzierte Form (Fe II)

Protein Soret β α Soret β α

MOP-P1 412 533 ≈ 560 426 530 559

MOP-P2 412 533 ≈ 560 426 530 559

MOP-P3 413 532 ≈ 560 427 530 559

MOP-C 412 533 ≈ 560 426 529 559

MOP-F 413 533 ≈ 560 426 530 560

Tab. 4.2: Absorptionsspektroskopische Daten der de novo Proteine (in nm)

78 A. Debois et al., Eur. Biophys. J. (1992), 20:321-335; M. Rivera et al., Biochem., 31, 12233 (1992)79 J. W. Owens, C. J. O’Connor, Coord. Chem. Rev., 84, 1-45 (1988)

Page 80: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE68

In Abbildung 4.1 ist das Absorptionsspektrum von MOP-P1 dargestellt, das als typisches

Spektrum der hier untersuchten de novo Proteine gelten kann. Die Bandenpositionen liegen

in einem für bis-His-koordinierte Hämine typischen Bereich (Tab. 4.2). Das ASoret/A280-Ver-

hältnis beträgt 4.5 und spricht für einen hohen Anteil an holo-Protein. Generell wurden in

dieser Arbeit nur Proben verwendet, bei denen dieses Verhältnis größer als drei war. Die mit

„*“ gekennzeichnete Bande geht auf das verwendete Reduktionsmittel zurück (Na2S4O6).

Bemerkenswerterweise geht die Reduktion mit einer signifikanten Verringerung der Intensität

der Soret-Bande einher, obwohl die Oszillatorstärke dieses Übergangs zunehmen sollte80.

Die Absorptionsabnahme war auch dann zu beobachten, wenn nur sehr wenig Dithionit zur

Reduktion verwendet wurde.

Zudem konnte gezeigt werden, daß das Ausmaß des Effektes von der Sauerstoffkonzen-

tration in Lösung vor der Zugabe des Dithionits abhängt. Im Fall von MOP-C konnte die re-

duzierte Form nur unter striktem Sauerstoffausschluß überhaupt hergestellt werden. Wie

später gezeigt wird (Kap. V A.5), resultiert die Reduktion in Gegenwart von O2 in einem

Abbau des Häms, was die UV-vis-spektroskopischen Befunde erklärt. Diese unerwünschte

Nebenreaktion trat - wenn auch in unterschiedlichem Maße - bei allen de novo Proteinen auf.

Der zweite Punkt, auf den hier hingewiesen werden soll, ist das Auftreten von zusätzlichen

Absorptionsbanden nach der Reduktion.

Bei etwa 630 nm tritt eine weitere schwache Bande auf (Abb. 4.1), die darauf hindeutet, daß

für einen Teil der Proteine bei der Reduktion ein Histidin-Ligand vom Hämeisen abgespalten

oder gegen einen schwachen sechsten Liganden ausgetauscht wird und eine high spin Spe-

80 Rau, H.K., Haehnel, W., J. Am. Chem. Soc., 120, 468-476 (1998)

Abb. 4.1:

UV-vis-Spektrum von MOP-P1

schwarz: oxidiert, rot: reduziert

„*“: Absorption durch Dithionit

Page 81: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 69

zies entsteht. In der oxidierten Form konnte ausschließlich die bis-His-koordinierte LS-Form

nachgewiesen werden.

Aufgrund des Hämabbaus während der Reduktion wurden ausschließlich die Extinktions-

koeffizienten des oxidierten Zustands bestimmt und zur Konzentrationsbestimmung verwen-

det (Kap. III B.5). Die folgende Tabelle enthält den mittleren Extinktionskoeffizienten der

Soret-Absorption, dessen Standardabweichung und die Anzahl der zugrundeliegenden

Bestimmungen.

Protein mittelSoretε [mM -1cm-1] mittel

Soretε∆ [mM -1cm-1] n

MOP-P1 108 2 2

MOP-P2 100 - 1

MOP-P3 90 6 4

MOP-C 115 3 2

MOP-F 101 3 2

Tab. 4.3: Extinktionskoeffizienten der de novo Proteine (Soret)

Diese Werte stimmen gut mit denen vergleichbarer Hämproteine überein, wie zum Beispiel

Cytochrom b5 (ε412 = 117 mM-1cm-1)81 und MOP1 (ε412 = 106 mM-1cm-1)3. Bemerkenswert ist

dennoch der relativ niedrige Wert für MOP-P3.

81 J. Ozols, P. J. Strittmacher, J. Biol. Chem. 1964, 239, 1018

Page 82: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE70

3. Chemisch induzierte Entfaltung der de novo Proteine

Die Charakterisierung des Entfaltungsprozesses mit Hilfe von Denaturierungsreagienzien

wie Guanidiniumhydrochlorid (GuHCl) oder Harnstoff liefert wichtige Informationen, die Ein-

blicke in die Qualität des Proteindesigns gewähren2.

Die Freie Gibbs-Enthalpie der Entfaltung ∆GNU gibt den Energieunterschied zwischen gefal-

tetem und denaturiertem Zustand wieder, während die Änderung von ∆GNU mit der Konzen-

tration des Denaturierungsreagenzes ein Maß für die Kooperativität des Entfaltungsprozes-

ses ist. Die mikroskopische Bedeutung dieser beiden Parameter ist allerdings kontrovers

diskutiert worden82.

Bei ∆GNU ist zu beachten, daß sich die Zusammensetzung des Lösungsmittels durchaus si-

gnifikant verändert, von GuHCl-freier Lösung für den nativen zu hochkonzentrierten GuHCl-

Lösungen für den entfalteten Zustand. Im letzteren Fall werden die hydrophoben Aminosäu-

ren des Proteins also eher GuHCl ausgesetzt als Wasser83. Bei der thermischen oder pH-

induzierten Denaturierung tritt dieser Effekt nicht auf.

Der Kooperativitätsparameter m = ∂∆GNU/∂[GuHCl] kann als Differenz zwischen der dem

Lösungsmittel zugänglichen Proteinoberfläche im entfalteten Zustand und im gefalteten Zu-

stand aufgefaßt werden15.

Unter der Annahme eines Zwei-Zustand-Modells wurden die relativen Anteile an nativem und

denaturiertem Protein in Abhängigkeit von der GuHCl-Konzentration ermittelt (Durchführung

der Entfaltungsexperimente, s. Kap. III B.4).

Die Gleichgewichtskonstante kann unter Verwendung von Gleichung 4.1 mit der GuHCl-

Konzentration verknüpft werden.

[ ]GuHClmGG 0NU ⋅−∆=∆ (Gl. 4.1)

zungsreagenDenaturier ohne senthalpieEntfaltung Freie :G0∆

Durch die Auftragung von ln(KNU) gegen [GuHCl] ergibt sich ∆G0 aus der Extrapolation der

Geraden zu [GuHCl] = 0 M und m aus deren Steigung.

82 Shortle, D., J. Biol. Chem., vol. 264, no. 10, 5315-18 (1989) (Übersichtsartikel)83 Betz, S.F. et al., Curr. Op. Struct. Biol., 3: 601-610 (1993)

Page 83: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 71

[ ]GuHClTR

mTR

G)Kln( 0

NU ⋅⋅

+⋅

∆−= (Gl. 4.2)

Die auf diese Weise erhaltenen Daten sind in Tabelle 4.4 zusammengefaßt84:

Protein ∆∆G0 [kJ/mol] m [kJ/(mol⋅⋅M)

MOP-P1 30.4 -7.8

MOP-P2 15.6 -4.5

MOP-P3 11.4 -3.4

MOP-C 11.1 -3.6

MOP-F 13.5 -3.9

Tab. 4.4: Stabilität und Kooperativität der de novo Proteine

Abgesehen von MOP-P1 liegen die Werte von ∆G0 und m damit deutlich außerhalb des Be-

reiches natürlicher Proteine. Lediglich MOP-P1 kommt an die Kooperativität und Stabilität

der natürlichen Proteine heran (Abb. 4.3).

Der deutliche Unterschied zwischen den de novo Proteinen untereinander wird ferner durch

Abbildung 4.2 am Beispiel von MOP-P1 und MOP-C verdeutlicht. Die Kurve von MOP-C

(schwarz) ist bedeutend breiter und zu niedrigeren GuHCl-Konzentrationen verschoben.

Bemerkenswert ist, daß selbst unter sehr milden Denaturierungsbedingungen bereits Ent-

faltung stattfindet. Dies läßt darauf schließen, daß MOP-C selbst in Abwesenheit von GuHCl

keine spezifische Faltung aufweist und eher in einem „molten globule“-Zustand vorliegt.

84 Alternativ können auch die Stoffmengenanteile als Funktion von [GuHCl] angepaßt werden. Die

Ergebnisse waren in diesem Fall allerdings sehr ähnlich und ergaben den gleichen Trend.

Page 84: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE72

Folgende Abbildung verdeutlicht den Unterschied zwischen den hier untersuchten de novo

Proteinen und verschiedenen natürlichen Hämproteinen. Außerdem ist das de novo Protein

MOP1, ein Cytochrom b-ähnliches bis-Hämprotein, dargestellt.

Abb. 4.3:

Stabilität und Kooperativität

verschiedener Hämproteine85

Während es bei den hier dargestellten natürlichen Proteinen keinen erkennbaren

Zusammenhang zwischen ∆G0 und m gibt, scheinen die de novo Proteine einem linearen

Trend zu folgen. Diese Abhängigkeit ist a priori nicht zu erwarten und soll - bei aller Vorsicht

aufgrund des kleinen Datensatzes - in Kapitel V diskutiert werden.

85 Cyt b562 WT und R98C: Barker, P.D. et al., Biochem., 39, 1499-1514 (2000); Cyt c551, c553,

c(Pferdeherz) u. c(Hefe): Wittung-Stafshede, P., Prot. Science (1999), 8:1523-1529; Cyt c C102A:

McLendon, G. et al., Biochem., 33, 10556-10560 (1994); Cyt b5: Arnesano, F., Biochem., 39, 7117-

7130 (2000); MOP1: Rau, H., Haehnel, W., J. Am. Chem. Soc., 120, 468-476 (1998)

Abb. 4.2:

Entfaltung von MOP-C

(schwarz) u. MOP-P1 (rot)

¡: denaturierte Form

l : native Form

Page 85: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 73

4. Gelfiltrationschromatographie

Mit Hilfe der Gelfiltrationschromatographie konnte geprüft werden, inwieweit die untersuchten

de novo Proteine in Lösung aggregieren. Während die Proteine des P-Typs als Monomere

vorliegen, ergibt sich für MOP-C ein Dimer-Anteil von etwa 10%. Lediglich MOP-F scheint

vollständig in Form des Dimers vorzuliegen, hier konnte kein Monomer nachgewiesen

werden (Tab. 4.5, Abb. 4.4).

Protein Form MW [kDa], ber. MW [kDa], exp. ∆∆MW% Anmerkung

MOP-P1 holo 12.8 15.4 (1.0) +20 Monomer

MOP-P2 apo 12.5 13.3 (1.0) +6 Monomer

MOP-P3 holo 12.8 14.1 (1.0) +10 Monomer

MOP-C apo 12.3 12.7 (0.9) +3 Monomer

24.6 28.2 (0.1) +15 Dimer

MOP-F apo 12.5 - - Monomer

25.0 24.6 (1.0) -2 Dimer

Tab. 4.5: Ergebnisse der Gelfiltrationschromatographie, in Klammern: relative Konzentration

0t

0Pav VV

VVK

−−=

Vp: Elutionsvolumen Protein

V0: Elutionsvol. Dextran Blau

Vt: Säulenvolumen leer

Abb. 4.4:

Ergebnisse der Gelfiltrations-

chromatographie inklusive der

Kalibrierungsdaten

Page 86: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE74

5. Resonanz-Raman-Spektroskopie

5.1 Die de novo Proteine im oxidierten Zustand

Die Resonanz-Raman-Spektren der de novo Proteine im oxidierten Zustand bestätigen die

Ergebnisse der Absorptionsspektroskopie in bezug auf die Koordination und den Spinzu-

stand des Hämeisens. In allen Fällen lagen die Markerbanden in einem Bereich, der für ein

bis-His-koordiniertes low spin Hämzentrum typisch ist86.

Bande MOP-P1 MOP-P2 MOP-P3 MOP-C MOP-F

νν4 1374 / 11 (1.00) 1375 / 12 (1.00) 1374 / 13 (1.00) 1374 / 12 (1.00) 1374 / 12 (1.00)

νν3 1504 / 12 (0.15) 1505 / 13 (0.17) 1504 / 13 (0.15) 1505 / 13 (0.14) 1504 / 12 (0.16)

νν2 1580 / 18 (0.18) 1581 / 19 (0.19) 1580 / 15 (0.29) 1579 / 13 (0.20) 1580 / 16 (0.23)

νν37 1599 / 11 (0.07) 1600 / 13 (0.07) 1599 / 12 (0.04) 1599 / 10 (0.05) 1599 / 12 (0.06)

ννC=C (I) 1621 / 8 (0.05) 1623 / 10 (0.06) 1621 / 10 (0.10) 1621 / 8 (0.11) 1622 / 10 (0.07)

ννC=C (II) 1631 / 12 (0.12) 1632 / 10 (0.12) 1631 / 10 (0.07) 1631 / 12 (0.09) 1631 / 13 (0.10)

νν10 1639 / 8 (0.08) 1641 / 9 (0.10) 1639 / 9 (0.09) 1640 / 9 (0.13) 1639 / 13 (0.10)

Tab. 4.6: Lage, Halbwertsbreite und rel. Intensität der RR-Banden der ox. de novo Proteine

Trotzdem weisen die Resonanz-Raman-Spektren einige Unterschiede auf. Bemerkenswert

sind die relativ große Intensität der ν2-Bande bei MOP-P3 und Variationen im Vinyl- bzw. ν10-

Bereich (1620 cm-1 - 1640 cm-1). Die beiden Vinyl-Banden bei etwa 1622 cm-1 und 1631 cm-1

sind νC=C-Streckschwingungen und gehen wahrscheinlich auf unterschiedliche

Konformationen der beiden Vinylgruppen zurück, die sich in ihrer Orientierung relativ zur

Hämebene unterscheiden. Ihre relativen Intensitäten sind deshalb auch von der

unmittelbaren Proteinumgebung des Häms abhängig87. Abbildung 4.5 zeigt die Resonanz-

Raman-Spektren der oxidierten de novo Proteine im Vergleich.

86 a) Abe, M. et al., J. Chem. Phys. 69(10), 1978 b) Spiro, T. G. et al., J. Am. Chem. Soc. 1993, 115,

12446-12458 c) Spiro, T. G. et al., J. Am. Chem. Soc. 1996, 118, 12638-12646 d) Spiro, T. G., J. Am.

Chem. Soc. 1982, 104, 4345-4351 e) Desbois, A., Lutz, M., Eur. Biophys. J. (1992) 20: 321-33587 D. F. Bocian, J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 10959-10968

Page 87: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 75

Abb. 4.5: RR-Spektren der oxidierten de novo Proteine

Page 88: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE76

5.2 Die de novo Proteine im reduzierten Zustand

Nach der Reduktion mit Natriumdithionit treten selbst unter striktem Sauerstoffausschluß

Banden auf, die einer fünffach koordinierten high spin Spezies zugeordnet werden können

(Abb. 4.7). Dies ist vor allem an der ν3-Bande (HS) bei 1470 cm-1 zu erkennen, die im

Vergleich zur ν3-Bande des LS-Zustandes bei 1490 cm-1 recht intensiv ist. Damit werden die

Ergebnisse der Absorptionsspektroskopie bestätigt.

Im Fall von MOP-C geht die sechsfach koordinierte LS-Spezies offenbar fast quantitativ in

die fünffach koordinierte HS-Form über (Abb. 4.6). Durch Spektrensubtraktion „MOP-F“

minus „MOP-C“ kann der restliche Anteil an LS-Spezies entfernt werden und man erhält

näherungsweise das reine Spektrum der HS-Form. Dies wiederum kann benutzt werden, um

auf analoge Weise das Spektrum der LS-Spezies zu bestimmen (Abb. 4.6).

Überraschenderweise sind die Unterschiede zwischen den Spektren nicht sehr groß. Zwar

gibt es deutliche Differenzen im ν3-Bereich und oberhalb von 1600 cm-1, doch die Position

der ν4-Bande bei 1360 cm-1 ist im Rahmen der Meßgenauigkeit identisch. Aus diesem Grund

konnten auch die Spektren der Proteine MOP-P1, MOP-P2, MOP-P3 und MOP-F im ν4-

Bereich mit nur einer Hauptbande angepaßt werden (dort liegen auch einige weitere Banden

mit geringerer Intensität86b).

Abb. 4.6:

Spektren der reduzierten

high und low spin Spezies

Page 89: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 77

Bande 6crdLS 5crdHS Protein LS:HS

ν4 1359 / 12 (1.00) 1359 / 12 (1.00) MOP-P1 0.4 : 0.6

ν3 1492 / 13 (0.05) 1470 / 13 (0.06) MOP-P2 0.5 : 0.5

ν11?86b 1553 / 14 (0.06) 1553 / 14 (0.08) MOP-P3 0.4 : 0.6

ν2 1582 / 14 (0.09) 1560 / 8 (0.02) MOP-C 0.1 : 0.9

ν37 1601 / 10 (0.03) 1582 / 14 (0.10) MOP-F 0.6 : 0.4

ν10 1617 / 15 (0.08) 1606 / 10 (0.05)

νC=C? 1617 / 15 (0.09)

νC=C? 1628 / 15 (0.03) 1628 / 15 (0.05)

Die starke Ähnlichkeit der Spektren der LS- und HS-Zustände der reduzierten Proteine im

Bereich von 1500 cm-1 bis 1600 cm-1 schlägt sich in der Bandenanalyse nieder. Die Banden

bei 1553 cm-1, 1582 cm-1, 1617 cm-1 und 1628 cm-1 tauchen jeweils in beiden Spektren auf.

Möglicherweise handelt es sich dabei um ein Artefakt der Spektrensubtraktion, doch

entsprechen zumindest die Banden bei 1553 cm-1, 1582 cm-1 und 1617 cm-1 denen von

Modellkomplexen86e oder ähnlichen Hämproteinen86b.

Im Fall der high spin Spezies sollte die Vinyl-Streckschwingung bei etwa 1622 cm-1 lie-

gen86b,c. Man beobachtet allerdings zwei Banden bei 1617 cm-1 und 1628 cm-1, was auf eine

Aufspaltung der Vinylmoden ähnlich wie im oxidierten Zustand hinweist.

Die in Tabelle 4.7 b) dargestellten relativen Konzentrationsverhältnisse wurden mit einer

Bandenanpassung im Bereich von 1450 cm-1 bis 1520 cm-1 ermittelt; als

Proportionalitätsfaktoren fi dienten die von Oellerich bestimmten Werte für Cytochrom c88.

Demnach liegen die beiden Spinzustände bei den Proteinen des P-Typs etwa in gleichen

Anteilen vor, während im Fall von MOP-F das Gewicht leicht auf der Seite der low spin Form

liegt. Bei MOP-C war diese Spezies kaum noch nachzuweisen, das Protein geht fast voll-

ständig in die fünffach koordinierte high spin Form über.

88 Oellerich, S., Dissertation (UGH Essen, 2001). Die Verwendung dieser Werte ist hier nicht

unproblematisch, da Cytochrom c eine andere Ligandierung aufweist. Dennoch wurden die Werte von

Oellerich als Näherung verwendet. Sofern die Proportionalitätsfaktoren der einzelnen Spezies für alle

de novo Proteine gleich sind, wirkt sich dieser systematische Fehler bei vergleichenden

Untersuchungen nicht aus.

Tab. 4.7:

a) Lage, Halbwertsbreite und rel. Intensität der

RR-Banden der reduzierten de novo Proteine

b) LS/HS-Verhältnis in der reduzierten Form

Page 90: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE78

Dieser Trend korreliert damit nicht mit der Stabilität der de novo Proteine. Danach wäre zu

erwarten, daß MOP-P1 den höchsten low spin Anteil hätte, während bei den anderen Protei-

nen deutlich mehr high spin Form vorkommen sollte.

Page 91: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 79

Abb. 4.7: RR-Spektren der reduzierten de novo Proteine

Page 92: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE80

B. Charakterisierung der de novo Proteine an der Elektrode

1. Eigenschaften der adsorbierten Thiole

1.1 Der Stabilitätsbereich: reduktive Desorption und Kapazität

Für die Durchführung von potential- und zeitabhängigen SERR-Experimenten ist es essenti-

ell, zunächst den Stabilitätsbereich der SAM zu bestimmen, da die Zerstörung der SAM und

die damit verbundenen strukturellen Veränderungen in der Grenzschicht das experimentelle

Ergebnis verfälschen können (u. a. Denaturierung, Änderung der ET-Distanz). Deshalb sollte

die SAM in dem Potentialbereich, in dem der Elektronentransfer des adsorbierten Proteins

stattfindet, elektrochemisch inaktiv sein.

Da das Potential für die reduktive Desorption von Thiolen mit abnehmender Kettenlänge

zunimmt, stellen die im Folgenden dargestellten Daten der kürzeren Alkylthiole einen

Grenzwert dar, der auch für längerkettige Thiole Bestand haben sollte89. Alle im Folgenden

zitierten Potentiale beziehen sich auf die Ag/AgCl-Elektrode (3 M NaCl).

1.1.1 3-Mercaptopropionsäure

Das Cyclovoltammogramm in Ab-

bildung 4.8 zeigt deutliche elektro-

chemische Signale bei Potentialen

unterhalb von -400 mV, die auf die

Veränderung der SAM in diesem

Potentialbereich hindeuten. Ver-

mutlich rühren die Signale im er-

sten Potentialdurchlauf (rot) so-

wohl von der Sauerstoffreduktion

als auch von der reduktiven

Desorption des Thiols her. Der

Einfluß des Sauerstoffs sollte beim

dritten Durchlauf (schwarz) jedoch

minmal geworden sein, so daß das

89 T. Kakiuchi et al., Langmuir, 16, 5397-5401 (2000)

Abb. 4.8: Reduktive Desorption einer C3-SAM

1. und 3. Potentialdurchlauf (rot bzw. schwarz)

C3 auf Au(111)

Vorschub: 0.05 V/s

10 mM Phosphatpuffer

pH 7.0 + 12.5 mM K2SO4

Page 93: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 81

Signal hauptsächlich von der SAM herrührt. Wichtig für ET-Untersuchungen an dieser

Monoschicht ist jedoch, daß unter aeroben und anaeroben Bedingungen ein Potential von

etwa -400 mV (vs. Ag/AgCl, 3 M NaCl) nicht unterschritten werden sollte, um

unvorhergesehene Veränderungen in der Struktur der Grenzschicht zu vermeiden.

Dieser Befund wird ferner durch Kapazitätsmessungen unterstützt. In einem Potentialbereich

von +0.05 V bis -0.350 V war die Kapazität unter den o. g. Meßbedingungen konstant bei 9

µF/cm2 (Vorschub: 0.02 V/s). Dieser Wert entspricht damit den Literaturdaten für diese Art

von Monoschichten90.

1.1.2 Cysteamin

Der Stabilitätsbereich der Cysteamin-Monolagen liegt in etwa bei dem der carboxyltermi-

nierten SAMs. Das Cyclovoltammogramm von Cysteamin (hier nicht dargestellt) zeigt im

Potentialbereich zwischen -0.400 V und +0.05 V kein elektrochemisches Signal (Au(111), 10

mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)) und auch die Kapazität ist konstant bei

13 µF/cm2. Dieser Wert liegt etwas höher als der der 3-Mercaptopropionsäure (C3). Dies ist

jedoch zu erwarten, da einerseits die Kapazität mit abnehmender Kettenlänge zunimmt und

andererseits die Ordnung der aminoterminierten Monoschichten durch die mögliche

kompetitive Adsorption der Aminogruppe an die Metalloberfläche zusätzlich gestört wird.

1.1.3 Synthesestufen bei der Immobilisierung von MOP-C

Die Immobilisierung von MOP-C

erfolgte in einer mehrstufigen

Synthese, die mit der Chemi-

sorption von Cysteamin auf

Au(111)- oder Silberelektroden

begann. Da sowohl das Reduk-

tionspotential der Thiolgruppe als

auch die Kapazität der Grenz-

schicht von der Art des Adsor-

bates abhängen, sollte der Fort-

gang der Oberflächensynthese

90 Savinell, R. F. et al., J. Electroanal. Chem. 430, 205-214 (1997)

Abb. 4.9: Reduktive Desorption einer A-C2-SAM

A-C2 auf Au(111)

Vorschub: 0.01 V/s

pH 13 (konz. NaOH)

Page 94: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE82

mit beiden Methoden beobachtbar sein.

In Abbildung 4.9 ist das Cyclovoltammogramm einer Cysteamin-Monoschicht im Potential-

bereich von +0.05 V bis -1.15 V dargestellt. Als Meßlösung diente wie auch bei C3 ein 10

mM Kaliumphosphatpuffer (12.5 mM K2SO4), der diesmal jedoch durch einige Tropfen

konzentrierter Natronlauge auf einen pH-Wert von 13.4 eingestellt wurde. Dadurch wird die

Reduktion von Wasserstoffionen vermieden, die Reduktionssignale werden deutlich schärfer

und der Meßbereich kann auf sehr negative Potentiale ausgedehnt werden.

Der erste Potentialdurchgang (rot) zeigt ein scharfes elektrochemisches Signal bei -0.847 V

sowie eine Schulter bei niedrigerem Potential von etwa -0.958 V. Interessanterweise zeigt

sich im dritten Potentialdurchlauf (schwarz), daß diese Schulter kaum an Intensität einbüßt,

während das Hauptsignal mehr und mehr verschwindet.

Nach der Addition des SIMP-Linkers, dem zweiten Schritt der Synthese, sollte sich eine Ver-

änderung in der Position des Reduktionssignals zeigen, wenn die Stärke der

Metall/Schwefel-Bindung dadurch verändert wird. Bei COOH-terminierten Thiolen wurde ein

Absinken des Reduktionspotentials und damit ein Ansteigen der Stärke der Metall/Thiol-

Bindung mit zunehmender Kettenlänge beobachtet.

In Abb. 4.10 ist das Cyclovol-

tammogramm einer Cysteamin/

SIMP-Monoschicht (rot) und zum

Vergleich das von Cysteamin

(schwarz) dargestellt.

Beide Cyclovoltammogramme wur-

den unter gleichen Meßbedin-

gungen erhalten. Das Reduktions-

signal ist zum einen zu niedrigeren

Potentialen verschoben (-0.862 V,

∆Ep = -0.015 V), zum anderen ist

es aber auch schmaler als das des

Cysteamins. Dies könnte auf eine

höhere Ordnung der adsorbierten

Thiole hindeuten. Die Schulter bei niedrigerem Potential ist nahezu unverändert geblieben.

Die Kapazität des Cysteamin/SIMP-Systems sank auf etwa 11 µF/cm2 (pH 7.0) und ist damit

erwartungsgemäß niedriger als bei der Cysteamin-Monoschicht (13 µF/cm2, vide supra).

Abb. 4.10: Reduktive Desorption von Cysteamin-

und Cysteamin/SIMP-Monoschicht

A-C2/SIMP auf Au(111)

Vorschub: 0.01V/s

pH 13 (konz. NaOH)

Page 95: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 83

Die Adsorption von apo-MOP-C führt zu einer weiteren Erniedrigung der Kapazität der

Grenzschicht auf ca. 8 µF/cm2 (pH 7.0). Das Reduktionssignal für dieses komplexe System

(rot) ist deutlich breiter als in den vorhergehenden beiden Fällen (jeweils schwarz) und deu-

tet auf eine Verteilung von

verschiedenen Thiol-Spezies auf

der Oberfläche hin (Abb. 4.11).

Das Minimum dieses Signals be-

findet sich bei einem etwas höhe-

ren Potential von -0.852 V (pH 13).

Die Vermessung von holo-MOP-C

war bei solch hohen pH-Werten

nicht möglich, da das Protein unter

diesen Bedingungen nicht mehr

stabil war.

Nach dem Hämeinbau steigt die

Kapazität zu niedrigeren

Potentialen scheinbar an. Dies ist

jedoch darauf zurückzuführen, daß eine Reaktion zwischen der Hämgruppe und

verbliebenem Restsauerstoff einsetzt, die zu einem signifikanten (nicht-kapazitiven)

Stromfluß führt. Der gleiche Effekt konnte in aufeinanderfolgenden Cyclovoltammogrammen

beobachtet werden, in denen das Elektroreduktionssignal von O2 mit der Anzahl der

Potentialdurchläufe abnahm.

Das leichte Ansteigen der Kapazitätskurven bei den anderen Monoschichten ist einerseits

auf beginnende Wasserstoffentwicklung (bei niedrigen Potentialen), andererseits auf die Ad-

sorption von Anionen wie Sulfat und Phosphat (bei hohen Potentialen) zurückzuführen.

Abb. 4.11: Reduktive Desorption des Cysteamin/

SIMP/apo-MOP-C-Systems

A-C2/SIMP/apo-MOP-C

Vorschub: 0.01 V/s

pH 13 (konz. NaOH)

Meßbedingungen:

10 mM Kaliumphosphatpuffer

pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)

Potentialschritt: 0.005 V

Amplitude: 0.005 V

Frequenz: 100 Hz

Abb. 4.12:

Kapazitätsmessungen der vier

Syntheseschritte

Cysteamin

Cysteamin/SIMP

Cysteamin/SIMP/apo-MOP-C

Cyst./SIMP/holo-MOP-C

Page 96: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE84

2. Elektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine

Ergänzend zu den SERR-spektroskopischen Untersuchungen an den de novo Proteinen

wurden auch elektrochemische Experimente an den immobilisierten Proteinen durchgeführt.

2.1 Das Protein MOP-P1

Für das Protein MOP-P1 konnte im Stabilitätsbereich der C3-Monoschicht kein

elektrochemisches Signal gemessen werden. Das in Abbildung 4.13 dargestellte

Cyclovoltammogramm wurde in 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) an

einer C3-modifizierten polykristallinen Goldelektrode aufgenommen.

Im Vergleich zur Desorption der C3-

Monoschicht (Abb. 4.8, Abschn. 1.1.1)

zeigen sich zwar leichte Verände-

rungen in Bezug auf die Position des

elektrochemischen Signals, doch ba-

sierend auf den vorliegenden Daten

kann nicht entschieden werden, ob

diese Veränderung durch einen Elek-

tronentransferprozeß des Proteins

oder durch einen anderen Effekt zu-

stande kommt (z. B. durch die Elek-

troreduktion von O2).

In jedem Fall würde der ET-Prozeß

mit der Desorption der Monoschicht

zusammenfallen, so daß weitere Un-

tersuchungen hier nicht möglich sind.

Abb. 4.13:

Cyclovoltammogramm von MOP-P1 auf einer C3-

modifizierten polykristallinen Goldelektrode

kein Protein in Lsg.

Vorschub: 0.05 V/s

Page 97: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 85

2.2 Das Protein MOP-P2

Im Gegensatz zu MOP-P1 konnte das elektrochemische Verhalten von MOP-P2 auf einer

C3-Monoschicht durchaus charakterisiert werden. Das Cyclovoltammogramm zeigt ein re-

versibles Elektronentransfersignal mit einem Mittelpunktspotential E0 von etwa -0.200 V (E0 =

(Ep,a + Ep,k)/2). Die Potential-

differenz zwischen anodischem

und kathodischem Peak, ∆Ep, be-

trägt 0.12 V bei einer Vorschub-

geschwindigkeit von 0.15 V/s (Abb.

4.14). Die Breite des kathodischen

Signals beträgt in diesem Fall 0.08

V (FWHM) und liegt damit sehr

nahe an dem theoretisch erwarte-

ten Wert von 0.09 V (T = 293 K)91.

Die Fläche unter den Signalen

beträgt etwa 1.4⋅10-7 C, was bei

einer Elektrodenoberfläche von 0.3

cm2 einer Oberflächenkonzentra-

tion von 6.7 pmol/cm2 entspricht.

Bei einem Basisdurchmesser des

Proteins von 25Å ergibt sich damit ein Bedeckungsgrad von 20%92.

Die Variation der Vorschubgeschwindigkeit ν führte zu einer Veränderung von ∆Ep bei kon-

stantem E0. Bei der Erhöhung von ν kam es jedoch zu einer deutlichen Verbreiterung des

Signals, so daß auf diesem Weg keine ET-Geschwindigkeitskonstanten bestimmt werden

konnten (Abb. 4.15). Zur besseren Vergleichbarkeit wurde ein Untergrund erster Ordnung

abgezogen und die resultierenden Signale auf eins normiert.

91 A. J. Bard, L.R. Faulkner, „ELECTROCHEMICAL METHODS“, Wiley &Sons, 2nd ed. (2001), S. 59192 E. Katz et al., Angew. Chem. Int. Ed., 37, no. 23, 3253-3256 (1998)

kein Protein in Lsg.

Vorschub: 0.15V/s

Abb. 4.14:

Cyclovoltammogramm von MOP-P2 auf einer C3-

modifizierten polykristallinen Goldelektrode

Page 98: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE86

Die Verbreiterung des elektrochemi-

schen Signals deutet darauf hin, daß

nicht etwa ein „ideales“ Zwei-

Zustand-System, sondern eher eine

Verteilung von Redoxzuständen mit

leicht unterschiedlichen Redoxpo-

tentialen und/oder -kinetiken vor-

liegt. Dieser Befund wird von Chro-

noamperometrie-Experimenten ge-

stützt, die jeweils multi-exponentielle

Strom-Zeit-Kurven lieferten (nicht

dargestellt).

2.3 Das Protein MOP-P3

Auch MOP-P3 zeigte ein reprodu-

zierbares elektrochemisches Si-

gnal. Das Cyclovoltammogramm

wurde in einem 10 mM Kalium-

phosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM

K2SO4) bei einer Vorschubge-

schwindigkeit von 0.05 V/s aufge-

nommen (Abb. 4.16). Als Elektrode

diente eine mit C3 modifizierte

Au(111)-Elektrode.

Ausgehend von einem positiven

Startpotential konnten bei dem

ersten Potentialdurchlauf Signale

bei -0.27 V und -0.12 V gemessen

werden (Abb. 4.16, schwarz). Bei den darauffolgenden Potentialdurchläufen verschwand

jedoch der Peak bei -0.27 V und ein neues, asymmetrisches Signal bei -0.18 V tauchte auf93

(rot).

93 Die Angabe des Potentials ist bei diesem Signal aufgrund der starken Asymmetrie problematisch.

Abb. 4.15: Normalisierte Reduktionssignale für

ν = 0.010 V/s (schwarz), ν = 0.025 V/s (rot) und

ν = 0.050 V/s (blau)

Abb. 4.16: Cyclovoltammogramm von MOP-P3

1. und 3. Potentialdurchlauf (schwarz bzw. rot)

Page 99: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 87

Der Grund für dieses Verhalten konnte nicht abschließend geklärt werden. Mit einem Poten-

tial von -0.272 V liegt das Signal zu hoch für die Reduktion von Sauerstoff. Möglicherweise

ist die Reduktion von MOP-P3 mit einer irreversiblen Veränderung der Struktur der SAM

und/oder der adsorbierten Proteine verbunden. Auch nach längerer Äqulibrierungszeit bei

positiven Potentialen konnte der Übergang bei -0.272 V nicht regeneriert werden.

Mit Hilfe der differentiellen Pulsvoltammetrie konnte zumindest das Potential des anodischen

Signals mit Ep = -0.129 V reproduziert werden (Abb. 4.17, rot). Das kathodische Signal da-

gegen ist deutlich schwächer und noch weiter zu positiven Potentialen verschoben als das

anodische (Ep = -0.084 V, schwarz). Als Mittelwert ergibt sich E0 = -0.107 V. Die Mes-sung

erfolgte in der gleichen Meßlösung wie die Cyclovoltammogramme in Abb. 4.16.

Auch diese Beobachtung entspricht nicht den Erwartungen für ein ideales Elektronentrans-

fersystem und deutet auf die Beteiligung nicht-Faradayscher Prozesse hin.

Die Halbwertsbreite des anodischen CV-Signals beträgt 0.09 V und liegt damit im erwarteten

Bereich14. Die Integration ergibt für die transferierte Ladung einen Wert von 3⋅10-8 C und ei-

nen Oberflächenbedeckungsgrad von ca. 20% (AElektr. = 0.11 cm2, Proteindurchmesser: 25 Å

(Basis)).

Die Variation der Signalhöhe Ip in Abhängigkeit von der Vorschubgeschwindigkeit ν kann

dazu verwendet werden, die Art des Elektronentransfers näher zu bestimmen. Ist die Ad-

sorption bzw. Desorption der am Elektronentransfer beteiligten Spezies langsam im Ver-

gleich zum Elektronentransfer, dann ist Ip proportional zu ν (Gl. 2.18).

Modulationszeit: 0.007 s

Integrationszeit: 0.4 s

Schrittweite: 0.00405 V

Modulationsampl.: 0.02505 V

Abb. 4.17: DPV von MOP-P3

anodischer Scan: rot

kathodischer Scan: schwarz

Page 100: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE88

Bei nichtimmobilisierten Redoxsystemen spielt auch der Stofftransport an der Elektro-

denoberfläche eine Rolle, so daß Ip proportional zur Quadratwurzel der Vorschubgeschwin-

digkeit ν wird (Gl. 2.19).

Im Fall von MOP-P3 entsteht eine weitere Komplikation dadurch, daß die Signalintensität mit

zunehmender Meßzeit recht deutlich abnimmt, wie bereits der Vergleich zwischen dem er-

sten und dem dritten Potentialdurchlauf in Abbildung 4.16 zeigt. Diese Signalabnahme ist mit

der Oberflächenkonzentration der Redoxpartner korreliert, die ihrerseits proportional zur

übertragenen Gesamtladung Qp ist. Es sollte deshalb möglich sein, die Verringerung des

Meßsignals durch die Normalisierung auf Qp zu korrigieren.

Aus Gleichung 2.18 wird:

ν⋅⋅⋅

⋅=⋅⋅Γ⋅ TR4

Fz

FzA

I*0

p (Gl. 4.3)

Die Proportionalität zwischen Ip und ν wird dabei nicht verändert94.

Trotzdem sind in Abbildung 4.18 beide Auftragungen dargestellt und mit einer Potenzfunktion

angepaßt worden (Gl. 4.4).

( ) b0p aII ν⋅+=ν (Gl. 4.4)

Für die Auftragung Ip vs. ν ergibt sich ein Exponent b von 0.8 (schwarze Kurve). Dieser Wert

läßt keine Entscheidung bezüglich des vorherrschenden Elektronentransferprozesses zu,

doch berücksichtigt die Auftragung auch die Signalabnahme nicht.

Durch die Normalisierung auf die übertragene Gesamtladung Qp wird dieser Effekt jedoch

berücksichtigt (rote Kurve). Die Streuung der Auftragung nimmt deutlich ab und der Wert für

b beträgt nun 1.0, was genau dem erwarteten Idealwert für ein immobilisiertes Redoxpaar

entspricht.

Der Achsenabschnitt beträgt 0.05 A/C95 und ist damit vernachlässigbar klein. Der Parameter

a entspricht im Idealfall dem konstanten Faktor auf der rechten Seite von Gl. 4.3.

94 Der Divisor auf der linken Seite in Gl. 4.3 hat eine physikalisch anschauliche Bedeutung. Er ist das

Produkt aus der Stoffmenge auf der Oberfläche (A ⋅Γ0) und der Ladung pro Mengeneinheit (z ⋅F) und

damit gleich Qp.

Page 101: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 89

Für z = 1 und T = 293 K ergibt sich dafür ein theoretischer Wert von 9.9 V-1, während man

bei der Anpassung der Meßdaten einen Wert von a = 10.8 V-1 erhält. Auch hier zeigt sich

also eine recht gute Übereinstimmung.

Diese Ergebnisse sprechen demnach dafür, daß der beobachtete Elektronentransfer von

MOP-P3 auf das immobilisierte Protein zurückgeht. Die Gründe für das nicht-ideale

Verhalten können auf der Basis der elektrochemischen Daten nicht geklärt werden.

95 Die Vereinfachung des Ausdrucks A/C auf 1/s könnte irreführend sein und wird hier deshalb

unterlassen.

Abb. 4.18:

Signalintensität Ip und nomierte

Signalintensität Ip/Qp in Abhängig-

keit von der Vorschubgeschwindig-

keit ν für MOP-P3

Page 102: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE90

2.4 Das Protein MOP-C

Im Fall von MOP-C bestehen im Prinzip zwei Möglichkeiten, das Protein an die Oberfläche

zu binden. Entweder werden die Cysteine in der Bindungsdomäne des Proteins unmittelbar

an die blanke Metalloberfläche gebunden oder die Immobilisierung erfolgt an einer geeigne-

ten SAM über eine spezifische Additionsreaktion (Kap. III).

Das Ergebnis unterscheidet sich allerdings deutlich (Abb. 4.19): Während das elektrochemi-

sche Signal nach der direkten Immobilisierung nur sehr schwach zu erkennen ist (schwarz),

liefert das über die SAM gebundene MOP-C ein intensives Cyclovoltammogramm (rot) mit

Signalen bei -0.303 V und -0.389 V (E0 = -0.346 V) bei einer Vorschubgeschwindigkeit von

0.050 V/s (Au(111), pH 7.0, 10 mM Kaliumphosphatpuffer + 12.5 mM K2SO4). Der Wert für

E0 unterscheidet sich im Rahmen der Meßgenauigkeit nicht von dem für die direkte Immobi-

lisierung des Proteins mit Signalen bei Ean = -0.307 V und Ekath = -0.374 V (E0 = -0.340 V).

Die differentielle Pulsvoltammetrie liefert sehr ähnliche Werte und bestätigt damit die cyclo-

voltammetrischen Daten. Für die direkte Immobilisierung ergab sich Ean = -0.348 V und Ekath

= -0.354 V mit einem Mittelwert E0 = -0.351 V und für die Anbindung an die modifizierte Me-

talloberfläche Ean = -0.352 V und Ekath = -0.367 V mit E0 = -0.359 V (Modulationszeit: 0.007 s,

Integrationszeit: 0.4 s, Potentialschritt: 0.00405 V, Modulationsamplitude: 0.02505 V).

Aufgrund der höheren Signalqualität wurde MOP-C für weitere Untersuchungen in allen Fäl-

len auf der beschichteten Metalloberfläche immobilisiert. Der durch Integration des elektro-

chemischen Signals erhaltene Bedeckungsgrad betrug unter der Annahme eines Protein-

basisdurchmessers von 25 Å etwa 98% und entspricht damit einer vollständigen Bedeckung

der Elektrodenoberfläche (Abb. 4.19, rot).

Abb. 4.19:

Cyclovoltammogramm von MOP-C

direkte Immobilisierung: schwarz

linkergestützte Immobilisierung: rot

Page 103: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 91

Offenbar ist die Oberflächenbedeckung im Fall der direkten Immobilisierung ausgesprochen

gering, da auch die reduktive Desorption des Proteins nur sehr schwache Signale ergibt

(nicht dargestellt).

Wie auch im Fall von MOP-P3 konnte gezeigt werden, daß die redoxaktive Spezies auf ein

immobilisiertes Redoxpaar zurückgeht (Abb. 4.20). Die Auftragung der normalisierten

Signalhöhe Ip/Qp gegen die

Vorschubgeschwindigkeit ν kann

durch eine Potenzfunktion mit sehr

guter Näherung angepaßt werden

(Gl 4.4).

Es ergibt sich ein Exponent b von

0.93 und ein Achsenabschnitt I0 von

0.004 A/C, der in Anbetracht der

Variation von Ip/Qp vernachlässigbar

klein ist.

Die Faktor a weicht mit 5.9 V-1 je-

doch deutlich von dem theoretisch

erwarteten Wert von 9.9 V-1 ab (z =

1, T = 293 K). Geht man davon aus,

daß dieser Unterschied ausschließ-

lich auf den Faktor z zurückgeht, dann ergibt sich mit a = 5.9 V-1 für zapp ein Wert von 0.6. Für

diese Abweichung vom Idealwert kommen mehrere Erklärungen in Frage, die jedoch erst

unter Hinzunahme der SERR-Ergebnisse eingehend diskutiert werden sollen. Eine Möglich-

keit besteht jedoch darin, daß nicht etwa ein ideales Zwei-Zustand-Redoxsystem vorliegt,

sondern eine Verteilung von mehreren redoxaktiven Spezies.

Im Gegensatz zu MOP-P2 trat jedoch keine Verbreiterung des elektrochemischen Signals

bei höheren Vorschubgeschwindigkeiten auf (ν < 0.5 V/s), so daß die Veränderung der Si-

gnalpositionen in Abhängigkeit von ν zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten des

Redoxprozesses genutzt werden kann. Die Auswertung der Daten erfolgte nach der Me-

thode nach Laviron96 mit Hilfe eines selbst geschriebenen MathCad-Programms97.

Zur Berechnung des Parameters m wurden zunächst die theoretischen Strom-Spannung-

Kurven berechnet (α = 0.5) und die Maxima bzw. Minima der elektrochemischen Signale

96 E. Laviron, J. Electroanal. Chem., 101, 19-28 (1979)97 Der Programmcode befindet sich im Anhang.

Abb. 4.20: Normierte Signalintensität in Abhängig-

keit von der Vorschubgeschwindigkeit ν für MOP-C

Page 104: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE92

ermittelt. Aus deren Differenz ∆E läßt sich dann m bestimmen, das wiederum mit der hetero-

genen Geschwindigkeitskonstante k0 zusammenhängt.

ν⋅

⋅⋅⋅= 1FzkTR

m 0 (Gl. 4.5)

νν [V/s] Ean [V] Ekath [V] E0 [V] m

0.010 -0.263 -0.326 -0.295 0.447

0.020 -0.258 -0.337 -0.298 0.332

0.050 -0.254 -0.343 -0.299 0.286

0.070 -0.251 -0.346 -0.299 0.259

0.100 -0.251 -0.348 -0.300 0.251

0.150 -0.249 -0.348 -0.299 0.245

Die lineare Regression der Daten

ergibt eine Steigung von 0.0022

V/s, was einer Geschwindigkeits-

konstante k0 von 0.1 s-1 entspricht.

Der Achsenabschnitt ist allerdings

deutlich von null verschieden und

entspricht damit nicht den Vorher-

sagen eines einfachen Elektronen-

transfermodells.

In Anbetracht dieses nichtidealen

Verhaltens muß der erhaltene Wert

für k0 mit Vorbehalt betrachtet

werden.

Die Chronoamperometrie war nicht geeignet, den Redoxprozeß zu charakterisieren, da die

Relaxationszeiten von apo- und holo-Protein in der gleichen Größenordnung wie der ET

liegen. Deshalb kann der Redoxprozeß nicht unabhängig von anderen, nicht-Faradayischen

Grenzschichtprozessen beobachtet werden. Die resultierenden Strom-Zeit-Kurven sind multi-

exponentiell.

Abb. 4.21: Bestimmung der Geschwindigkeits-

konstante nach der Methode von Laviron

Tab. 4.8:

Cyclovoltammetrische Daten von MOP-C

bei versch. Vorschubgeschwindigkeiten ν

Page 105: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 93

3. Stationäre SERR-Spektroskopie

3.1 Das Protein MOP-P1

Die SERR-spektroskopische Untersuchung des Proteins MOP-P1 gestaltete sich schwierig,

da die Signalintensitäten nur sehr gering waren.

In Abbildung 4.22 ist ein typisches SERR-Spektrum von MOP-P1 auf einer mit C3 modifi-

zierten Ag-Elektrode bei einem Potential von +0.100 V im Bereich von 1280 cm-1 bis 1630

cm-1 zu sehen. Die Gesamtintegrationszeit betrug 60 s, die Proteinkonzentration in der Lö-

sung war etwa 0.3 µM (10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4)).

Das Signal/Hintergrund-Verhältnis

beträgt etwa 1:2.5 und der Rausch-

pegel ist recht hoch. Außerdem

zeigt sich neben den Markerban-

den des Häms vor allem ab 1500

cm-1 ein stark ansteigender Hinter-

grund, der typisch ist für SERR-

Spektren mit schwachen Signalen.

Da oberhalb von 1500 cm-1 eine

reproduzierbare Hintergrundkorrek-

tur nur sehr eingeschränkt möglich

ist, konzentrierte sich die Analyse

der MOP-P1 Spektren auf den

Spektralbereich von 1280 cm-1 bis

1520 cm-1.

Abb. 4.22: Unbearbeitetes SERR-Spektrum von

MOP-P1 auf einer C3/Ag-Elektrode

+ 0.100 V

Page 106: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE94

Abbildung 4.23 zeigt eine exemplarische Übersicht über SERR-Spektren von MOP-P1 auf

einer C3-modifizierten Ag-Elektrode bei verschiedenen Potentialen.

Bei hohen Potentialen von +0.100 V ist das Protein offenbar vollständig oxidiert (Spektrum

1). Die ν4- und die ν3-Bande liegen bei 1373 cm-1 und 1503 cm-1 und deuten darauf hin, daß

das oxidierte MOP-P1 auch in der adsorbierten Form eine sechsfach koordinierte Häm-

gruppe in der low spin Konfiguration besitzt (bis-His).

Die Erniedrigung des Potentials auf -0.100 V führt zur Bildung einer neuen Spezies mit einer

ν4-Bande bei 1360 cm-1 und einer ν3-Bande bei 1490 cm-1 (Spektrum 2). Offenbar handelt es

sich um eine sechsfach koordinierte reduzierte low spin Form, die mit der oxidierten Form im

Gleichgewicht steht98.

Dennoch gelingt die vollständige Reduktion des Proteins nicht. Selbst bei sehr niedrigen

Potentialen sind noch deutliche Anteile der oxidierten Form erkennbar (Spektren 3 und 4).

98 Durch Rückkehr zu höheren Potentialen konnte der Ausgangszustand wieder hergestellt werden.

Abb. 4.23: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P1 (abs. Intensitäten)

Page 107: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 95

Offenbar treten im Gegensatz zur Reduktion des Proteins in Lösung keine fünffach koordi-

nierten high spin Spezies, was darauf hindeutet, daß ihre Entstehung aus unerwünschten

Nebenreaktionen der Reduktion mit Dithionit resultieren könnte. Zur Illustration dieses

Befundes wurde der ν3-Bereich in Spektrum 4 in einem Einschub noch einmal vergrößert

dargestellt. Im Bereich von 1470 cm-1, wo die ν3-Bande einer reduzierten fünffach koordi-

nierten high spin Spezies zu erwarten wäre, befindet sich keine weitere Bande mit signifi-

kanter Intensität. Damit wird die high spin Komponente entweder gar nicht erst gebildet oder

sie geht in einem schnellen Konformationsübergang in die sechsfach koordinierte low spin

Form über.

Bemerkenswert ist ferner die Abnahme der Gesamtintensität der Spektren bei Reduktion. Im

Fall von Hämproteinen wäre ein Ansteigen der Intensität zu erwarten, da die

Proportionalitätsfaktoren f zwischen Konzentration und Intensität kleiner sind als im

oxidierten Zustand21. Der hier beobachtete gegenteilige Effekt geht offenbar auf die

Zerstörung des adsorbierten Hämproteins zurück. Deren Ursache konnte nicht eindeutig

identifiziert werden. Offenbar handelt es sich aber um ein potentialabhängiges Phänomen,

da die stärkste Abnahme der SERR-Intensität bei allen de novo Proteinen im Bereich von -

0.350 V registriert wurde (s. Kap. V 5).

Trotz der geringen Qualität können die erhaltenen Spektren einer Komponentenanalyse un-

terzogen werden. Dabei zeigt sich, daß zwei offenbar voneinander unabhängige Redox-

gleichgewichte a und b vorliegen, wobei die zugrundeliegenden Formen Oxa und Oxb

einerseits und Reda und Redb andererseits spektroskopisch nicht unterschieden werden

konnten. Somit wurden die gemessenen Spektren auf der Basis zweier

Komponentenspektren Ox (= Oxa + Oxb) und Red (Reda und Redb) angepaßt.

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel

1 6coxLS 1373 / 12 1.00 1503 / 14 0.23

2 6crdLS 1360 / 12 1.00 1490 / 9 0.17

Tab. 4.9: Komponentenspektren zur Analyse von MOP-P1 - Hauptbanden

Abbildung 4.24 enthält die relativen Anteile der beiden Komponenten 1 (Ox, schwarz) und 2

(Red, rot) im Potentialbereich von +0.100 V bis -0.550 V. Die Anpassung der Meßdaten

erfolgte unter der Annahme von zwei unabhängigen Redoxgleichgewichten, wobei die

Page 108: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE96

Redoxpotentiale Ea und Eb, die relativen Ausgangskonzentrationen [Oxa] und [Oxb], sowie

der Nernst-Parameter z als anzupassende Größen verwendet wurden.

Unter der Annahme, daß sich die Streuquerschnitte der zwei oxidierten bzw. der zwei redu-

zierten Spezies untereinander nicht unterscheiden, liegen die beiden Redoxsysteme a und b

etwa in einem Verhältnis von etwa 20:80 vor.

Der Nernst-Parameter z liegt mit 0.34 deutlich unter dem theoretisch erwarteten Wert von

eins, möglicherweise liegt hier eine Verteilung von Redoxzuständen mit leicht verschiedenen

Redoxpotentialen um Ea vor.

Die analoge Auswertung des

Potentialübergangs a mit Hilfe

einer Nernst-Auftragung liefert

sehr ähnliche Ergebnisse (Abb.

4.25).

Für das Redoxpotential Ea ergibt

sich ein Wert von -0.02 ± 0.02 V

mit z = 0.4 (R2 = 0.9), wobei die

Streuung der Meßwerte einen

Eindruck von der tatsächlichen

Unsicherheit der Parameter ver-

mittelt.

Parameter: (Standardfehler)

[Oxa] = 0.22 (0.05)

[Oxb] = 0.78 (0.01)

z = 0.34 (0.09)

Ea = -0.01 (0.04) V

Eb = -0.73 (0.06) V

Abb. 4.24: Bestandteile von MOP-P1

in Abhängigkeit vom Potential E

oxidiert: schwarz, reduziert: rot

Abb. 4.25:

Nernst-Auftragung für den Potentialübergang a von MOP-P1

Page 109: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 97

Der Redoxübergang b bei niedrigem Potential konnte nicht weiter charakterisiert werden, da

das Redoxpotential Eb unterhalb der Stabilitätsgrenze der Monoschicht liegt.

Eb ist deutlich niedriger als -0.550 V, jedoch noch in einem für bis-His koordinierte Hämkom-

plexe typischen Bereich11.

3.2 Das Protein MOP-P2

Dieses Protein liefert in bezug auf seine SERR-spektroskopische Untersuchung sehr ähnli-

che Ergebnisse wie MOP-P1.

Die in Abbildung 4.26 dargestellten Spektren wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0

(12.5 mM K2SO4) bei einer Akkumulationszeit von 60 s aufgenommen. Die Konzentration des

Proteins betrug 0.5 µM.

Die Intensität der Spektren von MOP-P2 war deutlich höher als bei MOP-P1, offenbar haben

die zusätzlichen Lysine in der Bindungsdomäne den gewünschten Effekt auf die Adsorbier-

barkeit des Proteins.

Im vollständig oxidierten Zustand tritt praktisch ausschließlich eine sechsfach koordinierte

low spin Spezies auf ("6coxLS", Spektrum 1). Zu einem kleinen Anteil kommt auch eine

fünffach koordinierte oxidierte high spin Komponente vor ("5coxHS"), die allerdings nicht im

Detail untersucht wurde99.

Die Erniedrigung des Potentials führt wie bei MOP-P1 zu einer deutlichen Verringerung der

Intensität, höchstwahrscheinlich auch hier aufgrund der Zerstörung des Hämproteins

(Spektren 2, 3 und 4).

Trotzdem bleibt auch der reduzierte Zustand hauptsächlich in der bis-His-koordinierten low

spin Form mit kleineren Anteilen einer fünffach koordinierten high spin Komponente. Die

spektralen Parameter der einzelnen Komponenten sind in Tabelle 4.10 zusammengefaßt.

Die Bandenpositionen sind typisch für die jeweiligen Redox- und Spinspezies. Auffällig sind

jedoch die großen Halbwertsbreiten der ν4-Banden. Sie deuten darauf hin, daß die hier defi-

nierten Gruppen eher Verteilungen von Subkomponenten darstellen, die leicht unterschiedli-

che spektrale Eigenschaften haben. Dadurch kommt es zur Verbreiterung der Banden.

99 5coxHS und 5crdHS wurden trotzdem in die Komponentenanalyse einbezogen, weil sie sich aus der

Spektrensubtraktion ergeben. Ihr Gesamtanteil liegt jedoch im Bereich der Genauigkeit der Analyse.

Page 110: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE98

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel

1 6coxLS 1373 / 13 1.00 1503 / 13 0.16

2 5coxHS 1372 / 14 1.00 1491 / 14 0.60

3 6crdLS 1360 / 13 1.00 1492 / 11 0.06

4 5crdHS 1358 / 16 1.00 1470 / 13 0.15

Tab. 4.10: Komponentenspektren zur Analyse von MOP-P2 - Hauptbanden

Abbildung 4.27 verdeutlicht, daß dieser Zerstörungsprozeß mit einer Präferenz für den redu-

zierten Zustand abläuft. Die drei Spektren 1, 2 und 3 sind nacheinander aufgenommen wor-

den, jeweils mit einer Äquilibrierungszeit von drei Minuten vom Zeitpunkt der Potentialein-

stellung bis zum Beginn der eigentlichen Messung. Das Verhältnis zwischen oxidiertem und

reduziertem Protein ist über die Streuquerschnitte proportional zu dem Intensitätsverhältnis

der ν4-Banden. Die tatsächlichen Konzentrationsverhältnisse sind für den Vergleich der

Spektren 1 bis 3 nicht relevant.

Abb. 4.26: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P2

Page 111: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 99

In Spektrum 1 ist die ν4-Bande der reduzierten Form bereits etwas intensiver als die der oxi-

dierten und nach der Verringerung des Potentials auf -0.600 V nimmt das Verhältnis von

reduzierter zu oxidierter Form erwartungsgemäß noch leicht zu (Spektrum 2).

Nach der erneuten Erhö-

hung des Potentials auf -

0.500 V hat sich dieses

Verhältnis jedoch umge-

kehrt. Wenn der Zerstö-

rungsmechanismus bei

niedrigen Potentialen auf

beide Redoxzustände glei-

chermaßen wirken würde,

dann wäre es nicht zu einer

Umkehrung der Intensitäts-

verhältnisse der ν4-Banden

gekommen. Auf mögliche

Mechanismen soll in Kapitel

V A.5 eingegangen werden.

Dieser Befund ist von au-

ßerordentlicher Bedeutung

für die Redoxchemie von MOP-P2 und möglicherweise auch der anderen de novo Proteine,

da er die partielle Irreversibilität des Redoxprozesses verdeutlicht. Bereits im Fall von MOP-

P1 war eine signifikante Intensitätsverringerung bei niedrigen Potentialen beobachtet worden

und auch die anderen de novo Proteine zeigten das gleiche Verhalten (vide infra). Die

Übertragbarkeit dieses Befundes ist also naheliegend.

Die Komponentenanalyse an MOP-P2 spiegelt die partielle Irreversibilität des Redoxprozes-

ses ebenfalls wider (Abb. 4.28).

Das Potential wurde zunächst schrittweise verringert und danach wieder bis zum Ausgangs-

wert erhöht. Dabei tritt eine systematische Verschiebung der Kurven zu höheren oxidierten

Anteilen auf wie in Abbildung 4.28 durch die Pfeile angedeutet wurde. Die Richtung der

Pfeile gibt die Richtung der Potentialänderung an.

Offenbar nimmt die Differenz zwischen zwei Spektren bei gleichem Potential mit höherem

Potential wieder ab. Dies bedeutet einerseits, daß die Beobachtung nicht etwa durch die

Verringerung der Spektrenqualität erklärt werden kann. Andererseits ist es auch ein Hinweis

darauf, daß die Geschwindigkeit der Zerstörung vom Potential abhängt. Bei ausreichend

Abb.4.27:

Zerstörung von MOP-P2 bei niedrigen Potentialen

Page 112: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE100

hohem Potential ist die Gleichgewichtseinstellung durch den Redoxprozeß schneller als die

Zerstörung des Proteins, so daß letztere zunehmend an Bedeutung verliert. Da das

adsorbierte Protein in einem dynamischen Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht mit der

Lösung steht, kann die Oberflächenzusammensetzung im Prinzip regeneriert werden100.

Die Anpassung der experimentellen Daten für den LS/LS-Übergang unter der Annahme

eines Zwei-Zustand-Elektronentransfermodells lieferte ein Redoxpotential E0 = -0.61 V mit

z = 0.3, eine entsprechende Nernst-Analyse ergibt E0 = -0.57 V und z = 0.4. Wie bei MOP-P1

ist die Auswertung der Nernst-Auftragung mit einem sehr großen Fehler behaftet, da ausrei-

chend Meßwerte in der Nähe des Redoxpotentials fehlen und sich dadurch auch kleine

Fehler in der Konzentrationsbestimmung drastisch auswirken können.

Als gesichert kann jedoch auch hier angesehen werden, daß das Redoxpotential des intak-

ten Proteins außerhalb des Stabilitätsbereiches der Monoschicht liegt und der Parameter z

deutlich vom Idealwert von eins abweicht.

100 Dies gilt nur, wenn Adsorption und Desorption ausreichend schnell ablaufen können.

Abb. 4.28:

Bestandteile von MOP-P2 in

Abhängigkeit vom Potential

Page 113: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 101

3.3 Das Protein MOP-P3

Die Oberflächenzusammensetzung von MOP-P3 ist der der anderen beiden Proteine des P-

Typs sehr ähnlich. Die Anpassung der gemessenen Spektren gelang mit den gleichen spek-

tralen Parametern wie bei MOP-P2 (Tab. 4.11).

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel

1 6coxLS 1373 / 13 1.00 1503 / 13 0.16

2 5coxHS 1372 / 14 1.00 1491 / 14 0.60

3 6crdLS 1360 / 13 1.00 1492 / 11 0.06

4 5crdHS 1358 / 16 1.00 1470 / 13 0.15

Tab. 4.11: Komponentenspektren von MOP-P3 - Hauptbanden, Gruppennummern

Abb. 4.29: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-P3

Man beachte die unterschiedliche Skalierung von Spektrum 4

Page 114: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE102

Die Immobilisierung des Proteins erfolgte auf einer C3-SAM. Als Meßlösung diente ein

10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) mit einer Proteinkonzentration

von 0.3 µM.

Die Spektren 1 bis 3 sind durch Summation von jeweils drei Einzelspektren entstanden,

Spektrum 4 ist ein hintergrundkorrigiertes Originalspektrum (Abb. 4.29). Die Akkumulati-

onszeiten betragen 60 s bzw. 20 s.

Im oxidierten Zustand liegt das Protein fast ausschließlich in einer sechsfach koordinierten

low spin Form vor (Gruppe 1) und wie eine detaillierte Komponentenanalyse gezeigt hat (s.

u.), ist der Anteil der fünffach koordinierten high spin Komponente kleiner als 5% (Gr. 2).

Im Gegensatz zu den Proteinen MOP-P1 und MOP-P2 kommen low spin und high spin Spe-

zies im reduzierten Zustand zu vergleichbaren Anteilen vor (Gr. 3 und 4).

Die Intensitätsabnahme bei niedrigen Potentialen ist bei MOP-P3 offenbar weniger ausge-

prägt als bei MOP-P1 und MOP-P2.

Auch MOP-P3 konnte auf der C3-Monoschicht nicht vollständig reduziert werden, obwohl

das Redoxpotential für den LS/LS-Übergang deutlich höher liegt als bei MOP-P1 und MOP-

P2. Die Analyse der Meßspektren zeigt jedoch, daß das Redoxpotential für den LS/LS-Über-

gang innerhalb des Stabilitätsbereiches der Monoschicht liegt. Dadurch können die Konzen-

trationsverhältnisse in dessen Nähe mit einem verhältnismäßig kleinen relativen Fehler be-

stimmt werden und die darauffolgende Nernst-Analyse gewinnt an Genauigkeit.

Möglicherweise liegen die beiden reduzierten Kom-

ponenten 5crdHS und 6crdLS in einem Gleichge-

wicht miteinander vor, da ihr Verhältnis im Rahmen

der Meßgenauigkeit konstant bleibt.

Unter Vernachlässigung des Wertes bei -0.275 V

ergibt sich ein mittleres Verhältnis und damit eine

Gleichgewichtskonstante von 0.6, die einer Differenz

in der Freien Enthalpie ∆G° von 1.4 kJ/mol

entspricht. Abb. 4.30: Verhältnis der red. Kompo-

nenten v. MOP-P3 (Konzentrationen)

Page 115: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 103

Mit Hilfe beider Resultate läßt sich ein Modell für die vorliegenden Redoxgleichgewichte von

MOP-P3 aufstellen, das sich im Wesentlichen durch das signifikante Auftreten der 5crdHS

Form von denen der bisher behandelten Proteine MOP-P1 und MOP-P2 unterscheidet (Abb.

4.31, rechts).

Die Nernst-Analyse liefert ein Redox-

potential E0 von -0.43 V für den LS/LS-

Übergang mit z = 0.4 (R2 = 0.99). Damit

liegt das SERR-spektroskopisch be-

stimmte Redoxpotential von MOP-P3

um mindestens 100 mV höher als bei

den anderen Proteinen des P-Typs. Der

niedrige Nernst-Parameter z deutet je-

doch auch hier darauf hin, daß der

Elektronentransferprozeß höchstwahr-

scheinlich mit anderen Vorgängen

gekoppelt ist (Kap. V B.5).

Die Immobilisierung von MOP-P3 gelang ebenfalls auf einer Monoschicht von 11-Mercapto-

undecansäure (C11). Die SERR-Spektren waren jedoch von noch geringerer Intensität, so

daß dieses System nicht zur detaillierten Charakterisierung geeignet war.

Die in Abbildung 4.33 dargestellten Spektren sind unter identischen Meßbedingungen auf-

genommen worden wie die Spektren von MOP-P3 auf der C3-Monoschicht, die zum Ver-

gleich noch einmal zu sehen sind. Die Spektren auf der C11-Schicht sind die Summen aus

drei Einzelspektren mit einer Akkumulationszeit von je 20 s.

Abb. 4.31:

Bestandteile von MOP-P3 in

Abhängigkeit vom Potential E

6coxLSET

6crdLS

5crdHS

Konformations-

übergang

Abb. 4.32: Nernst-Auftragung für MOP-P3 (LS ↔ LS)

Page 116: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE104

Auf der C11-SAM treten weitere

Spezies auf, die entweder auf der

C3-Schicht erst gar nicht gebildet

werden oder aus anderen Gründen

wie zum Beispiel aufgrund unter-

schiedlicher Adsorptionsenthalpien

auf der C11-Monoschicht einen

höheren Anteil am Gesamtspektrum

ausmachen (Abb. 4.33, oben).

Die Spektrensubtraktion ergibt, daß

eine dieser neuen Komponenten

Banden bei 1362 cm-1 und 1489

cm-1 besitzt. Offenbar handelt es

sich also um eine sechsfach

koordinierte reduzierte low spin

Spezies, die zu einem auf der C3-

Schicht nicht detektierten

Redoxübergang gehört. Aufgrund

der geringen Intensität des Differenzspektrums (∼ 600 cts/60 s) ist eine genauere

Charakterisierung nicht vorgenommen worden. Anhand des Intensitätsverhältnisses von

Gesamt- und Differenzspektrum läßt sich ein Anteil von etwa 10-30 % für diesen neuen

Redoxübergang abschätzen. In diesem Zusammenhang ist interessant, daß auf elek-

trochemischem Weg ein Redoxprozeß bei etwa -0.1 V nachgewiesen wurde (C3-SAM).

3.4 Das Protein MOP-C

Im Gegensatz zu den anderen de novo Proteinen bildet MOP-C unabhängig von der Immo-

bilisierungsmethode ein komplexes Redoxgleichgewicht auf der Elektrodenoberfläche aus

(Kap. III C.2.2.2).

Der oxidierte Zustand setzt sich aus einer fünffach koordinierten high spin und einer sechs-

fach koordinierten low spin Spezies mit einem ungefähren Konzentrationsverhältnis von

40:60 zusammen (bei 0 V). Im reduzierten Zustand konnte analog zum Resonanz-Raman-

Spektrum nur eine fünffach koordinierte high spin Komponente nachgewiesen werden. Mög-

licherweise ist die reduzierte sechsfach koordinierte low spin Form so gering vertreten, daß

sie in der Analyse der Spektren nicht nachweisbar war (< 10 %).

Abb. 4.33: SERR-Spektren von MOP-P3

auf C3- und C11-Monoschichten

Page 117: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 105

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi

1 6coxLS 1373 / 14 1.00 1504 / 9 0.15 1.00

2 5coxHS 1371 / 14 1.00 1489 / 17 0.68 1.46

3 5crdHS 1357 / 16 1.00 1470 / 13 0.09 0.37

Tab. 4.12: Komponentenspektren von MOP-C - Hauptbanden und Proportionalitätsfaktoren

Alle gemessenen Spektren konnten mit diesen drei Komponenten repräsentiert werden. Die

Parameter der 6coxLS-Komponente decken sich mit denen der RR-Untersuchungen und

sind typisch für ein bis-Histidin-koordiniertes Häm.

Die Identifizierung der Spezies 2 und 3 gestaltet sich jedoch schwieriger, da mehrere plau-

sible Ligandierungsschemata dafür in Frage kommen. Sowohl ein einfach-Histidin-koordi-

niertes Hämeisen als auch koadsorbiertes freies Hämin mit H2O als fünftem Liganden erge-

ben in der oxidierten Form einen high spin Zustand. Obwohl auch bei der Immobilisierung

des holo-Proteins ein vergleichbar hoher Anteil high spin Komponente auftrat, kann nicht

ausgeschlossen werden, daß ein Teil des ursprünglich gebundenen Häms während des Im-

mobilisierungsprozesses verloren geht und unspezifisch gebunden auf der Metalloberfläche

zurückbleibt.

Die Adsorption von Hämin auf einer Cysteamin/SIMP-modifizierten Elektrode ergab unter

sonst identisch Meßbedingungen ein SERR-Spektrum mit einer high spin Spezies und einer

Intensität, die der der MOP-C-Spektren vergleichbar war (E = 0 V).

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel

Hämin 1372 / 13 1.00 1490 / 11 0.93

5coxHS 1371 / 14 1.00 1489 / 17 0.68

Tab. 4.13: Vergleich von freiem und proteingebundenem Hämin

Die spektralen Parameter des adsorbierten Hämins sind etwas von denen der 5coxHS-Spe-

zies verschieden (Tab. 4.13). Neben den leichten Verschiebungen in den Bandenpositionen

fällt vor allem das deutlich größere ν3/ν4-Verhältnis auf. Dies könnte darauf hindeuten, daß

die high spin Form in den SERR-Spektren von MOP-C auf eine mono-His-koordinierte Kom-

ponente zurückgeht.

Page 118: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE106

Dennoch kann auf der Basis dieser Ergebnisse keine endgültige Entscheidung über die

Identität der Komponente 2 getroffen werden, da der Einfluß der Proteinumgebung, d. h.

durch eine unspezifische Anlagerung, auf das SERR-Spektrum des Hämins nicht getrennt

von der His-Ligandierung untersucht werden konnte. Möglicherweise liegt eher ein Gemisch

aus mehreren Spezies vor, da die Halbwertsbreiten der ν3- und ν4-Banden relativ groß

ausfallen. Außerdem hatten die elektrochemischen Untersuchungen bereits ein nichtideales

Verhalten angedeutet (Kap. B 2.4)

Abbildung 4.34 zeigt eine Auswahl von SERR-Spektren von MOP-C bei verschiedenen Po-

tentialen. Als Meßlösung diente ein 10 mM Kaliumphosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4),

die Laserleistung an der Probe betrug 60 mW. Wie auch bei den anderen de novo Proteinen

war die vollständige Reduktion des Proteins auf der Elektrode nicht möglich.

Der besseren Übersicht halber sind die Spektren bereits auf maximale Intensität skaliert

worden, so daß deren Intensitäten untereinander nicht mehr verglichen werden können.

Wie die Komponentenanalyse des Systems deutlich macht, liegt in den Spektren von MOP-C

tatsächlich ein komplexes Gemisch vor, das mehr als drei Komponenten aufweist (Abb.

4.34).

Auch wenn nur 6coxLS-, 5coxHS- und 5crdHS-Spezies in nachweisbaren Konzentrationen

vorkommen, dann muß mindestens noch eine weitere sechsfach koordinier-te low spin

Komponente im oxidierten Zustand vorhanden sein, die durch die Plateaubildung im Bereich

um -0.5 V klar zu erkennen ist (schwarze Kurve).

Außerdem stellt sich die Fra-

ge, warum keine sechsfach

koordinierte reduzierte low

spin Spezies nachgewiesen

werden konnte. Es ist denk-

bar, daß dieser Zustand ther-

modynamisch nicht stabil ist

und unter Ligandendissozia-

tion in die 5crdHS Form über-

führt wird. Liegt die relative

Gleichgewichtskonzentration

der 6crdLS Form unter 10%,

ist sie in diesen Experimenten

nicht mehr nachweisbar. Auch

bei den Resonanz-Raman-

Abb. 4.34: Potentialabhängige SERR-Spektren von MOP-C

Page 119: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 107

Untersuchungen war allerdings keine 6crdLS-Form gefunden worden, was auf eine

intrinsische Instabilität des bis-His-ligandierten reduzierten MOP-C und nicht auf eine

adsorptionsabhängige Destabilisierung hinweist.

Unter diesen Annahmen läßt sich ein Gleichgewichtssystem formulieren, das aus

mindestens sechs verschiedenen Komponenten bestehen muß (Abb. 4.35). Angenommene

Reaktionspartner und Gleichgewichte sind mit Fragezeichen bzw. gepunkteten

Reaktionspfeilen gekennzeichnet.

Eine Nernst-Auftragung für den 5crdHS/5coxHS-Übergang liefert ein Redoxpotential E0 =

-0.30 ± 0.02 V und z = 0.8 (Abb. 4.36). Diese Ergebnisse unterscheiden sich leicht von

denen der Elektrochemie (E0 = -0.35 V, zapp = 0.6 (CV); E0 = -0.36 V (DPV)), auch wenn man

davon ausgeht, daß die Fehler der Meßgrößen in etwa so groß sind wie bei der SERR-

Untersuchung.

Abb. 4.35: Bestandteile von MOP-C in Abhängigkeit vom Potential (links)

Postuliertes Reaktionssystem (rechts)

6coxLSET

6crdLS

5crdHS5coxHSET

?

6coxLSb

ET

6crdLSb?

Abb. 4.36:

Nernst-Auftragung des 5crdHS/

5coxHS-Überganges bei MOP-C

Page 120: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE108

3.5 Das Protein MOP-F

Für die Untersuchungen an MOP-F mußte zunächst eine geeignete Monoschicht zur Immo-

bilisierung gefunden werden, da im Prinzip zwei verschiedene Mechanismen zur Verfügung

stehen (Kap. III C.2.2.3): die Immobilisierung über rein hydrophobe Wechselwirkungen

(C12F-SAM) oder über eine Kombination von elektrostatischen und hydrophoben Kräften

(C3- oder C11-SAM).

Offenbar führt die Immobilisierung auf einer hydrophoben Monoschicht aus

Dodecylmercaptan jedoch zu einer fast vollständigen Denaturierung von MOP-F (Abb. 4.37,

rechts). Während auf der C3-SAM im oxidierten Zustand die "native" bis-Histidin-Ligandie-

rung des Häms mit RR-Banden bei 1374 cm-1 (ν4) und 1504 cm-1 (ν3) erhalten bleibt, geht

das Häm bei der Immobilisierung auf C12F in eine fünffach koordinierte high spin Form mit

einer intensiven ν3-Bande bei ca. 1490 cm-1 über. Das ν3/ν4-Intensitätsverhältnis liegt bei 0.8

und damit zwischen den Werten für die 5coxHS-Spezies von MOP-C und adsorbiertem Hä-

min. Möglicherweise treten im Spektrum auch hier verschiedene Komponenten auf.

Im reduzierten Zustand kommt es auf der C12F-SAM offenbar zu einer Zerstörung des

Häms, da die ν4-Bande stark verbreitert ist und wahrscheinlich durch Überlappung mehrerer

Banden zustande kommt.

Auch bei der Immobilisierung auf C3 verringert sich die Intensität der SERR-Spektren unter

reduzierenden Bedingungen deutlich, die Stabilität des adsorbierten Proteins war bei weitem

nicht so hoch wie bei den anderen de novo Proteinen. Trotzdem kommt es offenbar nicht zur

Bildung weiterer Komponenten wie auf der C12F-Monoschicht.

Die in Abb. 4.37 dargestellten Spektren wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0

(12.5 mM K2SO4) mit einer Akkumulationszeit von 60 s (C3) bzw. 300 s (C12F) aufgenom-

men.

Page 121: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 109

Das Spektrum von MOP-F bei -0.4 V (C3) ähnelt stark dem von MOP-P3 bei -0.55 V (Abb.

4.33), dessen Redoxpotential für den LS/LS-Übergang zu -0.43 V bestimmt wurde (Abb.

4.32). Das entsprechende Redoxpotential von MOP-F liegt offensichtlich noch etwas höher,

was auf eine größere Hydrophobizität der Hämbindetasche hindeutet. Dies ist im Zusam-

menhang mit der Frage nach dem Immobilisierungsmechanismus interessant, da mit den

hier zur Verfügung stehenden Mitteln nicht geklärt werden konnte, ob der Fettsäurerest von

MOP-F in die SAM eindringt und so

einen hydrophoben Anteil an der

Adsorptionsenthalpie liefert, oder ob

er in der Proteinstruktur selbst

verbleibt. Das höhere Redoxpoten-

tial von MOP-F im Vergleich zu

MOP-P3 deutet möglicherweise dar-

auf hin, daß letzteres der Fall ist,

zumal die Sequenzen der beiden

Proteinen außerhalb der Bindungs-

domäne weitestgehend gleich sind.

Gleichzeitig ist die Länge der C3-

SAM im Vergleich zum Fettsäurerest

relativ gering.

Abb. 4.37: SERR-Spektren von MOP-F auf C3- und C12F-SAM

Abb. 4.38: Vergleich der SERR-Spektren von MOP-F,

MOP-P3 und adsorbiertem Hämin

Page 122: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE110

Das SERR-Spektrum von adsorbiertem Hämin zeigt, daß es sich bei den Spektren von

MOP-F und MOP-P3 nicht etwa um ausgefallenes, nicht-ligandiertes Hämin handelt (Abb.

4.38). Abgesehen von einer leichten Verschiebung der ν4-Bande liegen zwischen 1450 cm-1

und 1500 cm-1 deutlich andere Intensitätsverhältnisse vor.

Ein anderes Bild bezüglich des Redoxpotentials von MOP-F ergibt sich bei der Immobilisie-

rung des Proteins auf einer C11-Monoschicht (Abb. 4.39). Während das SERR-Spektrum

des Proteins im oxidierten Zustand (0 V) weitgehend mit dem auf der C3-Schicht überein-

stimmt101, zeigen sich bei -0.4 V signifikante Unterschiede.

Da die Ergebnisse unabhängig von der Verweildauer beim Potential waren (t > 3 min), kann

ausgeschlossen werden, daß der geringere Anteil an reduziertem Protein auf C11F aus einer

unvollständigen Gleichgewichtseinstellung resultiert. Offenbar hat MOP-F auf C11 ein

deutlich niedrigeres Redoxpotential als auf C3. Geht man davon aus, daß das hohe

Redoxpotential im letzteren Fall auf die Wechselwirkung mit dem im Protein eingebauten

Fettsäurerest zurückgeht, dann kann man den Befund von der C11-Monoschicht auch so

deuten, daß auf der dickeren C11-Schicht dieser Fettsäurerest in die SAM eingebaut wird.

Dadurch würde die Hämtasche an Hydrophobizität verlieren und das Redoxpotential sinken.

101 Die Subtraktion der Spektren der C3- u. der C11-Monoschicht bei 0 V zeigt, daß zu einem geringen

Anteil auch eine fünffach koordinierte high spin Spezies vorkommt: ν4 = 1368 cm-1, ν3 = 1490 cm-1.

Abb. 4.39: SERR-Spektren von MOP-F auf einer C3- und einer C11-SAM

(schwarz bzw. rot) bei verschiedenen Potentialen E

Page 123: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 111

Diese Hypothese ist allerdings nicht die einzig mögliche Erklärung für die Ergebnisse der

SERR-Untersuchungen. Dazu müßte gezeigt werden, daß auf beiden Monoschichten exakt

die gleichen Spezies vorliegen. Dies wäre nur mit qualitativ hochwertigen SERR-Spektren

möglich.

Diese Voraussetzung besteht auch für die Überprüfung des Adsorptionsmechanismus mit

HIlfe von SERR-Spektroskopie. Mit zunehmender Ionenstärke des Meßpuffers werden

elektrostatische Wechselwirkungen geschwächt und hydrophobe gestärkt, so daß über die

Veränderung der Oberflächenkonzentration in Abhängigkeit von der Ionenstärke geklärt

werden kann, welche Wechselwirkungen für die Immobilisierung des Proteins verantwortlich

sind.

Page 124: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE112

C. Messung der Elektronentransferkinetik an MOP-C: TR SERRS

Der Redoxübergang von MOP-C bei ca. -0.300 V eignet sich im Prinzip sehr gut für eine

Untersuchung der Elektronentransferkinetik, da das Redoxpotential im Stabilitätsbereich der

Monoschicht liegt.

Leider war die Stabilität des Proteins unter den Bedingungen der zeitaufgelösten Messungen

deutlich geringer als bei den stationären Experimenten, vermutlich aufgrund der vielen Oxi-

dations- und Reduktionszyklen während der Datenerfassung. Um Veränderungen in der

Oberflächenzusammensetzung berücksichtigen zu können, wurden vor und nach jeder zeit-

aufgelösten Messung die stationären Spektren beim Start- und Endpotential gemessen. Die

mittlere Zusammensetzung dieser Spektrenpaare diente als Bezugspunkt für die zeitaufge-

lösten Messungen.

Abbildung 4.40 zeigt ein Beispiel für

einen solchen Spektrensatz. Die

beiden stationären Spektren beim

Startpotential Ei = -0.200 V und dem

Endpotential Ef = E0HS/HS wurden mit

einer Akkumulationszeit von 20 s

aufgenommen (schwarz und rot).

Das zeitaufgelöste Spektrum (blau)

ist die Summe aus fünf Einzelspek-

tren mit einer effektiven Gesamt-

akkumulationszeit von 5 s (Verzöge-

rungszeit δ' = 0.525 s).

Alle drei Spektren wurden bezüglich

der ν3-Bande der 5coxHS-Spezies

bei 1490 cm-1 normalisiert, um die Vergleichbarkeit der Spektren zu verbessern. Als

Meßpuffer diente in allen Fällen 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4),

die Laserleistung an der Probe betrug 44 mW.

Die relative Intensität nimmt im Bereich von 1470 cm-1 deutlich zu, was auf die Bildung einer

5crdHS-Spezies hindeutet (Abb. 4.40). Einen genauen Aufschluß über die zeitliche Entwick-

lung der Konzentrationsverläufe gibt jedoch erst die Komponentenanalyse von Spektren bei

verschiedenen Verzögerungszeiten δ' (Abb. 4.41).

Abb. 4.40: TR SERR-Spektrum von MOP-C

Page 125: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 113

Die detaillierte Auswertung der Meßdaten ergibt, daß nicht etwa die oxidierte fünffach koor-

dinierte high spin Spezies zuerst reduziert wird, sondern die sechsfach koordinierte low spin

Komponente. Dies ist überraschend, da deren Redoxpotential nach den Ergebnissen der

stationären SERR-Messungen etwa 50 mV niedriger liegt und deshalb auch die Triebkraft

der Reduktion am Potential E0HS/HS kleiner sein sollte. Dagegen kann der Anteil der 5coxHS-

Komponente im Rahmen der Meßgenauigkeit als konstant angesehen werden. Vermutlich

kommt es erst außerhalb des vermessenen Zeitfensters zur Reduktion dieser Spezies.

Dieses Resultat könnte erklären, warum in den elektrochemischen Untersuchungen an

MOP-C ein etwas negativeres Redoxpotential gemessen wurde (E0CV = -0.35 V). Es ist denk-

bar, daß das elektrochemische Signal dort zumindest zum Teil auf die 6coxLS-Spezies zu-

rückgeht.

Eine Überlappung von mehreren Redoxprozessen könnte ferner eine Erklärung für das nicht-

ideale Verhalten bei der elektrochemischen Bestimmung der ET-Kinetik liefern102, da ein

Überlagern von mehreren Signalen die tatsächliche Signalaufspaltung verdecken kann.

Die Berechnung der Geschwindigkeitskonstante ist auf der Basis der vorliegenden Daten

jedoch nur sehr schwer möglich, da zum einen noch zu wenig Daten über den vollständigen

Verlauf der Elektronentransferreaktion vorliegen und zum anderen das tatsächliche

Reaktionssystem deutlich mehr als drei Reaktionspartner enthält (Abb. 4.35).

Trotzdem läßt sich die Geschwindigkeit des Vorganges abschätzen. Mit Hilfe der monoex-

ponentiellen Regressionskurven in Abbildung 4.41 berechnet sich die Halbwertszeit τ1/2 der

Reaktion zu 0.05 s, was einer effektiven Geschwindigkeitskonstante erster Ordnung von ca.

13 s-1 entspricht. Dieser Wert ist etwa um den Faktor 100 größer als die Geschwin-

102 Der Achsenabschnitt in der Auftragung m vs. 1/ν ist deutlich von null verschieden.

Abb. 4.41:

Konzentration-Zeit-Verlauf der

Reduktion von MOP-C

Page 126: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE114

digkeitskonstante, die durch cyclovoltammetrische Messungen bestimmt wurde. Aufgrund

der Existenz mehrerer Redoxprozesse im untersuchten Potentialbereich resultiert die

Veränderung des elektrochemischen Signals mit der Vorschubgeschwindigkeit aus einer

Überlagerung von mehreren Effekten, so daß die individuellen Geschwindigkeitskonstanten

auf diesem Weg nicht bestimmt werden können.

Page 127: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 115

D. in situ Rastertunnelmikroskopie an MOP-C und MOP-P3

Die Rastertunnelmikroskopischen Untersuchungen an MOP-C und MOP-P3 fanden aus-

schließlich im Arbeitskreis von Prof. Ulstrup (DTU, Lyngby/ Kopenhagen) statt.

1. Das Protein MOP-C

Mit den zwei bestcharakterisierten de novo Proteinen MOP-C und MOP-P3 wurden in Ergän-

zung zu den elektrochemischen und spektroskopischen Untersuchungen auch in situ STM-

Experimente durchgeführt. Die Schwierigkeit bei dieser Methode besteht jedoch im allge-

meinen darin, die abgebildeten Objekte eindeutig zu identifizieren, da als direkte Information

lediglich die horizontale und - mit Einschränkungen - die vertikale Ausdehnung zur Verfü-

gung stehen. Deshalb müssen die Ergebnisse aus in situ STM-Untersuchungen in der Regel

mit komplementären experimentellen Methoden ergänzt werden, die das Verhalten des

Proteins auf der Oberfläche charakterisieren.

Im Rahmen dieser Arbeit dienten dazu sowohl elektrochemische Experimente als auch

SERR-Spektroskopie, so daß die Effektivität der Proteinimmobilisierung und der Stabilittäts-

bereich der Probe mit verschiedenen experimentellen Ansätzen überprüft werden konnten

(Kap. IV B). Die in situ STM-Experimente wurden unter den exakt gleichen Bedingungen wie

die elektrochemischen Versuche durchgeführt, was die Verwendung des Meßpuffers, die

Probenpräparation und die angelegten Potentiale betrifft.

Die Bilder in Abbildung 4.42 wurden mit einem Rasterscope3000-Mikroskop (DME) aufge-

nommen. Der weiße Pfeil deutet auf einen Referenzpunkt und dient zur Orientierung. An der

Änderung seiner relativen Position auf den Bildern erkennt man einen leichten Drift, alle Bil-

der sind in der dargestellten Reihenfolge unmittelbar nacheinander gemessen worden.

Bild 5 zeigt einen Überblick über einen anderen Bereich der Elektrodenoberfläche. Bei allen

STM Experimenten diente Platin als Referenzelektrode: E(Pt, pH 7.0) = +0.480 ± 0.05 V (vs.

SHE).

Zeichenerklärung:

Es = Potential der Au(111)-Elektrode (Arbeitselektrode)

Et = Potential der STM-Spitze (Pt/Ir 80/20 oder W)

Iset = Meßstrom

Page 128: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE116

Bild 1-4:

Es = -0.450 V, Et = -0.250 V, Iset = 0.45 nA

Bild 5:

Es = -0.450 V, Et = -0.250 V, Iset = 0.40 nA

Abb. 4.42:

in situ STM-Aufnahmen von holo MOP-C

auf Au(111), STM-Spitze: Pt/Ir 80/20

Page 129: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 117

Auf den Bildern 1-4 ist der sog. „tip“-Effekt zu sehen, den es in STM-Experimenten

normalerweise zu vermeiden gilt. Dabei nimmt die Meßspitze sichtbaren Einfluß auf die

Oberflächenstruktur der Probe, zum Beispiel aufgrund eines zu geringen Abstandes

zwischen Spitze und Oberfläche. Ein größerer Abstand war mit dem verwendeten Gerät aus

technischen Gründen jedoch nicht möglich. Die Folge von unmittelbar nacheinander

aufgenommen Bildern zeigt, daß es sich bei den abgebildeten Strukturen um recht große

bzw. hohe Objekte handeln muß, die außerdem unter den vorherrschenden

Meßbedingungen eine erhöhte Mobilität zeigen. Bestünden die Strukturen aus Gold, wäre

eine so große Mobilität unter den vorherrschenden Bedingungen nicht zu erwarten. Die

darunterliegenden Strukturen zeigen keine Veränderungen.

Ferner ist die Oberflächenbedeckung groß, was in Antracht der thiolbasierten Immobilisati-

onsstrategie auch zu erwarten war.

Wie in Bild 5 zu sehen ist, wurde die Änderung der Oberflächenstruktur auf den Bildern 1-4

tatsächlich durch die Spitze induziert und nicht etwa durch das angelegte Potential.

Das PicoSPM-Gerät (Molecular Imaging) ermöglicht die Aufnahme von STM-Bildern bei ei-

nem niedrigeren Meßstrom, so daß der Abstand zwischen Spitze und Oberfläche vergrößert

und damit die Wahrscheinlichkeit von spitzeninduzierten Veränderungen der Probenstruktur

vermindert wird. Unter geeigneten Bedingungen konnten so Bildfolgen aufgenommen wer-

den, die, abgesehen von Drifteffekten, identische Bilder lieferten.

Auf diese Weise konnte gezeigt werden, daß (apo) MOP-C unter bestimmten Bedingungen

lokal geordnete Strukturen bilden kann, wie in Abbildung 4.43 gut zu sehen ist. Leider konn-

ten keine Bedingungen gefunden werden, unter denen diese Ordnung auf größere Bereiche

der Oberfläche ausgedehnt war.

Auch bei dem Experiment mit dem PicoSPM-Gerät ist der Bedeckungsgrad hoch (Bild 1).

Die reihenartige Anordnung der Oberflächenstrukturen zeigt sich besonders in den

vergrößerten Aufnahmen des rechten oberen Bereiches von Bild 1 (Bild 2 und 3). In dem

vergrößerten Ausschnitt von Bild 3 erkennt man besonders gut die kreisförmige Ausdehnung

der meisten Objekte. Nicht kreisförmige Strukturen stellen möglicherweise Aggregate dar

("zoom" unten rechts).

Gelfiltrationsexperimente mit (apo) MOP-C haben gezeigt, daß es in geringem Maße zur

Dimerisierung des Proteins in Lösung kommt (~ 10%), was in Anbetracht der Aminosäurese-

quenz, die zwei Cysteine enthält, nicht ganz überraschend ist.

Page 130: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE118

Das mit dem Pfeil gekennzeichnete, isoliert stehende Objekt bietet sich trotz der eher gerin-

gen Qualität der Aufnahme zu einer detaillierteren Analyse an. Ein vertikaler Schnitt liefert

das Profil der Struktur, das mit Hilfe einer Gaußschen Kurve mit guter Näherung angepaßt

werden kann (Abb. 4.44).

Abb. 4.43: in situ STM-Aufnahmen von apo MOP-C auf Au(111), STM-Spitze: W

Bild 1-3: Es = -0.700 V, Et = -0.480 V, Iset = 0.2 nA

Page 131: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 119

Die Halbwertsbreite der Kurve beträgt 3.9

nm (FWHM), der Mittelwert aus diesem

und der Halbwertsbreite des horizontalen

Schnittes (nicht dargestellt) liegt bei 4.0

nm. Dies ist nur etwas größer als der

Wert, der sich bei einem Computermodell

von MOP-C ergeben hatte (INSIGHT

2000). Dort war eine Kantenlänge der

Basis des Vier-Helix-Bündels von ca. 2.5

nm bestimmt worden. Die Länge der

Diagonalen beträgt damit unter der

Annahme einer quadratischen Grund-

fläche etwa 3.5 nm.

Die Angaben haben allerdings nur ungefähren Charakter, da die Bestimmung der Abmes-

sungen einige willkürliche Annahmen beinhaltet. Definiert man den Durchmesser zum Bei-

spiel als den Abstand, in dem das Höhenprofil auf beiden Seiten des Objektes wieder auf

den Umgebungswert abfällt, dann ergeben sich deutlich andere Werte für die Größe der

Oberflächenstrukturen. Diese Methode würde allerdings nicht berücksichtigen, daß die STM-

Spitze das Objekt auf der Oberfläche nicht etwa „ausschneidet", sondern eher mit einer Art

Umhüllenden beschreibt. Allein dadurch werden scheinbar größere Dimensionen gemessen.

Auch die nicht zu klärende Frage nach dem Elektronentransferweg des Tunnelstroms trägt

zur Unsicherheit der Größenbestimmung bei. Ist nur das Amidgerüst und nicht auch die

Seitenketten beteiligt, bildet STM nur einen kleineren Teil des Proteins ab.

Um die Größe der abgebildeten Objekte auf einer statistischen Basis zu ermitteln, wurde der

Durchmesser der Strukturen 1-18 in Abbildung 4.45 durch einen vertikalen und einen hori-

zontalen Schnitt bestimmt und gemittelt (FWHM). Die Vermessung erfolgte mit dem Pro-

gramm SPIP (Image Metrology ApS). Randobjekte wurden dabei nicht in die Berechnung

einbezogen.

Abb. 4.44: Profil eines Oberflächenobjektes

Page 132: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE120

Für die 18 Objekte ergaben sich

Mittelwerte für die Durchmesser

von 2.9 nm (horizontal) und 4.0

nm (vertikal) mit Standardabwei-

chungen von je 17%. Der mittlere

Durchmesser beträgt damit 3.4 nm

und stimmt gut mit dem geo-

metrischen Durchmesser des

MOP-C-Modells und der Halb-

wertsbreite im Profil des Ein-

zelobjektes überein (Abb. 4.44).

Auffällig ist die leichte Elliptizität

der Objekte. Das Verhältnis zwi-

schen Horizontal- und Vertikal-

durchmesser beträgt 0.7 bei einer

Standardabweichung von 13%.

Ein "tip effect" kann auch hier nicht

ausgeschlossen werden, obwohl mehrere aufeinanderfolgende Bilder keine Veränderung in

der Oberflächenstruktur zeigten. Möglicherweise steht MOP-C nicht senkrecht zur

Oberfläche, was in der Projektion ebenfalls einen elliptischen Querschnitt erzeugen würde.

Letztlich könnte ein leichter Drift diesen Effekt hervorrufen und wie ein Vergleich der vorher-

gehenden und nachfolgenden Bilder von Abbildung 4.45 zeigt, beträgt der Drift in diesem

Fall tatsächlich 20 - 40 Å pro Bild in vertikaler Richtung.

Da die Strukturen jedoch die gleiche Größe aufweisen wie in Abbildung 4.43, handelt es sich

höchstwahrscheinlich auch hier nicht um Goldinseln, sondern tatsächlich um das Protein

MOP-C.

Abb. 4.45: Stat. Größenbestimmung an holo MOP-C

Page 133: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 121

2. Das Protein MOP-P3

Die Untersuchung von MOP-P3 mit Hilfe von in situ STM wird im Vergleich zu MOP-C da-

durch verkompliziert, daß dieses Protein nicht kovalent, sondern durch elektrostatische

Wechselwirkungen an die Elektrode gebunden wird. Zwar sind Untersuchungen an elek-

trostatisch immobilisierten Proteinen durchaus möglich, doch sollte wie beim Cytochrom c

ein deutlicher Ladungsüberschuß auf der Proteinoberfläche vorhanden sein103. Dies ist beim

MOP-P3 nur eingeschränkt der Fall und demzufolge ist die Bindung zwischen Protein und

modifizierter Oberfläche höchstwahrscheinlich schwach (vgl. dazu den geringen Bedek-

kungsgrad, Kap. B.2.3).

103 J. E. T. Andersen et al., Surface Science 325, 193-205 (1995)

Bild 1: (Bild 2: Vergrößerung aus Bild 1)

Es = -0.500 V, Et = -0.700 V, Iset = 0.5 nA

Bild 3:

Es = -0.450 V, Et = -0.550 V, Iset = 0.5 nA

Abb. 4.46: in situ STM-Bilder von

3-Mercaptopropionsäure (C3)

und MOP-P3 auf Au(111)

Page 134: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE122

Abbildung 4.46 zeigt in situ STM-Aufnahmen einer C3-Monoschicht vor und nach der Zu-

gabe von MOP-P3 (c ≈ 0.1 µM). In Bild 1 und im vergrößerten Ausschnitt (Bild 2) sind ver-

schiedene Domänen der SAM zu sehen, die in etwa in einem Winkel von 115° zueinander

stehen, sowie eine Goldterrasse und Regionen lokaler Unordnung. Der Abstand der Linien in

den Domänen beträgt je nach Orientierung der Domäne 19 bzw. 24 Å. Diese Werte liegen in

einem für C3-Monoschichten typischen Bereich104, obwohl die Variation des Abstandes in

Abhängigkeit von der Domänenorientierung auf einen leichten Drift in den Aufnahmen

hindeutet. Aufgrunddessen und wegen der mangelnden Auflösung sind die Aufnahmen nicht

geeignet, die Struktur der C3-SAM im Detail zu untersuchen.

Nach der Zugabe von holo MOP-P3 bilden sich auf der Oberfläche Strukturen aus, wie sie in

Bild 3 zu sehen sind. Ihr Durchmesser ist im Mittel deutlich größer als der von MOP-C (> 50

Å) und zudem sind die abgebildeten Objekte unter den Meßbedingungen recht mobil (nicht

dargestellt). Lediglich die mit dem weißen Pfeil gekennzeichneten Objekte weisen die Größe

auf, wie sie laut dem Computermodell von MOP-P3 zu erwarten wären. Der Anteil der unre-

gelmäßig geformten Strukturen nimmt mit zunehmender Meßzeit in einem Oberflächenbe-

reich deutlich zu. Sollte es sich bei den abgebildeten Strukturen um MOP-P3 handeln, dann

könnten diese Strukturen möglicherweise Aggregaten von mehreren Proteinen entsprechen.

Auf der Basis der vorliegenden Daten kann dies jedoch nicht entschieden werden.

104 N. J. Tao et al., J. Electroanal. Chem. 465, 72-79 (1999); für hochauflösende Bilder: T. Sawaguchi,

Phys. Chem. Chem. Phys., 3, 3399-3404 (2001)

Abb. 4.47: in situ STM-Bilder von MOP-P3 (?), aufeinanderfolgende Aufnahmen

Bild 1: Es = -0.450 V, Et = -0.550 V, Iset = 0.6 nA; Bild 2+3: Iset = 0.5 nA

Page 135: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 123

Auffällig ist das paarweise Auftreten von Oberflächenobjekten, das vor allem in Bild 1 (Abb.

4.47) zu sehen ist. Dieser Effekt könnte durch eine defekte STM-Spitze entstehen, doch

dann müßten alle Strukturen doppelt abgebildet werden.

Der Abstand zwischen hellerem und dunklerem Objekt beträgt bei den kleineren, nicht-ag-

gregierten Objekten etwa 5 nm. Diese Länge entspricht ungefähr der geometrischen Höhe

des Computermodells von MOP-P3.

Dennoch läßt sich auf der Basis der vorhandenen Daten nicht entscheiden, ob es sich bei

den abgebildeten Objekten tatsächlich um MOP-P3 handelt. Um dies zu entscheiden, müßte

die Qualität der Aufnahmen deutlich erhöht werden.

Page 136: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE124

E. Charakterisierung von Cytochrom b562 in Lösung

Die Proben von Cytochrom b562 Wildtyp (WT) und der Mutante R98C wurden von P. D.

Barker, Cambridge University, zur Verfügung gestellt und ohne weitere Aufreinigung

verwendet.

1. UV-vis-Spektroskopie

Die Charakterisierung von Cytochrom b562 in Lösung erfolgte mittels UV-vis- und RR-Spek-

troskopie und ergab eine hohe Übereinstimmung mit bereits publizierten Daten zu diesem

Protein105 (Tab. 4.14).

Cyt b562 WT Cyt b562 R98C

oxidiert, λmax [nm] reduziert, λmax [nm] oxidiert, λmax [nm] reduziert, λmax [nm]

418 (418) 427 (426.5) 416 (415.5) 422 (421.5)

531 (531) 531 (531) 529 (529.5) 528 (527.5)

562 (k. A.) 561 (561.5) 557 (k. A.) 557 (556)

Tab. 4.14: UV-vis-Absorptionen von Cytochrom b562, Literaturangaben in Klammern

Die Reduktion des Proteins erfolgte mit einigen Körnchen Natriumdithionit in 10 mM Kalium-

phosphatpuffer pH 7.0 (12.5 mM K2SO4).

Zwar wurden die Extinktionskoeffizienten für die vorliegenden Proben nicht bestimmt, doch

auch die relativen Verhältnisse der Extinktionskoeffizienten stimmten weitgehend mit den

Literaturdaten überein105.

Lediglich für die reduzierte Form von R98C ergeben sich Abweichungen in der relativen In-

tensität der Soret-Bande: 7.0:1.0:1.6 zu 9.9:1.0:1.528 (ε(Soret)/ε(β)/ε(α)).

Der Grund für diese Abweichung ist unbekannt. Beim WT von Cyt b562 tritt dieser Effekt

nicht auf.

105 P. D. Barker et al., Biochem. 34 (46), 15191, 1995; P. A. Bullock , Y. P. Myer, Biochem. 17 (15),

3078, 1978; Y. P. Myer, P. A. Bullock, Biochem. 17 (18), 3723, 1978

Page 137: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 125

WT

R98C

Abb. 4.48: UV-vis-Spektren von Cyt b562

Page 138: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE126

2. Resonanz-Raman-Spektroskopie

Alle dargestellten Spektren wurden mit einer Anregungswellenlänge von 413 nm und einer

Laserleistung an der Probe von 60 mW erhalten. Drei Spektren mit je 20 s Akkumulationszeit

wurden summiert und die resultierenden Gesamtspektren mit Lorentz-Profilen angepaßt

(Abb. 4.49, Tab. 4.15 und 4.16).

Bande oxidiert, exp. Lit.28 Bande reduziert, exp. Lit.28

ν4 1370 (1.00) 1370 ν4 1360 (1.00) 1362

ν3 1504 (0.09) 1507 ν3 1491 (0.04) 1493

ν2 1580 (0.18) 1588 ν2 1582 (0.15) 1586

νC=C 1621 (0.16) k. A. νC=C/ν10 1617 (0.09) 1621

ν10 1639 (0.06) 1639

Bande oxidiert, exp. Bande reduziert, exp.

ν4 1370 (1.00) ν4 1361 (1.00)

ν3 1504 (0.12) ν3 1492 (0.05)

ν2 1581 (0.27) ν2 1586 (0.15)

νC=C 1621 (0.11) νC=C/ν10 1618 (0.06)

ν10 1640 (0.07)

Die einzig signifikante Abweichung zwischen den Daten aus dieser Arbeit und den Literatur-

angaben treten bei der ν2-Bande der oxidierten Form des WT auf, im allgemeinen sind die

Übereinstimmungen jedoch gut. SERR-Spektren der Mutante R98C wurden erstmals in die-

ser Arbeit gemessen.

Tab. 4.15: Position und relative Intensitäten der wichtigsten RR-Banden von Cyt b562 WT

Tab. 4.16: Position und relative Intensitäten der wichtigsten RR-Banden von Cyt b562 R98C

Page 139: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 127

Die RR-Spektren des Wildtyps und der Mutante sind typisch für Hämproteine mit His/Met-

Koordinierung106.

Interessant ist ferner ein Vergleich zwischen den Spektren des Wildtyps und der Mutante

R98C (oxidierte Form, 1 und 3), da sich an der RR-Intensität der Vinyl-Streckschwingung der

wichtigste strukturelle Unterschied zwischen den beiden Proteinen ablesen läßt: die

Verknüpfung zwischen Hämgruppe und Proteingerüst über eine Vinylgruppe des

Porphyrinrings. Die Hämgruppe von R98C enthält nur noch eine von zwei Vinylgruppen, so

daß sich die Intensität der Vinylbande im Vergleich zum Spektrum des Wildtyps

näherungsweise halbieren sollte.

Tatsächlich ist das Intensitätsverhältnis R98C/WT der νC=C-Banden gleich 0.6, was

tatsächlich näherungsweise beobachtet wird.

106 T. G, Spiro, X.-Y. Li, "Resonance Raman spectroscopy of metalloporphyrins" In: Biological

Applications of Raman Spectroscopy. T. G. Spiro, ed. (Wiley, 1988)

Abb. 4.49: RR-Spektren von Cyt b562 WT und R98C

Page 140: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE128

F. Charakterisierung von Cytochrom b562 WT und R98C an der Elektrode

1. Die Immobilisierung von Cytochrom b562

Zur Immobilisierung von Cytochrom b562 wurden ausschließlich aminoterminierte Mono-

schichten verwendet, da nur auf Monoschichten mit positiv geladenen Kopfgruppen eine

hohe Oberflächenkonzentration des Proteins unter Beibehaltung der nativen Struktur erzielt

werden konnte. Alle in diesem Kapitel F dargestellten Versuche wurden in 10 mM Kalium-

phosphatpuffer bei pH 7.0 (12.5 mM K2SO4) durchgeführt. Für die Messungen in D2O wurde

der apparente pH-Wert der in H2O kalibrierten pH-Elektrode um 0.46 korrigiert107.

Die Art der Adsorption von Cyt b562 R98C kann anhand der SERR-Spektren bei 0 V

dokumentiert werden (Abb. 4.50). Die Intensität des Spektrums auf der aminoterminierten

SAM ist signifikant höher als bei den anderen Monoschichten. Außerdem bleibt nur dort die

sechsfach koordinierte oxidierte low spin Form des Proteins erhalten, wie besonders der

Vergrößerung des Spektrums im ν3-Bereich zu entnehmen ist. Auf der hydrophoben C5F-

SAM tritt neben der sechsfach koordinierten low spin Form auch noch eine nicht-native fünf-

fach koordinierte high spin Komponente auf (vide infra).

107 F. G. K. Baucke, J. Phys. Chem. B 102 (24): 4835-4841 (1998)

Abb. 4.50: SERR-Spektren von Cyt b562 R98C auf ver-

schiedenen Monoschichten bei einem Potential von 0 V

Page 141: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 129

Das Adsorptionsverhalten des Proteins zeigt außerdem eine interessante Anomalie, wenn

man die Oberflächenkonzentrationen auf aminoterminierten Monoschichten verschiedener

Länge vergleicht.

Unter der Annahme, daß die Eigenschaften der SAM, wie zum Beispiel der Protonierungs-

grad der Kopfgruppen, unabhängig von der Kettenlänge sind, müßte die Intensität der

SERR-Spektren mit zunehmender Kettenlänge abnehmen, da der Oberflächenverstärkungs-

effekt der Metalloberfläche immer geringer wird.

Dieser Effekt tritt jedoch erst bei Kettenlängen größer als sechs auf. Die Spektrenintensität

auf der A-C6-SAM lag dagegen deutlich höher als auf der A-C2-Monoschicht, was vermutlich

mit einer höheren (positiven) Ladungsdichte auf der SAM zu tun hat.

SERR-spektroskopische Untersuchungen an A-C2-Monoschichten haben gezeigt, daß die

Struktur der SAM nur eine geringe Ordnung aufweist und daß auch der Amino-Stickstoff

direkt an die Silberoberfläche binden kann (Kap III C.2.2.4). Dadurch wird die Ladungsdichte

auf der SAM und folglich auch die Oberflächenkonzentration des Proteins verringert.

Wahrscheinlich sind die längeren Aminoalkylthiole auf der Metalloberfläche stärker geordnet

und die Adsorption des Amino-Stickstoffs zurückgedrängt, so daß damit mehr kationische

Bindungsstellen für das Protein zur Verfügung stehen.

Erst bei den längeren Monoschichten A-C6, A-C8 und A-C11 zeigt sich eine exponentielle

Abnahme der Spektrenintensität mit der Kettenlänge der SAM (Abb. 4.51, Cyt b562 WT), die

auf die Abstandsabhängigkeit der SER-Verstärkung zurückzuführen ist.

Aufgetragen ist die relative Oberflächenkonzentration an Cyt b562 WT als Summe aller

Gruppen der Komponentenanalyse unter Berücksichtigung der Streuquerschnitte bei einem

Potential von +0.1 V. Die Laserleistung an der Probe betrug 60 mW bei einer Akkumula-

tionszeit von 20 s. Zur Konzentrationsbestimmung diente die dritte oder vierte Messung der

Meßreihe, um Äquilibrierungseinflüsse auf die Konzentrationsbestimmung auszuschließen.

Abb. 4.51:

SERR-Intensitäten auf verschie-

denen NH2-terminierten SAM

Page 142: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE130

Neben dieser anomalen Abstandsabhängigkeit weist das System Cyt b562 WT/A-Cx-SAM

(x = 2, 6, 8, 11) ein deutlich potentialabhängiges Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht auf

(Abb. 4.52).

Mit abnehmendem Potential nahm die Intensität der SERR-Spektren stark zu. Mögliche

Erklärungen können eine Änderung des Protonierungsgrades der SAM oder eine Erhöhung

der Adsorptionsfähigkeit des Proteins einschließen.

Zum einen ist eine leichte Abnahme der Oberflächenkonzentration mit der Meßdauer zu er-

kennen, wie es generell in SER/SERR-Experimenten beobachtet wird. Zum anderen zeigt

sich der bereits angesprochene deutliche Anstieg von [b562 WT]Oberfl.,rel mit abnehmendem

Potential. Die leichte Verschiebung des Konzentrationsmaximums zum Potentialminimum

(Messung Nr. 13) deutet möglicherweise auf eine unvollständige Einstellung des

Adsorptions-/Desorptionsgleichgewichtes hin. Die Äquilibrierungszeit betrug bei allen

Messungen etwa eine Minute.

Abb. 4.52:

Relative Oberflächenkonzen-

tration von Cyt b562 WT auf

A-C6 in Abhängigkeit von der

Meßdauer (•, linke Größen-

achse) mit dem jeweils ange-

legten Potential E (Balken,

rechte Größenachse)

Page 143: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 131

2. Die spektralen Parameter zur Analyse von Cyt b562 WT und R98C

Die SERR-Spektren sowohl des Wildtyps als auch der Mutante R98C konnten nach der

Adsorption auf aminoterminierten Monoschichten mit Hilfe von drei Komponentenspektren

beschrieben werden. Neben den bereits mittels RR-Spektroskopie identifizierten sechsfach

koordinierten low spin Spezies 6coxLS und 6crdLS wurde noch eine weitere, fünffach

koordinierte oxidierte high spin Spezies 5coxHS gefunden, die bei Immobilisierung des

Proteins auf der unmodifizierten Silberoberfläche mit einem sehr hohen Anteil nachgewiesen

werden konnte (Spektrum nicht gezeigt). Die Bestimmung der Ligandierung dieser high spin

Komponente gestaltet sich schwierig, da die Unterschiede im untersuchten Spektralbereich

zum Teil nur minimal sind. Höchstwahrscheinlich handelt es sich aber um eine Hämgruppe

mit Histidin als fünftem Liganden, da die fünffach und die sechsfach koordinierten oxidierten

Spezies im Gleichgewicht stehen und bei Erniedrigung des Potentials in eine sechsfach

koordinierte reduzierte low spin Komponente übergehen.

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi

1 6coxLS 1371 / 13 1.00 1504 / 10 0.11 1.00

2 5coxHS 1370 / 11 1.00 1490 / 12 0.70 1.46

3 6crdLS 1360 / 10 1.00 1491 / 11 0.04 0.28

Tab. 4.17: Spektrale Parameter der Komponenten von Cyt b562 WT

Spezies νν4 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel νν3 / ∆ν∆ν1/2 [cm-1] Irel fi

1 6coxLS 1372 / 14.2 1.00 1505 / 13.1 0.17 1.00

2 5coxHS 1370 / 15.7 1.00 1490 / 11.9 0.67 1.46

3 6crdLS 1360 / 11.3 1.00 1492 / 13.2 0.05 0.28

Tab. 4.18: Spektrale Parameter der Komponenten von Cyt b562 R98C

Diese Daten stimmen gut mit den RR-Daten der Proteine in Lösung überein (Kap. IV E), so

daß von einem weitgehenden Erhalt der nativen Struktur auf der Elektrodenoberfläche aus-

gegangen werden kann. Dies zeigt auch eine Überlagerung von SERR- und RR-Spektrum

im Spektralbereich von 1250 cm-1 - 1720 cm-1 für die reduzierte Form von Cyt b562 WT (Abb.

4.53).

Page 144: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE132

Ein bemerkenswerter Unterschied zum WT ist allerdings die generell größere

Halbwertsbreite der Markerbanden bei allen Komponenten der SERR-Spektren der Mutante.

Dies deutet möglicherweise auf eine größere strukturelle Heterogenität hin.

Mit Hilfe der in den Tabellen 4.17 und 4.18 aufgeführten spektralen Parameter konnten die

Meßspektren aus allen im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Experimente an Cyt b562

WT und R98C mit hoher Genauigkeit simuliert werden. Deshalb kann davon ausgegangen

werden, daß es auf den verschiedenen Monoschichten nicht zur nennenswerten Bildung von

weiteren, hier nicht aufgeführten spektralen Komponenten kommt.

Abb. 4.53:

RR- und SERR-Spektrum von red. Cyt

b562 WT (Na2S4O6 bzw. E = -0.200 V)

Page 145: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 133

3. Thermodynamische Untersuchungen an Cytochrom b562

3.1 Cytochrom b562 R98C

Die thermodynamische Charakterisierung von Cyt b562 R98C bezüglich des Redoxpoten-

tials und des Nernst-Parameters z erfolgte auf A-C2-Monoschichten sowohl in H2O als auch

in D2O durch potentialabhängige SERR-Spektroskopie. Als Parameter für die Anpassung an

die Meßspektren dienten die in Tab. 4.16 aufgeführten Werte.

Bei hohen Potentialen besteht das System hauptsächlich aus einer 6coxLS-Komponente mit

geringen Anteilen einer 5coxHS-Spezies, die möglicherweise mit der sechsfach koordinierten

Form im Gleichgewicht steht (Abb. 4.54). Durch die Erniedrigung des Potentials entsteht eine

sechsfach koordinierte reduzierte low spin Spezies, die das Redoxsystem ab etwa -0.05 V

dominiert.

Interessanterweise zeigt das System einen Hystereseeffekt, da die Mengenverhältnisse zwi-

schen oxidierter und reduzierter Form vom vorhergehenden Potentialverlauf abhängen. Dies

wird im Potentialbereich bei ca. -0.05 V sichtbar und ist durch die beiden Pfeile in Abbildung

4.54 gekennzeichnet.

Bei hohem Startpotential und negativem Potentialgradienten ist der Redoxübergang bedeu-

tend steiler als wenn nach Erreichen des Minimums das Potential wieder erhöht wird (Pfeil

nach rechts unten). Die Äquilibrierungszeit für jede Einzelmessung betrug etwa eine Minute.

Abb. 4.54:

Potentialabh. Zusammensetzung

von Cyt b562 R98C (A-C2, H2O)

Page 146: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE134

Dieser Effekt zeigt sich stärker in der Nernst-Auftragung des Übergangs (Abb. 4.55).

Offenbar ist der Elektronentransferprozeß mit einem weiteren Vorgang gekoppelt, der die

Einstellung des elektrochemischen Gleichgewichtes verlangsamt. Möglicherweise besteht

ein potentialabhängiges Adsorptions-/Desorptionsgleichgewicht, wie es bereits in Abschnitt

F.1 für Cyt b562 WT auf einer A-C6-SAM gezeigt wurde.

Da die Oberflächenkonzentration mit steigendem Potential abnimmt, muß es sich bei dem

hier auftretenden langsamen Reaktionsschritt um einen Desorptionsprozeß handeln. Wäre

dieser Vorgang deutlich langsamer als die Elektronentransferreaktion, dann hätte er keinen

Einfluß auf das Verhältnis von reduzierter und oxidierter Spezies. Er muß also im gleichen

oder ähnlichen zeitlichen Rahmen ablaufen.

Außerdem muß der Effekt stärker auf einen der beiden Redoxpartner wirken, da andernfalls

die Desorption bei beiden Komponenten gleich schnell abliefe und so ebenfalls keinen Ein-

fluß auf das vorherrschende Red/Ox-Verhältnis hätte. Da die Abweichung bezüglich der Re-

gressionsgeraden in Abbildung 4.55 einem zu kleinen Verhältnis von reduzierter zu oxidierter

Form entspricht, müßte nach dieser Interpretation die reduzierte Form schneller desorbieren

als die oxidierte, um die Ergebnisse der potentialabhängigen SERR-Untersuchungen an Cyt

b562 R98C zu erklären. Da das Häm gerade in dem Bereich des Proteins liegt, der

wahrscheinlich auch an der Adsorption des Proteins auf positiv geladene Monoschichten

beteiligt ist, erscheint ein Zusammenhang zwischen Redoxzustand der Hämgruppe und der

Adsorptionsfähigkeit des Proteins durchaus denkbar.

Abb. 4.55:

Nernst-Auftragung des LS/LS-

Überganges von Cyt b562 R98C

(O): Datenpunkt für die Regressi-

onsgerade berücksichtigt

Page 147: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 135

Bei einer Veränderung des Potentials in umgekehrter Richtung, also von hohen Potentialen

zu niedrigen, ergibt sich in Übereinstimmung mit den Vorhersagen der Nernst-Gleichung ein

linearer Zusammenhang zwischen Potential E und ln(RedLS/OxLS).

Man erhält ein Redoxpotential E0 = -0.033 V und einen Wert für z von 0.8 für den LS/LS-

Übergang von Cytochrom b562 R98C (R2 = 0.99). Der Fehler des Redoxpotentials läßt sich

aus der Streuung der Meßwerte zu ca. ± 0.02 V abschätzen. Damit liegt der Wert etwas nied-

riger als das Redoxpotential in Lösung, für das bei pH 7.0 ein Wert von 0.00 ± 0.01 V be-

stimmt wurde108.

Im Gegensatz dazu wurde eine Absenkung des Redoxpotentials beim Wildtyp nicht beob-

achtet. Dort liegt das Redoxpotential sogar leicht über dem Wert in Lösung (Abschnitt 3.2).

Die Wiederholung des Experimentes in D2O ergab im Rahmen der Meßgenauigkeit die glei-

chen Ergebnisse (pHapp = 7.46). Die Nernst-Auftragung lieferte ein Redoxpotential E0 von

-0.023 ± 0.01 V mit z = 0.8. Die Streuung der Meßwerte war in diesem Fall etwas geringer.

Cytochrom b562 R98C

Lsgs.mittel SAM E0 (LS ↔ LS) [V] z

H2O A-C2 -0.03 ± 0.02 0.8

D2O A-C2 -0.02 ± 0.01 0.8

Tab. 4.19: Elektrochemische Daten von Cyt b562 R98C

108 P. D. Barker, persönliche Mitteilung

Page 148: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE136

3.2 Cytochrom b562 WT

Zur detaillierten Charakterisierung der elektrochemischen Eigenschaften von Cytochrom

b562 wurde der Wildtyp des Proteins verwendet. Dabei standen besonders systematische

Veränderungen der elektrochemischen Parameter als Funktion der Dicke der Monoschicht

und des Lösungsmittels (H2O, D2O) im Mittelpunkt.

Alle Experimente wurden in 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.00 ± 0.05 (12.5 mM

K2SO4) durchgeführt (T = 295 ± 1 K). Als Korrektur für den Isotopieeffekt der pH-Meßelek-

trode diente wie auch bei Cyt b562 R98C ein Wert von 0.46.

Die Ergebnisse der Experimente auf der A-C6-Monoschicht sind repräsentativ für alle

verwendeten aminoterminierten Monoschichten, was die Zusammensetzung der

Oberflächengleichgewichte betrifft. In keinem Fall traten zusätzliche Spin- oder Redoxspe-

zies auf, so daß das Reaktionsschema in Abbildung 4.56 (rechts) als Modell für alle unter-

suchten Systeme gelten kann.

Die fünffach koordinierte reduzierte high spin Spezies 5crdHS konnte nicht in nennenswerter

Konzentration nachgewiesen werden, da das Protein bei Potentialen < -0.2 V vollständig in

den sechsfach koordinierten reduzierten low spin Zustand 6crdLS übergeht. Somit liegt das

Konformationsgleichgewicht zwischen fünffach und sechsfach koordinierter Form weit auf

der Seite der 6crdLS-Komponente.

Von zentraler Bedeutung für die Untersuchung der Elektronentransfereigenschaften von Cyt

b562 WT war jedoch der Übergang zwischen den nativen low spin Komponenten 6coxLS

und 6crdLS.

6coxLSET

6crdLS

5crdHS5coxHSET ?

Abb. 4.56:

Konformations- und Redoxgleichge-

wichte von Cyt b562 WT (A-C6, H2O)

?

Page 149: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 137

Abbildung 4.57 zeigt eine Zusammenstellung der Nernst-Auftragungen für die vier

untersuchten Monoschichten A-C2, A-C6, A-C8 und A-C11 in H2O.

Trotz der zunehmenden Streuung der Datenpunkte bei den längeren Monoschichten

aufgrund der geringeren Signalintensität ist eine systematische Zunahme des

Redoxpotentials mit der Kettenlänge der SAM zu erkennen (Tab. 4.18).

SAM E0 ±± ∆∆E0 [mV] z

A-C2 7 ± 5 0.7

A-C6 27 ± 5 0.8

A-C8 38 ± 10 0.8

A-C11 42 ± 10 0.7

A-C2

A-C8 A-C11

A-C6

Abb. 4.57: Nernst-Auftragungen für Cyt b562 WT auf verschiedenen SAM (in H2O)

Tab. 4.20:

Elektrochemische Parameter von Cyt b562 WT (H2O)

Page 150: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE138

Damit liegen die Redoxpotentiale deutlich über dem des Proteins in Lösung (E0Lsg = 0 mV30).

Der Nernst-Parameter z ist etwas kleiner als der Idealwert von eins, der zugehörige Fehler

∆z beträgt etwa ±0.1. Der Fehler des Redoxpotentials, ∆E0, wurde aus der Streuung der

Meßwerte im Bereich des Achsenabschnitts abgeschätzt.

Bei der Durchführung der Experimente in D2O unter sonst gleichen Bedingungen ergab sich

unerwarteterweise der umgekehrte Trend: Das Redoxpotential nimmt nach den hier erhal-

tenen Ergebnissen mit zunehmender Kettenlänge ab (Abb. 4.58).

Abb. 4.58: Nernst-Auftragungen für Cyt b562 WT auf verschiedenen SAM (in D2O)

A-C2

A-C11A-C8

A-C6

Page 151: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 139

SAM E0 ±± ∆∆E0 [mV] z

A-C2 22 ± 10 0.9

A-C6 18 ± 5 0.9

A-C8 7 ± 10 0.7

A-C11 10 ± 10 0.6

Auch in diesem Fall liegen die Redoxpotentiale des adsorbierten Proteins über dem des

Proteins in Lösung108; der Nernst-Parameter z ist ebenfalls etwas kleiner als eins.

Abbildung 4.59 faßt die Daten aus den Tabellen 4.20 und 4.21 zusammen. Die Regressions-

kurven sollen nur als Orientierungshilfen dienen und haben hier zunächst keine physikali-

sche Bedeutung.

Während die Zunahme des Redoxpotentials mit der SAM-Kettenlänge bei den Messungen in

H2O deutlich zu sehen ist, weisen die Ergebnisse in D2O noch große Unsicherheiten auf, wie

an den im Vergleich recht großen Fehlerbalken zu sehen ist. Die vorliegenden Daten lassen

in Anbetracht der Streuung der Meßwerte ebenfalls die Deutung zu, daß das Redoxpotential

E0D2O über den betrachteten Distanzbereich konstant bleibt.

Der Isotopeneffekt auf das Redoxpotential steht jedoch außer Frage, da die Differenz der

Redoxpotentiale auf einer bestimmten Monoschicht größer ist als die Streuung der Meßda-

ten.

Tab. 4.21:

Elektrochemische Parameter von Cyt b562 WT (D2O)

Abb. 4.59:

Redoxpotential von Cyt b562 WT

auf versch. SAM in H2O und D2O

Page 152: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE140

Eine weitere Beobachtung bezieht sich auf das Konzentrationsverhältnis der beiden

oxidierten Komponenten, 5coxHS und 6coxLS, in Abhängigkeit von der Dicke der SAM.

Ähnlich wie beim Redoxpotential entwickeln sich die Daten für H2O und D2O gegenläufig

(Abb. 4.60). Während das 5coxHS/6coxLS-Verhältnis in H2O mit zunehmender Kettenlänge

der Monoschicht steigt, beobachtet man in D2O genau den umgekehrten Effekt.

Die Messung erfolgte bei einem Potential von 0.1 V nach einer Äquilibrierungszeit von 30

Minuten, die Akkumulationszeit betrug in allen Fällen 20 Sekunden. Die Regressionskurven

dienen ausschließlich der Orientierung und haben hier keine physikalische Bedeutung.

Abb. 4.60: Verhältnis der beiden

oxidierten Komponenten von Cyt b562

WT auf versch. SAM in H2O und D2O

Page 153: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 141

G. Elektronentransferkinetik des Cytochrom b562

Die Bestimmung der Elektronentransferparameter des immobilisierten Cytochrom b562 WT

erfolgte mit Hilfe der Potentialsprung-Methode (Kap. II G).

Um die Störung der Grenzschichtstruktur durch den Potentialsprung gering zu halten, wur-

den grundsätzlich nur kleine Sprungweiten von 60 mV verwendet, obwohl punktuell durch-

geführte Testversuche mit etwas größeren Potentialsprüngen von 80 mV oder 100 mV das

gleiche Ergebnis ergaben.

Als Meßpuffer diente in jedem Fall 10 mM Kaliumphosphatpuffer bei pH 7.00 ± 0.05 (12.5

mM K2SO4), als Korrekturwert für den pH-Wert in D2O-haltigen Lösungen wurde 0.46 ver-

wendet29.

Die am Redoxprozeß beteiligten Spezies sind die beiden sechsfach koordinierten low spin

Komponenten 6coxLS und 6crdLS (Abb. 4.61 und 4.62).

Die Spektren in Abbildung 4.61 wurden bei einer Anregungsleistung von 60 mW an der

Probe gemessen, die effektive Akkumulationszeit betrug 20 s (stationär) bzw. 10 s (zeit-

aufgelöst). Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Spektren bezüglich ihres jeweiligen

Maximums der ν4-Bande normiert.

Abb. 4.61:

(TR) SERR-Spektren von Cyt b562 WT

(A-C8, H2O), Meßbedingungen s. Text

Page 154: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE142

Zur Auswertung der Kinetik wurde die Relaxationsmethode verwendet. Die logarithmische

Auftragung der Abweichung vom Gleichgewichtszustand am Potential Ef gegen die Verzöge-

rungszeit δ' liefert einen linearen Zusammenhang mit einem Achsenabschnitt y0 von null und

einer Steigung, die der negativen inversen Zeitkonstante -1/τ des Prozesses entspricht.

Für Potentialsprünge zum Redoxpotential Ef = E0, d. h. bei einer Überspannung η von null,

steht τ mit der Geschwindigkeitskonstante des Prozesses k(E0) = k0 in einem einfachen

Zusammenhang (Kap. II G):

τ⋅−=

21

k0 (Gl. 4.6)

Abbildung 4.63 zeigt die Auswertungen der kinetischen Daten für alle untersuchten Mono-

schichten in H2O und D2O, Tabelle 4.22 enthält die daraus abgeleiteten

Geschwindigkeitskonstanten des Elektronentransferprozesses.

Abb. 4.62:

Konzentration-Zeit-Kurven für die

verschiedenen Komponenten von

Cyt b562 WT (A-C8, H2O)

Page 155: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 143

SAM −1/τ−1/τ [s-1] y0 Medium k0 [s-1]

A-C2 -43.1 -0.02 H2O 22

-52.0 -0.09 D2O 26

A-C6 -108.1 -0.17 H2O 54

-103.6 -0.05 D2O 52

A-C8 -108.4 -0.09 H2O 54

-101.7 -0.14 D2O 51

A-C11 -63.4

-71.2

+0.67

+0.39

H2O 34

(Mittelwert)

-67.7 +0.12 D2O 34

Tab. 4.22: Zusammenfassung der kinetischen Daten von Cyt b562 WT

Bemerkenswert sind die teilweise signifikanten Abweichungen von y0 vom theoretisch

erwarteten Wert (null). Zwar sind die Werte für y0 auf den Monoschichten A-C2, A-C6 und A-

C8 in der Regel klein gegenüber der Gesamtveränderung auf der Ordinatenachse, doch

besonders die Achsenabschnitte der Experimente auf A-C11 (H2O) weichen deutlich nach

oben ab. Trotzdem gibt es reproduzierbare Veränderungen der relativen Konzentrationen in

Abhängigkeit von der Verzögerungszeit δ'.

Aufgrund des limitierten Datensatzes müssen die Resultate für A-C11 als vorläufig betrachtet

werden.

Page 156: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE144

Abb. 4.63: Auswertung der kinetischen Daten für Cyt b562 WT - Übersicht

Page 157: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE 145

Die Geschwindigkeitskonstanten des Elektronentransferprozesses als Funktion des

Abstandes von der Elektrode zeigen ein nichtmonotones Verhalten, das den Vorhersagen

der Theorie für ein einfaches Zwei-Zustand-System widerspricht (Abb. 4.64). Danach müßte

die Geschwindigkeitskonstante exponentiell mit dem Abstand zwischen Redoxzentrum und

Metalloberfläche abnehmen.

Im Gegensatz dazu steigt die Geschwindigkeitskonstante k0(A-C6) im Vergleich zu k0(A-C2)

an und bildet mit k0(A-C8) ein Plateau bei etwa 50 s-1. Bei der A-C11-SAM hat k0

abgenommen, wie man es aufgrund der Vergrößerung des Abstandes erwarten würde.

Offenbar ist die Elektronentransferreaktion Teil eines komplexeren Prozesses, in dem zu-

mindest bei den kürzeren Monoschichten nicht der Elektronentransfer geschwindigkeitsbe-

stimmend ist. Aufgrund des fehlenden kinetischen Isotopieeffektes kann Protonentransfer als

Ursache dafür ausgeschlossen werden. Möglicherweise sind Reorientierungsvorgänge oder

Adsorptions-/Desorptionsprozesse für das Verhalten verantwortlich (Kap. V).

Die Bestimmung der Fehlerbalken in Abbildung 4.65 ist nicht trivial, da die aufwendige Ana-

lyseprozedur von der Bearbeitung der Rohdaten bis zur Anpassung dieser durch die Kom-

ponentenspektren nicht in eine streng mathematische Form gebracht werden kann. Zudem

muß zwischen absoluten und relativen Fehlern unterschieden werden. Ein fehlerhaftes Kom-

ponentenspektrum wird sich möglicherweise deutlich auf die Bestimmung der absoluten

Konzentrationsverhältnisse in einem Meßspektrum auswirken, während sein Einfluß auf die

Geschwindigkeitskonstante gleichzeitig klein bleiben kann, da die Geschwindigkeitskon-

stante aus der Änderung der Zusammensetzung des Systems bestimmt wird.

Abb. 4.64:

Geschwindigkeitskonstanten der

Elektronentransferreaktion in H2O

und D2O auf verschiedenen SAM

Page 158: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

IV. ERGEBNISSE146

Erfahrungsgemäß liegt die Streuung der Meßwerte für k0 in gut charakterisierten Systemen

wie Cyt c bei 10-15%109. Bei Cyt b562 WT ist der Bestand an experimentellen Daten zur Zeit

geringer, so daß der mit k0 assozierte relative Fehler wahrscheinlich etwas höher liegt und zu

etwa 20% abgeschätzt wird.

109 D. H. Murgida, persönliche Mitteilung

Page 159: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 147

V. Diskussion

Page 160: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION148

A. Untersuchung der de novo Proteine

1. Proteinfaltung: Stabilität und Kooperativität

Die Stabilität der de novo Proteine gegenüber chemisch induzierter Entfaltung war

abgesehen von MOP-P1 deutlich niedriger als bei vergleichbaren natürlichen Proteinen

(Kap. IV A 3). Außerdem scheint ein Zusammenhang zwischen Freier Entfaltungsenthalpie

∆GNU und der Kooperativität m des Prozesses zu bestehen, der a priori nicht zu erwarten ist

(Abb. 5.1). So können Proteine von ähnlicher Stabilität durchaus ganz verschiedene

Kooperativitäten aufweisen, wie sich am Beispiel von Cyt c (Hefe) und Cyt b5 (Rind, A-Typ)

zeigt (Abb. 4.3).

Bei aller Vorsicht aufgrund des limitierten Datensatzes kann der Befund durch eine

mangelhafte Faltung der Proteine erklärt werden.

Die Freie Entfaltungenthalpie ∆GNU gibt im Rahmen des Zwei-Zustand-Modells die Differenz

der Freien Enthalpien von denaturiertem und gefaltetem Zustand an. Diese Differenz wird

maßgeblich durch die Zerstörung bzw. Bildung des hydrophoben Kerns beeinflußt. Im

Idealfall sind im gefalteten Zustand alle hydrophoben Aminosäurereste von der wäßrigen

Lösung abgewandt und liefern durch hydrophobe Wechselwirkungen einen Beitrag zur

Stabilität des Proteins. Im entfalteten Zustand dagegen ist dieser hydrophobe Kern

weitgehend zerstört, so daß die Stabilisierung durch den hydrophoben Effekt entfällt.

Wenn die de novo Proteine allerdings im gefalteten Zustand eine hohe Dynamik aufweisen,

dann werden die hydrophoben Seitenketten im zeitlichen Mittel stärker dem wäßrigen

Abb. 5.1:

Stabilität und Kooperativität

der de novo Proteine

Page 161: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 149

Lösungsmittel ausgesetzt. Dadurch verringert sich die Differenz der Freien Enthalpien

zwischen gefaltetem und ungefaltetem Zustand und ∆GNU nimmt ab.

Der Parameter m für die Kooperativität des Entfaltungsprozesses hängt wiederum von

dessen Mechanismus ab. Eine Abnahme von m wird entweder mit dem Auftreten mehrerer

Übergangszustände oder mit einem kompakteren entfalteten Zustand in Verbindung

gebracht110.

Wenn nun schon der „native“ Zustand keine eindeutige Faltung aufweist, dann liegt es nahe,

auch für den Übergangszustand des Entfaltungsprozesses ein Ensemble von Strukturen

anzunehmen, was den Zusammenhang zwischen ∆GNU und m erklären kann. Die Dynamik

des gefalteten Zustandes führt zu einer Verringerung von ∆GNU und wegen der Bildung eines

Strukturensembles gleichzeitig zur Erniedrigung von m. MOP-P1 weist unter den de novo

Proteinen die höchste Stabilität und Kooperativität auf, was folglich auf eine höhere Qualität

der Packung im gefalteten Zustand zurückgehen kann.

Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Differenz zwischen den Freien Enthalpien des

Übergangszustandes und des gefalteten Zustandes ∆GA klein sein muß. Außer bei MOP-C

war eine GuHCl-Konzentration c > 1.5 M nötig,

um den Entfaltungsprozeß zu induzieren (Abb.

4.2). Dies entspräche bei m = -5 kJ/(mol⋅M)

einer Freien Enthalpie von ∆G = 15 kJ/mol.

Aus diesen Überlegungen heraus läßt sich das

Energieschema in Abb. 5.2 aufstellen, das mit

den experimentellen Befunden im Einklang

steht. Aus einem Ensemble von gefalteten

Zuständen geht das Protein unter

denaturierenden Bedingungen über eine

Verteilung von Übergangszuständen in den

vollständig entfalteten Zustand über, der

wiederum durch eine Vielzahl energetisch

ähnlicher Unterstrukturen gekennzeichnet ist.

110 B. Hammack et al., Protein Sci. (1998), 7: 1789-1795

Abb. 5.2:

Entfaltungsprozeß bei einem de novo Protein

unter denaturierenden Bedingungen (Modell)

Page 162: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION150

2. Adsorption und Redoxgleichgewichte an der Oberfläche

Ein zentraler Bestandteil des Designs der de novo Proteine war die Schaffung einer

spezifischen Bindungsdomäne für die Adsorption an modifizierte Metalloberflächen. Dies ist

bei allen Proteinen gelungen, da anhand (spektro-) elektrochemischer Methoden die

Adsorption nachgewiesen und teilweise auch quantifiziert werden konnte. Für die Proteine

MOP-P2 und MOP-P3 ergaben sich aus der Integration des elektrochemischen Signals

Bedeckungsgrade von etwa 20%, für MOP-C sogar ein Wert von fast 100%. Die Orientierung

der Proteine auf der Oberfläche ist allerdings unbekannt, so daß der effektive Raumbedarf

und damit die Berechnung des Bedeckungsgrades mit einer gewissen Unsicherheit behaftet

ist.

Für MOP-F konnte der Immobilisierungsmechanismus im Gegensatz zu den anderen

Proteinen nicht geklärt werden. Vorgesehen war die Bindung über eine hydrophobe

Bindungsdomäne mit einem Fettsäurerest, doch die Immobilisierung auf der Oberfläche

gelang unter Erhaltung der nativen Struktur nur auf negativ geladenen, COOH-terminierten

SAM. Auf rein hydrophoben Schichten kam es dagegen zur Denaturierung des Proteins. Es

ist deshalb unklar, ob die Immobilisierung von MOP-F auf negativ geladenen SAM unter

Einbeziehung des Fettsäurerestes verläuft oder ob dessen Alkylkette dabei ins Proteininnere

zeigt und die Bindung über benachbarte positiv geladene Lysinreste zustande kommt.

Möglicherweise liegt MOP-F an der Oberfläche wie in Lösung als Dimer vor (Kap. IV A 4).

Nach der Immobilisierung behalten alle Proteine des P-Typs sowie MOP-F im oxidierten

Zustand weitgehend ihre native Struktur, wie ein Vergleich zwischen RR- und SERR-

Spektren gezeigt hat. Lediglich im MOP-C wurde neben der nativen Struktur ein erheblicher

Anteil eines 5coxHS Zustandes nachgewiesen, wobei der fünfte Ligand entweder ein Histidin

oder ein H2O Molekül ist.

Das Intensitätsverhältnis zwischen ν4- und ν3-Bande liefert in der Regel einen Hinweis auf

den Ligandierungszustand: Ein niedriger Wert nahe bei eins deutet auf H2O als fünften

Liganden hin, während ein höheres Verhältnis eher für eine His-Ligandierung spricht111. Im

vorliegenden Fall liegt dieses Verhältnis bei etwa 1:0.7 und ähnelt damit dem RR-Spektrum

von 1,2-Dimetylimidazol-Hämin111, was auf die Ligandierung durch ein Histidin hinweist.

Die Reduktion der de novo Proteine an der Oberfläche ist nicht vollständig reversibel und

geht mit der Zerstörung des Hämkomplexes einher. Daneben ist bei allen de novo Proteinen

111 A. Boffi et al., Biophys. J., vol. 77, 1143-49 (1999)

Page 163: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 151

das Auftreten einer fünffach koordinierten Spezies zu beobachten, bei der ein His-Ligand

abgespalten wurde, wie ein Vergleich mit RR-Daten natürlicher Proteine gezeigt hat112.

Möglicherweise ist die Bildung dieser Spezies mit dem Abbau des Hämkomplexes verknüpft,

da beide Phänomene von der Sauerstoffkonzentration in der Proteinlösung abhängen (Kap.

V. A 3).

3. Spezifische Probleme bei der Untersuchung der de novo Proteine

3.1 Redoxpotential und Stabilität der Monoschicht

Die Redoxpotentiale der bis-His-koordinierten de novo Proteine liegen in der Regel unterhalb

von -0.4 V (Tab. 5.1) und damit außerhalb des Stabilitätsbereiches der C3-Monoschicht

(Kap. IV B). Die Redoxpotentiale von MOP-C und MOP-F sind zwar höher, aber diese

Proteine weisen eine geringere Stabilität auf.

Für die Lage des Redoxpotentials spielt die

unmittelbare Umgebung der Hämgruppe

eine entscheidende Rolle. Während ein bis-

His-Komplex von Fe-Protoporphyrin-IX in

wäßriger Lösung ein Redoxpotential von -

0.43 V aufweist, erreicht Cyt b5 mit dem

gleichen Ligandierungsschema einen Wert

von -0.20 V113. Zu den wichtigsten

Einflußgrößen gehört die Hydrophobizität

der Hämtasche, die eine Verschiebung des

Redoxpotentials um bis zu 0.14 V bewirken

kann. Die spezifische Wechselwirkung des

Häms mit einer hydrophoben oder einer

hydrophilen Aminosäureseitenkette können

jeweils weitere 0.05 V beitragen114.

112 R. G. Alden, M. R. Ondrias, J. Biol. Chem., vol. 260, 12194-12197 (1985); C. R. Andrew et al.,

Biochem. 40 (13): 4115-4122 (2001)113 L.-L. Xue et al., Biochem., vol. 38, no. 37, 11961-11972 (1999)114 M. L. Kennedy, B. R. Gibney, Curr. Op. Struct. Biol., 11: 485-490 (2001)

Protein E0 [V] Übergang

MOP-P1 -0.01

< -0.60

(SERRS)

(SERRS)

LS/LS

LS/LS

MOP-P2 < -0.55 (SERRS) LS/LS

MOP-P3 -0.43 (SERRS) LS/LS

MOP-C -0.30

∼ -0.40

-0.35

(SERRS)

(SERRS)

(CV)

HS/HS

LS/ ?

?

MOP-F ∼ -0.30 (SERRS) LS/ ?

Tab. 5.1: Redoxpotentiale der de novo Proteine

Page 164: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION152

Das Redoxpotential der de novo Proteine liegt im Bereich von bis-His-koordinierten Häminen

in Lösung (E0(bis-His-Fe-Protoporphyrin-IX) = -0.429 V115), was auf eine schlechte Packung

der Aminosäuren und eine geringe Hydrophobizität der Hämbindetasche hinweist.

Möglicherweise kommen bei MOP-P1 und MOP-P2 noch weitere Effekte hinzu, da ihre

Redoxpotentiale noch deutlich unter dem Wert für bis-His-Fe-Protoporphyrin-IX liegen.

3.2 Die Sauerstoffempfindlichkeit der de novo Proteine

Bei allen de novo Proteinen führte die Reduktion mit Natriumdithionit unter aeroben

Bedingungen zu einem signifikanten Hämabbau, wobei im Fall von MOP-C das Hämzentrum

sogar vollständig zerstört wurde. Der Reaktionsweg ist im Detail nicht bekannt, doch offenbar

wird der Porphyrinring selbst angegriffen. Im Extremfall konnte überhaupt keine Absorption

im Soret-Bereich des Absorptionsspektrums und demzufolge auch kein RR-Spektrum mehr

gemessen werden, was auf die Zerstörung des π-Elektronensystems hindeutet.

An der Elektrode war der gleiche Effekt zu beobachten, wobei der größte SERR-

Signalverlust bei jedem de novo Protein im Potentialbereich von -0.3 V bis -0.35 V erfolgte.

Abbildung 5.3 zeigt dieses Verhalten exemplarisch für MOP-P2 (Kap. IV A.3.2).

Während der ersten beiden

Messungen wurde das Po-

tential nicht verändert. Die

relative Oberflächenkonzen-

tration cOberfl.,rel an SERR-

aktivem Protein sinkt leicht

aufgrund von Äquilibrie-

rungseffekten, wie sie auch

bei natürlichen Proteinen

auftreten. Eine Potential-

erniedrigung führt jedoch zu

einer drastischen Verringe-

rung von cOberfl.,rel, obwohl die

Reduktion des Proteins noch

nicht einsetzt. Dieser Prozeß

beginnt erst ab etwa -0.4 V (Abb. 4.28).

115 J. M. Shifman et al., Biochem., 39. 14813-14821 (2000)

Abb. 5.3: Stabilität von MOP-P2 auf einer C3-SAM

Punkte: [MOP-P2]Oberfl.,rel (linke Größenachse)

Balken: Potential (rechte Größenachse)

Page 165: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 153

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Abbaureaktion zwar erst unter reduzierenden

Bedingungen beginnt, aber dennoch vom Redoxzustand des Hämeisens unabhängig ist. Es

handelt sich also wahrscheinlich nicht um einen gezielten oxidativen Hämabbau wie in der

Hämoxygenase116, sondern eher um eine unspezifische Zerstörung der Hämgruppe. Dafür

kommen hochreaktive Sauerstoffradikale in Frage, die bei der Reduktion von gelöstem O2

sowohl auf chemischem Weg durch Na2S2O4 als auch auf elektrochemischem Weg durch

Elektroreduktion gebildet werden. Damit würde sich auch die erhöhte Stabilität der Proteine

unter strikt anaeroben Bedingungen erklären.

Gleichzeitig scheint aber die reduzierte Form des Hämkomplexes gegenüber der

sauerstoffinduzierten Zerstörung empfindlicher zu sein, wie am Beispiel von MOP-P2 gezeigt

wurde (Abb. 4.27).

In der hohen Empfindlichkeit gegenüber O2 unterscheiden sich die de novo Proteine deutlich

von natürlichen Elektronentransferproteinen wie Cytochrom c oder Cytochrom b562, die

unter ähnlichen experimentellen Bedingungen kaum Hämabbau zeigten.

Höchstwahrscheinlich spielt auch hier die nichtoptimale Faltung der de novo Proteine eine

Rolle. Natürliche Proteine weisen in der Regel eine gute Packung und eine niedrige Mobilität

der Aminosäureseitenketten auf, so daß die Hämtasche gegen reaktive Spezies aus der

Lösung gut abgeschirmt ist. Bei synthetischen Proteinen ist die Faltung und somit auch der

Schutz der Hämtasche schlechter. Folglich kann die Hämgruppe leichter zerstört werden, da

sie zugänglicher für Sauerstoffradikale ist.

Wie wichtig eine optimierte Packung ist, sieht man zum Beispiel daran, daß selbst leicht

modifizierte natürliche Elektronentransfer- oder O2-Transportproteine eine erhöhte

Empfindlichkeit gegenüber Nebenreaktionen zeigen können117.

116 L. Avila et al., J. Am. Chem. Soc., 125, 4103-4110 (2003)117 T. Murakami et al., J. Am. Chem. Soc., 121, 2007-2011 (1999); M. Ihara et al., J. Am. Chem. Soc.,

122, 11535-11536 (2000); s. a. 116

Page 166: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION154

3.3 Nichtidealität der Redoxchemie

Die spektroelektrochemische Charakterisierung der de novo Proteine brachte eine weitere

Eigenschaft zutage, die vom erwarteten Verhalten abweicht. Während der Nernst-Parameter

z gemäß der Stöchiometrie der Redoxreaktion gleich eins sein sollte, ergaben die

Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit Werte, die in der Regel um 0.4 lagen. Lediglich in

einem Fall, dem HS/HS-Übergang von MOP-C, lag z bei 0.8 und damit relativ nahe am

theoretisch erwarteten Wert. Die Redoxübergänge erfolgen im Vergleich zum Idealfall über

einen zu breiten Potentialbereich.

Dieser Befund kann durch die Überlagerung von mehreren Redoxgleichgewichten mit leicht

unterschiedlichen Redoxpotentialen verursacht werden, die experimentell nicht individuell

aufgelöst werden können. Eine solche Modulation des Redoxpotentials kann entstehen,

wenn die Hämtasche eine wenig definierte Struktur besitzt. Die für jede Hämgruppe leicht

unterschiedliche Proteinumgebung verändert das Redoxpotential, was effektiv zu einem

verbreiterten Redoxübergang führt.

Die niedrige Stabilität und Kooperativität der de novo Proteine bei chemisch induzierter

Entfaltung unterstützt diese Erklärung, da vor allem die geringe Kooperativität auf eine

schlechte Faltung der Proteinstruktur hinweist.

Eine zweite Erklärung, die ebenfalls durch experimentelle Daten unterstützt wird, ist das

Auftreten von Nebenreaktionen. Wenn beispielsweise die reduzierte Komponente durch eine

Abbaureaktion, deren Geschwindigkeit mit der des ET-Prozesses vergleichbar ist, aus dem

Gleichgewicht entfernt wird, dann stellt sich das Redoxgleichgewicht nicht ein. Im Verhältnis

liegt mehr oxidierte als reduzierte Form vor als aufgrund des angelegten Potentials und der

Nernst-Gleichung zu erwarten wäre. Dies führt zu einer Verbreiterung des Redoxüberganges

und zu Nernst-Parametern z < 1.

Gleichzeitig verursacht diese Nebenreaktion ein Absinken des gemessenen Redoxpotentials,

da oxidierte und reduzierte Form erst bei niedrigeren Potentialen in gleichem Verhältnis

vorkommen. Die Geschwindigkeit der Reduktionsreaktion steigt mit sinkendem Potential.

Bei allen de novo Proteine konnten sauerstoffinduzierte Abbaureaktionen nachgewiesen

werden und im Fall von MOP-P2 zeigte sich, daß diese Reaktionen für die reduzierte Form

effizienter ablaufen als für die oxidierte (Abb. 4.27).

Aus diesem Grund ist auch der zweite Erklärungsansatz plausibel, zumal er außerdem eine

Begründung für die sehr niedrigen Redoxpotentiale von MOP-P1 und MOP-P2 liefert.

Page 167: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 155

B. Cytochrom b562

1. Adsorptionseigenschaften

1.1 Cyt b562 auf aminoterminierten Monoschichten verschiedener Länge

Wie in Kap. IV F.1 bereits diskutiert wurde, zeigt Cyt b562 WT ein unerwartetes Verhalten

bei der Adsorption auf die verschiedenen aminoterminierten Monoschichten (Abb. 4.51). Bei

gleicher Oberflächenkonzentration des Proteins müßte die SERR-Intensität monoton mit

dem Abstand zur Metalloberfläche abnehmen. Hier dagegen liegt die Intensität für A-C8 nur

knapp unterhalb von A-C2, obwohl der Abstand zur Metalloberfläche um etwa 8 Å größer ist.

Daraus folgt, daß die Konzentration bei A-C2 kleiner ist als bei A-C8.

Geht man davon aus, daß die Adsorptionseigenschaften des Proteins nicht per se von der

SAM-Kettenlänge abhängen, dann kommt dafür nur die Veränderung der Oberflächen-

ladungsdichte der Monoschicht in Frage.

Zumindest A-C2 kann zusätzlich zur Thiolgruppe auch über die Aminogruppe auf die

Silberoberfläche adsorbieren, so daß bei einer A-C2-SAM die Oberflächenladungsdichte

effektiv verringert wird (Kap. III C.2.2.4). SERR-spektroskopische Arbeiten ergaben, daß das

Verhältnis zwischen trans-Konformer (NH2-Gruppe zeigt in die Lösung) und gauche-

Konformer (NH2-Gruppe ist adsorbiert) unter bestimmten Präparationsbedingungen für die A-

C2-Monoschicht im Bereich von 1:10 liegen kann118. Dies würde in der Tat zu einer

signifikanten Erniedrigung der Oberflächenladungsdichte führen und die Adsorption von Cyt

b562 WT verringern.

Für aminoterminierte Alkylthiole mit größeren Kettenlängen liegen entsprechende Daten

nicht vor. Vermutlich ist die Adsorption der NH2-Gruppe aber weniger stark ausgeprägt, weil

mit steigender Kettenlänge der hydrophobe Effekt größer wird und für eine zunehmende

Ordnung der Monoschichten sorgt.

Gleichzeitig unterscheiden sich auch die pK1/2-Werte der verschiedenen SAM. Während für

A-C2 mit Hilfe von chemical force AFM (CF-AFM) der pK1/2-Wert zu 8.5 bestimmt

wurde118,119, ergab sich für A-C11 ein Wert von 9.7 (CF-AFM) 119. Für die anderen SAM A-C6

und A-C8 liegen keine Daten vor.

118 A. Kudelski, W. Hill, Langmuir, vol. 15, 3162-3168 (1999)119 M. L. Wallwork et al., Langmuir, vol. 17, 1126-1131 (2001)

Page 168: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION156

Somit kann gefolgert werden, daß beide Faktoren, die fakultative Adsorption über die NH2-

und die Thiolfunktion, sowie die unterschiedlichen pK1/2-Werte der Aminogruppe, die

Abstandsabhängigkeit der Oberflächenladungsdichte der SAM und damit das Adsorptions-

gleichgewicht des Proteins begründen.

1.2 Potentialabhängigkeit der Adsorption

Das Adsorptionsgleichgewicht des Proteins wies außerdem eine deutliche

Potentialabhängigkeit auf (Abb. 4.52) und verschob sich mit abnehmendem Potential immer

weiter zur adsorbierten Form. Eine redoxabhängige Änderung der Adsorptionseigenschaften

des Proteins kommt als Ursache nicht in Betracht, da sich die Zunahme an SERR-Intensität

auch deutlich unterhalb des Redoxpotentials fortsetzt. Dagegen läßt sich dieser Befund

ebenfalls über die Eigenschaften der Monoschicht erklären.

Bei potentialabhängigen SERR-Untersuchungen an A-C2 fanden Kudelski und Hill, daß der

Anteil an trans-Konformer mit abnehmendem Potential zunimmt (Abschn. 1.1)118. Die

Autoren führen diesen Effekt auf die zunehmende negative Aufladung der Metalloberfläche

zurück. Dadurch würde die Abstoßung zwischen der Metalloberfläche und den Elektronen

der Aminogruppe verstärkt, bis die Aminogruppe sich von dort löst und A-C2 von der

gauche- in die trans-Konformation übergeht. Dadurch erhöht sich die Anzahl an Pro-

teinbindungsstellen und die Oberflächenkonzentration des Proteins steigt.

Den gleichen Effekt erzeugt die Feldabhängigkeit des Protonierungsgleichgewichtes der

SAM. Durch die positive Ladung der Metalloberfläche bei Potentialen, die deutlich oberhalb

des Potentials der Nulladung liegen, werden die protonierte Aminogruppen destabilisiert.

Eine Erniedrigung des Potentials führt zu einer Abnahme dieser Destabilisierung, so daß der

Protonierungsgrad der Monoschicht und damit die Adsorption des Proteins steigt.

Page 169: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 157

2. Cytochrom b562 in der elektrischen Doppelschicht

Die Charakterisierung des immobilisierten Cyt b562 WT bezüglich seiner elektrochemischen

Eigenschaften ergab eine Abhängigkeit des Redoxpotentials und des Verhältnisses

[5coxHS]/[6coxLS] von der Dicke der Monoschicht dA (Abb. 4.59 und Abb. 4.60). Während in

H2O sowohl E0 als auch [5coxHS]/[6coxLS] mit steigendem Abstand dA zur Metalloberfläche

ansteigen, ergibt sich in D2O genau die umgekehrte Abhängigkeit.

Abb. 4.59:

Redoxpotential von Cyt b562 WT

auf versch. SAM in H2O und D2O

Abb. 4.60: Verhältnis der beiden

oxidierten Komponenten von Cyt b562

WT auf versch. SAM in H2O und D2O

Page 170: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION158

Bei Cytochrom c auf COOH-terminierten Monoschichten beobachtet man eine Verringerung

des Redoxpotentials und eine Abnahme nichtnativer Spezies mit zunehmender Dicke der

Monoschicht, was von Murgida und Hildebrandt mit Hilfe eines modifizierten

Grenzschichtmodells nach Smith und White erklärt wurde120,121. Das Auftreten nichtnativer

Konformationszustände wurde dabei mit der zunehmenden elektrischen Feldstärke in der

Nähe der Metalloberfläche in Verbindung gebracht.

Nach dem Modell von Smith und White wird die Grenzschicht in Bereiche mit linearem

Potentialverlauf (zwischen Metall M und den Kopfgruppen A der SAM bzw. zwischen diesen

Kopfgruppen A und der Ebene der Redoxzentren RC) und einen Bereich mit exponentiellem

Potentialverlauf nach Gouy-Chapman eingeteilt (von RC in die Lösung, Abb. 5.4).

Für die Auswertung der Ergebnisse von Cyt b562 WT auf aminoterminierten Monoschichten

kann das Modell in der modifizierten Form von Murgida und Hildebrandt jedoch nicht

verwendet werden, da einige wichtige Voraussetzungen bei Cyt b562 WT nicht erfüllt sind.

So wurde bei der Auswertung der Daten für Cyt c im Rahmen des Modells davon

ausgegangen, daß die Oberflächenladungsdichten σSAM und σRC für alle SAM konstant sind.

Dies ist für immobilisiertes Cyt c auf COOH-terminierten Monoschichten mit guter Näherung

der Fall, da die Intensität des SERR-Signals mit zunehmendem Abstand zwischen

Redoxzentrum und Metalloberfläche exponentiell abnimmt.

120 C. P. Smith, H. S. White, Anal. Chem., 64, 2398 (1992)121 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Phys. Chem. B, 105, 1578-1586 (1999)

Abb. 5.4:

Schematische Darstellung der

Potentialverteilung in der elektro-

chemischen Doppelschicht

Page 171: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 159

Bei Cyt b562 WT auf aminoterminierten Monoschichten nehmen sowohl die Ladungsdichte

der Monoschicht (σA) als auch die Oberflächenkonzentration des Proteins (und damit σRC)

mit steigender Kettenlänge zu (Abschn. B.1.1). Aus den SERR-Intensitäten läßt sich

abschätzen, daß dieser Effekt beim Übergang von A-C2 nach A-C8 etwa eine

Größenordnung umfassen kann.

Außerdem kann σRC nicht wie bei Cyt c über die Ladung der Redoxzentren definiert werden,

da σRC sonst zwangsläufig größer null wäre (Gl. 5.1).

( ) ( )( )redredredredotPrRC czc11ze ⋅+−⋅+⋅Γ⋅=σ (Gl. 5.1)

ΓProt ist dabei die Oberflächenkonzentration des Proteins, zred die formale Ladung des

reduzierten Häms und cred der relative Anteil der reduzierten Form.

Während in Cyt c nicht nur das eigentliche Redoxzentrum, d. h. das Häm, sondern auch die

Proteinhülle positiv geladen ist, trägt letztere bei Cyt b562 eine negative Ladung122. Deshalb

ist die Nettoladung des Proteins unabhängig vom Redoxzustand negativ, was wesentlich für

die elektrostatische Bindung an die kationischen Monoschichten ist. Im Sinne des

vorliegenden Modells muß man somit davon ausgehen, daß die Ladungsdichte σRC < 0 ist.

Obwohl die Voraussetzungen für eine quantitative Auswertung der Meßdaten für Cyt b562

WT fehlen, kann das modifizierte Modell nach Smith und White dennoch helfen, die

experimentellen Befunde für Cyt b562 WT zumindest qualitativ zu verstehen. Dies sind

insbesondere die Abstandsabhängigkeit des Redoxpotentials und des [5coxHS]/[6coxLS]-

Verhältnisses sowie der Isotopieeffekt auf E0(dA).

Für den Potentialabfall ERC = E0 - E0s gilt:

( ) ( )( )( )κ⋅ε⋅ε⋅+ε⋅+ε⋅ε⋅ε

σ⋅ε⋅+ε⋅+−⋅ε⋅ε⋅ε+⋅ε⋅σ=

sARCPAPA0

RCARCPApzcAP0APARC dd

ddEEdE (Gl. 5.2)

E0 ist das Redoxpotential des immobilisierten Proteins und E0s das Redoxpotential in Lösung.

εA, εP und εs sind die Dielektrizitätskonstanten der Monoschicht, des Proteins bzw. des

Lösungsmittels (εA = 2.26, εP = 2, ε s = 78)121. Epzc = -0.97 V ist das Potential der Nulladung

122 P. D. Barker et al., Inorg. Chim. Acta, 252, 71-77 (1996)

Page 172: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION160

von polykristallinem Ag 123 und κ die inverse Debye-Länge (hier: 1/κ = 1.3⋅10-9 m). dRC ist der

Abstand zwischen dem Redoxzentrum und der Proteinoberfläche, an der die Adsorption

stattfindet. Er wurde mit Hilfe der Proteinstruktur (1QPU) als mittlerer Abstand zwischen dem

zentralen Eisenion und den COOH-Gruppen des Häms bestimmt, da die Carboxylatgruppen

höchstwahrscheinlich Teil der negativen Bindungsdomäne des Proteins sind (dRC = 8.5 Å).

Da εA << εs ist, läßt sich Gl. 5.2 vereinfachen:

( )( )ARCpAs0

pzcAp0AApRCRCARCApRC dd

EEdddE

ε⋅+ε⋅⋅κ⋅ε⋅ε−⋅ε⋅ε⋅ε+σ⋅⋅ε+σ⋅⋅ε+σ⋅⋅ε

≈ (Gl. 5.3)

ERC hängt sowohl in H2O als auch in D2O vom Abstand dA ab. Während ERC in H2O jedoch

mit dA steigt, kehrt sich die Proportionalität in D2O um. Das bedeutet, daß die Ableitung von

ERC nach dA einen Vorzeichenwechsel erfährt.

( ) ( ) ( ) ( )

σ⋅+σ⋅++σ⋅⋅

ε⋅+ε⋅⋅κ⋅ε⋅ε=

4342143421321

d

A

A4

c

A

RC3

b

2

a

A12ARCpAs0A

RC

ddd

Kdd

dKKK

dd

1dd

dE(Gl. 5.4)

mit

( )( )

RCApA2A

2p4

2ARCpA3

pzc2pA02

RCpA1

dddK

ddK

EEK

dK

⋅⋅ε⋅ε+⋅ε=

ε⋅+ε⋅=

−⋅ε⋅ε⋅ε−=

⋅ε⋅ε=

Die Terme a bis d in Gl. 5.4 können in der gleichen Größenordnung liegen, sie haben aber

unterschiedliche Vorzeichen. Die Terme a und b sind unabhängig von dA positiv bzw. negativ

(a > 0, b < 0).

σRC ist negativ, wie eine Abschätzung der Oberflächenkonzentration zeigt. Sein Betrag steigt

mit zunehmendem dA zunächst an, um sich schließlich einem konstanten Wert anzunähern

(c < 0).

123 G. Valette, A. J. Hamelin, J. Electroanal. Chem. Interface Sci., 45, 301 (1973)

Page 173: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 161

σA zeigt - wie die pK1/2-Werte der Monoschichten nahelegen - vermutlich ein entgegenge-

setztes Verhalten (d > 0). Man kann zudem davon ausgehen, daß σA ∝ -σRC ist.

Dadurch wird ersichtlich, daß Betrag, Vorzeichen und Abstandsabhängigkeit von ERC im

wesentlichen von der Größe und Abstandsabhängigkeit von σA abhängen.

Ist σA hinreichend groß gegenüber σRC resultiert ein positives ERC, das mit dA ansteigt, wie

es für Cyt b562 WT in H2O beobachtet wurde. Der umgekehrte Fall, der für Cyt b562 WT in

D2O gefunden wurde, bedeutet demnach einen relativ kleinen Wert für σA und ggf. eine

schwache Abstandsabhängigkeit.

Dies kann zum einen daran liegen, daß das Ionisierungsgleichgewicht der Monoschicht stär-

ker auf Seiten der ungeladenen Form liegt, was zudem die Bindung der NH2-Gruppe an die

Ag-Oberfläche begünstigen kann. Zum anderen können auch stärkere D-Brückenbindungen

zwischen den Aminogruppen der Monoschicht oder zwischen Monoschicht und Protein zu

einer Erhöhung des σRC/σA-Verhältnisses führen124.

Da im Rahmen des Modells nach Smith und White der Potentialabfall ERC und die lokale

elektrische Feldstärke EF in der Monoschicht korreliert sind (Gl. 5.5), kann das Modell helfen,

auch die Befunde bezüglich des [5coxHS]/[6coxLS]-Verhältnisses in Abhängigkeit von dA

zumindest qualitativ über die Variation von ERC(dA) in H2O und D2O zu verstehen.

( )A0

RCARCs0AF

EdE

ε⋅εσ−σ−⋅κ⋅ε⋅ε= (Gl. 5.5)

Wenn man annimmt, daß die Größe und Abstandsabhängigkeit von σA und σRC klein

gegenüber der des Termes ε0⋅εs⋅κ⋅ERC ist, dann verhält sich EF proportional zum

Potentialabfall ERC. ERC ist bei Cyt b562 WT in H2O und D2O wiederum proportional zu

[5coxHS]/[6coxLS], so daß wie bei Cyt c ein Zusammenhang zwischen der lokalen Feld-

stärke in der Monoschicht und dem Auftreten von nichtnativen Proteinspezies hergestellt ist.

124 G. Nemethy, H. A. Scheraga, J. Chem. Phys. 41, 680 (1964), G. Held, D. Menzel, Surf. Sc. 327,

301-320 (1995)

Page 174: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION162

3. Das Elektronentransferverhalten von Cyt b562 WT

Die Geschwindigkeitskonstante des Elektronentransfers von immobilisiertem Cyt b562 WT

wies einige Besonderheiten auf, die in Abb. 4.64 zusammengefaßt sind. Wie bereits in Kap.

IV G angedeutet wurde, muß die ET-Reaktion Teil eines komplexeren Reaktionssystems

sein, da sonst ein exponentieller Abfall von kET mit zunehmendem Abstand dA zu erwarten

wäre.

In diesem Fall kommt es aber auf

der A-C6-SAM zu einer Erhöhung

der Geschwindigkeitskonstante kET

im Vergleich zu A-C2. Für A-C8

ergibt sich im Rahmen der Meßge-

nauigkeit der gleiche Wert wie auf A-

C6 und erst bei noch größeren

Schichtdicken dA kommt es zur

Verlangsamung des Prozesses.

Für Cyt c auf COOH-terminierten

Monoschichten wurde ein ähnliches

Abstandsverhalten von k0 beob-

achtet125. Allerdings wies das

System vor allem bei kurzen Abstän-

den zur Metalloberfläche signifikante kinetische Isotopieeffekte von bis zu vier auf, die bei

Cyt b562 WT fehlen. Aufgrund des Isotopieeffektes schlossen Murgida und Hildebrandt, daß

bei kurzen Monoschichten Protonentransfer geschwindigkeitsbestimmend ist, der durch das

lokale elektrische Feld in der Monoschicht kontrolliert wird (feldabhängige Reorganisation

von Wasserstoffbrückenbindungen). Erst bei längeren Monoschichten wird die Reaktions-

geschwindigkeit offenbar durch den ET-Schritt selbst kontrolliert, da einerseits kein Isotopie-

effekt mehr auftritt und andererseits die Geschwindigkeitskonstanten die erwartete Abstands-

abhängigkeit zeigen. Eine feldabhängige Verlangsamung intramolekularer Protonentransfer-

schritte wurden auch als Erklärung für die Modulation der Kinetik des immobilisierten

Photorezeptors Sensory Rhodopsin II durch das Elektrodenpotential angegeben126.

Es ist zudem nicht auszuschließen, daß die geschwindigkeitsbestimmenden Protonen-

transferschritte auch in der Reorganisation von Wasserstoffbrückenbindungen in der

Grenzschicht von Protein und SAM bestehen.

125 D. H. Murgida, P. Hildebrandt, J. Am. Chem. Soc. 123 (17): 4062-4068 (2001)126 L. Rivas et al., Biophys. J., 84 (6), 3864-3873 (2003)

Abb. 4.64:

kET in Abhängigkeit von der Länge der SAM

Page 175: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

V. DISKUSSION 163

Kinetische Isotopieeffekte können bei Cyt b562 WT hingegen nicht nachgewiesen werden,

was nicht per se ausschließt, daß intramolekularer Protonentransfer auch bei diesem Protein

für die Abnahme der ET-Geschwindigkeit (mit) verantwortlich ist.

Die Größe des kinetischen Isotopieeffektes hängt nicht nur von der Differenz der Akti-

vierungsenthalpien, sondern auch von den Aktivierungsentropien ab, die im Fall des Cyt c in

H2O und D2O gleich und unabhängig von der Feldstärke sind.

Dies ist nicht notwendigerweise der Fall bei Cyt b562 WT, zumal es Hinweise auf unter-

schiedlich starke Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Protein und Monoschicht in H2O

und D2O gibt (s. o.).

Insofern ist es auf der Grundlage der vorliegenden Daten verfrüht, auf einen qualitativ

anderen ET-Mechanismus zu schließen als im Fall von Cyt c.

Page 176: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK164

VI. Zusammenfassung und Ausblick

Page 177: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 165

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die de novo Hämproteine MOP-P1 und MOP-P2

synthetisiert und zusammen mit drei weiteren synthetischen Hämproteinen sowohl in Lösung

als auch in immobilisierter Form bezüglich ihrer spektroskopischen und elektrochemischen

Eigenschaften charakterisiert. Für die Untersuchungen in Lösung standen dabei die UV-vis-

und die Resonanz-Raman-Spektroskopie im Mittelpunkt, während die Charakterisierung der

oberflächengebundenen Proteine vor allem mit Hilfe von elektrochemischen Methoden auf

Goldeinkristallen, stationärer und zeitaufgelöster SERR-Spektroskopie, sowie in situ

Rastertunnelmikroskopie erfolgte. Dabei wurden erstmals strukturelle Details über immobi-

lisierte de novo Proteine offengelegt. Gleichzeitig gelang mit der Abbildung von MOP-C und

möglicherweise auch von MOP-P3 die ersten in situ rastertunnelmikroskopischen

Aufnahmen von de novo Proteinen überhaupt, wobei die Größe der abgebildeten Proteine

mit guter Näherung den Dimensionen entspricht, die aus einem Computermodell der de novo

Proteine abgeleitet wurden.

Neben den synthetischen Proteinen wurde Cytochrom b562 in Lösung und zum ersten Mal

auch SERR-spektroskopisch in immobilisierter Form untersucht. Dabei wurde eine Vielfalt an

Informationen über das immobilisierte Protein zusammengetragen, die in vergleichbaren Sy-

stemen sonst nur bei Cytochrom c übertroffen wird. Neben der strukturellen Charakterisie-

rung von Cyt b562 standen die Untersuchung der Adsorptionseigenschaften, der Mechanis-

mus und die Dynamik des ET im Mittelpunkt des Interesses.

Um einen hohen Oberflächenbedeckungsgrad als Voraussetzung für die Untersuchung von

immobilisierten Systemen zu gewährleisten, mußten zunächst spezifische Immobilisierungs-

strategien sowohl für die synthetischen Proteine als auch für Cyt b562 entwickelt werden.

Selbstorganisierte Monoschichten aus bifunktionalen Alkylthiolen erwiesen sich als tauglich

dafür, wobei die Lösungsseite der SAM an das jeweilige Protein angepaßt wurde. Aus

diesem Grund erfolgte beispielsweise die Immobilisierung der P-Typ de novo Proteine über

carboxylterminierte Monoschichten, während Cytochrom b562 über aminoterminierte SAM

und MOP-C kovalent an die Oberfläche gebunden wurde.

Alle de novo Proteine wiesen in ihrer oxidierten Form entsprechend dem gewünschten

Design eine bis-His-Ligandierung des Hämeisens auf. Unter reduzierenden Bedingungen

kam es allerdings zu einem je nach Protein unterschiedlich stark ausgeprägten Hämabbau

und zur Bildung neuer Spezies. Die Stabilität und Kooperativität bei chemisch induzierter

Entfaltung war im Vergleich zu natürlichen Proteinen verhältnismäßig gering. In der

immobilisierten Form wiesen die de novo Proteine ein nichtideales elektrochemisches Ver-

halten auf mit Nernst-Parametern kleiner als eins.

Page 178: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK166

Aufgrund der geringen Stabilität konnte die Elektronentransferkinetik der adsorbierten de

novo Proteine nur in begrenztem Maß bestimmt werden, so daß die SERR-

spektroskopischen Untersuchungen hier auf die thermodynamische Charakterisierung be-

schränkt blieb. Die vorhandenen SERR-spektroskopisch erhaltenen Werte für die ET-

Geschwindigkeitskonstanten entsprechen aber in etwa denen aus den elektrochemischen

Experimenten auf Goldeinkristallen.

Dagegen erwies sich Cyt b562 als ausgesprochen gut geeignet für stationäre und zeitauf-

gelöste SERR-Experimente, so daß sein elektrochemisches Verhalten im Detail untersucht

werden konnte.

Die Untersuchungen am Wildtyp auf den Monoschichten A-C2, A-C6, A-C8 und A-C11

ergaben ein atypisches Adsorptionsverhalten des Proteins, da die SERR-Intensität der Probe

entgegen den Erwartungen von A-C2- nach A-C6-Monoschichten zunächst zunimmt. Dies

wurde mit einem höheren Oberflächenbedeckungsgrad an Cyt b562 auf der A-C6-SAM in

Verbindung gebracht, da erst bei längeren Monoschichten gemäß dem abnehmenden

Oberflächenverstärkungseffekt die Intensität der Meßspektren abnahm.

Die deutliche Zunahme der SERR-Intensität mit abnehmendem elektrochemischen Potential

wurde ebenfalls über die Eigenschaften der SAM erklärt, da einerseits A-C2 teilweise über

die Aminofunktion auf der Elektrode bindet und andererseits der Protonierungsgrad der SAM

feldabhängig ist. Dadurch steigt die effektive Oberflächenladungsdichte der SAM und damit

auch der Bedeckungsgrad des Proteins.

Potentialabhängige SERR-Experimente mit Cyt b562 WT zeigten zudem eine Veränderung

des Redoxpotentials E0 der Hämgruppe in Abhängigkeit von der Dicke dA der SAM. Während

E0 in H2O allerdings mit steigendem dA größer wurde, kehrte sich dieser Trend in D2O um: E0

nahm mit steigendem dA ab.

Dieser Befund konnte zumindest qualitativ mit Hilfe des Grenzschichtmodells nach Smith

und White erklärt werden.

Bei kinetischen Messungen wurde festgestellt, daß die Geschwindigkeitskonstante des ET

zunächst mit zunehmendem Abstand dA zunimmt und erst bei großen Kettenlängen dA

kleiner wird. Bei einfachen ET-Reaktionen wäre eine exponentielle Abnahme von kET mit

zunehmendem Abstand dA zu erwarten.

Die Ergebnisse legen deshalb nahe, daß bei kurzen ET-Distanzen andere Prozesse wie

Protonentransfer geschwindigkeitsbestimmend sein könnten. Diese Prozesse wurden noch

nicht identifiziert, das Fehlen eines kinetischen Isotopieeffektes schließt die Beteiligung von

Protonentransferschritten, wie sie bei Cyt c nachgewiesen wurden, allerdings nicht aus.

Page 179: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VI. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 167

Auf der Grundlage der in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse an synthetischen und natürlichen

Hämproteinen lassen sich wichtige Schlußfolgerungen für die künftige Anlage systemati-

scher Untersuchungen von biologischen ET-Prozessen ziehen.

Die prinzipiellen Vorzüge, die mit dem Einsatz synthetischer Hämproteine verbunden sind,

lassen sich nur dann in vollem Maße ausschöpfen, wenn es gelingt, ihre Stabilität signifikant

zu erhöhen. Dies gilt vor allem dann, wenn diese Proteine zur Untersuchung des

heterogenen ET auf Elektrodenoberflächen immobilisiert werden sollen. Insbesondere muß

eine Verbesserung der Proteinfaltung erreicht werden. Dazu ist die kombinatorische Syn-

these eine effiziente Alternative zum rationalen Ansatz, mit dem die Optimierung der

Proteinstruktur ausgesprochen langwierig sein kann.

Eine für die Untersuchung der ET-Prozesse erforderliche Stabilitätsverbesserung der synthe-

tischen Hämproteine ist ohne Zweifel wünschenswert, da es so in der Tat möglich wäre,

entscheidend zum Verständnis des ET-Mechanismus an Grenzschichten beizutragen.

Gerade die in dieser Arbeit durchgeführten vergleichenden Untersuchungen am natürlichen

Vier-Helix-Bündelprotein Cytochrom b562 haben gezeigt, daß die Kontrolle des ET durch

das elektrische Feld keineswegs ein Spezifikum dieses Proteins ist, sondern von genereller

Bedeutung für Redoxprozesse an Grenzschichten sein könnte.

Allerdings zeichnet sich dieser Effekt im Fall des Cytochrom b562 durch einige

Besonderheiten aus, wie zum Beispiel das Fehlen eines kinetischen H/D-Isotopieeffektes.

Insofern ist die Identifizierung des bei hohen Feldstärken wirksamen geschwindigkeits-

bestimmenden Schrittes eine zentrale Aufgabe bei künftigen Untersuchungen des ET-

Mechanismus. Dazu müssen auch die Ladungsverteilungen in den Elektrode/SAM/Protein-

Grenzschichten experimentell bestimmt werden als Voraussetzung für eine fundierte

Beschreibung der Feldverteilung in der Grenzschicht.

Die Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, daß das bisher verwendete einfache

elektrostatische Modell ohne eine umfassende Charakterisierung z. B. der verschiedenen

SAM, wie sie in Zukunft mit Hilfe der oberflächenverstärkten Infrarot-Absorptionsspektrosko-

pie möglich ist, nur begrenzt hilfreich ist.

Page 180: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG168

VII. Anhang

Page 181: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 169

A. Details zur Synthese von MOP-P1 und MOP-P2

1. Die Massen der Peptidfragmente

Fragment MWist [g/mol] (Soll) Anmerkungen

Templat T 1507.0 (1507)

1489.1 (1489)

1005.3 (1005)

vor Zyklisierung, mit Trt und Acm

nach Zyklisierung, mit Trt und Acm

ohne Trt, mit Acm

Helix H1 2844.4 (2844)

2760.8 (2760)

2911.5 (2912)

nach Acetylierung, mit Alloc

ohne Alloc

mit Mp

Helix H2a 2589.2 (2589)

2740.2 (2740)

nach Acetylierung, ohne Alloc

mit Mp

Helix H2b 2858.0 (2859)

2774.5 (2774)

2925.8 (2925)

nach Acetylierung, mit Alloc

ohne Alloc

mit Mp

2-H-B (MOP-P1) 6343.0 (6343) T + 2⋅H2a - 2⋅Acm

2-H-B (MOP-P2) 6828.3 (6828)

6686.1 (6686)

T + 2⋅H1 + 2⋅Acm

T + 2⋅H1 - 2⋅Acm

MOP-P1 (apo) 12167.2 (12167) T + 2⋅H2a + 2⋅H1

MOP-P2 (apo) 12538.1 (12537) T + 2⋅H1 + 2⋅H2b

Tab. 7.1: Die Massen der Peptidfragmente (ESI-MS)

Page 182: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG170

2. Daten zur Aufreinigung der Proben mittels RP-HPLC

Die Aufreinigung der Reaktionsprodukte erfolgte mittels präparativer reverse phase HPLC

mit folgendem Zeitprogramm:

Flußmittel Zeit Anmerkungen

80% A / 20% B → 20% A / 80% B

100% B

80% C / 20% D

80% A / 20% B → 20% A / 80% B

100% B

80% C / 20% D

30 Min.

6 Min.

6 Min.

25 Min.

35 Min.

6 Min.

für Helices und Bündel

für das Templat

Tab. 7.2: Zeitprogramm für die präparative RP HPLC-Reinigung der Reaktionsprodukte

A: H2O (bidest.), 0.1% TFA

B: 80% Acetonitril, 20% H2O (bidest.), 0.1% TFA

C: Methanol

D: H2O (bidest.)

Die Kopplung der Helices an das Templat bzw. an das Zwei-Helix-Bündel wurde mit Hilfe

von analytischer RP HPLC überwacht, da der Umsatz der Reaktion über die bekannten

Retentionszeiten der Edukte beobachtet werden konnte. Die Zusammensetzung des

Flußmittels für die Trennung betrug dabei konstant 50:50 (A:B).

Page 183: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 171

B. MathCad-Programme

1. Topologische Auswertung von STM-Bildern

Page 184: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG172

Page 185: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 173

Page 186: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG174

Page 187: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 175

Page 188: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG176

Page 189: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 177

2. Simulation von Cyclovoltammogrammen

Page 190: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG178

Page 191: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 179

Page 192: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG180

Page 193: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 181

3. Komponentenanalyse von UV-vis-Spektren

Page 194: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG182

Vergleich zwischen gemessener und angepaßter Funktion:

Icalc 0⟨ ⟩Mfit 0⟨ ⟩

:= Icalc 1⟨ ⟩P

0Ment 1⟨ ⟩

⋅ P1

Mnat 1⟨ ⟩⋅+ P

2Mback 1⟨ ⟩

⋅+:=

340 360 380 400 420 440 460 480 5000.01

0

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

Mfit1⟨ ⟩

Icalc1⟨ ⟩

P0 Ment1⟨ ⟩

P1 Mnat1⟨ ⟩

P2 Mback1⟨ ⟩

Mfit0⟨ ⟩

Icalc0⟨ ⟩

,

340 360 380 400 420 440 460 480 5000.003

0.002

0.001

0

0.001

0.002

Mfit1⟨ ⟩

Icalc1⟨ ⟩

Mfit0⟨ ⟩

Page 195: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 183

4. Fit von „trumpet plots“ unter Berücksichtigung der Fermi-Funktion

Page 196: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG184

Page 197: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG 185

5. Der „m“-Parameter für die Auswertung kinetischer Daten nach Laviron

Ψc E( ) mc expn F⋅R T⋅

E E0−( )⋅

α−

⋅ 1 mc 1 expn F⋅R T⋅

E E0−( )⋅

+

⋅ expmc

α 1 α−( )⋅exp

n F⋅R T⋅

E E0−( )⋅

α−

⋅ 1 α 1 expn F⋅R T⋅

E E0−( )⋅

+

⋅−

expn F⋅

R T⋅E E0−( )⋅

zz1 α+( )−

expmc

α 1 α−( )⋅z

α−⋅ 1 α 1 z+( )⋅− ⋅

⌠⌡

d⋅−

⋅:=

Ψap ma− expn F⋅R T⋅

Ep E0−( )⋅

α−

⋅ expn F⋅R T⋅

Ep E0−( )⋅

ma 1 expn F⋅R T⋅

Ep E0−( )⋅

+

⋅ expma

α 1 α−( )⋅exp

n F⋅R T⋅

Ep E0−( )⋅

α−

⋅ 1 α 1 expn F⋅R T⋅

Ep E0−( )⋅

+

⋅−

0

expn F⋅

R T⋅E p E0−( )⋅

zzα−

expma

α 1 α−( )⋅z

α−⋅ 1 α 1 z+( )⋅− ⋅

⌠⌡

d⋅−

⋅:=

Page 198: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

VII. ANHANG186

Page 199: Dynamik und Mechanismen der heterogenen ......TASP template-assembled synthetic protein TFA Trifluoressigsäure Trt Trityl UV Ultraviolett vis visible, sichtbar WT Wildtyp z Anzahl

Lebenslauf

seit Mai 2000 Doktorarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Hildebrandt

am MPI für Bioanorganische Chemie (vormals MPI für

Strahlenchemie)

Januar 2001 - April 2003 Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes

Oktober 2001 - März 2003 Forschungsaufenthalt am Instituto de Tecnologia Química e

Biológica (ITQB), Universidade Nova de Lisboa (Portugal)

März - Juni 2002 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Jens Ulstrup, Technical

und Juni - Juli 2001 University of Denmark (DTU), Lyngby (Dänemark)

Juni - Juli 2000 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Wolfgang Haehnel, Albert-

Ludwigs-Universität Freiburg

Januar 1998 - März 2000 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes

Oktober 1995 - März 2000 Chemiestudium an der Universität/ GH Essen

März 2000 Diplom mit der Gesamtnote „sehr gut“

Sept. 1999 - März 2000 Diplomarbeit: „Improved laser-based detection of NO3 radicals

in the gas phase“ unter der Leitung Prof. Dr. Reinhard Zellner,

Universität/ GH Essen

Sept. 1999 - Dez. 1999 Forschungsaufenthalt bei Prof. Ron C. Cohen, University of

California at Berkeley, Berkeley (USA)

Nov. 1998 - Februar 1999 Forschungsaufenthalt bei Prof. Dr. Nicolo Omenetto, Joint

Research Centre, Environment Institute, Ispra (Italien)

1995 Abitur am Gymnasium Essen-Borbeck, Gesamtnote 1.3