E-AACtivity 10 Aphasie

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DIE ZEITSCHRIFT DER ACTIVE COMMUNICATION AG AUSGABE OKTOBER 2012

description

AACtivity Aphasie

Transcript of E-AACtivity 10 Aphasie

die zeitschrift der active communication ag

ausgabe oktober 2012

IMPRESSUM AusgAbe 03 / 2012

RedAktion Active Communication Ag sumpfstrasse 28 6300 ZuglAyout sidleRdesign, ChamFotos Active Communication Ag

Jegliche kopie des inhaltes, auch nur Auszugsweise, ist nur mit genehmigung der Redaktion erlaubt. die in der Zeitschrift veröffentlichten beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Warenzeichen sind eigentum der betreffenden Firma.

Aus gründen der guten lesbarkeit unserer texte haben wir auf die Aufführung beider Formen, der weiblichen und männlichen, verzichtet. selbstverständlich sind immer auch weibliche Personen ge-meint. Wir bitten um ihr Verständnis.

editorial 3

die sprache wieder finden 4

die sagen und Märchen von der bösen uk 6

Hilfsmitteleinsatz bei Aphasie 8

ein Moment, der das leben verändern kann 10

Hilfsmitteleinsatz in der therapie 12

inHAlt.

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gianfiore Caponegeschäftsführer Active Communication Ag

editoRiAl.

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liebe AACtivity leserinnen und leser

können sie sich vorstellen wie es ist ohne sprache zu sein? diesen text nicht einfach lesen und darüber diskutieren kön-nen? die sprache ist unser wichtigstes kommunikationsmittel. sie ist es, die uns mit anderen Menschen verbindet und uns den Zugang zu ihnen ermöglicht. die sprache hat in jedem leben eine wesentliche bedeutung.

ich bin in der glücklichen lage, dass ich lesen kann was ich möchte und auch darüber reden kann. doch in meinem Ar-beitsalltag haben ich und meine Mitarbeitenden sehr oft mit Menschen kontakt, denen das nicht möglich ist. dann nämlich wenn Menschen bspw. von einer Aphasie betroffen sind und da-durch ihr familiäres, soziales und berufliches leben sehr stark beeinträchtig wird. denn obwohl die Aphasie zwar einen einzel-nen Menschen trifft, hat sie immer auch Auswirkungen auf das leben der nächsten bezugspersonen. Partner müssen damit klar kommen, dass der betroffene sich ihnen gegenüber nicht mehr so äussern kann wie bisher. Häufig treten Missverständnisse, konflikte und Frustrationen auf. der betroffene selber bekommt das gefühl dem Freundeskreis nicht mehr gerecht zu werden, weil er sich vielleicht nicht mehr über tageszeitungen informie-ren oder bücher lesen kann – so fehlen ihm intellektuelle An-reize. und sehr oft kann letztendlich der erlernte beruf nicht mehr ausgeübt werden.

in der aktuellen Ausgabe des AACtivity möchten wir das thema Aphasie eingehend beleuchten. Wir erläutern was Aphasie ist. Wir sprechen über den Hilfsmitteleinsatz bei Aphasie. Wir be-trachten das thema aus dem blickwinkel einer logopädin wie auch von Angehörigen. und wir räumen mit weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber Hilfsmitteln auf.

daneben möchten wir jedoch auch zum nachdenken anregen. besonders im Hinblick auf die kommenden Wochen, die besinn-liche Zeit des Jahres. Menschen mit einer Aphasie verlieren ei-nen teil ihrer selbständigkeit, denn sie sind auf Hilfe und unter-stützung angewiesen. Hilfe in Anspruch zu nehmen ist für alle Menschen ein lernprozess – von Aphasie betroffene müssen diesen lernprozess im schnellverfahren durchlaufen. gleichzei-tig müssen sie den Verlust oder die einschränkung akzeptieren und herausfinden, ob vielleicht andere kommunikationsformen neben der sprache eine Möglichkeit bieten.

in diesem sinne wünsche ich ihnen eine anregende lektüre!

im namen des Active-teams

gianfiore Capone

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die sPR ACHe WiedeR Finden :

koMMuniZieRen tRotZ HiRnsCHädigung.

CoRneliA kneubüHleR , gesCHäF tsleiteR in « APHAsie suis se »

die sprache ist das wichtigste menschliche kommunikationsmittel. sie schafft einen direkten Zugang zum Mit-menschen und hat eine zentrale bedeutung im leben eines jeden Menschen. durch eine Aphasie verändern sich die kommunikation und das leben der betroffenen und ihrer Angehörigen radikal. Für Menschen mit sprachver-lust bietet «aphasie suisse» seit Jahren wertvolle dienstleistungen an. im Jahr 2013 feiert die organisation ihr 30 Jahre Jubiläum.

Petra ist 42 jährig und Mutter von zwei kindern. sie ist beruflich erfolgreich, sozial integriert und kommunikativ. Petra steht mitten im leben. nach plötzlich auftretenden kopfschmerzen bricht sie zusammen. die diagnose im spital lautet: Aphasie nach Hirn-schlag. seither ist alles anders: sie will das die kinder aufräumen, sie sagt aber «jetzt spielen» zu ihnen. Auch die namen der kinder kann sie nicht mehr aufschreiben. sie vergisst buchstaben.

begRiFF APHAsiedas Wort «Aphasie» stammt aus dem griechischen. es bedeutet «ohne sprache» und wird mit «sprachverlust» übersetzt. eine Aphasie ist eine zentrale sprachstörung infolge eines schlagan-falls, einer Hirnblutung oder eines tumors. in der schweiz erlei-den jährlich rund 5’000 Menschen eine Aphasie.

Von Aphasie betroffene Menschen können sich von einem tag auf den anderen nicht mehr ausdrücken. sie haben Probleme zu sprechen, die sprache zu verstehen, zu lesen und zu schreiben. Abhängig vom schweregrad sind sie in ihrer kommunikations-fähigkeit leicht bis sehr schwer beeinträchtigt.

eine Aphasie erschwert oder verunmöglicht die Alltagsbewälti-gung. ein Menu zu bestellen, am Automaten ein billet zu lösen oder ein telefonat zu führen, ist für aphasische Menschen mit grossen schwierigkeiten verbunden. in vielen Fällen muss der beruf aufgegeben werden. Mit eingeschränkten sprachlichen

Fähigkeiten kontakte zu pflegen ist eine grosse Herausforde-rung. in vielen Fällen ziehen sich die betroffenen zurück, aber auch ihre bekannten und Freunde sind verunsichert und wenden sich mitunter ab. durch eine Aphasie verlieren betroffene Menschen weder ihre lebenserfahrung noch ihr Wissen. Wie alle Menschen, haben sie etwas mitzuteilen. sie haben Wünsche und bedürfnisse, aber auch Visionen und träume, die sie andern kommunizieren möch-ten. trotz ihrer sprachschwierigkeiten sprechen sie gerne selber. ein gespräch mit Aphasikern benötigt oft mehr Zeit und geduld. sich auf einen dialog einzulassen lohnt sich und ist für beide gesprächspartner wertvoll.

dienstleistungen Von «APHAsie suisse»um soziale Partizipation zwischen allen beteiligten zu ermögli-chen und eine gezielte therapeutische Versorgung sicherzustel-len, wurde im Jahr 1983 «aphasie suisse» gegründet. der schweizweit tätige Verein ist sowohl eine Fachgesellschaft wie auch eine betroffenenorganisation.

damit die Qualität der therapie gewährleistet ist, bietet «aphasie suisse» Fachkurse und tagungen für Aphasietherapeutinnen an. die zweisprachige Fachzeitschrift «Aphasie und verwandte ge-biete» publiziert wertvolle Fachbeiträge, die bei Fachleuten an-gesehen sind.

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die sPR ACHe WiedeR Finden :

koMMuniZieRen tRotZ HiRnsCHädigung.

Für die betroffenen und ihre Angehörigen gibt es vielfältige An-gebote wie beratung, kurse, die betroffenenzeitschrift «Aphasia» und eine Ferienwoche. in den kursen erhalten sie neue impulse und geniessen es unter sich zu sein. besonders hervorzuheben sind die sieben Chöre sowie ein netz von insgesamt 31 selbsthil-fegruppen in der deutschen, französischen und italienischen schweiz. Hier begegnen sie sich und tauschen sich aus. sie sin-gen gemeinsam, unternehmen Ausflüge, halten einander Vor-träge und feiern Feste. neue Freundschaften entstehen dadurch. in all diesen Angeboten entdecken betroffene ihre stärken und Fähigkeiten neu. dadurch erkennen und erfahren sie immer wie-der, dass das leben mit Aphasie lebensqualität hat.

30 JAHRe «APHAsie suisse»im Jahr 2013 feiert «aphasie suisse» das 30-jährige bestehen. grund genug für den Vorstand und die geschäftsstelle, das Ju-biläumsjahr feierlich zu begehen. so sind im laufe des Jahres schweizweit vielfältige Aktivitäten und spannende Veranstal-tungen geplant.

seitens der Fachgesellschaft wird der tag der logopädie vom 6. März 2013 in Zusammenarbeit mit der konferenz der schweizer berufsverbände logopädie (dlV, ARld und Alosi) zum thema «Aphasie und logopädie» durchgeführt. nebstdem ist «aphasie suisse» lokaler organisator des internationalen Fachkongresses «Academy of Aphasia», der vom 20. – 22. oktober 2013 in luzern stattfinden wird. Für die betroffenenorganisation erfolgt am 13. Mai 2013 in bern die Vernissage der Jubiläumsbroschüre. diese beinhaltet zehn spannende Porträts aphasischer Menschen. Am 7. september 2013 findet in luzern erstmals ein konzert mit allen sieben Aphasiechören statt. Anlässlich dieses konzertes erfolgt die uraufführung eines neu komponierten Aphasieliedes.

«aphasie suisse» ist der erste und einzige gemeinnützige Verein, der sich ausschliesslich für aphasische Menschen einsetzt. er bildet brücken und vernetzt betroffene, Angehörige und Fach-personen miteinander. der Verein besteht aus 820 Mitgliedern. es sind dies Menschen mit einer Aphasie, ihre Angehörigen sowie Fachpersonen aus dem bereich der neurologie und logopädie.Herr Prof. dr. med. Jean-Marie Annoni, neurologe am dépar-tement de Médecine an der universität in Fribourg (CH) ist der Präsident des achtköpfigen Vorstandes. der Vorstand besteht aus logopädinnen, neurologen und einem betriebswirtschafts-experten. sie sind alle ehrenamtlich tätig. Auf der geschäftsstelle mit sitz in luzern arbeitet ein kleines, motiviertes team.

die organisation finanziert sich zu 30 Prozent aus bundesmitteln, 70 Prozent werden durch spenden aufgebracht. im vergangenen Jahr belief sich der umsatz auf 570’000 Franken. Mit dem bun-desamt für sozialversicherungen bsV besteht ein leistungsver-trag. der Verein ist ZeWo zertifiziert.

Weiterführende informationen unter www.aphasie.org

oRgAnisAtion «APHAsie suisse »

«trotz hilfsmittel wird aktiv an der

rückgewinnung der sprechfähigkeit

gearbeitet.»

bei gesprächen mit Angehörigen und professionellen Helfern wie dem Pflegepersonal, therapeuten und ärzten tauchen im-mer wieder bedenken auf, die den einsatz von elektronischen und nichtelektronischen kommu-nikationshilfen betreffen. oft hört man unterstützte kommunikation verhindere die Rückgewinnung der lautsprache oder ähnliche be-denken. doch ist das so? bereits der name unterstützte kommuni-kation (uk) lässt Zweifel aufkom-men. in diesem Artikel sollen die häufigsten Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden.

Auf UK wird erst dann zurückgegriffen, wenn nichts anderes mehr hilft!

Viele nichtsprechende kommen tatsächlich erst Jahre nach dem ereignis in kontakt mit uk. in dieser Zeit konnten sich bestehen-de kommunikationsmuster manifestieren und man hat einen Weg gefunden damit umzugehen – oder man hat sich sogar damit ab-

gefunden. Jeder weiss wie schwer es ist gewohnheiten zu verän-dern. und besonders jeder therapeut kann ein lied davon singen wie schwer es ist pathologische Muster aufzuweichen.

dabei kommt die Frage auf: «Würde ein frühzeitiger einsatz von uk dies verhindern?». in den niederlanden werden häufig be-reits im Akutspital sprechende Hilfsmittel abgegeben. die kli-niken sind diesbezüglich gut ausgestattet und unterstützte kommunikation ist im gegensatz zur schweizerischen logopä-denausbildung ein wichtiger bestandteil des unterrichts. so können betroffene vom ersten tag an grundbedürfnisse aus-drücken und erfahrungen sammeln. sie lernen in der klinik an-dere klienten kennen, welche Hilfsmittel benutzen und erleben somit eine gewisse «normalität». trotz Hilfsmittel wird dort in den therapien an der Rückgewinnung der sprechfähigkeit gear-beitet. Was direkt zum nächsten kritikpunkt führt.

UK verhindert die Rückgewinnung der Lautsprache, da Nichtsprechende den ein-fachen Weg über das Hilfsmit tel gehen!

Jeder, der einmal eine Wortstrategie auf einem sprachcomputer gesehen hat, muss nun vermutlich lächeln. der einfachste Weg der kommunikation geht über das sprechen. Während meiner therapeutischen Arbeit habe ich in all den Jahren keinen kli-enten erlebt, der lieber im Rollstuhl sitzt als zu laufen. und in den Jahren als Hilfsmittelberater keinen klienten, der lieber den Computer sprechen lässt als selbst zu sprechen. im gegenteil

gibt es viele klienten, welche ihre sprachlichen Fertigkeiten durch den gebrauch des Hilfsmittels verbessern konnten.

studien stützen diese subjek-tiven erfahrungen. Millar, light und schlosser untersuchten 2006 verschiedene studien, in denen daten zur sprachproduk-tion vor, während und nach dem einsatz von uk erhoben wurden.

bei 89% konnte eine erhöhung der sprachproduktion nachge-wiesen werden. bei 11% fand keine Veränderung statt. somit bleiben 0%, bei denen es zu einer Minderung der sprachpro-duktion kam. sachse und boenisch untersuchten 2001 mittels einer befragung die Auswirkungen von kommunikationshilfen auf die körpereigenen kommunikationsfähigkeiten kaum- und nichtsprechender Menschen und kamen zu interessanten er-

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die sAgen und MäRCHen Von deR bösen uk .

Von ingo MRoCZek

unteRstütZte koMMunikAtion sCHeint die böse HeXe bei Hänsel und gRetel, RuMPelstilZCHen odeR den Fliegenden HolländeR dARZustellen. WesHAlb ist dAs so? HieR WiRd VeRsuCHt Mit einigen VoRuRteilen AuFZuRäuMen und iHRen WAHRHeitsgeHAlt Zu PRüFen.

«der einfachste Weg der

kommunikation geht über das

sprechen.»

gebnissen. bei 37% der befragten trat eine deutliche, bei 20% eine mittelmässige und bei 23% eine geringfügige Verbesserung auf. bei 17% der befragten blieben die kommunikationsfähig-keiten unverändert und lediglich bei 3% gab es eine geringfü-gige Verschlechterung.

Mögliche gründe für die Verbesserung können unterschiedlichen ursachen zugrunde liegen. einige erklärungen können sein: Wegfall des drucks zu sprechen Mehr einbezug in gesprächen unterstützung der sprache durch symbole -

dies kann zu einer phonologischen bewusstheit führen sprachmodel, welches die begriffe immer gleich betont

natürlich ist die uk kein All-heilmittel. ein früher einsatz ist dennoch empfehlenswert, da die Wahrscheinlichkeit für erfolge höher ist, als dass eben keine entwicklung statt-findet. es gibt mit sicherheit auch klienten, welche nicht vom einsatz profitieren. Wich-tig ist dabei herauszufinden,

warum es nicht funktioniert hat. erfahrungen zeigen, dass gene-rell das umfeld des klienten eine sehr, sehr grosse Rolle spielt. beispielsweise wirken sich Aussagen wie «ich verstehe ja was er sagen will» leider negativ auf den lernprozess aus. der einsatz

übeR HilFsMittelHilfsmittel helfen Menschen mit keiner oder eingeschränkter lautsprache sowie Menschen mit eingeschränkter Mobilität, ei-nen teil ihrer selbständigkeit zu bewahren oder wiederzuerlan-gen. immer raffiniertere technologien eröffnen dabei ungeahnte Möglichkeiten. Active Communication unterstützt sie während dem ganzen Ablauf der Hilfsmittelbeschaffung. dies reicht von der Abklärung bis hin zur Finanzierung.

in der schweiz werden elektronische Hilfsmittel grundsätzlich von der invalidenversicherung iV finanziert, wenn die versicherte Person die Anforderungen erfüllt. dies ist in der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die invalidenversiche-rung HVi* geregelt. Für Rentnerinnen und Rentner, die keinen Anspruch auf iV-leistungen haben, gibt es Mietmöglichkeiten oder Privatfinanzierungen.

muss im Alltag stattfinden und der klient muss im vertrauten umfeld die nutzung des Hilfsmittels erlernen. Also genau dort wo er noch am be-sten verstanden wird.

Heute sind wir glücklicherweise technologisch so weit, dass einfache Hilfen wie symbole, sprechende ta-ster oder komplexe Hilfsmittel wie ein sprachcomputer, ein tablet Computer wie auch ein iPad zur unterstützung der kommunikation eingesetzt werden können. uk sollte als eine Chance angesehen werden und nicht wie der Fliegende Holländer in der gleichnamigen sage als ein Fluch.

Ausschnitt aus der sage «der Fliegende Holländer»:

… «ihr seht, der Fliegende Holländer ist nun doch bei uns an bord gewesen und wir sind verloren…», der ausbrechende sturm verschlang seine Worte. schwere gewitterwolken senkten sich immer tiefer herab und umleuchteten es mit ihren blitzen. der notschrei der Mannschaft verhallte ungehört im brausen des sturmes. das schiff ist nie an seinem Ziel angekommen. …

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die sAgen und MäRCHen Von deR bösen uk .

«uk sollte als chance

gesehen werden.»

ingo Mroczek ist ergotherapeut und seit über 5 Jahren berater für elektronische Hilfsmittel. dabei hat er sich besonders auf neurologische krankheitsbilder und Aphasie spezialisiert. einen unverbindlichen beratungstermin mit Herr Mroczek vereinbaren sie über 041 747 03 03.

* HVI: Elektrische und elektronische Kom-munikationsgeräte für schwer sprech- und schreibbehinderte vP, die zur Pflege des täglichen Kontakts mit der Umwelt auf ein solches Gerät an-gewiesen sind und über die notwen-digen intellektuellen und motorischen Fähigkeiten zur Bedienung eines sol-chen Geräts verfügen. Die Abgabe erfolgt leihweise.

bei bedarf hilft Active Communication unterstützende Finanzie-rungsmöglichkeiten zu finden. Vereinbaren sie einen unverbind-lichen beratungstermin über telefon 041 747 03 03.

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HilFsMit teleinsAtZ bei APHAsie .

Von tobiAs büHRs , sPR ACHHeilPädAgoge

eRZäHlenim Alltag werden häufig geschichten über sich selbst und andere erzählt. Vieles, über das im laufe des tages gesprochen wird, sind erzählungen, mit welchen beziehungen aufgebaut und ge-pflegt werden können. Persönliche geschichten helfen bei der selbstdarstellung. Ausserdem können darüber Mitgefühl gezeigt und erfahrungen mitgeteilt werden. diese motivieren auf diesem Weg zu sozialer nähe. eigene Fotos bieten eine gute Möglich-keit, über ein ereignis zu erzählen, und liefern eine grosse Menge an kontextinformationen, welches die informationsvermittlung zwischen beiden gesprächspartnern erleichtert (garrett & Huth, 2002).

Fotos können auch auf elektronischen kommunikationshilfen eingesetzt werden. so gibt es beispielsweise auf den dynaVox kommunikationshilfen das seiten-set «szenenfotos für erwach-sene» welches speziell für Menschen mit Aphasie konzipiert wurde. eigene Fotos können verwendet und mit passenden Aus-sagen und Fragen ergänzt werden, so dass ein wechselseitiger Austausch von persönlichen erlebnissen stattfinden kann. die angezeigten Fotos bieten einen gesprächsrahmen, erlauben die integration von weiteren kommunikationsmethoden und helfen bei der Co-konstruktion von gesprächen. eine ähnliche Funktion können in kommunikationshilfen integrierte, digitale Fotoalben erfüllen, die soziale teilhabe und Austausch ermöglichen sowie das erzählen von persönlichen erlebnissen erleichtern.

AlltägliCHe AktiVitätendies sind situationen, die innerhalb des tages, der Woche oder eines Monats stattfinden und vielen Menschen vertraut sind. diese beziehen sich zwar auch auf die individuellen grundbe-dürfnisse, gehen jedoch noch darüber hinaus. Zu alltäglichen Aktivitäten zählen z.b. das begrüssen der Familie, bankgeschäfte, Postbesuche, kochen oder einkaufen. solche Aktivitäten sind bei vielen Menschen identisch und die inhaltlichen Aussagen von Person zu Person recht einheitlich.

Für viele Menschen mit Aphasie ist es eine Herausforderung, ihre zuvor vorhandenen sprachlichen Fähigkeiten wieder aufzubauen und sich nach ihren Vorstellungen mitzuteilen. Aphasie erschwert häufig die erfolgreiche kom-munikation mit Familienmitgliedern, Freunden, medizinischem Fachpersonal und betreuungspersonen.

elektronische kommunikationshilfen können Menschen mit Aphasie dabei unterstützen, dass ihre bedürfnisse wieder erfüllt werden. die bedürfnisse von Menschen mit Aphasie sind in drei bereiche einteilbar – erzählen, alltägliche Aktivitäten und beson-dere bedürfnisse.

erzählen

Alltägliche Aktivitäten

besonderebedürfnisse

bedürfnispyramide bei Menschen mit Aphasie

szenenfotos für erwachsene

szenenbild Post

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HilFsMit teleinsAtZ bei APHAsie .

Von tobiAs büHRs , sPR ACHHeilPädAgoge

besonders die dynaVox kommunikationshilfen bieten szenen-bilder, die sich über den gesamten bildschirm der kommunika-tionshilfe erstrecken. diese stellen den gesprächskontext dar und führen natürlich durch alltägliche Aktivitäten, indem pas-sende Aussagen für die situation angeboten werden. diese können aufgerufen werden, wenn elemente aus dem szenenbild ausgewählt werden. so können z.b. durch die Auswahl des Post-schalters häufige Aussagen für gespräche mit dem Postbeamten abgerufen werden. Zusätzlich zu den häufigen Aussagen gibt es «schnelle» Aussagen, die situationsübergreifend die Möglich-keiten bieten, ein gespräch zu beginnen, aufrecht zu erhalten oder zu beenden. Weitere elemente wie Phrasen, tastaturen und eine einzelwortstrategie zum Zusammensetzen einzelner Wörter zu ganzen sätzen runden diese Angebote ab.

besondeRe bedüRFnissediese sind wie der name schon sagt individuell und von Person zu Person unterschiedlich. Hierzu zählen u.a. das Mitteilen von schmerzen oder körperlichen bedürfnissen, das äussern von ge-fühlen, die Vorbereitung einer Rede oder eines gebets sowie das sprechen über spezielle interessen. das oberthema ist zwar bei vielen Personen gleich, doch das eigentliche gespräch verläuft sehr individuell, wie z.b. das äussern bestimmter schmerzen oder das geben von Anweisungen bei der Pflege. Für diese bedürf-nisse können ebenfalls die oben genannten häufigen Aussagen eingesetzt und an die individuellen bedürfnisse angepasst wer-den, um über ein besonderes thema zu sprechen. tastaturen in QWeRtZ oder AbC-Format mit einer Wortvorhersage können für diesen bereich weitere unterstützung bieten.

beim einsatz von kommunikationshilfen sind auch die stärken von Menschen mit Aphasie positiv am erfolg beteiligt. so verfügt diese Personengruppe über viel lebenserfahrung und Weltwis-sen. die Fähigkeit, visuelle elemente zu verarbeiten und sich zu erinnern, ist häufig sehr gut. Ausserdem profitieren Menschen mit Aphasie in der Regel von unterstützungen in der kommuni-kation und nehmen diese gut an. unter berücksichtigung dieser stärken sollten die Angebote einer kommunikationshilfe kom-biniert eingesetzt werden. dadurch wird die Möglichkeit einer natürlicheren und vollständigeren interaktion geschaffen, so dass sowohl in der alltäglichen interaktion erfolgreicher kommu-niziert werden kann als auch die kommunikations- sowie lese- und schreibfähigkeiten wiederhergestellt werden könnten. ein kommunikationsgerät sollte in das kommunikationssystem des Menschen mit Aphasie möglichst natürlich integriert werden, so dass dieser für jede situation die passende Möglichkeit hat, mit anderen zu kommunizieren – sei es über gesten, gebärden, schreiben, sprechen oder eine kommunikationshilfe.

ein langes Warten. ob sich die natürliche sprache wieder ausrei-chend erholt, ist nicht hilfreich, da in diesem Zeitraum eindrücke und erfahrungen gemacht werden, die sich auf das restliche le-ben auswirken können (beukelman, garrett & yorkston, 2007).

literaturverweise:beukelman, d., garrett, k., & yorkston, k. (2007). Augmentative communication strategies for adults with acute or chronic medical conditions. baltimore: Paul H. brookes Publishing. garrett, k., & Huth, C. (2002). the impact of graphic contextual information and instruction on the conversational behaviors of a person with severe aphasia. Aphasiology, 16(4/5/6), 523–536.

individuelle bedürfnisse in der Pflege

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ein MoMent, deR dAs leben VeR ändeRn k Ann.

te X t: Je Anne t te F isCHeRinHAlt: uRsul A kneCHtle

ich denke sie alle wissen, von was für einem Moment ich spreche. nach dem essen mit Freunden, am Arbeitsplatz, Zuhause. bei Herr knechtle war dieser Moment beim schlafen. Hirnschlag. nur dank dem Hausarzt, der den ernst der lage sofort erkannte, wurde Herr knechtle innert kürzester Zeit ins richtige spital gebracht. seine Familie musste bangen ob er die nacht überstehen würde – er überlebte. Herr knechtle erwartete danach jedoch kein einfacher Weg. seine Frau erzählt in der Folge von der Zeit seit dem Hirnschlag ihres Mannes bis heute.

Frau Wern bei der Arbeit mit Herrn knechtle.

Anfangs konnte mir im spital nicht erklärt werden, warum mein Mann einen Hirnschlag erlitt. er ist nicht übergewichtig, hat kei-nen zu hohen Cholesterinspiegel und sein blutdruck ist auch mehr oder weniger normal. später wurde es einfach dem Rau-chen und stress zugeschoben. den Hirnschlag erlitt er 1999, mein Mann war damals 51 Jahre alt. er war zu diesem Zeitpunkt voll berufstätig. bei der Firma obrist war er zuständig für den

Computer, der die betonmischung und die Abfüllung steuerte. ich mag mich noch erinnern, als die ergotherapeutin mit ihm zu seinem Arbeitsplatz zurückkehre. dort hatte ich ihn das erste Mal weinen sehen. das war sehr ergreifend. die Firma obrist ermöglichte ihm im Magazin nach dem Vorfall noch als Aushilfe tätig zu sein, was eine gute therapie war. doch seit ca. 3 Jahren ist er nun ganz Zuhause. er ist heute 64.

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ein MoMent, deR dAs leben VeR ändeRn k Ann.

te X t: Je Anne t te F isCHeRinHAlt: uRsul A kneCHtle

nach dem Hirnschlag im spital wurde nicht so viel im bereich logopädie getan. erst später in der tagesklinik hatte er intensive logopädiebetreuung und ergotherapie. Aber es ging sehr lang-sam vorwärts. er weiss, was er sagen möchte, aber er bringt es nicht heraus. Für uns ist es dann schwer herauszufinden von was er gerade schwätzt. da müssen wir manchmal riesige umwege machen, bis wir darauf kommen, was er sagen möchte. Manch-mal ist es einfacher und manchmal ist es schwieriger. natürlich ist es einfacher etwas zu verstehen, was sich gerade auf den kontext bezieht. Manchmal finden wir es aber auch nicht heraus, für ihn sicher oft eine frustrierende situation. und oft ist es ein-fach auch deprimierend weil man das gefühl hat es bräuchte nur noch so einen «schupf» und doch klappt es nicht einfach so. das können wir so einfach sagen, denn für ihn ist das überhaupt nicht leicht. es ist nicht einfach, aber man tut sein möglichstes. und ich bin halt keine logopädin und möchte mich da auch nicht einmischen. da bin ich auch ganz ehrlich – ich hätte auch nicht die geduld dafür. ich muss bewusst langsam und klar sprechen, dass er alles verstehen kann, sonst lasse ich ihm keine Chance.

über Jahre hat sich leider nur wenig getan – trotz therapie. seit ca. eineinhalb Jahren betreut ihn nun Frau Wern in der tageskli-nik Rheinfelden. da sich bei meinem Mann während den letzten 10 Jahren nicht viel verändert hatte, schlug die Fachperson Frau Wern ein kommunikationshilfsmittel vor. so könne er sich selb-ständiger ausdrücken und bspw. im Restaurant etwas bestellen oder einkaufen gehen. das gerät sagt mit einer Computerstim-me für ihn was er sagen möchte. er weiss ja was er sagen möch-te, er kann es einfach nicht ausdrücken. so hatten wir eine bera-tung mit seiner logopädin und einem Hilfsmittelberater von Active Communication. gemeinsam eruierten wir die Zielset-

zungen und legten uns auf ein Hilfsmittel fest. Anschliessend konnte er das gerät testen und es wurde dann von der iV über-nommen.

das gerät hat schon Veränderung gebracht. Zuhause benutzt er es noch nicht so intensiv. Meistens kann er mir die sachen zei-gen. Aber wir haben jetzt ausgemacht, dass er es auch Zuhause mehr einsetzt. er hat einfach das gefühl er sei noch zu unsicher. er übt aber sehr fleissig. seine logopädin, Frau Wern, ist wirklich toll und gibt ihm gute Aufgaben, so dass er immer wieder üben kann und vorwärts kommt. Mit dem Hilfsmittel hat Frau Wern schon so einiges erreicht und war mit ihrem Mann auch bspw. einen kaffee trinken, den er dann bestellte usw. es ist unglaub-lich, was sie schon alles auf dem gerät umgesetzt hat. sie hat seitensets für ihn kreiert mit den symbolen, welche in der einen oder anderen situation gleich optimal passen. oder seitensets gemacht, mit denen er sich jemandem vorstellen und über sich erzählen kann. leider kann er an unserem Wohnort das gerät nicht gut zum einkaufen mitnehmen, da wir nur noch einen Volg haben und mit selbstbedienung. Aber jetzt gehen wir dann in die Ferien und nehmen das Hilfsmittel sicher auch mit. da ist es mir wichtig, dass er es einsetzt und selbständig seine bedürfnisse äussert. er hat das Hilfsmittel ja noch nicht so lange. Aber ich finde, er hat natürlich auch dank dem einsatz von Frau Wern, viele Fortschritte gemacht. Je nachdem kann es aber auch mit dem gerät schwierig sein, etwas aus dem Affekt heraus zu sa-gen. Aber nur schon, dass er über sich erzählen kann wie «ich heisse Josef knechtle…», «ich gehe gerne spazieren…» finde ich sehr wichtig. es hat sich sicher einiges schon verändert. ich habe auch das gefühl, dass er besser zuhört, wenn sein Hilfsmittel die sachen ausspricht und dass er allgemein wieder aufmerksamer ist.

er hat das Hilfsmittel nun seit einigen Monaten und wird von Frau Wern begleitet. ich bin überzeugt, dass das Hilfsmittel viel entwicklung möglich macht und es etwas bringt. Aber man darf auch keine Wunder erwarten. es braucht einfach Zeit. ich habe mir auch schon überlegt: Hätte er schon von Anfang an so ein Hilfsmittel gehabt – hätte er sich anders entwickelt? Aber eben, man kann es nicht wissen. Auch in diesen 5 Wochen im spital ging viel Zeit verloren und es wurde nichts gemacht in der logo-pädie. ob jetzt das etwas gebracht hätte, wenn dort gleich ange-setzt worden wäre. Auch hier kann ich das natürlich nicht beur-teilen. das sind Fragen, die einfach offen bleiben.

ich möchte gerne besonders Angehörigen aus meiner erfahrung mitgeben, dass sie sich trotz aller Aufopferung und Fürsorge nicht selbst vergessen. es ist wichtig erlebnisse zu teilen, dass man jemanden hat, dem man die sorgen mitteilen kann, der ein offenes ohr hat. ich wünsche allen viel kraft, die so etwas wie ich durchmachen, denn das braucht man sicher in vielen Mo-menten.

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HilFsMit teleinsAtZ in deR tHeR APie .

Von CHAntAl bis s ig

Welche Art von therapien sind bei Aphasiepatienten sinnvoll?

Je nach Art und Ausmass der Hirnschädigung ergeben sich sehr unterschiedliche störungsbilder bei Patienten mit einer zentra-len sprachstörung, einer Aphasie. grundsätzlich können alle sprachlichen Modalitäten, die expressiven ebenso wie die rezep-tiven, betroffen sein. d.h. die Patienten können Probleme haben beim Verstehen von gesprochener und geschriebener sprache, beim benennen, beim nachsprechen und beim schreiben. sie können schwierigkeiten haben mit der semantik, also mit der Wortbedeutung, oder mit der Phonematik, der lautstruktur von Wörtern. ebenso können die syntaktischen strukturen beein-trächtigt sein (satzbildung, grammatik). Auch die steuerung von sprechbewegungen kann gestört sein, man spricht dann von einer sprechapraxie.Mit einer sorgfältigen diagnostik zu beginn der therapie stellen logopädinnen fest, in welchen bereichen ein Aphasiepatient schwierigkeiten hat. entsprechend wird aus der Fülle der sprachtherapeutischen Ansätze die individuell geeignete thera-piemethode gewählt. oft sind das auch kombinationen verschie-dener Ansätze. gleichzeitig wird immer geschaut, was kann der Patient noch und wie kann er diese Fähigkeiten einsetzen, um mit seiner umwelt zu kommunizieren.

Welches sind die Herausforderungen und schwierigkeiten bei diesen therapien?

die grosse Herausforderung besteht insbesondere bei den schwer betroffenen Patienten darin, einen Weg zu finden, ihnen trotz sprachlicher defizite kommunikation zu ermöglichen, egal wie. es gibt verschiedene strategien: z.b. das üben des benen-nens von dingen des Alltags, die erarbeitung eines kleinen «Wortschatzes». Manche Patienten können besser schriftlich benennen. Mit anderen weicht man in der therapie auf alterna-tive kommunikationsstrategien aus wie sprachersetzende ge-sten oder das Zeichnen. oder man übt mit ihnen eine sichere Ja /nein kommunikation, d.h. das Antworten auf entscheidungs-fragen.die schwierigkeiten sind so individuell wie die Patienten. Viele der betroffenen leiden zusätzlich zu den sprachstörungen auch an anderen kognitiven beeinträchtigungen, die eine sprachthe-rapie erschweren können. dazu gehören u.a. schwankungen in

der Aufmerksamkeit und konzentration, eine Verminderung der Merkfähigkeit, aber auch gesichtsfeldausfälle etc. Hinzu kom-men noch körperliche beeinträchtigungen wie Halbseitenläh-mungen. die Motivation der Patienten und die unterstützung durch Partner und / oder Familie sind ebenfalls unterschiedlich.

Welche Hilfsmittel setzen sie in der therapie ein?

oft eingesetzt werden kommunikationstafeln, die in einfachen bildern die wichtigsten bedürfnisse der Patienten darstellen, auf die diese dann zeigen können: Ja/nein/ich muss aufs WC/ich habe Hunger/durst/ich möchte in den Rollstuhl/ins bett etc. diese tafeln sind im stationären Alltag einer (Reha-) klinik rasch und individuell herzustellen (laminierte din A4 oder A3 tafel).etwas ausführlicher sind kommunikationsbücher mit Fotos der Angehörigen, der Haustiere, der Wohnung / des Hauses, wich-tigen telefonnummern, Hobbies der Patienten etc.elektronische Hilfsmittel wie z.b. der lightwriter werden einge-setzt bei Patienten, die an einer dysarthrie leiden, also an einer störung der sprechmotorik. diese Patienten sprechen oft so stark verwaschen, dass sie nicht zu verstehen sind. ihr sprach-liches Wissen ist aber nicht betroffen, so dass sie mit Hilfe des lightwriters aufschreiben können, was sie sagen möchten (Pa-tienten mit einer schweren Aphasie können meistens auch nicht schreiben, so dass der lightwriter für sie keine Hilfe ist). Hilfs-mittel wie der tellus smart werden an meinem Arbeitsplatz (s.u.) bei sog. «frischen» Aphasien eher selten eingesetzt.

in welchen Fällen sind denn kommunikationshilfsmittel geeig-net? Mit welchem Ziel setzen sie kommunikationshilfsmittel ein?

ein Hilfsmittel, das bei den logopädischen therapien in der Reha Rheinfelden häufig eingesetzt wird, ist das b.A.bar-gerät. Aller-dings dient es dabei weniger als kommunikationsmittel, sondern wird eher für das die therapie unterstützende und ergänzende eigentraining eingesetzt. ein beispiel: Patient Herr A. hat am Morgen mit der logopädin 10 items aus dem Wortfeld «garten» erarbeitet. er erhält zu jedem item das entsprechende bild mit dem Code. Am nachmittag übt er mit Hilfe von b.A.bar das nachsprechen, das gerät spricht vor, er spricht nach. nach eini-gen übungsdurchgängen versucht er jedes bild direkt zu benen-

Arbeiten mit erwachsenen Personen, die aufgrund einer neurologischen erkrankung (schlaganfall, Hirnblutung, Hirntumor, Ms, Morbus Parkinson etc) an Aphasien leiden, ist für gabriele Wern nicht nur ein Job, sondern eine tägliche bereicherung. so führt sie in der Reha Rheinfelden nicht nur das nitA-Programm (neurologische intensiv-therapie Aphasie) durch, sondern gibt nach einer berufsbegleitenden Ausbildung zur Feldenkrais-lehrerin öffent-liche kurse in «bewusstheit durch bewegung» nach Feldenkrais. im folgenden interview erzählt sie nicht nur über die Arbeit generell, sondern auch sehr spezifisch über die Arbeit mit Herrn knechtle, den sie im vorherigen bericht kennengelernt haben.

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nen. Mit dem gerät vergewissert er sich, ob er richtig benannt hat. bei Patienten, die an einer progredienten erkrankung leiden wie z.b. an Amyotropher lateralsklerose (Als) oder an einer Multisystematrophie (MsA), also an einer erkrankung, die mit einer unumkehrbaren Verschlechterung aller Funktionen, auch die der sprechfähigkeit, einhergeht, kommen häufig kommuni-kationsgeräte zum einsatz. sie bieten ein breites spektrum an Möglichkeiten zur kommunikation. Allerdings setzen sie gute kognitive Fähigkeiten der Patienten voraus.

Welche Vorteile bringt ihnen oder auch dem betroffenen dieser einsatz?

ganz allgemein kann man sagen, dass diese Hilfen die kom-munikation für die betroffenen und ihre umwelt erleichtern, teil-weise überhaupt erst ermöglichen.

Welche schwierigkeiten birgt der einsatz von Hilfsmitteln?

die meisten der kommunikationshilfsmittel müssen für den je-weiligen Patienten individuell angepasst werden. das b.A.bar-gerät z.b. muss von der therapeutin mit den Wörtern oder sät-zen besprochen werden, die der Patient braucht. das bild- oder schriftmaterial muss dazu erstellt werden und mit den entspre-chenden Codes versehen werden. Auf dem tellus smart befin-den sich in der grundversion z.b. auf der seite mit den nah-rungsmitteln viele, die der Patient, der das gerät erhält, vielleicht gar nicht isst. natürlich kann man sie ersetzen. doch diese indi-viduelle Anpassung benötigt viel Zeit, die die therapeuten im berufsalltag oft nicht haben. sollen Angehörige diese Aufgabe übernehmen, müssen auch sie erst in die bedienung des gerätes eingearbeitet werden. Auch dies benötigt Zeit von beiden seiten.

ist es verbreitet, solche Hilfsmitte bei Aphasie einzusetzen? oder wenn nicht, warum?

nein. gerade bei Aphasien kommen solche geräte meiner erfah-rung nach eher selten zum einsatz. einer der gründe dafür ist, dass die Aphasiepatienten häufig an anderen kognitiven beein-trächtigungen leiden, die die bedienung elektronischer kommu-nikationshilfen wie z.b. des tellus smart erschweren oder sogar unmöglich machen. um sich zu merken, welche Wörter sich hin-ter welchem symbol verbergen, ist eine hohe gedächtnisleistung notwendig. Manchmal ist schon das symbolverständnis einge-schränkt.

Welche Vorurteile hegen oft betroffene oder deren umfeld ge-genüber solchen Hilfsmitteln?

die betroffenen wollen in erster linie wieder sprechen können. die benutzung einer kommunikationshilfe ziehen sie erst in be-tracht, wenn gar nichts anderes mehr geht.

Wie läuft eine betreuung mit kommunikationshilfsmitteln ab?

im idealfall kann man einem Patienten ein solches gerät zeigen. in der Reha Rheinfelden haben wir einen lightwriter, einen tellus smart und mehrere b.A.bar-geräte, die wir den Patienten vor-führen können. ist der betroffene interessiert, nehmen wir kon-takt auf zu Active Communication und machen einen beratungs-termin aus. dabei sollten unbedingt auch die Angehörigen anwesend sein! der berater von Active Communication kommt mit verschiedenen Hilfsmitteln und erklärt deren Funktionsweise und Anwendungsmöglichkeiten. ein gerät wird ausgesucht und dem Patienten zunächst für eine testphase zur Verfügung ge-stellt. erweist sich das gerät als hilfreich, wird die kostenüber-nahme bei den zuständigen stellen beantragt. damit der Patient das Hilfsmittel auch wirklich gerne benutzt, muss es an seine bedürfnisse angepasst werden. d.h. es müssen die bilder, Wör-ter und sätze gespeichert werden, die für sein leben wichtig sind und die, die er nicht braucht, müssen entfernt werden. (s.o. beispiel nahrungsmittel). Wenn die Angehörigen sich dies nicht zutrauen oder keine Zeit dazu haben, muss dies von einem the-rapeut übernommen werden.

Weshalb hat man sich bei Herrn knechtle für den tellus smart entschieden?

Herr knechtle hat ein Hilfsmittel erhalten, weil er schon seit 1999 eine schwere globale Aphasie mit semantischem Jargon und eine schwere sprechapraxie hat. trotz intensiver therapie über viele Jahre hinweg kann er spontan nur Floskeln äussern. das konfrontative benennen ist ihm nicht möglich, das schriftliche benennen gelingt nur, wenn er es permanent übt. Recht gut er-halten sind sein auditives sprachverständnis und auch das le-sen von einzelwörtern und einfachen sätzen.Als ich seine therapie übernahm, waren bis dahin am kommuni-kationshilfsmtitel tellus smart nur wenige Anpassungen ge-macht worden. so habe ich das Handbuch studiert und mit dem einverständnis von Herrn knechtle und seiner Frau und von meinem Abteilungsleiter die PC-Version auf meinem privaten laptop installiert. so kann ich die änderungen und Anpas-sungen zu Hause machen, am Abend oder im garten. dies ist nur möglich, weil ich nicht Vollzeit arbeite, mit einem 100%-Job würde ich das nicht schaffen.

Wie sind die Fortschritte bei Herrn knechtle?

Fast ein Jahr lang habe ich Herrn knechtle 1 x pro Woche gese-hen, erst vor kurzem haben wir umgestellt auf 2 x pro Monat. kontinuierlich haben wir dabei die bestehenden seiten erwei-tert, unnötiges gelöscht, Fotos von Angehörigen geladen und erläuternde sätze zu seinem leben eingegeben. immer wieder haben wir geübt, wie er bestimmte dinge mitteilen kann (was er essen, trinken, machen möchte, wie viele kinder er hat und wie

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sie heissen, wo er wohnt etc.). das klappt alles sehr gut. schwie-rigkeiten bereiten ihm die seiten, die keine eins-zu eins-Zuord-nung symbol-Wort haben: z.b. die seite «schnell» oder die «Fragen»-seite. diese wiederholen wir ständig, damit er allmäh-lich die Anordnung der symbole und ihre bedeutung «im schlaf» abrufen kann. Auch das «springen» von einer seite zur anderen in einem dialog fällt ihm noch schwer (bsp: er wird gefragt: Möchten sie ein bier trinken? mögliche Antwort: das mag ich nicht. = seite «schnell». ich möchte bitte saft. = seite «ge-tränke»). da weicht er dann auf andere strategien aus (was na-türlich auch ok ist!), schüttelt den kopf, sagt «nei» und rümpft die nase. und ruft nur die getränke-seite für saft auf.und natürlich hat ein gerät wie der tellus smart seine grenzen. neulich wollte er mir etwas erzählen, was wir nur mit Hilfe seiner Frau herausbekommen haben, mit dem smart ging das nicht. die botschaft war: «ich habe den Mann aus Möhlin, der diesen som-mer unseren Zaun neu machen wollte, hier in der klinik als Pati-ent getroffen.»bisher setzt er den tellus smart hauptsächlich im privaten um-feld ein. einmal waren wir zusammen in einem Café, er hat kaffee und kuchen bestellt und später die Rechnung verlangt. natürlich hatten wir das gerät entsprechend vorbereitet und geübt. Wir haben eine seite eingerichtet, mit der er briefmarken oder brot kaufen kann in seinem Wohnort. Auf nachfrage hat er genickt, als ich wissen wollte, ob er das schon ausprobiert hätte. das dumme ist, er wohnt in einem sehr kleinen ort. Ausser der Post, einem bäcker und einem Volg gibt es dort keine einkaufsmög-lichkeiten. und im Volg läuft alles per selbstbedienung. Herr knechtles Frau erzählt mir, dass ihr Mann sich jeden tag hinsetzt

und mit dem gerät beschäftigt, um es immer noch besser ken-nen zu lernen. ich gebe ihm jedes Mal eine liste mit 10 – 15 übungssätzen mit, die abzurufen er zuverlässig übt.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Active Communication ab? Welches sind für sie die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit, wo liegen die schwierigkeiten?

Aktuell betreue ich einen Patienten, der den tellus smart von Active Communication hat. trotz sorgfältigen studiums des Handbuches hatte ich zu beginn noch viele Fragen. die konnte ich per e-Mail oder telefon jederzeit an die Mitarbeiter von AC richten und bekam jeweils sofort eine Antwort bzw. Hilfestellung bei änderungen. das ist natürlich toll! Auch bei technischen Problemen wurde das gerät eingeschickt und sehr schnell repa-riert / überholt. schwierigkeiten gab es bisher keine!

Was würden sie sich bezogen auf Hilfsmittel vermehrt wünschen für Aphasiepatienten?

geräte mit einer Ausstattung nur für erwachsene, also ohne symbole für kinder. ein Angebot von seiten, die man zusätzlich zu den auf dem gerät bestehenden auf dieses für wenig oder gar kein geld* dazu laden könnte, damit man als therapeut nicht so viel selber kreieren muss. eine irgendwie erweiterte sprachaus-gabe, so dass das gerät auch z.b. französische Wörter korrekt spricht, ohne dass man eine Pseudolautschrift erfinden muss (Janine muss man als dschahnin eingeben..., für grüezi habe ich noch keine befriedigende lösung gefunden...).

übeR gAbRiele WeRn

geboren in Freiburg im breisgau 1962. nach dem studium «Französisch und deutsch für das lehramt an gymna-sien» in einer Vorlesung über Aphasien von der logopädie begeistert, folgte ein Praktikum und darauf eine 3-jährige Ausbildung zur logopädin an der lehranstalt für logopäden der RWtH Aachen. Anschliessend 2 Jahre im Aachener klinikum auf der Aphasiestation. nach babypause 3 Jahre freie Mitarbeiterin in einer logopädischen Praxis in schopfheim mit schwerpunkt betreuung von Aphasiepatienten, viele in domizilbehandlung. Zurück zur teamarbeit Wechsel in das städtische krankenhaus Zell im Wiesental, einer geriatrischen Rehaklinik. seit 2002 in der Reha Rheinfelden CH mit erwachsenen Patienten, die aufgrund einer neurologischen erkrankung (schlaganfall, Hirnblu-tung, Hirntumor, Multipler sklerose, Morbus Parkinson etc.) an Aphasien, dysarthrophonien und / oder dysphagien leiden. berufsbegleitende Ausbildung zur Feldenkrais-lehrerin (Abschluss 2012).

*Anmerkung der Redaktion: der Austausch von bestehenden seitensets wird aktuell gefördert und findet auf der Plattform www.uk-netzwerk.ch statt. im loginbereich haben Angehörige und Fachpersonen nicht nur die Möglichkeit sich auszutauschen, sondern auch dateien und seitensets für geräte zu teilen.

KoMMUnIKatIonShIlfSMIttEl bEI aPhaSIE

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Haben sie bei ihrer Arbeit oder im kontakt mit Menschen mit Aphasie solche Aussagen schon gehört?

es ist ja schon sonderbar, dass Menschen, die einen unfall hatten, automatisch in einen Rollstuhl kommen um danach wieder laufen zu lernen – sollte es bei Aphasie nicht genau so sein, so dass betroffene keine negativen erfahrungen machen mit kommunikation und dank einem Hilfsmittel kommunikative erfolge haben können? in diesem Workshop werden Vorurteile gegenüber uk bei Menschen mit Aphasie aufgedeckt. neben Fallbeispielen lernen sie neues aus der Forschung sowie Anwendungstechniken kennen. sie haben die Möglichkeit verschiedene kommunikationshilfsmittel kennen zu lernen und auch selber vor ort auszuprobieren.

ort und datum Zug: Mittwoch, 30. Januar 2013, 13.30 - 17.00 uhr

sich für den kurs anmelden oder den kurs gleich für ihre institution buchen, können sie auf www.activecommunication.ch oder 041 747 03 03.

Unterstützte Kommunikation wird erst eingesetzt

wenn jemand mit Aphasie nie mehr sprechen kann.

Es gibt Menschen mit Aphasie welche ein

Kommunikationsgerät tatsächlich benutzen.

Hilfsmittel braucht es erst wenn alles andere

nichts mehr nützt.

inseRAt

active communication ag sumpfstrasse 28 6300 zug

telefon 041 747 03 03 telefax 041 747 03 04

elektronische hilfsmittel für menschen mit einer behinderung

www activecommunication ch

Für Menschen mit einer behinderung oder neurologischen erkrankung führen wir Hilfsmittelberatungen in der ganzen schweiz durch. Für ein unverbindliches beratungsgespräch kontaktieren sie uns auf 041 747 03 03 oder [email protected].

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