E. J. Waggoner (1893)_Das Evangelium in der Schöpfung

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Ellet Joseph Waggoner (1855-1916): "Das Evangelium in der Schöpfung" (1893)------"Ein Grashalm, der durch eine harte Decke bricht, ja, die ganze Natur spricht von der Kraft Gottes. Anhand der einzelnen Tage des biblischen Schöpfungsberichtes können wir lernen, das Evangelium in der Natur zu sehen."Quelle: http://www.srac.de/index.php?l=de&page=literature&subpage=books&opt=search

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DAS

EVANGELIUM

IN DER SCHÖPFUNG

E.J. WAGGONER

1. Ausgabe1980

Sofern nicht anders vermerkt, sinddie Bibeltexte der revidierten LutherÜbersetzung von 1956 entnommen.

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VORWORT

E.J. Waggoner war ein junger Prediger derSiebenten-Tags-Adventisten. Zusammen mit A.T.Jones ist er durch die Konferenz in Minneapolis1888 bekannt geworden.

Beide hatten eine äußerst wichtige Botschaft zuverkündigen. »In seiner großen Gnade sandte derHerr seinem Volk eine höchst kostbare Botschaftdurch die Prediger Waggoner und Jones.« Testimo-nies to Ministers 91.

Was soll diese Botschaft bewirken? »Wenn derwahre Charakter dieser Botschaft verstanden undin der Geisteskraft verkündigt wird, wird die ganzeErde von der Klarheit erleuchtet werden.« 1888 Ser-mons 58.

Der Gedanke, daß von der Annahme dieser Bot-schaft die Ausgießung des Heiligen Geistes in derFülle abhängt, unterstreicht ihre große Bedeutungfür unsere Zeit.

Das Evangelium in der Schöpfung wurde 1893in London (England) und 1894 in Battle Creek(USA) unter dem Titel The Gospel in Creation ver-öffentlicht. Dieses Buch stellt einen wichtigen Teilder Botschaft dar, die Waggoner verkündigte.

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Die Sonn' ohn' Mühen von Tag zu Tagdie Kraft und Macht ihres Schöpfers sagt.

Und scheint der Abend in Dämmerung,so tut der Mond ihre Botschaft kund;und in der Nacht, dem Ohr, das hört,

es ihren Ursprung die Menschen lehrt.

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DASEVANGELIUM

IN DER SCHÖPFUNG

EINLEITUNG

»Was zuvor geschrieben ist, das ist zu unsererLehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld undden Trost der Schrift die Hoffnung festhalten.«Röm. 15,4. Mit diesen Worten setzt der Geist Got-tes durch den Apostel Paulus dem ganzen Alten Te-stament das Siegel der Bestätigung auf und er-klärt, zu welchem Zweck es geschrieben wurde.

Der Grund, warum wir im Alten TestamentHoffnung und Erquickung finden, wird von Chri-stus sehr klar in seiner Antwort an die Juden offen-bart, in der er eine göttliche Bestätigung des AltenTestamentes und besonders der Schriften Mosesgibt: »Ihr suchet in der Schrift; denn ihr meinet, ihrhabt das ewige Leben darin; und sie ist es, die von

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mir zeuget.« »Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtetihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben.Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubet, wiewerdet ihr meinen Worten glauben?« Joh.5,39.46.47. Wir können Trost und Hoffnung in denBüchern der Schrift finden, weil Christus in ihnenverborgen ist.

Der Geist des Alten Testamentes ist der GeistChristi. Wir lesen von den alten Propheten, daß sieforschten, »worauf oder auf was für eine Zeit derGeist Christi deutete, der in ihnen war und zuvorbezeugt hat die Leiden, die über Christus kommensollten, und die Herrlichkeit danach.« l.Petr. 1,11.

Wir finden auch im Alten Testament das Evan-gelium. In l.Petr. 1,12 lesen wir: »Ihnen ist offen-bart worden, daß sie nicht sich selbst, sondern euchdienten mit dem, was euch nun verkündigt istdurch die, so euch das Evangelium verkündigt ha-ben durch den heiligen Geist, der vom Himmel ge-sandt ist.« Das heißt, die Propheten — unter ihnenMose — brachten dasselbe, was von den Apostelngepredigt wurde, nämlich das Evangelium. Dasganze Evangelium Gottes spricht »von seinemSohn Jesus Christus, unsrem Herrn«. Röm. 1,1-3.Hätten die Juden Mose wirklich geglaubt, dannwürden sie notwendigerweise auch an Christus ge-glaubt haben, denn Mose schrieb über Christus undfolglich über das Evangelium.

Das erste, was Mose durch die Eingebung desGeistes Gottes schrieb, war der Schöpfungsbericht.Dieser gehört zu den Dingen, die uns Hoffnung und

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Trost vermitteln. Warum? Weil dieser Bericht dasEvangelium enthält. Wir wollen diese Tatsache mitein paar Worten begründen, ehe wir das Thema imeinzelnen studieren.

»Ich schäme mich des Evangeliums von Chri-stus nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die da se-lig macht alle, die daran glauben.« Röm. 1,16. DieErklärung des Apostels ist allen geläufig, denendas Evangelium einmal gepredigt wurde. DasEvangelium ist eine Offenbarung der Kraft Gottes,die zur Rettung von Menschen wirkt. Diesen Ge-danken behandelt auch der Apostel Petrus, wenn ersagt, daß im Himmel ein Erbe aufbewahrt wird fürdie, »die aus Gottes Macht durch den Glauben be-wahrt werden zur Seligkeit.« l.Petr. 1,4.5.

Mit welchem Maßstab kann man aber dieMacht Gottes messen? Wo kann man sie in greifba-rer Form sehen? Im Brief an die Römer heißt es,daß seit Erschaffung der Welt das unsichtbare We-sen Gottes, sowohl seine ewige Kraft als auch seineGöttlichkeit, in den Dingen, die er gemacht hat,sichtbar ist (Röm. 1,20). In der Schöpfung alsokann die Kraft Gottes von jedem erkannt werden.Diese Kraft, auf die Erlösung bezogen, ist dasEvangelium. In den Werken der Schöpfung liegtdaher das Evangelium verborgen: »Die Himmel er-zählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigtseiner Hände Werk. Ein Tag sagt's dem ändern,und eine Nacht tut's kund der ändern, ohne Spra-che und ohne Worte; unhörbar ist ihre Stimme. IhrSchall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis andie Enden der Welt.« PS. 19,2-5.

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Welche Sprache ein Mensch auch spricht, dieSprache, in der die Himmel reden, kann jeder ver-stehen. Ihre Botschaft ist viel leichter zu verstehen,als wenn sie in Worten vernehmbar wäre; denn dieMenschen haben nicht alle die gleiche Sprache,doch alle, die Verstand haben, können die einfacheSprache der Werke Gottes erfassen.

Des Firmaments mächtige, räumige Höhn,die Dunkel der Nacht im Morgen vergehn,des Himmels Erstrahlen in gleißendem Licht,sie künden den Ursprung, der schuf aus dem Nichts.Die Sonn' ohn' Mühen ersteht und versinkt,und Lob und Preis ihrem Schöpfer erklingt.Sie weitet, sie strahlet, sie schaffet den Tag,daß jeder erkenne den Herrn, der so stark.

Und längen sich Schatten in Späte des Laufs,steigt weisend und leuchtend der Mond still hinauf,erinnert in Nächten den, der es vernimmt:Der Schöpfer, er herrschet, wenn Sonn' auch versinkt.Und Sterne, sie funkeln, umkränzen die Nacht,Planeten, sie laufen in Bahnen so sacht,sie sind, und sie zeugen, ein jeder für sich,und streuen die Botschaft zur Erd' durch ihr Licht.

Welch feierlich' Stille im weitenden All;kein Tönen und Rufen bei all ihrer Zahl!Warum keine Stimme, die weiset auf sich?Was zeugen nur Leuchten und Strahlen des Lichts?Ist's Ohr dir geöffnet, so kannst du es hören,wie freudig bezeugend in vielstimmig' Chörensie singen und singen ohn' Ende und fort:Der Herr, der uns machte, er, er ist Gott!

Das Evangelium ist die Kraft Gottes, und dieKraft Gottes wird in den Dingen, die er geschaffen

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9hat, offenbar; daher spricht der Psalmist von demEvangelium, das die Himmel lehren. Das zeigt auchder Apostel Paulus: »Wie denn geschrieben steht(Jes. 52,7): > Wie lieblich sind die Füße derer, die gu-te Botschaft verkündigen! < Aber sie sind nicht al-le der guten Botschaft gehorsam. Denn Jesajaspricht (Jes. 53,1): > Herr, wer glaubt unsrem Predi-gen? < So kommt der Glaube aus der Predigt, dasPredigen aber durch das Wort Christi. Ich sageaber: Haben sie es nicht gehört? Wohl, es ist ja > inalle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bisan der Welt Ende < (Ps. 19,5).« Röm. 10,15-18. DerApostel spricht hier über das Evangelium, dem, wieer sagt, nicht alle gehorcht haben. Dann erklärt er,daß es aber alle gehört haben, und als Beweis dafürzitiert er Psalm 19, Vers 5: »Ihr Schall geht aus inalle Lande und ihr Reden bis an die Enden derWelt.« Worüber »reden« sie? Über das Evangeliumnatürlich. Damit haben wir die klare Aussage, daßdie Himmel das Evangelium predigen. Keiner istein so großer Analphabet, daß er das Evangeliumnicht lesen könnte; keiner ist so taub und so weitab-gewandt, daß er die Predigt des Evangeliums nichtvernehmen könnte. Das wird sich im Verlauf dieserBetrachtung deutlich herausstellen.

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DER ERSTE TAG

SCHÖPFUNG UND ERLÖSUNG

»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.«l.Mose 1,1. Dieser kurze Satz birgt die ganze Wahr-heit des Evangeliums in sich. Dem, der das rechtliest, eröffnet sich eine ganze Welt des Trostes.

Zuerst wollen wir einmal sehen, wer Himmelund Erde schuf. »Gott schuf.« Christus ist Gott. Erist der Glanz aller Herrlichkeit des Vaters und dasEbenbild seines Wesens (Hebr. 1,3). Er sagteselbst: »Ich und der Vater sind eins.« Joh. 10,30. Erwar es, der als Repräsentant des Vaters Himmelund Erde schuf. »Im Anfang war das Wort, und dasWort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dassel-be war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durchdasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts ge-macht, was gemacht ist.« Joh. 1,1-3. Und wieder le-sen wir von Christus: »Denn in ihm ist alles ge-schaffen, was im Himmel und auf Erden ist, dasSichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oderHerrschaften oder Reiche oder Gewalten; es ist al-les durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vorallem, und es besteht alles in ihm.« Kol. 1,16.17.

Der Vater selbst spricht den Sohn als Gott undSchöpfer an. In Hebräer l steht, daß Gott zu keinerZeit einen Engel so angeredet hat: »Du bist mein

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11Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Es heißt »vondem Sohn (Ps. 45,7.8): > Gott, dein Thron währt vonEwigkeit zu Ewigkeit <, und: > Das Zepter der Ge-rechtigkeit ist seines Reiches Zepter . . . < Und (Ps.102,26-28): > Du, Herr, hast im Anfang die Erde ge-gründet, und die Himmel sind deiner HändeWerk. <« Hebr. 1,5.8.10. Wir können daher sichersein, daß sich die Worte im ersten Buch Mose »AmAnfang schuf Gott Himmel und Erde« auf Gott inChristus beziehen.

Schöpferische Kraft ist das Erkennungsmerk-mal der Gottheit. Der Geist Gottes beschreibtdurch den Propheten Jeremia die Nichtigkeit derGötzen und fährt dann fort: »Aber der Herr ist derwahrhaftige Gott, der lebendige Gott, der ewigeKönig. Vor seinem Zorn bebt die Erde, und die Völ-ker können sein Drohen nicht ertragen. So sagt nunzu ihnen: Die Götter, die Himmel und Erde nichtgemacht haben, müssen vertilgt werden von der Er-de und unter dem Himmel. Er aber hat die Erdedurch seine Kraft gemacht und den Erdkreis berei-tet durch seine Weisheit und den Himmel ausge-breitet durch seinen Verstand.« Jer. 10,10-12. DieErde wurde durch seine Macht geschaffen unddurch seine Weisheit befestigt. Aber Christus ist»die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes«. l.Kor.1,24 King James. So finden wir auch hier wiederChristus untrennbar mit der Schöpfung verbunden,und zwar als Schöpfer. Nur wenn wir Christus alsSchöpfer anerkennen und anbeten, erkennen wirseine Gottheit an.

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Durch seine Macht als Schöpfer ist Christus Er-löser. Wir lesen, daß wir in ihm »die Erlösung ha-ben, nämlich die Vergebung der Sünden . . . Denn inihm ist alles geschaffen.« Kol. 1,14.16. Wenn erkein Schöpfer wäre, könnte er kein Erlöser sein.Das heißt einfach, daß die erlösende Kraft dieselbeist wie die schöpferische Kraft. Erlösen ist Schaf-fen. So spricht der Apostel davon, daß das Evange-lium die Kraft Gottes zur Errettung ist, und dieserAussage folgt sofort die, daß die Kraft Gottes anden Dingen gesehen wird, die er gemacht hat (Röm.1,16-20). Wenn wir die Werke der Schöpfung be-trachten und die Macht, die sich in ihnen offenbart,dann betrachten wir die Macht der Erlösung.

Man hat schon viel darüber spekuliert, waswohl größer ist, die Erlösung oder die Schöpfung.Viele haben geglaubt, daß die Erlösung größer seials die Schöpfung. Solche Spekulationen sind un-nütz, denn beides konnte nur durch die unendlicheKraft Gottes vollbracht werden. Diese Kraft kannnicht mit menschlichem Geist gemessen werden.Doch obwohl wir sie nicht messen können, könnenwir die Frage, welches größer ist, anhand derSchrift leicht beantworten. Keines von beiden istgrößer; es ist beides gleich. Erlösung ist Schöp-fung. Die Erlösung ist dieselbe Kraft, die am An-fang zur Erschaffung der Welt tätig war. Sie ist die-selbe, die heute Menschen rettet und die Erde vomFluch der Sünde befreit.

Darüber drückt sich die Schrift sehr deutlichaus. Der Psalmist betet: »Schaffe in mir, Gott, ein

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13reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigenGeist.« PS. 51,12. Der Apostel sagt: »Darum, ist je-mand in Christus, so ist er eine neue Kreatur (Elber-felder: neue Schöpfung}.« 2.Kor. 5,17. »Denn ausGnade seid ihr gerettet worden durch den Glauben,und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nichtaus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme.Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Je-sus zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitethat, daß wir darin wandeln sollen.« Eph. 2,8-10.

Verglichen mit Gott sind die Menschen »wienichts und gelten ihm als nichtig und eitel«, in ih-nen »wohnt nichts Gutes«. Jes. 40,17; Röm. 7,18.Aber dieselbe Kraft, die zu Anfang die Erde er-schuf, nimmt den Menschen, der willig ist, undschafft aus ihm etwas »zum Lob seiner herrlichenGnade«. Eph. 1,6.

DAS SCHÖPFERISCHE WORT

Nachdem wir festgestellt haben, daß Christusdas Wort und der Schöpfer aller Dinge ist und daßer durch seine schöpferische Macht erlöst, wollenwir sehen, was die Bibel darüber sagt, wie er schuf.Hier ist die Antwort: »Der Himmel ist durch dasWort des Herrn gemacht und all sein Heer durchden Hauch seines Mundes. Er hält die Wasser desMeeres zusammen wie in einem Schlauch und sam-melt in Kammern die Fluten. Alle Welt fürchte denHerrn, und vor ihm scheue sich alles, was auf demErdboden wohnet. Denn wenn er spricht, so ge-

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14schieht's; wenn er gebietet, so steht's da.« PS. 33,6-9. Das ist sehr einfach und gerade wegen seinerEinfachheit höchst wunderbar. Da können wir allenur ausrufen: Welch ein Wort!

»Durch den Glauben erkennen wir, daß die Weltdurch Gottes Wort gemacht ist, so daß alles, wasman sieht, aus nichts geworden ist.« Hebr. 11,3.Wie können wir wissen, wie die Welt erschaffenwurde? — Durch Glauben. Der Glaube vermitteltdie Erkenntnis; dies ist die Aufgabe des Glaubens.Die durch den Glauben gewonnene Erkenntnis istnicht vage und ungewiß, nein, sie ist das Gewisse-ste, was es überhaupt gibt. Es gibt in der Tat keinewahre Erkenntnis, die nicht aus dem Glaubenkommt. Alle Erkenntnis anderen Ursprungs istSpekulation. Der Ungläubige betrachtet den Glau-ben als Torheit. Dem Gläubigen aber ist der Glaubeein festes Fundament. Wer glauben möchte, kannauch die Erkenntnis haben.

Die Kenntnis des Alphabets ist die selbstver-ständlichste Sache. Sie ist Grundlage allen Ler-nens. Niemand wird ein Kind belächeln, das dieBuchstaben des Alphabets kennt und auch dann,wenn man ihm widerspricht, im Brustton der Über-zeugung erklärt, daß »>A« eben »A« ist. Das Kindweiß das jedoch nur durch Glauben. Es hat dieseTatsache nie von sich aus untersucht; es hat ein-fach dem Wort des Lehrers geglaubt. Und der Leh-rer mußte das Alphabet auf die gleiche Weise ler-nen — durch Glauben. Keiner hat ihm bewiesen,daß »A« eben »A« ist. Das kann und braucht nie-

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15mand. Wer sich weigert, es einfach zu glauben, unddarauf besteht, daß es ihm bewiesen wird, lernt nieLesen und Schreiben. Erst muß man diese Tatsachein Glauben annehmen, danach beweist sie sich in al-len Situationen als wahr. Von nichts sind Menschenüberzeugter als von der Richtigkeit der Buchstabendes Alphabets. Es gibt jedoch keine Überzeugung,die mehr Glauben verlangt als diese.

Wie nun das Kind das Alphabet lernt, lernenwir die Wahrheit von Gott. Wer das Reich Gottesempfangen will, muß es wie ein kleines Kind emp-fangen. Durch den Glauben lernen wir Jesus Chri-stus kennen, der das Alpha und das Omega ist —das gesamte Alphabet Gottes. Wer an die einfacheBibelaussage über die Schöpfung glaubt, kann mitSicherheit wissen, daß Gott durch die Kraft seinesWortes Himmel und Erde geschaffen hat. Die Tat-sache, daß der Ungläubige dies bezweifelt oder fürTorheit hält, ändert nichts an der Erkenntnis desGläubigen und beweist auch nicht eine Unrichtig-keit seines Wissens, genausowenig wie unsereKenntnis des Alphabets dadurch erschüttert oderwiderlegt wird, daß ein anderer es nicht kennt.

»Der Himmel ist durch das Wort des Herrn ge-macht und all sein Heer durch den Hauch seinesMundes.« Im Mai 1891 wurde in dem amerikani-schen Magazin Century eine schöne Beschreibungder sogenannten Stimmbilder herausgegeben. DerArtikel hieß: »Sichtbare Töne«. Frau Watts Hug-hes hatte eine einfache Methode angewandt, um dieIntensität der Stimmlaute zu testen. Sie hatte eine

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16elastische Membran über das Mundstück einesVerstärkers gespannt, auf die die Stimme mit Hilfeeines Schalltrichters übertragen wurde. Auf dieMembran war Sand oder feiner Puder gestreut. Siefand heraus, daß beim Singen in den Schalltrichterder Puder sanft von den Vibrationen der Membranbewegt wurde; die Vibrationen waren auf denSchall der Stimme zurückzuführen, der je nach Hö-he und Intensität des Tones differierte. Das alleswar ja zu erwarten. Das Wunder bestand jedochdarin, daß die Bewegungen mit jedem Moment dieUmrisse irgendeiner Pflanze oder Blume bildeten,manchmal sogar irgendwelcher niedreren Tierfor-men. Etwas Ähnliches erlebt man, wenn man anfrostigen Tagen gegen die Fensterscheibe haucht.Es wurde festgestellt, daß trockenes Pulver dieForm nicht behielt, sobald die Vibrationen derStimme aufhörten. So half man sich damit, das Pul-ver leicht anzufeuchten; nun konnten die verschie-denen Formen festgehalten und fotografiert wer-den. Muster* dieser Stimmformen sind auf Seite 16wiedergegeben.

Das zeigt, daß der Atem aus den Lungen dieForm von Lebewesen trägt. Das brachte die Sänge-rin auf einen Gedanken, den sie so ausdrückte:»Wenn ich meinen kurzen Entwurf der Stimmfigu-ren, wie ich sie beobachten konnte, nun beschließe,

* Freundlicherweise von Herrn Viney vom Verlagshaus Hazell, Watson& Viney zur Verfügung gestellt. Herr Viney hat großes Interesse an derProduktion von Stimmbildern gezeigt.

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18dann muß ich hinzufügen, daß ich meine Experi-mente als Sängerin gemacht habe; das Instrumentin diesen Versuchen war meine eigene Stimme. Ichmuß es anderen, die mit den Naturwissenschaftenvertrauter sind, überlassen, diese Erscheinungenmit Tatsachen und Gesetzen in Übereinstimmungzu bringen, die schon bekannt sind. Im Verlauf die-ser Untersuchungen stellten sich mir immer neueFragen, so daß ich am Ende vor einem Geheimnisstehe, dessen Erklärung mir zum größten Teil ver-borgen bleibt, auch wenn ich ein wenig Einblick ge-wonnen habe.

Ich muß sagen, daß — während ich so Tag fürTag durch meinen Gesang diese merkwürdigen For-men hervorbrachte und im Freien ringsumher dielebende Parallele in den Blumen, Farnen und Bäu-men sah und sie mit den kleinen Häufchen blumen-artiger Figuren verglich, die sich bildeten und ausdenen Blütenblätter hervorsprossen, ebenso wie inder Natur eine Blüte aus der vollen Knospe kommt— ich zu hoffen begann, daß diese bescheidenen Ex-perimente etwas Licht auf die Entstehung der schö-nen Formen in der Natur werfen und in geringemMaße dazu beitragen könnten, einen anderen Fak-tor in der großen Ordnung des Universums zu be-leuchten, nämlich, daß es, wie uns in der HeiligenSchrift gesagt wird, seine Gestalt durch die Stim-me Gottes annahm.«

Das soll nun kein Beispiel dafür sein, wie derHerr die Erde ins Dasein gerufen hat, denn wir kön-nen nicht bis ins kleinste wissen, wie er es getan

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hat; es soll uns nur helfen, die Tatsache zu verste-hen, daß er es durch das Wort vollbrachte. DerMensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen, hataber selbst keine Schöpferkraft. In seinem Atemkönnen nur die Formen lebendiger Wesen sein; aberin dem Atem Gottes sind nicht nur die Formen,sondern ist das Leben der Dinge selbst. Er ist derlebendige Gott, und in ihm ist »die Quelle des Le-bens«. Das Wort, das Gott spricht und mit dem erirgend etwas bezeichnet, wird augenblicklich zurSubstanz. Was immer Gott ausspricht, die lebendeForm ist in dem Wort enthalten.

In diesem Sinn spricht der Apostel Paulus:»Gott. . . ruft dem, was nicht ist, daß es sei.« Röm.4,17. Das ist ein Merkmal, das nur die Gottheit be-sitzt. Würde ein Mensch etwas, das nicht besteht,rufen, als bestünde es, so wäre das eine Lüge. AberGott tut das, und er kann nicht lügen. Wie ist dasmöglich? Einfach dadurch, daß alles, was er beimNamen ruft und von dem er spricht, daß es seinsoll, schon besteht, selbst wenn es noch nicht sicht-bar ist. Es ist in seinem Wort. Wenn er etwas ruft,das nicht existiert, so existiert es doch in diesemAugenblick, denn das Wort formt es, sobald er esspricht. Wenn er sagt, daß etwas sein soll, dann istdas so sicher, als wäre es schon erschienen. Es be-steht tatsächlich in dem Wort, das Gott gespro-chen hat. Aus diesem Grunde steht so viel der bibli-schen Prophetie in der Zeitform der Vergangenheitgeschrieben, so, als hätte sie sich schon erfüllt. Alsdie Welt geschaffen werden sollte, sprach Gott nur,

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20und sie war da. Sie wurde durch den Hauch seinesMundes gebildet.

Und nun siehe, welch ein festes Fundament derMensch hat, der glaubt und der weiß, daß alle Din-ge durch das Wort Gottes geschaffen wurden unddaß alle Dinge, die Gott spricht, existieren und vol-ler Leben sind. Der Psalmist sagt: »Hören will ich,was Gott der Herr reden wird; denn Frieden wird erreden zu seinem Volke und zu seinen Frommen.«PS. 85,9 Luther rev. 1912. Er spricht Frieden durchdas göttliche Wort, »denn er ist unser Friede«. Eph.2,14. Frieden bedeutet Gerechtigkeit, denn wir le-sen: »Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben;sie werden nicht straucheln.« PS. 119,165. »O daßdu auf meine Gebote gemerkt hättest, so würdedein Friede sein wie ein Wasserstrom und deine Ge-rechtigkeit wie Meereswellen.« Jes. 48,18. WennGott also Frieden spricht, so spricht er Gerechtig-keit. So ist es auch, denn wir lesen: »Nun aber istohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vorGott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz unddie Propheten. Ich rede aber von solcher Gerechtig-keit vor Gott, die da kommt durch den Glauben anJesus Christus zu allen, die da glauben. Denn es isthier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder undmangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben soll-ten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seinerGnade durch die Erlösung, die durch Christus Je-sus geschehen ist. Den hat Gott für den Glaubenhingestellt in seinem Blut als Sühnopfer, damitGott erweise seine Gerechtigkeit. Denn er hat die

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21Sünden vergangener Zeiten getragen in göttlicherGeduld, um nun zu diesen Zeiten seine Gerechtig-keit zu erweisen, auf daß er allein gerecht sei undgerecht mache den, der da ist des Glaubens an Je-sus.« Röm. 3,21-26.

Hier wird ausdrücklich erklärt, daß der Menschkeine Gerechtigkeit hat: »Sie sind alle abgewichenund allesamt untüchtig geworden. Da ist keiner,der Gutes tue, auch nicht einer.« Röm. 3,12.

Der Mensch besitzt in sich nichts aus dem Ge-rechtigkeit kommen kann. Deshalb kommt die Ge-rechtigkeit Gottes buchstäblich in und auf alle, dieglauben. Dann erfüllt sich die Schrift, nämlich, daßsie mit Gerechtigkeit bekleidet und erfüllt sind. Siewerden dann tatsächlich »die Gerechtigkeit Got-tes« in Christus. Wie wird das aber erreicht? Gottspricht seine Gerechtigkeit über den aus, derglaubt. Somit spricht Gott zu dem Sünder, dernichts ist und nichts hat, und sagt zu ihm: Du bistgerecht. — Und im selben Augenblick hört dergläubige Sünder auf, ein Sünder zu sein; er ist nundie Gerechtigkeit Gottes. Das Wort aus GottesMund, das Gerechtigkeit spricht, hat die Gerech-tigkeit in sich selbst, und sobald der Sünder glaubtund das Wort durch Glauben in sein Herz auf-nimmt, hat er die Gerechtigkeit Gottes in seinemHerzen; damit hat ein neues Leben in ihm begon-nen, denn aus dem Herzen kommt das Leben (Spr.4,23). Dieses Leben ist ein Leben des Gehorsamsgegenüber den Geboten Gottes. Ja, »Glaube ist dieSubstanz von Dingen, die man hofft, und der Be-

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22weis für Dinge, die man nicht sieht.« Hebr. 11,1King James. Der Glaube eignet sich das Wort Got-tes an, und das Wort Gottes ist Substanz.

DAS WORT, EINE SICHERE GRUNDLAGE

Dasselbe Wort, das die Erde schuf, erhält sieauch. Über Christus spricht die Schrift: »Denn inihm ist alles geschaffen, was im Himmel und aufErden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seienThrone oder Herrschaften oder Reiche oder Gewal-ten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.«Kol. 1,16.17. »Besteht« wird hier im Sinne von»hält zusammen« gebraucht. Demnach verdankenalle Dinge auf der Erde und auch die Erde selbst ih-re Existenz und ihren Fortbestand allein Christus,wie Paulus sagte, als er auf dem Areopag stand:»Denn in ihm leben, weben und sind wir.« Apg.17,28.

Durch sein Wort werden alle Dinge aufrecht-erhalten. So heißt es: »Nachdem vorzeiten Gottmanchmal und auf mancherlei Weise geredet hat zuden Vätern durch die Propheten, hat er in diesenletzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Ihnhat Gott gesetzt zum Erben über alles; durch ihnhat er auch die Welt gemacht. Er ist der Abglanzseiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines We-sens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigenWort und hat vollbracht die Reinigung von unsrenSünden und hat sich gesetzt zu der Rechten der

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Majestät in der Höhe.« Hebr. 1,1-3. Christus ist dasWort Gottes; er ist das gesprochene Wort. AlleDinge werden in ihm getragen, und er hält allesdurch sein mächtiges Wort aufrecht.

Wir lesen bei dem Apostel Petrus: »Denn siewollen nichts davon wissen, daß ein Himmel vorzei-ten auch war, dazu eine Erde aus Wasser und imWasser bestanden durch Gottes Wort; dennochward damals die Welt durch die Sintflut verderbt.So auch werden der Himmel, der jetzt ist, und dieErde durch dasselbe Wort aufbewahrt, daß sie zumFeuer behalten werden auf den Tag des Gerichtsund der Verdammnis der gottlosen Menschen.«2.Petr. 3,5-7. Dasselbe Wort, das die Erde schuf,brachte die Sintflut, führte die Erde verwandeltwieder hervor und erhält sie immer noch. DiesesWort muß also etwas sehr Konkretes sein. Es mußetwas Konkreteres und Festeres sein als die Erde,genauso wie der Grund eines Gegenstandes konkre-ter und fester sein muß als der Gegenstand selbst.Es lebt und bleibt für ewig (l.Petr. 1,23). Wer sichdarauf verläßt, wird nie fehlgehen.

Es kommt die Zeit, da wird die Erde »taumelnwie ein Trunkener und wird hin und her geworfenwie eine schwankende Hütte« (Jes. 24,19.20), wennalle Inseln entfliehen und die Berge mitten ins Meersinken (Offb. 16,20). Doch selbst in der schreckli-chen Zeit kann der Christ sagen: »Gott ist unsre Zu-versicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nö-ten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wiruns nicht, wenngleich die Welt unterginge.« PS.46,2.3.

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AUF DAS WORT BAUEN

»Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie,der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus aufden Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel und dieWasser kamen und wehten die Winde und stießenan das Haus, fiel es doch nicht; denn es war auf denFelsen gegründet. Und wer diese meine Rede hörtund tut sie nicht, der ist einem törichten Manngleich, der sein Haus auf den Sand baute. Da nunein Platzregen fiel und kamen die Wasser und weh-ten die Winde und stießen an das Haus, da fiel esund tat einen großen Fall.« Matth. 7,24-27.

Christus ist ein Fels. Von den Israeliten heißtes: »Sie tranken aber von dem geistlichen Fels, dermitfolgte, welcher war Christus.« l.Kor. 10,4. DerPsalmist sagt: »Er ist mein Fels, und kein Unrechtist an ihm.« PS. 92,16. Denen, die ihn zu ihrem Frie-den annehmen, sagt die Schrift: »So seid ihr nunnicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbür-ger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbautauf den Grund der Apostel und Propheten, da Je-sus Christus der Eckstein ist.« Eph. 2,19.20. Dasheißt nicht, daß wir auf die Apostel und Prophetenerbaut werden, sondern auf den Grund, auf den siegebaut haben; denn »einen ändern Grund kann nie-mand legen außer dem, der gelegt ist, welcher istChristus«. l.Kor. 3,11.

Nach dem Wort Christi in der Bergpredigt bau-en wir auf den Felsen, indem wir seine Worte hören

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25und danach handeln. Gottes Wort ist der »Hauchseines Mundes« und darum voll seines eigenen Le-bens. »So kommt der Glaube aus der Predigt, dasPredigen aber durch das Wort Christi« (Röm.10,17) und Christus wohnt durch Glauben im Her-zen (Eph. 3,17). Das Wort hat also Christus in sich,denn es bringt Christus ins Herz. Das Wort einesMenschen steht für ihn; es ist geradesoviel wert wieer selbst. Wenn er einen wertlosen Charakter hat,so ist auch sein Wort nichts wert. Ist er aber einehrbarer Mensch, so ist sein Versprechen genauso-viel wert wie er selbst oder wie das, was er zu tunvermag. Das Wort stellt ihn dar. Das, was ein Die-ner im Gehorsam gegenüber dem Wort seinesHerrn tut, wird genauso bewertet wie eine Tat desHerrn selbst. So steht auch das Wort Gottes für diePerson Gottes. Alles, was Gott wert ist, ist auchsein Wort wert. Es stellt ihn dar, denn es ist vollvon seinem Leben.

Das Leben Abrahams ist ein wunderbares Bei-spiel dafür, was es bedeutet, durch Glauben an seinWort auf Christus zu bauen. Er »glaubte demHerrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.«l.Mose 15,6. Der Ausdruck »glaubte dem Herrn«besagt schon etwas Besonderes. Das Wort »glaub-te« kommt von dem hebräischen Wort »Amen«.»Amen« ist in unserer Sprache fast so wie im He-bräischen. Dieses Wort ist nicht übersetzt, es isteinfach aus dem Hebräischen entliehen und er-scheint in dieser Form in den verschiedenen Spra-chen, in die die Heilige Schrift übersetzt wurde. In

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26Griechisch, Latein, Französisch, Spanisch, Dä-nisch, Englisch, Deutsch usw. gibt es dieses Wort;alle haben das gleiche Wort — »Amen«.

Die eigentliche Bedeutung dieses Wortes ist»Festigkeit«. Es vermittelt den Gedanken von Zu-verlässigkeit und Stabilität. Es erlaubt eine Anzahlvon Definitionen, die alle diesem Gedanken zugrun-de liegen. Zum Beispiel könnte es übersetzt werdenmit: auf etwas bauen, sich auf etwas verlassen. Ab-raham baute auf Gott, und das rechnete er ihm zurGerechtigkeit. Das steht im Einklang mit dem Ge-danken, daß das Wort des Herrn ein Grund ist, aufden man bauen kann, etwas Wirkliches, auf dasman sich verlassen kann. Den gleichen Sinn habenwir in unserem täglichen Sprachgebrauch, wennwir von einem Menschen sagen: Auf sein Wortkann man bauen. Man kann Gewicht darauf legen.— Wenn man das von einem Menschen sagen kann,wieviel mehr von Gott! Auf Gottes Wort könnenwir ruhen; es trägt uns allezeit.

Die biblische Bedeutung von »glauben« wirdnun viel klarer. Im allgemeinen verstehen die Men-schen unter »glauben« nicht mehr als ein zustim-mendes Kopfnicken. »Gott glauben« heißt vielmehr als das. Es heißt, das Wort Gottes als die si-cherste Sache des Universums anzusehen; denn die-ses Wort erhält das Universum. »Gott glauben«heißt, sich von ganzem Herzen auf Gott zu verlas-sen und alle Hoffnungen auf ihn zu setzen, selbstwenn alles dagegen spricht. Wo scheinbar nichtsmehr ist außer Gottes Wort, da geht man in der Er-

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27kenntnis, daß es ein sicherer Grund ist. Der DichterWhittier drückt diesen Gedanken so aus:

Nichts vor Augen und nichts im Rückenhast du zum Halt bei Glaubensschritten.Scheinbar der Gang ins Leere geht;dennoch dein Fuß auf Felsen steht.

Als der Herr auf dem Wasser wandelte und zuPetrus sagte: »Komm!«, stieg dieser aus dem Bootund machte sich auf den Weg zum Herrn. Es ist ge-gen die Naturgesetze, daß ein Mensch auf demWasser geht. Wasser kann keinen Menschen hal-ten. Wodurch wurde Petrus gehalten? Durch dasWort »komm«. Wenn der Herr ein Wort ausspricht,ist das, was er damit ausdrückt, schon in dem Wortenthalten. In dem Wort »komm« war die Kraft zumKommen enthalten. Auf dieses Wort hin schritt Pe-trus, bis er sich umschaute, die ungestümen Wellesah und sank.

Warum? Weil er das Wort vergaß und nur nochan das Wasser dachte. Sobald er sich vom Wort ab-wandte, sank er, denn das Wasser selbst konnte ihnnicht halten. Allein das Wort Gottes konnte ihnüber Wasser halten. Hätte das Wort des Herrn ihmgesagt, er solle durch die Luft gehen, so hätte erdas genausogut tun können wie über das Wassergehen. Das Wort des Herrn trug Elia durch dieLuft, und es wird das bald für alle tun, die seineMacht annehmen.

Beachte jedoch, daß, als Abraham auf Gottbaute, ihm das zur Gerechtigkeit gerechnet wurde.

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28In Gottes Rechnung gibt es keine Fehler. Ihm wur-de sein Glaube deshalb zur Gerechtigkeit gerech-net, weil dieser tatsächlich Gerechtigkeit war. Wes-halb? Indem Abraham auf Gott baute, baute er aufdie ewige Gerechtigkeit. »Er ist mein Fels, und keinUnrecht ist an ihm.« PS. 92,16. Er wurde eins mitGott, und Gottes Gerechtigkeit wurde seine eigene.

»Die Worte des Herrn sind lauter wie Silber, imTiegel geschmolzen, geläutert siebenmal.« PS. 12,7.Wer nun auf den Felsen Jesus Christus baut, indemer sein Wort in lebendigem Glauben annimmt, bautauf einen geläuterten, d.h. auf einen geprüftenGrund. »So leget nun ab alle Bosheit und allen Be-trug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachre-de und seid begierig nach der vernünftigen lauterenMilch wie die neugeborenen Kindlein, auf daß ihrdurch dieselbe zunehmet zu eurem Heil, wenn an-ders ihr geschmeckt habt, daß der Herr freundlichist. Zu ihm kommet als zu dem lebendigen Stein,der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gottist er auserwählt und köstlich. Und bauet auch ihreuch als lebendige Steine zum geistlichen Hauseund zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistlicheOpfer, die Gott angenehm sind durch Jesus Chri-stus. Darum steht in der Schrift (Jes. 28,16): > Sieheda, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eck-stein in Zion; und wer an ihn glaubt, der soll nichtzuschanden werden. <« l.Petr. 2,1-6.

Die Kraft dieses Wortes wird erst richtig er-kannt, wenn man die von dem Apostel angeführtealttestamentliche Schriftstelle in Verbindung mit

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den Worten unseres Erlösers aus seiner Bergpre-digt liest, die von dem Mann sprechen, der seinHaus auf Sand baute (Matth. 7,26.27). Währendwir das im Gedächtnis behalten, lesen wir aus derWeissagung in Jesaja 28: »Darum spricht Gott derHerr: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einenbewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der festgegründet ist. Wer glaubt, der flieht nicht. Und ichwill das Recht zur Richtschnur und die Gerechtig-keit zur Waage machen. So wird Hagel die falscheZuflucht zerschlagen, und Wasser sollen denSchutz wegschwemmen, daß hinfalle euer Bund mitdem Tode und euer Vertrag mit dem Totenreichnicht bestehen bleibe. Wenn die Flut daherfährt,wird sie euch zermalmen; sooft sie daherfährt, wirdsie euch erfassen. Denn Morgen für Morgen wirdsie kommen, des Tags und des Nachts. Da wirdman nur mit Entsetzen Offenbarung deuten.« Jes.28,16-19.

Christus ist ein geprüftes Fundament. Gerech-tigkeit ist die Waage, nach der dieses Fundamentgelegt wurde. Sein Charakter ist vollkommen, wahrund gerecht. Satan hat alle seine Künste ange-wandt und ausgeschöpft, um ihn zur Sünde zu ver-leiten. Er hatte keinen Erfolg. Christus ist ein si-cheres Fundament. Wir bauen auf ihn, indem wirseinem Wort glauben. Das sagt Christus selbst. DieFluten kommen gewiß. Sie werden alle falsche Zu-flucht mit zermalmender Kraft zerschlagen und mitihr alle, die auf ein falsches Fundament gebaut ha-ben. Das Haus, das auf Sand gebaut ist, wird be-

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stimmt fallen. Wenn der Sturm einmal losbricht,werden die, die bei Lügen und Falschheit Zufluchtgenommen haben, um ihr Leben fliehen. Doch ihrFundament wird nachgeben, und die Flut wird übersie hinweggehen und sie zermalmen. Das ist dasBild, das uns in diesen beiden Bibelstellen vor Au-gen geführt wird.

Ganz anders ergeht es denen, die auf den Felsendes Heils gebaut haben. Dieser sichere Grund hältjedem Druck stand. Nichts kann ihn erschüttern.Die auf ihn gebaut haben, fliehen nicht. Er hat sichihnen oft als eine sichere Zuflucht bewiesen. Siekönnen dem Sturm gelassen entgegensehen undbrauchen nicht um ihr Leben zu bangen. Wer aufden Felsen baut, ist so sicher wie der Fels selbst.Warum? Weil sie in Wirklichkeit ein Teil des Felsengeworden sind, denn —

DER FELS ERBAUT

alle, die auf ihn bauen. Beachte die Worte des Apo-stels: »Und nun befehle ich euch Gott und demWort seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu er-bauen und zu geben das Erbe unter allen, die gehei-ligt sind.« Apg. 20,32. Wenn wir auf ihn, den leben-digen Felsen, bauen, verwachsen wir mit ihm sovöllig, daß das Fundament und das Gebäude einGanzes werden. Das geht aus vielen Bibelstellenhervor, von denen wir einige anführen:

»Denn weil sie alle von einem kommen, beide,der da heiligt und die da geheiligt werden, darum

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schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu heißen.«Hebr. 2,11.

»So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremd-linge, sondern Mitbürger der Heiligen und GottesHausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostelund Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist,auf welchem der ganze Bau ineinandergefügtwächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn; aufwelchem auch ihr miterbaut werdet zu einer Behau-sung Gottes im Geist.« Eph. 2,19-22.

»Zu ihm kommet als zu dem lebendigen Stein,der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gottist er auserwählt und köstlich. Und bauet auch ihreuch als lebendige Steine zum geistlichen Hauseund zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistlicheOpfer, die Gott angenehm sind durch Jesus Chri-stus.« l.Petr. 2,4.5.

»Wie ihr nun angenommen habt den HerrnChristus Jesus, so wandelt in ihm und seid verwur-zelt und gegründet in ihm und fest im Glauben.«Kol. 2,6.7.

Hier werden das Bild eines Hauses und das Bildeiner Pflanze verbunden. Das ist vollkommen rich-tig, weil der Fels, auf den wir bauen, ein lebendigerStein ist, der allen, die auf ihn bauen, Leben vermit-telt. Als lebendige Steine wachsen sie mit dem Fel-sen zu einem Haus zusammen. Auch Paulus verbin-det diese beiden Bilder miteinander: »Ihr seid Got-tes Ackerfeld und Gottes Bau.« l.Kor. 3,9.

Dieser Gedanke kommt schon in der Rede desKönigs Josaphat zum Ausdruck, als er das Volk er-

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mahnte, ehe es auf Gottes Befehl gegen eine großeÜbermacht auszog. Er ermutigte es, Gottes Wortzu glauben, daß er für sie streiten würde: »Und siemachten sich früh am Morgen auf und zogen auszur Wüste Thekoa. Und als sie auszogen, trat Josa-phat hin und sprach: Höret mir zu, Juda und ihrEinwohner von Jerusalem! Glaubet an den Herrn,euren Gott, so werdet ihr sicher sein, und glaubetseinen Propheten, so wird es euch gelingen.«2.Chron. 20,20. Wie wir bei dem Text über Abra-ham sahen, kommt das Wort »glauben« aus demhebräischen Wort »Amen«. Und das in diesem Textverwendete Wort »sicher« hat dieselbe Herkunft.So könnte man den Text lesen: Bauet auf denHerrn, so werdet ihr erbaut werden.

DIE BOTSCHAFT DES TROSTES

Ein weiterer Gedanke soll erwähnt werden, derzeigt, wieviel Hoffnung und Trost in den Dingenliegen, die einstmals geschrieben wurden. Das gan-ze 40. Kapitel des Propheten Jesaja enthält eineBotschaft des Trostes. Es beginnt: »Tröstet, trö-stet mein Volk! spricht euer Gott.« Vers 1. Es folgtdie Zusage der Vergebung, und dann kommt die be-sondere Botschaft dessen, der in der Wüste ruft. Esist eine Botschaft, in der die Macht des WortesGottes im Gegensatz zur Ohnmacht des Menschengezeigt wird. »Es spricht eine Stimme: Predige!und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleischist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf

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dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt;denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist dasVolk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aberdas Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.« Jes. 40,6-8.

Es folgen Beispiele über die Macht des Wortes;die Tatsachen der Schöpfung werden angeführt,und die Macht Gottes wird mit der Schwachheitdes Menschen verglichen. Dann kommt diese wun-derbare Stelle: »Mit wem wollt ihr mich also ver-gleichen, dem ich gleich sei? spricht der Heilige.Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hatdies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig herausund ruft sie alle mit Namen; seine Macht und star-ke Kraft ist so groß, daß nicht eins von ihnenfehlt.« Jes. 40,25.26.

Wir werden wieder darauf hingewiesen, daßGott der Erhalter des Weltalls ist und daß es seineMacht ist, die die Himmelskörper in ihren Bahnenhält. Würde er nicht direkt lenken, so gäbe es einChaos. In den folgenden Versen wird dem VolkGottes diese Tatsache zur besonderen Ermutigungvor Augen geführt. »Warum sprichst du denn, Ja-kob, und du, Israel, sagst: Mein Weg ist dem Herrnverborgen, und mein Recht geht vor meinem Gottvorüber? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört?Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erdegeschaffen hat, wird nicht müde noch matt, seinVerstand ist unausforschlich. Er gibt dem MüdenKraft und Stärke genug dem Unvermögenden.«Jes. 40,27-29.

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Welch eine Lehre des Vertrauens finden wirhier! »Eines hat Gott geredet, ein Zweifaches habeich gehört: Gott allein ist mächtig.« PS. 62,12. Die-se Macht ist es, die das Weltall bewahrt und Sterneund Planeten in ihren Bahnen hält. Diese Macht istes, die er den Müden und Unvermögenden gibt,wenn sie ihm nur vertrauen. Es soll der Verzagtenur ein wenig Zeit aufbringen und den Himmel be-trachten, während er an diese Worte der HeiligenSchrift denkt. Er wird dann besser als je zuvor er-kennen, was die Worte des Apostels bedeuten, dersagt: »auf daß ihr . . . gestärkt werdet mit allerKraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduldund Langmut.« Kol. 1,11.

Was sollte hiermit eigentlich bewiesen werden?Die Macht des Wortes. Es ist ja das Wort desHerrn, das alle Dinge aufrechterhält. Es ist dasWort des Herrn, das alle Dinge geschaffen hat. Aufdieses Wort werden wir im ersten Teil des Kapitelsaufmerksam gemacht, als das ewig bleibende Wortim Gegensatz zu allem Fleisch. Lies nun das 40. Ka-pitel des Propheten Jesaja, besonders die Verse 6-8und 26. Und dann lies den Kommentar, den derApostel Petrus dazu gibt: »Als die da wiedergebo-ren sind nicht aus vergänglichem, sondern aus un-vergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigenWort Gottes, das da bleibt. Denn > alles Fleisch istwie Gras und alle seine Herrlichkeit wie des GrasesBlume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abge-fallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit <(Jes. 40,6-8). Das ist aber das Wort, welches untereuch verkündigt ist.« l.Petr. 1,23-25.

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36Das Evangelium, das die Apostel verkündigten,

ist also nichts anderes als die am Menschen wirken-de schöpferische Macht Gottes. Ein Evangelium,das die Schöpfung übergeht, das die schöpferischeMacht Gottes nicht predigt, das nicht auf die Dingehinweist, die er gemacht hat, und die Menschennicht tröstet, indem es ihnen diese Macht als ihreeinzige Quelle der Kraft vor Augen hält, ist »ein an-deres Evangelium«, das in Wirklichkeit kein Evan-gelium ist, da es doch nur eines gibt.

Das ist die Lehre, die uns »am Anfang« vermit-telt wurde. Wer sie gelernt hat, ist eine neue Krea-tur in Christus und bereit, mehr zu lernen, nämlichdie Lehre vom Wachstum.

Mit diesen wunderbaren Tatsachen vor Augenscheinen uns jene Befürchtungen, die einige zumAusdruck bringen, mehr als unnütz zu sein: Ich be-fürchte, nicht fähig zu sein durchzuhalten, wenn ichein christliches Leben beginne. — Natürlich bist dunicht fähig durchzuhalten. Du hast keine Kraft.Doch Hilfe ist bei dem, der mächtig ist. Er ist fähig,dich aufzurichten und bis zum Ende zu bewahren.»Die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben be-wahrt werdet zur Seligkeit, welche bereitet ist, daßsie offenbar werde zu der letzten Zeit.« l.Petr. 1,5.Darum —

»Dem aber, der euch kann behüten vor demStraucheln und stellen vor das Angesicht seinerHerrlichkeit unsträflich mit Freuden, dem einenGott, unsrem Heiland durch Jesus Christus, unsrenHerrn, sei Ehre und Majestät und Gewalt und

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Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit!Amen.« Judas 24.25.

»ES WERDE LICHT«

»Und Gott sprach: Es werde Licht! Und esward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war.Da schied Gott das Licht von der Finsternis.«l.Mose 1,3.4. Bis dahin war es finster auf der Tiefe.Das war keine Finsternis, wie wir sie kennen. MitAusnahme der Finsternis in den Plagen über Ägyp-ten war selbst die tiefste Finsternis, die Menschenje erfahren haben, mit etwas Licht vermengt. Sogarin den dunklen Nächten, in denen weder Mond nochSterne leuchten, wird die Finsternis durch etwasLicht gemildert. Doch damals war eine Finsternis,die sich kein Mensch vorstellen kann; denn dasLicht war noch nicht erschaffen.

Aus dieser tiefsten Finsternis befahl Gott dasLicht hervor. Er »hieß das Licht aus der Finsternishervorleuchten.« 2.Kor. 4,6. Das zeigt erneut dasWunder schöpferischer Macht. Gott arbeitet nichtwie der Mensch. Der Mensch muß erst das Arbeits-material zur Hand haben, ehe er etwas schaffenkann, während Gott davon nicht abhängig ist. Völ-liges Nichts dient dem Zweck Gottes genauso wieirgend etwas Vorhandenes es tun kann. »Was tö-richt ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damiter die Weisen zuschanden mache; und was schwachist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zu-schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor

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der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, dasda nichts ist, damit er zunichte mache, was etwasist, auf daß sich vor Gott kein Fleisch rühme.«l.Kor. 1,27-29. Das wurde um unsertwillen getan,damit wir lernen, unser Vertrauen auf ihn zu setzen.

Als Gott das Licht schuf, rief er es einfach ausder Finsternis hervor. Soll man sagen, er schuf esaus der Finsternis? Es wäre nicht falsch, das zu sa-gen, denn das steht in seiner Macht. »Spräche ich:Finsternis möge mich decken und Nacht stattLicht um mich sein —, so wäre auch Finsternisnicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wieder Tag. Finsternis ist wie das Licht.« PS.139,11.12. Und indem Gott seinem Volk Trost inder Not zuspricht, sagt er: »Aber die Blinden willich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen; ichwill sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen.Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht ma-chen und das Höckerige zur Ebene. Das alles willich tun und nicht davon lassen.« Jes. 42,16.

Für Gott ist nichts zu schwer. Er ist selbst dieQuelle aller Dinge. Der weise Mensch sieht Gott inall seinen Werken. In der ganzen Schöpfung ist ererkennbar. Alles trägt den Stempel seiner Person.Das Dunkel, das die Heiden bedeckt, kommt ausder Entstellung dieser Wahrheit. Statt in allem dieMacht Gottes zu sehen, sagen sie, daß alles Gottist. So verwandelten sie die Wahrheit Gottes in eineLüge. Tatsache bleibt aber, daß alle Dinge vonGott kommen. Gott konnte aus der FinsternisLicht hervorrufen, weil er selbst Licht ist. »Und das

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39ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben undeuch verkündigen, daß Gott Licht ist und in ihm istkeine Finsternis.« l.Joh. 1,5.

Man darf, wenn man die Schöpfung betrachtet,nicht vergessen, daß Christus der Schöpfer ist. Erist die Weisheit und die Macht Gottes. Er war es,der das Licht schuf. Er schuf es aus sich selbst; inihm wurden alle Dinge geschaffen. Christus istnicht nur in geistlichem Sinn das Licht der Welt.Das Licht, dessen sich die Augen aller Menschenerfreuen, ist das Licht, das von Christus auf siefällt. Das Sichtbare belehrt uns über das Unsicht-bare. Das in der Welt scheinende natürliche Lichthat den Zweck, uns darüber zu belehren, daß GottLicht ist und daß das von ihm ausgehende geistli-che Licht allen Menschen genauso frei zur Verfü-gung steht und nicht weniger wirklich ist als dasnatürliche Licht. »Den Frommen geht das Licht aufin der Finsternis von dem Gnädigen, Barmherzigenund Gerechten.« PS. 112,4. Der Aufrichtige kannsagen: »Freue dich nicht über mich, meine Feindin!Wenn ich auch daniederliege, so werde ich wiederaufstehen; und wenn ich auch im Finstern sitze, soist doch der Herr mein Licht.« Micha 7,8.

Christus ist das Licht der Welt. Als er nach Ga-liläa kam, erfüllten sich die Worte des ProphetenJesaja, »der da spricht (Jes. 8,23; 9,1): > Das LandSebulon und das Land Naphthali, die Straße amSee, das Land jenseits des Jordan, das heidnischeGaliläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein gro-ßes Licht gesehen; und die da saßen am Ort und

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Schatten des Todes, denen ist ein Licht aufgegan-gen. <« Matth. 4,15.16. Sünde ist Finsternis. Siekommt vom Fürsten der Finsternis und bringt Fin-sternis. Das Wort des Herrn ist Licht. Dieses Lichtwar dem Volk verborgen, als Christus zur Erdekam. Männer, die sich einbildeten, weise zu sein,hatten sich die Auslegung des Gesetzes Gottes an-gemaßt und es infolgedessen verdeckt und »denSchlüssel der Erkenntnis weggenommen«. Luk.11,52. So war es auch im Mittelalter, das oft das»finstere Mittelalter« genannt wird, denn die Bibelwar ein verbotenes Buch. Sie war gleichsam in ei-nem dunklen Gefängnis eingekerkert, und ihr Lichtkonnte die Menschen nicht erleuchten. Sie tapptenumher auf der Suche nach Licht und wußten nicht,welchen Weg sie gehen sollten. Die Kenntnis Got-tes war so gut wie erloschen. Sogar die Priester, de-ren Lippen die Wahrheit bewahren sollten, warender Worte des Lebens unkundig. Satan hatte über-all falsche Vorstellungen über Gott verbreitet.

In eine solche Dunkelheit kam auch Christus,das Licht der Welt, als er Mensch wurde. Denen,die in der Finsternis saßen, ging das Licht auf. Esschien das Licht in der Finsternis, und die Finster-nis hat's nicht ergriffen (Joh. 1,5). Nichts konntedas heilige, lebendige Licht auslöschen. Als dieMenschen in der Finsternis tappten und den Wegder Wahrheit nicht kannten, schien das Licht desLebens Christi aus der Dunkelheit hervor. All dassah der alte Simeon, als er das Kind Jesus auf sei-nen Armen hielt und sagte: »Meine Augen haben

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deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hastvor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Hei-den, und zum Preis deines Volks Israel.« Luk.2,30-32.

DAS LICHT DES LEBENS

So wie Sünde Dunkelheit ist, ist sie auch Tod.»Wie durch einen Menschen die Sünde ist in dieWelt gekommen und der Tod durch die Sünde, soist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen,weil sie alle gesündigt haben.« Röm. 5,12. »Fleisch-lich gesinnt sein ist der Tod.« Röm. 8,6. »Die Sündeaber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.«Jak. 1,15. »Der Stachel des Todes ist die Sünde.«l.Kor. 15,56. Sünde und Tod kommen von Satan.Er ist es, der die Gewalt des Todes hat. Aus diesemGrund wird uns gesagt, daß wir nicht mit Fleischund Blut zu kämpfen haben, sondern mit den Für-sten der Finsternis dieser Welt (Eph. 6,12.13). DieFinsternis der Welt ist die Finsternis der Sünde, dieFinsternis des Schattens des Todes. Wer in derSünde ist, sitzt im Schatten des Todes. Das Licht,das ihm aufgeht, ist das Licht des sündlosen Le-bens Christi.

So wie Sünde Tod ist, ist Gerechtigkeit Leben.»Geistlich gesinnt sein ist Leben.« Röm. 8,6. .Geist-lich gesinnt sein bedeutet, die Gesinnung des Gei-stes Gottes zu haben, und das wiederum bedeutet,sein Leben und seine Gerechtigkeit zu besitzen. Esbedeutet, die Gesinnung des Gesetzes Gottes zu ha-

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ben, »denn wir wissen, daß das Gesetz geistlichist«. Röm. 7,14. Dunkelheit kann nur durch Lichtbeseitigt werden. So kann auch Sünde nur durchGerechtigkeit entfernt werden, und der Tod kannnur durch Leben überwunden werden.

Das Leben des Menschen jedoch kann nicht denSieg über den Tod erringen. Es trägt in sich selbstden Tod. Die Sünde liegt im Wesen des Menschen.»Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen,kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Dieberei,Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, List, Schwel-gerei, Mißgunst, Lästerung, Hoffart, Unvernunft.All diese bösen Dinge kommen von innen herausund machen den Menschen unrein.« Mark. 7,21-23.Aber das Herz ist der Sitz des Lebens, »denn dar-aus quillt das Leben«. Spr. 4,23. Wenn Sünde Todbedeutet und wenn Sünde in all ihren Erschei-nungsformen vom Herzen ausgeht, so muß dieQuelle des Lebens im Menschen schon vom Todvergiftet sein. Das Leben des Menschen ist eigent-lich nichts anderes als ein lebendiger Tod. (Sieheauch Matth. 6,23!) Der Apostel Paulus beklagt dievöllige Sündhaftigkeit des natürlichen Menschenund ruft aus: »Ich elender Mensch! Wer wird micherlösen von dem Leibe dieses Todes?« Röm. 7,24.

Da Gerechtigkeit und nur Gerechtigkeit alleinLeben ist, kann der Mensch nie auf ein Leben hof-fen, das von ihm selbst kommt, denn er kann keineGerechtigkeit aus sich selbst hervorbringen. »Einguter Mensch bringt Gutes hervor aus dem gutenSchatz seines Herzens; und ein böser Mensch

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bringt Böses hervor aus dem bösen Schatz seinesHerzens. Denn wes das Herz voll ist, des geht derMund über.« Luk. 6,45. Der Mensch hat von Naturaus nur Böses im Herzen und kann darum nur Bö-ses hervorbringen. Das bezeugt die Heilige Schriftnachhaltig. Wir lassen folgende Beweise selbstsprechen: »Sie sind allzumal Sünder und mangelndes Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.« Röm.3,23. »Sie sind alle abgewichen und allesamt un-tüchtig geworden. Da ist keiner, der Gutes tue,auch nicht einer.« Röm. 3,12. »Denn fleischlich ge-sinnt sein ist Feindschaft wider Gott, weil dasFleisch dem Gesetz Gottes nicht Untertan ist; dennes vermag's auch nicht. Die aber fleischlich sind,können Gott nicht gefallen.« Röm. 8,7.8. Wie sehrder wachgerufene Mensch auch wünscht, das tunzu können, was er als richtig erkannt hat, er hat insich selbst keine Kraft, es zu tun. »Denn dasFleisch streitet wider den Geist und der Geist widerdas Fleisch; dieselben sind widereinander, daß ihrnicht tut, was ihr wollt.« Gal. 5,17.

Da vom Bösen nur Böses kommen kann und dades Menschen Herz nur Böses hervorbringt, ist dieBehauptung, der Mensch könne aus sich selbst Gu-tes tun, eine Ablehnung der Schrift. Erstens lehrtdie Bibel, daß er es nicht kann. Zweitens: wer be-hauptet, es gäbe im Menschen Kraft, das Gute zutun, leugnet damit, daß es überhaupt so etwas wiedas Böse im Menschen gibt. Es kann nicht Bösesund Gutes in der Natur des Menschen sein. »Läßtdenn die Quelle aus einem Loch Süßes und Bitteres

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fließen?« Jak. 3,11. Etwas vergiftetes Wasser ver-dirbt den ganzen Brunnen. »Wisset ihr nicht, daßein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert?«l.Kor. 5,6. Wenn nun im Menschen von Natur ausetwas Böses ist, dann muß er, wie die Schrift sagt,ganz böse sein. Das ist der Grund, warum der, derbehauptet, aus sich selbst etwas Gutes tun zu kön-nen, mag es auch noch so wenig sein, damit bestrei-tet, daß in ihm überhaupt eine Spur vom Bösen sei.Aber Christus hat die Wahrheit über den Menschengesagt: »Ohne mich könnt ihr nichts tun.« Joh.15,5.

Es gibt noch eine dritte Stellung, die der einneh-men kann, der glaubt, aus sich selbst Gutes tun zukönnen: wenn er behauptet, aus Bösem Gutes ma-chen zu können. Es gibt viele, die frei heraus lehren,das Böse sei lediglich unentwickeltes Gutes. Sievertreten diesen Standpunkt jedoch nicht stärkerals die, die an ihre Fähigkeit glauben, aus sichselbst Gutes tun zu können. Die Lehre, das Böse seinur unentwickeltes Gutes, ist ebenfalls eine Ableh-nung der Bibel, die sagt, daß im Menschen nichtsGutes ist. Und wer andeutet, Sünde könne in Ge-rechtigkeit umgewandelt werden, stellt sich überGott; selbst Gott kann das nicht. Würde Gott estun, so müßte er sich selbst verleugnen, denn er istGerechtigkeit.

Gott allein ist gut. Das ist die deutliche Erklä-rung der Schrift. Als Christus auf Erden war, »liefeiner hinzu, kniete vor ihm nieder und fragte ihn:Guter Meister, was soll ich tun, daß ich das ewige

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Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was hei-ßest du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott.«Mark. 10,17.18. Da Gott allein gut ist, läuft die Be-hauptung eines Menschen, in sich selbst Gerechtig-keit zu haben, auf eine Gleichstellung mit Gott hin-aus. Dieser Mensch macht sich eigentlich selbstzum Gott.

Es ist klar, daß der Mensch, der Gerechtigkeiterlangen will, sie nur von außerhalb seiner selbst er-langen kann. Er muß in der Tat zu einem anderenMenschen gemacht werden. Er bedarf eines Le-bens, das ganz andersartig ist als sein natürliches.Der Mensch erkennt das, wenn auch nur schwach.In dem Wunsch, ein anderes Leben führen zu wol-len, kommt das oft zum Ausdruck. Leider versu-chen so viele, ein neues Leben mit dem alten Sün-denleben zu leben. Das ist unmöglich. Um ein ande-res Leben zu leben als das, was man bisher gelebthat, ist es notwendig, ein anderes Leben zu haben.

Aus dem zuletzt angeführten Text ist ersicht-lich, woher der Mensch dieses Leben bekommenkann. Gott allein ist gut. Sein Leben ist die Gerech-tigkeit selbst. Gottes Leben besteht in Werken derGerechtigkeit. Leben besteht aus Wegen, und Got-tes Wege sind alle gerecht. Das Gesetz Gottesbringt seine Wege zum Ausdruck, wie wir lesen:»Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetzdes Herrn wandeln. Wohl denen, die sich an seineMahnungen halten, die ihn von ganzem Herzen su-chen, die auf seinen Wegen wandeln und kein Un-recht tun.« PS. 119,1-3. Und seine Wege sind viel

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höher als des Menschen Wege, »soviel der Himmelhöher ist als die Erde«. Jes. 55,9.

Gleichwohl ist die Gerechtigkeit Gottes etwas,was der Mensch haben kann. Der Erlöser sagte zuseinen Jüngern: »Trachtet am ersten nach demReich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit.«Matth. 6,33. Wo können wir sie aber finden? InChristus, »welcher uns gemacht ist von Gott zurWeisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligungund zur Erlösung.« l.Kor. 1,30. In ihm können wirzur Gerechtigkeit Gottes gemacht werden. Die Ge-rechtigkeit Gottes ist Leben. Deshalb ist es unmög-lich, seine Gerechtigkeit ohne sein Leben zu haben.Dieses Leben ist in Christus, denn Christus istGott, und »Gott versöhnte in Christus die Welt mitihm selber«. 2.Kor. 5,19. Das einzige vollkommengerechte Leben, das es je auf der Welt gegeben hat,war das Leben Christi. Sein Leben allein konnte derSünde widerstehen. »Und ihr wisset, daß er ist er-schienen, damit er die Sünden wegnehme, und istkeine Sünde in ihm.« l.Joh. 3,5. Das Leben Christiist die Gerechtigkeit Gottes. Das ist es, wonach wirtrachten sollen.

Indes, der Mensch kann das Leben Gottes nichtleben. Nur Gott kann sein eigenes Leben leben. Eswäre größte Anmaßung, zu denken, man könne seinLeben leben. Das Leben Gottes muß im Menschenoffenbar werden, wenn er Gerechtigkeit hat, aberGott selbst muß dieses Leben leben. Der ApostelPaulus bringt das zum Ausdruck: »Ich bin mitChristus gekreuzigt. Ich lebe; doch nun nicht ich,

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sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt le-be im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den SohnGottes, der mich geliebt hat und sich selbst fürmich dargegeben.« Gal. 2,19.20.

Beachte nochmals, wie leicht es für einen Men-schen ist, sich über Gott zu stellen. Wenn die Ge-rechtigkeit Leben ist — das Leben Gottes —, dannwird klar, daß der Mensch, der vorgibt, in sichselbst Leben zu haben oder von Natur aus etwas zubesitzen, das ihm das Sterben unmöglich macht*,das gleiche tut wie der, der sagt, er selbst habe Ge-rechtigkeit. Indirekt ist es die Behauptung, Gott zusein — ein Merkmal des Menschen der Sünde.

Diese Gedanken waren es, die die Pharisäer ab-hielten, Christus anzunehmen — »die auf sichselbst vertrauten, daß sie gerecht seien«. Luk. 18,9Elberfelder. Sie bekannten sich zum Glauben andas ewige Leben und forschten danach in derSchrift. Traurig sagte Christus ihnen: »Aber dochwollt ihr nicht zu mir kommen, daß ihr das Lebenhättet.« Joh. 5,40. Warum wollten sie nicht zu ihmkommen und Leben haben? Weil sie glaubten,selbst das Leben zu haben. Gerechtigkeit ist Leben.Der Zweck des Kommens Christi bestand darin,den Menschen Leben zu geben; denn ihr Leben wardurch die Sünde verwirkt. Er gibt uns sein Leben,und das gibt uns seine Gerechtigkeit. Der einzigeGrund, warum Menschen nicht zu Christus kom-men wollen, um Leben zu empfangen, ist, daß sie

* Nach der aus dem alten Heidentum stammenden, unbiblischen Lehrevon der Unsterblichkeit der Seele.

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48meinen, sie hätten schon Leben. Wir wiederholen:Wer behauptet, man könne ohne Christus ewigesLeben haben, der behauptet damit, man könne ohneChristus Gerechtigkeit haben. Beides gehört zu-sammen.

Wir lesen einige Texte, die uns diese Tatsachenäher vor Augen führen. »Denn also hat Gott dieWelt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab,auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren wer-den, sondern das ewige Leben haben.« Joh. 3,16.»Wie du ihm Macht gegeben hast über allesFleisch, damit er das ewige Leben gebe allen, die duihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben,daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und dendu gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.« Joh.17,2.3. »Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich,ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleischdes Menschensohnes und trinken sein Blut, so habtihr kein Leben in euch.« Joh. 6,53. »Wie mich ge-sandt hat der lebendige Vater und ich lebe um desVaters willen, so wird auch, wer mich isset, lebenum meinetwillen.« Joh. 6,57. Dieses Leben im Men-schen ist der einzige Weg der Gerechtigkeit, aufdaß »wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vorGott gilt«. 2.Kor. 5,21.

Durch den Glauben gehört dieses Leben uns;der Gerechte lebt durch Glauben. Das bedeutetnicht, daß dieses Leben nicht wirklich existiert,sondern, daß es allein durch Glauben erhalten wer-den kann. Auf dieselbe Weise, wie wir das Leben be-kommen, müssen wir es auch bewahren: durch

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49Glauben. »Wie ihr nun angenommen habt denHerrn Christus Jesus, so wandelt in ihm.« Kol. 2,6.Der Mensch hat dieses Leben nicht aufgrund seinesRechtes und durch eigene Kraft; es ist das LebenGottes und nicht das Leben des Menschen. »Unddas ist das Zeugnis, daß uns Gott das ewige Lebengegeben hat, und solches Leben ist in seinem Sohn.Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den SohnGottes nicht hat, der hat das Leben nicht.« l.Joh.5,11.12. Es ist das Leben Jesu, offenbart in sterbli-chem Fleisch. »Denn mitten im Leben werden wirimmerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, aufdaß auch das Leben Jesu offenbar werde an unsremsterblichen Fleische.« 2.Kor. 4,11.

Dieses Leben ist das Licht des Menschen. »Daredete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bindas Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wirdnicht wandeln in der Finsternis, sondern wird dasLicht des Lebens haben.« Joh. 8,12. Dieses Lebender Gerechtigkeit wird dem Menschen genauso un-entgeltlich gegeben wie das natürliche Tageslicht,und es ist genug für alle vorhanden. Eine Eigen-schaft des Lichtes ist die Vermehrungsfähigkeit.Mit einer einzigen Fackel kann man Tausende ande-rer anzünden, ohne die Lichtmenge der erstenFackel zu mindern. So verhält es sich mit demLicht des Lebens Christi. Bei ihm ist die Quelle desLebens. Von ihm geht es in reichem Maße aus. Erkann jedem Menschen auf der Welt Leben geben,und wenn alle es annehmen würden, hätte er immernoch genausoviel wie im Anfang. Er kann in jedem

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Menschen in der Fülle leben. Jeder, der glaubt,empfängt das segensreiche Leben Christi ganz.Christus verausgabt sich nie.

Wer im Schatten des Todes sitzt — das ist derSchatten, den die Sünde wirft —, kann den Schat-ten loswerden, indem er das Licht hereinläßt. Die-ses Licht soll vor dem Ende der Zeit in seiner gan-zen Fülle in der Gemeinde Gottes genauso deutlichoffenbar werden, als wäre Christus persönlich aufErden. Das wird das Banner sein, um das sich wiezu Pfingsten Tausende scharen werden. Es ist dasLicht des Lebens Christi, über das der Prophet sag-te: »Mache dich auf, werde licht; denn dein Lichtkommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht aufüber dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erd-reich und Dunkel die Völker; aber über dir geht aufder Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehenund die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.«Jes. 60,1-3. All das und weit mehr, als möglicher-weise durch die Feder eines nichtinspirierten Men-schen zum Ausdruck gebracht werden kann, wirduns durch die einfachen Worte gelehrt: »Und Gottsprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.«

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DER ZWEITE TAG

»WOLKEN SINDDER STAUB UNTER SEINEN FÜSSEN«

Nahum 1,3.

»Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwi-schen den Wassern, die da scheide zwischen denWassern. Da machte Gott die Feste und schied dasWasser unter der Feste von dem Wasser über derFeste. Und es geschah so. Und Gott nannte die Fe-ste Himmel.« l.Mose 1,6-8.

Im ersten Augenblick scheint es so, als wäredas Werk des zweiten Tages sehr dürftig ausgefal-len. Doch die Gedanken des Menschen über GottesWerk sind immer zuerst oberflächlich. Aus diesemkurzen Bericht sind wunderbare Lehren der Hoff-nung und des Trostes zu ziehen. An anderen Stellender Heiligen Schrift wird das Werk dieses Tages alsein Beispiel der großen Macht Gottes hervorgeho-ben; und wir erinnern uns, daß die Macht Gottesdie Hoffnung des Menschen ist.

Das Buch Hiob enthält einige großartige Be-schreibungen der Macht und Majestät Gottes. »Erspannt den Norden aus über dem Leeren und hängtdie Erde über das Nichts. Er faßt das Wasser zu-sammen in seine Wolken, und die Wolken zerreißendarunter nicht.« Hiob 26,7.8. Wer wird je müde, die

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Wolken zu beobachten, wie sie ihre verschiedenenFormen bilden — sie sind ein fortwährendes Wun-der —, und dann an die wunderbare Macht zu den-ken, die durch sie dargestellt wird! Man denke andie von ihnen getragenen ungeheuren Wassermen-gen, die sie zur gegebenen Zeit über die Erde aus-gießen! Denn der Regen ist auf die unmittelbareMacht des Herrn zurückzuführen. Die Wissen-schaft mag uns zum Teil sagen, welche Vorausset-zungen für den Regenfall gegeben sein müssen;auch mag sie mit ziemlicher Genauigkeit den Zeit-punkt des Regens voraussagen. Das widerlegt abernicht die Tatsache, daß Gott selbst den Regen an-ordnet.

Der Mensch hat viele der Werke Gottes beob-achtet, und noch mehr könnte er entdecken. Geradedas will Gott: »Er hat ein Gedächtnis gestiftet sei-ner Wunder.« PS. 111,4. Er will, daß wir darübernachdenken, damit wir ihn darin erkennen. Wer dieWerke Gottes betrachtet, sie aber lediglich einerGöttin mit Namen Natur zuschreibt und meint,Gott selbst habe damit nichts zu tun, zieht darauskeinen Nutzen. Das, was der Mensch Natur nennt,ist einfach das, was man von den Wegen Gottes be-obachten kann. Es gibt keine bessere Erklärung alsdie, in der uns gesagt wird, daß die Gesetze der Na-tur »nur die Enden seiner Wege« sind. Nachdemder Mensch all seine Wissenschaft zur Beobach-tung und Berechnung der Wege Gottes erschöpfthat, muß er immer noch bedenken: »Siehe, das sindnur die Enden seiner Wege, und nur ein leises Wört-

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lein davon haben wir vernommen. Wer will aber denDonner seiner Macht verstehen?« Hiob 26,14. Esist dem begrenzten menschlichen Verstand nichtgegeben, alle Wege des unendlichen Gottes zu er-gründen, denn die menschliche Wissenschaft istauch in ihren größten Leistungen nur sehr be-grenzt.

Wir haben gesagt, der Regen sei auf die unmit-telbare, persönliche Macht Gottes zurückzuführen.Wir lesen: »Der Herr ist der wahrhaftige Gott, derlebendige Gott, der ewige König. Vor seinem Zornbebt die Erde, und die Völker können sein Drohennicht ertragen. So sagt nun zu ihnen: Die Götter,die Himmel und Erde nicht gemacht haben, müssenvertilgt werden von der Erde und unter dem Him-mel. Er aber hat die Erde durch seine Kraft ge-macht und den Erdkreis bereitet durch seine Weis-heit und den Himmel ausgebreitet durch seinenVerstand. Wenn er donnert, so ist Wasser die Men-ge am Himmel; Wolken läßt er heraufziehen vomEnde der Erde. Er macht die Blitze, daß es regnet,und läßt den Wind kommen aus seinen Vorrats-kammern.« Jer. 10,10-13

Was soll uns dadurch gezeigt werden? Natür-lich wieder die Macht des Wortes Gottes. Undnicht nur die Macht des Wortes Gottes, sondernauch die Weisheit Gottes und die Macht, durch dieer uns das Wort der Gerechtigkeit einhaucht. Wirlesen noch einmal im Buch Hiob. Das 28. Kapitelgehört zur schönsten und erhabensten Literatur,die es je in einer menschlichen Sprache gegeben

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hat. Im letzten Teil dieses Kapitels lesen wir: »Wo-her kommt denn die Weisheit? Und wo ist die Stät-te der Einsicht? Sie ist verhüllt vor den Augen allerLebendigen, auch verborgen den Vögeln unter demHimmel. Der Abgrund und der Tod sprechen: > Wirhaben mit unseren Ohren nur ein Gerücht von ihrgehört. < Gott weiß den Weg zu ihr, er allein kenntihre Stätte. Denn er sieht die Enden der Erde undschaut alles, was unter dem Himmel ist. Als er demWind sein Gewicht gegeben und dem Wasser seinMaß gesetzt, als er dem Regen sein Gesetz gegebenhat und dem Blitz und Donner den Weg: damalsschon sah er sie und verkündigte sie, bereitete sieund ergründete sie und sprach zum Menschen: Sie-he, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und mei-den das Böse, das ist Einsicht.« Hiob 28,20-28.

Der Psalmist sagt: »Er liebt Gerechtigkeit undRecht; die Erde ist voll der Güte des Herrn.« PS.33,5. Gott möchte, daß wir aus allen Dingen derNatur etwas über ihn und seine Liebe lernen. Zu al-len Zeiten haben die Knechte Gottes Lehren aus derNatur gezogen, insbesondere jene heiligen Männer,denen der Geist Gottes seine Worte eingab. Sie er-kannten Gott an seinen Werken. Heutzutage ist esjedoch so wie bei den Philosophen des Altertums,der Mensch hat in seiner vermeintlichen Weisheitkein Verlangen nach Gotteserkenntnis und beziehtihn nicht in seine Berechnungen mit ein. Allzuweni-ge werden beim Studium der Werke Gottes vonwahrer Ehrfurcht vor dem Schöpfer erfüllt. Bei denmeisten findet man kein Lob für die ungeheure

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Macht Gottes. Statt dessen sind sie stolz auf ihreerstaunlichen Entdeckungen, als ob sie die Dingeselbst geschaffen hätten. Sie vergessen, daß es die-se gegeben hat, lange bevor sie selbst geboren wur-den. Sie sprechen mit verächtlichem Mitleid überdie Schreiber der Bibel als über Menschen aus einerrückständigen Zeit, in der die »Wissenschaft« nochkeine Entdeckungen machen konnte, und man wun-dert sich, wie Menschen so einfältig sein konnten,in den Dingen, die wir wahrnehmen und leicht er-klären können, das unmittelbare Wirken Gottes zusehen. — Es ist jedoch weit besser, einfältig zu sein,als viel Weisheit zu haben, die nicht von Gottkommt und nicht zu ihm führt.

Lesen wir die Worte eines Menschen, der keinschlechter Naturforscher war. Seine Weisheit wur-de von seinen Zeitgenossen auf der ganzen Welt be-wundert, und Gott sagte über ihn: »Siehe, ich gebedir ein weises und verständiges Herz, so daß deines-gleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dirnicht aufkommen wird.« l.Kön. 3,12. Das war einMann, von dem das inspirierte Wort Gottes sagt:»Er war weiser als alle Menschen .. . und war be-rühmt unter allen Völkern ringsum. Und er dichte-te dreitausend Sprüche und tausendundfünf Lieder.Er dichtete von den Bäumen, von der Zeder aufdem Libanon bis zum Ysop, der aus der Wandwächst. Auch dichtete er von den Tieren des Lan-des, von Vögeln, vom Gewürm und von Fischen.Und aus allen Völkern kam man, zu hören die Weis-heit Salomos, und von allen Königen auf Erden, die

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56von seiner Weisheit gehört hatten.« l.Kön. 5,11-14.

In seinen Sprüchen schildert er oft die wunder-baren Werke Gottes, und in einem davon bezieht ersich direkt auf das Werk des zweiten Tages derSchöpfungswoche. Er verbindet dieses Werk mitdem Wort Gottes, durch das es ja vollbracht wurde.»Wer ist hinaufgefahren zum Himmel und wiederherab? Wer hat den Wind in seine Hände gefaßt?Wer hat die Wasser in ein Kleid gebunden? Wer hatalle Enden der Welt bestimmt? Wie heißt er? Undwie heißt sein Sohn? Weißt du das? Alle WorteGottes sind durchläutert; er ist ein Schild denen,die auf ihn trauen. Tu nichts zu seinen Worten hin-zu, daß er dich nicht zur Rechenschaft ziehe und duals Lügner dastehst.« Spr. 30,4-6.*

Der Regen, den Gott in seinen dicken Wolkengebunden hat und der durch seine Stimme — diesel-be Stimme, die Frieden und Gerechtigkeit spricht— zur Erde fällt, ist unser Pfand für die Bereit-schaft Gottes zur Sündenvergebung. Mit heiligemMut sagt der Prophet Jeremia: »Herr, wir erkennenunser gottloses Leben und unsrer Väter Missetat;denn wir haben wider dich gesündigt. Aber um dei-nes Namens willen verwirf uns nicht! Laß denThron deiner Herrlichkeit nicht verspottet werden;gedenke doch an deinen Bund mit uns und laß ihnnicht aufhören! Ist denn unter den Götzen der Hei-den einer, der Regen geben könnte, oder gibt derHimmel Regen? Du bist doch der Herr, unser Gott,

* Nach der Tradition der Rabbiner war Agur ein poetischer Name Salo-

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auf den wir hoffen; denn du hast das allesgemacht.« Jer. 14,20-22. Der Herr ist der, der denRegen gibt. Darum wollen wir auf ihn harren undvertrauen, daß er uns nicht verabscheut, wenn-gleich wir schwer gesündigt haben, und daß er umseines eigenen Wortes willen unsere Bosheit ver-gibt.

WOLKEN UND SCHAUER DER GNADE

Genauso wie sich viele vor den dunklen Wolkenam Himmel fürchten, lassen sich viele unnötigbeunruhigen durch die Wolken, die vor ihrem Geistheraufziehen. Oft hört man die Leute sagen, sie hät-ten Segnungen vom Herrn empfangen und sich ih-rer erfreut, später seien jedoch Wolken heraufgezo-gen, und ihr Friede sei entschwunden. Die Wolkenkann man jedoch unterschiedlich sehen.

Wolken scheinen uns etwas Substanzloses zusein. Die Sonne kann sie auflösen. Und da die Sonneder Gerechtigkeit immer scheint, brauchen wir unsnicht unterhalb der Wolke des Zweifels zu befinden.Man kann tatsächlich über den Wolken stehen.Wer diese Erfahrung kennt, kann bezeugen, daßdies ein herrlicher Aufenthaltsort ist. Ich kann mirkeine schönere Szene vorstellen als die, die ich einesAbends erlebte, nachdem ich mich mühsam denOsthang eines Berges hochgearbeitet hatte. DerAnblick, der sich plötzlich meinen Augen bot, warüberwältigend. Wir hatten kurz vor Sonnenunter-gang die Bergspitze erreicht. Das gegenüberliegen-

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de Tal war mit Wolken bedeckt, die im Licht der un-tergehenden Sonne aufleuchteten. Das war nichtnur eindrucksvoll für die Augen, sondern vermittel-te auch eine Lehre, die man nicht mehr vergessenkann. Wenn die Wolken heraufziehen, sollten wiruns erinnern, daß Gott darin wohnt. »Der Herr istKönig; des freue sich das Erdreich und seien fröh-lich die Inseln, soviel ihrer sind. Wolken und Dun-kel sind um ihn her, Gerechtigkeit und Gericht sindseines Thrones Stütze.« PS. 97,1.2. Mitten aus derWolke heraus gab Gott in Liebe sein Gesetz. Undwir wissen: »Sein Gebot ist das ewige Leben.« Joh.12,50. Ja, selbst wenn die Wolken schwer und dun-kel sind, wollen wir uns freuen, denn Gott ist den-noch gegenwärtig. »Er machte Finsternis ringsumzu seinem Zelt; in schwarzen, dicken Wolken war erverborgen.« PS 18,12. Die Wolken, mit denen Gottsich unseren Augen entzieht, geben uns ja die Ge-wißheit, daß er gegenwärtig ist.

Aus den Wolken kommt der Regen, das Symbolder freien und reichlich vorhandenen Gnade Gottes.Wenn Gott uns einlädt, ohne Geld und ohne PreisWein und Milch von ihm zu kaufen — das heißt, zuihm zu kommen und volle Vergebung zu erlangen—, so versichert er uns: »Denn gleichwie der Regenund Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder da-hin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde undmacht sie fruchtbar und läßt wachsen, daß sie gibtSamen, zu säen, und Brot, zu essen, so soll dasWort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Eswird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, son-

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dem wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelin-gen, wozu ich es sende.« Jes, 55,10.11.

Das in den schweren Wolken gebundene Wassersoll uns nicht nur an die große Macht Gottes erin-nern, sondern auch an sein Evangelium der Gnade;denn es ist ja die Macht Gottes zur Erlösung. DasEvangelium ist die gute Nachricht über die Erlö-sung von Sünde. Alles, was auf die Macht Gotteshinweist, zeigt uns, wieviel Macht Gott hat, unsGerechtigkeit zu geben. »Träufelt, ihr Himmel, vonoben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit! DieErde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtig-keit wachse mit auf! Ich, der Herr, habe es geschaf-fen.« Jes. 45,8. Im selben Bild spricht der ProphetHosea: »Säet Gerechtigkeit und erntet nach demMaße der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeitist, den Herrn zu suchen, bis er kommt und Gerech-tigkeit über euch regnen läßt!« Hos. 10,12.

So können wir aus der Macht, die sich in den re-genspendenden Wolken zeigt, die Macht der Gnadeerkennen, die mit Strömen des Segens jene heim-sucht, die sie annehmen.

Mächtige Ströme des Segens!Laß sie durchfluten die Welt!Sende die Zeit der Erquickung,labe das dürstende Feld!

Refrain:

Mächtige, mächtige Ströme!Ströme dein Wort uns verheißt.Herr, ist das Träufeln so köstlich,send uns in Strömen den Geist!

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Mächtige Ströme des Segens!Hört ihr es rauschen von fern?Über die Herzen der Sünderkommt's wie vom Geiste des Herrn.Mächtige Ströme des Segens!Sende sie, Herr, uns noch heut!Jetzt, wo wir flehend uns beugen,jetzt, wo die Herzen bereit!

DER BOGEN DER VERHEISSUNG

Zwischen dem Regen und der Sündenvergebungbesteht eine engere Verbindung, als man für mög-lich hält. Als Gott mit Noah einen Bund schloß undversprach, daß er die Welt nie wieder durch eineSintflut vernichten würde, sagte er: »Das ist dasZeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwi-schen mir und euch und allem lebendigen Getier beieuch auf ewig: Meinen Bogen habe ich in die Wol-ken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundeszwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt,daß ich Wetterwolken über die Erde führe, so sollman meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdannwill ich gedenken an meinen Bund zwischen mirund euch und allem lebendigen Getier unter allemFleisch, daß hinfort keine Sintflut mehr komme, diealles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen inden Wolken sein, daß ich ihn ansehe und gedenkean den ewigen Bund zwischen Gott und allem le-bendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erdenist.« l.Mose 9,12-16.

Gott sagte: »Meinen Bogen habe ich in die Wol-

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61ken gesetzt.« Der Regenbogen ist in besondererWeise Gottes Bogen, weil er den Thron umgibt. AlsJohannes auf der Insel Patmos den Thron Gottesschaute, berichtete er: »Und ein Regenbogen warum den Thron, anzusehen gleichwie ein Smaragd.«Offb. 4,3. Der Prophet Hesekiel hatte auch Gesich-te von Gott. »Und über der Feste, die über ihremHaupt war, sah es aus wie ein Saphir, einem Throngleich, und auf dem Thron saß einer, der aussah wieein Mensch. Und ich sah, und es war wie blinkendesKupfer aufwärts von dem, was aussah wie seineHüften; und abwärts von dem, was wie seine Hüf-ten aussah, erblickte ich etwas wie Feuer und Glanzringsumher. Wie der Regenbogen steht in den Wol-ken, wenn es geregnet hat, so glänzte es ringsum-her. So war die Herrlichkeit des Herrn anzusehen.«Hes. 1,26-28.

Wenn Gott also seinen Bogen in die Wolkensetzt, zeigt er etwas von der Herrlichkeit, die seinenThron umgibt — den Bogen der Verheißung. Ergibt sein Wort, und sein Wort ist seine Herrlich-keit. Aus diesem Grund sagte der Prophet Jeremia,als er mit Gott um Vergebung für das Volk rang:»Entehre nicht den Thron deiner Herrlichkeit.« Jer.14,21 Elberfelder. Würde Gott sein Wort brechen,so wäre die Wirksamkeit seines herrlichen Bogensdahin. Weil er aber ein Teil der Herrlichkeit seinesThrones ist, würde dadurch der Thron seiner Herr-lichkeit in Unehre geraten.

Aus dem prophetischen Wort lernen wir also,daß der Bogen in den Wolken — das Zeichen der Be-

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62ständigkeit des Wortes Gottes — uns nicht nur ver-sichert, daß es keine Sintflut mehr geben wird, son-dern auch eine Zusicherung der Gnade Gottes zurSündenvergebung ist. Gott spricht zu seinem Volk:»Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen,aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sam-meln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick desZorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewigerGnade will ich mich deiner erbarmen, spricht derHerr, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs,als ich schwor, daß die Wasser Noahs nicht mehrüber die Erde gehen sollten. So habe ich geschwo-ren, daß ich nicht mehr über dich zürnen und dichnicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Bergeweichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade sollnicht von dir weichen, und der Bund meines Frie-dens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Er-barmer.« Jes. 54,7-10.

Sind auch die Wolken der Sünde noch so schwerund bedrohlich, die darauf scheinende Herrlichkeitdes göttlichen Wortes der Gnade bringt den Bogender Verheißung deutlich sichtbar hervor. Wir sollenbedenken, daß bei Gott Vergebung ist und ihm dieEhrfurcht gebührt.

So vermitteln selbst die dunklen Wolken, diedie Erde überschatten, eine Botschaft des Trostes:

Ihr furchtsamen Heil'gen, oh fasset doch Mut!Die Wolken, die finster und dunkel erscheinen,sie sind voller Segen, voll himmlischem Gut;und Gnade wird regnen aufs Haupt aller Seinen.

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DER DRITTE TAG

DIE FÜLLE DES MEERES

»Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasserunter dem Himmel an besondere Orte, daß man dasTrockene sehe. Und es geschah so. Und Gott nann-te das Trockene Erde, und die Sammlung der Was-ser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war.«l.Mose 1,9.10. Als der Herr, wie im letzten Teil desBuches Hiob berichtet wird, dem Patriarchen seineHilflosigkeit und Abhängigkeit von Gott beweisen,damit er erkennen sollte, daß Gerechtigkeit alleinvon Gott kommt, verwies er ihn auf diese Samm-lung des Wassers. »Wer hat das Meer mit Torenverschlossen, als es herausbrach wie aus dem Mut-terschoß, als ich's mit Wolken kleidete und in Dun-kel einwickelte wie in Windeln, als ich ihm seineGrenze bestimmte mit meinem Damm und setzteihm Riegel und Tore und sprach: > Bis hierher sollstdu kommen und nicht weiter; hier sollen sich legendeine stolzen Wellen! < ?« Hiob 38,8-11.

Als der Psalmist von der Kraft des Wortessprach, durch das Gott Himmel und Erde schuf,sagte er: »Er hält die Wasser des Meeres zusammenwie in einem Schlauch und sammelt in Kammerndie Fluten.« PS. 33,7. Es ist gut, einen Augenblicküber die Worte »Und es geschah so!« nachzuden-

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ken, mit denen jede neue Stufe des Schöpfungsbe-richtes endet. Gott sagte: »Es werde!« — »Und esgeschah so!« Zur Verwirklichung genügte das blo-ße Wort. Man muß bedenken, daß es das Wort ist,das uns durch das Evangelium gepredigt wird. Sei-ne Kraft hat nie nachgelassen. Es kann in dem Ma-ße erlösen, wie es die Welt schaffen konnte.

Einem Menschen, der auch nur ein wenig mitdem Schöpfer vertraut ist, ist es unmöglich, amMeeresstrand zu stehen, ohne an die ungeheureSchöpferkraft erinnert zu werden. Und doch sehenviele Menschen Tag für Tag das Meer, ohne einmalan den Schöpfer zu denken; im Gegenteil, sie for-dern ihn noch offen heraus. Solchen sagt der Herr:»Hört zu, ihr tolles Volk, das keinen Verstand hat,die da Augen haben und sehen nicht, Ohren habenund hören nicht! Wollt ihr mich nicht fürchten,spricht der Herr, und vor mir nicht erschrecken, derich dem Meere den Sand zur Grenze setze, darin esallezeit bleiben muß, darüber es nicht gehen darf?Und wenn es auch aufwallt, so vermag es dochnichts; und wenn seine Wellen auch toben, so dür-fen sie doch nicht darüber gehen.« Jer. 5,21.22.

Der Herr erinnert uns an seine Kraft, die demMeer die Grenze setzt, die es selbst in den ärgstenStürmen nicht überschreiten kann. Er tut dies,nicht um uns Furcht einzuflößen, sondern um unserVertrauen zu gewinnen. Vollkommener Glaube undLiebe vertreiben alle Furcht. Auf diese Weise wirddie Macht Gottes über das Meer zum Beweis seinerTreue. »Herr, Gott Zebaoth, wer ist wie du? Mäch-

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tig bist du, Herr, und deine Treue ist um dich her.Du herrschest über das ungestüme Meer, du stillestseine Wellen, wenn sie sich erheben.« PS. 89,9.10.Ein Beispiel dieser Treue wird uns in den Evangeli-umsberichten gegeben. »Und an demselben Tagedes Abends sprach er zu ihnen: Laßt uns hinüber-fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmenihn mit, wie er im Schiff war, und es waren noch an-dere Schiffe bei ihm. Und es erhob sich ein großerWirbelwind, und die Wellen schlugen in das Schiff,so daß das Schiff schon voll ward. Und er war hin-ten auf dem Schiff und schlief auf dem Kissen. Undsie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister,fragst du nichts danach, daß wir verderben? Und erstand auf und bedrohte den Wind und sprach zudem Meer: Schweig und verstumme! Und der Windlegte sich, und es ward eine große Stille. Und ersprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Wiehabt ihr denn keinen Glauben? Und sie fürchtetensich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der?Selbst Wind und Meer sind ihm gehorsam!« Mark.4,35-41.

Das war nichts anderes als eine Offenbarungder ursprünglichen Schöpferkraft. Er, der Himmelund Erde, das Meer und alles, was darinnen ist, ge-schaffen hat, behält die volle Herrschaft. In denWorten »Schweig und verstumme!« hören wir die-selbe Stimme, die sprach: »Es sammle sich dasWasser unter dem Himmel an besondere Orte.«Und das ist das Wort, das uns durch das Evangeli-um gepredigt wird. So lernen wir durch die Macht

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Gottes, die er über das Meer hat, das ihm gehörtund das er gemacht hat, welche Macht er über diekämpfenden und brausenden Wogen hat, die in denHerzen der Menschen wüten.

Das tobende Meer stellt die Gottlosen dar.»Aber die Gottlosen sind wie das ungestüme Meer,das nicht still sein kann und dessen WellenSchlamm und Unrat auswerfen. Die Gottlosen ha-ben keinen Frieden, spricht mein Gott.« Jes.57,20.21. Christus ist unser Friede. Das Wort, daser in jener Nacht an den See Genezareth richtete,ergeht auch an uns. »Könnte ich doch hören, wasGott der Herr redet, daß er Frieden zusagte seinemVolk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheitgeraten.« PS 85,9. Hier ist Trost für die, die so lan-ge vergeblich mit brennenden Leidenschaften zukämpfen hatten.

Gottes Macht über das Meer ist nicht nur einSymbol seiner Macht zur Errettung der Menschenvon der Sündenflut, sondern auch Verheißung undGewißheit ihrer endgültigen und völligen Befrei-ung. Außerdem läßt seine Macht über das Meer er-kennen, mit welcher Macht Gott die letzte Verkün-digung der Evangeliumsbotschaft in dem Kampf,der der Wiederkunft Christi vorausgeht, begleitet.Folgende Verheißung bestärkt uns in diesem Ge-danken: »Wach auf, wach auf, zieh Macht an, duArm des Herrn! Wach auf, wie vor alters zu Anbe-ginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab (Ägyp-ten) zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?Warst du es nicht, der das Meer austrocknete, die

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Wasser der großen Tiefe, der den Grund des Meereszum Wege machte, daß die Erlösten hindurchgin-gen? So werden die Erlösten des Herrn heimkehrenund nach Zion kommen mit Jauchzen, und ewigeFreude wird auf ihrem Haupte sein. Wonne undFreude werden sie ergreifen, aber Trauern undSeufzen wird von ihnen fliehen. Ich, ich bin euerTröster! Wer bist du denn, daß du dich vor Men-schen gefürchtet hast, die doch sterben, und vorMenschenkindern, die wie Gras vergehen, und hastdes Herrn vergessen, der dich gemacht hat, der denHimmel ausgebreitet und die Erde gegründet hat,und hast dich ständig gefürchtet den ganzen Tagvor dem Grimm des Bedrängers, als er sich vor-nahm, dich zu verderben? Wo ist nun der Grimmdes Bedrängers? Der Gefangene wird eilends losge-ben, daß er nicht sterbe und begraben werde unddaß er keinen Mangel an Brot habe. Denn ich binder Herr, dein Gott, der das Meer erregt, daß seineWellen wüten — sein Name heißt Herr Zebaoth — ;ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und ha-be dich unter dem Schatten meiner Hände gebor-gen, auf daß ich den Himmel von neuem ausbreiteund die Erde gründe und zu Zion spreche: Du bistmein Volk.« Jes. 51,9-16.

»Denn sein ist das Meer, und er hat's gemacht«,und er »mißt die Wasser mit der hohlen Hand«. PS.95,5; Jes. 40,12. Ist das nicht Grund genug, daß sei-ne Kinder ihm vertrauen, sei es in Gefahren, in de-nen er uns bewahren kann, sei es zur Verrichtungdes Werkes, zu dem er uns berufen hat, oder darin,

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69die überwindende Gnade zu erfahren, die er unsgibt?

Meister, es toben die Winde,die Wellen bedrohn uns sehr!Der Himmel umwölkt sich gar schaurig!Wo nehmen wir Rettung her?Fragst du nicht, ob wir verderben?Merkst du nicht, wie wir bedrängt?Jeden Augenblick mag es geschehen,so sind wir in Tod versenkt!

Meister, voll Unruh' im Herzen,ruf heute ich laut zu dir!Die Tiefen sind in mir erreget!Erwache und hilf auch mir!Stürme von schwerer Anfechtungtreten an mich heran.Ich verderbe, o Herr, ich verderbe,hilf mir als mein Steuermann!

Meister, der Sturm ist vorüber,die finsteren Mächte ruhn;die Sonne scheint wieder so lieblich,ich schmeck' Himmelsfrieden nun.Laß mich, du treuer Erretter,ferner nur nie allein!O, so zieh' ich einst sicher zum Hafender ewigen Ruhe ein!

LEHREN VOM GRAS

»Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehenGras und Kraut, das Samen bringe, und früchtbareBäume auf Erden, die ein jeder nach seiner ArtFrüchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es ge-schah so. Und die Erde ließ aufgehen Gras und

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Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art,und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Sa-me ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, daßes gut war.« l.Mose 1,11.12. Gott sprach: »Es wer-de!« — »Und es geschah!« »Wenn er spricht, so ge-schieht's; wenn er gebietet, so steht's da.« PS. 33,9.Und dieses Wort lebt und besteht für immer. Nieverliert es an Leben oder Kraft. Die Zeit beeinflußtseine Stärke nicht. Das Wort, das alle Dinge schuf,erhält sie auch. Demzufolge wirkt sich der Befehl»Es lasse die Erde aufgehen Gras!« bis auf den heu-tigen Tag noch aus, und Gras, Krauter und Bäumekommen aus der Erde hervor. Hätte das Wort, baldnachdem es ausgesprochen war, seine Wirkung ver-loren, so hätte es nie wieder Gras gegeben, und das,was schon aufgegangen war, wäre zugrundegegan-gen. Besonders wäre das nach dem Sündenfall derFall gewesen, als der Fluch über die Welt gekom-men war und damit der Tod über Menschen, Tiereund Pflanzen. Wenn das Wort, das im Anfang dasGras ins Leben rief, nicht in Kraft geblieben wäre,wäre die Erde schnell zu einer wüsten Einöde ge-worden. Aber das Wort lebt weiter und erhält derErde das grüne Kleid des Grases und einen Über-fluß an Früchten zum Wohl der Menschen.

Das ist nicht nur Theorie. So etwas Einfacheswie das Gras ruft nicht die menschliche Bewunde-rung hervor. Man meint, es wüchse von selbst, ohnedaß Gott etwas dazu täte. Die meisten Menschenglauben sogar, es läge unter der Würde Gottes, sichmit einer solch unscheinbaren Sache wie dem Gras

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abzugeben. Das ist genau der Grund, warum derGlaube für viele Menschen, so wenig praktischenWert hat. In ihrer Vorstellung ist Gott ein weit ent-ferntes Wesen, das so sehr mit seinen eigenen Be-langen beschäftigt ist, daß ihm für die nebensächli-chen Dinge seines Reiches keine Zeit mehr bleibt.Sie bedenken nicht, daß Gott es sich besonders zurAufgabe gemacht hat, seine Schöpfung — vomKleinsten bis zum Größten — zu erhalten. Sie ver-gessen, daß die Größe Gottes gerade in seiner Fä-higkeit liegt, gleichzeitig das unvorstellbar Großezu bewerkstelligen und der kleinsten Einzelheit sei-ne Aufmerksamkeit zu schenken.

Satan freut sich, wenn die Menschen glauben,Gott kümmere sich nicht um die kleinen Dinge. Ge-rade das ist die Anklage, die er gegen Gott vor-bringt. Durch seine Einflüsterungen haben dieMenschen diese falsche Gottesvorstellung ange-nommen. Eine weit verbreitete Idee ist — von derextremen Version der Entwicklungslehre einmalabgesehen — , daß Gott wohl das Weltall im An-fang ins Leben rief, aber der Materie eine gewisseKraft verlieh und sie bestimmten Gesetzen unter-warf, so daß danach alles für immer seinen Laufnahm ähnlich wie eine Uhr, die man aufzieht unddann sich selbst überläßt. Kann jemand, der einesolche Ansicht über die Schöpfung hat, noch mitVertrauen beten? Was kann er von Gott erwarten?Es ist nicht verwunderlich, daß sich so viele bekla-gen, Gott beantworte ihre Gebete nicht. Der Gott,den sie anbeten, ist zu weit entfernt, und er ist auch

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ihren Belangen gegenüber zu gleichgültig; oder dievon ihm starr festgelegten Gesetze halten ihn da-von ab, sich für sie einzusetzen. Ein solcher Gott istnicht der Gott der Heiligen Schrift.

Es ist nicht belanglos, daß die neuesten Schlüs-se der Wissenschaft so viele Bibelgläubige verleitethaben, ihre Ansicht über die Schöpfungsgeschichtezu ändern. Es gab eine Zeit, da glaubten die Chri-sten, daß die Bibel das meint, was sie aussagt. DieMänner, durch die Gott mächtig zur Bekehrungvon Tausenden wirkte, waren Männer des Glau-bens, und ihr Glaube gründete sich auf diese göttli-che Macht, die Himmel und Erde geschaffen hat,und auf das Wort, das selbst die kleinsten Dinge er-hält. Ihr Glaube und die praktische Anwendung derTatsache, daß Gott lebt, daß alles in seiner Machtliegt und alles seiner direkten Herrschaft unter-steht, gab ihnen die Kraft, in den Kämpfen mitSchwierigkeiten und Gefahren durchzuhalten. Daswar die Quelle ihrer Kraft und das Geheimnis ihresErfolges.

Wie anders sieht es heute aus! Man findet kaumnoch einen Prediger des Evangeliums, der es wagt,seinen Glauben an den buchstäblichen Schöpfungs-bericht des ersten Kapitels der Bibel zu bekennenund damit seinen Ruf zu riskieren. Sie befürchten,man könnte ihnen nachsagen, daß sie rückständigseien. Wenn in dieser schrecklichen Zeit doch nurmehr Männer willig wären, um der Wahrheit willenals rückständig zu gelten, und sich nicht fürchtetenum Christi willen als Toren angesehen zu werden.

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Menschen fürchten sich, dem Wort Gottes zuglauben, weil es nicht mit jener Philosophie über-einstimmt, die uns von den heidnischen Religionendes Altertums überliefert ist. Weil der Glaube fehlt,hat sich das Wort auch nicht offen bekunden kön-nen. Es gab zu wenig Gelegenheit dazu. Christenbeten um eine Erweckung ihrer Frömmigkeit.Wenn sie doch nur ihren Glauben an das geschrie-bene Wort Gottes weckten und es als das lebendigeWort, als die Quelle alles Lebens und aller Kraft an-erkennen wollten, dann würde auch eine echte Er-weckung ihrer Frömmigkeit folgen. Wenn dasEvangelium gepredigt wird — nicht als menschli-che Weisheit, sondern in Worten , die der GeistGottes lehrt — , wenn es als das lebendige undwirksame Wort Gottes vor Augen geführt wird,dann wird man die Folgen an denen sehen, die ihmglauben.

Der sicherste Weg zur Untergrabung und Ent-kräftung des Evangeliums besteht heute darin, daseinfache Wort Gottes durch bestimmte Lehren zuersetzen, die fälschlicherweise als Wissenschaft be-zeichnet werden. Gott ist in den Hintergrund ge-drängt worden, und man meint, er sei weit entfernt.Zwar gibt es viele, die die Evangeliumsbotschaftannehmen möchten und die sich aufrichtig nach Er-lösung von Sünde sehnen, doch hat die Entwick-lungslehre, obwohl sie nicht direkt an sie glauben,ihren Glauben so weit abgeschwächt, daß sie demHerrn nicht nahekommen, um mit ihm zu wandelnund zu verkehren; sie machen ihn nicht zum wirksa-men Mittelpunkt aller Belange ihres Lebens.

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Nun wollen wir einige einfache Tatsachen unter-suchen, die selbst in unsrem wissenschaftlichenZeitalter rechtfertigen, daran zu glauben, daß dasWort des Herrn »Es lasse die Erde aufgehen Gras!«auch heute noch das Gras aus der Erde hervor-bringt. Wer hat nicht schon beobachtet, wie derzarte Halm des Grases oder Getreides aus der Erdesprießt? Wer hat sich nicht schon einmal beim Spa-ziergang entlang des Feldes darüber gewundert,wie der schwache, winzige Halm trotz schwererErdscholle nach oben treibt? Und wer hat nicht be-obachtet, wie sich die feste Erdkruste kegelartigaufhäuft, und wenn man darunterschaut, siehtman, daß sie nur von einem winzigen Halm hochge-halten wird! Entfernt man ihn aus dieser Stellung,so ist er so schwach und zart, daß er nicht einmalsein eigenes Gewicht tragen könnte. Das Hälmchenhat noch kaum Farbe und besteht aus wenig mehrals etwas Wasser. Zerquetscht man es zwischenden Fingern, so bleibt gerade noch etwas Feuchtig-keit übrig. Und dieses winzige Ding drückte einStück Erde über sich hoch, zehntausendmal soschwer wie es selbst.

Woher kommt solche Kraft? Liegt sie in der Na-tur des Grases? Untersuchen wir es. Wir nehmen ei-nen voll ausgewachsenen Grashalm und ein Erd-klümpchen, nicht einmal halb so schwer wie eines,das durch den kleinen Halm hochgedrückt wurde.Was geschieht, wenn wir nun die kleine Erdscholleauf den ausgewachsenen Grashalm legen? Das weißjeder: Der Grashalm wird niedergedrückt. Er hat

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keine Kraft. Machen wir noch einen Versuch. Neh-men wir den Halm, der sich seinen Weg durch dasErdreich nach oben erzwungen hat, aus dem Bodenund halten ihn zwischen den Fingern, und er wirdschlaff herunterhängen. Er kann nicht aufrechtste-hen. Man kann sich kaum etwas Schwächeres vor-stellen als solch einen Grashalm. Und doch ist esderselbe Halm, der eben noch im Boden stand undein Gewicht trug, das um ein Vielfaches größer istals sein eigenes. Wir stehen vor einem Wunder, dassich millionen- und abermillionenmal im Jahr wie-derholt. Und doch wird gesagt, die Zeit der Wundergehöre der Vergangenheit an.

Kann eine Wissenschaft erklären, woher diesemerkwürdige Macht des Grases kommt oder wel-che Macht es ist, die es dem kleinen Keim einesPfirsichkerns ermöglicht, seine harte Schale zudurchbrechen? Da ist etwas, was weder mit demMikroskop noch durch die Analyse des Chemikerswahrgenommen werden kann. Man sieht nur dieAuswirkung der Kraft, nicht aber die Kraft selbst.Der Skeptiker mag über dieses Beispiel spotten,doch wir geben uns damit zufrieden und glaubeneinfach, daß diese Kraft nichts anderes ist als dieKraft des Wortes Gottes. Das Wort Gottes sagteam Anfang, es soll Gras aus der Erde aufgehen,und die Kraft dieses Wortes brachte das Gras trotzder Erdschicht überall hervor. In dem Gras selbstist keine Kraft. Doch Gott benutzt dieses schwacheWerkzeug, um dem Menschen die ungeheure Kraftseines Wortes zu zeigen. Jeder Mensch kann dieseLehre annehmen, wenn er will.

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Sagte ich, wir geben uns zufrieden, einfach zuglauben, daß es die Kraft des Wortes Gottes ist, diesich im Grashalm offenbart? Nein, wir geben unsnicht nur damit zufrieden, sondern wir sind frohund glücklich, daß wir die Macht Gottes in diesenkleinen Dingen erkennen können. Das gibt uns dieGewißheit, daß er »überschwenglich tun kann überalles, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft,die da in uns wirkt.« Eph. 3,20. Dieselbe Kraft, dieim Gras auf dem Felde wirkt, wirkt nämlich auch indem Menschen, der sein Vertrauen auf Gott setzt.»Alles Fleisch ist Gras.« Jes. 40,6. Der Mensch istgenauso schwach wie das Gras. Er besitzt absolutkeine Kraft in sich. Und doch kann er alle Dingetun durch Christus, der ihn stark macht.

Wir denken noch einmal an die Stimmbilder.Die Stimme eines Menschen kann die Formen vonlebenden Dingen wiedergeben. Doch die StimmeGottes schafft die lebenden Dinge selbst. Das Gras,die Bäume und die unzähligen Arten von Früchtenund Blumen wachsen nicht nur im Gehorsam ge-genüber dem Worte Gottes, sondern sie sind aucheine sichtbare Gestaltung seiner Stimme. In derganzen Natur sehen wir die Stimme Gottes; unddas ist der Grund dafür, daß wir seinem Wort ver-trauen, wenn wir die Heilige Schrift lesen. Es istkein Zufall, daß das 11. Kapitel des Hebräerbriefes,in dem einige der mächtigsten Werke berichtet wer-den, die je durch schwache Menschen in einfachemGlauben an das Wort Gottes vollbracht wordensind, mit der Aussage beginnt: »Durch Glauben er-

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kennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort ge-macht ist.« Man kann über die Einfältigkeit einesIndianers lächeln, der mit seinem ungelehrten Ver-stand Gott in den Wolken sieht und im Wind ver-nimmt. Es ist besser, einen ungelehrten Verstandzu haben als einen, der voll von jener Lehre ist, »dieabirren macht von den Worten der Erkenntnis«.Spr. 19,27 Elberfelder.

Christus spricht uns heute genauso an wie seineJünger damals: »Ihr habt mich nicht erwählt, son-dern ich habe euch erwählt und gesetzt, daß ihr hin-gehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe,damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen,er's euch gebe.« Joh. 15,16. Wie sollen wir Fruchtbringen? Durch dieselbe Kraft, die die Früchte inder Natur wachsen läßt. Das Wort, das sprach: »Eslasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Sa-men bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden!«,das Wort, das sich in Gras und Bäumen offenbart,spricht zu uns: »Bringt Frucht!« Und wenn wir unsdem Wort Gottes genauso willig unterstellen, wiedie ganze Schöpfung es tut, wird die Frucht genau-so reichlich sein. Diese Frucht soll aber zur Verherr-lichung Gottes dienen: »Darin wird mein Vater ver-herrlicht, daß ihr viel Frucht bringet.« Joh. 15,8.Wenn die Kraft, Frucht zu bringen, in uns selbstwäre, diente das nicht zur Verherrlichung Gottes.Doch alle Frucht dient zur Verherrlichung Gottes,denn von ihm geht alle Kraft aus. Wir sind nicht an-ders als das Gras: kraftlose Werkzeuge, durch dieGott seine eigene Kraft offenbart.

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Der göttliche Befehl lautet: »Wachset aber inder Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Hei-landes Jesus Christus.« 2.Petr. 3,18. Doch wie kön-nen wir wachsen? Genauso wie der Same im Boden.»Das Reich Gottes ist so, wie wenn ein Mensch Sa-men aufs Land wirft und schläft und steht aufNacht und Tag; und der Same geht auf und wächst,ohne daß er's weiß.« Mark. 4,26.27. Es kann sein,daß wir nicht wissen, wie der gute Same des WortesGottes in uns aufgeht und Frucht bringt, aber dasist nicht wesentlich. »Gott aber gibt ihm einenLeib, wie er will.« l.Kor. 15,38. Es ist unsre Aufga-be, uns dem göttlichen Ackersmann zu ergeben;sein Werk ist es, das Wachstum zu bewirken unddie Frucht zu vervollkommnen.

Immer wieder gebraucht die Heilige Schrift dasWachstum der Pflanzen als Beispiel für das Wachs-tum im geistlichen Leben des Christen. Der Apo-stel Paulus sagt: »Ihr seid Gottes Ackerfeld.«l.Kor. 3,9. In diesem Sinne lesen wir: »Der GeistGottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich ge-salbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden guteBotschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zuverbinden, zu verkündigen den Gefangenen dieFreiheit, den Gebundenen, daß sie frei und ledigsein sollen . . . zu schaffen den Trauernden zu Zion,daß ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl stattTrauerkleid, Lobgesang statt eines betrübten Gei-stes gegeben werden, daß sie genannt werden> Bäume der Gerechtigkeit <, > Pflanzung desHerrn <, ihm zum Preise.« Jes. 61,1.3.

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79Das ist es, was wir bedenken müssen: es ist alles

Gottes Werk. Wir sind sein Acker. Er arbeitet undpflanzt darauf. So wird er verherrlicht. Beachteweiter, wie der Vergleich zu dem Wachstum derPflanzen gezogen wird. Die Erlösung von Sünde —ein Leben der Gerechtigkeit — ist in der Tat einemSenfkorn gleich, das in die Erde geworfen wird.»Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröh-lich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleiderdes Heils angezogen und mich mit dem Mantel derGerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mitpriesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eineBraut, die in ihrem Geschmeide prangt. Denngleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Sameim Garten aufgeht, so läßt Gott der Herr Gerech-tigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Heidenvöl-kern.« Jes. 61,10.11.

Es ist wunderbar, was Gott tun kann, wenn wires ihm nur erlauben. Jemand mag einwenden:Wenn er so mächtig ist, warum geht er dann nichtseinen Weg mit uns, auch gegen unseren Willen? —Weil seine Macht einfach die Macht der Liebe istund die Liebe keinen Zwang anwendet. Gott möch-te jedes Wesen des ganzen Universums zufrieden-stellen. Darum gibt er ihnen allen das Recht aufvollkommene Freiheit, das Recht, frei wählen zukönnen, was sie haben wollen. Er teilt ihnen den re-lativen Wert der Dinge mit, und dann bittet er sie,das Gute zu wählen. Entscheidet sich aber jemandfür das Böse, so läßt er es ihn haben. In seinemReich möchte Gott freie Menschen haben. Er will

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kein Geschlecht von Sklaven und Gefangenen. Daswürden die Menschen aber sein, wenn sie gezwun-gen wären, die Erlösung gegen ihren Willen anzu-nehmen. Gott möchte Untertanen, denen er ver-trauen kann, in welchem Teil seines Universums siesich auch befinden. Würde er sie zur Erlösung zwin-gen, so müßte er auch Gewalt anwenden, um sie inseinem Reich zu halten. Christus kam, den Gefan-genen die Freiheit zu verkündigen, und er beabsich-tigt nicht, sie in eine andere Gefangenschaft zu füh-ren.

Wenn aber jemand erlöst werden möchte, unge-achtet, wie klein und schwach und unbedeutend erin den Augen der Menschen ist, und wenn er nichtmehr als ein unter den Füßen zertretener Grashalmwäre, so kann Gott Wunder an ihm vollbringen.Wenn Gott schon das Gras des Feldes, das heutesteht und morgen vergeht, bekleidet, wieviel mehrwird er den Menschen, den er zu seinem Bilde ge-schaffen hat, mit seiner Macht bekleiden, wenn die-ser sich ihm nur unterstellt. Die Verheißung, daßGott uns bekleidet, bezieht sich nicht allein auf dieKleidung für den Körper. »Ist nicht das Lebenmehr als die Speise und der Leib mehr als die Klei-dung?« Matth. 6,25. Wenn er uns schon das weni-ger Wichtige gibt, dann gibt er bestimmt auch das,was unendlichen Wert hat. So bezieht sich die Ver-heißung, daß er uns viel mehr als das Gras beklei-det, auch auf das Gewand der Erlösung — dasKleid der Gerechtigkeit —, das er uns anziehenmöchte. Jene Macht, die so wunderbar in dem win-

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82zigen Grashalm wirkt, wird noch viel mächtiger indem Menschen wirken, der auf Gott vertraut.

»Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wach-sen.« Dies ist, wie schon gesagt, zu unsrer Ermuti-gung geschrieben worden, damit wir in der Gnadewachsen. So wie sie müssen auch wir wachsen. Le-sen wir einige weitere inspirierte Worte, aus denendeutlich hervorgeht, daß das Wachsen der Liliennur ein Beispiel für das Wachsen des Christen inder Gnade ist. »Bekehre dich, Israel, zu dem Herrn,deinem Gott; denn du bist gefallen um deinerSchuld willen. Nehmt diese Worte mit euch und be-kehrt euch zum Herrn und sprecht zu ihm: Vergibuns alle Sünde und tu uns wohl, so wollen wir op-fern die Frucht unserer Lippen. Assur soll uns nichthelfen; wir wollen nicht mehr auf Rossen reiten,auch nicht mehr sagen zu den Werken unserer Hän-de: > Ihr seid unser Gott. < Denn bei dir finden dieVerwaisten Gnade.« Hos. 14,2-4. Der Herr sprichthier offensichtlich über Sünde und Gerechtigkeit.Er fordert sein von ihm abgewichenes Volk auf um-zukehren und lehrt sie, was sie zu ihm sagen sollen.Sie sollen sagen, daß sie nicht mehr den Werken derMenschen vertrauen wollen. Die Werke sollen nichtmehr von ihnen selbst kommen, sondern sie sollenin Gott getan sein. Sieh nur die Zusicherung, dieGott denen gibt, die auf diese Weise zu ihm zurück-kehren: »So will ich ihre Abtrünnigkeit wieder hei-len; gerne will ich sie lieben; denn mein Zorn sollsich von ihnen wenden. Ich will für Israel wie einTau sein, daß es blühen soll wie eine Lilie, und seine

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Wurzeln sollen ausschlagen wie eine Linde und sei-ne Zweige sich ausbreiten, daß es so schön sei wieein Ölbaum und so guten Geruch gebe wie die Lin-de. Und sie sollen wieder unter meinem Schattensitzen; von Korn sollen sie sich nähren und blühenwie ein Weinstock.« Hos. 14,5-8.

Das ist nicht alles. Gottes Volk ist sein Wein-berg; es ist der Zweig, den er zu seiner Verherrli-chung gepflanzt hat. Es würde nicht zur Verherrli-chung Gottes dienen, wenn sein Volk vernichtetwürde, weil er nicht persönlich über es wachte. Des-wegen versichert er ihnen: »Zu der Zeit wird es hei-ßen: Lieblicher Weinberg, singet ihm zu! Ich, derHerr, behüte ihn und begieße ihn immer wieder. Da-mit man ihn nicht verderbe, will ich ihn Tag undNacht behüten. Ich zürne nicht. Sollten aber Di-steln und Dornen aufschießen, so wollte ich über sieherfallen und sie alle miteinander anstecken, es seidenn, sie suchen Zuflucht bei mir und machen Frie-den mit mir, ja Frieden mit mir. Es wird einst dazukommen, daß Jakob wurzeln und Israel blühen undgrünen wird, daß sie den Erdkreis mit Früchten er-füllen.« Jes. 27,2-6.

Es ist nicht notwendig, weitere Beispiele anzu-führen. Die Heilige Schrift ist voll davon, wir könn-ten sie nicht erschöpfen, selbst wenn wir es ver-suchten. Und der einzige Zweck dieses Buches be-steht darin, den Leser zu einem genaueren Studiumdes Wortes Gottes zu veranlassen. Man muß sichdie Schrift als das lebendige Wort Gottes zu eigenmachen, das tatsächlich in denen wirkt, die daran

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84glauben. Schiebe Gott nicht in den Hintergrund,sondern beweise durch deinen Glauben, daß er naheist, ja daß er eine gegenwärtige Hilfe in Schwierig-keiten ist. Gott steht uns zur Seite. Er ist nichtweit entfernt, und nichts ist ihm zu schwer. In derganzen Natur kommt seine Liebe und Macht zumAusdruck. Durch die Dinge, die er geschaffen hat,möchte er uns ansprechen. Alle Dinge bestehen inihm. Dasselbe Wort, durch das das Weltall ins Le-ben gerufen wurde und das zur Erde sagte: »BringeGras hervor!«, spricht zu uns durch das GesetzGottes. Das Gesetz ist jedoch kein harter, lebloserErlaß, dem nachzukommen sich schwache Sterbli-che umsonst bemühen, während Gott mit strengemBlick zusieht und jederzeit bereit ist, sie für ihreVergehen zu tadeln und zu strafen; nein, sondernwir wissen: »Sein Gebot ist das ewige Leben.« Joh.12,50. Das Wort, das uns sagt: »Du sollst denHerrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen unddeinen Nächsten wie dich selbst!«, gießt seine Lie-be auch in unsre Herzen aus, genauso wie das WortGottes bei den Pflanzen Früchte hervorbringt.Dann können wir wohl singen:

Das Gesetz des Herrn ist vollkommenund erquickt die Seele.Das Zeugnis des Herrn ist gewißund macht die Unverständigen weise.

Die Befehle des Herrn sind richtigund erfreuen das Herz.Die Gebote des Herrn sind lauterund erleuchten die Augen.

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Die Furcht des Herrn ist reinund bleibt ewiglich.Die Rechte des Herrn sind Wahrheit,allesamt gerecht.

Sie sind köstlicher als Goldund viel feines Gold,sie sind süßer als Honigund Honigseim.

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DER VIERTE TAG

DAS FIRMAMENTVERKÜNDIGT SEINER HÄNDE WERK

In keinem Teil der Schöpfung findet man besse-re Evangeliumslehren als am Firmament. Daß dieHimmelskörper das Evangelium verkündigen, ob-wohl sie nicht hörbar predigen können, ist schon er-wähnt worden. Im Römerbrief spricht Paulus da-von, daß nicht alle der Evangeliumsbotschaft ge-horsam waren, und fügt hinzu, daß der Glaube ausder Predigt der Botschaft kommt; und dann stellt erdie Frage: »Haben sie es nicht gehört?« Was sollensie gehört haben? Das Evangelium natürlich. Pau-lus beantwortet seine Frage selbst, indem er einenPsalm anführt, der über die Himmelskörperspricht: »Wohl, es ist ja > in alle Lande ausgegangenihr Schall und ihr Wort bis an der Welt Ende. <«Röm. 10,15-18. Demnach ist der Himmel der größteund stärkste Verkündiger des Evangeliums. Damitwir seine Sprache zukünftig besser verstehen, wol-len wir einigen Gedanken nachgehen, die uns dasWort Gottes hierüber vor Augen führt.

»Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes,und das Himmelsgewölbe verkündigt seiner HändeWerk.« PS. 19,1 Elberfelder 1976. Wir vergleichendiese Worte mit einer Aussage über den Menschen:

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87»Denn wir sind sein Werk, geschaffen in ChristusJesus zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitethat, daß wir darin wandeln sollen.« Eph. 2,10. DieSchrift beschreibt den Menschen mit derselbenSprache wie die Himmelskörper. Beide sind dasWerk Gottes. Die Sterne sind in Christus geschaf-fen, und der Mensch ist es ebenfalls, vorausgesetzt,daß er sich Gott ergibt. Wozu sie erschaffen sind,ist auch bei beiden gleich: zu guten Werken. Undbeide sollen durch gute Werke den Vater verherrli-chen, der im Himmel ist. Wenn wir Menschen dieseguten Werke wirklich aufweisen, dann verkündenwir die Herrlichkeit Gottes, so wie es das ganze Fir-mament tut.

Das Firmament tut das Werk, das Gott ihmaufgetragen hat, denn es unterstellt sich vollkom-men seinem Willen. Wenn wir uns auch so seinemWillen unterstellen, dann tun wir das Werk, das eruns aufgetragen hat. Dieses Werk verherrlicht ihn,denn er ist es, der es in uns tut. Gott hat diese Wer-ke schon zuvor bereitet, damit wir darin wandelnsollen. In diesem Sinn sagt Christus von dem Men-schen, der die Wahrheit tut und zum Licht kommt,»daß seine Werke offenbar werden, denn sie sind inGott getan«. Joh. 3,21. Gott selbst tut die Werke,sonst wären sie nicht die Gerechtigkeit Gottes.Auch was das Firmament tut, ist sein Werk. Wennwir uns freiwillig genauso seinem Willen unterstel-len, wie es das Firmament tut, dann wird Gott ge-nauso durch uns verherrlicht, selbst wenn wir eben-so unfähig wären, einen hörbaren Ton von uns zugeben.

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Der Himmel ist eine Bürgschaft für die TreueGottes. »Ich will singen von der Gnade des Herrnewiglich und seine Treue verkünden mit meinemMunde für und für; denn ich sage: Für ewig stehtdie Gnade fest; du gibst deiner Treue sicherenGrund im Himmel.« PS. 89,2.3. Die Existenz desHimmels ist eine Bürgschaft, daß Gott seine Ver-heißungen der Gnade für uns Menschen nicht ver-gessen hat. Das 31. Kapitel des Propheten Jeremiaist voller »treuer und allergrößter Verheißungen«Gottes. Sofort nach der Verheißung in Vers 34:»Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrerSünde nimmermehr gedenken« kommen diese Wor-te: »So spricht der Herr, der die Sonne dem Tagezum Licht gibt und den Mond und die Sterne derNacht zum Licht bestellt; der das Meer bewegt, daßseine Wellen brausen — Herr Zebaoth ist sein Na-me —: Wenn jemals diese Ordnungen vor mir insWanken kämen, spricht der Herr, so müßte auchdas Geschlecht Israels aufhören, ein Volk zu seinvor mir ewiglich.« Jer. 31,35.36. Solange Sonne,Mond und Sterne das ihnen zugewiesene Werk re-gelmäßig tun, können Menschenkinder beim HerrnGnade finden. So lange können sie zu ihm kommenund Vergebung, Frieden und Gerechtigkeit erlan-gen.

DER EID GOTTES

Diese Gedanken gehen aber noch tiefer. »Dennals Gott dem Abraham die Verheißung gab, schwur

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er bei sich selbst, da er bei keinem Größeren zuschwören hatte.« Hebr. 6,13. Mit diesem Eid be-kräftigte Gott eine Verheißung, die schon in sichselbst unverbrüchlich war: ja, es war eine Verhei-ßung, die in Christus verbürgt war. Über diesenEid lesen wir weiter: »Darum hat Gott, da er wollteden Erben der Verheißung überschwenglich bewei-sen, daß sein Ratschluß nicht wanke, sich noch miteinem Eid verbürgt. So sollten wir durch zweiStücke, die nicht wanken — denn es ist unmöglich,daß Gott lügt —, einen starken Trost haben, die wirunsre Zuflucht dazu genommen haben, festzuhal-ten an der angebotenen Hoffnung. An ihr haben wireinen sichern und festen Anker unsrer Seele, derhineinreicht bis in das Innere hinter dem Vorhang.Dahin ist als Vorläufer für uns eingegangen Jesus,der ein Hoherpriester geworden ist in Ewigkeitnach der Ordnung Melchisedecks.« Hebr. 6,17-20.

Zweierlei ist hier beachtenswert. Erstens, daßder Eid auf diese Verheißung um unsertwillen gelei-stet wurde. Für Abraham war es nicht nötig, daßGott seine Verheißung mit einem Eid bekräftigte,denn er hatte eindeutig bewiesen, daß er Gott ein-fach bei seinem Wort nahm. Gott legte diesen Eidvielmehr ab, damit unser Glaube an sein Wort ge-stärkt würde. Zweitens bezieht sich die beeideteVerheißung auf die Sündenvergebung und alle an-deren Segnungen, die Christus uns als unser Hoher-priester sichert. Das sind Dinge, die denen zumTrost und zur Ermutigung gegeben sind, die beiChristus Zuflucht suchen. Wenn wir also zu Chri-

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90stus kommen und in Zeiten der Not Barmherzigkeitund Gnade erbitten, können wir durch die eidlichbekräftigte Verheißung Gottes von vornherein ge-wiß sein, daß wir das bekommen, worum wir bitten.Laßt uns nun innehalten und darüber nachdenken,was das bedeutet.

Gott haftet mit seiner eigenen Existenz für sei-nen Eid; denn »er schwur bei sich selbst«. Damit er-klärt Gott, daß er sein Leben aufgibt, wenn sich dieVerheißung nicht erfüllt. Die Verheißung steht da-durch so fest wie Gott selbst. So wie Gott vonEwigkeit zu Ewigkeit besteht, »währt die Gnadedes Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen,die ihn fürchten«. PS. 103,17. Der Vater und derSohn sind eins. Wenn sich der Vater durch einenEid verbürgt, verbürgt sich damit auch der Sohn.Doch »in ihm ist alles geschaffen, was im Himmelund auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare,es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oderGewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaf-fen. Und er ist vor allem, und es besteht alles inihm.« Kol. 1,16.17. Er ist das Wort, durch das alleDinge zusammengehalten werden. »Er ist der Ab-glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seinesWesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigenWort und hat vollbracht die Reinigung von unsrenSünden und hat sich gesetzt zu der Rechten derMajestät in der Höhe.« Hebr. 1,3.

Himmel und Erde sind von der Existenz Gottesabhängig; und Gott hat sich mit seiner eigenen Exi-stenz für die Erfüllung seiner Verheißungen ver-

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91bürgt. Demzufolge hängt die Existenz des Him-mels, ja des ganzen Universums davon ab, daßGott seine Verheißungen gegenüber dem gläubigenSünder erfüllt. Würde ein einziger Sünder, gleich-gültig wie unbedeutend, unwert und unbekannt erist, aufrichtig zu Gott kommen und um Vergebungund ein heiliges Wesen bitten und es nicht bekom-men, so würde sich das ganze Universum augen-blicklich in Chaos verwandeln und sich auflösen.Jedoch Sonne, Mond und Sterne halten ihre Stel-lung am Himmel als Beweis, daß Gott noch nie eineeinzige Seele, die auf ihn vertraut, enttäuscht hat.Sie bürgen dafür, daß seine Gnade nicht aufhört.Seine Treue steht tatsächlich am Himmel geschrie-ben. Würden wir beachten, was Sonne, Mond undSterne uns zu sagen haben, so oft wir zu ihnen auf-blicken, dann würden wir ein besseres Leben füh-ren, und Entmutigung wäre uns unbekannt.

GOTT IST EINE SONNE

»Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild.« PS.84,12. Wie die Sonne der Erde Licht und Wärmegibt, so ist Gott das Licht der Menschen, und erwärmt sie mit seiner Gnade. Alle Wärme und allesLicht auf der Erde, in welcher Form auch immer,kommt von der Sonne. Die Straßenbeleuchtung, diees uns ermöglicht, auch nachts unsren Weg durchdie belebte Stadt zu finden, oder die Beleuchtung inder Wohnung, die wir zum Lesen benötigen, kom-men von der Sonne. Das gilt auch für das gemütli-

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92che Holzfeuer oder die glühenden Kohlen, mit de-nen wir unsere Häuser im Winter beheizen; alleWärme kommt von der Sonne.

Die Sonne ist Licht, und Licht ist Leben. Wiesich doch die Pflanze der Sonne zuwendet! Wer hatdas noch nicht beobachtet, wenn eine Pflanze in ei-nem dunklen Keller steht? Ihre Lebenskraft ist nurnoch sehr schwach. In der Dunkelheit ist sie fasttot. Öffnet man aber den Raum wenigstens so viel,daß ein Lichtstrahl hereinkommt, beginnt sich diePflanze sofort zu erholen. Ohne das Licht, das dieErde von der Sonne bekommt, gäbe es wederPflanzen- noch Tierleben.

Leben bedeutet Wachstum. So wie das Sonnen-licht für die Pflanze Leben bedeutet, verursacht esauch ihr Wachstum. Sie wächst, indem sie Lichtund Wärme von der Sonne speichert. Schnellwach-sende Pflanzen, die von der Saat bis zur Reife nurwenige Wochen oder Monate brauchen, speichernnur wenig Wärme. Als Brennstoff sind sie wertlos.Die starke Eiche dagegen, deren Wachstum Jahr-hunderte dauert, die so langsam wächst, daß mannach einem Jahr keinen Unterschied in ihrer Größewahrnimmt, speichert riesige Mengen Sonnener-nergie. Bäume, die noch langsamer wachsen, spei-chern dementsprechend mehr.

Diese Hölzer wurden bei der Sintflut in der Er-de begraben und verwandelten sich im Laufe derJahrhunderte in Kohle, die wir heute als Brennstoffbenutzen. Die uns auf diese Weise vermittelte Wär-me ist eigentlich gespeicherte Sonnenenergie. Der

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93Grund, weshalb die Kohle viel mehr Wärme abgibtals direkte Sonneneinstrahlung, liegt darin, daß dieSonnenenergie in der Kohle schon konzentriert vor-liegt, bewirkt durch viele Jahre der Sonnenein-strahlung auf die Wälder.

Was die Sonne für die Erde und die Pflanzen ist,ist Gott für sein Volk. »Der Herr ist Sonne.« Wiedie Sonne durch ihr Licht den Pflanzen das natürli-che Leben gibt, gibt Gott seinem Volk das geistli-che Leben — das einzig wirkliche Leben. Das LebenChristi ist das Licht der Welt. So wie die Eiche dieSonnenwärme speichert, speichert der im LichtGottes lebende Mensch dieses Licht, das sein Le-ben ist. Dieses Licht und Leben, das für den Chri-sten Leben und Wachstum bedeutet, soll zur Er-leuchtung und Erwärmung anderer weitergegebenwerden.

Nun könnte man diesem Beispiel zufolge sagen,daß der Christ, der geistlich am langsamstenwächst, die größte Menge vom Leben Gottes wei-tergeben könne. Doch hier müssen wir bedenken,daß der Gerechte durch Glauben lebt. Sein Lebenwird nicht nach Jahren bemessen, sondern nachdem Glauben, den er offenbart. Je mehr Glauben,d.h. je mehr Demut und Gottvertrauen er hat, de-sto mehr eignet er sich vom Leben Gottes an. Undje mehr Leben er sich aneignet, desto mehr wird eranderen geben können. Das Leben Gottes läßt sichnicht verbergen.

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GNADE, EHRE UND HERRLICHKEIT

Wir lesen noch einmal: »Denn Gott der Herr istSonne und Schild; der Herr gibt Gnade und Ehre.«PS. 84,12. Was hat es für einen Sinn, wenn der Herrzu uns über Ehre spricht? Was haben wir damit zutun? — Wir sehen sie jeden Tag mit eigenen Augen!»Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Fe-ste (King James: das Firmament) verkündigt seinerHände Werk.« PS. 19,2. Noch deutlicher sagt es derPsalmist in folgenden Worten: »Herr, unser Herr-scher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen,der du zeigst deine Hoheit am Himmel!« PS 8,2.Der Himmel verkündigt die Ehre Gottes nicht nur,weil er sich nach seinem Willen bewegt, sondernauch, weil er in seine Herrlichkeit gekleidet ist. DieHerrlichkeit der Sonne, die in Kraft leuchtet, spie-gelt nur die Herrlichkeit Gottes wieder. Die Herr-lichkeit, die Gott umgibt — jenes uns Sterblichenunnahbare Licht —, wird zum Teil am Firmamentoffenbart. So ist Christus, der große Schöpfer,buchstäblich das Licht der Welt.

Gnade und Ehre oder Herrlichkeit sind gleich-wertig und austauschbar. Wir lesen über Christus,daß er der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters ist.Hebr. 1,3. Und »einem jeglichen aber unter uns istgegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Chri-sti.« Eph. 4,7. Er ist »voller Gnade und Wahrheit. .. und von seiner Fülle haben wir alle genommenGnade um Gnade.« Joh. 1,14.16. Das zeigt, daß

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Gnade und Herrlichkeit gleich groß sind. Gott ver-leiht Gnade nach dem Maß des Reichtums seinerHerrlichkeit und Herrlichkeit nach dem Maß desReichtums seiner Gnade. Das wird noch deutlicherzutage treten.

In der Herrlichkeit Gottes ist Macht. »Christusist auferweckt von den Toten durch die Herrlich-keit des Vaters.« Röm. 6,4. Vom Geist Gottes inspi-riert, betete Paulus für uns, daß wir mit aller Kraftgestärkt werden »nach der Macht seiner Herrlich-keit«. Kol. 1,11 Elberfelder 1976. Das Firmamentzeigt, was diese Macht ist. Es ist die Macht, die al-les hält. Es ist die Macht, die der Himmel auf dieErde ausübt. Es ist die Macht, die alles Leben er-hält. Wenn wir die Herrlichkeit der Sonne, des ster-nenbedeckten Himmels oder des leuchtenden Mon-des betrachten, dann sollen wir daran denken, daßderen Glanz nur dir Herrlichkeit Gottes erklärt, diein der Fülle seiner Kraft und Gnade besteht und diereichlich auf uns ausgegossen wird durch JesusChristus, unseren Erlöser.

Die Herrlichkeit Gottes ist seine Güte. DerApostel sagt: »Alle haben gesündigt und erlangennicht die Herrlichkeit Gottes.« Röm. 3,23 Elberfel-der 1976. Beachten wir genau, worin das Nichter-langen der Herrlichkeit Gottes besteht: in der Tat-sache, daß die Menschen gesündigt haben. Hättensie nicht gesündigt, hätten sie die Herrlichkeit Got-tes erlangt. Das zeigt, daß die Herrlichkeit Gottesseine Güte ist, denn durch die Güte Gottes werdenwir errettet. Paulus erklärt, daß die Güte Gottes

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uns zur Buße leitet. Röm. 2,4. Und der Psalmistsagt: »Wie groß ist deine Güte, Herr, die du be-wahrt hast denen, die dich fürchten, und erweisestvor den Leuten denen, die auf dich trauen.« PS.31,20. Seine Güte oder Gerechtigkeit ist es, die wirsuchen sollen und die in und auf jeden Menschengelegt wird, der glaubt. Die Güte Gottes war es, dieden Erlösungsplan ersann und die das ganze Erlö-sungswerk vollbringt. »Aus Gnade seid ihr geret-tet.« Eph. 2,5. Demnach ist die Gnade Gottes ledig-lich die Offenbarung seiner Güte gegenüber denMenschen; und seine Güte ist seine Herrlichkeitund Ehre. Die Gnade und die Herrlichkeit Gottessind also in Wirklichkeit das gleiche.

»Der Herr gibt Gnade und Ehre.« Oder: »DerHerr gibt Gnade und Herrlichkeit.« PS. 84,12 vgl.Elberfelder; King James. Wann gibt er sie? Gibt erGnade heute und Herrlichkeit im Jenseits? Nein,beides gibt er jetzt denen, die es annehmen. Jetztgibt er Herrlichkeit in Form von Gnade; im Jen-seits gibt er Gnade in Form von Herrlichkeit. JesusChristus ist der Abglanz der Herrlichkeit des Va-ters. Sein Gebet lautete: »Verherrliche mich du, Va-ter, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dirhatte, ehe die Welt war.« Joh. 17,5. Über seine Jün-ger — nicht nur über die zwölf, sondern über alle,die je durch sein Wort zum Glauben kommen (Joh.17,20) — sagt er: »Ich habe ihnen gegeben die Herr-lichkeit, die du mir gegeben hast.« Joh. 17,22. Alsogehört uns die Herrlichkeit jetzt, wenn wir sie nurhaben möchten.

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98Das wirkliche Wesen Christi war den meisten,

die ihn während seines Erdenlebens kannten, nichtoffenbar. Für sie war er nur ein gewöhnlicherMensch. »Er kam in sein Eigentum; und die Seinennahmen ihn nicht auf.« Joh. 1,11. Trotzdem war erder Sohn Gottes. So ergeht es auch denen, die durchihn die Kindschaft empfangen haben. »Sehet, welcheine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Got-tes Kinder sollen heißen und es auch sind! Darumkennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und esist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wirwissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihmgleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wieer ist.« l.Joh. 3,1.2.

Das stimmt genau mit den Worten des Apo-stels Paulus überein: »Unsre Heimat aber ist imHimmel, von dannen wir auch warten des Heilan-des Jesus Christus, des Herrn, welcher unsren nich-tigen Leib verklären wird, daß er gleich werde sei-nem verklärten Leibe nach der Wirkung seinerKraft, mit der er kann auch alle Dinge sich untertä-nig machen.« Phil. 3,20.21.

Denke daran, daß Christus seinen Jüngern dieHerrlichkeit gegeben hat, die ihm der Vater gab. Indieser Herrlichkeit erschien Christus einmal, als ermit dreien seiner Jünger auf dem Verklärungsbergwar. Wenn er kommt, werden wir dieselbe Herrlich-keit haben, obwohl sie jetzt nicht sichtbar ist. Wäh-rend Jesu Erdenleben war der Glanz seiner Herr-lichkeit verhüllt; und so ist es auch bei denen, in de-

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99nen er wohnt. Diese Herrlichkeit ist vorhanden undwartet nur auf ihre Offenbarung beim Kommen desHerrn. Wieder sagt der Apostel: »Der Geist selbstgibt Zeugnis unsrem Geist, daß wir Gottes Kindersind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben,nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wennanders wir mit leiden, auf daß wir auch mit zurHerrlichkeit erhoben werden. Denn ich halte dafür,daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wertsei, die an (King James: in) uns soll offenbart wer-den.« Röm. 8,16-18. In uns soll diese Herrlichkeitoffenbar werden! Sie wird immer schon in der Formder Gnade vorhanden gewesen sein, doch das wirderst offenbar, wenn Christus erscheint.

Das zeigt sich auch in den Worten: »In Liebehat er uns vorherbestimmt zur Sohnschaft durchJesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefal-len seines Willens zum Preis der Herrlichkeit seinerGnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Gelieb-ten.« Eph. 1,5.6 Elberfelder 1976. Also ist in derGnade Gottes Herrlichkeit. Die Gnade ist die Herr-lichkeit.

Die Auswechselbarkeit oder vielmehr dieGleichwertigkeit dieser beiden Dinge, Gnade undHerrlichkeit, geht weiter aus folgendem Text her-vor: »Aber Gott, der da reich ist an Barmherzig-keit, hat um seiner großen Liebe willen, mit der eruns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in denSünden, samt Christus lebendig gemacht, denn ausGnade seid ihr gerettet worden. Und hat uns samtihm auferweckt und samt ihm in das himmlische

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100Wesen gesetzt in Christus Jesus, auf daß er erzeig-te in den kommenden Zeiten den überschwengli-chen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte ge-gen uns in Christus Jesus.« Eph. 2,4-7. Das heißt,genauso, wie uns in dieser Zeit die Herrlichkeit Got-tes in der Form der Gnade nach dem Reichtum sei-ner Herrlichkeit gegeben ist, damit wir zum Preiseder Herrlichkeit seiner Gnade leben, genauso wird»des Himmels Glanz«, mit dem die Gerechten indem zukünftigen Zeitalter bekleidet sein werden,wenn sie »leuchten wie die Sonne in ihres VatersReich«, nur den Reichtum seiner Gnade offenbaren,durch den sie erlöst wurden. Dan. 12,3; Matth.13,43. Die Herrlichkeit der Sterne, mit der die Ge-rechten für alle Ewigkeit leuchten werden, strahltnur die Gnade aus, die sie in ihrem sterblichen Le-ben durch den innewohnenden Christus ausfüllte.

Wie wir erkannt haben, ist die Güte Gottes sei-ne Herrlichkeit. Mit dieser Güte bekleidet er uns.Folgende Worte zeigen, daß wir tatsächlich in die-ser Zeit schon Herrlichkeit von Gott empfangen.»Nun aber spiegelt sich bei uns allen die Herrlich-keit des Herrn in unsrem aufgedeckten Angesicht,und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herr-lichkeit zur anderen von dem Herrn, der der Geistist.« 2.Kor. 3,18.

Hier zieht Paulus einen Vergleich zum Ange-sicht Moses, als dieser die Worte des Herrn an dasVolk weitergab. Er sprach von Angesicht zu Ange-sicht mit Gott, wie man mit einem Freund spricht,und sein Gesicht wurde durch die Herrlichkeit des

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101Angesichtes Gottes verherrlicht. So sollen auch wirdie Herrlichkeit Gottes widerstrahlen. Doch genauwie Mose »nicht wußte, daß die Haut seines Ange-sichts glänzte«, wird der, der im Lichte des Herrnvon Herrlichkeit zu Herrlichkeit schreitet, sich derUmwandlung nicht bewußt sein. Welch ein Segenwurde doch den Israeliten verheißen, wenn man fol-gende Worte im Lichte der umwandelnden Machtder Herrlichkeit Gottes sieht: »Der Herr segne dichund behüte dich; der Herr lasse sein Angesichtleuchten über dir und sei dir gnädig.« 4.Mose6,24.25.

Deshalb: »Wohl dem Volk, das jauchzen kann!Herr, sie werden im Licht deines Antlitzes wan-deln; sie werden über deinen Namen täglich fröhlichsein und in deiner Gerechtigkeit herrlich sein.« PS.89,16.17.

Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre,ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.Ihn rühmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere;vernimm, o Mensch, ihr göttlich Wort!Wer trägt der Himmel unzählbare Sterne?Wer führt die Sonn' aus ihrem Zelt?Sie kommt und leuchtet und strahlt uns von ferneund läuft den Weg gleich als ein Held.

Vernimm die Stimme der prächtigen Werke,die er erschuf und auch erhält!Verkündigt Weisheit und Ordnung und Stärkedir nicht den Herrn, den Herrn der Welt?Kannst du der Wesen unzählbare Heere,den kleinsten Staub fühllos beschaun?Durch wen ist alles? O gib ihm die Ehre!»Mir«, ruft der Herr, »sollst du vertraun!«

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DER FÜNFTE TAG

VÖGEL, FISCHE UND LANDTIERE

»Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser vonlebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Er-den unter der Feste des Himmels. Und Gott sprach:Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedesnach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Fel-des, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so.Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedesnach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art undalles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. UndGott sah, daß es gut war.« l.Mose 1,20.24.25.

Dieses alles wurde geschrieben, damit wir dar-aus lernen können. Gott möchte, daß wir aus den le-benden wie aus den leblosen Dingen um uns herumLehren über ihn und seine Liebe ziehen. »Fragedoch das Vieh, das wird dich's lehren, und die Vögelunter dem Himmel, die werden dir's sagen, oder dieSträucher der Erde, die werden dich's lehren, unddie Fische im Meer werden dir's erzählen. Wer er-kennte nicht an dem allen, daß des Herrn Hand dasgemacht hat, daß in seiner Hand ist die Seele vonallem, was lebt, und der Lebensodem aller Men-schen?« Hiob 12, 7-10.

Die große Lehre, die uns die niedreren Lebens-formen der Schöpfung vermitteln sollen, ist dieFürsorge Gottes für alle seine Geschöpfe. Wenn

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Gott schon für das Geringste sorgt, wieviel mehrwird er für den Menschen sorgen, den er zu seinemeigenen Bilde geschaffen hat und den er über all dieWerke seiner Hände gesetzt hat. Der Heiland sag-te: »Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfen-nig? Dennoch fällt deren keiner auf die Erde ohneeuren Vater.« Matth. 10,29. Oder noch deutlicher:»Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfen-nige? Dennoch ist vor Gott deren nicht einer ver-gessen. Aber auch die Haare auf eurem Haupt sindalle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seidmehr denn viele Sperlinge.« Luk. 12,6.7. Und wie-der sagte der Herr: »Sehet die Vögel unter demHimmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sam-meln nicht in die Scheunen; und euer himmlischerVater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehrals sie?« Matth. 6,26. In der Fürsorge Gottes fürdie Vögel liegt die Gewähr, daß er für uns sorgt. DieVögel verbringen ihre Zeit nicht in Angst und Sor-ge; wieviel weniger brauchen wir das zu tun! Gottkümmert sich um den Menschen bestimmt mehrals um sie, denn der Wert und die Bedürfnisse desMenschen sind viel größer.

Gottes Fürsorge für die Vögel sagt uns nichtnur, daß er unsere leiblichen Nöte stillt, denn »derMensch lebt nicht vom Brot allein«. Matth. 4,4.Gottes Liebe sichert uns die Befriedigung all unsrerBedürfnisse zu »nach seinem Reichtum in der Herr-lichkeit«. Phil, 4,19. Er, der für die geringsten Din-ge Sorge trägt, wird die großen nicht vergessen.Gottes Sorge gegenüber den niedrigsten Geschöp-fen sollte uns mit Zuversicht erfüllen, wenn wir in

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104der Not zum Gnadenstuhl kommen und um Gnadeund Erbarmen flehen. Hier ist unsre Gewähr: »Gnä-dig und barmherzig ist der Herr, geduldig und vongroßer Güte. Der Herr ist allen gütig und erbarmtsich aller seiner Werke. Es sollen dir danken, Herr,alle deine Werke und deine Heiligen dich loben unddie Ehre deines Königtums rühmen und von deinerMacht reden, daß den Menschen deine gewaltigenTaten kundwerden und die herrliche Pracht deinesKönigtums. Dein Reich ist ein ewiges Reich, unddeine Herrschaft währet für und für. Der Herr istgetreu in all seinen Worten und gnädig in allen sei-nen Werken. Der Herr hält alle, die da fallen, undrichtet alle auf, die niedergeschlagen sind. Aller Au-gen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speisezur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sät-tigst alles, was lebt, nach deinem Wohlgefallen. DerHerr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädigin allen seinen Werken. Der Herr ist nahe allen, dieihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen. Er tut,was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihrSchreien und hilft ihnen.« PS. 145,8-19.

Die Tatsache, daß Gott für alle seine Geschöpfesorgt und sie alle aus seiner geöffneten Hand emp-fangen, bedeutet jedoch nicht, daß sie müßig seinkönnen und ihnen die Nahrung in den Mund fällt.Er stellt Nahrung für alle zur Verfügung und er-wartet, daß wir sie nehmen. »Es warten alle aufdich, daß du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit.Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du dei-ne Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesät-tigt.« PS. 104, 27.28.

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106Die Vögel fliegen umher und sammeln, was der

Herr zur Verfügung gestellt hat. Das ist aber keinBeweis, daß sie es nicht direkt aus Gottes Hand be-kommen. Wenn nun der Mensch zu seinem Lebens-unterhalt arbeiten muß, so ist das auch kein Be-weis, daß er nicht alles direkt von Gott empfängt.In bezug auf das tägliche Brot ist der Mensch ge-nauso vom Herrn abhängig wie die Vögel. Ohnegöttliche Fürsorge wäre nichts vorhanden zumSammeln. Und ohne dieselbe göttliche Fürsorgehätte der Mensch gar nicht die Fähigkeit zu sam-meln. »Und wenn du gegessen hast und satt bist,sollst du den Herrn, deinen Gott, loben für das guteLand, das er dir gegeben hat. So hüte dich nun da-vor, den Herrn, deinen Gott, zu vergessen, so daßdu seine Gebote und seine Gesetze und Rechte, dieich dir heute gebiete, nicht hältst. Wenn du nun ge-gessen hast und satt bist und schöne Häuser er-baust und darin wohnst . . . dann hüte dich, daßdein Herz sich nicht überhebt . .. Du könntestsonst sagen in deinem Herzen: Meine Kräfte undmeiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtumgewonnen. Sondern gedenke an den Herrn, deinenGott; denn er ist's, der dir Kräfte gibt, Reichtum zugewinnen.«5.Mose 8,10-18.

Aus den materiellen Dingen sollen wir Lehrenfür das Geistliche ziehen. Gott hat den Menschen —weit mehr, als er erkennt — mit allen geistlichenSegnungen versehen, deren er bedarf. »Anbetungund Dank sei Gott und dem Vater unseres HerrnJesu Christi! In ihm hat er eine Fülle geistlichen Se-

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107gens über uns ausgeschüttet, der nicht von dieserWelt ist.« Eph. 1,3 Bruns. Jemand, dem dieser Texteinmal zitiert wurde, entgegnete: »Wenn dasstimmt, warum habe ich dann nicht alle geistlichenSegnungen? Warum fehlt mir dann so vieles, undwarum habe ich so wenig Freude in meiner christli-chen Erfahrung?« Als Antwort wollen wir ein Bei-spiel anführen: Ein Mensch kommt in deine Woh-nung. Nachdem du ihn aufforderst, sich an einenreich gedeckten Tisch zu setzen und zu essen, ringter die Hände und stöhnt: Ach, wie hungrig bin ich!Ich wünschte, ich hätte etwas zu essen! — Waswürdest du davon halten? Es ist seine eigeneSchuld, wenn er noch hungrig ist; du hast ihm ge-nug angeboten. Er brauchte ja nur zuzugreifen undzu essen. Die Tatsache, daß er trotzdem noch hun-gert, beweist nicht, daß er nicht alles, was erbraucht, erhalten hat. Genauso ist es mit den Gna-dengaben Gottes. Er hat uns mit allen geistlichenSegnungen versehen, und wenn uns trotzdem etwasmangelt, so liegt das daran, daß wir nicht zugreifenund nehmen, was er in reichem Maße zur Verfü-gung gestellt hat.

Jemand mag einwenden, das sei ein hinkenderVergleich, es könne ein Bettler wohl die Nahrungauf dem Tisch sehen, die Segnungen Gottes dage-gen seien unsichtbar. Das stimmt, wir können sienicht sehen; dennoch können wir ihrer gewiß sein,mehr noch, als wenn wir sie sehen könnten. Wir ha-ben die Gewißheit aus dem Worte Gottes. Es sagtuns, daß uns diese Gaben gegeben worden sind, und

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108daran kann es keinen Zweifel geben. Unsre Augenkönnen sich oft täuschen, das Wort Gottes hinge-gen täuscht uns nie, »die wir nicht sehen auf dasSichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn wassichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbarist, das ist ewig.« 2.Kor. 4,18. Gottes Wort ruftDinge ins Leben, die vorher nicht da waren. Wirkönnen gewiß sein, daß uns alle Dinge, die wir indiesem und in dem zukünftigen Leben brauchen, inreichem Maße von Gott gegeben worden sind. Wirmüssen sie nur nehmen und anwenden.

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DER SECHSTE TAG

WAS IST DER MENSCH!

»Wenn ich sehe die Himmel, deiner FingerWerk, den Mond und die Sterne, die du bereitethast: was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst,und des Menschen Kind, daß du dich seiner an-nimmst?« PS. 8,4.5. So sah der Psalmist den Men-schen, und so muß jeder, der sich besinnt und dieWerke Gottes richtig einschätzt, den Menschen se-hen. Im allgemeinen hat der Mensch eine hohe Mei-nung von sich und seinen Verdiensten. Diese Gesin-nung geht so weit, daß er sogar seine Abhängigkeitvon Gott vergißt. Es ist für ihn selbstverständlich,sich unabhängig zu fühlen und zu glauben, auf sichselbst gestellt könne der Mensch seine Existenzaufbauen.

Die Einstellung, zu der die Menschen neigen,wird sehr treffend von einem Historiker beschrie-ben. Er schildert die Philosophen der antiken Welt,die sich mit dem erhabenen Studium über das We-sen des Menschen befaßten: »Oft wurde ihr Studi-um durch ihre Vorstellungen beeinflußt, und ihreVorstellungen wurden durch ihren Stolz angeregt.Über das Ausmaß ihrer eigenen Geisteskräftedachten sie sehr selbstgefällig. In der Ausübung ih-rer verschiedenen Fähigkeiten wie Erinnerung,

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110Vorstellung und Urteilskraft, in ihren tiefgründi-gen Spekulationen, beim Nachdenken über ihrewichtigsten Errungenschaften oder in ihremWunsch nach Ruhm sahen sie sich oft in künftigeZeitalter versetzt, weit über die Schranken von Todund Grab hinaus. Sie vermochten sich nicht gleich-zusetzen mit den Tieren des Feldes und anzuneh-men, daß ein Wesen, für dessen Würde sie aufrichti-ge Bewunderung hegten, auf ein Fleckchen Erdeund ein paar Jahre Leben begrenzt sein könne.« *

So beschreibt auch der Apostel Paulus sie. »Siewußten, daß ein Gott ist, und haben ihn nicht ge-priesen als einen Gott noch ihm gedankt, sondernhaben ihre Gedanken dem Nichtigen zugewandt,und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Da siesich für weise hielten, sind sie zu Narren gewordenund haben verwandelt die Herrlichkeit des unver-gänglichen Gottes in ein Bild gleich dem eines ver-gänglichen Menschen und der Vögel und der vierfü-ßigen und der kriechenden Tiere.« So groß war ihrStolz und ihre Einbildung, daß »sie es für nichts ge-achtet haben«, sich die Erkenntnis Gottes zu erhal-ten. Röm. 1,21-23.28.

Eine ganz andere Einstellung hat der wirklichweise Mensch. Auch König David erforschte dasWesen der menschlichen Natur, jedoch von einemvöllig anderen Ausgangspunkt. Er wollte wissen,

* Gibbons über die Entstehung des von der griechischen Philosophiestammenden Mythos der Unsterblichkeit der Seele. »Decline and Fall ofthe Roman Empire«, Kap. 15, Abschnitt 18.

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111wie Gott den Menschen sieht. »Mein Herz ist ent-brannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke,brennt es wie Feuer. So rede ich denn mit meinerZunge: > Herr, lehre mich doch, daß es ein Ende mitmir haben muß und mein Leben ein Ziel hat und ichdavon muß. Siehe, meine Tage sind eine Handbreitbei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wiegar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher le-ben! <« PS. 39,4-6.

Bei einer anderen Gelegenheit dachte David da-rüber nach, wie die Ungläubigen eine Grube grabenund dann selbst hineinfallen und wie sie sich gegenGott brüsten. Dann sagte er: »Lege, Herr, einenSchrecken auf sie, daß die Heiden erkennen, daß sieMenschen sind.« PS. 9,21. Wir sind nur Menschen!Das sollen wir bedenken. Während der Mensch ge-neigt ist, stolz darauf zu sein, daß er Mensch ist,und meint, er sei stark genug, ohne Gott auszukom-men, betont die Heilige Schrift, daß wir nur Men-schen sind. Auf sich selbst gestellt, ist der Menschnichts. Er ist solange nichts, bis Gott ihm Machtund Gelegenheit gibt, etwas zu sein.

Wir besinnen uns noch einmal auf den bibli-schen Bericht über die Herkunft des Menschen:»Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen,ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen überdie Fische im Meer und über die Vögel unter demHimmel und über das Vieh und über alle Tiere desFeldes und über alles Gewürm, das auf Erdenkriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinemBilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie

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112als Mann und Weib.« l.Mose 1,26.27. »Da machteGott der Herr den Menschen aus Erde vom Ackerund blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase.Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.«l.Mose 2,7.

Gleich den Tieren ist der Mensch aus Erde ge-schaffen. Er ist »Erde und Asche«. l.Mose 18,27.Er kann sich in keiner Weise erhaben dünken, nochnicht einmal über die Tiere, die ihm unterstellt wur-den. Denn die Kraft Gottes, die vom gleichen Tonein Gefäß zur Ehre und ein Gefäß zur Unehre ma-chen kann, hat uns einfach nur anders als die Tieregemacht. Erde ist das Material, aus dem alle leben-den Wesen kommen. »Es ist alles aus Staub gewor-den und wird wieder zu Staub.« Pred. 3,20. Nachdem Tod und Verfall kann der Staub eines Fürstennicht mehr von dem Staub eines Bettlers unter-schieden werden, nicht einmal mehr von dem seinesHundes. Wenn ein Fürst schließlich nicht dasSchicksal der Tiere teilt und in die ewige Verges-senheit geht, so liegt das nur daran, daß er demütiggenug war, die Weisheit, die von Gott kommt, an-zunehmen; denn »der Mensch, der im Ansehen istund keine Einsicht hat, gleicht dem Vieh, das ver-tilgt wird.« Ps. 49, 21 Elberfelder. Welchen Grundhaben sterbliche Menschen, so stolz zu sein?

Der Mensch wurde aus Staub geschaffen, damiter bedenke, daß er, auf sich selbst gestellt, nichtsist. Doch er wurde auch zum Ebenbilde Gottes ge-schaffen, damit er erkennen könne, welche unendli-chen Möglichkeiten ihm in einer Verbindung mit

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113Gott offenstehen. Obwohl er in sich selbst nichtmehr Kraft hat als der Staub, auf dem er steht, ister doch durch die Macht und Güte Gottes zu dengrößten Dingen fähig. So merkwürdig es auchklingt, seine Fähigkeiten sind dann am größten,wenn er sich seiner Schwachheit am meisten be-wußt ist. »Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.«2.Kor. 12,10.

»Da machte Gott der Herr den Menschen ausErde vom Acker und blies ihm den Odem des Le-bens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein le-bendiges Wesen.« l.Mose 2,7. Nicht einmal hierkann sich der Mensch Überlegenheit anmaßen. DieTiere des Feldes atmen dieselbe Luft wie er. Für sieist dies genauso eine Gabe Gottes wie für ihn. Gera-de die Tatsache, daß Odem in seiner Nase ist, ist einBeweis seines gebrechlichen Zustandes. »Lasset abvon dem Menschen, in dessen Nase nur ein Odemist! Denn wofür ist er zu achten?« Jes. 2,22 Elber-feider. Es ist der Odem des Lebens, der ihm vonGott gegeben wurde. Doch welch schwachen Halthat er daran! »Denn was ist euer Leben? Ein Dampfseid ihr, der eine kleine Zeit währt, danach aber ver-schwindet er.« Jak. 4,14.

Wie kann das aber sein, wenn ihm das Lebendoch von Gott gegeben wurde? Nicht das Lebenvon Gott ist so schwach, sondern der Mensch be-sitzt so wenig davon. Der Odem für jedes Lebewe-sen ist in der Hand Gottes, und er kann ihn zurück-ziehen, wann es ihm gefällt. »Wenn er nur an sichdächte, seinen Geist und Odem an sich zöge, so

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114würde alles Fleisch miteinander vergehen, und derMensch würde wieder zu Staub werden.« Hiob34,14.15. »Denn der Staub muß wieder zur Erdekommen, wie er gewesen ist, und der Geist wiederzu Gott, der ihn gegeben hat.« Pred. 12,7. Bis jetzthaben wir noch nichts gefunden, worauf derMensch stolz sein könnte.

Wie natürlich ist es für den Menschen, sich inder Not an andere Menschen zu wenden und Zu-flucht bei menschlichen Dingen zu suchen! Aberauf der ganzen Welt gibt es niemanden, der dieMacht hat, seinen körperlichen Zustand zu ändern.Er kann seine Haarfarbe nicht wirklich ändern undseiner Körpergröße nicht einen Zentimeter hinzu-setzen. »Die sich verlassen auf Hab und Gut undpochen auf ihren großen Reichtum: Kann doch kei-ner einen ändern auslösen oder für ihn an Gott einSühnegeld geben.« PS. 49,7.8. Deshalb die Ermah-nung: »Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sindMenschen, die können ja nicht helfen. Denn desMenschen Geist muß davon, und er muß wieder zuErde werden; dann sind verloren alle seine Pläne.«PS. 146,3.4. Auf wen sollen wir uns verlassen?»Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, derseine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott,der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer undalles, was darinnen ist; der Treue hält ewiglich.« PS.146,5.6.

Es gibt kein Leben außer dem, das von Gottkommt. »Denn bei dir ist die Quelle des Lebens.«PS. 36,10. Doch Leben ist Gerechtigkeit. »Aber

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115fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich ge-sinnt sein ist Leben und Friede.« Rom. 8,6. Sündeist Tod und kommt von Satan. Der Sohn Gotteswurde offenbar, damit er die Werke des Teufels ver-nichte. Die Sünde wird schließlich völlig aus demUniversum vertilgt und damit notwendigerweiseauch die, deren Leben in Sünde besteht. Wenn siean ihrem sündhaften Leben festhalten, werden siemit der Sünde vernichtet. Christus ist die Gerech-tigkeit Gottes; denn Gott allein ist gut, und in Chri-stus ist die Fülle Gottes. Deshalb können nur Men-schen, in denen Christus wirkt, Hoffnung auf einweiteres Leben haben. »Und das ist das Zeugnis,daß uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und sol-ches Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat,der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat,der hat das Leben nicht.« l.Joh. 5,11.12. Mehrnoch: »Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Le-ben nicht sehen.« Joh. 3,36. Es gibt zwar eine Auf-erstehung der Toten für beide, für die Gerechtenund die Ungerechten, doch nur die Gerechten ste-hen zum Leben auf. Wer Böses getan hat, kommtnur »zur Auferstehung des Gerichts« und der Ver-dammnis aus dem Grab. Joh. 5,28.29. Sie werdendie Strafe erleiden, »das ewige Verderben, fern vondem Angesicht des Herrn und von seiner herrlichenMacht.« 2.Thess. 1,9. Da sie nicht die Gerechtig-keit besitzen, die allein Leben ist, bleibt ihnennichts, wodurch sie weiterleben könnten.

Durch all das soll der Mensch bedenken lernen,daß in Gott allein Hoffnung ist, daß er der Aller-

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116höchste ist und daß alle Macht ihm gehört. Nichtnur ein einzelner Mensch, sondern »alle Völker sindvor ihm wie nichts und gelten ihm als nichtig undeitel«. Jes. 40,17. Das soll den Menschen demütigmachen, aber es soll ihn keineswegs entmutigen.Gerade zu unsrer Ermutigung schuf Gott das Uni-versum aus dem Nichts. So kann er auch nach sei-nem Willen aus dem Menschen, der ihm vertraut,etwas machen. »Auf daß sich vor Gott kein Fleischrühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus,welcher uns gemacht ist von Gott zur Weisheit undzur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlö-sung, auf daß, wie geschrieben steht: > Wer sichrühmt, der rühme sich des Herrn! <« l.Kor. 1,29-31.Der Mensch braucht sich also absolut nicht zuschämen, seine niedrige Herkunft anzuerkennen, daer durch Christus alles vermag.

Eine andere Lehre, die wir zu unsrer Ermuti-gung aus dem gebrechlichen Zustand des Men-schen ziehen können, ist, daß in Wirklichkeit nurder Demütige erhöht wird. Weil alle Dinge vonGott kommen, erreicht der Mensch nur dann seinenhöchsten Stand, wenn er zugibt, daß er nichts ist,und sich frohen Herzens der Macht der göttlichenLiebe ausliefert.

Das 40. Kapitel des Buches Jesaja enthält eineBotschaft, die ein Volk für das Kommen des Herrnin Herrlichkeit vorbereiten soll. Es ist eine Bot-schaft des Trostes, denn sie weist auf die MachtGottes hin. Sie lautet: »Es ruft eine Stimme: In derWüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der

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117Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Tälersollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sol-len erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gera-de, und was hügelig ist, soll eben werden; denn dieHerrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, undalles Fleisch miteinander wird es sehen; denn desHerrn Mund hat's geredet. Es spricht eine Stimme:Predige! und ich sprach: Was soll ich predigen? Al-les Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eineBlume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blu-me verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein.Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blu-me verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibtewiglich.« Jes. 40,3-8.

Die Vorbereitung des Menschen auf die Er-scheinung unsres Herrn und Erlösers Jesus Chri-stus in Herrlichkeit, bei der er seinen Lohn mit-bringt, zu geben einem jeglichen nach seinen Wer-ken, ist nichts anderes als die uneingeschränkteAnnahme der Botschaft, daß der Mensch nichtsund Gott alles ist. Er allein ist die Macht, und seinWort wirkt in jedem, der glaubt. Die Werke, die inder Prüfung des Gerichtes bestehen werden, sindWerke, die in Gott gewirkt wurden. »Alles Fleischist Gras.« Wir haben jedoch gesehen, wie die MachtGottes gerade beim Gras auf wunderbare Weise inErscheinung tritt. Das Wort Gottes sagt: »Es lassedie Erde aufgehen Gras und Kraut.« Dieses Wortist dasselbe, das ewig lebt und bleibt und durch dasuns das Evangelium gepredigt wird. Wir haben ge-sehen, wie die Macht dieses Wortes den winzigen

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118Grashalm befähigt, trotz schwerer Erdschollen andie Oberfläche und zum Licht vorzustoßen. In demSchwächsten zeigt sich unendliche Macht. So wirktauch das Wort der Macht in denen, die Gott vonHerzen glauben. Wer seine Nichtigkeit anerkenntund zugibt, daß er schwach und hilflos wie das Grasist, der wird zu mächtigen Taten gestärkt, der wirdüber diese Schollen der Erde in das Sonnenlicht derGegenwart Gottes erhöht.

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DER SIEBENTE TAG

DIE RUHE MIT GOTT

»So wurden vollendet Himmel und Erde mit ih-rem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am sie-benten Tage seine Werke, die er machte, und ruhteam siebenten Tage von allen seinen Werken, die ergemacht hatte. Und Gott segnete den siebentenTag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allenseinen Werken, die Gott geschaffen und gemachthatte.« l.Mose 2,1-3.

»Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heili-gest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deineWerke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbatdes Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeittun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, deinKnecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht deinFremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechsTagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht unddas Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte amsiebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sab-battag und heiligte ihn.« 2.Mose 20,8-11.

Dies ist eine großartige Zusammenfassung desBerichtes über die Schöpfung und ihre Gedächtnis-feier. Die verschiedenen Tage der Schöpfung wer-den jeweils mit einer fortlaufenden Nummer be-zeichnet (erster Tag, zweiter Tag usw.). Das reichtbei diesen Tagen zur Kennzeichnung aus. Der Tag

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120dagegen, der die Schöpfung durch einen feierlichenAbschluß besiegelt, wird von Gott durch einen Na-men geehrt. Der Name des siebenten Tages ist»Sabbat«. Das dient einem doppelten Zweck. Durchdie Namensgebung wird der siebente Tag von allenanderen Tagen unterschieden, und dadurch, daß dieanderen Tage eine Nummer ohne einen Namen ha-ben, wird der Sabbat als ein bestimmter, immerwiederkehrender Tag hervorgehoben. Der Textselbst gibt jedoch über diesen Tag, der der Sabbatist, Aufschluß. Hier ist eines der feststehenden Ge-bote Gottes, von denen es heißt, »sie stehen fest fürimmer und ewig«. PS. 111,8. In diesem Kapitel solldie Aufmerksamkeit auf die geistlichen Lehren ge-lenkt werden, die man aus der Einsetzung des Sab-bats für den Menschen ziehen kann.

Wie wir genau wissen, ist Christus der großeSchöpfer. Er ist die Weisheit und die Kraft Gottes.»Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmelund auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare,es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oderGewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaf-fen. Und er ist vor allem, und es besteht alles inihm.« Kol. 1,16.17. Ohne ihn ist nichts gemacht,was gemacht ist. Joh. 1,3. Wenn es im Schöpfungs-bericht heißt, daß Gott in sechs Tagen Himmel undErde schuf, so bedeutet das, daß Gott dies in Chri-stus tat, denn Christus ist die einzige OffenbarungGottes, die der Mensch kennt. Daraus folgt auch,daß es Christus gewesen sein muß, der am sieben-ten Tag ruhte und sein vollendetes Schöpfungs-werk betrachtete. Es war Christus, der den sieben-

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121ten Tag segnete und heiligte. So ist er also in beson-derer Weise »des Herrn Tag«. Offb. 1,10.

Warum wurde der Sabbat eingesetzt? »Der Sab-bat ist um des Menschen willen gemacht.« Mark.2,27. Das heißt, er wurde für den Menschen ge-macht — für den Menschen in dem Sinne, daß ernicht gegen ihn gemacht wurde. Der Sabbat ist kei-ne willkürliche Einrichtung, die dem Menschen auf-gebürdet wurde, nicht ein Tag, den er einfach hal-ten muß, weil Gott es so will, nein, der Sabbat solldem Menschen eine Hilfe sein. Er ist ein Segen Got-tes für den Menschen. »Alles, was zum Leben undgöttlichen Wandel dient, hat uns seine göttlicheKraft geschenkt.« 2.Petr. 1,3. Dazu gehört auchder Sabbat.

Was bezweckt Gott mit dem Sabbat für denMenschen? Der Herr gibt Antwort auf diese Fragedurch seinen Propheten: »Und meine Sabbate solltihr heiligen, daß sie ein Zeichen seien zwischen mirund euch, damit ihr wißt, daß ich, der Herr, euerGott bin.« Hes. 20,20. Der Sabbat ist also ein Zei-chen, durch das der Mensch Gott erkennen soll. Da-mit sind all jene menschlichen Überlegungen aus-geschlossen, nach denen der Sabbat lediglich einUnterscheidungsmerkmal zwischen Juden und an-deren Völkern gewesen sein soll. Er wurde einge-setzt, ehe es überhaupt Juden gab. Die Juden soll-ten ihn halten, um Gott zu erkennen. Genauso, wieder Sabbat diesen Zweck für die Juden erfüllte, er-füllt er ihn für alle Menschen. So wurde der SabbatAdam gegeben, damit auch er wissen und sich im-mer erinnern sollte, daß der Herr sein Gott ist. Auf

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122welche Weise sollte der Sabbat ein Zeichen zur Er-kenntnis Gottes sein? Paulus beantwortet dieseFrage in seinem Brief an die Römer: »Denn wasman von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offen-bar; Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes un-sichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft undGottheit, wird ersehen seit der Schöpfung der Weltund wahrgenommen an seinen Werken, so daß siekeine Entschuldigung haben.« Röm. 1,19.20. Manbraucht sich nur einiges von dem vor Augen zu füh-ren, was wir in dieser Schrift gelernt haben, um zusehen, wie Gott an seinen Werken erkannt wird.

Dennoch kommt wieder und wieder die Frageauf, inwiefern der Sabbat dazu führt, daß man denwahren Gott erkennt. Doch die Antwort ist klar indem soeben angeführten Text aus dem Römerbriefenthalten. Die unendliche Kraft des Schöpfergotteswird an seinen Werken wahrgenommen. Das großeDenkmal der Schöpfung ist der Sabbat. Er ist derTag, den Gott segnete und an dem er von allen sei-nen Werken ruhte, nachdem er in sechs Tagen Him-mel und Erde geschaffen hatte. »Groß sind die Wer-ke des Herrn; wer sie erforscht, der hat Freude dar-an. Was er tut, das ist herrlich und prächtig, undseine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Er hat ein Ge-dächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige undbarmherzige Gott.« PS. 111,2-4. Die King James-Übersetzung sagt noch deutlicher: Er hat ein Ge-dächtnis »seiner wunderbaren Werke« gestiftet.

Das eine, was dem Menschen in diesem Lebennot tut, ist die Erkenntnis Gottes. Dichter und Phi-

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123losophen sagen zwar, das wichtigste Studium derMenschheit ist der Mensch, aber Gott sagt, daswichtigste Studium für uns Menschen ist Gott. »Sospricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht sei-ner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seinerStärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reich-tums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sichdessen, daß er klug sei und mich kenne, daß ich derHerr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerech-tigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir,spricht der Herr.« Jer. 9,22.23. Wenn man ihnkennt, hat man alles, was wissenswert ist. Denn erist die Wahrheit, und zwar die ganze Wahrheit.Christus ist die Weisheit Gottes, »in welchem ver-borgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Er-kenntnis«. Kol. 2,3.

Der Sabbat soll dazu dienen, dem Menschen dasHauptmerkmal des wahren Gottes, nämlich seineSchöpferkraft, im Gedächtnis zu bewahren. DieSchöpferkraft ist jedoch dieselbe Kraft, die sich imEvangelium offenbart, so daß der, der die Schöp-fung feiert, auch die Erlösung feiert. Christus istdeswegen der Erlöser, weil in ihm alles geschaffenwurde. Er verleiht den Menschen die Gnade Gottesaufgrund seiner Schöpferkraft. Die Macht, die denMenschen errettet, ist auch die Macht, die Himmelund Erde schuf. In dem Zusammenhang, in dem derPsalmist davon spricht, daß Gott ein Gedächtnisseiner wunderbaren Werke gestiftet hat, spricht erauch über die Eigenschaften des Erlösers, indem erhinzufügt, »der gnädige und barmherzige Gott«.

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Die Gnade des Vaters ist in Christus offenbar.»Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeitals des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gna-de und Wahrheit.« Joh. 1,14. Er verleiht seine Gna-de und hilft auf diese Weise dem Menschen aus derNot. Er tut es durch dieselbe geheimnisvolle undungeheure Kraft, mit der er die Welt schuf unddurch die die Sonnenstrahlen den Pflanzen auf derErde Leben verleihen.

Nun wollen wir betrachten, wie untrennbarChristus mit dem Sabbat verbunden ist. Durch Je-sus wurden alle Dinge geschaffen, und durch ihnwird auch alles aufrechterhalten. Diese Werke of-fenbaren seine ewige Macht und Gottheit. Und »inihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.«Kol. 2,9. Das alles beweist die Macht und Gottheitdes Herrn Jesus Christus. Der Sabbat ist das großeDenkmal der wunderbaren Werke Gottes in Chri-stus und somit das Zeichen der Gottheit Christi.Wer den Sabbat hält, wie Gott ihn bei der Schöp-fung eingesetzt hat, erkennt die Gottheit Christian. In dem Maße, in dem jemand versäumt, denSabbat des Herrn im Geist und in der Wahrheit zuhalten, mißachtet er die Gottheit Christi und gehtdes Segens verlustig, der ihm aufgrund der Gott-heit Christi zuteil würde.

Dieses deutet die Antwort Christi an die Phari-säer an, als sie ihn und seine Jünger zu Unrecht desSabbatbruches beschuldigten, weil sie an jenem Ta-ge ihren Hunger stillten und er einen Kranken ge-

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125heilt hatte. Er sagte: »Des Menschen Sohn ist einHerr auch über den Sabbat.« Matth. 12,8. Es istkeine geringe Sache, Herr über den Sabbat zu sein;denn das bedeutet, Schöpfer des Himmels und derErde zu sein. Damit erklärte Christus, daß er Herrüber alles ist.

Mit dem Sabbat ist ein besonderer Segen ver-bunden. Aber sehr viele, die vorgeben, den Sabbatzu halten, empfangen diesen Segen nicht. Das liegtdaran, daß sie darüber keine wirkliche Erkenntnishaben. Die Schrift sagt: »Gott segnete den sieben-ten Tag und heiligte ihn.« Er segnete den Tag. Esgibt keinen Tag der Woche, an dem nicht Menschenvon Gott gesegnet werden können. Ja, beide, dieguten und die schlechten, stehen gleichermaßentäglich unter dem Segen Gottes. Nicht nur das,sondern die, die Gott suchen, können zu jeder Zeitvon ihm Segen empfangen. Der Herr ist immer na-he und zum Segnen bereit. Doch es gibt einen Se-gen, der nur mit dem Sabbat verbunden und nir-gendwo anders zu finden ist. Es ist der Sabbatse-gen. Diesen Segen hat Gott auf den Sabbat gelegt,und der Sabbatsegen ist nur mit dem Sabbat zu er-langen. Niemand kann ihn woanders bekommen. Erliegt auf keinem anderen als auf dem siebenten Tag.Deshalb ist er sonst nirgends zu finden.

Wozu dient dieser Segen? Zum selben Zweck, zudem alle Segnungen Gottes dienen. »Für euch zu-vörderst hat Gott erweckt seinen Knecht Jesus undhat ihn zu euch gesandt, euch zu segnen, daß ein

jeglicher sich bekehre von seiner Bosheit.« Apg.

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1263,26. Gott segnet die Menschen nicht etwa, weil siegut wären, sondern damit sie gut werden. All seineSegnungen dienen dem Zweck, den Menschen vonder Sünde fort und zu Gott zu bringen. Menschen,die Gott schon kennen, werden gesegnet, damit sieGott noch näher kommen. So verhält es sich auchmit dem Sabbat. Er ist das Denkmal, das den Men-schen an Gottes Güte und an seine gnädige Machterinnert und ihn dadurch zu ihm führt. Die Schöp-ferkraft ist die Kraft Christi. Gott hat uns Christusgemacht »zur Weisheit und zur Gerechtigkeit undzur Heiligung und zur Erlösung«. l.Kor. 1,30. DieMacht, durch die er uns diese Dinge gibt, ist diesel-be Macht, durch die er die Welt schuf. Demnachliegt eine noch tiefere Bedeutung in den Worten:»Ich gab ihnen meine Sabbate zum Zeichen zwi-schen mir und ihnen, damit sie erkennten, daß ichder Herr bin, der sie heiligt.« Hes. 20,12. Der Sab-batsegen ist der Segen zur Heiligung. Da der Sab-bat der Gedächtnistag der Schöpfung ist, führt eruns die Schöpfermacht Gottes vor Augen, durchdie wir in Christus ganz neue Geschöpfe werdenkönnen.

SABBATRUHE

»Sabbat« bedeutet Ruhe. Es ist das hebräischeWort für Ruhe. Statt der Worte: »Der siebente Tagist der Sabbat des Herrn, deines Gottes« könnteman genauso lesen: »Der siebente Tag ist die Ruhedes Herrn, deines Gottes«. Das kann man leicht aus

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127jener Aussage ersehen, in der es heißt, daß Gott amsiebenten Tag von allen seinen Werken ruhte, die ergemacht hatte.

Wir dürfen nicht vergessen, daß es der Sabbatdes Herrn ist, den wir halten sollen. Heutzutagehört man oft vom »jüdischen Sabbat« oder vom»christlichen Sabbat«. Der einzige Sabbat, den dieHeilige Schrift kennt, ist »der Sabbat des Herrn,deines Gottes«. »Haltet meinen Sabbat.« 2.Mose31,13. Den Sabbat nennt der Herr »meinen heiligenTag«. Jes. 58,13. Deshalb ist es Gottes Ruhe, diewir halten sollen. An dem Tag, an dem Gott ruhte,sollen wir nicht nur unsere Arbeit einstellen, son-dern wir sollen seine Ruhe halten. Was bedeutetdas?

Der Erlöser sagt: »Gott ist Geist.« Joh. 4,24. Erist nicht ein Geist unter vielen, sondern er ist derGeist. Er ist ein geistliches, nicht ein natürlichesWesen. Heißt das, daß er nur ein Schatten ist? Kei-neswegs! Die einzigen Dinge, die für immer beste-hen bleiben, sind Dinge geistlicher Natur. Gott (Va-ter) ist ein wirkliches Wesen mit Substanz. Chri-stus ist das Abbild seines Wesens (King James:»seiner Substanz«). Hebr. 1,3. Wir neigen zu sehr zuder irrtümlichen Vorstellung, daß geistliche Dingeunwirklich seien. »Gibt es einen natürlichen Leib,so gibt es auch einen geistlichen Leib.« l.Kor.15,44. Der Leib, den Christus nach der Auferste-hung besaß und mit dem er auch in den Himmelauffuhr, war ein geistlicher Leib. Trotzdem war ergreifbar und wirklich. Niemand kann sagen, was

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128ein geistlicher Leib ist, doch wir wissen, daß er un-endlich viel höher und vollkommener als unser na-türlicher Leib ist. Er ist nicht unseren Begrenzun-gen unterworfen.

Weil Gott Geist ist, war seine Ruhe an jenemSchöpfungssabbat eine geistliche Ruhe. Gott wardurch die Schöpfung nicht leiblich ermüdet. »Weißtdu nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewi-ge Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat,wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist un-ausforschlich.« Jes. 40,28. Die Schöpfung war keinphysisches Werk, es war völlig geistlich. Gottsprach, und es war. Sein Wort ist Geist. Das Haltendes Sabbats Gottes oder der Ruhe Gottes bedeutetalso, sich geistlicher Ruhe zu erfreuen. Der Sabbatist nicht allein für die leibliche Ruhe gedacht. Erhat eine tiefere Bedeutung, als man im allgemeinenmeint. Es stimmt zwar, daß dem Menschen gebo-ten wird, an diesem Tag nicht zu arbeiten; doch dieNiederlegung all unserer körperlichen Arbeit ist einZeichen der geistlichen Ruhe, die Gott denenschenkt, die ihn als den Schöpfer aller Dinge anneh-men. Ohne geistliche Ruhe ist wahres Sabbathaltennicht möglich. Der Herr sagt, daß der Mensch dannLust haben wird am Herrn, wenn er seinen Fuß amSabbat zurückhält und an diesem heiligen Tagnicht seinen eigenen Geschäften nachgeht, sondernsich des Sabbats erfreut und ihn ehrt. Jes. 58,13.14.Jemand kann das Arbeiten am Sabbat genauso ge-wissenhaft unterlassen wie der strenge Pharisäerund sich doch nicht des Herrn Jesus Christus er-

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129freuen — aber dann hält er nicht den Sabbat desHerrn. Wahre Sabbatruhe findet man allein in Chri-stus.

Man darf nicht vergessen, daß der Sabbat demMenschen vor dem Sündenfall im Paradies gegebenwurde. Damals wurde Adam auch schon Arbeit ge-geben, sie war jedoch nicht ermüdend. Nicht die Ar-beit ist ein Teil des Fluches, sondern die Müdigkeit,die aus der Arbeit kommt. Erst nach dem Sünden-fall wurde Adam gesagt: » . . . verflucht sei derAcker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dichvon ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Di-steln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut aufdem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichtssollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erdewerdest, davon du genommen bist. Denn du bistErde und sollst zu Erde werden.« l.Mose 3,17-19.All das kam durch die Sünde. Wäre Adam Gotttreu geblieben, dann hätte die Erde weiterhin in rei-chem Maße nur gute Früchte hervorgebracht, unddie Arbeit wäre ein Vergnügen geblieben. Trotzdemhätten die Menschen den Sabbat gehalten. Sie hät-ten zwar keiner leiblichen Ruhe bedurft, weil dieArbeit sie nicht ermüdete, doch der Sabbat wäre ih-nen eine Lust gewesen, denn an dem Tage hättensie besonders mit Gott verkehrt.

Aus diesen Gedanken können wir eine prakti-sche Lehre in bezug auf die Sabbatgesetzgebungziehen. Wenn der Sabbat der leiblichen Ruhe wegeneingesetzt worden wäre, so könnte die Regierungdem Volk befehlen, ihn zu halten, und den Men-

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130sehen auf diese Weise zu mehr Kraft und Fleiß fürdie nächste Arbeitswoche verhelfen. Weil die Sab-batruhe uns aber geistliche Ruhe geben soll, ist esder Regierung offensichtlich unmöglich, allen Men-schen das Halten des Sabbats aufzuerlegen. Geist-liche Dinge sind dem Geist Gottes vorbehalten. DieSabbatruhe, die geistlich ist, kann nur vom GeistGottes gegeben werden. Der Geist Gottes ist nichtden Parlamenten und Gerichtsbeschlüssen derMenschen Untertan. Selbst wenn es der siebenteTag, den Gott segnete und heiligte, wäre, dessenBeobachtung man gesetzlich erzwingen würde,brächte es keinen Segen. Gott wendet keinenZwang an. Er ermächtigt auch keine Menschen undkeine Gemeinschaft von Menschen, ihn an seinerStatt anzuwenden. Der Sabbat ist für den Men-schen gemacht; er ist der größte Segen, den Gottfür den Menschen hat. Der Sabbat zeigt dem Men-schen die Macht, durch die er erlöst werden kann.Menschen zum Sabbathalten zu zwingen wäre das-selbe, wie sie zu zwingen, die Erlösung anzuneh-men. Christus sagt, er will Menschen zu sich zie-hen, aber nicht treiben. Er ist der gute Hirte. Alssolcher geht er vor seinen Schafen her und führt siemit seiner Stimme, aber er treibt sie nicht mit demStock.

Es ist klar, daß der Zweck des Sabbats nicht al-lein die körperliche Erholung ist und daß die Unter-lassung körperlicher Arbeit noch lange nicht Sab-bathalten bedeutet. Gott fordert zwar, daß wir amsiebenten Tag unsere eigenen Werke, gleich wel-

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131eher Art, völlig unterlassen. Dadurch will er uns je-doch nicht nur Zeit geben, ohne Unterbrechung undStörung seine Werke zu betrachten, sondern er willuns eine Lehre des Gottvertrauens nahelegen, diewir sehr benötigen. Indem wir uns an diesem Tagvon aller Arbeit enthalten, die zu unserem Lebens-unterhalt dient, werden wir an die Tatsache erin-nert, daß Gott nicht nur für unsere geistlichen, son-dern auch für unsere leiblichen Bedürfnisse sorgt.Obwohl wir im Gehorsam gegenüber seinen Gebo-ten unser tägliches Brot verdienen, anerkennen wirauf diese Weise, daß wir so von ihm abhängig sind,als ob wir nichts täten.

Das richtige Verständnis der Bedeutung desSabbats würde ein für allemal die Frage beantwor-ten, die so oft von Menschen gestellt wird, die über-zeugt worden sind, daß sie Gott in der Beobach-tung des Sabbats gehorchen sollten. Es handeltsich um die Frage: Wie soll ich meinen Lebensun-terhalt verdienen, wenn ich den siebenten Tag hal-te? Werde ich nicht meine Stellung verlieren? Esgibt nur verhältnismäßig wenige, die diesen Taghalten. An diesem Tag werden die meisten Geschäf-te abgewickelt. Wie kann ich da eine Anstellungfinden? Was soll ich tun? Diese Frage wird niemalsvon einem Menschen gestellt werden, der denZweck und das Wesen des Sabbats erkennt. Erwird wissen, daß der Sabbat selbst die Antwortgibt. Die Bedeutung des Sabbathaltens ist voll-kommenes Vertrauen in Gott, dessen Macht dasWeltall aus einem Nichts schuf und der es auch er-

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132hält, Vertrauen in den, dessen Liebe zu seinen Ge-schöpfen genauso groß ist wie seine Macht, ihnenGutes zu erweisen.

Für viele scheint die Arbeit am Sabbat in Notsi-tuationen unbedingt notwendig zu sein. Der Bauerzum Beispiel mag denken, daß seine einzige Hoff-nung, die Ernte zu retten, darin besteht, sie amSabbat einzubringen. Das rechte Sabbathalten löstdas Problem, vielmehr es läßt es gar nicht erst auf-kommen. Der Bauer wird wissen, daß der Gott, derallein das Korn wachsen lassen kann, auch Machthat, es zu beschützen oder, wenn die Ernte vernich-tet würde, auf eine andere Weise Vorkehrung fürihn zu treffen. Genauso muß man aber auch verste-hen, daß vollkommene Sabbatheiligung mit allerFürsorge für Leidende übereinstimmt, die an die-sem Tag notwendig ist; denn der Sabbat selbst er-innert uns daran, daß der Herr gnädig und barm-herzig ist. »Er hat ein Gedächtnis gestiftet seinerWunder, der gnädige und barmherzige Herr.« PS.111,4.

DIE RUHE, DIE DA BLEIBT

»So lasset uns nun mit Furcht darauf achten,daß euer keiner dahintenbleibe, solange die Verhei-ßung noch besteht, daß wir einkommen zu seinerRuhe. Denn es ist auch uns verkündigt gleichwie je-nen; aber das Wort der Predigt half jenen nichts, dadie nicht glaubten, die es hörten. Denn wir, die wirglauben, gehen ein in die Ruhe, wie er spricht: > Ich

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133schwur in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhenicht kommen. < Nun waren ja die Werke von Anbe-ginn der Welt fertig, denn so spricht er an einer an-deren Stelle der Schrift von dem siebenten Tag:> Und Gott ruhte am siebenten Tage von allen sei-nen Werken. < . . . So ist also noch eine Ruhe vor-handen dem Volke Gottes. Denn wer zu Gottes Ru-he gekommen ist, der ruht auch von seinen Werkengleichwie Gott von den seinen.« Hebr. 4,1-10.

Die Ruhe, von der hier gesprochen wird, ist of-fensichtlich die noch für das Volk Gottes vorhande-ne Ruhe des ewigen Reiches unseres Herrn und Hei-landes Jesus Christus. Es ist die Ruhe einer neuenErde, zu der das Volk Israel wegen seines Unglau-bens nicht einging. Die Ruhe, die es in Kanaanfand, war nur ein Schatten der wirklichen Ruhe, dieGott ihnen verheißen hatte. Das Evangelium vomReich, das uns gepredigt worden ist, wurde schonihnen gepredigt. Was hat aber der siebente Tag mitjener ewigen Ruhe im Reich Gottes zu tun? Wirwerden es sehen.

Wir sahen schon, daß der Sabbat ein Denkmalder Schöpfung ist. Wir dürfen aber nicht überse-hen, daß der Sabbat zu der Zeit eingesetzt wurde,als Gott alles ansah, was er gemacht hatte, »undsiehe, es war sehr gut«. Der Sabbat ist das Ge-dächtnis einer vollkommenen Schöpfung. Er erin-nert uns daran, daß sich die Erde nicht immer indem Zustand befand, wie wir sie heute vorfinden.Das Wort Gottes geht nicht fehl; alle seine Plänewerden zur Ausführung kommen; und geradeso,

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134wie der Sabbat uns an eine vollkommene Schöp-fung und eine vollständige Wohnstätte des Men-schen erinnert, so sichert er uns auch zu, daß dieErde erneuert und zu einer vollkommenen Wohn-stätte der Heiligen gemacht wird, die auf ihr Erbewarten.

»Aber die Götzenmacher sollen alle in Schmachund Schande geraten und miteinander schamroteinhergehen. Israel aber wird erlöst durch denHerrn mit einer ewigen Erlösung und wird nicht zu-schanden noch zu Spott immer und ewiglich. Dennso spricht der Herr, der den Himmel geschaffen hat— er ist Gott; der die Erde bereitet und gemachthat — er hat sie gegründet; er hat sie nicht geschaf-fen, daß sie leer sein soll, sondern sie bereitet, daßman auf ihr wohnen solle: Ich bin der Herr, undsonst keiner mehr.« Jes. 45,16-18.

Gott schuf die Erde, und den Menschen schufer, daß er darauf wohne. Bei der Schöpfung war derMensch vollkommen. Gott beabsichtigte, daß dieErde von vollkommenen Wesen bevölkert werdensollte. Und diesen Wesen gab er den Sabbat zumGedächtnis an ihren Schöpfer, damit sie ihren voll-kommenen Zustand bewahren sollten. Sie warennicht nur körperlich, sondern auch geistlich voll-kommen. Der Mensch wurde mit einem vollkomme-nen Charakter zum Ebenbilde Gottes geschaffen.In diesem Zustand sollte er den Sabbat halten, umdadurch immer daran erinnert zu werden, daß erseine Vollkommenheit von Gott empfangen hatteund daß sie allein von Gott bewahrt werden konnte.

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135In diesem vollkommenen Zustand will der Herr dieErde wieder herstellen. Durch das Evangelium be-reitet er ein vollkommenes Volk vor, das die erneu-erte Erde bewohnen soll. Obwohl der Mensch gefal-len und die Erde befleckt worden ist, bleibt dennochder Sabbat als ein Überrest des Paradieses, als einGedächtnis dessen, was Gott dem Menschen amAnfang bereitet hat, und als ein Mittel, ihn zu die-ser hohen Stellung zu bringen, damit er sich einmalder wiederhergestellten Erde erfreuen kann.

Die Ruhe, die noch vorhanden ist, ist also die er-neuerte Erde und das wiederhergestellte Paradies.Die Werke waren von Anbeginn der Welt fertig.Das heißt, sobald die Erde geschaffen war, war siefür den Menschen eine Ruhe. Der Mensch bekamzwar Arbeit, aber sie war nicht ermüdend. Eineganz genaue Übersetzung von l.Mose 2,15 würdelauten: Gott veranlaßte den Menschen im GartenEden, den er gepflanzt hatte, zu ruhen. Er gab ihmRuhe auf der Erde, die er zu seiner Erquickung be-reitet hatte. Der Beweis dazu liegt in den Worten,daß Gott »ruhte am siebenten Tag von all seinenWerken«.

Für den Menschen war der Sabbat ein Zeichen,daß er für alle Ewigkeit mit Gott ruhen sollte. Dasheißt, er sollte sich geistlicher Ruhe erfreuen —vollkommener Freiheit von Sünde.

Während der sechs Tage hatte Gott die Wortegesprochen, durch die die Erde in ihrem vollkom-menen Zustand ins Leben gerufen wurde. Dannruhte er. Er hörte auf zu sprechen, und sein Wort,

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136das lebendig ist und für immer weiter wirkt, erhältseitdem alles, was geschaffen wurde. So ruhte Gottauf seinem Wort. Er konnte von seinem Schöp-fungswerk ruhen in dem vollkommenen Vertrauen,daß sein Wort das Weltall aufrechterhält. Genausoverhält es sich bei uns, wenn wir den Sabbat desHerrn halten. Wir begeben uns einfach in die Ruhe,die sich aus dem Glauben an die Verheißungen Got-tes ergibt.

So kommt es, daß »wir, die wir glauben, gehenein in die Ruhe.« »Denn wer zu Gottes Ruhe gekom-men ist, der ruht auch von seinen Werken gleichwieGott von den seinen.« Solange Menschen das Wortdes Herrn nicht voll akzeptieren, kommt alles ausihrem eigenen Ich. Die Werke des Fleisches sindnur Sünde. Selbst wenn sich die Menschen zumDienst Gottes bekennen und ernstlich danach ver-langen, recht zu handeln, sind ihre eigenen Werkeletzten Endes ein Fehlschlag. »Alle unsere Gerech-tigkeit ist wie ein beflecktes Kleid.« Jes. 64,5. Er-kennen wir aber die Macht und Fähigkeit des Wor-tes Gottes, die Menschen, die ihm glauben auf einehöhere Stufe zu stellen, so ruhen wir von unseren ei-genen Werken und lassen Gott in uns wirken »bei-des, das Wollen und das Vollbringen, zu seinemWohlgefallen«. Phil. 2,13. Dann sind all unsereWerke in ihm getan und sind vollkommen. Das istwirkliche Ruhe. Die Ruhe, die uns zuteil wird, wennwir erkennen, daß die Erlösung nicht aus unsselbst, sondern aus dem Wort kommt, das Himmelund Erde geschaffen hat und erhält, ist die Ruhe,

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137die der Sabbat uns bringt, wenn wir ihn so halten,wie der Herr es wünscht.

Das Gebot fordert uns auf, den Sabbat zu heili-gen. Das bedeutet, der Sabbat ist heilig, und wirsollen ihn heilig halten. Wir sollen den Sabbat nichtheilig machen. Das wäre uns unmöglich; das kannnur Gott. Keines unserer Werke kann die Herrlich-keit dieses Tages erhöhen oder beeinträchtigen.Auch sollen wir nicht versuchen, den Sabbat da-durch richtig zu halten, daß wir uns selbst heiligmachen wollen. Das können wir nicht. Jedoch die-selbe Kraft, die den Sabbattag heiligte, heiligt auchuns. Es ist die Kraft, die das Universum schuf.Schöpferkraft ist es, die uns heiligt, denn Christusist der Schöpfer, der uns gemacht ist »zur Weisheitund zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zurErlösung«. Gott hat uns den Sabbat gegeben — dasGedächtnis seiner Schöpferkraft —, damit wir wis-sen können, daß er der Gott ist, der uns heiligt.

Das ist die Ruhe, die Christus allen gibt, die zuihm kommen. Er sagt: »Kommet her zu mir alle, dieihr mühselig und beladen seid; ich will euch er-quicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet vonmir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demü-tig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.«Matth. 11,28.29. Wir können auf dem Wort, dasdas Universum erhält, ruhen. Das ist die Bedeu-tung des Sabbats. Er erinnert an die Schöpfung;aber auch die Erlösung ist die Macht, die allesschuf, nur wirkt sie jetzt, um alles wiederherzustel-len. So kennzeichnet der Sabbat die höchsten Zieledes Evangeliums.

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138Wie wir sahen, wurde der Sabbat im Paradies

eingesetzt und war Teil der Ruhe, in die Gott ein-ging. Wenn man ihn im Geist und in der Wahrheithält, dann ist er ein Stück Paradies, das uns trotzall der durch den Fluch hervorgerufenen Verände-rungen erhalten geblieben ist. Weil Gott die Erdenicht umsonst geschaffen hat, sondern damit sievon denselben Wesen bewohnt würde, die er ur-sprünglich darauf gesetzt hatte, wird es sich aucherfüllen. Deshalb ist der Sabbat nicht nur ein unsnoch erhaltener Teil des Paradieses, er ist auchidentisch mit der Ruhe, deren sich die Heiligen Got-tes in Ewigkeit erfreuen werden. Für die, die denErlöser ganz annehmen und sich ihm ohne Vorbe-halte ausliefern, hat der Himmel eigentlich hier aufErden schon begonnen. Der Sabbat — ein Stück Pa-radies — überbrückt die Kluft vom verlorenenEden zum wiederhergestellten Eden. So ist er nichtnur das Gedächtnis des ersten Edens, sondern auchder Bürge für des zukünftigen.

Ist nicht der Sabbat eine Lust, wenn man ihnrecht versteht? Wer kann ihn da noch in einem an-deren Licht sehen und seinen Segen nicht erkennen!Der Mann Gottes hat uns ein Lied für den Sabbathinterlassen, in dem er zeigt, wie der Sabbat be-trachtet werden soll und was er für uns bewirkt.»Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken undlobsingen deinem Namen, du Höchster, des Mor-gens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheitverkündigen auf dem Psalter mit zehn Saiten, mitSpielen auf der Harfe. Denn, Herr, du lassest mich

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139fröhlich singen von deinen Werken, und ich rühmedie Taten deiner Hände.« PS. 92,1-5. Wir sollenstark sein in dem Herrn und in der Macht seinerStärke. Eph. 6,10. Wir sollen Überwinder sein»durch den, der uns geliebt hat«. Röm. 8,37. Wennwir nun durch Versuchungen bedrängt werden, sobrauchen wir nur an die Macht Gottes zu denken —die Macht, die die Welt aus nichts schuf — undglauben, daß diese Macht zu unserer Befreiung ein-gesetzt wird, wenn wir sie nur annehmen. Nichts istGott zu schwer. Nichts kann ihm widerstehen. AlleHeerscharen Satans sind im Kampf gegen denHerrn machtlos. »Er hat die Reiche und die Gewal-tigen ihrer Macht entkleidet.« Kol. 2,15. Wenn mansich auf seine Macht stützt, ist der Sieg schon ge-wonnen. Die Dinge, die Gott geschaffen hat, erin-nern uns an seine Macht, und so triumphieren wir,wenn wir die Werke seiner Hände betrachten. Die-ser herrliche Sieg ist es, den uns der Sabbat vermit-teln soll.

Wie der Sabbat das Zeichen einer vollkomme-nen Schöpfung ist, so ist er das Siegel einer neuenKreatur in Christus. Er ist also das durch den GeistGottes verliehene Siegel Gottes. Der Sabbatkommt vom Paradies her und ist ein Teil und Über-rest des Paradieses. So zeigt er, daß für diejenigen,die ihn im Geist und nicht nur als eine Form beach-ten, durch die große Macht Gottes ein Platz im Pa-radies bereitet ist. So wird es sein, daß im wieder-hergestellten Eden für alle Zukunft alles FleischSabbat für Sabbat zusammenkommt (Jes. 66.23),

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um Gott anzubeten, dessen Liebe, Macht undFreundlichkeit in Christus sie zu Teilhabern derHerrlichkeit seiner Gegenwart gemacht hat. Undwenn sie sich an diesen gesegneten Sabbaten ver-sammeln, werden sie singen: »Das Lamm, das er-würget ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reich-tum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preisund Lob.« Offb. 5,12. Doch die Heerscharen der Er-lösten werden mit ihrem Lob nicht allein stehen. Al-le Werke Gottes preisen ihn, selbst heute, währendsie unter Seufzen auf Erlösung warten. Wievielmehr aber, wenn alle Spuren des Fluches beseitigtsind und wenn durch das Evangelium die Schöp-fung in ihrem ursprünglichen Zustand wiederherge-stellt ist, wird »alle Kreatur, die im Himmel ist undauf Erden und unter der Erde und im Meer, und al-les, was darinnen ist,« in Vollkommenheit vereintdie Stimme erheben: »Dem, der auf dem Thronsitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preisund Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!« Offb. 5,13.

Wie ist's unserm Herzen heute doch so wohl;frei von allen Sorgen glüht es wonnevoll!Mit uns in den Lüften tönt es nah und fern:Preis sei unserm Schöpfer, heut am Tag des Herrn!

Nicht der Glocken Klänge, nicht das tönend Erz,nein, die ew'ge Liebe zieht uns himmelwärts;Worte ew 'ger Wahrheit hören wir so gernin dem Hause Gottes an dem Tag des Herrn.

Denn wo Jesu Liebe zwei und drei vereint,ist's, wo uns die Sonne in das Herze scheint.Und aus allen Augen leuchtet Jakobs Stern;so schön ist es nimmer, als am Tag des Herrn.

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Gottes heil'ge Kräfte dringen durch die Reihn,während arme Sünder sich ihm gläubig weihn.Kommt von allen Enden, kommt von nah und fern,feiert doch in Wahrheit diesen Tag des Herrn!O, welch schöne Tage, o, welch sel'ges Glück,wenn all Sorg' und Plage läßt das Herz zurück.Ruht am Sabbat stille in dem Herrn euch aus,sucht des Segens Fülle aus dem Wort heraus!Dient dem Herrn mit Wonne! Naht ihm, tief gerührt!Denn ans Licht der Sonne hat uns Gott geführt!Gott hat uns aus Erde, nicht wir selbst, gemacht,er, der seine Herde treulich nun bewacht.Geht mit Preis und Ruhme durch das offne Torzu dem Heiligtume eures Herrn empor!In des Wortes Lade fest die Wahrheit ruht;heute ist noch Gnade und der Herr euch gut!

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INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 5

DER ERSTE TAGSchöpfung und Erlösung — Das schöpferische

Wort — Das Wort eine sichere Grundlage — Aufdas Wort bauen — Der Fels erbaut — Die Botschaftdes Trostes — »Es werde Licht« — Das Licht des Le-bens 10

DER ZWEITE TAG»Wolken sind der Staub unter seine Füßen« —

Wolken und Schauer der Gnade — Der Bogen der Verhei-ßung 51

DER DRITTE TAGDer Reichtum des Meeres — Christus im Sturm

— Lehren vom Gras 63

DER VIERTE TAGDas Firmament zeigt seiner Hände Werk — Der

Eid Gottes — Gott ist eine Sonne — Gnade, Ehreund Herrlichkeit 86

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DER FÜNFTE TAGVögel, Fische und Landtiere 102

DER SECHSTE TAGWas ist der Mensch? 109

DER SIEBENTE TAGDie Ruhe mit Gott — Sabbatruhe — Die Ruhe,

dieda bleibt 119

Bitte fordern Sie weitere Schriften an:

Christus und seine Gerechtigkeit E.J. WaggonerDer bereitete Weg zur

christlichen Vollkommenheit A.T. JonesMinneapolis 1888 W. MeyerAus der Knechtschaft befreit F.T. WrightGerecht leben F.T. WrightSiehe, das ist unser Gott F.T. Wright