E-Book Grünes Gold

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Dreieich : COPARGO© – 2012

ISBN 978-3-9814827-0-6 Auflage 1. Jahr 2012 © 2012 by COPARGO®, D-63303 Dreieich www.copargo.de Alle Rechte vorbehalten. Bei der Zusammenstellung von Texten und Abbil-dungen wurde mit größter Sorgfalt vorgegangen. Trotzdem können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Herausgeber und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verant-wortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvor-schläge und Hinweise auf Fehler ist der Herausgeber dankbar. Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber-rechts wird ohne Zustimmung von COPARGO® gerichtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung in elektronische Systeme, sowie die weitere Verarbeitung. Eine gewerbliche Nutzung der in diesem Produkt gezeigten Modelle und Arbeiten ist nicht zulässig. PRINCE2® is a registered trade mark of the Cabinet Office MSP®, MoP™ and P3O® are registered trade marks of the Cabinet Office in the United Kingdom and other countries The Swirl™ logo is a Trade Mark of the Cabinet Office Dieses Werk basiert auf dem offiziellen Handbuch von PRINCE2: Erfolgrei-che Projekte managen mit PRINCE2. Druck und Bindung: Alinea Digitaldruck GmbH Königsbrücker Straße 96 01099 Dresden Printed in Germany

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung .................................................................................. 1

Wie es dazu kam ....................................................................... 3

Die Vorbereitung ...................................................................... 7

To-do-Liste für die Vorbereitung .................................................... 7

Die 7 Grundprinzipien .................................................................. 16

Der erste Workshop ............................................................... 22

Der Vertrag - Die Regeln fürs Projekt ..................................... 29

Die Übersicht ................................................................................ 29

Die 7 Themen ............................................................................... 32

Der Planungsworkshop ................................................................ 45

Der Projektplan ............................................................................ 51

Die richtige Anpassung ist das A&O ............................................. 58

Wer lenkt, der trägt Verantwortung ...................................... 62

Smaragdschule ....................................................................... 67

Sollen wir tatsächlich ins Habachtal fahren? ......................... 74

Letzte Instruktionen vor dem Aufstieg ................................... 76

Aufbruch ins Habachtal .......................................................... 84

Das Camp ................................................................................ 86

Die erste Woche im Tal .......................................................... 88

Wer findet den ersten Stein? ................................................. 93

5 Euro und keinen Cent mehr! ............................................... 98

Quadrat 65............................................................................ 103

Phasenende .......................................................................... 106

Fundort 2 .............................................................................. 108

Charly in Frankfurt ................................................................ 114

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1

Einleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie haben sich dazu entschlossen herauszufinden, was PRINCE2 ist,

was PRINCE2 kann oder wie man sich das Wissen zu dieser Projekt-

managementmethode am effektivsten erwirbt. Zu dieser Entschei-

dung möchte ich Ihnen erst einmal gratulieren, denn PRINCE2 ist ein

einfach zu erlernendes und sinnvolles Werkzeug und das möchte ich

Ihnen gerne auf den folgenden Seiten veranschaulichen.

Sie halten hier ein Werk in Ihren Händen, mit dessen Hilfe ich Ihnen

einen ersten spielerischen Zugang zur Thematik PRINCE2 ermögli-

chen möchte. So habe ich mich, basierend auf meiner Erfahrung als

Trainer, bewusst nur auf die wesentlichen Aspekte konzentriert und

einige Details gezielt weggelassen – mehr Details erfahren Sie in

unseren Schulungen.

Die hier erzählte Geschichte basiert auf unseren Erfahrungen im

Bereich Projektmanagement. Als Beratungs- und Schulungsunter-

nehmen für PRINCE2 und andere Best Practice Methoden der OGC

dürfen wir jeden Tag erfahren, welchen Wert ein gesundes Maß an

Methode hat. Diesen Schatz möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

An dieser Stelle möchte ich einen besonderer Dank aussprechen an:

Charly, der bereit war, seine persönlichen Erfahrungen mit

mir zu teilen

James, der mit seinem prüfenden Blick dem Ganzen die nö-

tige Qualität verliehen hat

die Keller GmbH für die großzügige Bereitstellung der Do-

kumente zu diesem Projekt.

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Ich freue mich auf ein gegenseitiges Kennenlernen, vielleicht schon

auf unserer nächsten PRINCE2 Schulung.

Ihr Bernhard Armbruster

Trainer und Berater für Projektmanagement

Anmerkung: Die wichtigsten Begriffe der PRINCE2 Terminologie

wurden fett markiert.

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Wie es dazu kam

Im Süden eines Vororts von Wien liegt das Traditionsunternehmen

Keller GmbH, Europas älteste und einzige größere, noch verbliebene

Edelsteinschleiferei, gegründet im Jahre 1723. 250 Mitarbeiter,

massive finanzielle Schwierigkeiten und kaum Aussicht auf eine

Verbesserung der Auftragslage - das war die aktuelle Situation der

Keller GmbH. Markus Keller, der Eigentümer des Unternehmens,

der vor 25 Jahren das Unternehmen übernommen hatte, sah sich

machtlos gegenüber den schwindenden Aufträgen: "Früher sind sie

alle zu uns gekommen, um ihre Edelsteine zu schleifen. Heute wird

das direkt an den Fundorten in Indien, Sri Lanka und Brasilien ge-

macht - die können einfach billiger arbeiten." Er hatte bisher nicht

viel Glück in seinem Leben. Bisher - denn er stand gerade auf dem

Dachboden seines Hauses und untersuchte den Inhalt einer alten,

halb verrotteten Holzkiste. Er stieß dabei auf eine handgemalte

Karte. Sein Großvater, soviel wusste er, hatte schon immer davon

gesprochen, dass er eines Tages seine Steine selbst abbauen wolle,

er wüsste auch schon wo. Damals war aber so viel zu tun und ein-

fach kein Bedarf an selbst gesuchten Edelsteinen, so dass er es im-

mer weiter hinausgeschoben hatte. Hier stand nun Markus Keller

vor der Kiste seines Großvaters und studierte diese Karte. Sie war

etwa 2 Meter breit und 3 Meter lang. Er breitete sie auf dem Boden

aus und versuchte die Schrift seines Großvaters zu entziffern: Links

oben in der Ecke stand in schnörkeliger Schrift "Habachtal". Durch

die Mitte der Karte verlief eine blau geschlängelte Linie und auf der

rechten Seite der Linie waren zwei grüne Kreuze eingezeichnet,

versehen mit den römischen Ziffern I und II. Er stöberte weiter in

der Kiste und entdeckte zwei Beutelchen mit denselben römischen

Zeichen. Die Säckchen waren schon ziemlich alt und vergilbt, aus

Stoff, der schon viele schwarze Flecken hatte. Er öffnete vorsichtig

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das erste Säckchen und stieß auf graue, verklebte Watte. Er wollte

das Säckchen schon wieder zurück in die Kiste werfen, als er mit

seinen Fingern etwas Hartes am Boden des Beutelchens spürte. Es

war nicht hell genug auf dem Dachboden, um genau zu erkennen,

was es für Klümpchen waren, die er da entdeckt hatte. Er ging hin-

aus ans Sonnenlicht. Langsam breitete er den Inhalt der Säckchen

auf seinem Gartentisch aus. Er war sich noch nicht sicher, was er

vom Inhalt der Säckchen halten sollte, aber langsam beschlich ihn

das Gefühl, dass der heutige Dienstag, der 1. Februar sein Glückstag

würde: 28 grüne Edelsteine befanden sich in den beiden Säckchen.

Es verschlug ihm fast den Atem: Feinste Smaragdedelsteine, teilwei-

se klar, teilweise mit einigen Einschlüssen, aber in der Summe si-

cherlich mit einem Wert von über 50.000€. Er musste sich setzen.

Seine Gedanken drehten sich im Kopf. Er dachte an seinen Großva-

ter, an seinen Vater, an das Unternehmen, an die viele Arbeit, die

seine Familie bisher in diese Firma gesteckt hatte und dass es im

Moment eher so aussah, als müsse er innerhalb der nächsten 6

Monate 30% seiner Mitarbeiter entlassen, weil es einfach nicht

genug Aufträge gab. Plötzlich kam ihm eine Idee: „Warum sollte ich

nicht das tun, was mein Großvater eigentlich immer tun wollte?

Warum sollte ich sein Werk nicht zu Ende bringen? Wenn diese

beiden Stellen tatsächlich die Orte sind, von denen er immer ge-

sprochen hatte, dann sollten wir einfach mal dort hinfahren, um zu

prüfen ob sich der Aufbau einer Smaragdmine lohnt.“

Er lief sofort zu seinem Finanzleiter Thomas Goldbart. Der hatte ihm

in den letzten schwierigen Monaten stets treu zur Seite gestanden.

Markus Keller erzählte ihm von seiner Entdeckung. Goldbart war

sehr skeptisch: „Ein völlig neuer Bereich, wir haben doch keine Ah-

nung von diesem Geschäft und wer soll das alles machen? Ich

möchte daran erinnern, dass in der Vergangenheit viele unserer

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derartigen Experimente in die Hose gegangen sind!“, schimpfte

Goldbart. Aber nachdem ihm sein Chef den Vorschlag gemacht

hatte, das Ganze durch professionelle Unterstützung begleiten zu

lassen, beruhigte er sich und willigte ein. Herr Keller beauftragte

ihn:

"Bring' mir ein paar wertvolle Smaragde und stelle fest, ob es sich lohnt eine Mine dort aufzubauen. Und außerdem möchte ich, dass du Mr. PRINCE mit ins Boot holst. Ich habe ihn neulich auf einer Messe kennengelernt und der Kerl hat mich total beeindruckt. Er soll euch dabei helfen, damit nichts schief geht. Dieses Projekt ist unsere letzte Chance!"

Als Folge dieser Unterredung trug Herr Goldbart die Verantwortung

für dieses Experiment. Er hatte von Herrn Keller das Mandat für

dieses Projekte bekommen und fungierte somit ab sofort als Auf-

traggeber in diesem Projekt.

Herr Goldbart hatte nicht viel Ahnung von Edelsteinen und kannte

sich ebenso wenig mit der Leitung eines derartigen Unterfangens

aus. Er besprach die Sache erst einmal mit Charly. Charly war seit 10

Jahren im Unternehmen und derzeit als Projektmanager, vorwie-

gend im IT-Bereich, tätig. Dieser war erst einmal irritiert: „Was?

Wieso ich? Ich hab‘ doch keine Ahnung vom „Steineklopfen“! Ich

bin Programmierer und kein Goldschürfer!“ Aber in der Keller

GmbH hatte kein Mitarbeiter wirklich Ahnung vom „Steineklopfen“,

– es war für alle ein völlig neues Geschäftsfeld. Was ihn aber beson-

ders wurmte, war die Auflage, dass er zusammen mit Mr. PRINCE

arbeiten sollte: „Mr. PRINCE! Was für ein bekloppter Name, der

glaubt wohl, er sei etwas Besseres! Das ist bestimmt so eine Prin-

zessin! Mann-Oh-Mann, ich such mir nen‘ anderen Job! Die Prinzes-

sin will mir erklären, wie man Steine klopft? Ne, ne, ne, ich mach’

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mir die Finger nicht dreckig, das soll der schön selber machen!“ Da

aber niemand sonst die Aufgabe übernehmen konnte und das Pro-

jekt möglicherweise die letzte Chance für die Keller GmbH war, aus

den roten Zahlen zu kommen, willigte Charly schließlich doch noch

ein.

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Die Vorbereitung

To-do-Liste für die Vorbereitung

Mr. PRINCE war Berater für Projektmanagement und hatte schon

viele Projektmanager und Unternehmen auf ihrem Weg zum erfolg-

reichen Projektmanagement unterstützt. Er erklärte sich bereit,

dieses Projekt zu begleiten und insbesondere Charly als Coach zur

Seite zu stehen. Mr. PRINCE schlug vor, dass er zu Beginn mehrmals

nach Wien kommen würde, um dann im späteren Verlauf des Pro-

jekts jeden Freitag ein Telefonat mit Charly zu führen. Außerdem

erwähnte er, dass er nach einem Regelwerk, nach einem Rahmen-

werk für das Projektmanagement, arbeitete, welches sich PRINCE2

nannte.

Sie vereinbarten ein erstes Telefoncoaching, in welchem Mr. PRINCE

Charly eine Übersicht geben wollte, was vor dem eigentlichen Pro-

jekt alles geklärt werden sollte.

In der Zwischenzeit kümmerte sich Charly um den Abschluss einiger

anderer Projekte, damit sie ihn während des Starts des neuen Pro-

jektes möglichst wenig störten. Eine Woche später kam dann die

erste Telefonsitzung mit Mr. PRINCE. Charly hatte sich im Voraus

etwas schlau gemacht, was dieses „ominöse“ PRINCE2 bedeutete

und was der Unterschied zwischen dieser Projektmanagementme-

thode und anderen Methoden war. Er selbst hatte vor vielen Jahren

bereits eine Projektmanagementschulung besucht. Dort lernte er

z.B. wie man einen Plan erstellt, wie man korrekte Schätzungen

macht oder wie man das Controlling innerhalb eines Projekts einzu-

richten hat: Alles hilfreiches Wissen für ihn als Projektmanager,

welches er ständig anwendete, aber trotzdem scheiterten sehr viele

Projekte bei der Keller GmbH. Er war sich sicher, dass es nicht an

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ihm lag. Die meisten Projekte bei der Keller GmbH scheiterten da-

ran, dass die Anforderungen nicht klar genug definiert waren, dass

die Fachabteilungen keine Lust hatten, mitzumachen oder dass sich

einfach kein Mensch für die Sachen verantwortlich fühlte. Es war

ziemlich frustrierend für Charly, immer wieder Verzögerungen mel-

den zu müssen, für die er gar nichts konnte, aber trotzdem eins auf

den Deckel bekam: „Schlecht gemanagt“ hieß es dann oft. Für sich

hatte er schon lange beschlossen, das Unternehmen schnellstmög-

lich zu verlassen. Man munkelte ja ohnehin, dass es mit der Keller

GmbH nicht mehr lange gut gehen würde, also wollte er möglichst

frühzeitig den Absprung schaffen. Bisher hatte er noch keine Be-

werbungen geschrieben, aber das lag einzig und allein daran, dass

er bis heute einfach keine Zeit dazu gefunden hatte.

Mittwochnachmittag um 15 Uhr hatte Charly dann sein erstes Tele-

foncoaching mit Mr. PRINCE. Charly war zwar immer noch etwas

zurückhaltend, was Mr. PRINCE betraf, aber nachdem er im Internet

etwas über PRINCE2 gelesen hatte, wollte er zumindest mal bei der

ersten Telefonsitzung prüfen, was Mr. PRINCE auf dem Kasten hat-

te. Um besser beurteilen zu können, ob das alles auch verwendbar

für ihn sei, beschloss Charly, fleißig mitzuschreiben.

Mr. PRINCE kam gleich zur Sache:

„Wir befinden uns ja noch vor dem eigentlichen Projekt und sollten

hier nun Informationen sammeln, anhand derer entschieden wer-

den kann, ob sich eine detaillierte Planung dieses Projekts über-

haupt lohnt. Nach PRINCE2 teilen wir die Arbeit, die wir in das Pro-

jektmanagement stecken, in 7 Prozesse auf. Jeder Prozess wiede-

rum besteht aus mehreren einzelnen Aktivitäten, die wir auszufüh-

ren haben. Der erste Prozess nennt sich Vorbereiten eines Projekts.

„Sage mir wie Dein Projekt beginnt und ich sage Dir wie es endet.“

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Gemäß diesem Zitat legen wir also an dieser Stelle die Grundlagen,

um ein erfolgreiches Ende zu erreichen. Dieser Prozess beinhaltet 6

Aktivitäten, die wie folgt abgearbeitet werden sollten:

1. Ein Auftraggeber, also jemand mit Budgetverantwortung, be-

kommt das Mandat, also die Verantwortung für dieses Projekt

und dieser ernennt einen Projektmanager - das ist ja bereits

geschehen: Herr Goldbart ist der Auftraggeber und Sie sind

Projektmanager.

2. Was macht ein Projektmanager, sobald er ein neues Projekt

bekommt? Er macht sich schlau! Der Projektmanager sammelt

vorhandene Erfahrungen, z.B. von ähnlichen Projekten aus

dem eigenen Unternehmen oder recherchiert im Internet oder

setzt sich in Ihrem Fall z.B. mal mit einem Geologieprofessor

an der Uni zusammen und fragt ihn um Rat, was man bei ei-

nem derartigen Vorhaben alles berücksichtigen sollte.

3. Es wird ein Projektmanagementteam entworfen, welches zu-

nächst aus den folgenden Rollen zusammengesetzt ist:

a. Den Auftraggeber und den Projektmanager haben wir ja

bereits.

b. Ein oder mehrere Benutzervertreter, die das Ergebnis

des Projekts am Ende abnehmen können und in diesem

Falle z.B. definieren können, wie denn die Edelsteine be-

schaffen sein müssen.

c. Ein oder mehrere Lieferantenvertreter, die erkennen

können, ob das ganze Projekt machbar, d.h. umsetzbar

ist. Diese stellen im späteren Verlauf Teammanager zur

Verfügung, welche dann die auszuführenden Arbeiten

verantworten. In unserem Projekt könnte das z.B. ein

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Bergbauunternehmen oder ein Geologisches Institut

sein, das wir anheuern, um in dieses Tal zu fahren und

nach Steinen zu suchen. Diese Lieferanten könnten auch

intern aus der Keller GmbH stammen. Wichtig ist nur,

dass sie alle gemeinsam von mindestens einer Person in

der Rolle des Lieferantenvertreters in unserem Projekt-

managementteam auf höchster Ebene vertreten wer-

den.

d. Der Auftraggeber, die Benutzervertreter und die Liefe-

rantenvertreter bilden zusammen den Lenkungsaus-

schuss.“

„Stopp!“, an dieser Stelle hakte Charly ein. Denn was ein Lenkungs-

ausschuss ist, das war ihm nicht so ganz klar. Außerdem wollte er

wissen, wo er denn die ganzen wertvollen Informationen sammeln

solle, die er in den nächsten Wochen im Rahmen dieses Projekts

bekommen würde. Den Inhalt des Gespräches eben hatte er sich

einfach auf ein Schmierpapier geschrieben, aber das könne da ja

nicht stehenbleiben.

Mr. PRINCE antwortete darauf: "Der Lenkungsausschuss ist das

höchste Entscheidungsgremium innerhalb des Projekts. Der Chef in

diesem Gremium ist der Auftraggeber, in unserem Falle also Herr

Goldbart. Herr Goldbart wiederum muss selbst dafür Sorge tragen,

dass alle seine Entscheidungen im Rahmen der ihm von Herrn Keller

gewährten Befugnisse (Toleranzen) liegen.

Was Ihre Frage mit dem Schmierzettel betrifft, so ist das ganz ein-

fach: bei PRINCE2 nennen wir diesen Zettel Projekttagebuch. Ob

das nun mehrere Zettel oder Post-its sind, die wild über den

Schreibtisch verteilt sind oder ein schönes Buch oder ein Dokument

auf Ihrem Laptop, das überlasse ich Ihnen. Das Projekttagebuch ist

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also das erste „Managementprodukt“ in unserem Projekt. Mana-

gementprodukte sind im Unterschied zu Spezialistenprodukten

während des Projekts wichtig, um das Projekt zu managen. Sie wer-

den (fast alle) am Ende des Projekts archiviert und sollten daher

nach dem Grundsatz „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“ ver-

wendet werden. Diese Managementprodukte werden entweder in

Form von Dokumenten geführt oder als Teil eines Prozesses mit

einer Projektmanagement-Software abgebildet. Die Anzahl der

notwendigen Managementprodukte variiert sehr stark (zwischen 3

und 26) und ist unternehmens- und projektabhängig. Wenn Sie mal

einen Blick in ein komplettes Set an Dokumenten für ein sehr gro-

ßes Projekt werfen möchten, dann empfehle ich Ihnen unsere Web-

site.1 Bitte vergessen Sie dabei aber niemals, dass wir das für unser

Projekt stark reduzieren und etwa bei 8 Dokumenten landen wer-

den. Auch der Inhalt der einzelnen Managementprodukte muss an

die Bedürfnisse des Unternehmens, dessen Sprache und teilweise

sogar an jedes einzelne Projekt angepasst werden. Mehr dazu wer-

de ich Ihnen in der nächsten Phase verraten.

Ach und noch was: Wenn Ihnen in den nächsten Wochen irgendet-

was unklar ist, dürfen Sie mich jederzeit anrufen unter der Nummer

+49(0)6103 2002 110 oder Sie schauen mal in das Lexikon auf unse-

re Website."2

Mr. PRINCE fuhr mit den Erklärungen der 6 Aktivitäten zum Vorbe-

reiten eines Projekts fort: „Nachdem wir also Erfahrungen gesam-

melt und das Projektmanagementteam zusammengestellt haben,

kommen wir zur nächsten, zur vierten Aktivität, die eine besonders

1 www.gruenes-gold.copargo.de -- Templates

2 www.gruenes-gold.copargo.de -- Lexikon

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große Bedeutung hat. Wenn wir hier Fehler machen, dann wird

nicht der richtige Output erstellt und wir bekommen nicht den Nut-

zen, den wir uns von unserem Projekt erhoffen.

4. Erstellung eines Business Case-Entwurfs und klare Definition

des Projektumfangs. Im Einzelnen bedeutet das:

a. Business Case-Entwurf – ein paar wichtige Abschnitte

daraus sind z.B.:

i. Wie hoch werden voraussichtlich die Kosten sein,

wenn Sie eine Expedition in das Habachtal schicken,

um zu prüfen ob es dort größere Smaragdvorkommen

gibt und ob sich der Aufbau einer Mine lohnt? Wie

hoch sind die Vorbereitungs- und Managementkosten

für diese Expedition und entstehen bei diesem Projekt

Folgekosten zum Beispiel durch die anschließende

Weiterverarbeitung der Edelsteine?

ii. Welcher erwartete Nutzen steht diesen geschätzten

Kosten gegenüber? Natürlich wäre es schön, wenn wir

sofort in Euro umrechnen könnten, wie hoch die er-

warteten zusätzlichen Einnahmen durch die Tour ins

Habachtal wären. In Ihrem Fall könnten Sie vielleicht

die zu erwartenden gesammelten Smaragde ansetzen.

Und vielleicht finden Sie ja einen Abnehmer für etwa-

ige Nebenprodukte, wie z.B. Kartenmaterial und Bo-

denproben, letztlich aber geht es bei unserem Projekt

wohl vor allem um eine Entscheidungsgrundlage für

den potentiellen Aufbau einer Mine. Welchen Wert,

welchen Nutzen hat diese Entscheidung für Sie? Diese

Frage wird umso spannender, sobald Sie mehrere Pro-

jekte miteinander vergleichen. Bei den Kosten und

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dem Nutzen wird hier noch nicht erwartet, dass die

Zahlen zu 100% stimmen: es geht um eine erste grobe

Schätzung.

iii. Welche negativen Nebeneffekte werden durch die

Ausführung dieses Projekts definitiv eintreten? So

könnte ich mir vorstellen, dass dieses Projekt gerade

bei einer derartig spontanen Entscheidung seitens

Herrn Keller andere Projekte verdrängt hat. Und wie

sieht es aus mit Risiken bezüglich des Projekts? Ha-

ben Sie bereits an dieser Stelle welche erkannt?

b. Parallel zum Business Case-Entwurf kümmern wir uns

um den Projektumfang:

i. Das Mandat lautete: „Bring‘ mir ein paar wertvolle

Smaragde und stelle fest, ob es sich lohnt eine Mine

dort aufzubauen.“ Was ist damit jetzt konkret ge-

meint? Was gehört jetzt genau zum Umfang dieses

Projektes? Sollen hier nur ein Paar Edelsteine gesucht

werden oder gehört auch die chemische Analyse tie-

ferer Bodenschichten zum Umfang des Projektes? Au-

ßerdem wird festgelegt, was definitiv nicht zum Pro-

jektumfang gehört. Ich könnte mir vorstellen, dass

zum Beispiel die Weiterverarbeitung der Edelsteine

oder der Bau einer Mine hier landen werden.

ii. Diese Einigung zum Umfang des Projektes halten wir

in einer Art groben Projektspezifikation fest. Bei

PRINCE2 nennen wir diese Produktbeschreibung des

Projektendprodukts. Hier wird definiert, welche ein-

zelnen Ergebnisse erwartet werden und festgelegt,

wie die Abnahme erfolgt. Außerdem werden zwei

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Dinge manifestiert: Zum Einen die Wünsche und Er-

wartungen des Kunden (Kundenqualitätserwartun-

gen) und zum Anderen die dazugehörigen klaren,

messbaren Projektabnahmekriterien. Idealerweise

gibt es jeweils eine eindeutige Verbindung zwischen

den Erwartungen und den Abnahmekriterien. Ein Bei-

spiel hierfür wäre: „ein paar wertvolle Smaragde“ als

Erwartung und die Übersetzung in Abnahmekriterien:

„30 Smaragde der Güteklasse C bis D“.

5. Kosten, Nutzen und Umfang sind nun geklärt und wir stellen

uns die Frage, wie dieses Projekt konkret umgesetzt werden

könnte, wie also der Projektlösungsansatz für dieses Projekt

auszusehen hat. Bei unserem Projekt sollten wir an dieser Stel-

le klären, ob z.B. Mitarbeiter der Keller GmbH in die Berge fah-

ren werden oder ob wir ein anderes Unternehmen damit be-

auftragen. Nun wird all das, was bisher an Dokumenten er-

stellt wurde, in einen großen Umschlag gesteckt. Diesen Um-

schlag nennen wir Projektbeschreibung.

6. Zum Schluss machen Sie einen Vorschlag, wie die anschlie-

ßende Planungsphase, auch Initiierungsphase genannt, ablau-

fen soll. Wie gedenken Sie z.B. herauszufinden, welche einzel-

nen Bausteinchen Sie für dieses Projekt benötigen? Wen brau-

chen Sie für diese Planungsarbeit und wie lange wird die Pla-

nung voraussichtlich dauern?

Wenn Sie damit fertig sind, gehen Sie mit diesem Umschlag, also

der Projektbeschreibung und dem Initiierungsphasenplan zum

Lenkungsausschuss und lassen diesen darüber entscheiden, ob es

sich überhaupt lohnt, Geld für die Planung dieses Projekts auszuge-

ben.“

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Charly merkte an, dass es sich besonders bei den letzten Punkten

nach viel Schreibarbeit anhöre. Und Mr. PRINCE antwortete: „Rich-

tig, hier sollten Dinge schriftlich festgehalten werden. Dass man

diese Schreibarbeit aber auf ein Minimum, z.B. auf eine einzige

PowerPoint-Folie, reduzieren kann, möchte ich Ihnen gerne persön-

lich zeigen, sobald wir unseren ersten Workshop machen.“

Noch eine Frage hatte Charly bevor er starten konnte: "Bisher habe

ich wohl eher nach der Methode „Ärmel hochkrempeln und los

geht’s“ gearbeitet. Ich sehe ja mittlerweile ein, dass es seine Vortei-

le hat, wenn man nach so einem Rahmen fürs Projektmanagement

arbeitet. Besonders das mit dem Projektmanagementteam gefällt

mir gut. Wenn ich mich jetzt aber auf dieses Abenteuer einlasse,

gibt es dabei irgendwelche grundsätzlichen Regeln, die mich dabei

unterstützen können, ohne dass ich schon alle Details über PRINCE2

wissen muss?"

Mr. PRINCE antwortete darauf: "Zu Ihrer ersten Anmerkung mit

dem „Ärmel hochkrempeln“: PRINCE2 ist entstanden aus den Erfah-

rungen vieler Projektmanager, die alle ursprünglich vielleicht auch

nach diesem Motto gearbeitet haben. Doch dann begann man da-

mit, Ideen und Erfahrungen zusammenzutragen, wie es eben noch

besser gehen könnte. PRINCE2 ist daher eine Best Practice Metho-

de, also eine Methode, die von Menschen aus der Projektpraxis

entwickelt wurde und fortwährend weiterentwickelt wird.“

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Die 7 Grundprinzipien

„Zu Ihrer Frage nach den grundsätzlichen Regeln: Natürlich gibt es

die! Wir arbeiten bei PRINCE2 nach 7 Grundprinzipien, auf denen

die gesamte Methode basiert. Wenn Sie sich an diese Prinzipien

halten, dann dürfte nicht mehr allzu viel schief gehen. Alles weitere,

was es über diese Prinzipien hinaus gibt, ist lediglich der Ansatz,

diesen Prinzipien Leben zu geben, also dem Projektmanagement-

team konkrete Umsetzungsempfehlungen an die Hand zu geben.

Diese 7 Grundprinzipien sind die folgenden:

1. Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung: Das Projekt muss

sich über die gesamte Projektlaufzeit hinweg lohnen. Wenn es

sich nicht mehr lohnt, dann muss etwas geändert werden, so

dass es sich wieder lohnt oder das Projekt wird abgebrochen.

Stellen Sie sich vor, Ihr Projekt wird auf einmal doppelt so teu-

er wie geplant oder Herr Goldbart erfährt, dass ein anderes

Unternehmen bereits einen Antrag für den Abbau von Sma-

ragden im Habachtal eingereicht hat. In beiden Fällen muss

schleunigst entschieden werden, wie und ob es weitergehen

soll, denn es besteht die Gefahr, dass der ursprünglich aufge-

stellte Business Case nicht mehr valide ist.

2. Lernen aus Erfahrungen: Man muss das Rad nicht neu erfin-

den. Holen Sie sich die notwendigen Informationen von ande-

ren Mitarbeitern aus dem Unternehmen oder betrachten Sie

Ihre eigenen Erfahrungen genauer. Hinzu kommt: Menschen

machen Fehler - Sie werden auch Fehler machen - das ist völlig

normal! Aber Fehler zweimal machen oder Fehler zu begehen,

die andere zuvor schon begangen haben, ist einfach unklug.

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3. Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten: Wir verteilen die

Aufgaben für das Projektmanagement auf mehrere Schultern

und jeder muss klar wissen, was sein Job ist. Herr Goldbart ist

der Boss im Projekt. Sie sind für das Management verantwort-

lich. Ein anderer Mitarbeiter trägt z.B. die Verantwortung für

die Spezifikation der Produkte. Ihr Lieferant verrät Ihnen, ob

die ausgedachte Lösung umsetzbar ist und stellt Ihnen Team-

manager zur Verfügung, mit denen Sie das Projekt stemmen

werden.

4. Steuern über Managementphasen: Wir teilen das Projekt in

mehrere Phasen auf und setzen uns zu den sich ergebenden

Phasenübergängen zusammen, um dann zu entscheiden, ob

sich das Projekt noch lohnt. Es könnte durchaus Sinn machen,

zuerst einmal jemanden ins Habachtal zu schicken und die Inf-

rastruktur vorzubereiten, um dann in einem zweiten Schritt

nach den Steinen zu suchen. Das wären bereits zwei Phasen.

Ich vermute allerdings, dass wir noch mehr sinnvolle Soll-

bruchstellen finden werden, zu denen erneut entschieden

werden sollte, ob sich dieses Projekt überhaupt noch rentiert.

5. Steuern nach dem Ausnahmeprinzip: Es muss nicht jeder in al-

le Entscheidungen eingebunden werden. Wir arbeiten effizien-

ter, indem wir Entscheidungen delegieren. Jede Manage-

mentebene legt Spielräume für die darunter gelegene Ebene

fest. PRINCE2 nennt diese Spielräume Toleranzen. Herr Gold-

bart hat von Herrn Keller z.B. 100.000 € für das gesamte Pro-

jekt bekommen. Wenn dieser Betrag voraussichtlich nicht aus-

reichen sollte, dann muss Herr Goldbart sich an Herrn Keller

wenden. Sie als Projektmanager bekommen zum Beispiel

15.000€ mit einem Spielraum von 2.000€ für die erste Ausfüh-

rungsphase und müssen sich mit Herrn Goldbart verständi-

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gen, sobald Sie diese Toleranzen reißen sollten. Und wenn Sie

einen Teammanager beschäftigen, dann bekommt dieser viel-

leicht einen Betrag von 2.000€, um den Transport aller Mate-

rialien ins Habachtal zu übernehmen. Wenn er zum Beispiel

300€ mehr benötigen sollte, muss er sich umgehend bei Ihnen

melden. Wir vergeben also Toleranzen bzw. Spielräume und

müssen erst eingebunden werden, wenn diese Spielräume

nicht ausreichen sollten. Das Ganze erleichtert Ihnen die Ar-

beit, weil Sie den Lenkungsausschuss nicht wegen jeder Klei-

nigkeit ansprechen müssen. Das spart kostbare Zeit auf beiden

Seiten. Außerdem werden Sie feststellen, dass dieses zusätzli-

che Maß an Freiheit auf der einen Seite zwar mehr Eigenver-

antwortung bedeutet, aber auf der anderen Seite enorm mo-

tivierend wirken kann.

6. Produktorientierung: Wir arbeiten bei PRINCE2 ergebnisorien-

tiert und unterteilen das Endergebnis, welches wir im Rahmen

unseres Projekts erstellen, in mehrere Einzelprodukte. Je nach

gefordertem Detaillierungsgrad sprechen wir hier über 5, 10,

100 oder gar 1000 verschiedene Produkte, die in der Summe

das Projektendprodukt ergeben. Für unser Projekt könnte

man zum Beispiel eine Aufteilung in drei Produkte vornehmen:

1. gesammelte Smaragde, 2. untersuchter Boden und 3. er-

stelltes Kartenmaterial. Möglicherweise werden wir aber auch

feststellen, dass noch deutlich mehr Produkte benötigt wer-

den, um dieses Projekt sinnvoll planen zu können.

7. Anpassen an die Projektumgebung: Jedes Projekt ist anders,

jede Projektumgebung ist anders und befindet sich in einem

unterschiedlichen Grad der Professionalität. Wie man ein Pro-

jekt managt, muss in jedem Unternehmen und zumindest

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teilweise bei jedem Projekt neu definiert werden - also auch,

wie genau PRINCE2 in Ihrem Projekt angewendet werden soll.

Nach unserem ersten Workshop werde ich Ihnen hierzu ein

paar Beispiele geben.“

Das war erst einmal genug für Charly. Doch Mr. PRINCE wollte noch

eine Sache von ihm wissen: "Womit beginnen Sie morgen früh?"

Charly musste eine Weile nachdenken und schaute dann auf seine

Notizen. Er schlug vor, dass er sich erst einmal im Internet etwas

schlau machen würde. Außerdem wolle er sich in der Firma Keller

umhören, ob jemand bereits ein ähnliches Projekt gemacht hatte.

Und die Idee mit dem Geologieprofessor wollte er auch angehen.

Dann beabsichtigte er, gemeinsam mit Herrn Goldbart die Leute

zusammenzutrommeln, welche das Projektmanagementteam bil-

den sollten. Mr. PRINCE war damit einverstanden und bot an vor-

beizukommen, sobald das Team zusammengestellt sein würde. Er

erklärte sich bereit, den Workshop zu moderieren, in welchem ge-

meinsam mit allen Teammitgliedern die dann noch fehlenden Akti-

vitäten bearbeitet würden.

Im Anschluss an das Gespräch kam Mr. PRINCE noch eine Idee:

"Sicherlich freut sich Charly, wenn er eine Übersicht über all das

bekommt, was in den nächsten Wochen so passieren wird." Er

schickte ihm eine E-Mail mit dem folgenden Inhalt:

Page 23: E-Book Grünes Gold

20

Hi Charly,

im Anschluss an unser Gespräch möchte ich Ihnen einen Überblick

über all das geben, was ich Ihnen in den nächsten Wochen erzählen

werde. Dass wir bei PRINCE2 nach Grundprinzipien arbeiten, habe

ich ja schon erwähnt und den ersten von 7 Prozessen (Vorbereiten

eines Projekts) habe ich Ihnen ebenfalls vorgestellt. Wie die weiteren

Prozesse lauten und wie sie zusammenhängen, dazu bekommen Sie

etwas bei unserem nächsten Treffen. Zu den beiden genannten Bau-

steinen (Grundprinzipien und Prozesse) werden noch zwei weitere

Elemente hinzukommen: die 7 Themen und die Anpassung an die

Projektumgebung. Ich schicke Ihnen hier mal ein Bildchen, welches

Sie am besten ausdrucken und neben das Telefon legen, dann wissen

Sie immer wo wir uns gerade befinden.

Mit freundlichen Grüßen

Mr. PRINCE

Und im Anhang befand sich das folgende Bild:

Page 24: E-Book Grünes Gold

21

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Page 25: E-Book Grünes Gold

22

Der erste Workshop

Fast eine Woche war seit dem letzten Telefonat vergangen. Es war viel

passiert in der Zwischenzeit. Charly hatte telefoniert, recherchiert und

mit seinen Kollegen gesprochen. Alles stand unter dem Fokus: Wissen

sammeln - wie könnte so ein Projekt laufen und wer hat schon mal

etwas Ähnliches gemacht. Außerdem hatte er ein langes Gespräch mit

Professor Dr. Stein vom Geo-Institut in Wien und konnte dort die fol-

genden Dinge herausfinden:

1. Es ist grundsätzlich sehr gut möglich, dass es im Habachtal größe-

re Smaragdvorkommen gibt.

2. Es gab bereits ein anderes Unternehmen, das mit der gleichen

Idee 3 Jahre zuvor keinen Erfolg hatte. Allerdings befand sich der

Grabungsort 2 Kilometer weiter talabwärts.

3. Es gibt 5 Studenten am Geo-Institut, die gerne bei diesem Projekt

mitmachen würden.

4. Dr. Stein empfiehlt eine Zusammenarbeit mit ÖsiTreck, einem Un-

ternehmen, welches Bergführungen, Expeditionen und derglei-

chen anbietet.

Der erste Workshop sollte am Dienstag stattfinden. Charly hatte dafür 5

Personen eingeladen, die nach seiner Einschätzung wichtige Stakehol-

der waren, also ein wichtiges Interesse an diesem Projekt haben und

voraussichtlich sogar eine Rolle im Projektmanagementteam einneh-

men werden. Seine Teilnehmerliste sah wie folgt aus:

1. Thomas Goldbart, benannter Auftraggeber.

2. Frau Schleifer - Abteilungsleiterin im Edelsteinschliff - wird die

Edelsteine später abnehmen, designierte Benutzervertreterin.

Page 26: E-Book Grünes Gold

23

3. Klaus Berger - Firma ÖsiTreck. Er oder sein Sohn werden voraus-

sichtlich die Touren führen, dann wohl Lieferantenvertreter.

4. Professor Dr. Stein vom Geo Institut - möchte Studenten mitschi-

cken für die Edelsteinsuche, Bodenmessungen und Anfertigung

von Kartenmaterial, damit ein weiterer möglicher Lieferantenver-

treter.

5. Charly, benannter Projektmanager.

6. Mr. PRINCE.

Mr. PRINCE hatte sich ja bereit erklärt diesen Workshop zu moderieren.

In seiner Ansprache lud er die Teilnehmer dazu ein, alle wichtigen In-

formationen beizusteuern, die für die Entscheidung, ob es sich lohnt,

die Planung des Projekts zu starten, wichtig waren. Er warf mit dem

Beamer eine Darstellung mit der Überschrift Projektbeschreibung –

PRINCE2 Blue Sheet an die Wand. Gemeinsam mit den Teilnehmern

füllte er während des Workshops Zug um Zug alle Abschnitte aus. Er

erwähnte, dass es sich hierbei um eine Spezialität seines Hauses hand-

le, wie mit dem Prozess Vorbereiten eines Projekts umgegangen würde

- also eine Anpassung der PRINCE2 Methode speziell für kleinere Pro-

jekte.

Page 27: E-Book Grünes Gold

24

Page 28: E-Book Grünes Gold

25

Es wurde viel diskutiert: über mögliche Risiken, über den tatsächlichen

Umfang und die Abnahmekriterien - aber am Ende waren alle Beteilig-

ten mit dem folgenden Ergebnis einverstanden:

Projektname: Grünes Gold im Habachtal

Projektstart & Projektende: nächste Woche - Dauer 10 Wochen

Hintergrund des Projekts: schwierige Unternehmenslage, gefun-

dene Karte auf dem Dachboden

Projektziele: neue Geschäftsgrundlage erkunden

Umfang: mindestens 40 gesammelte Smaragde, erkundschaftete

Gegend und Bodenproben

Abgrenzung des Projekts: Reinigung und Weiterverarbeitung der

Steine, Analyse der Bodenproben (wird anschließend separat an

der Uni gemacht), Aufbau einer Mine

Qualitätserwartungen: wertvolle Steine, saubere Bodenproben,

exakt gezeichnetes Kartenmaterial.

Projektabnahmekriterien: die 40 Steine müssen jeweils mindes-

tens 2 Karat haben und der Güteklasse C-D entsprechen (siehe

Qualitätshandbuch der Keller GmbH). Für die Bodenproben sind

jeweils separate Behälter zu verwenden.

Projektlösungsansatz: Max Berger (Sohn des Inhabers von

ÖsiTreck) wird mit weiteren Helfern von ÖsiTreck insgesamt 5

Studenten von Prof. Dr. Stein in die Berge begleiten. Die Studen-

tengruppe wird dort unter der Leitung von Günther

(Geologiestudent im 8. Semester) Gesteinsproben sammeln, nach

Smaragden suchen und detailliertes Kartenmaterial über die bei-

den Orte anfertigen.

Page 29: E-Book Grünes Gold

26

Organisation: die Teilnehmer stimmen ihren vorgeschlagenen Rol-

len auf der Teilnehmerliste zu. Als zukünftige Teammanager

kommen noch hinzu: Günther für das Geo-Team und Max Berger

für das Team von ÖsiTreck.

Schnittstellen:

o Analyselabor der Uni

o Abteilung Edelsteinschliff der Keller GmbH

Nutzen:

o Erwartete Einnahmen durch den direkten Verkauf der ge-

fundenen Edelsteine (ca. 100.000€)

o Ermöglichte Entscheidung bezüglich des Aufbaus einer Mine

im Habachtal.

Kosten: ca 50.000€ - (Professor Stein muss noch mit seinen Stu-

denten über die genaue Entlohnung sprechen.)

Risiken:

o Steinschlag könnte die Teammitglieder verletzen.

o Starker Regen könnte das Wasser im Bach so stark ansteigen

lassen, dass ein Arbeiten unmöglich wird.

Annahmen:

o Keine anderen Sammler waren in der Zwischenzeit an genau

diesem Ort.

o Es wurde bisher keine Lizenz für den Bau einer Mine an ge-

nau diesem Ort beantragt oder vergeben.

Page 30: E-Book Grünes Gold

27

o Es gibt keine (bau-)rechtlichen Hindernisse für den Bau einer

Mine

Charly hatte ja bereits bei der Einladung der Gäste jeweils angespro-

chen, welche Rolle er Teilnehmern im Falle eines tatsächlichen Projekt-

starts zuteilen würde. Mr. PRINCE fragte also nun, ob alle Beteiligten

mit ihren Rollen einverstanden wären. Nach ein paar kleineren Rück-

fragen gab es dann eine Bestätigung von allen Beteiligten und er fuhr

fort: „Damit ist der Lenkungsausschuss dieses Projekts gebildet und ich

möchte Sie gleich an dieser Stelle um Ihre erste Entscheidung bitten:

Lohnt es sich auf Basis der erarbeiteten Projektinformationen, das Pro-

jekt zu starten und eine Planungsphase freizugeben?"

Nach 10-minütiger Diskussion unter Leitung des Auftraggebers Herrn

Goldbart konnte man sich darauf einigen, dass die Aussichten auf ein

profitables Projekt zwar nur teilweise gegeben sind, man aber zumin-

dest eine weitere detailliertere Planung freigeben möchte. Bis Ende

nächster Woche erwarte man vom Projektmanager einen Plan, wie das

Ganze genau ablaufen solle. Damit war nach PRINCE2 die Initiierungs-

phase freigegeben.

Charly stimmte zu und äußerte den Wunsch, dass er zeitweise gemein-

sam mit Max, Günther und Frau Schleifer die Planung durchführen

möchte. Dem Wunsch wurde stattgegeben. Charly beschlich langsam

das Gefühl, dass Mr. PRINCE doch den ein oder anderen guten Tipp für

ihn hatte. Noch nie zuvor hatte er einen Projektstart erlebt, der derart

strukturiert und schnell war: An einem einzigen Nachmittag wurden

alle wichtigen Dinge erarbeitet und sogar gleich die nächste Stufe, die

nächste Phase des Projekts, freigegeben. Das Ganze verlief so reibungs-

los, dass es fast schon unglaubwürdig wirkte. Das lag wohl auch am

Interesse der Teilnehmer im Workshop: Er hatte noch nie ein Projekt

gesehen, bei dem von Anfang an so viel Engagement kam, insbesonde-

Page 31: E-Book Grünes Gold

28

re von Seiten der Fachabteilung. Voller Spannung erwartete Charly nun,

wie das Projekt weiter gehen würde.

Er verabredete sich mit Mr. PRINCE für den nächsten Morgen.

Page 32: E-Book Grünes Gold

29

Der Vertrag - Die Regeln fürs Projekt

Die Übersicht

Am nächsten Morgen trafen sich Mr. PRINCE und Charly zu einem ge-

meinsamen Frühstück in einem Wiener Café. Während des Frühstücks

gab Mr. PRINCE Charly einen Ausblick, was in der nächsten Woche alles

zu tun sei. In den Notizen von Charly konnte man über dieses Gespräch

Folgendes finden:

Wir haben eine Woche Zeit für den Prozess „Initiieren“. In diesem

Prozess werden die Regeln für das Projekt definiert, der Projekt-

plan erstellt und der Business Case detailliert. Im Einzelnen:

a. 4 Managementstrategien erstellen, um Regeln für den Um-

gang mit: 1. Risiken, 2. Qualität, 3. Konfiguration und 4.

Kommunikation zu definieren

b. Projektsteuerungsmittel einrichten: Wie teilen wir das Pro-

jekt in separate Phasen auf und wie gestalten wir das Con-

trolling und die Berichterstattung?

c. Projektplan erstellen: eine Übersicht über das ganze Projekt

schaffen

d. Business Case verfeinern: aktualisierte Informationen aus

dem Projektplan einfügen. Schätzungen müssen jetzt ge-

nauer sein.

e. Projektleitdokumentation zusammenstellen: alles in einen

noch größeren Umschlag stecken. Das ist dann der Vertrag

zwischen Lenkungsausschuss und Projektmanager

Page 33: E-Book Grünes Gold

30

7 Themen, die uns im Verlaufe des gesamten Projekts begleiten

werden:

a. Business Case

b. Organisation

c. Qualität

d. Pläne

e. Risiken

f. Änderungen

g. Fortschritt

6 Dimensionen, zu denen Toleranzen definiert werden sollten

und die im Projektverlauf gesteuert werden müssen:

a. Kosten

b. Zeitrahmen

c. Qualität

d. Umfang

e. Risiko

f. Nutzen

Anpassung an die Projektumgebung ist das A&O, damit das Pro-

jektmanagement funktioniert. Denn kleine Projekte brauchen

weniger Papierkram als große Projekte.

Page 34: E-Book Grünes Gold

31

Nachdem Charly angemerkt hatte, dass ihm das viel zu kurz und theo-

retisch war, erklärte sich Mr. PRINCE dazu bereit, den restlichen Tag mit

ihm zu verbringen. So konnte er ihm die einzelnen Themen erörtern,

Tipps geben, was alles bezüglich dieser Themen geregelt werden sollte

und wie er in der nächsten Woche beim Planungsworkshop mit Frau

Schleifer und den beiden Teammanagern verfahren könnte.

Sie bezahlten ihre Rechnung im Café und gingen zurück ins Büro.

Page 35: E-Book Grünes Gold

32

Die 7 Themen

Zurück bei der Keller GmbH, machten es sich Charly und Mr. PRINCE im

Besprechungsraum „Diamant“ gemütlich und Mr. PRINCE begann sofort

mit einer Erklärung zu den 7 Themen:

"Die Themen bei PRINCE2 sind Wissensgebiete, welche wir im Laufe

unseres Projekts immer wieder berühren. Mit ihrer Hilfe erwecken wir

die Grundprinzipien zum Leben. Zu diesen Themen sollten wir genau

jetzt, also während des Prozess Initiieren, festlegen wie, also nach

welchen Regeln, wir in unserem Projekt vorgehen wollen. Aber erst mal

zur Bedeutung der einzelnen Themen:

1. Business Case: In diesem Thema behandeln wir die Frage "Wa-

rum" wir das Projekt starten. Lohnt sich das Projekt überhaupt?

Sie erkennen vielleicht, dass wir hiermit, das Grundprinzip der

fortlaufenden geschäftlichen Rechtfertigung umsetzen. Diese ge-

schäftliche Rechtfertigung halten wir in einem Managementpro-

dukt fest, z.B. in Form eines Worddokuments, welches den glei-

chen Namen Business Case trägt. Die ersten Informationen für

dieses Managementprodukt haben wir ja bereits in unserer Pro-

jektbeschreibung gesammelt. Im Prozess „Initiieren“ geht es nun

darum, insbesondere die Informationen für die geschätzten Kos-

ten und den erwarteten Nutzen zu verfeinern. Wir wollen also

jetzt einen detaillierten Business Case erstellen, auf welchem un-

ser gesamtes Projekt später basieren wird. Wir brauchen also spä-

testens jetzt eine verlässliche Schätzung, wie hoch zum Beispiel

die Kosten für die Studenten sein werden, die für uns ins Habach-

tal fahren werden. Ich werde mit Ihnen später anhand eines

Templates durchgehen, welche Aspekte hierbei wirklich relevant

sind. Sicherlich werden Sie mir zustimmen, dass das pure Nennen

eines erwarteten Nutzens keinen starken, verbindlichen Charak-

Page 36: E-Book Grünes Gold

33

ter hat. Um hier Klarheit bei der Verantwortung und Verbindlich-

keit für den Nutzen und somit letztendlich den Erfolg für das gan-

ze Projekt zu schaffen, ist es ratsam, zusätzlich einen Nutzenrevi-

sionsplan zu erstellen. In diesem Plan wird definiert, wann (zu-

meist erst nach dem Projekt) was genau gemessen werden muss,

um festzustellen, ob dieses Projekt letztlich wirklich erfolgreich

war und in der Praxis umgesetzt wurde. Der Nutzenrevisionsplan

lebt also als einziges Dokument auch nach dem Projekt noch wei-

ter (man könnte es als das „Testament“ des Projekts bezeichnen)

und ermöglicht dem Unternehmen oder dem Programm die Beur-

teilung, ob die vom Benutzervertreter versprochenen Nutzen

auch wirklich erreicht werden konnten.

2. Organisation: Hier geht es um die Frage "Wer" sind denn eigent-

lich die Akteure in diesem Projekt und „Was“ ist ihre jeweilige

Verantwortung. Ebenso zählt die gesamte Kommunikation zwi-

schen dem Projekt und der Projektumgebung mit dazu. Die Rege-

lungen bezüglich der Kommunikation beschreiben wir in der

Kommunikationsmanagementstrategie - auch ein Management-

produkt, welches aber im Falle unseres Projekts sehr klein ausfal-

len dürfte. Wenn dann mal ein größeres Projekt bei Ihnen an-

steht, dann empfehle ich Ihnen dringend, vorher einen komplet-

ten PRINCE2-Kurs bei uns zu besuchen: Dort werden wir mehr auf

die inhaltlichen Details der einzelnen Managementprodukte ein-

gehen. Was die Rollen in unserem Projekt betrifft, so haben wir

die meisten ja bereits angesprochen. Die Rollen, die Sie noch

nicht kennen sind:

a. die Projektsicherung: Personen, welche vom Lenkungsaus-

schuss den Auftrag bekommen, sicherzustellen, dass das

Projekt entsprechend des vereinbarten Rahmens vorgeht.

Page 37: E-Book Grünes Gold

34

Ich selbst bin z.B. der Teil der Unternehmenssicherung, das

ist die Projektsicherung der Unternehmensseite. Ich bin also

von Herrn Goldbart beauftragt, Sie zu unterstützen und ihn

über eventuelle Schwierigkeiten zu informieren.

b. Änderungsausschuss: Es wird sicherlich im Verlaufe des Pro-

jekts zu Änderungswünschen kommen, über welche dann

der Lenkungsausschuss zu entscheiden hat. Wenn dieser

damit aber überfordert ist oder einfach keine Zeit hat, dann

darf er diese Aufgabe an einen Ausschuss delegieren. Ich

gehe aber davon aus, dass unser Lenkungsausschuss das

selbst erledigen kann.

c. Projektunterstützung: Gerade in großen Projekten gibt es

enorm viel Schreibarbeit, Telefoniererei, Aktualisierungen

von Dokumenten etc. Wenn der Projektmanager das nicht

mehr alleine schafft, dann stellt man ihm jemanden an die

Seite, der das für ihn übernimmt. Ich gehe aber davon aus,

dass Sie das in Ihrem Projekt selbst übernehmen werden.

Mr. PRINCE stand von seinem Platz auf und ging zur gegenüberliegen-

den Anrichte. Dort stand eine Weinflasche, kunstvoll verziert, mit einer

Schleife versehen und einem Zettelchen mit der Aufschrift: „Für unse-

ren Jubilar“. Er nahm die Flasche in die Hand und las vor: „Blauburgun-

der, Weingut Klosterneuburg, Qualitätswein“. Er fuhr mit seiner Erläu-

terung zu den Themen fort:

3. „Was ist denn ein Qualitätswein? Schmeckt der Wein besser als

anderer Wein? Wenn ich in den Laden gehe und einen Wein mit

der Aufschrift „Qualitätswein“ kaufe, habe ich dann immer den

richtigen Wein für mich? Was macht denn einen wirklich guten

Wein aus? Sie werden schnell erkennen, dass die Antwort massiv

davon abhängt, wem Sie diese Frage stellen. Ich persönlich trinke

Page 38: E-Book Grünes Gold

35

z.B. ausschließlich lieblichen Wein wie z.B. Gewürztraminer, Eis-

wein oder andere Dessertweine. Für mich hat also die Qualität

von Wein etwas mit dem Geschmack zu tun und weniger mit der

Marke, dem Preis, dem Image, der Mode etc.. „Fitness for

purpose“ lautet hier das Zauberwort in Englisch: wir brauchen

etwas, das genau das leistet, was es soll. Wenn wir uns also mit

dem Thema Qualität befassen, stellen wir immer die Frage "Was

ist hier eigentlich gefordert, um die Erwartungen des Kunden zu

erfüllen?“

Qualität wird zuerst geplant, dann umgesetzt, geprüft und zum

Schluss hoffentlich auch abgenommen. Die ersten Schritte haben

wir in unserem Projekt ja bereits unternommen: in der Projektbe-

schreibung haben wir festgehalten, dass die Steine der Kategorie

C-D entsprechen müssen. Ob das ausreicht als Kriterium, um am

Ende wertvolle Steine zu haben? Ich vermute, dass Sie nächste

Woche im Workshop noch bessere Kriterien finden werden, um

am Ende tatsächlich auch wertvolle Steine zu bekommen - das

werden Sie dann in den einzelnen Produktbeschreibungen näher

betrachten. Im Rahmen der Initiierung sollten wir aber auf jeden

Fall noch die Qualitätsmanagementstrategie erstellen. Hierin le-

gen wir die zu berücksichtigenden Qualitätsstandards für unser

Projekt fest. Ein Beispiel wären Verweise auf die Richtlinien der

Keller GmbH, z.B. für die Sortierung, Prüfung & Bewertung der

Smaragd-Edelsteine.

4. Pläne: In diesem Thema geht es darum, unserem Projekt eine

Struktur zu geben und eine Übersicht zu schaffen. Hierzu werden

wir nächste Woche einen Workshop machen. Dort werden wir mit

der sogenannten Produktbasierten Planung beginnen. Das heißt,

wir planen unser Projekt und setzten uns dabei die Brille der Pro-

Page 39: E-Book Grünes Gold

36

duktorientierung auf. Wir sind also zu diesem Zeitpunkt immer

darauf bedacht, die Formulierungen der Produkte so zu wählen,

dass wir das benennen, was wir nach getaner Arbeit auch tatsäch-

lich „in den Händen haben“ (z.B. „verschickter Newsletter“ anstel-

le von „Newsletter schreiben“). Das Vorgehen hierbei ist ganz

simpel:

a. Sie haben ja in der Projektbeschreibung bereits Informatio-

nen darüber, was das Projekt alles beinhalten soll, also den

Umfang des Projekts. In unserem Fall ist dies beschrieben in

einem Kapitel der Projektbeschreibung. In größeren Projek-

ten separiert man das und bezeichnet es dann als Produkt-

beschreibung des Projektendprodukts.

b. Nächste Woche werden wir als erstes die Teilnehmer darum

bitten, vom großen Gesamtprodukt ausgehend, darzustel-

len, aus welchen einzelnen Bausteinchen, also Produkten,

das Projekt besteht. Die drei Produkte „gesammelte Edel-

steine“, „erkundete Gegend“ und „Bodenproben“ kennen

wir ja bereits. Sicherlich werden wir diese nächste Woche im

Workshop noch etwas stärker aufteilen und zum Beispiel

Zwischenprodukte hinzufügen. Das was dann entsteht,

nennt sich Produktstrukturplan: eine einfache Übersicht

über alle zu erstellenden Bausteine in unserem Projekt. Das

funktioniert am besten, indem wir die einzelnen Produkte

z.B. auf Post-Its schreiben.

c. Als nächstes sammeln wir dann Informationen zu den ein-

zelnen Produkten. Zu jedem Produkt muss klar sein, was

damit gemeint ist. Zum Beispiel „erkundete Gegend“: Was

verstehen Sie darunter? Sind das letztendlich auf Papier ge-

zeichnete Landkarten oder einfach nur Fotos der Gegend?

Page 40: E-Book Grünes Gold

37

Diese Produktbeschreibungen formulieren wir entweder di-

rekt auf den Post-Its, indem wir Notizen hinzufügen oder

wenn's komplexer wird, schreiben wir es auf ein separates

Blatt.

d. Jetzt wird idealerweise das bisher Erreichte fotografiert.

Denn wir wollen die Post-Its im nächsten Schritt neu anord-

nen. Wir wollen ihnen eine Reihenfolge geben: wir erstellen

ein Produktflussdiagramm. Das geschieht, indem wir die

Produkte neu sortieren und zwar ausgerichtet an der sinn-

vollsten Reihenfolge bei der Erstellung. Welche Produkte

sollten als erstes, als zweites, als letztes oder parallel erstellt

werden? Das sind die Leitfragen hierbei. Außerdem werden

Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Produkten aufge-

zeigt. Damit erkennen wir, welche Produkte auf andere

Produkte „warten“ müssen.

Es kann durchaus sein, dass wir bei der Planung diesen oben beschrie-

benen Weg der Produktbasierten Planung mehrmals gehen müssen,

weil wir am Ende feststellen, dass etwas vergessen wurde - aber genau

deswegen macht man diesen Planungsworkshop: besser zweimal pla-

nen, als das ganze Projekt zweimal machen! Der große Vorteil eines

produktbasierten Planungsansatzes ist, dass der tatsächliche Umfang

des Projekts wesentlich besser eingeschätzt werden kann und zwar zu

einem Zeitpunkt, an dem noch nicht allzu viel Geld in die tatsächliche

Ausführung des Projekts investiert wurde.

Sobald wir mit der Produktbasierten Planung fertig sind, kommen die

restlichen Aktivitäten der Planung:

Wir erfragen, welche Aktivitäten zur Erstellung des jewei-

ligen Produkts notwendig sind und welche Abhängigkei-

ten zwischen diesen Aktivitäten bestehen.

Page 41: E-Book Grünes Gold

38

Wir erstellen mit den Teilnehmern Schätzungen zur benö-

tigten Zeit und zu den erwarteten Kosten.

Wir bringen alle Aktivitäten in eine zeitliche Reihenfolge.

Und zum Schluss packen wir alles in eine optisch saubere

Form, z.B. in ein Excel-, PowerPoint-, Visio-, MS-Project-

Dokument oder ein großes Papier hier in unserem Be-

sprechungsraum.“

Als Charly begann mit den Augen zu rollen, ergänzte Mr. PRINCE: „Sie

brauchen keine Sorge zu haben. Ich bin gerne bereit, nächste Woche

den Planungsworkshop zu moderieren.“

Mr. PRINCE stand wieder auf und schaute aus dem Fenster. Die Sonne

schien ihm ins Gesicht und vom Dach tropfte das Wasser auf den da-

runterliegenden Parkplatz. An einer Ecke im Schatten eines Holzstapels

war noch ein letzter großer Schneehaufen geblieben. Mr. PRINCE blick-

te in die Ferne auf die Berge, die allesamt noch weiß bedeckte Spitzen

hatten.

Zurück am Platz fuhr er fort: „Kommen wir zum nächsten Thema, zu

den Risiken:

5. Bei Risiken geht es immer um Unsicherheiten. Stellen Sie sich

einmal vor, Sie kommen in 2-3 Wochen ins Habachtal und die

Schneeschmelze ist in vollem Gange. Sie dürfen keine der Brücken

im Tal überqueren, weil sie aufgrund des hohen Wasserstandes

alle gesperrt sind. Was würde das für Sie, für Ihr Projekt bedeu-

ten? Fällt Ihnen aus heutiger Sicht etwas dazu ein, wie man die-

sem Szenario vorbeugend begegnen könnte?

Wir versuchen bei PRINCE2 Risiken immer proaktiv zu begegnen.

Bedrohungen und Chancen wollen wir früh erkennen und über

deren Behandlung entscheiden, bevor die Unsicherheit eingetre-

Page 42: E-Book Grünes Gold

39

ten ist. Hierzu erstellen wir am besten heute noch eine Risikoma-

nagementstrategie, also ein paar Sätze, in denen wir Regeln defi-

nieren, wie mit Risiken in unserem Projekt proaktiv umgegangen

werden sollte. Hoffen wir mal, dass der Lenkungsausschuss darin

ebenfalls einen Sinn erkennt und uns dieses Dokument, gemein-

sam mit der Projektleitdokumentation und den anderen Mana-

gementstrategien, freigibt. Bei großen Projekten erstellen wir au-

ßerdem für das Handling der erkannten Risiken ein Risikoregister.

In unserem Fall machen wir das einfach in Ihrem Projekttage-

buch.

6. Änderungen: Irgendwann kommt in Ihrem Projekt bestimmt je-

mand auf die Idee, dass man vielleicht auch nach anderen Dingen

im Habachtal suchen sollte, wie z.B. Gold. Es gibt wohl kaum ein

Projekt ohne Änderungen an Inhalt oder Umfang während des

Projektverlaufs. Unabhängig davon, ob es einen positiven oder

negativen Auslöser hat: Irgendwas kommt doch immer wieder da-

zwischen! Das ist teilweise ärgerlich und kann selbst bei der bes-

ten Planung nie vollständig vermieden werden. Bei PRINCE2 ha-

ben wir einen Mechanismus, um ein Chaos, welches diese Verän-

derungen verursachen kann, zu vermeiden. Das Regelwerk hierzu

nennt sich Konfigurationsmanagementstrategie. Hierin beschrei-

ben wir einerseits z.B. wie die Produkte nummeriert, versioniert,

archiviert, gelagert werden und wie wir eine Übersicht über alle

Produkte schaffen. Andererseits wird festgehalten, wie mit Offe-

nen Punkten und Änderungen umzugehen ist. Auch an dieser

Stelle schlage ich vor, dass Sie Offene Punkte anstatt in einem

Register Offener Punkte einfach in Ihrem Projekttagebuch füh-

ren. Fürs erste einigen wir uns am besten darauf, dass Sie alle

Dinge, die Ihnen Stress & Kopfschmerzen bereiten, in Ihr Tage-

buch schreiben. Im Anschluss erkläre ich Ihnen dann an Ihren ei-

Page 43: E-Book Grünes Gold

40

genen Beispielen, wie Offene Punkte am besten behandelt wer-

den können.

7. Das letzte Thema ist der Fortschritt. Wo stehen wir eigentlich ge-

rade in unserem Projekt und weiß jeder wo wir stehen? Wie er-

fährt der Lenkungsausschuss über den Fortschritt des Projekts?

Macht es - angesichts der aktuellen Situation - überhaupt Sinn,

dieses Projekt weiterzuverfolgen? Ab wann müssen wir eigentlich

eskalieren? Das sind die zentralen Fragen des Themas Fortschritt.

Es geht also um Berichtswesen, Vergabe von Toleranzen und Es-

kalationswege. Z.B. bekommen Sie als Projektmanager Toleranzen

zugesprochen, innerhalb derer Sie sich bewegen dürfen. Für die

aktuelle Phase haben Sie maximal eine Woche Zeit. Das ist Ihr

Spielraum und wenn Sie merken, dass das nicht ausreicht, dann

müssen Sie das sofort melden. Die Zeit, die Sie für diese Phase

bekommen haben, ist eine der 6 Dimensionen, die es im Projekt

im Auge zu behalten gilt. Für alle 6 Dimensionen können auf den

drei Managementebenen (1. Liefern, 2. Managen, 3. Lenken) in

unserem Projekt in unterschiedlicher Ausprägung Toleranzen ver-

geben werden. Also hat auch der Lenkungsausschuss Toleranzen

von der Keller GmbH bekommen und sobald Sie die ersten Ar-

beitspakete an Max und Günther verteilen, sollten Sie auch klar

deren Spielräume definieren. Diese drei Ebenen beschreiben wir

übrigens mit den Begriffen Lenken, Managen und Liefern. Was

den Punkt des Berichtswesens betrifft, so ist ein klar geregelter

Informationsfluss zwischen diesen Ebenen nötig und zwar von un-

ten nach oben. Max und Günther erstellen einen Teamstatusbe-

richt und Sie selbst werden dem Lenkungsausschuss in festgeleg-

ten Abständen einen Projektstatusbericht erstellen müssen. Das

Intervall müssen Sie mit ihnen selbst abklären und ob das Ganze

per Mail, Post oder Telefon passieren soll, ebenfalls."

Page 44: E-Book Grünes Gold

41

Nach dieser ausführlichen Erklärung konnte sich Charly schon wesent-

lich besser vorstellen, wohin die Reise gehen wird: "Man schafft einen

Rahmen, um dem Zufall weniger Möglichkeiten zu geben, dazwischen

zu funken“, fasste er das soeben Gelernte zusammen. Charly hatte

noch viele Fragen bezüglich der einzelnen Themen. Insbesondere das

Thema Änderungen und Qualität war ihm noch etwas schleierhaft. Der

Tag verging wie im Flug. Sie hatten den ganzen Tag zusammengesessen

und neben den Dingen für das aktuelle Projekt auch die allgemein Situ-

ation des Unternehmens besprochen. Mr. PRINCE bot an, dass er zum

Ende des Projekts ein paar Empfehlungen machen würde, was man

insbesondere im Bereich Projektmanagement relativ zügig ändern

könnte, um möglichst schnell auch bei anderen Projekten eine Verbes-

serung zu erzielen.

Bei Charly begann mittlerweile der Magen zu knurren. Er war sich nicht

sicher, was dieser piekfeine Mr. PRINCE in seinem schwarzen Anzug

wohl am liebsten essen würde. Wenn es nach Charly ginge, dann wäre

jetzt eine Pizza angesagt. Er fragte vorsichtig Mr. PRINCE nach seinem

Lieblingsgericht. Die Antwort kam sehr schnell: "Pizza Hawaii!“ – Mr.

PRINCE hatte also wohl auch Hunger und dass Charly nun Aussicht auf

eine leckere Pizza mit viel Käse und extra Thunfisch hatte, lies seine

Laune schlagartig steigen. Sie standen auf und verließen den Bespre-

chungsraum, um sich auf den Weg zum Italiener zu machen. Charly

tapste durch die Straßen und grübelte über Risiken, Business Case,

Änderungen, Offene Punkte, Projekttagebuch und seine Pizza. Er war

derart in Gedanken versunken, dass er fast vergessen hatte, dass er mit

Mr. PRINCE zum Italiener wollte.

Während des Essens wurde kaum gesprochen. Charly war mit seiner

Pizza beschäftigt und musste viel über das heute Gelernte nachdenken,

über seine Zukunft bei der Keller GmbH und über seine Lebenssituation

Page 45: E-Book Grünes Gold

42

hier in Österreich. Der Italiener war zu seinem Stammlokal geworden.

Es war einer der wenigen Orte, an denen er sich hier in Wien wirklich

Zuhause fühlte. Vor 10 Jahren war er hierhergekommen. Charly war

gebürtiger Hamburger.

Während Charly so vor sich hin kaute und sinnierte, wurde es plötzlich

laut am Nachbartisch. Ein betrunkener Mann, groß wie ein Schrank,

pöbelte die Dame am Nachbartisch hinter ihm an und ließ sich von der

herbeigeeilten Kellnerin kaum davon abbringen, das gesamte Lokal

auseinanderzunehmen. Erst nachdem die Kellnerin ihn mit den Worten

bearbeitet hatte „Wenns di jetzn nou weider spuilst, foats

Zahnbürschdl morgn ins Leere“, verließ er murrend das Lokal. „Diese

Sprache!“ schoss es Charly durch den Kopf. Er drehte sich um und war

etwas irritiert. Charly war schon öfter hier gewesen, doch diese Kellne-

rin schien neu zu sein. Schwarze Haare, knallrote Ohrringe und mit

einem stolzen, aufrechten Gang schlängelte sie sich durchs Lokal. Nein,

diese Frau hatte er wirklich noch nie gesehen.

Nachdem sie beide ihre Pizza vertilgt hatten, kam Mr. PRINCE nochmal

aufs Projekt zu sprechen: "Wir befinden uns ja seit gestern im Prozess

Initiieren. Das heißt, dass wir uns als erstes um sinnvolle Regeln für

unser Projekt kümmern sollten. Wir sollten also am besten noch heute

gemeinsam Ideen für die 4 Managementstrategien sammeln. Was die

restlichen Aktivitäten dieses Prozesses betrifft, so würde ich vorschla-

gen, dass ich Ihnen ein paar Tipps gebe, wie Sie eigenständig den Work-

shop nächste Woche vorbereiten können und dann erledigen wir diese

Aktivitäten gemeinsam im Rahmen des Planungsworkshops.“

Charly war mit diesem Vorschlag einverstanden und Mr. PRINCE zog ein

Blatt Papier aus seiner Mappe. Gemeinsam sammelten sie nun Ideen

zum Inhalt der 4 Managementstrategien. Für die Qualitätsmanage-

mentstrategie einigte man sich z.B. darauf, dass es grundlegend wichtig

Page 46: E-Book Grünes Gold

43

sei, die Teststandards der Keller GmbH einzuhalten, da insbesondere

bei Smaragden die Unterscheidung zwischen echten und falschen Edel-

steinen in der Vergangenheit zu Problemen geführt hatte. Bezüglich der

Risiken schlug Mr. PRINCE vor, dass Charly mit Hilfe seiner Teammana-

ger zumindest einmal im Anschluss an den Planungsworkshop alle bis-

her bekannten Risiken bewerten und Behandlungsmaßnahmen bzw.

Präventivmaßnahmen dazu vorschlagen solle.

Sie diskutierten noch eine Weile über die Wahrscheinlichkeit, dass der

Lenkungsausschuss den vorgeschlagenen Risikoworkshop tatsächlich

als sinnvoll erachten würde und kamen dann aber lediglich auf die

gemeinsame Einsicht, dass man nun zum Bier übergehen dürfe.

Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen und es wurde mehr als nur

ein Bierchen. Sie sprachen über Charlys Situation hier in Österreich,

über den Arbeitsmarkt in Deutschland und über die Chancen der Keller

GmbH, aus dieser aktuellen Situation wieder herauszukommen. Ir-

gendwann zwischen dem 2. und 3. Bierchen bot Charly dann Mr. PRIN-

CE das „Du“ an und man unterhielt sich noch bis spät in die Nacht über

Österreich und die allgemeine wirtschaftliche Lage in diesem Land,

über österreichische Frauen, über die absurdesten Besonderheiten der

österreichischen Sprache und über die Frage, ob Charly in der Lage sei

100 Meter in den Schuhen der neuen Kellnerin zu laufen ohne sich

dabei einen Knöchel zu brechen.

Auf dem Nachhauseweg war Charly schon wesentlich positiver ge-

stimmt als die Tage zuvor – und das lag nicht nur an seinen 3 Bierchen.

Charly erkannte für sich eine Perspektive: Er hatte wieder mehr Hoff-

nung, dass es weitergehen könnte für ihn in Wien. Er erkannte seine

Chance, seinen Teil dazu beizutragen, dass es mit der Keller GmbH

wieder bergauf ginge. Charly hatte an diesem Abend begriffen, dass

Page 47: E-Book Grünes Gold

44

Mr. PRINCE für ihn und für die Zukunft der Keller GmbH noch wichtig

werden könnte.

Die restliche Woche kümmerte sich Charly um seine verbliebenen Pro-

jekte.

Page 48: E-Book Grünes Gold

45

Der Planungsworkshop

Den nächsten Montag startete Charly mit der Planung der kommenden

Woche. Initiierung stand auf der Agenda. Er telefonierte mehrmals mit

Mr. PRINCE - pardon mit James, sie wollten sich ja ab sofort duzen - um

abzuklären, welche Vorbereitungen für den Workshop nötig waren.

Charly versuchte einen gemeinsamen Termin mit Frau Schleifer, Gün-

ther, Max und James zu koordinieren. Das Ergebnis: Mittwoch, den

23.2. um 13:00 Uhr. Er reservierte den Besprechungsraum „Großglock-

ner“. Er besorgte Metaplanwände, Post-Its und Flip-Charts und ließ sich

von James nochmal genau erklären, was inhaltlich alles in diesem

Workshop stattzufinden habe. In der Zwischenzeit hatte Charly eben-

falls Zeit gefunden, ein Organigramm des Projektmanagementteams zu

erstellen.

Page 49: E-Book Grünes Gold

46

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Page 50: E-Book Grünes Gold

47

Der Mittwochmittag kam und es wurde im Planungsworkshop fleißig

zusammengetragen, was dieses Projekt an einzelnen Produkten bein-

halten sollte. Mit der Moderation von James wurde ein Produktstruk-

turplan erstellt und anschließend der Zweck, Inhalt und die Ergebnis-

form der jeweiligen Produkte beschrieben.

Page 51: E-Book Grünes Gold

48

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Page 52: E-Book Grünes Gold

49

Im weiteren Verlauf nahm James die Post-Its von der Wand und bat die

Teilnehmer die Kärtchen in eine Reihenfolge zu bringen. Das Ergebnis

war das Produktflussdiagramm. Außerdem schätzte man zu jedem

Produkt, wie lange es dauern würde und was es etwa kosten würde, es

herzustellen. Charly hatte also genügend Informationen gesammelt um

für den Lenkungsausschuss bis Ende der Woche einen Projektplan

anfertigen zu können.

Die Ergebnisse des Planungsworkshops hatte Charly anschließend auf

seinem Computer nochmals aufgearbeitet.

Page 53: E-Book Grünes Gold

50

Produktflussdiagramm - Habachtal

Grünes Gold

Gesammelte

Edelsteine am Ort 1

Gesammelte

Edelsteine am Ort 2

Geschulte Studenten

Vorbereiteter

Grabungsort 1

Vorbereiteter

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Abgefüllte

Bodenproben

Definierte Stellen für

Bodenproben

Gezogene

Bodenproben

Fertiges

Kartenmaterial

Vermessenes &

gerastertes Gelände

Vorbereitete

InfrastrukturGesicherter Ort

Page 54: E-Book Grünes Gold

51

Der Projektplan

Am nächsten Morgen trafen sich Charly und James in Charlys Büro. Der

Vormittag stand bei ihnen ganz im Zeichen des Projektplans: einmal

eine Übersicht über das gesamte Projekt schaffen. Auf Basis der beiden

bisher erstellten Übersichten aus der Produktbasierten Planung, brach-

ten sie die wichtigsten zu erstellenden Produkte in eine zeitliche Abfol-

ge und summierten die voraussichtlichen Kosten. Dann überlegten sie

gemeinsam, wie man dieses Projekt in sinnvolle Scheibchen schneiden

könnte und welche Produkte dazu gehörten.

Sie einigten sich auf folgende Aufteilung:

1. Ausführungsphase

geschulte Studenten

gesicherter Ort

vorbereitete Infrastruktur

2. Ausführungsphase

vermessenes & gerastertes Gelände

definierte Stellen für Bodenproben

gezogene Bodenproben

vorbereiteter Grabungsort 1

fertiges Kartenmaterial

abgefüllte Bodenproben

gesammelte Edelsteine am Ort 1

Page 55: E-Book Grünes Gold

52

letzte Ausführungsphase

vorbereiteter Grabungsort 2

gesammelte Edelsteine am Ort 2

James gab noch ein paar Erläuterungen zum Unterschied zwischen

einem Phasenplan und einem Projektplan: "Der Projektplan ist die

Übersicht über das ganze Projekt. Hier sind die wichtigsten Produkte,

die Kosten und die geschätzte Zeit für das gesamte Projekt aufgeführt.

Auch die Toleranzen finden wir darin und zwar die Toleranzen, die der

Lenkungsausschuss vom Unternehmen für dieses Projekt bekommen

hat. Der Projektplan wird in der Initiierungsphase erstellt. Im Unter-

schied dazu gibt es den Phasenplan. Er ist quasi wie ein Zoom in einen

Abschnitt des Projektplans und zwar genau für eine Phase. Hier wird

möglichst detailliert betrachtet, was genau erstellt werden soll, zu wel-

chen Kosten und in welchem Zeitrahmen. Wir arbeiten bei PRINCE2

also mit verschiedenen Planungshorizonten. Du wirst mir sicherlich

zustimmen, dass du die Kosten für die Arbeiten am 2. Ort wesentlich

besser schätzen kannst, nachdem du schon Erfahrungen mit der Suche

am 1. Ort sammeln konntest. Der Phasenplan wird immer zum Ende

einer Phase für die darauf folgende Phase erstellt.

Wir benötigen also auch für die kommende Phase einen Phasenplan. Im

Phasenplan stehen die Toleranzen, die du als Projektmanager für deine

Arbeit benötigst. Hier solltest du kluge Vorschläge machen, damit du

den Plan auf der einen Seite noch abgesegnet bekommst und auf der

anderen Seite nicht am nächsten Tag schon eine Überschreitung der

Toleranzen melden musst. Angesichts der Größe unseres Projekts wür-

de ich vorschlagen, dass wir schon für die morgige Sitzung des Len-

kungsausschusses einen Phasenplan erstellen, dann können sie im Falle

einer Freigabe des Projekts gleich über die Freigabe der nächsten Pha-

Page 56: E-Book Grünes Gold

53

se abstimmen. Bei großen Projekten geht das natürlich nicht, da müss-

ten wir erst mal die Freigabe des Projekts abwarten."

Gemeinsam erledigten sie also die bis dahin noch ausstehenden Aktivi-

täten der Initiierungsphase. Hierbei vervollständigten sie den Projekt-

plan, verfeinerten den Business Case und erstellten den nächsten Pha-

senplan. Der Projektplan sah nun folgendermaßen aus:

Page 57: E-Book Grünes Gold

54

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Page 58: E-Book Grünes Gold

55

Anschließend bat er James, nochmal näher den Zusammenhang der

einzelnen Prozesse zu erläutern. Charly hatte mittlerweile so viel über

Prozesse und Phasen gehört, dass er irgendwie den Überblick verloren

hatte. James schnappte sich ein großes Blatt Papier und malte fünf

senkrechte schwarze Linien darauf. „Voraussichtlich wird in unserem

Projekt der Lenkungsausschuss fünfmal zusammentreffen, um eine

Freigabe zu erteilen. Diese Entscheidungen erfolgen im Prozess Lenken

eines Projekts“, erklärte er und zeichnete fünf rote Rauten jeweils auf

die Spitze der schwarzen Linie. „Bis auf einen Prozess befinden sich alle

weiteren Prozesse zwischen diesen Entscheidungen. Die einzige Aus-

nahme kennst du ja schon. Das ist der Prozess Vorbereiten eines Pro-

jekts, er findet vor dem eigentlichen Projekt statt. Das war bei uns am

Dienstag letzter Woche, als wir unseren ersten Workshop hatten. Im

Anschluss an die Vorbereitung hat ja in unserem Falle direkt der Len-

kungsausschuss getagt und beschlossen, dass die Initiierung freigege-

ben werden sollte. Wir stehen heute also noch immer in der Initiie-

rungsphase und zwar im Prozess Initiieren.“ Sie diskutierten noch eine

ganze Weile und James malte Stück für Stück alle zu durchlaufenden

Prozesse für das Habachtal-Projekt auf sein großes Papier. Anschlie-

ßend ergänzten sie das Schaubild durch die zu erstellenden Pläne und

ordneten jeden Prozess einer Managementebene zu. Gegen Mittag

hängten sie dann ihr gemeinsames buntes Werk in Charlys Büro an die

Wand:

Page 59: E-Book Grünes Gold

56

Projekt-mandat

Die Phasen & Prozesse eines PRINCE2 Projekts

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Vorbereiten eines Projekts

Managen eines Phasenübergangs

Initiieren eines Projekts

Steuern einer Phase

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•Projektbeschreibung•Projektdefinition•Entwurf des BC•Produktbeschreibung des Projektendproduktes•Projektlösungsansatz•Struktur PM Team •Rollenbeschreibung

•Initiierungsphasenplan

•Projektleitdokumentation•Teile aus Projektbeschreibung:

•Projektlösungsansatz•Projektdefinition•Struktur PM Team •Rollenbeschreibung•Business Case

•4 x Strategien•Projektsteuerungsmittel•Projektplan inkl. PPEP•Anpassung

•Phasenplan für 1. Ausführungsphase

Managen der Produktlieferung

Teamplan

Managen eines Phasenübergangs

Page 60: E-Book Grünes Gold

57

LenkenLenkenLenken

Managen eines Phasenübergangs

Steuern einer Phase

Phasenplan

Steuern einer Phase

Phasenplan

Abschließen eines Projekts

Managen der Produktlieferung

Teamplan

Lief

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Produktlieferung

Teamplan

Based on Cabinet Office PRINCE2 material. Reproduced under licence from the Cabinet Office

Page 61: E-Book Grünes Gold

58

Die richtige Anpassung ist das A&O

Nach einer großen Portion Geselchtes mit Kraut und Knödeln aus

der Kellerschen Kantine machten sich Charly und James wieder an

die Fortführung ihrer Projektinitiierung. „Für den Prozess Initiieren

haben wir ja schon fast alles fertig“, startete James. „Was jetzt noch

fehlt ist die Projektleitdokumentation. Du erinnerst dich vielleicht

noch an die Projektbeschreibung. Das war ja mehr oder weniger ein

Kuvert, in das wir alles aus dem Prozess „Vorbereiten“ hineinge-

steckt haben. Dieses Kuvert wird nun nicht mehr ausreichen: Wir

brauchen eine „Mappe“ und diese Mappe nennen wir Projektleit-

dokumentation.

Was muss alles in diese Mappe? Na alles, was wir bisher für den

Lenkungsausschuss erstellt haben. Wir schauen also nochmal in

unser Kuvert, ob es brauchbaren Inhalt gibt. Wir fügen unsere 4

Managementstrategien hinzu, der aktualisierte Business Case

kommt mit rein sowie der Projektplan. Außerdem ist das Organi-

gramm nötig und die dazugehörigen Rollenbeschreibungen. Zum

Schluss fügen wir einen Hinweis mit hinzu, wie wir PRINCE2 in un-

serem Falle angepasst haben. Die richtige Anpassung der PRINCE2

Methode ist elementar wichtig, um eine Akzeptanz der methodi-

schen Vorgehensweise zu erreichen. Wenn der Projektmanager hier

einen Fehler begeht, dann wird er üblicherweise fortgejagt mit

Worten wie z.B. „Papiertiger, Dokumentenwahnsinn, unnötiger

Bürokratismus“, oder aber auch „viel zu leichtgewichtig“ und so

weiter. In unserem Falle habe ich selbst darauf geachtet, dass dir

Derartiges nicht passieren wird und habe die Anpassung bereits

vorgenommen, indem ich dir in bestimmten Situationen nur ausge-

suchte Werkzeuge an die Hand gegeben habe. WANN man WAS

genau anpassen kann, darf bzw. sollte, dazu machen wir mal besser

Page 62: E-Book Grünes Gold

59

einen Workshop mit allen Projektmanagern bei euch im Hause und

zwar am besten, sobald du selbst eine komplette PRINCE2-Schulung

besucht hast. Ich möchte dir hier nur mal eine kurze Übersicht ge-

ben, was bisher in unserem Projekt angepasst wurde und wo wir im

weiteren Verlauf gegebenenfalls methodische Anpassung betreiben

sollten:

Wir haben ja ein relativ kleines Projekt und daher schlage ich vor,

dass wir möglichst wenige separate Managementprodukte erstel-

len sollten, d.h. wir packen einfach mehrere Dinge in einem Doku-

ment zusammen. Bezüglich der Managementprodukte sähe die

Anpassung dann folgendermaßen aus:

1. Die Projektbeschreibung hatten wir ja als einzelne Power-

Point-Folie aufgelegt und diese Folie selbst enthielt wiederum

zusammengefasst z.B. die Produktbeschreibung des Projekt-

endprodukts und den Entwurf des Business Case.

2. Woran wir gerade arbeiten ist die große Mappe, die Projekt-

leitdokumentation. Dort stecken wir den detaillierten Busi-

ness Case, den Projektplan, die einzelnen Produktbeschrei-

bungen, das Organigramm, Teile der Projektbeschreibung, die

4 Managementstrategien und die Anpassung, die wir hier ge-

rade besprechen, hinein. In unserem Fall vermute ich mal,

dass die „große Mappe“ nicht allzu groß werden dürfte. Wir

könnten z.B. alles gemeinsam in einem einzigen Word-

Dokument verwalten.

3. Du wirst in irgendeiner Weise mit deinen Teammanagern Ver-

einbarungen für die Dinge treffen müssen, die sie im Rahmen

unseres Projekts erstellen sollen. Das machst du am besten in

sogenannten Arbeitspaketen.

Page 63: E-Book Grünes Gold

60

4. Projektstatusberichte werden wir definitiv brauchen. Es dürf-

te sicherlich ausreichen, wenn du hierzu einfach jeden zweiten

Freitag eine E-Mail an den Lenkungsausschuss verschickst. Ich

kann dir ein paar Hinweise geben, was grundsätzlich der Inhalt

dieser E-Mails sein sollte. Aber letzten Endes musst du das mit

dem Lenkungsausschuss selbst ausdiskutieren.

5. Teamstatusberichte - vielleicht ist es am geschicktesten, wenn

Günther und Max dir einmal pro Woche per Telefon berichten,

wie's gerade läuft.

6. Phasenpläne - kennst du ja schon.

7. Phasenabschlussberichte – da schreibst du einfach rein, wie

die vergangene Phase gelaufen ist

8. Und dein Projekttagebuch: Hier kommt alles rein, was dir als

Projektmanager im Laufe des Projekts an Unerwartetem über

den Weg läuft: Offene Punkte, Risiken, Änderungsanträge

etc....

Du siehst also, dass wir in unserem Falle mit 8 verschiedenen Do-

kumentationssätzen auskommen. Das geht auch noch minimalisti-

scher: 4 oder sogar lediglich 3 Dokumentationssätze können unter

Umständen in einem sehr kleinen Projekt schon ausreichen. Bei

großen Projekten empfiehlt PRINCE2 hingegen die Verwendung von

bis zu 26 Managementprodukten.

Grundsätzlich gilt für das Anpassen: Die 7 Grundprinzipien werden

nicht angefasst und die Anpassung bezieht sich letztendlich immer

auf die Ausprägung der Themen und Prozesse.

Page 64: E-Book Grünes Gold

61

Bezüglich des Themas Organisation haben wir ja bereits die ersten

Anpassungen getätigt:

1. Du übernimmst als Projektmanager auch die Rolle der Pro-

jektunterstützung. Du bist also für jegliche administrative

Arbeit selbst verantwortlich und trägst somit „zwei Hüte“

2. Der Lenkungsausschuss muss selbst über Änderungen ent-

scheiden: es gibt derzeit also keinen Änderungsausschuss.

3. Und wenn du z.B. selbst ins Habachtal fahren und direkt

Aufgaben vor Ort übernehmen würdest, dann wäre das

auch eine Anpassung: Du würdest zeitweise den Hut eines

Teammanagers aufsetzen."

Nachdem sie die Anpassung von PRINCE2 noch etwas diskutiert

hatten, druckten sie alle bisher erstellten Dokumente aus, steckten

sie in eine knallrote Mappe und machten sich an die Erstellung des

Phasenplans für die erste Ausführungsphase. Drei Produkte sollten

in der nächsten Woche erstellt werden: geschulte Studenten, gesi-

cherter Ort und vorbereitete Infrastruktur. Charly hatte von Max,

Günther und Frau Schleifer bereits Vorschläge erhalten, wie diese

Dinge ablaufen könnten, so wurde z.B. vorgeschlagen, dass man die

Schulung der Studenten in Form von 3 Abendveranstaltungen durch

Professor Stein und Frau Schleifer erreichen könnte. Vollständig

fertig wurden sie allerdings nicht mit dem Phasenplan: es fehlten

noch detailliertere Informationen zur Sicherung des Ortes und zur

vorbereiteten Infrastruktur. Max hatte zwar gesagt, dass er genau

wüsste, was zu tun sei, aber auch das musste nochmal festgehalten

werden. Max war leider nicht mehr per Telefon zu erreichen: es war

bereits 19:00 Uhr. Man verschob also die Arbeit auf den nächsten

Morgen.

Page 65: E-Book Grünes Gold

62

Wer lenkt, der trägt Verantwortung

Am nächsten Tag sollte ein erneutes Treffen des Lenkungsausschus-

ses stattfinden. Es war der Freitag am Ende einer anstrengenden

Woche. Charly hatte viel gearbeitet, geplant organisiert und viel

Neues gelernt. Auf 16:00 Uhr war der Termin für die Sitzung ange-

setzt. Es war bereits 15:30 und Charly wurde nervös. Er hatte den

ganzen Morgen noch an seinem Phasenplan für die nächste Phase

gearbeitet und anschließend nochmals einen Blick auf den Business

Case geworfen. Nach der Planung am Mittwoch würden sich die

Kosten für das gesamte Projekt auf etwa 110.000€ belaufen. Das

war mehr als doppelt so viel, wie in der ursprünglichen Projektbe-

schreibung veranschlagt wurde und beim Vergleich der Kosten mit

dem erwarteten Nutzen sah es ebenfalls schlecht aus: 110.000€ auf

der einen Seite und ein erwarteter Nutzen von 100.000€ auf der

anderen Seite. Er hatte Herrn Goldbart bereits am Morgen über

dieses Missverhältnis informiert. Goldbart hatte diese Information

kommentarlos entgegengenommen. Charly wusste also nicht, wo er

stand: „Wird es weitergehen? Brechen wir das Projekt ab, bevor wir

überhaupt damit begonnen haben?“, geisterte es durch seinen

Kopf. Er war sich jetzt schon sicher, dass es in einer halben Stunde

ein Fiasko geben würde: „Das Projekt lohnt sich doch gar nicht“,

hörte er schon Herrn Goldbart schimpfen.

Auf dem Weg zum Besprechungsraum traf er James, der ihn erst

mal beruhigen musste: „Weißt du Charly, dass das Projekt jetzt auf

einmal doppelt so teuer ist wie ursprünglich angedacht, liegt nicht

an dir. Die ursprünglichen Schätzungen waren einfach ungenau,

deswegen gehen wir ja in unterschiedlichen Planungsschritten vor,

um die Genauigkeit Stück für Stück zu erhöhen. Es ist besser, wir

sprechen heute schon von 110.000€ oder sogar noch mehr, wenn

Page 66: E-Book Grünes Gold

63

du die Toleranzen dazu gibst, als dass wir im Laufe des Projekts

feststellen, dass die Kosten explodieren. Du hast deinen Job ge-

macht und jetzt müssen andere entscheiden, ob sich das noch

lohnt.“

Die Sitzung begann. Charly stellte vor, was sie bisher in der Planung

alles erreicht hatten und sprach auch die Differenz zwischen Kosten

und erwartetem Nutzen an. Erstaunlicherweise bekam er von Gold-

bart als Antwort nur, dass es sich hierbei um ein strategisches Pro-

jekt handle und außerdem der potentielle Aufbau einer Mine einen

zusätzlichen Nutzen darstelle, der bei dieser Gegenüberstellung

nicht berücksichtigt wurde. Was den Kostenrahmen von 110.000€

betreffe, so habe er von Herrn Keller die Befugnis bekommen, bis zu

einer Grenze von 150.000€ selbst über die Ausführung des Projekts

entscheiden zu dürfen. Damit hatte Charly nicht gerechnet. Charly

notierte sich „110.000€ +40.000€“, um später im Projektplan nach-

zutragen, dass es Projekttoleranzen in Höhe von 40.000€ gab.

Sie sprachen mit dem Lenkungsausschuss die relevanten Inhalte der

Projektleitdokumentation durch und der Lenkungsausschuss war

nahezu mit allen Punkten einverstanden. Zwei Beanstandungen gab

es allerdings:

1. Herr Goldbart hielt den vorgeschlagenen Umgang mit Risiken

für völlig überdimensioniert. Man einigte sich auf eine zu-

sammengeschrumpfte Version der Risikomanagementstrate-

gie mit dem folgenden Wortlaut: „Wenn jemand ein Risiko er-

kennt, hat er das unverzüglich an den Projektmanager zu mel-

den.“ Charly und James waren zwar sehr unglücklich mit die-

ser Anpassung, aber der Auftraggeber hatte das letzte Wort.

2. Es wurde bei der Planung vergessen, dass es im Habachtal kei-

ne Verpflegungsmöglichkeiten gab. Max war bei der Planung

Page 67: E-Book Grünes Gold

64

davon ausgegangen, dass die Studenten sich selbst versorgen

würden, Professor Stein machte allerdings zur Bedingung, dass

alle Studenten jeden Tag voll verpflegt würden und zwar in-

klusive einer warmen Mahlzeit am Abend. Also nahm man

noch zwei zusätzliche Produkte für die zweite und dritte Aus-

führungsphase mit auf: verpflegte Studenten.

Charly hatte noch keine Ahnung, wie das Problem mit der Verpfle-

gung in der konkreten Umsetzung gelöst werden könnte, aber man

sagte ihm, dass er das mit Max und Günther besprechen solle.

Unter Berücksichtigung dieser Änderung entschied man sich dazu,

das Projekt als Ganzes freizugeben. Sowohl seitens der Benutzer-

und Lieferantenvertreter als auch seitens Herrn Goldbarts wurden

alle Bedenken beseitigt und das Projekt als lohnend betrachtet.

Nachdem der Lenkungsausschuss also in der letzten Sitzung die

Initiierung freigegeben hatte, wurde hiermit nun die Projektfreiga-

be erteilt. Damit Charly aber starten konnte, musste er zuerst noch

die Freigabe der nächsten Phase erreichen. Er legte hierzu seinen

erstellten Phasenplan vor. Dieser wurde glücklicherweise ohne

Beanstandung abgesegnet. Charly durfte also starten. Er hatte ma-

ximal eine Woche und 12.000€ (+1.000€) zur Verfügung.

Noch am gleichen Abend sprach er mit Günther über die Ausbildung

seiner Kommilitonen. Günther erklärte sich bereit, dafür zu sorgen,

dass bis Donnerstag nächster Woche die angedachten drei Sitzun-

gen mit Professor Stein und Frau Schleifer stattfänden. Als maxima-

le Kostenobergrenze bekam er 2.000€ für die Dozenten und das

Unterrichtsmaterial. James hatte mit einem Ohr zugehört und er-

klärte Charly, dass er in der PRINCE2-Sprache gerade ein Arbeitspa-

ket mit Günther vereinbart hatte. Ein Arbeitspaket, welches die

Erstellung des Produkts „geschulte Studenten“ und die Vereinba-

Page 68: E-Book Grünes Gold

65

rung „bis Donnerstag“ und „maximal 2.000€“ beinhaltete. Charly

hatte aber erst mal genug von PRINCE2: „Bei uns gibt es keine Ar-

beitspakete, bei uns heißt so was Auftrag!“ James hatte verstanden:

Es war Zeit für‘s Wochenende. Sie verabschiedeten sich und legten

einen Telefontermin für die darauffolgende Woche fest. Charly ging

nach Hause und James setzte sich in seinen Flieger zurück nach

Frankfurt.

Auf seinem Heimweg im Flugzeug schrieb er Charly noch eine E-

Mail:

Hi Charly,

ich wollte dir nur noch sagen, dass du recht hast. Bleib einfach bei

deinem Begriff „Auftrag“. Die Begriffe bei PRINCE2 sind teilweise

sehr abgehoben. Man hat versucht, eine allgemeingültige Methode

zu gestalten. Was dabei allerdings teilweise auf der Strecke geblie-

ben ist, sind einfache kurze Bezeichnungen für die jeweiligen Begrif-

fe in der PRINCE2-Sprache. Aber auch dafür haben wir eine Lösung:

Die Anpassung von PRINCE2 ermöglicht, dass man bewährte Begrif-

fe nicht durch neue ersetzt, sondern eine Art Mapping-Tabelle im

Unternehmen erstellt, in welcher die PRINCE2 Begriffe den Unter-

nehmensbegriffen gegenübergestellt werden.

Außerdem möchte ich dir an dieser Stelle nochmals eine detaillierte-

re Übersicht über die Prozesse und Aktivitäten in einem PRINCE2

Projekt zur Verfügung stellen. Es gibt ja insgesamt 7 Prozesse und

jeder Prozess besteht aus mehreren Aktivitäten, welche innerhalb

des jeweiligen Prozesses ausgeführt werden. Die Grafik kannst du dir

auf unserer Homepage3 einfach downloaden und ausdrucken, am

3 www.gruenes-gold.copargo.de -- Prozessmodell

Page 69: E-Book Grünes Gold

66

besten im DIN-A3-Format. Wenn du’s noch größer möchtest, dann

kannst du das bei meiner Sekretärin als DIN-A0 bekommen. Oder du

geduldest dich noch bis zu deiner PRINCE2 Foundation Schulung.

Dort bekommen alle Teilnehmer dieses Prozessmodell als Geschenk

für eine bestandene Prüfung.

Gruß,

James

Page 70: E-Book Grünes Gold

67

Smaragdschule

Günther hatte alle Hände voll damit zu tun, für seine Kommilitonen,

den Professor und Frau Schleifer drei gemeinsame Termine zu fin-

den. Am Ende gab es doch nur eine gemeinsame Sitzung: Sie saßen

den ganzen Mittwoch von 8:00 bis 20:00 Uhr mit Professor Stein

zusammen und bekamen abends Besuch von Frau Schleifer. Es gab

viel zu lernen über besondere Gesteinsschichten und Formationen,

in welchen besonders viele Smaragde vorkommen könnten. Typi-

sche andere, den Smaragd üblicherweise begleitende Materialien,

wurden durchgesprochen. Auch die methodische Vorgehensweise

für das vorsichtige, nach dem Rasterprinzip ausgelegte Verfahren

für die schrittweise Untersuchung der Gesteinsschichten, wurde

erörtert. Frau Schleifer übernahm dann den Part der Qualitätsan-

forderungen an die zu sammelnden Smaragdsteine: typische Erken-

nungsmerkmale und typische Verwechslungsfehler mit anderen,

ähnlichen Steinen.

Charly hatte direkt am Montag mit Max besprochen, dass er mit

den Produkten „gesicherter Ort“ und „vorbereitete Infrastruktur“

beginnen möge und er dafür maximal 5.000€ und bis Donnerstag

Zeit hätte. Max gab sogleich zu bedenken, dass Donnerstag knapp

würde und Charly gewährte ihm bis maximal Freitagvormittag. Das

war Charlys maximaler Spielraum, da er nachmittags bereits die

nächste Sitzung mit dem Lenkungsausschuss haben würde und dann

über den weiteren Verlauf des Projekts entschieden werden sollte.

Charly vereinbarte außerdem mit Günther und Max, dass sie ihm

am Mittwoch per Telefon berichten sollten. James hatte ihm dazu

geraten, diese Regelungen zu den Teamstatusberichten noch mit in

die vereinbarten Arbeitspakete zu nehmen.

Page 71: E-Book Grünes Gold

68

Günther und Max hatten ihre Aufgaben und Charly hatte den Rest

der Woche Zeit für andere Dinge. Da waren zum einen noch andere

Projekte, die nach ihm verlangten und zum anderen hatte er noch

eine Sache, die ihm Bauchschmerzen bereitete: Die Verpflegung der

Studenten im Habachtal. Günther hatte ihm versichert, dass seine

Kommilitonen grundsätzlich nicht sonderlich anspruchsvoll seien.

„Wenn es große Portionen sind und wir abends noch ein Fläschchen

Wein dazu bekommen, hast du 5 neue Freunde!“ klang es Charly

noch in den Ohren.

Charly war bisher davon ausgegangen, dass Günther und Max allei-

ne in die Berge fahren würden und er selbst höchstens ein oder

zweimal vorbeischauen würde. Zu groß war seine Belastung durch

andere Projekte in seiner Abteilung, als dass er sich eine komplette

Teilnahme auch als ausführende Kraft in diesem Projekt hätte leis-

ten können. Das änderte sich aber schlagartig, als er erfuhr, dass

Herr Goldbart große Sorge hatte Günther und Max alleine in die

Berge fahren zu lassen. „Dieses strategisch extrem bedeutsame

Projekt dürfen wir nicht zwei jungen Draufgängern überlassen!“,

waren seine Worte. Herr Goldbart wünschte sich einen Ansprech-

partner und „Aufpasser“ direkt vor Ort. Diesen Umstand nutze Char-

ly und schlug vor, dass er selbst bereit sei mitzufahren und neben

seiner Tätigkeit als Projektmanager zusätzlich auch die Verpflegung

der Teilnehmer verantworten wolle. Nebenbei wolle er sich dann

per Mail und Telefon um seine anderen Projekte kümmern.

Charly wollte also als Koch mit ins Habachtal reisen und dafür sor-

gen, dass die Mannschaft in den Bergen etwas Leckeres zu essen

bekommen würde. Er war kein Profikoch, aber nach dem Gespräch

mit Herrn Goldbart, nach Rücksprache mit seinem Leiter in der Pro-

jektmanagementabteilung und nach Rücksprache mit Günther be-

Page 72: E-Book Grünes Gold

69

züglich der Essgewohnheiten und Ansprüche, hatte er so die Lösung

für den letzten fehlenden Baustein für die nächste Phase gefunden.

Während also Max die Infrastruktur aufbaute und Günther sich über

Smaragde schlau machte, konnte Charly beruhigt die nächste Phase

planen. Das folgende Bild entstand im Rahmen seiner Planung für

die nächste Phase:

Page 73: E-Book Grünes Gold

70

Phasenplan – 2. Ausführungsphase - Habachtal

vermessenes & gerastertes

Gelände

definierte Stellen für

Bodenproben

fertiges Kartenmaterial

gezogene Bodenproben

vorbereiteter Grabungsort 1

abgefüllte Bodenproben

Gesammelte Edelsteine am Ort 1

5 Wochen (maximal 6 Wochen)

60.000€ (+10.000€)

8.4

. um

15:0

0 -

LA S

itzung

Verpflegtes Team

Gesicherter Ort, betreutes Team & funktionierende Infrastruktur

1.4

. Pro

jekts

tatu

sbericht

6.

April

Phasenabschlu

ssbericht

und n

euen P

hasenpla

n a

n

LA v

ers

chic

kt

18.3

. Pro

jekts

tatu

sbericht

4.3

. LA S

itzung

Milestone: 1. Smaragdfund bis 25.3.

t

Page 74: E-Book Grünes Gold

71

Die oberen Aufgaben würden wohl von Günther erledigt werden

und der untere Part von Charly und Max. Was die genauen Details

betraf, so musste noch mit Max und Günther Rücksprache gehalten

werden: Charly hatte bisher lediglich eine grobe Beschreibung der

einzelnen Produkte für diese Phase, die noch aus dem Planungs-

workshop für den Projektplan stammten. An dieser Stelle, das hatte

ihm James geraten, müsse eindeutig sein, was eigentlich zum Bei-

spiel mit dem Produkt „vermessenes & gerastertes Gelände“ ge-

meint ist. Charly musste also mit Hilfe seiner beiden Teammanager

und Frau Schleifer Produktbeschreibungen erstellen, welche dann

im Rahmen der für Freitag angesetzten Lenkungsausschusssitzung

freigegeben werden könnten.

Mittwochabend bekam Charly dann eine Meldung von Günther und

Max. Günther klang fix und fertig am Telefon: Er hatte den ganzen

Tag mit seinen Kommilitonen gebüffelt. Grundsätzlich lief aber alles

nach Plan: Sie hatten sich einen Tag lang intensiv mit dem Thema

Smaragdsuche beschäftigt und jeder Teilnehmer hatte noch eine

kleine Lektüre mit nach Hause bekommen. Max‘ Meldung bereitete

Charly allerdings etwas Bauchschmerzen: Er meldete, dass der Bach

gerade sehr viel Wasser hatte und deshalb ein Brücke im Tal ge-

sperrt war. Sie mussten die letzten 5 Kilometer das gesamte Mate-

rial von Hand zu der Stelle hinauftragen, an der Max das Lager auf-

stellen wollte. Unter den derzeitigen Umständen sah Max keine

Chance, das Lager bis Freitag fertig zu haben: Er schätzte, dass es

hierdurch zu einer Verzögerung von mindestens einer Woche kom-

men würde. Sein Vorschlag war: Für zusätzliche 2000€ einen Hub-

schrauber für einen halben Tag buchen und das ganze Material am

Donnerstagnachmittag nach oben schaffen und den Freitag dann für

die restlichen Aufbauarbeiten nutzen.

Page 75: E-Book Grünes Gold

72

Charly war sich unsicher, was er tun sollte. Er rief James an und

fragte um Rat. Seine Antwort: „Wir haben uns bisher kaum um

Risiken gekümmert, sonst wäre dieses Malheur vielleicht nicht ganz

so unerwartet gekommen. Ich schlage vor, dass wir doch nochmal

zu Herrn Goldbart gehen und beantragen, dass wir so schnell wie

möglich einen Risikoworkshop durchführen, um auf weitere derarti-

ge Situationen besser vorbereitet zu sein. Wir hatten das ja schon

einmal dem Lenkungsausschuss gegenüber erwähnt, aber dies wur-

de aus Kostengründen abgelehnt. Was deinen konkreten Fall be-

trifft, so ist die Lage eindeutig. Du hast hier kein Risiko mehr mit

Eintrittswahrscheinlichkeit und potentieller Auswirkung, sondern

ein eingetretenes Risiko, also einen Offenen Punkt, denn du musst

dich jetzt sofort darum kümmern. Wir kennen bei PRINCE2 drei

Arten von Offenen Punkten.

Bei der ersten Art sprechen wir von einem Änderungsantrag

und meinen damit angestrebte Veränderungen des Umfangs

oder Inhalts des Projektes bzw. des Projektendprodukts. Z.B.

wenn Frau Schleifer kommen würde und darum bitten würde,

zusätzlich nach Diamanten zu suchen.

Bei der zweiten Art sprechen wir von einer Spezifikationsab-

weichung und meinen damit Produkte, die anders erstellt

wurden als es gefordert war. Das „Kind ist hier also in den

Brunnen gefallen“ und wir müssen entscheiden, wie wir damit

umgehen. Z.B. wenn wir am Ende der ersten Phase die Steine

bei Frau Schleifer abgeben und sie feststellen sollte, dass kei-

ner der Steine ein echter Smaragd ist. Diese ersten beiden Ar-

ten Offener Punkte müssen formal behandelt werden und

zwar über eine Abstimmung mit dem Änderungsausschuss,

der in unserem Projekt durch den Lenkungsausschuss reprä-

sentiert wird.

Page 76: E-Book Grünes Gold

73

Die dritte Art eines Offenen Punktes nennen wir Problem /

Anliegen. Hierzu zählen wir alles, was wir zu den beiden obe-

ren nicht eindeutig zuordnen können. Der Umgang mit Prob-

lemen und Anliegen gestaltet sich so, dass du als Projektma-

nager erst einmal prüfen musst, ob du befugt bist, diesen

Punkt alleine zu lösen. Wenn du also das Problem innerhalb

deiner Phasentoleranzen lösen kannst, dann darfst du das

tun.“

Charly rechnete also: 12.000€ hatte er als Budget für diese Phase

und eine zusätzliche Toleranz von 1.000€. Bisher hatte er 10.500€

für Günther, Max, Mr. PRINCE und seine eigenen Kosten fürs Pro-

jektmanagement ausgegeben bzw. eingeplant. Zuzüglich der 2000€

für den Hubschrauber wären das Kosten von 12.500€ - also 500€

über seinem Budget, aber noch innerhalb seiner Phasentoleranzen.

Charly gewährte Max‘ also die zusätzlichen 2000€. Somit blieben

Charly noch 500€ der ihm gewährten Toleranzen für die aktuelle

Phase. Tatsächlich ging Max‘ Plan auf: der Hubschrauber brachte

das komplette Material ins Lager am oberen Ende des Habachtals

und Max erledigte seine Aufgaben bis Freitagmittag.

Page 77: E-Book Grünes Gold

74

Sollen wir tatsächlich ins Habachtal fahren?

Freitagnachmittag, es war der 4. März um 14:00 Uhr, traf sich der

Lenkungsausschuss, um über den weiteren Verlauf des Projektes zu

entscheiden. James hatte angeboten, die Sitzung dieses Mal ge-

meinsam mit Charly zu moderieren. Die Agenda sah folgenderma-

ßen aus:

1. Zusammenfassung der vergangenen Woche (Phasenab-

schlussbericht)

2. Aktueller Status:

a. Der Business Case – lohnt es sich noch? Gab es Än-

derungen?

b. Projektplan – wo stehen wir? Passt das?

c. Risiken – Gesamtbetrachtung der Risiken

3. Nächste Phase – nächster Phasenplan

Der Rückblick verlief ohne Anmerkungen seitens des Lenkungsaus-

schusses. Der Business Case und der Projektplan wurden ebenfalls

abgenickt. Die Situation der Risiken führte allerdings zu vielen Rück-

fragen. Insbesondere Herr Goldbart war enttäuscht, dass das Risiko

des Hochwassers zwar im Voraus erkannt wurde, allerdings keine

präventiven Maßnahmen ergriffen wurden. Herr Goldbart ließ sich

nur dadurch beruhigen, dass James vorschlug, direkt am Montag

einen Risikoworkshop durchzuführen. So könnten alle potentiellen

Risiken mit Günther, Max und Charly analysiert und wenn notwen-

dig, geeignete Maßnahmen gefunden und ergriffen werden. Der

nächste Phasenplan musste also etwas angepasst werden, wurde

aber am Ende dennoch freigegeben. Charly hatte also die Freigabe

für die nächste Phase bekommen und durfte nun mit Günther und

Max ins Habachtal fahren. Abfahrt sollte am darauffolgenden Mitt-

woch, dem 9. März sein. In der Zwischenzeit musste Charly den

Page 78: E-Book Grünes Gold

75

Risikoworkshop vorbereiten und außerdem waren noch Essen,

Schlafsäcke, Gummistiefel, Wein, Süßigkeiten und vieles mehr zu

organisieren. Da der Risikoworkshop die Planung etwas durchei-

nandergebracht hatte, bot James an, die Dinge, die er mit Charly

noch zu tun hatte, am Wochenende zu erledigen. Es ging darum, für

Charly klar zu definieren, welche Aufgaben er in seiner Funktion als

Projektmanager während der Zeit im Habachtal zu erledigen hätte.

Page 79: E-Book Grünes Gold

76

Letzte Instruktionen vor dem Aufstieg

James hatte Charly schon viele Dinge beigebracht und bisher war

auch kaum etwas schiefgegangen. Um allerdings in der Lage zu sein,

die nächste Phase komplett ohne James zu managen, trafen sich

James und Charly nochmal in ihrem schönen Café im Herzen Wiens,

um alle potenziellen Stolpersteine der folgenden 5 Wochen zu be-

sprechen. Es ging insbesondere um die drei Prozesse Steuern einer

Phase, Managen der Produktlieferung und Managen eines Pha-

senübergangs. Nachdem sie beide einen Milchkaffee bestellt hat-

ten, gab James einen Einblick in diese drei Prozesse:

„Die beiden Prozesse Steuern einer Phase und Managen der Pro-

duktlieferung beschreiben gewissermaßen das Herz eines Projek-

tes: Hier werden Arbeitspakete vergeben und Produkte erstellt. In

den Prozess Steuern einer Phase gelangst du als Projektmanager

sobald der Lenkungsausschuss die Phase freigegeben hat. Seit ges-

tern Abend befindest du dich also in diesem Prozess. Als nächstes

solltest du nun Arbeitspakete freigeben für deine Teammanager. In

diesen Arbeitspaketen klärst du, wie viel Zeit und Geld der Team-

manager bekommt, welche Produkte er erstellen muss, also den

Umfang des Arbeitspaktes und was es sonst noch zu berücksichti-

gen gilt bei der Ausführung dieses Arbeitspaketes. Beispiele für

Letzteres wären: wann und wie ein Teamstatusbericht zu liefern ist,

wann und wie neue Risiken und Offene Punkte gemeldet werden

sollten etc. Angehängt an das Arbeitspaket befinden sich dann die

Produktbeschreibungen, in denen es ja insbesondere um Quali-

tätsaspekte geht. Wir haben damit also für den Teammanager für 5

der 6 Dimensionen Klarheit geschaffen. Der Teammanager kann

dann, sobald ihr euch einig geworden seid, mit seiner Arbeit begin-

nen. Den aktuellen Status dieses Arbeitspaketes erfährst du dann

Page 80: E-Book Grünes Gold

77

über Teamstatusberichte. Bei euch könnte ich mir z.B. vorstellen,

dass dies über eine Lagebesprechung nach dem Abendessen statt-

finden könnte. Sobald der Teammanager mit seinem Arbeitspaket

fertig ist, also seine Produkte erstellt hat, dafür gesorgt hat, dass sie

getestet und abgenommen wurden, z.B. von der Benutzerseite,

wirst du als Projektmanager von ihm eine Meldung darüber be-

kommen. Anschließend wirst du ihn nach einer Prüfung der forma-

len Dinge von seiner Verantwortung entlasten. Das sind mal die

wichtigsten Dinge in diesem Prozess. Hinzu kommen Aktivitäten, die

anfallen, wenn ein neuer Offener Punkt auftaucht, wenn neue Risi-

ken erkannt werden, wenn du das Ganze wegen Überschreitung der

Toleranzen/Spielräume eskalieren musst oder wenn du einen Pro-

jektstatusbericht erstellen musst. Der Prozess Steuern einer Phase

beinhaltet nahezu alle Tätigkeiten, welche du als Projektmanager

während einer laufenden Phase zu erledigen hast.

Parallel hierzu werden deine Teammanager ihre Produkte erstellen.

Diesen gleichzeitig ablaufenden Prozess nennen wir Managen der

Produktlieferung. In diesem Prozess werden Arbeitspakete ange-

nommen, ausgeführt und wieder abgeliefert. Hier ist

Spezialistenwissen gefordert und hier werden wohl 80 – 95% der

Aufwände für das Projekt verbraucht. Hier wird Qualität erstellt,

getestet und abgenommen. Mit diesem Prozess haben wir auch

eine geregelte Schnittstelle zwischen einer PRINCE2-Welt und einer

anderen Welt geschaffen. Wenn das also gefordert ist, dann kann

das Arbeitspaket als formvollendeter rechtskräftiger Vertrag zwi-

schen dem Projektmanager und einem externen Lieferanten, also

einem Teammanager, gestaltet sein.“

Charly hatte mittlerweile seinen Kaffee leer getrunken und bestellte

sich einen weiteren Drink. Diesmal gab es Schoki mit Schuss. Es war

Page 81: E-Book Grünes Gold

78

der 5. März, draußen schneite es leicht und es war kalt. Eigentlich

denkbar ungünstig, wo sie doch am Mittwoch in die Berge wollten.

Im Café lief leise Musik und am Nachbartisch unterhielten sich zwei

ältere Herren über das Wetter. „Oida naechste Wochn kumt die Sun

wieda zruck und wiad uns den Buckl warma!“ schnappte Charly auf

und hoffte darauf, dass seine Interpretation der beiden Herren

korrekt war und dass sie auch tatsächlich wahr werden würde, denn

ohne besseres Wetter würde sich das Projekt definitiv verschieben.

James fuhr mit seiner Erläuterung zu den nächsten anstehenden

Prozessen fort:

„Sobald sich die Phase dem Ende nähert, also absehbar ist, dass es

nur noch wenige Tage dauern wird, bis die Suche am 1. Grabungsort

beendet werden kann, beginnst du mit der Planung für die nächste

Phase. Managen eines Phasenübergangs nennt sich dieser Prozess.

Du beginnst mit der Erstellung des Phasenplans für die nächste

Phase. In unserem Falle ist dies die letzte Ausführungsphase, in

welcher einerseits angedacht ist, am 2. Grabungsort nach Edelstei-

nen zu suchen und andererseits das Projekt einen sauberen Ab-

schluss bekommen soll. Nach dem Erstellen des neuen Phasenplans

aktualisierst du den Projektplan und den Business Case, indem du

z.B. die tatsächlichen Zeiten und Kosten einträgst. Zum Schluss

schreibst du einen Phasenabschlussbericht, in welchem du auf die

vergangene Phase, die aktuelle Situation, insbesondere Risiken,

Fortschritt und momentane Kosten sowie einen Ausblick auf die

nächste Phase eingehst. Du sammelst also alle wichtigen Informati-

onen, um dem Lenkungsausschuss am 8. April eine Grundlage für

die Entscheidung zu bieten, ob sich das Projekt nach wie vor lohnt

und ob auch am 2. Grabungsort nach Edelsteinen gesucht werden

sollte.“

Page 82: E-Book Grünes Gold

79

Charly nippte an seiner Schoki und schaute aus dem Fenster. Die

Gardinen des Cafés verdeckten ihm die klare Sicht, aber dahinter

konnte er erkennen, wie große, lange Eiszapfen vom Restaurant auf

der gegenüberliegenden Straßenseite von der Dachrinne herabhin-

gen. Darunter liefen Passanten. Plötzlich schrie eine Frau. Sie hüpfe

auf der anderen Straßenseite hin und her wie ein aufgescheuchtes

Huhn. Vor ihr lag ihre Tasche und daneben verstreut, einzelne oran-

gene Möhren, teilweise in kleine Stücke zerbrochen, neben faust-

großen Eisstücken. „Risikobehandlung“ dachte sich Charly und bat

James nochmal etwas konkreter die Themen Qualität und Risiken

anzusprechen, insbesondere da er ja am Montag den Risikowork-

shop halten solle und James zu diesem Zeitpunkt bereits in einem

Hamburger Unternehmen eine Schulung halten würde.

„Weißt du, Charly“, begann James, „mit dem Thema Risiken ist es in

der Realität eine etwas traurige Angelegenheit. Man kümmert sich

meistens erst um dieses Thema, wenn etwas passiert ist oder offen-

sichtlich fast passiert wäre. Bei PRINCE2 gibt es dahingegen die klare

Empfehlung, sich um Risiken zu kümmern, bevor sie eingetreten

sind. Außerdem sind bei PRINCE2 Risiken nicht per se negativ.

PRINCE2 unterscheidet zwischen Bedrohungen und Chancen, wel-

che beide im Rahmen der Risikoanalyse betrachtet werden sollten.

Der optimale Weg für den Umgang mit Risiken sieht wie folgt aus:

1. Identifizieren:

a. Man stellt sich zuerst die Frage: In welchem Kontext be-

finden wir uns und was sind die Regeln, nach denen das

Thema Risiken in diesem Projekt behandelt werden soll.

Das Ergebnis davon tragen wir in die Risikomanage-

mentstrategie ein.

Page 83: E-Book Grünes Gold

80

b. Dann kommen wir zur Frage: Welche konkreten Risiken

gibt es für dieses Projekt? Das wird wohl eine deiner

Hauptaufgaben sein für deinen Workshop.

2. Bewerten: Wir müssen nun die Eintrittsnähe, Wahrschein-

lichkeit und Auswirkung jedes einzelnen Risikos einschätzen,

um die jeweilige Bedeutung des Risikos zu ermitteln. Anschlie-

ßend betrachten wir die Summe aller Risiken, um beurteilen

zu können, wie hoch die Risikobelastung des Projektes insge-

samt ist. Das ist besonders dann nützlich, wenn wir mehrere

Projekte miteinander vergleichen müssen.

3. Planen: Hier geht es um präventive Maßnahmen, die ergriffen

werden oder das bewusste Bekenntnis zum Eingehen eines Ri-

sikos. Als mögliche präventive Behandlungen von Risiken

kennt PRINCE2 die folgenden Kategorien:“

James zog ein Blatt Papier aus seiner Tasche und malte das folgende

Bild:

Behandlung von

Bedrohungen

Behandlung von

Chancen

Vermeiden: komplett vermeiden (ist

daher nur selten möglich)

Ergreifen

Reduzieren: hierzu zählen die häufigsten

Dinge, die uns als Präventivmaßnahmen

spontan einfallen.

Steigern

Eventualfall: der Plan B reduziert nur die

Auswirkung

Übertragen: zum Beispiel in Form einer

Versicherung

Teilen: z.B. über Bonus-Malus-Regelung im Vertrag

Akzeptieren: Ich lebe mit dem Risiko Ablehnen

Based on Cabinet Office PRINCE2 material. Reproduced under licence from the Cabinet Office

Page 84: E-Book Grünes Gold

81

James gab Charly zu jedem Punkt eine kurze Erklärung mit einem

Beispiel und fuhr fort. „Sobald wir zu jedem Risiko geplant haben,

wie wir damit umgehen sollen, kommen wir zum nächsten Punkt:

4. Implementieren: Hierbei werden die geplanten Maßnahmen

ergriffen und die Effektivität der Maßnahme wird überprüft.

5. Kommunizieren: Du musst dafür sorgen, dass alle Personen,

die über die jeweiligen Risiken Bescheid wissen sollten, konti-

nuierlich genügend Informationen bekommen, z.B. über dei-

nen Projektstatusbericht.

Diese Punkte „Identifizieren, Bewerten, Planen, Implementieren

und Kommunizieren“ bilden zusammen das von PRINCE2 vorge-

schlagene Risikomanagementverfahren.

Sicherlich wird dir aufgefallen sein, dass die Behandlungsmaßnah-

men größtenteils mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Bei grö-

ßeren Projekten würde man hierzu einen Teil des Projektbudgets als

Risikobudget deklarieren, welches ausschließlich dazu dient, diese

präventiven Maßnahmen zu finanzieren.“

Sie saßen noch eine ganze Weile im Café und unterhielten sich über

sinnvolle Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit und Auswirkung

von Risiken zu bewerten, sowie allgemein über typische Bedrohun-

gen bei Projekten der Keller GmbH. Charly hatte mitgeschrieben

und besaß am Ende ein komplettes Din-A4 Blatt mit möglichen

Risiken, aufgeteilt in verschiedene Risikokategorien. Diese wollte er

am Montag als Checkliste in seinem Workshop einsetzen.

Mittlerweile war es bereits 17:00 Uhr. Charly bekam langsam Hun-

ger und blätterte in der Speisekarte des Cafés: „Schinken-Käseplatte

& Salat“ brummte Charly vor sich hin. Er hatte Hunger, aber ganz

bestimmt nicht auf so etwas. Sie bezahlten und wechselten in das

Page 85: E-Book Grünes Gold

82

Restaurant „Zum Schwarzen Bären“ auf der anderen Straßenseite,

auf dem Weg stets mit einem Auge die Dachrinne im Blick. Im Res-

taurant bestellten sie sich jeweils ein ordentliches Schnitzel. Dazu

tranken sie ein Gläschen Wein – Charly einen Blauburgunder und

James einen Gewürztraminer.

Nach dem Essen besprachen sie das Thema Qualität. Charly hatte ja

bereits in seinen Produktbeschreibungen genau definiert, welche

Qualitätskriterien jeweils galten, nach welcher Qualitätsprüfme-

thode das jeweilige Produkt getestet werden sollte und wer für

jedes Produkt der Ersteller, Prüfer und Abnahmeberechtigte sein

sollte. Was ihm allerdings noch fehlte war der Zeitbezug. “WANN

passiert eigentlich WAS in punkto Qualität?“ lautete Charlys Frage.

James‘ Antwort darauf: „Bei großen Projekten mit vielen, mögli-

cherweise parallel stattfindenden Tests ist dringend ein Qualitäts-

register nötig – also eine Übersicht über alle geplanten, aber auch

der stattgefundenen Qualitätsaktivitäten. Dazu gehören geplante

Tests, erledigte Tests (erfolgreiche und fehlgeschlagene), sowie

Produktabnahmen. In deinem Falle wirst du wahrscheinlich nicht

besonders viele verschiedene Tests und Prüfer haben – der Fokus

wird wohl sogar auf einer einzigen Person und einem einzigen Pro-

dukt liegen. Soweit ich das richtig verstanden habe, wird Herr Fuchs

aus der Abteilung von Frau Schleifer alle Smaragde überprüfen. Ihr

solltet euch in den nächsten Tagen noch einig werden, wie oft eine

Überprüfung stattzufinden hat. Ich empfehle aber dringend mindes-

tens zwei Tests der Edelsteine in dieser Phase. Den ersten Test,

sobald ihr die ersten Steine gefunden habt und einen weiteren zum

Ende der Phase. So kannst du rechtzeitig sicherstellen, dass ihr nicht

in eine völlig falsche Richtung lauft.“

Page 86: E-Book Grünes Gold

83

Sie saßen noch lange im Restaurant und es wurde wieder spät, sehr

spät. Am nächsten Morgen hatte Charly große Mühe aus dem Bett

zu kommen. Sein Glück: Es war Sonntag.

Montagmorgen stand also der Risiko-Workshop an und Charly iden-

tifizierte mit Günther, Max, Frau Schleifer und Herrn Goldbart ins-

gesamt 12 Risiken. Es waren alle ausschließlich Bedrohungen. Charly

entschied sich, 10 der 12 Risiken zu akzeptieren und bei 2 Risiken

eine Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit zu initiieren. Das

erste der beiden bedeutsameren Risiken war die Lawinengefahr.

Max erwähnte, dass auf der Bergkuppe immer noch sehr viel

Schnee lag und es nicht unwahrscheinlich sei, dass sich daraus eine

Lawine bilden könnte. Max bekam den Auftrag, nach einer geeigne-

ten Lösung zu suchen. Das zweite Risiko war das kalte Wetter und

die dadurch gefährdete Gesundheit der Bewohner im Bergcamp.

Charly besprach seine Überlegungen mit Herrn Goldbart. 4 Stunden

später überreichte ihm Goldbart ein Kuvert mit 5000€ aus dem

Projektbudget und der Bemerkung: „Sorg’ dafür, dass hier keiner

krank wird und dass es keine Lawinen gibt!“. Charly telefonierte

sofort mit Herrn Berger von der Firma ÖsiTreck. Er empfahl die

Verwendung guter Schlafsäcke und die Isolation des Schlafzeltes mit

besonderer reflektierender Aluminiumfolie. Charly ging noch am

gleichen Tag in einen Trekkingshop in Wien und machte sich unter

anderem schlau bezüglich kälteresistenter Schlafsäcke. Am Ende des

Tages hatte er 7 ultraisolierte Schlafsäcke, aluminiumbeschichtete

Isomatten, 7 Paar Stulpen, spezielle wärmereflektierende Folie, eine

große Kiste mit Vitamintabletten, 2 Kisten frisches Obst, eine ganze

Kiste voller gefütterter Arbeitshandschuhe und einen großen Kasten

Medizin und Verbandszeug.

Page 87: E-Book Grünes Gold

84

Aufbruch ins Habachtal

9. März. Es war ein Tag, der Charly für immer im Gedächtnis bleiben

wird. Es hatte eigentlich nichts mit dem Projekt zu tun. Naja, gewis-

sermaßen schon, da dieser Tag ohne dieses Projekt niemals so ver-

laufen wäre. Die Koffer waren gepackt, die Werkzeuge von Günther

und seinem Team gerichtet und Charly hatte das ganze Auto voll mit

Proviant. 5 Wochen, so lautete der Plan, wollten sie in der nächsten

Phase in den Bergen verbringen und Charly hatte sich vorgenom-

men, maximal einmal pro Woche ins Tal zu gehen, um Nachschub zu

besorgen. Charly saß also in seinem Auto, ein älterer VW Passat,

früher mal weiß lackiert, und wartete auf Instruktionen von Gün-

ther. Günther selbst konnte nur zwei zusätzliche Personen mitneh-

men, so musste Charly also auch noch zwei Studenten abholen.

Man verabredete sich vor der Pizzeria Romantica – Charlys Lieb-

lingsitaliener. Dort angekommen, stiegen sofort Florian und Moritz

zu Charly ins Auto. Florian, mit seinen langen blonden Haaren, ei-

nem dicken Wollpullover und massiven Bergstiefeln, machte auf

den ersten Blick eher einen zurückhaltenden Eindruck. Moritz dage-

gen, mit seinen kurzen Haaren und Turnschuhen, strapazierte mit

seinem ständig aktiven Mundwerk schon nach 5 Minuten die Ge-

duld von Charly. Moritz war Geologie- und Chemiestudent und

musste sofort eine Geschichte loswerden, wie er bei seinem Prakti-

kum vor einem Jahr in einer kolumbianischen Smaragdmine von 6

maskierten Männern mit Macheten überfallen wurde. Charly war

noch nie außerhalb von Europa gewesen und das war wohl auch gut

so, dachte er sich nach dieser Geschichte.

Über Anton wusste Charly noch nicht viel. Er saß bereits im Auto

von Günther. Was man aber jetzt schon erkennen konnte war, dass

er ein Technikfreak war: Drei Werkzeugkoffer hatte er extra dabei,

Page 88: E-Book Grünes Gold

85

angeblich eigene Spezialanfertigungen für die Edelsteinsuche. Und

Anton schien ein Heißblüter zu sein: er war doch tatsächlich in kur-

zer Hose gekommen – klar, mit langen dicken roten Wollsocken,

aber der Anblick fröstelte Charly.

Es war Günther, der nun das Ganze in die Hand nahm. Sie warteten

noch auf die Nummer 5 der Studententruppe, sie warteten auf

Giulia. Charly war irritiert, als er realisierte, dass eine Frau mit auf

die Tour fahren würde, aber warum eigentlich nicht. Sie warteten

also vor der Pizzeria auf Giulia. Wo auch immer Giulia steckte, Gün-

ther fand sie nicht. Man beschloss, dass Charly mit Florian und Mo-

ritz schon mal losfahren und zusammen mit Max, der ja bereits im

Camp war, die Küche einrichten solle. Charly startete seinen Motor

und das Radio spielte “I'm on the highway to hell….” Als er den Hof

verließ, sah er im Rückspiegel noch, wie Günther mit der Wirtin der

Pizzeria im Eingang stand und offensichtlich fragte, ob sie seine

Kommilitonin Giulia gesehen habe. Durch das Fenster der Pizzeria

sah Charly eine Frau mit längeren Haaren huschen. „War wohl die

neue Bedienung von neulich“ dachte sich Charly und bog um die

Ecke. “I'm on the highway to hell” kam es wieder aus dem Radio.

Charly stellte das Radio lauter und öffnete das Fenster. Es roch nach

Abenteuer. Draußen zwitscherten die Vögel. Der alte Mann im Café

hatte recht gehabt, tatsächlich war übers Wochenende der Frühling

gekommen.

Page 89: E-Book Grünes Gold

86

Das Camp

Nach fünfstündiger Fahrt kamen sie in einer kleinen Ortschaft na-

mens Bramberg an. Im Bramberger Supermarkt wurden noch ein

paar Süßigkeiten besorgt und Charly fuhr in die nächste Ortschaft

nach Schönbach. Max hatte mit einem Bauern vereinbart, dass sie

ihre Autos dort bei ihm vor der Scheune parken könnten. Max war-

tete bereits auf sie. Er hatte noch ein paar Besorgungen gemacht

und trug ein großes Rad echten Pinzgauer Käse unter dem Arm. Sie

packten die erste Hälfte des Proviants in ihre Rucksäcke und mach-

ten sich auf den 5 Kilometer langen Fußmarsch durchs Habachtal zu

ihrem Camp.

Nachdem sie über eine provisorische Fußgängerbrücke die Habach

überquert hatten, ging es auf einer Schotterpiste das Tal hinauf.

Rechts und links vom Weg befanden sich viele kleinere Bäume, die

sich an den steil aufstrebenden Hängen des Habachtals versuchten

festzuhalten. Wie eine Drohkulisse ragten darüber die Gesteins-

massen rechts und links in den Himmel. Am oberen Ende der Berg-

kette lagen noch die letzten Schneereste und links von der Schot-

terpiste toste das Wasser das Tal hinab. Die Schneeschmelze war in

vollem Gange. Ganze 2 Stunden gingen sie den Berg hinauf, bis sich

das Tal auf einmal öffnete und sie eine große grünbraune Wiese vor

sich fanden. In der Mitte der Wiese standen eine alte, halb zusam-

mengefallene Hütte und nebendran zwei große, flache, schwarze

Zelte. Wären nicht die steilen Hänge gewesen, so hätte man sicher-

lich erwartet, dass sogleich Dschingis Khan hinter einem der Zelte

hervor springt. Dem war allerdings nicht so. Es war Klaus Berger, der

mit einer Handvoll frischem Brennholz in der Jurte verschwand.

Charly, Florian und Moritz begannen sofort damit, ihre Vorräte im

Küchenzelt zu verstauen und Charly setzte einen Topf Wasser auf:

Page 90: E-Book Grünes Gold

87

Spaghetti Bolognese stand auf der Speisekarte für den ersten

Abend.

Zwei Stunden später, es wurde schon fast dunkel, kamen Günther,

Giulia und Anton das Tal hinauf gewandert. Charly war gerade dabei

die Sauce abzuschmecken, als er Giulia das erste Mal sah: „Schwar-

ze lange Haare, knallrote Ohrringe“, schoss es Charly durch den

Kopf. Hier war sie wieder. Es war doch tatsächlich die Kellnerin, die

er neulich mit James das erste Mal gesehen hatte. „Was hatte sie

mit dieser Pizzeria zu tun? Und warum ist ausgerechnet sie hier

heute mit dabei?“ Das passte einfach alles nicht zusammen für

Charly. „Hey Amigo! Was gibt’s da zu glotzen? Ich hab‘ Hunger!“,

waren ihre ersten Worte zu Charly. Das war zu viel für Charly. Diese

Frau machte ihn völlig fertig. Er nahm die Töpfe von der Kochstelle

und ging erst einmal ein paar Minuten spazieren in Richtung Fluss.

Er stand am Wasser und rief in die Fluten: „Bin ich ein Zwerg oder

was?“ Beängstigend oder eher faszinierend - Charly war sich zu-

nehmend unsicherer, was er von dieser Frau halten sollte.

Zurück am Zelt verteilte Charly das Essen und verhielt sich für den

Rest des Abends schweigsam. Für ihn waren das einfach zu viele

Eindrücke auf einmal. Die anderen feierten noch eine ganze Weile,

tranken ein paar Gläschen Wein und erzählten sich lustige Geschich-

ten. Charly wollte einfach nur ins Bett. Er ging ins andere Zelt, brei-

tete seine Spezialisomatte auf den von Max ausgebreiteten Holz-

platten aus und verkroch sich in seinen Schlafsack.

Page 91: E-Book Grünes Gold

88

Die erste Woche im Tal

Es war eine kalte Nacht. Charly war nur einmal kurz aufgewacht, als

sich die anderen ebenfalls in ihre Schlafsäcke verkrochen. Gegen

7:00 Uhr wachte Charly auf. Er war topfit, machte sich einen Kaffee

und holte seinen Laptop heraus, um seine Emails zu checken. Es gab

aber keinen UMTS-Empfang. Er schaute auf sein Handy: kein Netz

verfügbar. Er steckte seinen Laptop in die Tasche und lief eine Vier-

telstunde auf den nächsten Hügel. Aber auch hier gab es keinen

Empfang. So hatte Charly sich das nicht vorgestellt. Er schaute in

seinen Projektordner und öffnete den Phasenplan. „Das sind die zu

erledigenden Dinge für diese Phase“ sinnierte er vor sich hin. „Von

den anderen benötigt wohl niemand einen Internetzugang, aber ich

muss doch erreichbar sein für die anderen Projekte!“ Er machte in

seinem Projekttagebuch einen Eintrag: „Problem: kein UMTS Netz,

kein Handynetz – verflixt noch mal, ich brauche hier Internet!“

Auf dem Rückweg traf er Max, der gerade Feuerholz anschleppte

und ihm den Tipp gab, dass man beim Bauern im Dorf unten für

einen Euro pro Stunde ins Internet könne. Für Charly keine wirklich

kluge Lösung. Er müsste also jeden Tag einmal runter und wieder

rauf laufen.

Der nächste Vormittag stand noch ganz im Zeichen der Vorberei-

tungen. Sie liefen mehrmals ins Tal hinunter, bis sie die restlichen

Messgeräte und den kompletten Proviant im Lager hatten. Charly

hatte die Gelegenheit zudem für ein Telefonat mit Herrn Goldbart

und seinem Vorgesetzten aus der Projektmanagementabteilung

genutzt. Sie vereinbarten, dass seine anderen Projekte in den

nächsten 5 Wochen von einem Kollegen übernommen würden, so

dass Charly seine Emails nur zweimal pro Woche checken müsse

und er sich in seiner verbleibenden Zeit als Handlanger im Team von

Page 92: E-Book Grünes Gold

89

Günther nützlich machen solle. Charly musste also doch nach Stei-

nen buddeln. Nachdem er sich zu Beginn des Projektes gegen jegli-

che Ideen in diese Richtung gesträubt hatte, war er mittlerweile gar

nicht mehr so sehr abgeneigt. Die anderen hatten ihn irgendwie

angesteckt. Es war wie ein Fieber: Jeder wollte den ersten großen

Smaragd finden. Zuvor musste aber, so sah es der Phasenplan vor,

die Gegend genauestens kartographiert werden. Und jetzt verstand

Charly auch, warum Giulia mit dabei war. Sie war Geologie- und

Geographiestudentin, spezialisiert auf die Bereiche Mineralogie und

Kartographie. Von ihr waren die ganzen bunten Stangen und Mess-

geräte, die Charly mühevoll den Berg hinaufgeschleppt hatte.

Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag ging es dann um Ge-

ländevermessung, Definition von sinnvollen Stellen für die Boden-

proben und Vorbereitung für die Grabungen am ersten Ort. Charly

hatte von Herrn Keller die Karte seines Großvaters mitbekommen

und sie versuchten nun so genau wie möglich die ursprünglichen

beiden Stellen zu identifizieren.

Sobald die Orte identifiziert waren, konnte Max einen weiteren

Hubschrauber bestellen. Dieses Mal allerdings mit einer anderen

Aufgabe: kontrollierte Sprengung der potentiell gefährlichen

Schneefelder oberhalb der Grabungsorte. Nach dieser erfolgreichen

Aktion hatte Charly noch 500€ in seinem Risikobudget-Kuvert.

Bis Freitag hatten sie dann zwei etwa 100 mal 100 Meter große

Felder abgesteckt, welche sie als die markierten Orte des Großva-

ters identifizierten. Die Felder wiederum waren jeweils aufgeteilt in

100 kleine, durch rot-weißes Absperrband markierte, Quadrate.

Man wollte systematisch von innen nach außen zuerst die Oberflä-

che absuchen. Später sollte dann mit Hilfe des Presslufthammers

und der anderen mitgebrachten Werkzeugen bis zu einer Tiefe von

Page 93: E-Book Grünes Gold

90

1 Meter die daruntergelegenen Bodenschichten untersucht werden.

Jedes Feld bekam ein oranges Schild mit einer Zahl zwischen 1 und

100. Die Zählung erfolgte schneckenförmig von innen nach außen.

Freitagabend - Max, Günther und Charly standen vor ihrem bunten

Feld und betrachteten das Werk der vergangenen Tage. Sie hatten

mit Antons Hilfe einen Teil des Baches durch eine Rinne am Rande

ihres Feldes vorbeigeleitet. So konnten über eine Reihe von Bretter-

rinnen und Sieben die Gesteinsschichten vom Schmutz befreit wer-

den. In der Mitte, im Quadrat 1, standen zwei Schubkarren, der

einsatzbereite Presslufthammer und dazugehörige Generator, sowie

drei Schaufeln und ein doppelreihiger Spezialrechen von Anton.

Sie waren stolz auf ihr Werk: Günther hatte eigentlich damit ge-

rechnet, dass sie zwei Tage länger bräuchten für die Vorbereitun-

gen. Günther schaute auf seinen Teamplan und grinste: „Am Mon-

tag kann‘s losgehen.“

Page 94: E-Book Grünes Gold

91

91 92 93 94 95 96 97 98 99 100

90 57 58 59 60 61 62 63 64 65

89 56 31 32 33 34 35 36 37 66

88 55 30 13 14 15 16 17 38 67

87 54 29 12 3 4 5 18 39 68

86 53 28 11 2 1 6 19 40 69

85 52 27 10 9 8 7 20 41 70

84 51 26 25 24 23 22 21 42 71

83 50 49 48 47 46 45 44 43 72

82 81 80 79 78 77 76 75 74 73

N

Wa

sse

rrin

ne

Wasch- &

Siebanlage

Ziel: 5 Felder pro Tag

Teamplan – Smaragdsuche Ort 1

W1

W2

W3

W4

Legende:

W = Woche

Page 95: E-Book Grünes Gold

92

Das musste gefeiert werde. Dieses Mal war Charly voll dabei. Die

frische Luft und das körperliche Arbeiten hatten ihn irgendwie in

eine Feierlaune versetzt, die er so gar nicht von sich kannte. Florian

zückte seine Gitarre, Moritz & Giulia erzählten einen Witz nach dem

anderen und sie alberten und tranken die ganze Nacht. Sie tranken

fast sämtliche Weinvorräte auf, die Charly eigentlich für die vollen 5

Wochen angedacht hatte.

Am nächsten Morgen beschlossen sie, nach einem ausgiebigen

Katerfrühstück, gemeinsam nach Bramberg in den Supermarkt zu

wandern, um ihre Gemüse-, Fleisch- und Weinvorräte wieder aufzu-

füllen.

Das Wochenende verging wie im Flug: Am Samstag waren alle so

müde, dass sich jeder schon um 20:00 Uhr im Schlafsack verkroch

und am Sonntag war Wandertag. Max hatte vorgeschlagen eine

Tour zum Kratzenbergsee zu unternehmen.

Page 96: E-Book Grünes Gold

93

Wer findet den ersten Stein?

Montagmorgen gegen 7:00 Uhr wurden alle von markerschüttern-

den, dröhnenden Hammerschlägen geweckt. Charly und Günther

eilten aus dem Zelt und trauten ihren Augen nicht: Anton stand in T-

Shirt und kurzer Hose inmitten des bunten Feldes und bearbeitete

wie besessen mit seinem Presslufthammer einen größeren herum-

liegenden Felsbrocken. Günther eilte zu ihm rüber, stellte den Ge-

nerator aus und brüllte ihn an, er solle doch gefälligst Rücksicht

nehmen auf die, die noch schlafen und außerdem habe er noch gar

keine Anweisung bekommen wie der genaue Plan für die Suche

nach den Edelsteinen sei. Das hatte gesessen. Günther hatte sein

Team wieder unter Kontrolle und es gab erst mal ein ordentliches

Frühstück.

Die folgenden Tage wurde systematisch die Oberfläche der ersten

Quadrate untersucht. Anschließend durften Anton, Moritz und

Charly tiefer in den Boden buddeln.

Montag, Dienstag und Mittwoch waren nicht sonderlich erfolgreich.

Zwar wurde der ein oder andere grüne Stein gefunden, aber entwe-

der waren sie viel zu klein, um sicher zu sagen, worum es sich han-

delte oder aber es war eindeutig ein anderes Gestein. Bis Donners-

tagmittag hatten sie also ohne Erfolg gesucht. Sie waren mittlerwei-

le im Quadrat 24 angelangt, als Günther plötzlich einen Jubelschrei

los lies. Er hatte den ersten größeren Smaragd gefunden. So groß

wie ein Daumennagel lag der milchig-grüne Klumpen auf seiner

Hand. Er hatte den ersten gefunden! Bei der weiteren Suche im

Quadrat 24 wurden noch 8 weitere Smaragde entdeckt. Am Frei-

tagmittag gingen Günther und Charly zum Bauern ins Dorf, um zu

telefonieren und Emails abzurufen. Günther vereinbarte einen Ter-

min mit Herrn Fuchs, um noch am Samstag die Steine wie verein-

Page 97: E-Book Grünes Gold

94

bart testen zu lassen. Charly schrieb seinen Projektstatusbericht,

denn es waren mittlerweile 2 Wochen seit der letzten Sitzung des

Lenkungsausschusses vergangen. Er schaute in seine Emails und

fand eine Nachricht von James:

Hi Charly,

na, wie ist es dir bisher dort oben ergangen? Mit dem Wetter habt

ihr ja nochmal Glück gehabt. Habe gestern mit Herrn Goldbart tele-

foniert und er ist schon ganz gespannt auf deinen ersten Bericht aus

den Bergen. Dachte mir, du könntest vielleicht eine Vorlage gebrau-

chen für den Projektstatusbericht. Hab’ dir eine Vorlage angehängt

mit ein paar zusätzlichen Erklärungen dazu. Wenn du dazu noch

Fragen hast, freue ich mich natürlich auch über einen Anruf. Hier

nochmal meine Telefonnummer: 49(0)6103 2002 110

Gruß James

Charly schaute sich die angehängte Worddatei an und ging die Ab-

schnitte Punkt für Punkt durch. Keine 5 Minuten später hatte er

seinen ersten Bericht fertig. Er verschickte eine E-Mail mit dem

folgenden Inhalt an Herrn Goldbart, Frau Schleifer, Professor Stein

und James:

Page 98: E-Book Grünes Gold

95

Projektstatusbericht

Datum: 18. März

Berichts-

zeitraum:

4. - 18. März --- 1. Bericht der 2. Ausführungsphase

Status-

übersicht:

Alles verläuft nach Plan. Konnten die Vorbereitung zwei Tage schneller als gedacht abwickeln und haben gestern die ersten 9 Smaragde gefunden.

Aktueller

Berichts-

zeitraum:

Geo-Team

Günther macht einen guten Job, hat seine Leute gut im Griff und konnte die ersten drei Produkte fertigstellen:

1. vermessenes & gerastertes Gelände 2. definierte Stellen für die Bodenproben 3. vorbereiteter Grabungsort 1

Montag dieser Woche hatten wir mit der Suche nach Smaragden begonnen und gestern dann endlich die ersten 9 daumennagelgroßen Steine entdeckt. Ursprünglich war angedacht, auch mit den Boden-proben zu starten. Haben wir nach Rücksprache mit Günther und seinem Team auf nächste Woche verschoben.

Infrastruk-

tur

Was die Infrastruktur betrifft, so ist alles bestens. Max macht ebenfalls einen guten Job und konnte auch dafür sorgen, dass wir keine Lawinenüberra-schung bekommen. Ein Hubschrauber hat die kontrollierte Sprengung eines gefährlichen Schneefeldes ausgelöst. Die Rechnung hierfür wird Herr Fuchs mitbringen. Der Pilot wollte kein Bar-geld, daher die Bitte an Herrn Goldbart, die Zah-lung dieser Rechnung zu veranlassen.

Verpfle-

gung

Zum Thema Verpflegung: Es hat sich bisher keiner beschwert, scheint also alles in Ordnung zu sein. Allerdings hatte ich die benötigte Menge an Provi-ant völlig falsch eingeschätzt. Wir brauchen ca 500€ mehr als ursprünglich dafür veranschlagt.

Page 99: E-Book Grünes Gold

96

Nächster

Berichts-

zeitraum:

In den nächsten beiden Wochen geht es mit der Suche nach Edelsteinen weiter und wir werden mit den ersten Bodenproben beginnen. Der für 25.3. angesetzte Meilenstein wurde ja bereits gestern Abend erreicht. Außerdem werden wir morgen Besuch von Herrn Fuchs zur Prüfung der ersten 9 Steine bekommen.

Status der

Projekt-

und

Phasento-

leranzen:

Wir haben bisher ca 20.000€ für diese Phase ver-braucht (inklusive Personalkosten und exklusive Risikobehandlungen). Die entstandenen Mehrkos-ten für Verpflegung konnten durch die gewonne-nen zwei Tage bei der Vorbereitung ausgeglichen werden. Zeitlich sind wir also etwa 2 Tage schnel-ler als gedacht und bezüglich der Kosten gehe ich derzeit davon aus, dass die veranschlagten 60.000€ voll ausreichen werden.

Ände-

rungs-

anträge

keine vorhanden

Wichtigste

Offene

Punkte

und Risi-

ken:

keine Offenen Punkte vorhanden. Risiken sind alle unter Kontrolle: Lawinengefahr laut Max nicht mehr relevant & die Gesundheit der Camp Bewohner ist bestens. Die angewendeten Maßnahmen scheinen also gegriffen zu haben. Nach der Lawinenaktion befinden sich noch 500€ im Risikobudget.

Erfah-

rungsberic

ht:

Nicht in allen Ecken Österreichs gibt es UMTS oder Handyempfang - sollte bei zukünftigen ähnlichen Projekten berücksichtigt werden.

Zusätzli-

che Infos:

Bauer Alois aus Schönbach hat sich bereit erklärt Telefonate für uns entgegenzunehmen. Im Notfall wäre er sogar bereit, seinen Sohn zu uns hoch zu schicken. Telefonnummer: 06566-5899648

Page 100: E-Book Grünes Gold

97

Anschließend wanderten Charly und Günther zum Supermarkt, um

ein paar Besorgungen für die abendliche Überraschungsparty zu

machen.

Page 101: E-Book Grünes Gold

98

5 Euro und keinen Cent mehr!

Am nächsten Tag, etwa gegen 14:00 Uhr, die ersten Leute kamen

gerade aus ihren Schlafsäcken gekrochen, stand Herr Fuchs plötzlich

da. „Dürfte ich mal die Steine sehen?“, waren seine ersten Worte.

Günther war noch ziemlich verschlafen und trottete ins andere Zelt,

um seine Schätze zu holen. Er gab sie Herrn Fuchs in die Hand. Die-

ser hatte ein kleines Köfferchen mit Pinsel, Fläschchen mit Reini-

gungsflüssigkeiten und ein kleines Minileuchtkästchen auf welches

er die ganzen Steine legte und erst mal gründlich reinigte. „Mhmm,

h-h-h-h!“, räusperte er sich nach einigen Minuten Stille. „Ich geb‘ dir

für jeden Stein 5 Euro. 5 Euro und keinen Cent mehr!“ Günther

verstand die Welt nicht mehr. Er war doch so stolz, dass er die ers-

ten Smaragde gefunden hatte. Dann auch noch so große, nahezu

ohne Einschlüsse, ohne Risse, ohne Makel. Und jetzt wollte ihm

Herr Fuchs erklären, dass alles umsonst gewesen war? „Schau mal

her“, fuhr Herr Fuchs fort, „ich habe von Herrn Keller einen Stein als

Muster mitbekommen. So sehen wertvolle Smaragde aus.“ Und er

legte den Stein von Großvater Keller neben die Steine von Günther

und es war sofort klar, was falsch war: milchig, trübes Grün gegen

das glasklare Grün des Steins von Herrn Keller. Herr Fuchs hielt den

kleinen etwa 3 Millimeter großen Stein von Herrn Keller ans Licht

und ergänzte: „Wenn dieser Stein noch ein bisschen leuchtender

wäre, dann könnte man dafür höhere Preise erzielen als für einen

Diamanten. Smaragde sind die teuersten Steine der Welt. Ich habe

noch einen Ratschlag für euch: Beim Untersuchen der Steine von

Herrn Keller ist mir aufgefallen, dass einige Steine in einem Glim-

merschiefer steckten. Sucht nach Glimmerschiefer und ihr werdet

Smaragde finden.“ Das waren seine letzten Worte bevor er sich

wieder davon machte.

Page 102: E-Book Grünes Gold

99

Es wurde ein trauriges Wochenende. Günther hatte sich so sehr

über die gefundenen Steine gefreut und dann diese Enttäuschung.

Der Samstag war damit erledigt und am Sonntag regnete es. Gün-

ther und sein Team saßen im Zelt und überlegten, was nun zu tun

sei. Günther war sauer. Er konnte es einfach nicht begreifen, dass

Frau Schleifer sie nicht darüber unterrichtet hatte, dass nur durch-

sichtige, leuchtende Steine brauchbar waren. Das mit dem Glim-

merschiefer wurde auch als Idee betrachtet, allerdings hatte bisher

keiner auch nur einen einzigen Glimmerschiefer gesehen. Man ent-

schied sich dafür, genau so weiter zu machen wie bisher: Quadrat

für Quadrat sollte das Feld weiter untersucht werden. Einzige Ände-

rung: Florian sollte jedes Quadrat grob nach Glimmerschiefer unter-

suchen und eine Bodenprobe jeweils in der Mitte des Quadrates

nehmen. Sobald er damit am ersten Fundort fertig sei, solle er zum

800 Meter entfernten zweiten Fundort gehen und ebenfalls Proben

ziehen.

Montagmorgen ging es also wieder an die Arbeit. Anton begann mit

seinem Presslufthammer Quadrat 32 zu bearbeiten. Moritz half ihm

dabei mit Schaufel, Schubkarre und Sieb. Günther, Giulia und Charly

untersuchten Zentimeter für Zentimeter die Oberfläche von Quad-

rat 34 und Florian lief mit Erdbohrer und Eimer zum Quadrat 100.

Irgendwie hatte heute keiner Lust zu arbeiten. Zu allem Übel wurde

Günther nach dem Mittagessen so schlecht, dass er sich erst mal ins

Zelt verkroch. Günther war am nächsten Morgen wieder fit. Giulia

hingegen, die bereits am Abend über ein Kratzen im Hals geklagt

hatte, blieb mit Fieber im Bett liegen.

Das Risiko war nun doch eingetreten. Charly war sich nicht ganz

sicher, wer jetzt eigentlich welche Verantwortung zu tragen hatte.

Günther meinte jedenfalls, dass sie, was die Untersuchung des Fel-

Page 103: E-Book Grünes Gold

100

des betraf, sehr gut in der Zeit lägen und somit auch ein mehrtägi-

ger Ausfall Giulias zu keinen Zeitverzögerungen führen dürfte. Er bat

allerdings Charly darum, sich um Giulia zu kümmern. Giulia hatte

hohes Fieber und Charly und Günther schlugen vor, dass man sie

per Hubschrauber ins Tal zu einem Arzt fliegen wolle. Giulia wollte

aber partout nicht ihr Zelt verlassen, also beschloss Charly ins Dorf

zu eilen und einen Arzt um Rat zu fragen. Gegen Nachmittag kam

Charly mit einer Tüte voller Medizin, frischem Obst und Gemüse

und speziellem Erkältungstee zurück ins Camp. Er hatte einen Arzt

gefunden, der ihm ein paar Tipps und die entsprechende Medizin

gegen Erkältung gab. Charly hatte noch nie in seinem Leben einen

kranken Menschen versorgt. Zudem fühlte er sich immer noch et-

was unsicher, sobald er Giulia gegenüberstand. Ihrem losen Mund-

werk, ihrer flapsigen Art, ihrer Schlagfertigkeit war er einfach nicht

gewachsen. Insgeheim bewunderte er sie aber. Charly kochte also

Tee, gab ihr Medizin, genauso wie es der Arzt verordnet hatte und

fragte Giulia, was er sonst noch für sie tun könne. Sie bat ihn, ein-

fach eine Weile bei ihr zu bleiben, damit sie nicht so alleine sei. Sie

unterhielten sich ein bisschen über Hamburg, über Italien und

Giulias Eltern. Giulia hatte großen Stress mit ihrem Vater. Das sei

auch der Hauptgrund, warum sie kaum in der Pizzeria ihrer Eltern

anzutreffen war. Außerdem hasste sie die Pizzeria, das ganze Ambi-

ente, die Ausstattung bis hin zur Fassade; alles war ihr zu altmodisch

und verstaubt.

Giulia war drei volle Tage krank und Charly tat alles, um sie bei Lau-

ne zu halten. Am vierten Tag konnte sie wieder gemeinsam mit den

anderen essen und ab dem fünften Tag war sie wieder fit. Es war

mittlerweile wieder Wochenende. Charly hatte bereits am Freitag

eine kurze E-Mail an Herrn Goldbart geschrieben, dass bisher leider

doch noch kein wertvoller Smaragd gefunden wurde. Man sei aber

Page 104: E-Book Grünes Gold

101

auf dem besten Wege dorthin, da Florian in Quadrat 83 Glimmer-

schiefer, einen typischen Begleiter des Smaragdes, gefunden hatte.

Den angesetzten Meilenstein hatten sie damit nicht geschafft.

Es war Samstagvormittag, als Florian plötzlich zurück ins Camp eilte.

Er hatte außerhalb ihres Suchfeldes auf eigene Faust zwischen den

Steinen herumgewühlt und war dabei auf etwas Besonderes gesto-

ßen. Florian, der Chemiker, wie sie ihn immer nannten, da er neben

Mineralogie auch Chemie studierte, hatte einen bläulich schim-

mernden, wunderschönen Edelstein gefunden. Es war ein sechs-

eckiger bleistiftstarker, ca. 3 Zentimeter langer Aquamarin. Sams-

tagmittag nach dem Essen hielt er hierzu eine kleine Rede: „Aqua-

marine und Smaragde sind Geschwister. Sie sind Variationen ein

und derselben ursprünglichen Zusammensetzung. Sie zählen zur

Gruppe des Silicat-Minerals Beryll und unterscheiden sich jeweils

nur durch das Vorhandensein eines zusätzlichen Elementes, wie z.B.

Titan im Falle des Aquamarins, welches ihm diese schöne bläuliche

Färbung verleiht. Smaragd dagegen enthält kein Titan, sondern z.B.

Chrom und erhält dadurch eine grüne Färbung. Aquamarine sind

nahezu genauso wertvoll wie Smaragde. Warum suchen wir nicht

einfach nach Aquamarinen anstelle von Smaragden? “

Diese Frage war wohl an Charly gerichtet. In seinem Projektauftrag

stand ausdrücklich, dass es um Smaragde ging. Aber wenn es mög-

lich sein sollte, durch einen minimalen Zusatzaufwand auch Aqua-

marine zu finden, dann wäre das möglicherweise eine Chance für

dieses Projekt. Nach Rücksprache mit Günther und Florian einigte

man sich darauf, dass man Steine mit einem blauen Schimmer in

Zukunft ebenfalls mit in die nähere Betrachtung ziehen wolle, so-

fern sie bei der Suche nach Smaragden gefunden würden. Es sollten

allerdings keine zusätzlichen Anstrengungen dafür unternommen

Page 105: E-Book Grünes Gold

102

werden, also keine gezielte Suche außerhalb des Feldes stattfinden.

Florian wurde allerdings gestattet, in seiner Freizeit nach Herzens-

lust die Gegend außerhalb des Feldes zu inspizieren.

Page 106: E-Book Grünes Gold

103

Quadrat 65

Es begann eine neue Woche. Es war Montag. Fünf Tage noch bis

zum nächsten Projektstatusbericht. Mit jedem Tag schwand Charlys

Hoffnung, dass er am Freitag einen positiven Bericht abliefern könn-

te. Es mussten Smaragde gefunden werden und zwar so schnell wie

möglich. Günther schaute sich sicherheitshalber nochmal die Karte

von Großvater Keller an, aber es gab keinen Zweifel, die markierte

Stelle war mitten in ihrem Feld. Montag, Dienstag, Mittwoch gab es

keine Ergebnisse. Der Donnerstag kam. Sie hatten bisher stets ge-

nau nach Günthers Plan gearbeitet: jeden Tag 5 Quadrate. Für Don-

nerstag standen also die Quadrate 65-70 an. Charly hatte am Mor-

gen die Oberfläche des Quadrats 65 abgesucht und war nun mit

Anton dabei in tieferen Schichten zu suchen. Es war sehr mühsam,

da sie nahezu puren Fels als Untergrund hatten. Charly hatte bereits

in den letzten Tagen immer mal wieder unter Anleitung mit dem

Presslufthammer gearbeitet. So war er auch an diesem Morgen

damit beschäftigt, sich durch den Stein zu hämmern. Es war müh-

sam. Nur langsam, Stück für Stück, lösten sich die einzelnen Splitter

vom Fels und sprangen zur Seite. Es war gegen 11 Uhr als Charly

plötzlich auf weicheres Gestein traf. Er traf auf eine Schicht grau-

silbrigen Glimmerschiefers. Vorsichtig befreite er die Glimmerschie-

ferschicht vom übrigen Gestein. Er hatte mittlerweile eine Fläche

von ca. 1 m² reinen Glimmerschiefers vor sich, als er damit begann,

den Schiefer mit einer Brechstange in Stücke zu spalten. Er hob das

erste größere Stück vom Boden auf und drehte es um: Drei grüne,

sechseckige Stifte steckten im Schiefer. Er hob sie ans Licht. Sie

leuchteten! Sie leuchteten wie ein grünes Feuer. Er hatte das grüne

Gold gefunden. Charly ließ einen Schrei los. Alle eilten zu ihm und

wollten sehen, was passiert war. Jeder wollte die Steine mal selbst

ans Licht halten. Sie waren alle außer sich vor Glück, sie tanzten,

Page 107: E-Book Grünes Gold

104

lagen sich in den Armen und Giulia gab Charly vor lauter Freude

einen Kuss auf die Backe. Heute war ein Feiertag und Charly war der

Held. Florian und Moritz standen am Rand von Charlys Grube und

grölten ihr frisch improvisiertes Liedchen ins Tal: „Das ist die perfek-

te Stelle, das ist der perfekte Tag…“

An diesem Donnerstag wurde nur ein Quadrat bearbeitet: Quadrat

65. Sie drehten jeden Stein um, sie gruben bis zu 2 Meter in die

Tiefe und siebten jede Schaufel, die dieses Quadrat verließ. Am

Ende des Tages hatten sie zusätzlich zu Charlys Edelsteinen 14 wei-

tere Smaragde, einer schöner als der andere.

Am nächsten Morgen, es war der 1. April, ging Charly sofort zu Bau-

er Alois um seinen Bericht zu verschicken. Es waren gute Nachrich-

ten, die er überbringen konnte. Er berichtete über die am Vortag

gefundenen Smaragde und auch über den gefundenen Aquamarin.

Anschließend ging er einkaufen und auf dem Rückweg schaute er

nochmal bei Alois vorbei. Herr Goldbart hatte in der Zwischenzeit

angerufen und um Rückruf gebeten. Das Ergebnis des Telefonats:

Goldbart, Fuchs und Schleifer wollten gerne am Samstag zu Besuch

kommen.

Samstagnachmittag gegen 15:00 Uhr kamen Herr Goldbart, Frau

Schleifer und Herr Fuchs das Tal hinaufgewandert. Frau Schleifer

hatte Kuchen dabei und Herr Fuchs sein schon bekanntes kleines

Köfferchen. Während Herr Fuchs mit Günther die Steine prüfte,

wollten die anderen erst einmal Quadrat 65 besichtigen. Nach 5

Minuten gesellte sich Herr Fuchs ebenfalls zu ihnen. Die fragenden

Blicke von Frau Schleifer und Herrn Goldbart erwiderte er lediglich

mit einem Brummen und leichten Nicken.

Bei Kaffee und Kuchen kamen sie nochmals auf den Aquamarin zu

sprechen. Frau Schleifer drängte darauf, man möge doch ebenfalls

Page 108: E-Book Grünes Gold

105

den Fundort dieses Steines etwas näher betrachten. Charly erwider-

te, dass dies aber bisher so nicht im Plan vorgesehen war und es

sich somit definitiv um eine Änderung des Umfangs handelte, er

also in einem solchen Falle zusätzlich Geld und Zeit benötigte. Man

einigte sich darauf, dass Charly eine Woche und 10.000€ für eine

Untersuchung der Aquamarinfundstelle zusätzlich bekommen soll-

te. Nachdem Frau Schleifer die Steine ebenfalls untersucht und

abgenommen hatte, fand die Übergabe der gesammelten Schätze

statt und die Besucher machten sich auf den Weg nach Hause. An-

schließend notierte sich Charly die Regelungen zu diesem Ände-

rungsantrag in seinem Tagebuch und passte seinen Phasenplan und

den Projektplan dementsprechend an.

Page 109: E-Book Grünes Gold

106

Phasenende

Die verbleibenden zwei Wochen konzentrierte man sich zuerst auf

das Gelände um Quadrat 65. Auch außerhalb ihres Feldes, am Ran-

de von Charlys Quadrat, fand man noch einige schöne Steine. In der

letzten Woche stand dann die Aquamarinfundstelle auf dem Plan.

Es war mittlerweile Donnerstag, der 14. April. Am Freitag sollte die

nächste Lenkungsausschusssitzung stattfinden. Das Resultat, das sie

bisher vorweisen konnten: 32 Smaragde, 3 Aquamarinsteine, Kar-

tenmaterial und Bodenproben, jeweils für den Fundort Nr. 1 und Nr.

2.

Günther sah keinen Sinn mehr darin, noch weitere Tage an diesem

Ort zu verbringen. Ohne größere Maschinen könne man hier nichts

Sinnvolles mehr erreichen. Sie beschlossen die Heimreise. Sie pack-

ten ihre Sachen zusammen, übergaben Max die Verantwortung fürs

Camp und machten sich auf den Weg hinunter ins Tal. Charly, Flo-

rian und Giulia im weißen Passat und Günther mit den anderen in

seinem blauen Ford, fuhren zurück nach Wien. Charly hatte in der

letzten Woche bereits damit begonnen die nächste Phase zu pla-

nen. Er war mit Günther und Max zum 800 Meter entfernten 2.

Fundort gegangen, um eine Schätzung von ihnen zu bekommen,

was den Aufwand betraf. Sie kamen auf 3 Wochen und eine Summe

von 35.000€. Möglicher Starttermin sollte der kommende Dienstag

sein.

Während Charly also am Freitag in der Lenkungsausschusssitzung

saß, waren die anderen damit beschäftigt, ihre Wäsche zu waschen

und ihre Familien zu besuchen. Das Ergebnis der Sitzung war ein-

deutig: weitermachen so schnell wie möglich! Noch am selben

Abend ging Charly zu seiner Pizzeria. Giulia war ebenfalls da und sie

setzte sich kurz zu ihm. Ihr war anzusehen, dass ihr nicht ganz wohl

Page 110: E-Book Grünes Gold

107

dabei war, sich vor ihren Eltern mit einem fremden Mann zu unter-

halten. Aber sie war einfach zu neugierig. Sie wollte unbedingt wis-

sen, ob es weiterging.

Page 111: E-Book Grünes Gold

108

Fundort 2

Am 19. April, es war Dienstagmorgen gegen 7:30 Uhr, zogen sie

wieder los in die Berge. Der zweite Fundort gestaltete sich als einfa-

cher zu durchsuchen, da es weniger massiver Fels, als vielmehr eine

Geröllhalde war. Sie hatten schon am ersten Tag Erfolg und fanden

in den folgenden drei Wochen insgesamt 20 Smaragde.

In der letzten Woche ging Charly mehrmals zu Bauer Alois. Er berei-

tete sich innerlich darauf vor, dass er bald wieder in seine alten

Projekte zurückgehen würde und er hatte eine kleine Streitigkeit

mit Herrn Fuchs und Frau Schleifer zu klären. Sie bestätigten ihm

zwar, dass die gefundenen Steine den Qualitätskriterien entsprä-

chen, allerdings nicht den erwarteten Nutzen erbringen würden.

Charly müsse statt der ursprünglich geforderten 40 mindestens 70

solcher Steine finden, um die 100.000€ erwarteten Nutzen zu schaf-

fen. Charly machte das ganz schön zu schaffen, hatten sie doch das

geforderte Maß schon überschritten. Sie hatten 52 Smaragde und 3

Aquamarinsteine und alle genau in der geforderten Qualität. Ihm

war einfach nicht klar, was er falsch gemacht hatte. Er holte sich Rat

bei James. Er bat ihn darum, in diesem Konflikt zu vermitteln und

ihm außerdem Tipps für den Abschluss des Projektes zu geben.

James‘ Antwort darauf: „Du hast einen sehr guten Job gemacht

Charly. Du hast genau die Qualität und den Umfang geliefert, wie es

gefordert war. Du hast dich an die Zeit- und an die Kostenvorgaben

gehalten und die Risiken hattest du auch im Griff. Was den Nutzen

betrifft, so trägst du hierfür keine direkte Verantwortung. Den Nut-

zen erzielt man, indem man den Output des Projektes weiterverar-

beitet, anwendet. Hierdurch entsteht erst mal eine Veränderung,

man hat ein erstes Ergebnis. Und wenn dieses Ergebnis zu einer

messbaren positiven Größe wird, dann sprechen wir von einem

Page 112: E-Book Grünes Gold

109

Nutzen. Zum Beispiel wird ein Ergebnis sein, dass die Steine weiter-

verarbeitet und zum Verkauf angeboten werden können. Der er-

wartete Nutzen daraus liegt bei 100.000€. Außerdem könnte ein

weiteres Ergebnis sein, dass Herr Keller aufgrund der belastbaren

Informationen, die er nun hat, entscheiden kann ob es sich lohnt

eine Mine aufzubauen. Als erwarteter Nutzen darf hier ein Teil der

zukünftigen Gewinne einer aufgebauten Smaragdmine angerechnet

werden. Die Verantwortung für den Nutzen trägst allerdings nicht

du als Projektmanager, sondern Frau Schleifer und Herr Goldbart.

Frau Schleifer hat definiert, wie ein einzelner Stein beschaffen sein

muss, um schließlich die erwarteten 100.000€ als Nutzen in der

Summe zu erreichen. Sie hat hier offensichtlich einen Fehler ge-

macht und Herr Goldbart trägt die Gesamtverantwortung für dieses

Projekt und somit auch für den Nutzen. Ich werde morgen mit Herrn

Goldbart telefonieren und ihm die Sachlage dazu erläutern. Keine

Sorge, das kriegen wir hin.

Was deine Frage bezüglich des Abschlusses betrifft, so gilt Folgen-

des: du befindest dich mittlerweile im Prozess Abschließen eines

Projektes. In diesem Prozess empfiehlt PRINCE2 die folgende Rei-

henfolge einzuhalten:

1. Planmäßigen Abschluss vorbereiten: Du prüfst, ob wirklich al-

les Geforderte für dieses Projekt erledigt wurde.

2. Produkte übergeben: Wenn ich mich richtig erinnere, so be-

kommt Frau Schleifer alle Steine. Das Kartenmaterial und die

Bodenproben - da schaust du nochmal in den jeweiligen Pro-

duktbeschreibung nach, wer hier der Abnahmeberechtigte ist.

3. Projekt bewerten: Wie gut war eure Leistung? Und wie gut

war das methodische Vorgehen? Was waren deine Erfahrun-

gen?

Page 113: E-Book Grünes Gold

110

4. Projektabschluss empfehlen: Erstelle einen Projektabschluss-

bericht, schaue in der Kommunikationsmanagementstrategie,

wer diesen Bericht bekommen sollte und erstelle einen Ent-

wurf für den Lenkungsausschuss, wie dieser den Abschluss des

Projektes im Unternehmen bekanntgeben sollte.

Das war’s dann auch schon für dich. Nun musst du warten, ob der

Lenkungsausschuss damit einverstanden ist, das Projekt zu schlie-

ßen.

Als ersten Anhaltspunkt für deinen Abschlussbericht habe ich dir

eine Datei angehängt. Schau mal rein und passe sie deinen Wün-

schen entsprechend an. Wenn dir also noch etwas Zusätzliches

einfällt oder du etwas Überflüssiges entdeckst, nur zu! Ach, bevor

ich es vergesse: Herr Goldbart hat mit deinem Abteilungsleiter ge-

sprochen. Du darfst eine 2-tägige PRINCE2 Schulung bei uns ma-

chen. Wenn du magst, schon nächste Woche am Mittwoch. Ich

werde diese Schulung selbst halten und würde mich freuen wenn

du dabei bist! Falls der Termin nicht klappen sollte, schau mal auf

unserer Internetseite4, welcher Termin für dich passt.

Im Anhang der E-Mail fand Charly eine Datei mit dem folgenden

Inhalt:

4 www.gruenes-gold.copargo.de -- Kalender

Page 114: E-Book Grünes Gold

111

Projektabschlussbericht

Bericht des Projektmanagers:

Zusammenfassung für das Management

Bewertung des Business Case:

Ist der Business Case aufgegangen? Wurde bisher bereits ein Nutzen erzielt? Gab es Abweichungen beim Business Case?

Bewertung der Projektziele:

Wie gut wurden die Ziele erreicht? (Kosten, Zeit, Umfang, Risiko, Nutzen & Qualität) Und wenn du das Projektmanagement be-trachtest, was würdest du nächstes Mal anders machen?

Bewertung der Leistung des Teams:

Wie war die Zusammenarbeit mit Max und Günther?

Bewertung der Produkte:

Einschätzung der Verwendbarkeit für erwar-teten Nutzen. Z.B.: können die Steine wei-terverarbeitet werden?

Qualitäts-dokumentation:

Wie sind die Prüfungen & Tests verlaufen?

Produktabnahme-dokumentation:

Welche Produkte wurden abgenommen?

Spezifikations-abweichungen:

Gab es Beanstandungen, Mängel?

Übergabe des Projektend-produkts:

Finale Übergabe erfolgt? Wer? Wann?

Zusammenstellung aller Empfehlun-gen für Folgeakti-onen:

Offene Punkte und Risiken: Geh zum Len-kungsausschuss und erfrage, wer die Ver-antwortung für welchen ausstehenden Punkt übernehmen kann. Dein Ziel muss hier sein, die gesamte Verantwortung für dieses Projekte abzugeben.

Erfahrungsbericht: Was war gut & was war schlecht? Was sollte an wen weitergegeben werden? Das gilt für die fachlichen Aspekte des Projektes wie für die methodischen Erfahrungen.

Page 115: E-Book Grünes Gold

112

Charly verstand an dieser Stelle, dass er den Bericht erst nach der

Rückkehr nach Wien würde abschicken können, da die vollständige

Abnahme noch nicht erfolgt war.

Es kam der letzte Tag im Camp. Es war der 11. Mai und sie waren

mittlerweile volle drei Wochen am 2. Fundort zugange gewesen.

Das gesamte Werkzeug hatten sie bereits in Kisten verstaut, die

Zelte waren abgebaut und Max wartete nur noch auf den Hub-

schrauber. Man hatte sich darauf geeinigt, dass Max den Rücktrans-

port der Werkzeuge und Gesteinsproben nach Wien regeln würde

und Günther mit seinem Team so nur noch mit privatem Gepäck

reisen musste. Er war merkwürdig, dieser letzte Tag. Schon beim

Frühstück fiel auf, dass kaum jemand redete oder alberte. Gegen

Mittag verabschiedete man sich dann von Max, bedankte sich für

die gute Zusammenarbeit und machte sich auf den Weg ins Tal. Es

wurde geschwiegen. Moritz, der sonst keine Minute ruhig sein

konnte, hatte nichts mehr zu sagen und Giulia, die sonst ebenfalls

gerne ihre Meinung kundtat, verzog sich ans Ende der Schlange und

wollte scheinbar einfach nur alleine sein. Irgendwie war jeder in

Gedanken versunken. Auch Charly wurde nachdenklich: „Was wa-

ren das für Wochen hier oben! Irgendwie war es doch eine coole

Zeit. Schade, dass es vorbei ist.“

Sie kamen bei ihren Autos an, sprachen noch ein paar Worte mit

Bauer Alois und verstauten ihre Sachen im Auto. Florian legte sich

auf Charlys Rückbank und döste. Giulia band einen kleinen grünen

Stofffetzen an Charlys Autoantenne und setzte sich neben Charly

auf den Beifahrersitz. Sie fuhren los. Charly legte seine Lieblings-CD

ein und es ertönte das Lied Tagtraum von Schiller. Das grüne Fähn-

chen zappelte im Wind. Giulia streckte ihre Hand aus dem Fenster

Page 116: E-Book Grünes Gold

113

und atmete die frische Frühlingsluft ein. Charlys Projekt war erfolg-

reich.

Für den nächsten Morgen hatte Charly einen Termin mit Frau

Schleifer und Herrn Goldbart vereinbart. Sie waren bereit das Pro-

jekt als Ganzes abzunehmen. Am späten Nachmittag fand dann

schließlich die letzte Sitzung des Lenkungsausschuss statt. Neben

dem Aufnehmen wichtiger Erfahrungen, die in diesem Projekt ge-

sammelt werden konnten und der Präsentation des Projektab-

schlussberichtes (Charly hatte ihn am Vorabend bereits per E-Mail

verschickt) wurde das Projekt offiziell für beendet erklärt und Charly

von all seinen Aufgaben in diesem Projekt befreit. Die noch ausste-

henden Offenen Punkte / Arbeiten (Reinigung der Werkzeuge und

Rückgabe des ausgeliehenen Presslufthammers) wurden nach Rück-

sprache mit Frau Schleifer von ihrem Team übernommen (Empfeh-

lungen für Folgeaktionen). Am Abend kamen dann Max & Günther

mit seinen Studenten dazu, um auch von ihrer Seite nochmal die

Lessons Learned zu erfahren und aufzunehmen. Herr Goldbart hielt

zum Abschluss noch eine kurze Rede. Er war sichtlich zufrieden mit

dem Projekt, zumal er bereits von Herrn Keller erfahren hatte, dass

die Chancen derzeit sehr gut stünden, dass es bald eine Mine im

Habachtal geben würde. Er bedankte sich bei Charly, seinem Men-

tor James, den fleißigen Studenten und Max für ihren erfolgreichen

Einsatz. Anschließend machte Herr Goldbart den Vorschlag noch am

gleichen Abend eine spontane Feier zu veranstalten. Allerdings

wisse er nicht, ob er so schnell ein geeignetes Lokal finden könne.

Dieses Problem löste Giulia und so feierten sie bis in die Morgen-

stunden in der Pizzeria ihrer Eltern den erfolgreichen Projektab-

schluss.

Page 117: E-Book Grünes Gold

114

Charly in Frankfurt

Liebe Leserin, lieber Leser,

mittlerweile sind schon einige Jahre vergangen, seit mein Kollege

James die Firma Keller GmbH und den Projektmanager Charly bei

ihrem Projekt im Habachtal betreut hatte. Es ist viel passiert in der

Zwischenzeit: Die Keller GmbH ist mittlerweile zu einem florieren-

den Unternehmen mit weltweit über 500 festen und mindestens

doppelt so vielen temporären Mitarbeitern angewachsen. Aktuell

laufen verschiedenste Projekte in Südafrika, Kolumbien und Brasi-

len. Dieses Mal geht es um Diamanten und ein erstes Experiment

mit Gold. Aus der einstmals verstaubten Edelsteinschleiferei ist ein

Imperium für den Abbau und die Verarbeitung von Edelsteinen

geworden.

James war im gleichen Sommer noch etliche Male in Wien gewesen.

Herr Keller war derart überzeugt von seiner Arbeit, dass er ihn ge-

beten hatte, mit seinen Kollegen gemeinsam die komplette Projekt-

landschaft der Keller GmbH auf ein neues Niveau zu heben. Bei

diesem Projekt brachte James vier weitere Kollegen mit. Das Team

bestand somit aus:

James PRINCE – der Profi für’s Projektmanagement

Samantha MSP® – Spezialistin für Programme, strategische

Großprojekte & Transformational Change! 5

Phil MoP™ – Er ist das Genie für Portfoliomanagement –

welche Projekte sind die wichtigsten für Sie? Er weiß die

Antwort darauf.

5 MSP®, MoP™ and P3O® are registered trade marks of the Cabinet Office

in the United Kingdom and other countries

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115

Marion P3O® – unser Talent für Portfolio, Programm- und

Projekt-Offices.

Jack Scan – er sagt Ihnen, wo Sie mit Ihrem Projektmana-

gement heute stehen und wohin Sie in Zukunft gehen soll-

ten.

Herr Phil MoP übernahm von unserer Seite die Leitung für dieses

Vorhaben. In enger Zusammenarbeit mit Herrn Keller entrümpelte

er im ersten Schritt die Projektlandschaft. Von den ursprünglich 152

identifizierten Projekten entpuppten sich

80 Initiativen, die als einfache Aufgaben ohne den kom-

pletten Aufbau eines Projektmanagements direkt in der Li-

nie geregelt werden konnten. Mehr als die Hälfte dieser

Initiativen wurden allerdings eingefroren, da der Link zur

Unternehmensstrategie nicht erkennbar war.

30 ohne Bezug zur Unternehmensstrategie oder mit einem

negativen Business Case.

32, die zwar wichtig, aber nicht dringend waren.

und nur 10 als besonders wichtige, dringende und loh-

nenswerte Vorhaben.

Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Keller GmbH wurde ein kur-

zes, knackiges Handbuch für das Projektmanagement erstellt. Es

wurden praktikable Tools für die Projektarbeit entwickelt und die

Mitarbeiter darin geschult. Alles basierte auf den vorhandenen

Prozessen der Keller GmbH, den frisch gemachten Erfahrungen von

Charly und den Empfehlungen und Erfahrungen des Beraterteams.

Es hatte sich viel verändert seit jenem Herbst. Die Umstellung war

sicherlich nicht immer leicht gewesen, aber am Ende waren alle

Beteiligten froh, diesen Weg gegangen zu sein. Auf die Frage, wel-

Page 119: E-Book Grünes Gold

116

ches denn die gravierendste Folge dieser Veränderung gewesen sei,

antwortete Charly: „Die Leute haben wieder Spaß an der Projektar-

beit!“

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Diese Frage hatten wir Charly vor drei Monaten gestellt. Er war in

den letzten Jahren des Öfteren bei uns in Frankfurt gewesen und

hatte Kurse zu PRINCE2®, MoP™, MSP® und P3O® besucht. Vor drei

Monaten kam er an einem Samstagmittag erneut zu uns. Dieses Mal

war es allerdings ein anderer Grund, der ihn zu uns führte und au-

ßerdem kam er in Begleitung seiner Freundin. Seine Bitte war:

„Schreib das auf, was wir erlebt haben. Ich möchte, dass andere

verstehen, dass Glück nicht einfach so kommt, sondern, dass man

etwas dafür tun muss. Das gilt fürs Projektmanagement, genauso

wie fürs ganze Leben. Man muss die Dinge in die Hand nehmen,

sonst laufen sie davon. Man muss Rahmenbedingungen schaffen,

damit man sich wohl fühlt – und das gilt gerade auch für Projekte.

Ich möchte, dass alle Welt dies erfährt und daher wünsche ich mir,

dass du mir hilfst, unsere Geschichte aufzuschreiben.“

Diese Frage war ursprünglich an James PRINCE gerichtet. James bat

mich darum, ihn hierbei zu unterstützen. So kam es also, dass wir

beide an diesem Wochenende mit Charly und seiner Freundin zu-

sammen saßen und mit ihnen gemeinsam versuchten, die Geschich-

te dieses Projektes zu rekonstruieren. Wir haben uns anschließend

noch dreimal mit Charly in Wien getroffen. Das letzte Treffen fand

in der Pizzeria Romantica statt. Er wollte uns unbedingt sein Werk

der vergangenen Woche präsentieren: Er hatte die Fassade der

kompletten Pizzeria neu gestrichen.

Das Ergebnis unserer gemeinsamen Treffen halten Sie gerade in

Ihren Händen.

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117

Gründlich, wie Mr. PRINCE nun mal ist, hatte er im Nachgang noch

ein paar Verbesserungsvorschläge für die nächsten Projekte bei der

Keller GmbH. Wir möchten Ihnen diese Anmerkungen natürlich

nicht vorenthalten:

Dieses Projekt ist nicht immer perfekt gelaufen, so hätte

man z.B. den Lenkungsausschuss besser auf seine Aufga-

ben vorbereiten sollen.

Das Habachtal-Projekt war ein sehr kleines Projekt und

somit nur teilweise repräsentativ für ein typisches PRINCE2

Projekt. Bei größeren Projekten braucht man bis zu 26

Werkzeuge, um das Projekt in Zaum zu halten.

Risiken sollten früher betrachtet werden. Diese Aussage

würde sicherlich zum heutigen Zeitpunkt auch von Herrn

Goldbart bestätigt werden!

Prof. Steins Rolle ging im Verlaufe des Projektes etwas un-

ter.

Charly war Teammanager und zugleich Projektmanager

und zusätzlich noch ausführende Kraft gewesen. So eine

Konstellation kann zu Konflikten und schlaflosen Nächten

führen.

Dass Giulia vor Günther die Information von Charly be-

kommen hatte, dass auch der 2. Standort untersucht wird,

hätte zu einem Konflikt führen können. Man sollte also

stets darauf achten, dass ein korrekter Umgang mit den

Steuerungsebenen bzw. Berichtswegen eingehalten wird.

Wurde anschließend eine Smaragdmine im Habachtal gebaut? Wel-

ches waren Charlys Folgeprojekte? Wie hat die Integration von

PRINCE2 bei der Keller GmbH funktioniert und was waren die Stol-

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118

persteine? Was ist eigentlich MoP und MSP? Wie kommt diese

Story bei Ihnen an? Kritik? Weitere Ideen?

Für die Klärung dieser Fragen und für Ihr Feedback freuen wir uns

über eine Rückmeldung per Telefon oder E-Mail:

+49(0)6103 2002 110 oder [email protected]

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine erfolgreiche Schatzsuche

mit PRINCE2!

Ihr Bernhard Armbruster und James PRINCE

Danksagung Wir möchten uns an dieser Stelle bei all denjenigen bedanken, die

uns tatkräftig bei der Erstellung dieses Werkes unterstützt haben:

Jeannette Eggert: Korrektur und inspirierende Vorschläge

Valentina Förderer: Korrektur und Design

Maria Grob: Korrektur

Andreas Ellenberger: fachliche Überprüfung

Oliver Buhr: fachliche Überprüfung und Management der

Publikation

Natalie Ott: Grafik, Struktur, Cover

Alle unsere Kursteilnehmer: Feedback & Motivation