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E igentlich läßt die Auswahl der Muster beim Fliegenfischen nur zwei Möglich- keiten zu: Entweder man entscheidet sich für die Versuch-und-Irrtum-Methode und probiert so lange herum, bis eine Fliege „geht“. Oder man schaut den Fischen aufs Maul. An schnappigen Gewässern kommt man mit der ersten Methode ganz gut zurecht, weil die Fische infolge eines nur begrenzten Nah- rungsangebotes nicht allzu wählerisch sein können. An nahrungsreichen Flüssen und Seen jedoch ist solches Rate-Fischen reine Lotterie. Angler, die es gewohnt sind, so zu fischen, fallen aus allen Wolken, wenn sie mal an einen Fluß kommen, wo ihr tastendes Testen von Mu- stern plötzlich nurmehr schwache Ergebnisse bringt. „Ein kriminelles Wasser“, heißt es dann, weil oft genug die Aktivitätsphase längst vorbei ist, ehe man sich bis zu einem fängigen Muster durchraten konnte. Und Schneider geworden, die Tasche leer, restlos sauer, kommt den Quiz- freunden zu Bewußtsein, daß zwischen geziel- tem Fischen und jener Auf-gut-Glück-Methode ein himmelweiter Unterschied klafft. Auf einmal wird ihnen klar, warum die Ang- ler, die an den berühmten südenglischen Krei- deflüssen zu Hause waren, zu profunden In- sektenkennern wurden, und daß weiß Gott kein „akademisches Interesse“ die namhaften Flie- genfischer aus aller Welt zu glänzenden Ento- mologen machte. Allein ihre Kenntnisse der Wassertierwelt, deren Erscheinungsformen und Lebensweisen war die Basis der überdurch- schnittlichen Erfolge dieser Männer – und ist es bis heute. Dieses Wissen um den Stellen- wert, den ganze Tiergruppen oder auch einzel- ne Arten auf dem Speisezettel der gröber und feiner Geschuppten einnehmen, hat schließlich jene Muster, Bindeweisen und Typen entstehen lassen, die, gezielt gefischt, bis heute überall Furore machen. Aber um gezielt fischen zu können, muß man hinschauen. Nicht nur oberflächlich, son- dern möglichst genau. Ein lieber alter Freund klärte mich auf: „Der Fluß ist wie ein Buch. Du mußt es aufschlagen und darin lesen. Die Ant- worten auf deine Fragen findest du dann in der Drift, im Ufergesträuch, in den Pflanzenbetten, am Grund zwischen den Steinen, im freien Wasser und – in den Mägen deiner Fänge.“ Was Fische alles fressen. Auf welche Nahrung eine Fischart angewiesen ist oder welche Nahrung sie bevorzugt, hängt die den Mammutanteil der Fischnahrung aus- machen. Ziemlich ratlos betrachtet er die skur- rilen Gestalten, die da über den Grund huschen oder schwerfällig im Pflanzenwuchs umher- klettern. Verblüfft fixiert er die seltsam einfa- chen Organismen, die er im Bodenschlamm aufstöbert. Was für Tiere sind das? Sind es An- gehörige der „Niederen Tiere“, sind es Larven von Insekten oder sind es gar „Krebstiere“? Wenn es Frühstadien von Insekten sind, wa- rum nennen wir die einen dann „Larven“ und die anderen „Nymphen“? Warum gibt es für uns „Mücken-“ oder „Köcherfliegen-Larven“, aber „Eintags-“ und „Steinfliegen-Nymphen“? Und welche Bedeutung haben sie für die Fi- sche? Die letzte Frage können nur die Fische selbst beantworten, denn auf diesem Gebiet sind die Verhältnisse von Gewässer zu Gewäs- ser so verschieden, daß man sich hüten sollte, generelle Bewertungen abzugeben. Darum lehne ich Auswahlen, die nur einen Teil der in Frage kommenden Fischnährtiere vorstellen, grundsätzlich ab. Bei einer derarti- gen Darstellung müssen sich zwangsläufig Fehlbeurteilungen ergeben, denn man kann in puncto Nahrungsaufkommen einen Hochge- birgssee kaum mit einem Niederungsbach ver- gleichen. Welche Kleintiere in einem Gewässer für die hier lebenden Fischarten von besonde- rer Bedeutung sind, kann man also nur von Eingeweihten erfahren – oder eben durch ei- gene Beobachtungen herausfinden. Um exakte Aufschlüsse über die Nahrungs- zusammensetzung zu erhalten, kommt man an der Untersuchung von Mageninhalten nicht vorbei. Ich persönlich lasse deshalb – bei den wenigen Fischen, die ich überhaupt einem noch halbwegs natürlichen Biotop entnehmen mag – keine Gelegenheit aus, das zuvor Ge- fressene unter die Lupe zu nehmen. Allerdings sind solche Erkenntnisse, die man in tristen Put-and-Take-Gewässern ge- winnen kann, kaum repräsentativ. Denn die an Fütterung gewöhnten, bereits fangreif einge- setzten Fische sind meist längst selbst verspeist, noch ehe sie ein wildlingsähnliches Freß- verhalten annehmen konnten. Und wenn ich mich auf die Mageninhalte getöteter Fische beschränke, so tue ich das ganz bewußt. Denn ich finde es sehr bedenklich, wenn Amateure ohne entsprechende Qualifika- tion mit dem Markspatel oder der Magenpum- pe in lebenden Fischen herumstochern ... Der- artige Techniken sollten wissenschaftlichen Untersuchungen vorbehalten bleiben! Schwemmt man den Schlund- und Magen- inhalt eines Fisches in etwas Wasser auf – am besten in einem flachen, weißen Kunststoff- schälchen – und betrachtet man das Gemengsel durch eine Lupe, kommt man zu ganz unter- schiedlichen Entdeckungen: Schneidet man diese grau bedruckte Papierfläche sauber ab, so erhält man die Seitenhöhe des früheren Heftformats. · 26-2010 · 26272832_1 · © © · 26-2010 · 26272832_2 · BASISWISSEN wovon die Fische leben GÜNTER FRÖHLICH Zeichnungen: Gerhard Kainbacher. Übersicht: alle Fischnährtierklassen in unseren Gewässern. nach Jahreszeit und Nahrungsaufkommen zwi- schen Groß- und Kleintierbeute. Und Reihen- untersuchungen von Mageninhalten belegen für die Salmoniden und ihre Arten enorme Un- terschiede in der Ernährungsweise. Die meisten anderen einheimischen Fisch- arten sind „Kleintier-Räuber“, denn nur ganz wenige von ihnen nähren sich, wenigstens zeit- weise, von Pflanzen oder Aufwuchs. Anson- sten sind auch ihre Nahrung Proteine. Generell betrachtet kommen für die Fisch- artigen alle größenmäßig zu bewältigenden Land- und Wassertiere als Beute in Frage. Das bedeutet also: Säuger, Vögel, Reptilien, Am- phibien und deren Larven, Fische – die eigene Art eingeschlossen –, Insekten, Niedere Tiere und Protozoen (Einzeller). Der Hauptanteil der Fischnährtiere entfällt jedoch auf drei Grup- pen: Niedere Tiere, Insekten und Fische. Die Identifizierung der verschiedenen Beu- tefischarten, die wir mit unseren Streamers, Bucktails, Muddlers und diversen Naßfliegen nachzuahmen versuchen, fällt nicht besonders schwer. Im Gegensatz dazu bereiten die beiden anderen Gruppen den allermeisten von uns schon eher Schwierigkeiten. Bereits bei den ersten Schritten, die ein Ang- ler in diese Richtung tut, muß er feststellen, wie verdammt wenig er von den Tieren weiß, von verschiedenen Faktoren ab: von Art und Alter der Fische sowie von den Gegebenheiten des Biotops. Die Unterteilung in „Raub-“ und „Friedfische“ ist nicht haltbar. Auch alle „Räu- ber“ sind ja in den juvenilen Phasen ihrer Ent- wicklung zunächst Kleintierfresser. Manche Arten – Hecht, Huchen, Zander, Wels – gehen sodann schon verhältnismäßig früh auf größe- re Protein-Einheiten über, d.h. auf Kleinfisch- arten und Jungfische. Bei den Forellen hingegen entscheidet das Nahrungsangebot ihres Lebensraumes, ob und wann ein Exemplar zum „Räuber“ wird. In vie- len Gewässern pendeln selbst starke Farios je

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Eigentlich läßt die Auswahl der Musterbeim Fliegenfischen nur zwei Möglich-keiten zu: Entweder man entscheidet

sich für die Versuch-und-Irrtum-Methode undprobiert so lange herum, bis eine Fliege „geht“.Oder man schaut den Fischen aufs Maul.

An schnappigen Gewässern kommt manmit der ersten Methode ganz gut zurecht, weildie Fische infolge eines nur begrenzten Nah-rungsangebotes nicht allzu wählerisch seinkönnen. An nahrungsreichen Flüssen und Seenjedoch ist solches Rate-Fischen reine Lotterie.

Angler, die es gewohnt sind, so zu fischen,fallen aus allen Wolken, wenn sie mal an einenFluß kommen, wo ihr tastendes Testen von Mu-stern plötzlich nurmehr schwache Ergebnissebringt. „Ein kriminelles Wasser“, heißt es dann,weil oft genug die Aktivitätsphase längst vorbeiist, ehe man sich bis zu einem fängigen Musterdurchraten konnte. Und Schneider geworden,die Tasche leer, restlos sauer, kommt den Quiz-freunden zu Bewußtsein, daß zwischen geziel-tem Fischen und jener Auf-gut-Glück-Methodeein himmelweiter Unterschied klafft.

Auf einmal wird ihnen klar, warum die Ang-ler, die an den berühmten südenglischen Krei-deflüssen zu Hause waren, zu profunden In-sektenkennern wurden, und daß weiß Gott kein„akademisches Interesse“ die namhaften Flie-genfischer aus aller Welt zu glänzenden Ento-mologen machte. Allein ihre Kenntnisse derWassertierwelt, deren Erscheinungsformen undLebensweisen war die Basis der überdurch-schnittlichen Erfolge dieser Männer – und istes bis heute. Dieses Wissen um den Stellen-wert, den ganze Tiergruppen oder auch einzel-ne Arten auf dem Speisezettel der gröber undfeiner Geschuppten einnehmen, hat schließlichjene Muster, Bindeweisen und Typen entstehenlassen, die, gezielt gefischt, bis heute überallFurore machen.

Aber um gezielt fischen zu können, mußman hinschauen. Nicht nur oberflächlich, son-dern möglichst genau. Ein lieber alter Freundklärte mich auf: „Der Fluß ist wie ein Buch. Dumußt es aufschlagen und darin lesen. Die Ant-worten auf deine Fragen findest du dann in derDrift, im Ufergesträuch, in den Pflanzenbetten,am Grund zwischen den Steinen, im freienWasser und – in den Mägen deiner Fänge.“

Was Fische alles fressen.Auf welche Nahrung eine Fischart angewiesenist oder welche Nahrung sie bevorzugt, hängt

die den Mammutanteil der Fischnahrung aus-machen. Ziemlich ratlos betrachtet er die skur-rilen Gestalten, die da über den Grund huschenoder schwerfällig im Pflanzenwuchs umher-klettern. Verblüfft fixiert er die seltsam einfa-chen Organismen, die er im Bodenschlammaufstöbert. Was für Tiere sind das? Sind es An-gehörige der „Niederen Tiere“, sind es Larvenvon Insekten oder sind es gar „Krebstiere“?

Wenn es Frühstadien von Insekten sind, wa-rum nennen wir die einen dann „Larven“ unddie anderen „Nymphen“? Warum gibt es füruns „Mücken-“ oder „Köcherfliegen-Larven“,aber „Eintags-“ und „Steinfliegen-Nymphen“?Und welche Bedeutung haben sie für die Fi-sche?

Die letzte Frage können nur die Fischeselbst beantworten, denn auf diesem Gebietsind die Verhältnisse von Gewässer zu Gewäs-ser so verschieden, daß man sich hüten sollte,generelle Bewertungen abzugeben.

Darum lehne ich Auswahlen, die nur einenTeil der in Frage kommenden Fischnährtierevorstellen, grundsätzlich ab. Bei einer derarti-gen Darstellung müssen sich zwangsläufigFehlbeurteilungen ergeben, denn man kann inpuncto Nahrungsaufkommen einen Hochge-birgssee kaum mit einem Niederungsbach ver-gleichen. Welche Kleintiere in einem Gewässerfür die hier lebenden Fischarten von besonde-rer Bedeutung sind, kann man also nur vonEingeweihten erfahren – oder eben durch ei-gene Beobachtungen herausfinden.

Um exakte Aufschlüsse über die Nahrungs-zusammensetzung zu erhalten, kommt man ander Untersuchung von Mageninhalten nichtvorbei. Ich persönlich lasse deshalb – bei denwenigen Fischen, die ich überhaupt einemnoch halbwegs natürlichen Biotop entnehmenmag – keine Gelegenheit aus, das zuvor Ge-fressene unter die Lupe zu nehmen.

Allerdings sind solche Erkenntnisse, dieman in tristen Put-and-Take-Gewässern ge-winnen kann, kaum repräsentativ. Denn die anFütterung gewöhnten, bereits fangreif einge-setzten Fische sind meist längst selbst verspeist,noch ehe sie ein wildlingsähnliches Freß-verhalten annehmen konnten.

Und wenn ich mich auf die Mageninhaltegetöteter Fische beschränke, so tue ich das ganzbewußt. Denn ich finde es sehr bedenklich,wenn Amateure ohne entsprechende Qualifika-tion mit dem Markspatel oder der Magenpum-pe in lebenden Fischen herumstochern ... Der-artige Techniken sollten wissenschaftlichenUntersuchungen vorbehalten bleiben!

Schwemmt man den Schlund- und Magen-inhalt eines Fisches in etwas Wasser auf – ambesten in einem flachen, weißen Kunststoff-schälchen – und betrachtet man das Gemengseldurch eine Lupe, kommt man zu ganz unter-schiedlichen Entdeckungen:

Schneidet man diese grau bedruckte Papierfläche sauber ab, so erhält man die Seitenhöhe des früheren Heftformats.

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B A S I S W I S S E N

wovon die Fische lebenGÜNTER FRÖHLICHZeichnungen: Gerhard Kainbacher.

Übersicht: alle Fischnährtierklassen in unseren Gewässern.

nach Jahreszeit und Nahrungsaufkommen zwi-schen Groß- und Kleintierbeute. Und Reihen-untersuchungen von Mageninhalten belegenfür die Salmoniden und ihre Arten enorme Un-terschiede in der Ernährungsweise.

Die meisten anderen einheimischen Fisch-arten sind „Kleintier-Räuber“, denn nur ganzwenige von ihnen nähren sich, wenigstens zeit-weise, von Pflanzen oder Aufwuchs. Anson-sten sind auch ihre Nahrung Proteine.

Generell betrachtet kommen für die Fisch-artigen alle größenmäßig zu bewältigendenLand- und Wassertiere als Beute in Frage. Dasbedeutet also: Säuger, Vögel, Reptilien, Am-phibien und deren Larven, Fische – die eigeneArt eingeschlossen –, Insekten, Niedere Tiereund Protozoen (Einzeller). Der Hauptanteil derFischnährtiere entfällt jedoch auf drei Grup-pen: Niedere Tiere, Insekten und Fische.

Die Identifizierung der verschiedenen Beu-tefischarten, die wir mit unseren Streamers,Bucktails, Muddlers und diversen Naßfliegennachzuahmen versuchen, fällt nicht besondersschwer. Im Gegensatz dazu bereiten die beidenanderen Gruppen den allermeisten von unsschon eher Schwierigkeiten.

Bereits bei den ersten Schritten, die ein Ang-ler in diese Richtung tut, muß er feststellen,wie verdammt wenig er von den Tieren weiß,

von verschiedenen Faktoren ab: von Art undAlter der Fische sowie von den Gegebenheitendes Biotops. Die Unterteilung in „Raub-“ und„Friedfische“ ist nicht haltbar. Auch alle „Räu-ber“ sind ja in den juvenilen Phasen ihrer Ent-wicklung zunächst Kleintierfresser. MancheArten – Hecht, Huchen, Zander, Wels – gehensodann schon verhältnismäßig früh auf größe-re Protein-Einheiten über, d.h. auf Kleinfisch-arten und Jungfische.

Bei den Forellen hingegen entscheidet dasNahrungsangebot ihres Lebensraumes, ob undwann ein Exemplar zum „Räuber“ wird. In vie-len Gewässern pendeln selbst starke Farios je

Einmal findet man fast ausschließlich eineeinzige Beutetierart vor. Ein andermal bietensich dem Betrachter die verschiedensten Klein-tierarten, organische und anorganische Be-standteile dar. Larven, geflügelte Insekten,Steinchen, Algen, Schnecken, Fische oder Re-ste davon, Nymphen, Muscheln und wurmarti-ge Tiere, von denen man zunächst nicht einmalgenau sagen kann, ob sie Beute waren oder garEndoparasiten sind. Sehr oft muß man zudemfeststellen, daß die Tierarten, die in Massenden Grund bevölkern, kaum vertreten sind,während andere, die nur in geringen Stückzah-len vorzukommen scheinen, eindeutig bevor-zugt wurden.

Es lassen sich also sehr genaue Kenntnissevon der Ernährungsweise einer Fischart ge-winnen – vorausgesetzt, man kann die Beuteidentifizieren und weiß über ihre LebensweiseBescheid. Sonst nützen dem Angler dieseKenntnisse herzlich wenig. Erst dieses Wissenversetzt ihn in die Lage, jene optischen Trug-gebilde gezielt einzusetzen, die wir allesamtschlicht „Fliegen“ nennen.

sens steht fest: Die Insekten sind die arten- undindividuenreichste Tiergruppe unserer Welt (s.die Grafik „Weltweite Verbreitung der Arten“).

Da die Kerbtiere somit die größte Potenz inder Tierwelt darstellen, fällt es nicht schwer,ihren Stellenwert in der Nahrungskette des Na-

schen den Fischnährtieren im Süß- und imSalzwasser besteht darin, daß die Insekten trotzihres immensen Artenreichtums die freienOzeane nicht erobern konnten. Diese Lebens-räume blieben vielmehr die Domäne der was-serbewohnenden Wirbellosen (Invertebrata),vor allem der Würmer, Weichtiere und Krebse,so daß Salzwasserfische, anadrome Wanderfi-sche wie Lachs und Steelhead-Forelle sowiejene Fischarten, die im Gezeitenbereich pen-deln, auf dieses andersartige Nahrungsspek-trum eingestellt sind.

Als Nahrungsgrundlage der Süßwasserfi-sche spielen nun auch die Süßwasserarten derNiederen Tiere und Gliederfüßler eine wichti-ge Rolle.

Nach dem Freischwimmen ernährt sich dieFischbrut zunächst von Kleinstlebewesen, densogenannten Infusorien. Diese Urtierchen sindteilweise sogar noch der Assimilation fähig, al-so Mittler zwischen Pflanze und Tier. Auch dieNauplien, die Jugendstadien der Kleinkrebse(Crustacea), sind für Brutfischchen relevantund nicht nur für Jungfische können die aus-gewachsenen Crustaceen unserer Gewässerdurchaus als Nährtiergruppe bedeutungsvollsein, vor allem natürlich die Floh- und Relikt-krebse wie Gammarus, Rivulogammarus undMysis.

Doch einmal ganz abgesehen davon, daßdie meisten anderen Crustaceen-Arten viel zuklein sind, um für uns imitierbar zu sein, unddaß wir unsere aggressive Mimikry nicht be-treiben, um Setzlinge zu ärgern oder Kilofischean haarfeinen Vorfachspitzen abzureißen – imLebensraum Süßwasser überließen sie ganz be-trächtliche Bereiche den Insekten. Und da-durch wiederum fanden unsere Fische, be-sonders die Salmoniden, ganz erheblich ange-reicherte und vielseitigere Speisekarten vor.

Wie nun die Nahrungszusammensetzungunserer verschiedenen Süßwasserfischarten imeinzelnen aussieht, welche Prozentsätze je-weils auf Wirbeltiere (z. B. Fische, Lurche u.a.), Insekten (Imagines, Larven und Nym-phen), Crustaceen und andere Niedere Tieresowie auf pflanzliche Bestandteile entfallen,dies ist noch ein immenses Betätigungsfeld fürdie Wissenschaft.

Von näherem Interesse für uns dürfte jedochin diesem Zusammenhang eine Untersuchungvon Prof. Paul Needham sein, der 1927 dieKleintierfauna einiger nordamerikanischer Sal-monidenströme untersuchte und die Magenin-halte verschiedener Salmonidenarten mitein-ander verglich.

Obwohl diese Erkenntnisse weder auf ste-hende Gewässer in Nordamerika noch auf eu-ropäische Verhältnisse ohne weiteres übertra-gen werden können, sind sie für uns sehr auf-schlußreich. Es ist ohnehin sehr problematisch,verschiedene Gewässer, selbst wenn sie natur-

belassen und in keiner Weise geschädigt sind,miteinander zu vergleichen. Denn trotz glei-chen Typs bestehen selbst bei Nachbarströmenz. T. große Unterschiede, die durch ganz mini-mal erscheinende Faktoren begründet werdenund dennoch die Kleintierfauna und damit dasFreßverhalten der Fische entscheidend prägen:

Dem Prozentsatz der Wasserinsekten-Lar-ven, -nymphen und -puppen bleibt wohl nichtshinzuzufügen. Interessant ist es jedoch, die An-teile der verschiedenen Ordnungen zu verglei-chen.

Bei den Eintagsfliegen bestanden also kaumUnterschiede. Begehrenswerte Arten warenvon den Fischen sowohl im schnellen Wasserals auch in Kolken anzutreffen. Alle Steinflie-gen und Köcherfliegen des untersuchten Flus-ses hingegen bevorzugten eindeutig die Strö-mung. Und die Larven der Zweiflügler stelltenwiederum den Löwenanteil in ruhigeren Was-serpartien.

Hochinteressant sind auch die Magenin-haltsuntersuchungen von Prof. Needham anBachforellen, Regenbogenforellen und Bach-saiblingen, denn sie spiegeln recht unterschied-liche Vorlieben bzw. Ernährungsweisen wider.Die Abweichungen bei den Nahrungsaufnah-megewohnheiten der Saiblinge führte Need-ham jedoch nicht nur auf artspezifische Ge-wohnheiten zurück, sondern auch darauf, daßSalvelinus fontinalis in stärkerem Maße dieQuellbereiche und Oberläufe der Flüsse be-wohnt, und daß sich deren Kleintierfauna vonder der tiefer gelegenen Gewässerpartien und -regionen unterscheidet:

Schneidet man diese grau bedruckte Papierfläche sauber ab, so erhält man die Seitenhöhe des früheren Heftformats.

wovon die Fische leben

Übersicht: alle Fischnährtierklassen.

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Zur Bedeutung der Insekten.Wenn man den heutigen Stand der Evolutionallen Lebens auf unserem Planeten betrachtet,muß man feststellen, daß es nur einer winzigkleinen Gruppe von Organismen gelungen ist,sich zu hochstehenden Lebewesen zu entwik-keln. Selbst wenn man hierzu neben dem Ho-mo sapiens, der modernsten und erstaunlich-sten übriggebliebenen Spezies der Gattung Ho-mo, die Säugetiere sowie alle Vögel, Reptilien,Amphibien und Fische hinzuzählt, so machensie nur ungefähr 3 % von über einer Million bisheute beschriebener Arten aus. 97 % dagegensind Wirbellose (Invertebrata)! Sind das nichtsehr bezeichnende Zahlen für die Chancen inder ewigen Lotterie des Artenwandels durchMutation (Erbänderung) und Selektion (Aus-lese)?

Daß nun von diesen 97 Artenprozenten al-lein über 800.000 (!) bis heute wissenschaftlichidentifizierte Insektenarten sind, spricht Bände.Und diese Zahl wächst ständig weiter, dennlaufend werden neue Formen entdeckt und denbestehenden Ordnungen, Familien, Gattungenals neue Arten hinzugefügt. Ja, die Fachweltschätzt die heute lebenden Insektenarten auf 1bis 1,5 Millionen. Das bedeutet, daß uns unterUmständen erst die Hälfte aller Arten bekanntist. Doch bereits beim heutigen Stand des Wis- Die weltweite Verbreitung der Arten.

Reptilien und Vögeln beobachten. Selbst dieSäuger haben eine beachtliche Gruppe Kerb-tierfresser hervorgebracht. Was die Insektenund ihre Larven jedoch für die Fische des Süß-wassers bedeuten, läßt sich kaum stark genugbetonen.

Exakte Studien sind selten.Einer der gravierendsten Unterschiede zwi-

Kleintierfaunaam Grund eines Salmonidenflusses.Nach Prof. Paul Needham (in „Trout Streams“,Comstock, 1940).

Ordnung: Niedere Tiere.Vorkommen:❶ am Grund der schnellen Strömung

➁ am Grund der ruhigen Kolks Insekten ❶ ➁Eintagsfliegennymphen 36,9 % 41,2 % Köcherfliegenlarven, Puppen 21,3 % 1,2 %Steinfliegennymphen 14,7 % 4,1 %Zweiflüglerlarven, Puppen 13,8 % 46,7 %Käferlarven, Puppen 7,6 % 2,6 %Netzflüglerlarven 0,9 % 2,1 %Libellennymphen 0,1 % 0,5 %

95,3 % 98,4 %

Verschiedene WirbelloseMuscheln, Schnecken 0,2 % 0,2 %Krebse, Kleinkrebse 3,7 % 0,2 %Div. Kleintiere 0,7 % 1,1 %

4,6 % 1,5 %99,9 % 99,9 %

die Klasse der Insekten

turhaushalts einzuschätzen. Und dieses Nah-rungspotential wird denn auch von vielen Tier-arten bis hinauf zum primitiven Menschen aufder einen Seite und bis hinab zur fleischfres-senden Pflanze auf der anderen genutzt.

Eine regelrechte Spezialisierung auf Insek-tennahrung läßt sich vor allem bei Amphibien,

Reich (regnum) : Animalia (Tiere)Stamm (phylum) : Articulata (Gliedertiere)

Unterstamm (subphylum) : Arthropoda (Gliederfüßler) Klasse (classis) : Insecta od. Hexapoda (Insekten od. Sechsfüßler)

Unterklasse (subclassis) : Pterygota (Fluginsekten) Ordnung (ordo) : Ephemeroptera (Eintagsfliegen)

Familie (familia) : Baëtidae (Glashafte)Gattung (genus) : Baëtis

Art (species) : rhodani Pict. (Glashaft, beschrieben von Pictet)

„Pict.“ steht für den Genfer Zoologen François-Jules Pictet de la Rive (1809-1872).

Wenn man den Wasser- und Landinsekten-Anteil an der Gesamtnahrung dieser drei Sal-monidenarten mit den Prozentsätzen aus dervoranstehenden Übersicht vergleicht, kommtman auf eine interessante Übereinstimmung:

Über 90 % der Mageninhalte bestehen aus In-sekten! Dazu muß freilich bemerkt werden, daßes sich bei den untersuchten Fischen um Exem-plare von durchschnittlich 20 cm Länge handel-te. Bei größeren Fischen dürften sich darumschon Verschiebungen zugunsten größerer Beu-tetiere ergeben, vor allem von Kleinfischarten.

Es gibt eine Theorie, nach der Salmonidenwärmerer Gewässer Fische als Nahrung besserverdauen können. Die Verdaulichkeit vonFisch stehe in unmittelbarem Zusammenhangmit dem Pepsingehalt des Magensaftes unddieses eiweißverdauende Ferment werde beihöheren Wassertemperaturen stärker erzeugt.

Mir erscheint diese Theorie recht zweifel-haft. Denn wie sollten sonst die großen Fisch-fresser unter den Salmoniden, die in nördlichenBreiten leben, zurecht kommen?

Sicher dagegen ist, daß bei reichem Insek-tenangebot auch große Salmoniden Insekten-liebhaber bleiben. Man braucht nicht erst denMageninhalt zu untersuchen oder die Fleisch-qualität zu prüfen, um eine 2 kg-Raubforellevon einer gleichstarken Insektenfresserin unter-scheiden zu lernen. Das Aussehen springt ins

Auge! Und wenn wir solche Prachtfische beiuns immer seltener zu sehen bekommen, dannvor allem, weil das Insektenleben unserer mei-sten Gewässer mehr oder weniger stark ge-schädigt ist.

Daß nun diese Schädigungen, die, schlichtgesagt, in der Ausrottung unzähliger Arten be-stehen, vor allem die urtümlichen Wasserinsek-ten sowie zahlreiche andere Niedere Tiere be-troffen haben, braucht man nicht besonders zubetonen. Die Toleranz gegenüber Veränderun-gen des Lebensraumes ist bei vielen Wirbello-sen so eng begrenzt, daß sie als biologische In-dikatoren bei der Bewertung der Wasserqua-lität gelten können.

Um diese Möglichkeit zu nutzen, muß mandie in Frage kommenden Arten, die sog. Leit-organismen des Saprobiensystems, zumindestkennen. Und damit liegt es bei uns Anglern,auch bei uns Fliegenfischern, noch sehr im ar-gen. Viele anspruchsvollere Arten, Insektenund andere Wirbellose, verschwanden schonfast unbemerkt und unerkannt.

Damit änderten sich zwangsläufig auch dieErnährungsweisen der in viel stärkerem Maßeanpassungsfähigen Fische. So stellt sich dieFrage: Haben denn die Eintagsfliegen bei unsüberhaupt noch die Bedeutung, die wir ihnenzubilligen? Die Steinfliegen, als noch wesent-lich empfindlichere Insekten, kennen ja vieleunserer jüngeren Fliegenfischer vom heimat-lichen Gewässer schon überhaupt nicht mehr!

Von eher zunehmender Bedeutung sind, al-lein schon durch die großen Nehmerqualitätenvieler Arten, die Zuckmücken geworden. Da-durch gewinnt das „Midge“-Fischen (im eigent-lichen Sinn) ständig an Popularität. Mit den Kö-cherfliegen, heiß geliebt bis verhaßt unter den Fi-schern, doch mit Begeisterung gefressen von Fi-schen jeglicher Art, verhält es sich ähnlich.

Und die Landinsekten („Terrestrials“) sindebenfalls weiter in den Brennpunkt des Inter-esses gerückt. Bei den Anglern jedenfalls, dennbei den Fischen standen sie schon immer hochim Kurs. Vor allem jene Arten, die als schwa-che Flieger beim Schwärmen in großen Men-gen aufs Wasser geraten, auch die kleinen Ver-treter der Hemiptera, wie Blattläuse undZwergzikaden (Jassiden), die hierzulande bis-her niemand so recht „für voll“ nahm.

Die Landinsekten haben jedoch vor alleman sauren Gewässern seit jeher eine große Rol-le gespielt. Es gibt nicht wenige Salmoniden-gewässer, an denen schon immer meist scharfbegrenzte Jahreszeiten eindeutig im Zeicheneines bestimmten „Terrestrials“ standen.

So war z.B. die Schwarze Kammschnake vonEnde Juni bis weit in den Juli hinein an der Ei-feler Lieser „die“ bevorzugte Forellennahrung (s.Heft 16, S. 22 ff). An der Gmundner Traun er-langen in manchen Jahren die schwärmendenWaldameisen eine große Bedeutung. U.a.m.

Insgesamt gesehen haben also die Insekten– und das gilt für unsere meisten inländischenFischwasser – trotz der Verschiebungen, dieüberall stattfanden, nichts, aber auch gar nichtsvon ihrer Attraktivität eingebüßt. Noch immerbestreiten sie den höchsten Prozentsatz amNahrungsanteil unserer Salmoniden und einenbedeutenden Anteil an dem der Cypriniden.

Allmählich erübrigt es sich wohl selbstgegenüber dem größten Skeptiker, die Bedeu-tung der Entomologie für uns nochmals be-sonders zu betonen. Notwendig dagegen ist es,einmal den Stand unseres Wissens um die In-sekten zu betrachten!

Entomologie und Nomenklatur.Verglichen mit den Fischern im guten altenEngland stehen wir kontinentaleuropäischenFliegenfischer mit unserer Insektenkundeziemlich dürftig da. Aber ich finde absolutnichts dabei, dies offen zuzugeben! Was dasFliegenfischen angeht und die entomologi-schen Kenntnisse, die nun mal dazugehören,haben wir halt noch keine Tradition. Und Tra-ditionen wachsen langsam.

Was mich persönlich eher bedrückt, ist diedumpfe Befürchtung, daß anscheinend derGroßteil unserer Anglerschaft mit der Fliegen-rute hoffnungslos überfordert zu sein scheint.Denn Möglichkeiten zum Fliegenfischen gibtes überall! Nur, wie wenig werden sie genutzt!Und wenn sich hierzulande noch nicht einmalan den klassischen Salmonidengewässern alleFischer zum Fliegenfischen bekennen, sonderndort, wo es nicht ausdrücklich verboten ist,nach wie vor am Regenwurm oder Spinnerfestklammern, dann brauchen wir uns nicht zuwundern, wie wenig man uns international alsAngler für voll nimmt.

Es ist doch sehr bezeichnend, daß die Be-deutung der Insektenkunde für englische Flie-genfischer schon daran zu messen ist, daß sie füralle ihre wichtigeren Insekten englische Namengebrauchen: Dusty Yellowstreak, Pale EveningDun, Welshman’s Button, Willow-fly, Caperer,Gravel Bed Fly etc., etc. sind Insektenartenunterschiedlicher Ordnungen, die man unterenglischen Fliegenfischern einfach kennt.

Gebraucht man bei uns dagegen Namen wieGelbes Särchen, erwähnt man den Bachhaft,die Grünzirpe oder das Goldauge, wird manselbst unter Fliegenfischern in den meisten Fäl-len auf Ratlosigkeit stoßen. Selbst bei den Ein-tagsfliegen, die wir alle doch so mögen und die

uns, wo sie noch artenreich schwärmen, sowundervolles Trockenfischen bescheren, ist esnicht anders.

Als „Maifliegen“ sind alle Danica-Artennoch leidlich klar bezeichnet. Was aber mit„Märzbraune“ und „Rotspinner“ gemeint seinkann, das umfaßt eine so große Gruppe vonEphemeriden-Arten, daß solche Bezeichnun-gen sinnlos werden.

Sollen wir also anfangen, deutsche Namenfür die uns wichtigen Insekten zu erfinden? Ichmeine nein! Denn letztlich sind die Begriffeder wissenschaftlichen Nomenklatur präziser,gar nicht so schwierig zu merken und zudeminternational verständlich.

Die Benennung mit lateinischen bzw. lati-nisierten griechischen Namen unterliegt denRegelungen der internationalen Nomenklatur-Kommission. Danach erhält jede Tier- undPflanzenart jeweils einen gültigen Doppelna-men, der kursiv geschrieben wird. Der ersteName wird groß geschrieben; er bezeichnet dieGattung. Der zweite wird klein geschrieben; erbenennt die Art. Im Falle einer Unterart wirdnoch ein dritter, klein geschriebener Name an-gefügt. Dahinter steht, groß geschrieben, derName des Wissenschaftlers, der das Lebewe-sen zuerst beschrieb.

Der erstbeschriebene Name ist internationalgültig. Öfter kommt es zu Umbenennungen,wenn z. B. ein Tier von mehreren Autoren nach-einander als Neuentdeckung beschrieben wurde.Die nun nicht mehr gültigen Namen werden als„Synonyme“ bezeichnet und, wenn eine Art lan-ge Zeit unter diesem Namen rannte, flog oderschwamm, häufig noch einige Zeit miterwähnt.

Da die Nomenklatur nach Auffassung dermodernen Wissenschaft mit der Namensgebungzugleich verwandtschaftliche bzw. entwick-lungsgeschichtliche Zusammenhänge aufzei-gen will, kommt es auch zu Revisionen, bei de-nen Artnamen sich ändern (z. B. Baëtis biocu-latus Leach heißt nun Baëtis fuscatus Leach).Es kommt auch vor, daß Arten aufgrund neuerErkenntnisse in ganz andere Gattungen gestelltwerden. In diesem Fall bleibt der Artname dergleiche, nur stellt man den Autorennamen inKlammern, z. B. Seratella ignita (Poda).

Zuweilen führen Überarbeitungen gar zurAufstellung ganz neuer Familien bzw. Gattun-gen. Obschon selbst zwischen den Experten oftgroße Meinungsverschiedenheiten bestehenund mit Leidenschaft diskutiert werden, eröff-nete die von dem großen schwedischen Natur-

Wovon die Fische leben, wußten schon jeneFischer im antiken Mazedonien, die wohl alserste begannen, mit künstlichen Fliegen natür-liche Gegebenheiten zu nützen. Daß nun beiuns – trotz jahrhundertelangen Herumangelns– die wirkliche Bedeutung der Insekten alsNahrung der Süßwasserfische erst dann gese-hen wird, wenn viele dieser Insekten schon amAussterben sind oder schon ausgestorben, istgeradezu ein Treppenwitz der Geschichte.

Erst ganz allmählich beginnt es sich ja sogarim deutschsprachigen Raum herumzuspre-chen, daß unsere Imitationen wirklich nicht nur

Schneidet man diese grau bedruckte Papierfläche sauber ab, so erhält man die Seitenhöhe des früheren Heftformats.

wovon die Fische leben

Übersicht: alle Fischnährtierklassen.

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❶ Bachforellen➁ Regenbogenforellen

❸ BachsaiblingeNährtiereInsekten ❶ ➁ ❸Eintagsfliegen 79,3 % 37,1 % 17,6 %Köcherfliegen 9,5 % 18,7 % 30,1 %Steinfliegen 0,7 % 3,3 % 1,5 %Zweiflügler 2,5 % 17,8 % 18,6 %Wasserwanzen - 0,8 % 1,2 %W’springschwänze - - 6,5 %Hautflügler 1,0 % 6,6 % 3,0 %Käfer 1,2 % 7,9 % 6,5 %Raupen - 2,0 % 0,5 %Grashüpfer 0,3 % 0,5 % 1,6 %Zikaden 0,7 % 1,0 % 6,4 %

95,2 % 95,7 % 93,5 %Verschiedene WirbelloseKrebse,

Kleinkrebse 0,7 % 1,0 % 1,7 %Wasserschnecken,

Muscheln - 1,1 % 0,9 %Landschnecken,

Erdwürmer 3,4 % - 1,1 %Tausendfüßler,

Spinnen - - 1,4 %Div. Wirbellose 0,4 % 1,7 % 0,9 %

4,5 % 3,8 % 6,0 %WirbeltiereFische, Molche 0,3 % 0,5 % 0,5 %

100 % 100 % 100 %

Insekten sind die Hauptnahrung der aller-meisten Süßwasserfische und damit die Basisder Fliegenfischerei. Aber um unsere Chancenvoll zu nutzen, müssen wir uns schon etwasmehr mit der Entomologie befassen.

Das Gebiet ist weit, die Formenfülle unge-heuer, selbst wenn wir uns auf die Familien be-schränken, die für uns am wichtigsten sind.Doch um unsere Fische richtig ansprechen undverstehen zu können, kommen wir nicht daranvorbei, uns mit der Lebensweise, der Fort-pflanzung, der Entwicklung und dem Bauplanunserer Insekten vertraut zu machen.

Eine Dun von Baëtis rhodani Pict.. – Foto: Autor.

forscher Linné 1758 eingeführte Systematikdie Möglichkeit zur internationalen Zusam-menarbeit der Wissenschaft. So z. B. ordnetman eine Eintagsfliegenart in das zoologischeSystem (Klassifikation) ein:

von Salmoniden angenommen werden. Dochselbst unter langjährigen Fliegenleuten sinddiejenigen, die ohne weiteres auch Cyprinidenmit der Fliege fangen, noch immer eine Min-derheit.

Die Evolution der Insekten stellt einenSiegeszug ohnegleichen dar. Verfolgtman ihren Stammbaum zurück, so las-

sen sich schon ca. 250 Mio. Jahre alte Fossil-funde aus der Steinkohlezeit mit Sicherheit alsInsekten identifizieren.

Die Wissenschaft nimmt heute an, daß dieKlasse der Insekten (Insecta) oder Sechsfüßer(Hexapoda) aus den Trilobiten, einer einstmalsartenreichen Gruppe meerbewohnender Glie-derfüßler hervorgegangen ist, die erstmals vorungefähr 500 Mio. Jahren auftraten. Die ei-gentlichen Urformen der Insekten blieben bisheute allerdings verborgen, denn die ersten Fos-silien zeigen sich bereits als hochentwickelteund deutlich unterscheidbare Ordnungen.

Die meisten von ihnen waren – wie auch dieheutigen Formen – klein. Aber man fand auch

wahre Giganten unter ihnen, so die altertümli-che Riesenlibelle Meganeura monyi, mit einerFlügelspanne von fast einem Meter. Auch dieEntwicklung der Libellen (Odonata) läßt sichbereits seit ca. 185 Mio. Jahren fast lückenlosbis zu den heutigen Formen verfolgen.

Aber auch viele andere Familien zeigensich seit unglaublich langen Zeiträumen fastunverändert. Denn eingeschlossen in den bal-tischen Bernstein, der immerhin ein Alter von25 bis 30 Mio. Jahren hat, sind uns Erdschna-ken bekannt, die den heutigen Tipulidae fastaufs Haar gleichen, und aus der Steinkohlezeitvor 250 Mio. Jahren etwa auch Skorpionsflie-gen (Panorpa spec.; vgl. Abb. 1 mit Abb. 2).

Was macht nun den unwahrscheinlichen Er-folg der Insecta aus? Warum konnten sie sich

so effizient gegenüber allen anderen Wirbello-sen durchsetzen?

Zunächst einmal fällt auf, daß ihre Entwick-lung eindeutig in Richtung Kleinheit verlief.Ein zweiter Vorteil war, daß sie zum größtenTeil voll flugfähige Formen entwickelten, dietrotz ihrer Kleinheit – oder gerade deswegen –jede nur mögliche ökologische Nische zu be-setzen vermochten. Und dank ihrer Beweg-lichkeit und Fruchtbarkeit waren sie darüberhinaus ihren Freßfeinden stets gewachsen.

Lediglich das Meer haben die Insekten, alssie das Land erobert hatten, nicht zurückge-wonnen. Dennoch gibt es keine noch so entle-gene Insel, die sie nicht bewohnen, und in denKüstengewässern sind sie ja ebenfalls zu fin-den. Vor allem aber die Süßgewässer besiedel-ten sie seit Jahrmillionen höchst artenreich.

Dank des harten Außenskeletts, das diemeisten Hexapoda wie ein Panzer umgibt, wares ihnen sogar möglich, sich die glutheißenWüstengebiete zu erschließen, denn ihre Chi-tinhülle bildet einen wirksamen Schutz vordem Austrocknen.

Andererseits drangen sie bis in die eiszeit-lichen Tundren vor und, nach dem Klimawech-

sel vor 10.000 Jahren ans boreale Klima ange-paßt, bis in die Arktis bzw. ins Hochgebirge,wie z. B. der Mohrenfalter (Erebia lappona).Ein weiteres Beispiel ist der Gletscherfloh (Iso-tonta saltans). Ein anderer Springschwanz lebtsogar auf den Nistplätzen der Pinguine im süd-lichen Eismeer.

Nicht alle Insekten haben Flugfähigkeit ent-wickelt. Die Urinsekten (Apterygota) waren,wie ihr Name ausdrückt, flügellos. Zu ihnengehört das uns allen bekannte Silberfischchen(Lepisma saccharina) oder die Ordnung Col-lembola der eben erwähnten Springschwänze.

Wieder andere haben ihre Flugfähigkeitaufgegeben, weil sie zu Schmarotzern wurden,wie z. B. Läuse, Flöhe und Haarlinge, für diesich im Haar- oder Federkleid ihrer Wirte Flü-gel eher als Nachteil erwiesen. Manche Fami-lien hingegen entwickeln flügeltragende Ge-nerationen nur zum Zweck der Artausbreitung,und zwar periodisch, wie die Ameisen, oder ineinem komplizierten Wechselsystem mit un-geflügelten Formen, wie bei den Blattläusen.

Schließlich bleiben auch noch jene Insektenzu erwähnen, die anscheinend im Begriff sind,ihre Flugfähigkeit aufzugeben, wie wir dies bei

den männlichen Tieren einiger Steinfliegenar-ten beobachten können, die nur noch funk-tionslose Kurzflügel tragen.

Schon aus diesen wenigen Beispielen wirddie unglaubliche Anpassungsfähigkeit der Insek-ten deutlich. Und diese bezieht sich auch auf dieErschließung aller nur möglichen Nahrungs-quellen. Da gibt es „Räuber“, die von anderenInsekten, von anderen Niederen Tieren oder so-gar von Wirbeltieren leben. Wir stoßen auf Pa-rasiten, Pflanzen- und Holzfresser. Kurz: Es gibtkeine organische Substanz, die von den Insektennicht als Nahrungsquelle genutzt würde.

Hinzu kommt, daß ihre Larvenformen oft-mals auch noch ganz andere Nahrungsreservenverwerten. Die Imagines schließlich, d. h. dieGeschlechtstiere, nehmen dagegen häufig nurnoch sehr wenig Nahrung zu sich. Ihr Ziel istdie Fortpflanzung und dabei erweisen sich ei-nige regelrecht als Hungerkünstler.

Bei manchen Gruppen fressen nur noch dieWeibchen, bei den blutsaugenden Mücken z.B..Doch einige Ordnungen können – als Imaginesausschließlich auf die Fortpflanzung orientiert– auch gar keine Nahrung mehr aufnehmen,z.B. die Eintagsfliegen.

Merkmale und Baupläne.Die wissenschaftliche Bezeichnung Insecta be-deutet „die Gekerbten“. Sie beschreibt den strengdurchgegliederten Körperbau dieser Tierklasse.Die entsprechenden Begriffe „Kerbtiere“ oderkurz „Kerfe“ sind uns zwar geläufig, werden abernur selten verwandt und dann auch noch oft nichtallein auf Insekten, sondern auch auf alle mög-lichen anderen Niederen Tiere bezogen.

Die Kennung Hexapoda bezieht sich auf dienur dieser Klasse eigenen sechs Beine, die be-reits die Larven vieler Arten ausweisen.

Betrachten wir doch ‘mal den Körperbau ei-nes Insekts etwas näher, z.B. den der für uns be-sonders relevanten Eintagsfliegen (s. Abb. 3).Gerade an Exemplaren dieser noch recht ur-tümlichen Ordnung läßt sich der typische In-

sekten-Bauplan recht gut studieren. Die Kör-performen der meisten höher entwickeltenZweiflügler – z.B. von Schmetterlingen undKäfern – sind nämlich oft soweit modifiziert,daß sie wesentlich unklarer erscheinen.

Ein Insektenkörper besteht aus 20 Segmen-ten, die sich jedoch nicht bei jeder Art einfachabzählen lassen, da sie z. T. miteinander ver-schmolzen sind. Jeweils sechs Segmente bil-den jedoch die Kopfkapsel, drei den Brustab-schnitt (Thorax) und elf den Hinterleib (Abdo-men). Diese drei Hauptabschnitte lassen sichimmer klar erkennen.

Die Gliederung des aus Chitin und Sklero-tin bestehenden Außenskeletts der Insekten ineinzelne Ringe oder Segmente macht über-haupt erst die Beweglichkeit der Tiere mög-lich. Denn ihr hartes, einer Ritterrüstung glei-chendes Äußere ist zwar ein höchst wirksamerSchutz, würde die Hexapoden jedoch schwer-fällig machen, wenn die einzelnen Segmentenicht durch weiche, biegsame Häute miteinan-der verbunden wären.

Das gilt zwar nicht für die Kopfkapsel undkaum für den Thorax, läßt sich jedoch am lan-gen Abdomen wunderbar beobachten.

Die Panzerung der verschiedenen Familienund Arten ist natürlich sehr verschieden starkausgeprägt und bei den Wasserbewohnern –bei denen das Gewicht ja keine Rolle spielt –wie bei den großen Käfern der Trockengebie-te besonders stark.

Die harte Kopfkapsel, deren Nähte nichtimmer unbedingt die ursprünglichen Segment-grenzen markieren, trägt stets ein Paar mehroder weniger lange Fühler (Antennae) – Orga-ne, die dem Tast-, Geruchs- und Geschmacks-sinn dienen.

Die Mundorgane der Insekten sind weitge-hend der jeweiligen Nahrungsaufnahme ange-paßt und demgemäß sehr verschieden aufge-baut. Da innere Kiefer stets fehlen, sind einigeder ursprünglichen Kopfsegmente zu äußeren,recht komplizierten Mundwerkzeugen umge-bildet. Nur bei den urtümlicheren blieben dieFunktionen Beißen und Kauen erhalten, diemoderneren haben sich zu Leck-, Saug- oderzu komplexen Stechapparaten entwickelt.

Hochinteressant sind die teilweise riesen-großen Facettenaugen der Insekten, die ein her-vorragendes Sehen gestatten. Sie sind aus einerVielzahl, bei Libellen sogar aus bis zu 28. 000(!) Einzelaugen zusammengesetzt, die als Ein-heit funktionieren. Überaus bemerkenswert istauch die Vieräugigkeit einiger an der Wasser-oberfläche lebender Käfer (Gyrinidae), derenFacettenaugen waagerecht durch eine Chitin-leiste in zwei Hälften geteilt sind: Die oberenHälften sind auf das Luftsehen, die unteren aufdas Sehen im Wasser zugeschnitten. (Diesesdoch sehr besondere Phänomen ist uns auchvon einigen tropischen Oberflächenfischen

bekannt, unter denen der sog. Vieraugenfisch(Anableps anableps) wohl der bekannteste ist.

Die Imagines der Insekten besitzen in derRegel noch drei kleine Punktaugen, Ocelli ge-nannt, die auf der Oberseite des Kopfes liegen.

Der Brustabschnitt der Hexapoden ist indrei mehr oder weniger gut erkennbare Seg-mente unterteilt: die Vorderbrust (Prothorax),die Mittelbrust (Mesothorax) und die Hinter-brust (Metathorax). Jedes der drei Brustseg-mente trägt ein gegliedertes Beinpaar.

Alle Insektenbeine sind grundsätzlich ausfünf Teilen aufgebaut und bestehen, je nach derLebensweise der Art, aus einfachen Laufbei-nen oder ganz speziellen Schwimm-, Fang-,Sprung- oder Grabbeinen.

Die Mittel- oder Hinterbrust der meisten In-sekten tragen auch die Flügelpaare. Die beidenBrustsegmente Mittel- und Hinterbrust sindhäufig zu einer Flügelbrust (Pterothorax) ver-schmolzen.

Die Flügel der Insekten selbst entstandenaus häutigen Ausstülpungen und sind sehrunterschiedlich gestaltet und entwickelt. Beiden Zweiflüglern (Diptera) sind die Hinterflü-gel verschwunden und zu flugstabilisierendenSchwingkölbchen (Halteren) umgebildet.

Da die Flügelformen und deren Aderungenein sehr wichtiges Hilfsmittel zu Bestimmungder Insektenfamilien, -gattungen und -artendarstellen, erfordern spezielle Flügelmerkmalebei den Einzelbesprechungen der für uns Flie-genfischer interessanten Insekten-Familiennoch besondere Aufmerksamkeit.

Das Abdomen, also der Hinterleib, ist bei ei-nigen Insektenarten durch eine sprichwörtlicheWespentaille geradezu grotesk vom Thorax ab-gesetzt. Es besteht stets aus elf Segmenten unddas elfte Glied ist oft so winzig klein wie daserste gleich nach dem Brustabschnitt.

Durch diese Segmentverschmelzungen er-scheint besonders bei vielen höheren Insektendas Abdomen viel kürzer. Aus Körperanhän-gen, die der Hinterleib früherer Insektenformentrug – wie z.B. heute noch die Larven derSchlammfliege (Sialis) – sind im Verlauf derWeiterentwicklung die äußeren Geschlechtsor-gane geworden. Sie liegen im Bereich der letz-ten Segmente und tragen bei Paarung und Ei-ablage wichtige Funktionen: Viele Arten lassensich allein an der Form der Kopulationsorganeexakt bestimmen!

Bei den Weibchen vieler Familien ist es zurAusbildung auffälliger Legeapparate gekom-men, etwa zu Legebohrern oder -säbeln, mitderen Hilfe die Eier an ganz speziellen Stellen,sei es tief in die Erde hinein, in Pflanzen oder,wie bei den Schlupfwespen, direkt in den Kör-per des Wirtstiers abgelegt werden.

Bei den Bienen und Wespen ist der Lege-bohrer zum Wehrstachel geworden, der zurVerteidigung dient oder zur Lähmung von

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Fokus 1: Insekten.

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Abb. 2: Männliche Skorpionsfliege (Panorpa spec.) unserer Tage. – Foto: Autor.

Abb. 3: Der Körperbau einer Eintagsfliege.Abb. 1: Fossile Skorpionsfliege aus der Stein-kohlezeit. – Zeichnung nach Klots, o.c..

Beutetieren. Darum können auch nur weiblicheHautflügler stechen.

Hinterleibsanhänge (Cerci) finden sich nurnoch bei urtümlichen Gruppen. Bei den Heu-schrecken sind sie kurz und dick, bei den Ohr-würmern (Dermaptera) sind sie zu Zangen um-gebildet und lediglich bei den meisten Stein-fliegenfamilien und bei allen Eintagsfliegenbilden sie lange, dünne Borsten. Die dritte,mittlere Schwanzborste von Eintagsfliegen istbei vielen Familien nur im Nymphenstadiumerhalten; sie wird aus der lang ausgezogenenRückenplatte des 11. Segments gebildet.

Sinnes- und innere Organe.Da der allergrößte Teil der Insekten aus sehragilen Tieren besteht, nimmt es nicht Wunder,daß das Nervensystem der Hexapoden stärkerentwickelt ist, als bei den allermeisten Wirbel-losen (Invertebrata). So sind Tast-, Geruchs-,Geschmackssinn und Gehör gut ausgebildetund manche Ordnungen verfügen über hoch-sensible Temperatur-Sinnesorgane. Nur liegendie meisten dieser Organe an Körperstellen, dieuns ziemlich sonderbar anmuten, für die In-sekten jedoch sehr effektiv sind.

Zweifelsohne bedeutet es für eine Fliege ei-nen Vorteil, wenn sie Geschmacksrezeptoren anden Füßen besitzt und bereits beim Landen aufeiner Substanz feststellen kann, ob diese eßbarist. Und es ist sehr einfach für eine blutsaugen-de Mücke, einen Warmblüter aufzuspüren, weilsie sich von ihrem Temperatur-Sinnesorgan lei-ten lassen kann. Allerdings macht man sich die-ses Phänomen in Lappland dadurch zunutze,daß man in einiger Entfernung vom Wohnplatzprimitive Mückenöfen errichtet, denen die Pla-gegeister im Massen zum Opfer fallen.

Bliebe noch das Durchblutungs- und At-mungssystem der Insekten zu betrachten. Fürdie Sauerstoffversorgung spielt das Blut beiden Insekten – die Wasserinsekten bzw. derenNymphen ausgenommen – keine Rolle. Es gibtauch kein geschlossenes Gefäßsystem, wie wires von den Wirbeltieren kennen. Das Blut zir-kuliert, von einem einfachen Herzen unter nie-derem Druck getrieben, frei durch die Körper-hohlräume und umspült die Organe. SeineHauptaufgabe besteht im Abtransport ver-brauchter Zellen, Schadstoffen und z. T. auchvon Kohlendioxyd.

Auch die Atmung der Insekten geschiehtauf völlig andere Weise als bei anderen luftat-menden Tieren, denn lungenartige Gebilde feh-len. Die Atemluft gelangt durch eine Anzahlvon Öffnungen (Stigmen), die an den Seitender Thorax- und vor allem der Abdomenseg-mente liegen, direkt in den Körper.

Dann erfolgt die Sauerstoffzufuhr über einLuftröhrensystem, die Tracheen, deren feinsteVerästelungen bis zu den Verbrauchsstellen imInneren des Körpers reichen, an denen der

Gasaustausch direkt stattfindet.

Entwicklungszyklen.Vor große Schwierigkeiten sieht man sich ge-stellt, wenn man Jugendformen der Insekten si-cher als Insektenlarven ansprechen will. Siesehen ihren geschlechtsreifen Artgenossenvielfach überhaupt nicht ähnlich, sondern glei-chen ganz anderen Angehörigen der NiederenTiere und werden deshalb nur zu oft fälschlichals „Würmer“ bezeichnet ...

Abgesehen von den Sommergenerationender Blattläuse z. B., die sich – wie traurig! – inJungfernzeugung (Parthenogenese) und lebend-gebärend fortpflanzen, legen die allermeistenInsekten Eier, in denen die Embryonalentwick-lung abläuft. Die schlüpfenden Larven sindvon sehr unterschiedlicher Gestalt, je nachdemob sie eine vollständige oder unvollständigeVerwandlung (Metamorphose) durchlaufen.

Bei den flügellosen Urinsekten (Apterygota)gleichen die Jugendstadien den erwachsenenTieren, sind lediglich kleiner und noch nichtfortpflanzungsfähig. Sie bewohnen mit den er-wachsenen Tieren den gleichen Lebensraum,nehmen dieselbe Nahrung auf und erreichennach zahlreichen Häutungen schließlich die Ge-schlechtsreife. Diese Art der Entwicklung istaber auf wenige, primitive Ordnungen begrenzt.

Von den übrigen Ordnungen läßt sich sagen,daß die urtümlichen, zu denen unter vielen ande-ren auch die Eintagsfliegen, Libellen, Schaben,Heuschrecken sowie die Schnabelkerfe (Blatt-wanzen, Zikaden, Wasserläufer) gehören, eineunvollständige Metamorphose durchlaufen. Dasbedeutet, daß sie von einer Häutung zur anderen,d. h. in mehreren Stadien, den geschlechtsreifenImagines immer ähnlicher werden.

Die Häutungen sind notwendig, weil ja diechitinisierte Außenhaut nicht mitwächst unddeshalb von Zeit zu Zeit abgestreift werdenmuß. Nur unmittelbar danach, vor dem Erhärtendes neuen Außenskeletts, kann also die in dieserZeit recht empfindliche Larve wachsen. Undweil sich bei dieser stufenweisen Verwandlungdie Flügel außen an der Larve entwickeln, wirddiese Entwicklung exopterygot genannt.

Alle Larven dieses Typus werden als Nym-phen bezeichnet. Der Begriff Nymphe ist alsonicht unbedingt nur auf Jugendstadien von Was-serinsekten zu beziehen! Für uns sind also ledig-lich die Jugendformen der Eintagsfliegen, Stein-fliegen und Libellen sowie die für uns wenigerbedeutungsvollen Jugendformen der wasserbe-

wohnenden Hemiptera (Wasserläufer, Rücken-schwimmer, Wasserwanzen) echte Nymphen!

Die juvenilen Formen der Köcherfliegenhingegen sind echte Larven. Sie gehören zuden höheren Insekten-Ordnungen und mit denSchmetterlingen, Käfern, Hautflüglern (Bie-nen, Blattwespen u. a.), Netzflüglern, Fliegenund Mücken zu jenen Insekten, deren Larveneine vollständige Metamorphose durchlaufenund dabei ein zusätzliches Ruhe- oder Puppen-Stadium benötigen.

Aber selbst hierbei gibt es noch gravieren-de Unterschiede, denn Puppen können einer-seits in Kokons eingesponnen oder als Tönn-chenpuppen total unbeweglich sein oder aberauch, wie beispielsweise bei den wasserge-bundenen Mückenarten, durchaus in der Lagesein, sich im letzten Puppenstadium als Pupaobtecta frei zu bewegen.

Die Larven all dieser höheren Insekten un-terscheiden sich von ihren Imagines erheblich.Sie sind höchst einfach gebaute Organismen,die ganz andere Futterquellen nutzen und inganz anderen Lebensräumen agieren. Ihre ein-zige Tätigkeit besteht darin, zu fressen, zuwachsen und Reservestoffe anzusammeln, umnach Abschluß der Larvalzeit in einer einzigen,umfassenden Verwandlung zum Geschlechts-tier zu werden. Diese Metamorphose ist sovielfältig, daß sie sich nur im Puppen- oder Ru-hestadium vollziehen kann.

Die Larven der höheren Insekten lassen sichin vier typische, gut unterscheidbare Erschei-nungsformen trennen, von denen die der echtenFliegen (Brachycera) und der Hautflügler (Hy-menoptera) die primitivsten sind (s. Abb. 4).

Die Entwicklung mit unvollständiger Meta-morphose besteht aus drei Phasen: Ei, Nym-phenstadium mit zahlreichen Häutungen undImago. Das Subimaginalstadium von Duns, diesich im schon geflügelten Stadium nochmalshäuten, gibt es einzig bei den Eintagsfliegen!

Insekten mit vollständiger Metamorphosedurchlaufen in ihrer Entwicklung vier Phasen:Ei, Larvenstadium, Puppenstadium, Imago.

Der Schlüpfvorgang des fertigen Insekts ausder letzten Nymphenhaut oder, bei vollständi-ger Verwandlung, aus der Puppe, verläuft inganz unterschiedlichen Zeitspannen. Als Blitz-starter sind vor allem viele Zuckmückenartenbekannt, die wie Korken aus dem Wasserschnellen. Das kann man besonders im Aqua-rium wunderbar beobachten.

Aber selbst innerhalb der gleichen Ordnung

bestehen große Unterschiede. So kann eineEintagsfliegen-Subimago innerhalb wenigerSekunden abflugbereit sein oder aber fünf Mi-nuten benötigen, um ihr Flügelgeäder mit Blutvollzupumpen und die Flügel zu straffen.

Libellen brauchen gar Stunden, um ihreFlügel auszuhärten, ehe sie abfliegen können,und wären unrettbar verloren, wollten sie ander Wasseroberfläche schlüpfen. So kriechendie Nymphen vor der letzten Häutung anSchilfstengeln empor oder an anderen aus demWasser ragenden Gegenständen, genau wie dieSteinfliegen und einige Eintagsfliegenarten.

Bei den Landinsekten mit vollständiger Me-tamorphose nimmt das Schlüpfen meist länge-re Zeit in Anspruch. Viele Arten müssen sicherst mühselig aus ihrer Puppe befreien.

Auch bei all diesen Insekten besteht die er-ste Aktivität darin, den Flugapparat einsatzbe-reit zu machen. Denn erst mit der Flugfähigkeiterhöht sich ihre Überlebenschance und wirddie Erhaltung der Art gesichert. Logisch, daßtagaktive Arten in den Tag, nachtaktive Artenin die Nacht hinein schlüpfen.

Von den uns bis heute bekannten Insektendurchlaufen 88 % eine vollständige Metamor-phose und nur 12 % – die urtümlicheren For-men – ein kontinuierliches Nymphenstadium.Immerhin sind viele Familien von diesen 12 %zu den für uns Fliegenfischer interessantestenOrdnungen zu rechnen. Bis heute konnten siesich erfolgreich gegen ihre höher entwickeltenVerwandten behaupten. Erst in den letzten 50Jahren wurde der Fortbestand der Steinfliegenund Eintagsfliegen durch den Menschen ernst-haft gefährdet.

Zwischenbilanz.Ziel dieser näheren Betrachtung der Insektenwar es, wenigstens einmal in groben Zügen zubeschreiben, welche Merkmale für ihr Ausse-hen und ihr Leben charakteristisch sind. DiesesGrundwissen braucht man, um die Insekten inihren verschiedenen Lebensstadien von ande-ren Niederen Tieren unterscheiden zu können.

Dies ist für die verschiedenen Larvensta-dien mitunter sehr schwierig. Die geschlechts-reifen Insekten hingegen sind noch am ehestenvon Angehörigen der drei anderen Gruppender Gliederflüßler zu unterscheiden. Die wich-tigsten Unterschiede fallen jedenfalls, wie ausAbb. 5 zu ersehen, deutlich ins Auge:

Alle Angehörigen der drei anderen Arthro-poden-Klassen sind stets ungeflügelt. Die Cru-staceen (Krebse, Krabben, Garnelen, Asseln) –für den Fliegenfischer eine überaus wichtigeGruppe, die noch genauer behandelt werdensoll – besitzen stets fünf echte Beinpaare undzwei Fühlerpaare.

Die Arachniden (Spinnen, Skorpione, Mil-ben) haben immer vier Beinpaare und keineFühler, doch können die Kiefertaster (Pedipal-pen) der Spinnen durchaus Fühler vortäuschen.

Am wenigsten ähnlich sehen den Insektenschließlich ihre nächsten Verwandten, die Tau-sendfüßler (Myriapoda), die – wie ihr Namezum Ausdruck bringen soll – stets sehr vieleBeinpaare besitzen.

In gesonderten Beiträgen wären nun die fürunsere Praxis besonders wichtigen Ordnungen,Familien, Gattungen und Arten der Insektennäher zu betrachten. Aber dafür hat ja schonJean-Paul Metz in den Heften 1 mit 9 etlichehervorragende Beispiele gegeben.

Schneidet man diese grau bedruckte Papierfläche sauber ab, so erhält man die Seitenhöhe des früheren Heftformats.

wovon die Fische leben

Fokus 1: Insekten.

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Abb. 4: Larvenformen der höheren Insekten.l. Campodeïforme Larve: Schlammfliegen(Abb.), freilebende Sedges. 2. Eruciforme Larve (Raupe): Schmetterlin-ge, köcherbauende Sedges. 3. Scarabeïforme Larve (Engerling): zahlrei-che Käferarten.4. Apode Larve (Made): höhere Fliegen, Bie-nen, Ameisen.

Abb. 5.

Literaturhinweise Insekten.M. Chinery: Insekten Mitteleuropas, Ham-burg/Berlin 1976.W. Engelhardt: Was lebt in Tümpel, Bachund Weiher?, Stuttgart 1974. J. Goddard: Trout Fly Recognition, 1971.A.B. Klots/E.B. Klots: Knaurs Tierreich inFarben – Insekten, München/Zürich 1959.Paul Needham: Trout Streams, Comstock1940.

Rechts: Eine Blattwespe (Saw Fly). Arten-weise kommt diese Insektenart auch im Ufer-bereich vor und deshalb wird sie bereits seit100 Jahren von englischen Fliegenfischernals nachbindens- und fischenswert erachtet.– Foto: Autor.

Wenn man einmal die Bedeutung derverschiedenen Insekten-Familien alsFischnahrung miteinander vergleicht

und zugleich untersucht, welcher Stellenwertihnen von uns Anglern zugebilligt wird, ge-winnt man sehr schnell den Eindruck, daß vie-le von uns die Insekten längst nicht nur nachihrer Relevanz als Fischnährtiere einschätzen.Ästhetische Gesichtspunkte spielen dabei min-destens eine ebenso große Rolle:

Die elegante Erscheinung eines Insekts be-werten viele von uns genauso hoch. Eine mög-lichst interessante Imitierbarkeit steigert denWert dann noch.

Logisch, daß wir bei dieser Betrachtungs-weise den Eintagsfliegen die allerhöchste Auf-merksamkeit widmen. Und das, obwohl diesezauberhaften Geschöpfe in den letzten Jahr-zehnten hierzulande leider viel von ihrer ein-stigen Bedeutung eingebüßt haben. Sie sindfast überall rapide zurückgegangen, in vielenGewässern in ihrem Fortbestand akut bedrohtund zahlreiche Arten sind vielerorts schon aus-gestorben.

An zweiter Stelle in unserer Gunst stehendie Köcherfliegen, die sich artenreich auf demSpeisezettel der Fische behaupten oder sogar,infolge menschlicher Eingriffe, in so manchemGewässer noch weiter ausdehnen konnten.

Jenen Wasserinsekten aber, von denen dieFische leben – und zwar in den allermeistenGewässern, zu einem erheblichen Teil undüber die längste Zeit des Jahres – den Zuck-mücken, widmen wir längst nicht die ihnen zu-kommende Aufmerksamkeit. Weshalb?

Weil diese düster gefärbten, unauffälligen„Eintagsfliegen“ – denn als solche könnte mansie wegen ihrer Lebensweise zu recht bezeich-nen – nicht besonders schön sind? Weil uns dasrecht gleichförmige Aussehen all ihrer Artenweniger binderische Abwechslung bietet alsz.B. die beiden obengenannten Ordnungen?Oder verkennen wir ganz einfach ihre wirkli-che Bedeutung?

Was uns die Familie der Chironomidae hin-gegen tatsächlich bieten kann, ist spannendesund effektives Fischen auf die meisten der beiuns heimischen Fischarten. Mit der Trockenen,halbversunken oder naß. Im fließenden wie imstehenden Wasser. Vom Hochgebirge bis insTiefland. Und dies fast unabhängig von der Gü-teklasse des Wassers und den Jahreszeiten! Da-rum lohnt es schon, sich mit diesen aquatilenZweiflüglern endlich ‘mal näher zu befassen.

Unüberschaubare Schar.Die Namen „Zuck-“, „Tanz-“ oder „Schwarm-mücken“ bringen charakteristische Verhaltens-weisen der Chironomiden zum Ausdruck: ImSitzen zucken sie ständig mit dem ersten Bein-paar. Bei der Partnerfindung führen sie wildeHochzeitstänze auf, und zwar oft in riesigenSchwärmen.

Der Anblick ihrer Männchenschwärme istsicher uns allen vertraut. Wir begegnen ihnenständig und überall, draußen am Wasser ge-nauso wie mitten in der Großstadt. Und gleich-gültig, ob in der warmen Jahreszeit oder untertrübem Winterhimmel. Denn die Schwarmzei-ten der vielen Zuckmückenarten erstrecken sichpraktisch über das ganze Jahr.

Die Individuenzahl eines Schwarmes kannaus wenigen Dutzend Tieren bestehen oder ge-radezu astronomische Größen erreichen. Derdänische Forscher Wesenberg-Lund beschriebbegeistert Chironomiden-Wolken, die, mehre-re Kilometer lang, wie ein Meer über denBaumkronen des Griebwaldes wogten und inder Abendsonne golden glänzten.

An der Kurischen Nehrung in Ostpreußenund am holländischen Ysselmeer traten schonso gewaltige Zuckmückenschwärme auf, daßdurch sie die Sicht auf 50 m herabgesetzt undder Hochzeitsflug der Chironomus plumosuszur Plage wurde. In Frankfurt (1911), Kopen-hagen (1918) und Plön (1923 und 1948) wur-de sogar schon Feueralarm gegeben, weil dun-kle Wolken schwärmender Chironomiden umDachfirste waberten und für Rauchwolken ge-halten wurden!

In letzter Zeit sind Berichte über derartigeMassenauftreten seltener geworden. Der Ein-satz der Insektizide blieb offenbar auch für die-sen harmlosen Tiere nicht ohne Auswirkung.Doch die Vormachtstellung der Zuckmückenunter allen Insektenarten ist noch immer unge-brochen. Noch immer bilden ihre Gattungenund Arten eine schier unüberschaubare Schar.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Unterden Zweiflüglern (Ordnung Diptera), die ja diezwei Unterordnungen aufweisen – die der Flie-gen (Brachycera) und die der Mücken (Nema-tocera) – bildet bei den letztgenannten die Fa-milie der Zuckmücken (Chironomidae) die

weitaus artenreichste Insektengruppe der ge-mäßigten Breiten.

Diese „Großfamilie“ wird nochmals in fünfUnterfamilien gegliedert, von denen vier in Eu-ropa heimisch sind: Die Podonominae, die Ta-nypodinae, die Chironominae und die Ortho-cladiinae. Deutsche Bezeichnungen für dieseGruppierungen gibt es freilich nicht ...

Bisher wurden allein für unseren Erdteilüber 3.000 Zuckmückenarten wissenschaftlichbeschrieben. Eine ungeheure Zahl, die selbstdann noch unübersehbar bleibt, wenn durch ei-ne Revision klar wird, daß viele Arten mehr-fach beschrieben und benannt wurden, so daßletztendlich wohl „nur“ 1.200 bis 1.500 echteArten übrigbleiben dürften.

Die Artbestimmung der Zuckmücken ist je-denfalls hochkompliziert und in unserem Lan-de überhaupt nur wenigen Spezialisten mög-lich. Sie brauchen zur Diagnose bei vielen Ar-ten alle drei Erscheinungsformen des Insekts:Larven, Puppen und Imagines. Anhand vonnur einer dieser drei Morphen läßt sich nämlichnoch überhaupt keine Art definieren.

Uns Amateuren kann daher kein Bestim-mungsschlüssel für die bei uns vorkommendenUnterfamilien an die Hand gegeben werden.Eine sichere Zuordnung, ob eine Nematocerezur großen Familie der Zuckmücken gehört, istdagegen anhand typischer Merkmale durchausmöglich.

Morphologie, Lebenszyklen.Durch ihre wurmförmige Gestalt lassen sichZuckmückenlarven recht gut von den Larvender Stech-, Büschel-, Kriebelmücken u. a. un-terscheiden (s. Abb. 6).

Ihr Bauplan wirkt recht einfach. Typisch istdie kleine Kopfkapsel, deren Inneres lediglichder Muskulatur ihrer Mundwerkzeuge dient.Bei den allermeisten Arten ist nämlich das lar-vale Gehirn vom zweiten Larvenstadium an indas erste Brustsegment hinein verlagert undhier entwickelt sich auch der Kopf der zukünf-tigen Imago. Dem Kopf schließen sich die dreiBrust- und neun Hinterleibssegmente an. Derganze Larvenkörper wirkt deutlich gegliedertund muskulös.

Am ersten Thoraxsegment befinden sich einPaar Fußstummel. Am letzten Hinterleibsseg-ment sind die „Nachschieber“ meist gut er-kennbar. Diese Fortbewegungsorgane gestattenden Larven, die nicht in einem Gehäuse leben,ein spannerraupenartiges Umherkriechen.

Die Larven aller wasserlebenden Zuckmük-kenarten – und das sind ja die allermeisten Mit-glieder der Riesenfamilie – leben in enger Bin-dung ans Bodensubstrat ihrer Gewässer. Keineeinzige Art ist – z.B. im Gegensatz zu den glas-hellen Larven der Büschelmücken (Corethra)oder der Stechmücken (Culex, Anopheles) –Freiwasserbewohner.

Die rhythmischen, S-förmigen Bewegun-gen losgespülter Larven sind auch allen Zuck-mückenarten eigen und so charakteristisch, daßman eine Chironomiden-Larve sofort daran er-kennt, wenn man diese Bewegungsweise auchnur ein einziges Mal gesehen hat.

Die Größe von Chironomiden-Larven be-trägt anfangs ca. 1 bis 2 mm und später bis zuca. 20 mm. Junglarven sind am relativ großenKopf erkennbar. Ihre Färbung ist weiß bisgelblich, grün oder graubraun bis blutrot. Ge-rade die blutroten Larven der Gattung Chir-onomus lassen sich aus der großen Formenfül-le der Zuckmücken noch am sichersten ab-grenzen.

Diese Gattung ist es auch, deren Arten beiuns zu den häufigsten gehören und sehenswer-te Massenschwärme veranstalten Und die „ro-ten Mückenlarven“, die vorwiegend im Winterals Zierfischfutter zu kaufen sind, kennt wohlein jeder.

Die Körperfarbe dieser Larven bedingt derrote Blutfarbstoff Hämoglobin, der im Reichder Insekten eine Besonderheit darstellt. ImGegensatz zu unserem Blut und dem der ande-ren Wirbeltiere, bei dem das Hämoglobin andie roten Blutkörperchen gebunden ist, liegt esbei Chironomus-Larven in gelöster Form vor.

Auffällig an den Larven dieser Gattung sindauch die tubuli am vorletzten Hinterleibsseg-ment. Die genaue Bedeutung dieser schlauch-artigen Ausstülpungen ist bis heute nicht ge-klärt. Ihre wechselnde Größe dürfte jedoch mitdem Sauerstoffgehalt und auch mit dem Salz-gehalt des jeweiligen Wohngewässers der Lar-ven im Zusammenhang stehen.

Lange Zeit war man sich auch über die Be-deutung der Analpapillen auf der Rückenseitedes letzten Abdomensegments nicht im klaren.Als Blutkiemen wurden sie früher bezeichnetund als zusätzliche Atmungsorgane betrachtet.Heute weiß man, daß sie den Wasser- und Salz-

haushalt des Larvenkörpers regulieren, denndie Sauerstoffaufnahme der Larven geschiehtüber die Haut.

In einem Aquarium kann man sehr schönbeobachten, wie die gehäusebauenden Artenden Gasaustausch durch lebhafte Schlängelbe-wegungen unterstützen. Das Tracheensystemder Larven ist also geschlossen und besitzt kei-ne offenen Stigmen wie das der Stechmücken-larven, die zum Atmen an die Wasseroberflä-che steigen müssen.

Die Zuckmückenpuppe zeigt sich in völligveränderter Gestalt (s. Abb. 7). Als pupa ob-tecta ist sie auch während ihrer Metamorpho-se gut beweglich. Ihre Brustsegmente sind nundeutlich verdickt und erscheinen verschmolzen.Ihre Beinscheiden stehen vom Körper ab undreichen kaum über die Flügelscheiden hinaus.

Die allermeisten Arten besitzen büschelför-mige Atmungsorgane und Prothorakalhörner,die sich deutlich vom ersten Brustsegment ab-heben. Bei den Chironominae und Orthocladi-inae, die auch ihr Puppenstadium im Gehäuseverbringen, also Wasseratmer sind, bleibt dasTracheensystem dagegen geschlossen.

Die Puppen der Tanypodinae und Podono-minae, deren Larven keine Gehäuse bauen undfrei am Grund leben, gehen zum Leben im Frei-wasser über, indem sie „per Schnorchel“ an derWasseroberfläche atmen. Ihre Prothorakal-Körper besitzen offenbar „Stigmen“ zum At-men und ihr Hinterleib endet in zwei gut sicht-baren Ruderplatten, mit denen sie sich fortbe-wegen.

Damit ist klar, daß sich diese Arten – genauwie die Stechmücken – vorwiegend in fisch-freien Kleinstgewässern entfalten können.Durch ihre Ähnlichkeit im Aussehen und Ver-halten können sie viel leichter als die Puppender beiden anderen Unterfamilien mit den ent-sprechenden Stadien der Stechmücken ver-wechselt werden.

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Fokus 2: Zuckmücken.

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Männliche Zuckmücke der Familie Microtendipes. – Zeichnung: Ruth Kühbandner.

Abb. 6: Zuckmückenlarve (Camptochironomusspec.): Kopfkapsel (A), Fußstummel (B), Nach-schieber (C), Tubuli (D), Analpapillen (E).

A

B

DE

CAbb. 7: Zuckmückenpuppe (Camptochirono-mus spec.): Prothorakalhörner (A), Bein-scheiden (B), Flügelscheiden (C).

A

BC

Die Imagines der Zuckmücken schließlichsind von den anderen Angehörigen der Nema-tocera recht gut zu unterscheiden (s. Abb. 8).Sie zeigen einen auffällig hochgewölbten Tho-rax, der von oben gesehen den Kopf des In-sekts fast verdeckt. Besonders typisch ist ihreRuhehaltung: Die deutlich längeren Vorder-beine werden meist frei nach vorn gestreckt,zucken häufig oder betasten vor ihnen befind-liche Gegenstände. Stechmücken haben eineganz andere Sitzhaltung; sie heben häufig dashinterste Beinpaar von der Unterlage ab.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sindauch die reduzierten Mundteile der Chirono-miden; ihnen fehlt ja der Stechapparat.

Die Fühler der Zuckmückenarten sindsechs- bis 15gliedrig, bei den männlichen Tie-ren wirtelig behaart, bei den weiblichen glattund unscheinbar. Auch weisen die Weibchenein wesentlich dickeres Abdomen auf.

Zwar gibt es innerhalb der Familien be-trächtliche Größenunterschiede, auch in be-grenztem Maße Farbabstufungen, doch lassensich alle Chironomiden an ihrem Flügelgeädersicher identifizieren: ein Paar glasheller Flügel,die nicht bis zum Abdomenende reichen undeine einfache Media sowie einen gegabeltenCubitus aufweisen (s. Abb. 9).

Wie schon angedeutet, hat der Lebenszy-klus der Zuckmücken viel mit dem der Ein-tagsfliegen gemein, denn auch das Luftlebender Zuckmücken macht nur einen winzigenBruchteil ihres Daseins aus.

Die meisten der bei uns lebenden Chirono-miden-Arten haben einen Einjahreszyklus; beieinigen wenigen dauert die Entwicklung auchzwei Jahre. Typische Tümpelarten, deren Le-bensraum ständig vom Austrocknen bedrohtist, bringen es dagegen auf 4 bis 5 Generatio-nen pro Jahr. Chironomus thummi, die charak-teristische Art unserer Abwassergräben undKleingewässer, ist dafür bekannt.

Beim Einjahreszyklus dauert die Larvenzeit350 bis 360 Tage, das Puppenstadion drei bisvier Tage und das Leben der Imago vier bishöchstens sechs Tage.

Bei Arten mit zwei Generationen zeigt sich,welch bedeutende Rolle die Temperatur für dieEntwicklung spielt. So braucht die Frühjahrs-generation, deren Larven im Winter heranrei-fen, acht Monate bis zum Schlüpfen. DieHerbstgeneration entwickelt sich im Sommerund durchläuft die für alle Zuckmückenartenverbindlichen vier Larvenstadien in der halbenZeit, also in nur vier Monaten.

Larven- und Puppenstadium.Die Lebens- und Ernährungsweise der Zuck-mückenlarven ist entsprechend ihrer Artzuge-hörigkeit recht verschieden. Die nichtgehäuse-bauenden Larven sind Raubtiere. Hierher ge-hören die Arten der Tanypodinae und Podono-

minae, die sich von anderen Insektenlarven,Würmern, Muschelkrebsen ernähren und selbstkannibalische Neigungen zeigen. MancheChironomiden leben als Schmarotzer oder beianderen Organismen – z.B. in Moostierchen-kolonien – von der gleichen Nahrung.

So gibt es Zuckmückenlarven, die in Süß-wasserschwämmen hausen und sich vom Ge-webe ihres Wirtsschwammes ernähren. Ande-re Arten leben auf Wasserschnecken, derenHaut sie verzehren. Eine Spezies der GattungSymbiocladius schmarotzt unter den Flügel-scheiden von Eintagsfliegennymphen und er-nährt sich von deren Blut. Wieso ihrem Gat-tungsnamen die Vorsilbe „Symbio-“ vorange-stellt wurden, erscheint unklar, denn eineSymbiose betreiben diese Larven gewiß nicht.

Die Lebensweise von Epoicocladius ephe-mera dagegen ist eine echte Symbiose. Auchdiese Art lebt auf Eintagsfliegennymphen,schädigt diese jedoch nicht, sondern weidetvon ihnen Algen und Detritus ab und erfülltdamit eine Art Putzerfunktion.

Wieder eine andere Chironomidengruppeminiert in Wasserpflanzen und lebt sowohl von

Blattgewebe als auch von Plankton, das dieLarven mit Hilfe von Netzchen einfangen, diesie aus ihrem Speicheldrüsensekret spinnen.

Die weitaus größte Anzahl der Zuckmük-kenlarven lebt jedoch von lebenden und abge-storbenen pflanzlichen Microorganismen, diesie mit ihren kompliziert gebauten Mundwerk-zeugen von der Unterlage abschaben.

Aber auch unter den Formen, die in Gehäu-sen am Gewässerboden leben, gibt es als Aus-nahme einen Fangnetzspinner: Chironomusplumosus, eine der häufigsten Arten, die imSüß-, Brack- und Meerwasser vorkommt. Die-se Art spinnt ca. alle zwei Minuten ein Fang-netz und verzehrt dieses dann mitsamt den dar-an haftenden Schwebeteilchen.

Die Tiefenchironomiden der großen Seenschließlich ernähren sich von abgestorbenemPlankton, das sich als Vorstadium des Boden-schlammes über dem Grund ablagert.

Abgesehen von den räuberischen Arten undden Minierern bauen sich die allermeistenChironomiden mit Hilfe ihrer Spinn-Speichel-drüsen Wohnröhrchen, die ihnen – entspre-chend erweitert – auch als Puppenkammer die-nen. Manche Arten bauen einfache U-förmigeRöhren im Bodenschlamm (z.B. Chironomusspec.). Andere fertigen hochkomplizierte Ge-häuse aus verschiedenen Materialien und ver-wenden ihren Spinnfaden als Bindemittel.

Die stabilsten Bauwerke der Zuckmückensind die sog. Chironomiden-Tuffe der Lithot-anytarsus-Larven. Diese Insekten leben nur inkalkreichen Bächen und wirken dort regelrechtals Gesteinsbildner, denn an ihren Gespinst-röhren wird Kalk ausgefällt und bildet dannfeste Krusten.

Neben den fest mit der Unterlage verbun-denen Larvengehäusen gibt es aber auch freibewegliche, die von ihren Bewohnern nachKöcherfliegenart mitgeschleppt werden. Zuck-mückenarten mit solchen Gehäusen bildenallerdings eine Minderheit (s. Abb. 10).

Gegen Ende des vierten Larvenstadiumsnimmt das Aussehen der Larve immer mehr

das der Puppe an. Die Larve wird unbeweg-licher, ihre drei Thoraxsegnente verdicken sichund erscheinen nun deutlich vom Abdomenabgesetzt. Schließlich platzt die letzte Larven-haut und gibt die Pupa obtecta frei. Damit hatdie vorletzte Phase im Leben der Zuckmückebegonnen.

In wenigen Tagen vollzieht sich die Meta-morphose, bildet sich das Vollkerf aus. Kurzvor der Emergenz füllt sich der Raum zwi-schen Puppenhaut und der darin eingeschlos-senen Imago mit Gas und verleiht der schlupf-bereiten Puppe ein silbriges Aussehen.

Dann löst sich der Emerger (sofern er einerstationären Art angehört) aus dem Gehäuse,strebt mit lebhaften Schwimmbewegungen zurWasseroberfläche, durchbricht sie, die drei ein-gebauten Bruchstellen der Puppenhaut platzen,die Imago drängt ans Tageslicht und fliegt da-von, all das in Sekundenschnelle.

Schwärmen, Fortpflanzung.Wenn es die Wetterlage gestattet, also nicht ge-rade Sturm oder starker Regen die Schwarm-bildung allzusehr behindert, versammeln sichdie Zuckmücken-Männchen bald nach demSchlüpfen zu ihren charakteristischen Hoch-zeitsflügen, in der warmen Jahreszeit vor allemam frühen Morgen oder in der Abenddämme-rung, bei trübem Wetter aber auch tagsüber. ImWinter und im frühen Frühjahr schwärmen dieMücken mehr um die Mittagszeit.

Aus der Distanz sieht ein kleiner Zuck-mückenschwarm dem spinnender Eintagsflie-genmännchen recht ähnlich. Auch sie wirbelnauf und ab, wobei allerdings die Zuckmücken,

mangels Schwanzfäden, ihre Beine weit sprei-zen und als Fallschirm einsetzen.

Interessant ist, daß optische Orientierungs-punkte offenbar bei der Wahl der Schwarm-plätze eine große Rolle spielen. So werden cha-rakteristische Baumkronen, freistehende Bü-sche in Ufernähe u.ä. bevorzugt. Manchmalverteilen sich aber auch zahlreiche kleineSchwärme weitflächig über Wiesen und Fel-dern, die sehr weit vom Wasser entfernt seinkönnen, und spinnen dicht über dem Boden.

Das Schwarmverhalten der Chironomidenist hochkomplex und bis heute nicht völlig ge-klärt. Sicher ist hingegen, wie die Geschlechterzueinander finden. Die Tonhöhe der Flugge-räusche signalisieren dem Männchen ein na-hendes weibliches Tier. Seine großen, gefieder-ten Antennen nehmen die Schwingungen auf,übertragen sie auf das Gehörorgan an der Füh-lerbasis (Johnston’sches Organ) und gestattendie genaue Ortung des Geschlechtspartners.

Die Weibchen nähern sich diesen Schwär-men einzeln, werden von den Männchen mitden Beinen ergriffen und im Fallen begattet.

Die überaus kompliziert gebauten Genital-strukturen, die, wie z. B. auch bei den Epheme-riden, zur Artbestimmung herangezogen wer-

den, funktionieren nach dem Schloß-Schlüssel-Prinzip. Sie bilden wirkungsvolle Bastardie-rungsschranken, verhindern also Kreuzungenzwischen verschiedenen Arten. Der ganze Vor-gang der Samenübertragung dauert nur Sekun-den und ist oft schon beendet, bevor das Paarden Boden erreicht.

Eine innere Befruchtung im eigentlichenSinne findet nicht statt. Das Sperma wird le-diglich auf sog. Spermatheken des weiblichenTieres übertragen. Die Befruchtung der Eiergeschieht dann erst auf dem anschließendenLaichflug der Weibchen, bei der Eiablageselbst. Die Eiablage kann unmittelbar nach derPaarung erfolgen oder, wenn ungünstige Wit-terung herrscht, auch erst Tage danach.

Viele Zuckmückenarten werfen ihre Laich-klumpen einfach über ihren Wohngewässernab, manche befestigen sie auch an aus demWasser ragenden Gegenständen.

Die Anzahl der Eier ist abhängig von derSpezies und wechselt außerdem von einem Ge-lege zum anderen. Große Arten bringen es auf2.000 Stück. In Wasser quillt dann der Eibal-len, der aus den Eiern und einer Gallerthüllebesteht, sofort zu einer für die Art charakteri-stischen Form auf (s. Abb. 11) und die Embry-onalentwicklung, die meist nur wenige Tagedauert, beginnt.

Mit Hochzeitsflug, Paarung und Eiablageendet der Lebenskreis der Zuckmücken. Nichtunerwähnt soll bleiben, daß einige Arten zeit-weise ohne Paarung auskommen und sich ab-wechselnd geschlechtlich oder in Jungfernzeu-gung fortpflanzen.

Entwicklung und Verbreitung.Die frühesten Funde fossiler Zuckmücken stam-men aus dem oberen Jura, sind also ca. 160Mio. Jahre alt. Im Tertiär, vor 30 bis 40 Mio.Jahren, stand die Familie bereits in voller Blü-te, denn über 100 Arten aus dieser Epoche sindbis heute bekannt. Eingeschlossen in den bal-tischen Bernstein, sind Formen auf uns ge-kommen, die den heutigen Zuckmückenartenerstaunlich ähnlich sehen. Viele der alten Gat-tungen haben sich, wenn auch mit leicht ver-änderten Arten, bis herauf in unsere Zeit er-halten (s. Abb. 12).

All das zeigt, daß die uralte Familie derChironomidae schon sehr früh eine Form er-reicht hatte, die kaum mehr zu verbessern war.Lebensweise und Bauplan dieser Insekten ge-statten denn auch die Besiedelung der unter-schiedlichsten Gewässertypen. Anpassungsfä-higkeit und Widerstandskraft sichern das Über-leben ihrer Arten selbst unter so extremen Be-dingungen, daß es uns fantastisch, kaum glaub-haft erscheint.

Der Ursprung der Zuckmücken liegt nachMeinung der Wissenschaft im Süßwasser. Vondort aus haben diese flexiblen Insekten in un-

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wovon die Fische leben

Fokus 2: Zuckmücken.

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Abb. 8: Zuckmücken-Imagines (Chironomus thummi): Männchen (links) und Weibchen.

Abb. 9: Zuckmückenflügel (Chironomusspec.): Costa (C), Subcosta (Sc), Radius (R),Media (M, einfach!), Cubitus (Cu, gegabelt!),Analis (An), Axillaris (Ax), Haltere (H).

Abb. 10: Fixes Gehäuse (Rheotanytarsus spec.; links) und bewegliches Gehäuse (Zavrelia spec.).

Abb. 11: Formen von Zuckmückengelegen.

Abb. 12: Fossile männliche Zuckmücke ausdem Tertiär.

geheurer Artenfülle alle nur denkbaren Ge-wässertypen besiedelt und eine ihrer Unterfa-milien, die Orthocladiinae, hat sogar das feuch-te Land erobert, macht ihre Entwicklung alsoaußerhalb des Wassers durch.

Reißende Schmelzbäche bieten den Chir-onomiden ebenso noch annehmbare Lebens-bedingungen wie Thermalquellen mit 51 º C.Die sauerstoffarme Seentiefe bis 200 m, Salz-sümpfe, übermäßig verschmutzte Abwasser-gräben, austrocknende Tropengewässer, Bran-dungszonen der Meere, schwefelsaure Wässermit einem pH-Wert von 1,4 werden von ihnenals Lebensraum genutzt.

Die Arktis und die Antarktis ist ihr Zuhau-se und monatelanges Einfrieren vermag ihrenLarven nichts anzuhaben. Eine afrikanischeArt, Polypedilum spec., die trockenfallende Fel-senlöcher bewohnt, kann bis zu 18 Monate inTrockenstarre verharren und überlebte im Ex-periment sogar eine Erhitzung auf über 100 º C!

Bemerkenswert ist auch die Gattung Clu-nio, zu den Orthocladiinae gehörig, die mari-ne Felsküsten bewohnt. Einige ihrer Arten ha-ben nämlich bereits das Fliegen aufgegebenund leben auch als Imagines an der Wasser-oberfläche oder sind sogar zur untergetauchtenLebensweise übergegangen.

Aber nicht nur natürliche Gewässer bietenden Zuckmücken Biotope, sie treten auch alsKulturfolger auf und besiedeln gut gechlorteHallenschwimmbäder, Jauchegruben, dringenin Kläranlagen ein. Geradezu grotesk war dasAuftreten einer Zuckmückenart im Wasserlei-tungsnetz einer Stadt: lebende Mückenlarvenrannen aus den Wasserhähnen.

Natürlich gibt es keine Arten die nur inSchwimmbädern oder Wasserleitungen leben.Fast alle Chironomiden sind vielmehr in so en-gen Grenzen an ihr natürliches Biotop ange-paßt, daß die verschiedenen Gattungen und Ar-ten zugleich als Gewässerindikatoren dienenkönnen. Es gibt typische Rein- wie Schmutz-wasserformen und die Veränderung eines Ge-wässers zieht unweigerlich auch eine Verände-rung im Artenbestand seiner Chironomidennach sich. So zeigt z.B. die Anwesenheit derroten Chironomus-Larven Eutrophierung an.

Leider lassen sich die Zuckmücken als bio-logische Leitorganismen vom Nichtfachmannnur recht grob zur Beurteilung der Wasserqua-lität verwenden. Denn, wie schon erwähnt, dieexakte Artbestimmung der Zuckmücken ist un-gemein kompliziert.

Praktische Nutzanwendung.Welchen Stellenwert die Zuckmücken unterden Fischnährtieren einnehmen, läßt sich kaumstark genug betonen. Nicht nur ihre Artenfülleund ihr Vorkommen in jedem Gewässer, dasauch Fischen Lebensmöglichkeiten bietet,sondern ebenso ihre Individuendichte unter-streichen ihre Bedeutung. Wenn man sich ver-gegenwärtigt, daß auf 1 qm Seegrund schon biszu 3.000 (!) Chironomus-Larven gezählt wur-den, kann man ermessen, welche Nahrungs-quantitäten diese Insekten darstellen.

Magenauszählungen verschiedener Fischar-ten sprechen für sich. Beim Aal fand man bis zu1.000 Larven. 12 cm lange Barsche aus demPlöner-See, einem Chironomus-See, enthielten250 Larven. Und erst wenige Monate alte Bach-forellen hatten bis zu 550 Zuckmückenlarvengefressen.

Die Reihe der Fischarten läßt sich beliebigfortsetzen und die Bedeutung der Chironomidenfür Fische jeder Altersstufe – entsprechend ihrerjeweiligen Vorlieben als Groß- oder Kleintier-fresser – ist recht eindrucksvoll zu belegen.

Zuckmücken werden von den Fischen alsLarven, Puppen und Imagines gefressen. AlsLarven sind sie natürlich nicht für alle Fisch-arten gleichermaßen gut erreichbar, doch bo-denorientierte Fische gründeln sie sich aus demSchlamm – vorausgesetzt, die Sauerstoffver-hältnisse gestatten den Fischen den Aufenthaltin dieser Zone. Die Larven werden dann mit-samt Gehäuse verzehrt.

Am leichtesten erreichbar sind die Chiro-nomiden für Fische aller Arten während ihrerEmergenz. Die gleich Ephemeriden-Nymphenaufsteigenden Puppen lösen denn auch stetshektische Aktivitätsphasen unter den Ge-schuppten aus. Man kann beim Zuckmücken-schlupf hervorragendes Fliegenfischen erlebenund, wenn das Angebot entsprechend gewaltigist, auch ein verteufelt schwieriges.

So erging es mir vor 32 Jahren am schwe-dischen Indalsälv beim Fischen auf Maränen.Chironomiden schlüpften in solchen Massen,daß ihre Exuvien den großen Fluß buchstäblichin eine Suppe verwandelten. Doch trotz fie-berhafter, mehrere Nächte lang anhaltenderAktivitäten der Renken war meinen verzwei-felten Annäherungsversuchen kaum Resonanzbeschieden. Das einzige Muster von sehr vie-len, das überhaupt Gnade fand, war ein Auf-steiger-Typ.

Nicht minder erlebenswert war ein Äschen-steigen im April letzten Jahres an der Kyll. DieThymalli genossen ja noch Schonzeit undtummelten sich deshalb unbehelligt (und auchvöllig ungeniert) dicht unter und an der Ober-fläche. Es war ein kalter Regentag und die Ba-ëtis rhodani über dem Wasser konnte man ein-zeln zählen.

Worauf die Fische aus waren, erwies sicherst, als ich mein Netzchen in die Drift hielt.Winzige Chironomiden waren es, die dieÄschen dicht unter der Oberfläche oder beimAnflug abfingen. Derartige Phasen halten oftsehr lange an, denn Zuckmückenschlüpfe er-strecken sich oft über Stunden.

Doch genauso interessant sind auch Steig-phasen, die den Imagines gelten. Obwohl sichdie Chironomiden-Weibchen bei der Eiablagenicht auf dem freien Wasser niederlassen, son-dern, sofern sie ihre Eiballen nicht einfach ab-werfen, vorwiegend im Uferbereich umher-kriechen, geraten doch viele Tiere in die Strö-mung oder durch Wind und Wellen aufs Still-wasser hinaus.

Oft muß man dann schon sehr genau hin-schauen, um die düster gefärbten Mückchenüberhaupt wahrzunehmen. Untersucht manaber einmal den Uferbereich, aus dem Wasserragendes Gestein, aufstrebende Uferpflanzenoder die im Strom flottierenden Ranunculus-Betten, so findet man häufig ausgedehnte Spül-säume, die nicht nur aus leeren Puppenhäuten,sondern auch aus toten Zuckmückenweibchenbestehen. Und diese Spents sind es, nach denendie Fische oftmals voller Hingabe steigen.

Sicher ist das Fischen mit Zuckmückenimi-tationen im frühen Frühjahr besonders rele-vant, zumal wenn frühfliegende Ephemeridenfehlen oder nur schwache Schlüpfe zeitigen.Aber bei der Fülle der Chironomidenarten undihren verschiedenen Schwarmzeiten sind die„Midges“ eigentlich in der ganzen Saison ak-tuell. Daher kommt es, daß es sich an so vielenunserer Gewässer besonders lohnt, klein undfein zu fischen!

Eine ganze Reihe von Mücken-Imitationenhaben bereits klingende Namen: Altière, Mos-kito, Smut, die No-Hackle-Midge oder dieHen-Midge von Swisher/Richards. Oder auchdie fabelhafte „No-Name Midge“ von EdKoch. Sie alle bringen, trocken oder halbver-sunken gefischt, gute Ergebnisse (s. Abb. 13).

Um effektive Zuckmücken- „Imis“ zu bin-den, braucht es weiß Gott nicht viel! Haken-

größen von 18 an abwärts sind angebracht. DieMuster sollten ein dünnes Abdomen und einenbetonten Thorax besitzen. Eine schwache Be-hechelung, auch im Parachute-Stil, ist vorteil-haft. Ein Schwanz sollte, die Beflügelung kannfehlen. Farben wie Schwärzlich-Grün, Dun-kelgrau und -braun oder Dun lassen Musterentstehen, die ihren Weg machen: geradewegsins Maul der Fische!

Nicht anders ist es bei den Puppentypen undMücken-Aufsteigern, im englischen Sprach-raum „midge-pupae“ oder „buzzers“ genannt.Auch hier gibt es eine Reihe bewährter Muster.

Die guten weisen einen klar segmentiertenHinterleib auf, der leicht in den Hakenbogenhineingewickelt sein kann (s. in Abb. 13 dieuntere Reihe). Der Thoraxteil mit Bein- undFlügelscheiden sowie Andeutungen der Pro-thorakalhörner kann ruhig überbetont sein.

Bei den Grundfarben können wir uns an dieder Imagines halten, denn selbst Chironomus-Puppen sind längst nicht mehr so rot, wie siedies noch als Larven waren. Der Silberglanzder Aufsteiger – durch Gaseinschluß hervor-gerufen – ist mit Tinselrippung gut darstellbar.

Von einem wahrhaft „tödlichen“ Äschen-muster wurde mir jüngst aus der Schweiz be-richtet. Diese geniale Chironomus-Larvenimi-tation besteht einfach aus einem grellrot ge-strichenen Haken ...

Die harmlosen, unscheinbaren Chironomi-den, die als Imagines so zerbrechlich wirkenund uns überhaupt erst auffallen, wenn sie imSchwarm auftreten, stellen in den allermeistenFischwassern eines der wichtigsten Glieder inder Nahrungskette dar. In vielen Gewässernübertreffen sie darin, wie eingangs betont, dieEphemeriden und Trichopteren bei weitem.

Mit ihrer ständigen Verfügbarkeit als Lar-ven, ihren Massenschlüpfen im freien Wasserund selbst noch als Imagines laden sie uns ge-radezu ein, mit unseren Imitationen in ihreHaut zu schlüpfen. Zur Verblüffung heiklerSalmoniden und Cypriniden gleichermaßen.Und zum Erstaunen derer, die nur Eintagsflie-gen-Imis kennen ...

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wovon die Fische leben

Fokus 2: Zuckmücken.

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Abb. 13: Zuckmücken-Imitationen (mit Vorschlägen zur Hakengröße, jeweils von links nach rechts).Obere Reihe: Altière (18), Moskito (18), Smut (24), No-Hackle-Midge (22, nach Swisher/Richards).Mittlere Reihe: Hen-Midge (18), „V“-Hackle Typ (Swisher/Richards), No-Name Midge (24, Ed Koch), Kiel-Mücke (22, f.), M.d.V. („Mücke derVerzweiflung", 28, f.).Untere Reihe: Chironomus-Aufsteiger (18, f.), Midge Pupa (18), Fur Case & Body (Swisher/Richards), Midge Pupa (24), Fur Case & Quill Bo-dy (Swisher/Richards), Cream Midge Nymph (22, Ed Koch), Grüne Puppe (24, f.). – Bindeweisen und Foto: Autor.

Literaturhinweise Zuckmücken.M. Chinery: Insekten Mitteleuropas, Ham-burg/Berlin 1976.W. Engelhardt: Was lebt in Tümpel, Bachund Weiher?, Stuttgart 1974.A.B. Klots/E.B. Klots: Knaurs Tierreich inFarben – Insekten, München/Zürich 1959.I. Platzer-Schulz: Unsere Zuckmücken, Wit-tenberg-Lutherstadt 1974.