E-BIKE-TEST KTM FREERIDE E-SX UND E-XC …...Danny MacAskill ist begeisterter Freeride-E-Ambassador...

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19 www .motomobil. at 19 www .motomobil. at 18 www.motomobil.at 18 www.motomobil.at TEXT HERBERT BONKA FOTOS MARCO CAMPELLI, SEBAS ROMERO E-BIKE-TEST KTM FREERIDE E-SX UND E-XC tungselektronik ist teilweise flüssig- gekühlt. Angesichts der Tatsache, dass die Freeride neben dem neuen BMW-E-Roller (siehe auch Seite 34 in diesem Heft) das einzige E-Bike mit „richtiger“, sonst nur aus dem Auto- mobilbau bekannter Hochvolt-Tech- nologie ist, lässt die KTM-Sorgfalt in der Testphase umso vernünftiger er- scheinen. Die Maschine ist jetzt IP67- schutzklassenzertifiziert – das heißt, sie kann mindestens eine halbe Stun- de lang in einem Meter tiefen Wasser liegen, ohne dass auch nur irgendet- was passiert, nachher beutelt sie sich ab und fährt weiter. Der Ausdruck „perfektioniert“ kommt der Wahrheit einigermaßen nahe, denn die von der „motomobil“-Re- daktion getestete endgültige Kunden- version der Freeride E ist tatsächlich knapp an der Perfektion. Der gelern- te E-Mobilist weiß freilich, dass ein E-Vehicle nie wirklich perfekt sein G ut Ding braucht Weile – und gut war’s, dass sich KTM nicht von der ersten Welle des neuzeitlichen E-Hypes mitreißen hat lassen und die elektrische Zero- Emission-Enduro vorschnell und marktschreierisch in den Handel gebracht hat, sondern das Bike über einige Jahre kontinuierlich entwickelt und verbessert hat. Um nicht zu sa- gen: perfektioniert. Wir erinnern uns: Die Mission be- gann bereits 2007, damals noch mit Anschub durch österreichische För- derungsfonds. Im Oktober 2008 wur- de in Zusammenarbeit mit dem AIT, dem Austrian Institute of Technology, der erste fahrfähige Prototyp vorge- stellt. Im Cover-Interview der ersten „motomobil“-Folge im Juni 2010 outete sich KTM-Chef Stefan Pierer als großer Fan der Elektromobilität und bestätigte, dass man in Oberös- terreich die Entwicklung neuer An- triebstechnologien sehr geplant und gezielt vorantreibt. Im November 2011 wird die KTM Freeride E dann mit dem österreichischen „Staatspreis Mobilität 2011“ ausgezeichnet, die KTM-Bemühungen um E-Mobility sind nun amtlich. Seit 2012 kann die Freeride in mehreren europäischen E-Parks von interessierten Bikern auf Herz und Nieren getestet werden. Im Mai 2013 findet im belgischen Zolder mit der Freeride das erste europäi- sche E-Motocross-Rennen der FIM statt („motomobil“ berichtete in Folge 013). Und seit Oktober 2014 kann die KTM Freeride E von jedermann bei ausgewählten und speziell für den E- Antrieb geschulten Händlern gekauft werden. I m Lauf der Entwicklung wurde der von der deutschen Firma Perm speziell für KTM kon- struierte Permanentmagnet- Synchronmotor von Luft- kühlung auf Flüssigkühlung umgestellt, auch die im selben Gehäuse befindliche Leis- ALLES FLIESST Das ist alles andere als Kriechstrom – nach Jahren der sorgfältigen Vorbereitung bringt KTM die Evolution ins Geländemotorradfahren (1) Neue Weg- begleiter bei einem KTM-Offroader: Batterie und Ladegerät (2) Der schottische Fahrradprofi Danny MacAskill ist begeisterter Freeride- E-Ambassador und beherrscht das Gerät in künstlerischer Vollendung (3) Aber auch Amateure freunden sich mit der Elektro- KTM sehr rasch an (4) In der E-XC-Version kann die KTM für die Straße zugelassen werden Kein Schnellschuss: Die Freeride E wurde intensiv getestet ZUM AUTOR HERBERT BONKA, geboren 1979, ist DAS Wirtshaus im Wiener- wald, genau in Oberkirchbach zwischen Klosterneuburg und der Dopplerhütte (Leitbetrieb der „Niederösterreichischen Wirtshauskultur“). Der Restau- rantfachmann fährt seinem 7. Lebensjahr Enduro- und Trial- motorräder, und weil er das vor allem auf dem eigenen Gelände macht, fährt er außerordentlich gut. Als Wienerwald-Schilift- betreiber hat er außerdem genügend Strom zur Verfügung und ist somit der geeignete E-Bike-Tester 4 2 1 3

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19www.motomobil.at 19www.motomobil.at18 www.motomobil.at18 www.motomobil.at

TEXT HERBERT BONKAFOTOS MARCO CAMPELLI, SEBAS ROMERO

E-BIKE-TEST KTM FREERIDE E-SX UND E-XC

tungselektronik ist teilweise flüssig-gekühlt. Angesichts der Tatsache, dass die Freeride neben dem neuen BMW-E-Roller (siehe auch Seite 34 in diesem Heft) das einzige E-Bike mit „richtiger“, sonst nur aus dem Auto-mobilbau bekannter Hochvolt-Tech-nologie ist, lässt die KTM-Sorgfalt in der Testphase umso vernünftiger er-scheinen. Die Maschine ist jetzt IP67-schutzklassenzertifiziert – das heißt, sie kann mindestens eine halbe Stun-de lang in einem Meter tiefen Wasser liegen, ohne dass auch nur irgendet-was passiert, nachher beutelt sie sich ab und fährt weiter.Der Ausdruck „perfektioniert“ kommt der Wahrheit einigermaßen nahe, denn die von der „motomobil“-Re-daktion getestete endgültige Kunden-version der Freeride E ist tatsächlich knapp an der Perfektion. Der gelern-te E-Mobilist weiß freilich, dass ein E-Vehicle nie wirklich perfekt sein

Gut Ding braucht Weile – und gut war’s, dass sich KTM nicht von der ersten Welle

des neuzeitlichen E-Hypes mitreißen hat lassen und die elektrische Zero-Emission-Enduro vorschnell und marktschreierisch in den Handel gebracht hat, sondern das Bike über einige Jahre kontinuierlich entwickelt und verbessert hat. Um nicht zu sa-gen: perfektioniert.Wir erinnern uns: Die Mission be-gann bereits 2007, damals noch mit Anschub durch österreichische För-derungsfonds. Im Oktober 2008 wur-de in Zusammenarbeit mit dem AIT, dem Austrian Institute of Technology, der erste fahrfähige Prototyp vorge-stellt. Im Cover-Interview der ersten „motomobil“-Folge im Juni 2010 outete sich KTM-Chef Stefan Pierer als großer Fan der Elektromobilität und bestätigte, dass man in Oberös-terreich die Entwicklung neuer An-triebstechnologien sehr geplant und

gezielt vorantreibt. Im November 2011 wird die KTM Freeride E dann mit dem österreichischen „Staatspreis Mobilität 2011“ ausgezeichnet, die KTM-Bemühungen um E-Mobility sind nun amtlich. Seit 2012 kann die Freeride in mehreren europäischen E-Parks von interessierten Bikern auf Herz und Nieren getestet werden. Im Mai 2013 findet im belgischen Zolder mit der Freeride das erste europäi-sche E-Motocross-Rennen der FIM statt („motomobil“ berichtete in Folge 013). Und seit Oktober 2014 kann die KTM Freeride E von jedermann bei ausgewählten und speziell für den E-Antrieb geschulten Händlern gekauft werden.

Im Lauf der Entwicklung wurde der von der deutschen Firma

Perm speziell für KTM kon- struierte Permanentmagnet-Syn chronmotor von Luft-kühlung auf Flüssigkühlung umgestellt, auch die im selben Gehäuse befindliche Leis-

ALLES FLIESST

Das ist alles andere als Kriechstrom – nach Jahren der sorgfältigen Vorbe reitung bringt KTM die Evolution ins Gelände motorradfahren

(1) Neue Weg- begleiter bei

einem KTM-Offroader: Batterie und Ladegerät

(2) Der schottische Fahrradprofi

Danny MacAskill ist begeisterter Freeride-

E-Ambassador und beherrscht das Gerät

in künstlerischer Vollendung

(3) Aber auch Amateure freunden

sich mit der Elektro-KTM sehr rasch an

(4) In der E-XC-Version kann die KTM für die

Straße zugelassen werden

Kein Schnellschuss: Die Freeride E wurde intensiv getestet

ZUM AUTORHERBERT BONKA, geboren 1979, ist DAS Wirtshaus im Wiener-wald, genau in Oberkirchbach zwischen Klosterneuburg und der Dopplerhütte (Leitbetrieb der „Niederösterreichischen Wirtshauskultur“). Der Restau-rantfachmann fährt seinem 7. Lebensjahr Enduro- und Trial-motorräder, und weil er das vor allem auf dem eigenen Gelände macht, fährt er außerordentlich gut. Als Wienerwald-Schilift-betreiber hat er außerdem genügend Strom zur Verfügung und ist somit der geeignete E-Bike-Tester

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E-BIKE-TEST KTM FREERIDE E-SX UND E-XC

Einen konventionellen Fußbremshe-bel gibt es ebenfalls nicht. Die Betäti-gung der Hinterradbremse geschieht – wie bei Rollern – durch einen an der linken Lenkerhälfte angebrach-ten Handbremshebel; die Bremsdo-sierung kann dadurch sehr feinfühlig durchgeführt werden. Überhaupt ge-wöhnt man sich als Endurist schnell innerhalb einer Akkufüllung an die neuartige Bedienung und lernt sie zu schätzen. Als Offroad-Neuling wird man sich auf der Freeride E auf An-hieb leichter tun als auf einem Ben-zinbike.

Es gibt drei direkt anwählbare Leistungsstufen: Der Modus

„Economy“ ist vor allem ein Strom-sparmodus; die Leistungsstufe „Standard“ eignet sich für Trialpas-sagen und es können nicht allzu arge Steigungen und Hindernisse damit angegangen werden; „Advan-ced“ ist für den vollen Spaß auf einer Offroadpiste. Hier ist auch die Peak Power von 16 kW (22 PS) kurzfris-tig abrufbar, mit einer Dauerleistung von 11 kW (15 PS) kann die straßen-zulassungsfähige E-XC-Version der Freeride unter den günstigen Rah-menbedingungen der 125er-Klasse versichert und gefahren werden. Für den Fahrspaß ist aber vor allem das ständig zur Verfügung stehende Drehmoment wesentlich, das un-gefähr dem Maximaldrehmoment

einer modernen 250er-Enduro ent-spricht. Weil bei E-Motoren aber alles ein bisschen anders ist, ist das subjektive Fahrgefühl eher so, als ob man auf einer 350er/400er sitzt. Gro-ßes Lob muss man KTM für die Pro-grammierung des Controllers zollen, die Dosierbarkeit der Motorkraft lässt keine Wünsche offen. Nach kurzer Eingewöhnung gelingt auch ordentliches Wheelisieren, statt mit der Fußbremse muss man eben mit dem Handbremshebel arbeiten.Das Fahrwerk der E mit Perimeter-Alu-Stahlrahmen entspricht weit-

kann – da sprechen alleine schon die Reichweite und die Autarkie dagegen. Aber auch hier hat das Akkupack der Freeride die Entwicklungen der letz-ten Jahre mitgemacht: Ursprünglich für einen Energieinhalt von 2100 oder 2200 Wattstunden konzipiert, fassen die insgesamt 360 Stück 18650er-Zel-len von Samsung in der KTM-Batterie jetzt 2600 Wattstunden. Das reicht für eine knappe Stunde bei motocross-ähnlicher Fahrweise oder für an die zwei Stunden moderate Fahrt auf Waldwegen. Spätestens dann will man sowieso vom Motorrad runter.

Eine Vollladung kostet 77 Eurocent. Bei 13 Ampere Ladestrom dau-

ert eine 80-prozentige Aufladung 50 Minuten, 100 Prozent dauern 80 Mi-nuten. An 10 Ampere verlängert sich das um zirka ein Viertel. Und damit gleich alles gesagt ist: Das Ladegerät ist nicht im Motorrad eingebaut, und weil es nicht gerade zart und am Bike transportabel ist, muss die Freeride zum Wiederaufladen zurück zur Hei-

matstation. Das Laden kann bei ein-gebautem Akku geschehen, oder der Akku kann rasch getauscht werden – er wiegt 28 Kilo, nach dem Aufschrau-ben von vier Bolzen mit einem Sechs-kant-Steckschlüssel schafft das jeder Mensch mit zwei gesunden Händen.Kupplung gibt’s klarerweise keine, auch ein Schaltgetriebe fehlt, so wie bei fast allen E-Bikes. Weil das Dreh-moment von 42 Newtonmetern ab der ersten Motorumdrehung nach-drücklich anschiebt, geht die Schal-tung auch niemandem ab, und man kann sich wunderbar auf die Fahrsi-tuation konzentrieren. Es gibt ein klei-nes Primärgetriebe, das den E-Motor drehzahlmäßig im günstigen Wir-kungsbereich hält. Das Achterl Getrie-beöl sollte alle 50 Betriebsstunden aus-getauscht werden, das ist dann auch schon – außer dem Nachspannen der Hinterradkette – der komplette War-tungsaufwand für den gesamten An-triebsstrang.

gehend dem der KTM-Modelle mit Benzinmotor. Die WP-Federkompo-nenten mit viertelmeterlangen Fe-derwegen stecken auch anspruchs-volles Terrain anstandslos weg, so wie man es von einer KTM erwar-tet. Keine Sorgen muss man sich auch über einen eventuell zu hohen Schwerpunkt wegen der Platzierung des 28-Kilo-Akkus machen: Die Ge-wichtsverteilung der Freeride E ist wunderbar ausgewogen, und auf der Sitzbank hat man nahezu unendlich Platz für die jeweils optimale Fahrer-position.Bis jetzt hat die KTM Freeride E noch so gut wie jedem Piloten ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. Die pure Geländeversion Freeride E-SX kostet 11.098 Euro, für die mit 110 Kilo nur vier Kilo schwerere zulas-sungsfähige Freeride E-MX verlangt KTM 11.398 Euro. Die Betriebskos-ten sind dann fast Null. Willkommen in der neuen E-Offroadwelt.

Volles Drehmoment ab der ersten Motorumdrehung

Fühlt sich an wie viel Hubraum, dabei ist es Strom e-bike-daten

MOTOR ......Permanentmagnet-Synchronmotor 300 V, flüssiggekühltLEISTUNG ..................11kW/15 PS (Peak Power 16 kW/22 PS)DREHMOMENT ..............................................................42 NmFAHRWERK ............................Perimeter-Stahl-Alu-VerbundrahmenAUFHÄNGUNG vo/hi ..............WP USD 43 mm/WP MonoshockFEDERWEG vo/hi ................................................. 250/260 mmRADSTAND ................................................................ 1418 mmLENKKOPFWINKEL .............................................................. 67°NACHLAUF .........................................................................n. a.BEREIFUNG vo/hi ............ Trialmaxx 2,75-21, MaxxEnduro 120/90-18BREMSEN vo/hi............................Scheibe 260 mm/Scheibe 230 mmAKKU ........................................... Lithium-Ionen 2600 Wh, 28 kgLADEZEIT ......................................50 min (80 %), 80 min (100 %)MAX. REICHWEITE .........................................................Fahrzeit ca. 1 hGEWICHT (inkl. Akku) ................................................. 106 kg (110 kg)SPITZE ......................................................................... 75 km/hPREIS ............................................................... € 11.098,– (€ 11.398,–)HERSTELLER/INFO ..................................www.ktmfreeride-e.com

KTM Freeride E-SX (E-XC)

E-BIKE-NEWS: KTM FREERIDE E-SM AB FRÜHJAHR 2015

URBAN SMLaut- und geruchlos, mit superhaftfähigen 17-Zoll-Semi-Slicks und nur 110 Kilo Gewicht durchdringt die elektrische KTM-Supermoto den City-Dschungel wie das Lichtschwert von Luke Skywalker. Auf der Kölner Intermot im Herbst wurde die Stadtversion des oberösterreichischen Elektrowunders vorgestellt. Mit einer Dauerleistung von 11 kW (15 PS) darf die Elektro-KTM ab dem Alter von 16 Jahren in der 125er-Versicherungsklasse gefahren werden; die kurzfristig abrufbare Peak Power von 16 kW (22 PS) sorgt dafür, dass man sich an der Ampel vorne anstellt und sich von der Autokolonne und von Benzin-125ern per Handgruß gönnerhaft verabschiedet

(1) Auch wenn man sie versenkt: Die Freeride E ist wasserfest und fährt weiter

(2) Das schlanke Display zeigt alles über die verschiedenen Fahr- und Batteriezustände

(3) Die drei verschiedenen Fahrstufen können hier rasch angewählt werden

(4) Der 28-Kilo-Akku kann mit kleinem Werkzeug sehr rasch entnommen werden

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