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EDITORIAL FOREIGN TRADE" »^K''W^W«iSg9';m An^py »dbs Zoll-Sachbearbeiters vor der Haftung ... ^ \ :f- ^ Bernd Stadtler Redaktionsbeiraf FOREIGN TRADE und Fachkoordinator Zoll der Aussenwirtschaftsrunde e.V. Vergleichbar mit der permanenten Angst des Tonvarts vorm Elfmeter ist die Angst des Zollsachbearbeiters vor der persönlichen Haftung. Vor fast vier Jähren haben wir das Thema „Haftung" erstmals in den Fokus der FOREIGN TRADE gesteUt. Mit der Ausweitung des ZoU- schuldnerbegriffs auf den .Impoftsachbearbeiter dm'ch Art. 79 Abs. 3 UZK wurden die ohnehin schon bestehenden Ängste vor emer mögli- cheii persönlichen Haftung von Personen, die im Zoübereich von Un- ternehmen arbeiten, weiter geschürt. Nicht immer wird verantw'or- tungsvoll mit diesem sensiblen Bereich umgegangen. Das „Geschäft mit der Angst scheint einigen Akteuren doch zu verlockend. Die ak- tuelle Ausgabe greift das nach wie vor schwierige Thema als FOCUS auf und versucht erneut, es sachlich und fachlich fundiert darzustellen. Wie immer runden aktuelle Beiträge diese Ausgabe ab. So stellen wir u.a. den Stand zur Diskussion über den Ausführerbegriff dar wie auch die unerwarteten Probleme von Impo.rteu.rea mit der EU-Holzhan- delsVO, obwohl sie gar kein Holz importieren. Besonders freue ich mich über das Initerview mit Herrn Dr. Schrömbges, der sich m seinem langen, leidenschaftlichen Kampf zur Trennung von Zoll und Ein- fuhrumsatzsteuer endlich durchgesetzt hat. Seine regelmäßigen Beiträge zu diesem Thema zählen für mich zum Besten, was es in der eiaschlä- gigen Fachliteratur gibt. Kurz vor Redaküonsschluss erreichte •ans dann endlich auch mal wieder eine der viel zu seltenen, posiüven Nachriditen aus der ZoUwelt. Der Schweizer Bimdesrat hat entschieden, alle Industriezölle zum 1.1.2022 abzuschaffen. Weniger Zollkosten und weaiger Venvaltungsaufwand. DANKE - MERCI - G.RACIE an msere Schweizer Nachbarn! ^f^L S^-^Ms — FOREIGN TRADE | 3

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Bernd StadtlerRedaktionsbeirafFOREIGN TRADE undFachkoordinator Zoll derAussenwirtschaftsrunde e.V.

Vergleichbar mit der permanenten Angst des Tonvarts vorm Elfmeterist die Angst des Zollsachbearbeiters vor der persönlichen Haftung.Vor fast vier Jähren haben wir das Thema „Haftung" erstmals in denFokus der FOREIGN TRADE gesteUt. Mit der Ausweitung des ZoU-schuldnerbegriffs auf den .Impoftsachbearbeiter dm'ch Art. 79 Abs. 3UZK wurden die ohnehin schon bestehenden Ängste vor emer mögli-cheii persönlichen Haftung von Personen, die im Zoübereich von Un-ternehmen arbeiten, weiter geschürt. Nicht immer wird verantw'or-tungsvoll mit diesem sensiblen Bereich umgegangen. Das „Geschäftmit der Angst scheint einigen Akteuren doch zu verlockend. Die ak-tuelle Ausgabe greift das nach wie vor schwierige Thema als FOCUSauf und versucht erneut, es sachlich und fachlich fundiert darzustellen.

Wie immer runden aktuelle Beiträge diese Ausgabe ab. So stellen wiru.a. den Stand zur Diskussion über den Ausführerbegriff dar wie auchdie unerwarteten Probleme von Impo.rteu.rea mit der EU-Holzhan-delsVO, obwohl sie gar kein Holz importieren. Besonders freue ichmich über das Initerview mit Herrn Dr. Schrömbges, der sich m seinemlangen, leidenschaftlichen Kampf zur Trennung von Zoll und Ein-fuhrumsatzsteuer endlich durchgesetzt hat. Seine regelmäßigen Beiträgezu diesem Thema zählen für mich zum Besten, was es in der eiaschlä-gigen Fachliteratur gibt.

Kurz vor Redaküonsschluss erreichte •ans dann endlich auch mal wiedereine der viel zu seltenen, posiüven Nachriditen aus der ZoUwelt. DerSchweizer Bimdesrat hat entschieden, alle Industriezölle zum 1.1.2022abzuschaffen. Weniger Zollkosten und weaiger Venvaltungsaufwand.DANKE - MERCI - G.RACIE an msere Schweizer Nachbarn!

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DIALOG

Thinking!Intervie^w mit Dr. Ulrich Schrömbges

Redaktion: Herr Dr. Schrömbges, fiir den un-wahrscheinlichen FaU, dass jemand Sie mcht kennt:Könnten Sie sich unseren I^sern mit einem kurzen

Überbück über Ihren Werdegang vorstellen?

Schrömbgcs: Angefangen habe ich bei denFIauptzollämtern Münster, Gronau und Bochumsowie der Oberfinanzdirektion Münster. Dann

war ich relaüv schnell in der ZoUabteilung desBMF (Mineralölsteuerreferat). Von da wechselteich nach acht Jahren als parteiloser Geschäfts-Führer zur Arbeitsgruppe Finanzen derCDU/CSU-Bundestagsfraktion (zuständig ins-besondere für die Verbrauchsteuer-Umsatzsteu-

erharmonisierung in der EU). Nach zweieinhalbJahren ging ich vorzeiüg zurück ins BMF undübernahm kurz danach das vakant gewordeneAußenwirtschaftsrechtsreferat;. 1997 trennte ichmich vom BMF und wurde Partner bei Grafvon Westphalen. 2008 gründete ich meine eigeneKanzlei Schrömbges + Partner Paftnerschafts-gesellschaft Rechtsanwälte Steuerberater mbB(S+P). Meine zuvor beschriebenen Tätigkeitenbilden natürlich auch den Schwerpunkt unsererKanzlei, wobei neben Zo.llrecht das ümsatz-

Steuersystem der innergemeinschaftlichen Lie-ferungen und der Ausfuhrlieterungen sowie diestrafrechtliche und schadenersatzrechlliche Auf-arbeitung von ZoU- und Steuerverstößen hin-zugekommen ist.

Redaktion: Sie bemühen sich seit Jähren umdie Durchsetzung eines anderen Verständnissesder Einfuhtumsatzsteuer (EUSt) im Verhältniszum Zoll. Was liegt oder lag hier im Argen?Können Sie unseten Lesern einen kurzen Pro-

blemaufriss geben?

Sclirömbgcs: Zollrecht ist weitgehend als unions-rechtliches Gefahrenabwehrrecht konzipiert, we-rüger auf Einnahmen fokussiert, die Zolleinnah-men lagen 2018 bei 5,1 Mrd. EUR. Das ist bei dernationalen (Emfuh.r-)Umsatzsteuer ganz anders.DIE UMSATZSTEUER IST DIE ZWEITGRÖSSTE STEU-EREINNAHMEQUELLE DES STAATES, DIE EINNAH-MEN AUS DER UMSATZSTEUER LAGEN 2018 BEIGUT 175 MRD. FÜR. AUCH VON DAHER IST ESZIEMLICH UNVERSTÄNDLICH, DIE EUST ALS ZOLLZU BETRACHTEN, SIE IST ETWAS GANZ ANDERES.

Das Beispiel, das alles ins Rollen bradite, ist fol-gendes (Eurogate II); Waren kommen aus Chinain ein Hamburger Zolllager und werdeii darausnach Russland und in die Ukraine verbracht. DieLagerung war allerdings chaotisch. Daraus resul-derte eine „Finführzollschuld" nach Ai.t. 204 ZK,aber auch e.ine Einfiihrumsatzsteuerschuld. Das

hat bei mir die I-7rage aufgeworfen: Warum sollder Verstoß gegen die Buchhaltung eine Einfuhrsein und eine EUSt als zusätzliche Sankdon nachsich ziehen? Die Waren sind doch wieder ausge-.führt, a.lso ga)- nicht in Deutschland tatsächlich

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emgeführt worden. Die Ausfuhr als Objekt derE.infahrbesteuerung? Das ergibt keinen Sinn, zu-mal hier die EUSt wesensfremd als Säiiküonsm-

strumeat für zoü.rechdiche Verfahrensfehler ein-

gesetzt -wird und i.d.R. viennal so hoch anfalltwie der ZoU. Schließlich: Logist.ikunternehmenkönnen sich von dieser EUSt — unter Außerkraft-

Setzung des umsatzsteuerrechdichen Neuttalitäts-grundsatzes - im Wege des Vorsteuerabzugs nichtbefreien. Richtig ist also die nunmehr ständigeRechtsprechung des EuGH: Die EUSt fäUt beieinem Zollverstoß niu: noch an, wenn die Ware

dadurch zu Verbrauchszwecken in den Wii-t-

schaftskreislauf desjetiigen Mitgüedstaats eingeht,der die EUSt erheben will.

Redaktion: Hätte sich denn diese Auffassungdann nicht mit dem Eurogate II-ürteil vom2.6.2016 (C-226/14) erledigen müssen bzw wa-rum hat sie es nicht?

Schröinbges: Viele meinen, erst das Fedex-Urteildes EuGH vom 10.7.2019 (C-26/18) hätte dieneue Formel vom Eingang in den Wktschafts-kreislauf definidv festgestellt. Das ist nicht richrig.

RICHTIG IST VIELMEHR, DASS DIE FINANZGERICHTEDAS EUROGATE 11-URTEIL DES EUGH VOM 2.6.2016NICHT UMGESETZT HABEN, SIE WOLLTEN DIE EUST

ALS ZOLL RETTEN, DA, SO BENDER VOM FINANZGE-RIGHT HAMBURG, DAS AUCH SO „BEQUEM" SEI.

Richüg ist aUerdings auch, dass der EuGH mseinem Eurogate II-Urteil den Begriff der Ge-fahr verwendet hat. Darauf haben sich die Fi-

nanzgerichte „gestürzt"; bestünde auch nur dieGefahr, dass die Nicht-Unionsware in den Wirt-schaftski-eislauf der Union eingegangen seinkönnte, sei eine Einfuhr gegeben. Das hat skurrileFolgen. Im Fedex-Fall wäre danach in Deutsch-land eine EUSt wegen der Gefahr eines Ver-brauchs m Deutschland und in Griedienland eine

EUSt wegen des tatsächlichen Eingangs der Warein den Wirtschaftskreislauf entstanden. In der

Tat ist das auch so gehaadhabt worden. Das ist,wie der Generalanwalt Campos Sänchez-Bordonaund der EuGH festgestellt haben, einfach nurabwegig. Das Umsat2steuerrecht kennt keine Ge-fahr des VoriJegens eines Umsatzes; besteuertwird viei-inehr allein, dass ein Umsatz (Leistung,Einfuhr, Ei-werb) rein tatsächlich bewirkt wü-d.Es gibt also keine umsatzsteuerrechdiche Gefahr,sondern nur eine zolh-echtüdie Gefahr, dass un-versteuerte Ware in den Wittschaftslaeislauf ge-langt. Das sollten jedenfalls Finanzgerichte wissen.Umsatzsteuerrechtlich geht es immer nur um dieBesteuerung des Verbrauchs im Inland,

Zum anderen erldärte der EuGH einige Zeilenspäter in seinem Eurogate II-Urteü selbst, was erunter Gefahr versteht: Es müssen objeküve Um-stände vorliegen, die den Eingang in den Wirt-schaftskreislauf begründen. Für das HessischeFinanzgericht war diese Deutung des EurogateII-Urteils auch klar; wegen der entgegenstehendenAuffassung vieler anderer Finanzgerichte hat esdann den EuGH gefragt, ob die Gefahr einesEingangs in den Wirtschaftskreislauf schon eineEinfuhr sei. Das hat der EuGH in seinem Fedex-

Urteil klipp und klar verneint.

Redal<tion: Wenn man dann das Fedex-Urteil,das im Sommer dieses Jahres veröffentlichtwurde, noclimal in zwei Sätzen zusammenfassenwill: Was wurde dadurch geldärt?

Schrömbges: Geklärt wurde, erstens, dass der(zoürechtUche) Gefahrbegriff im Mehm'-ertsteu-errecht mchts zu suchen hat, EÜSt und Zoll ge-hen von nun an definitiv getrennte Wege, undz-weitens, dass der Eingang in den Wirtschafts-kreislauf unabhängig ist von der Art der zoll-rechtlichen Pflichtverletzung. Allerdings gibt esjetzt Vermutungen, nämlich einmal, dass n-dt derVerzollung auch eine Einfuhr vorliegt, und 2wei-tens, dass vorschriftswidriges Verbringen überdie Grenze und das Entziehen aus der zollamt-

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lichen Überwachung auch eine Einfuhr nachsich ziehen können,

Redaktion: Wie ist Thre Erwartungshaltung inBezug auf die Anwendung? 'W'elche Auswi.rkungenund Konsequenzen sollten sich zukünftig zeigen?

SchröiTibges: Das Fedex-Ürteil hat die Trea-nung von Zoll und EUSt aUgemeiner Ansichtnach besiegelt. Dennoch können oder wollenmanche diese Trennung emodona.l noch nichtnachvollziehen. Manche Pinanzgerichte -werdenwohl versuchen, die tatsächliche Vermutung ge-gen den Steuerpflichtigen zu richten. Wichtig istdabei zunächst, class der Steuerpflichtige denGang der Ware genau dokumentiert.

Rechtlich gilt aber Folgendes: Nach § 88 AO hatdie Zoüvem'altung den Steuertatbestand und denSteueranspruch festzustell.en, die tatsächüche Ver-

mutuag ändert an dieser Beweislastverteilungnichts, sie ist ein BeweisanzeidTien, em Indiz, nichtmehr. Ganz konkret: Der Steuerpflichtige mussnicht beweisen, dass die Ware in einen a.nderenMitgliedstaat oder in ein Dritdand verbracht wor-den ist. Ein Beispiel für die tatsächliche Vermu-tung wäre etwa: Ware wird aus einem ZoUlageroder einem Steuerlager gestohlen; dann darf dieEinfuhr in Deutscliland vermutet und aJ.s gegebenunterstellt werden, falls das HZA den Ort desVerb.rauchs nicht feststellen konnte. IToch inte-i-essant sind in diesem Zusammenhang aber auchdie Erlöschenstatbestände des neuen Zollrechts.

Redaktion: .Auch in unserem Nachbarland Öster-

reich hat es in den vergangenen Jahren immerwieder Unmut bei der Auslegung der mehni/ert-steuerrechtlichen Vorschriften gegeben — insbe-

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sondere hinsichdich der Behandlung ira Verfahren42. Welche Änderungen ia der Verwaltungspraxiserwarten Sie hier aufgrund des Fedex-Uf teils?

Schrömbges: In Österreich wird das Steuer-system der innergemeinschaftlichen Anschluss-lieferung nach Art. 143 Abs. l Buchst, d)MwStSystRL (= VC 42) letztUch als ZoUverfah-ren behandelt und mit existenziell bedrohlichen

Konsequenzen für die Logistikbranche unions-rechtswidrig prakdziert.DER SPEDITEUR HAFTET IN ÖSTERREICH VER-

SCHULDENSUNABHÄNGIG FÜR DIE STEUERBE-TRÜGEREIEN DES IMPORTEURS IN ANDEREN

MITGLIEDSTAATEN. SCHLIMMER GEHT'S NICHT,

Das Fedex-Urteil wird diese Praxis nicht verän-

dem, weil es insoweit „nur" um den Einfuhrbe-griff geht. Zwar wäre der „Spuk" in Österreichbeendet, wenn eine Einfuhr im Verzollungsmit-guedstaat verneint würde; denn der Verbrauchfindet ja erst im Bestimmungsmitgliedstaat statt.Der Verw'altungsgcrichtshof (\7'wGH) hat diesesArgument aber bereits mit der wenig überzeu-genden Erwägung zurückgewiesen, der mit derVerzollung verbundene Statuswechsel sei dieEinfuhr. Dieses Argument findet aber in derRechtsprechung des EuGH keine Stütze, auchweil nach dem Profitube-Urteil des EuGH vom

8.11.2012 (C-165/11) der zollrechdiche Statusim Mehrwret-tsteuerfecht völlig belanglos ist.

Wichtig ist Inngegen das Vetsch-Urteil des EuGHvom 14.2.2019 (C-531/17), wonach es offenkundigunverhältnismäßig ist, einem Steuerpflichtigen (hierdem Spediteur) anzulasten, dass dem Staat durchbetrügerische Machenschaften Dritter, auf die erkeinen Emfluss hat, Steueremnahmen entgehen.Das bedeutet: Jedenfaüs dann, wenn die Ware imBcsummungsmitgliedstaat angekommen ist, kanndem gutgläubigen Importeur oder Spediteur dieEUSt nicht mehr vorgeschrieben werden.

Redaktion: Wie ist es Ihres Erachtens eigentlichim Bereich Zoll und Umsatzsteuer msgesamtmn die Umsetzung von europäischer Rechtspre-chung bestellt? Wird dem EuGH in austeichen-der Weise gefolgt?

Sciirömbgcs: Die Rechtspj.'echiing des EuGHzum VC 42 wird bislang von der österreichischenFinanzi-echtsprechung überhaupt nicht umge-setzt, mit Z.T. skurrilen Begrüiidungen. DieReditsprechung des EuGH zur Einfuhr ist bis-lang von deutschen und österreichischen Finanz-gerichten obstruiert worden, mit dem Fedex-Ur-teil wird das jetzt jedenfalls ganz weitgehendaufhören. Allerdings gibt es FragesteUungen, diewedei: das Fedex- noch das Vetsch-Urteil abde-

cken.

Erstens: Kann der Spediteur überhaupt Schuldnereiner EUSt werden, die ausschließlich die Waren-

bewegung über die Dritdandsgrenze belastet? DerSpediteur erbringt nur eme logisdsche Diensdeis-tun.g, nämlich die Abgabe der Zollanmeldung.Das aber ist. weder Einfuhr noch Drittlandsliefe-

rung. Es spricht also \'ieles dafür, dass Sdiuldnerder BUS t nur der Importeur werden kann, derVerfüguagsmacht hat. Dann wäre auch das mas-sive Vorsteuerabzugsproblem der I^gistikbranchegelöst, der der Abzug der EUSt als Vorsteuer mitdem unsinnigen Atgame.nt venveigert wird, siehätte keine Verfügungsmacht. Denn hat der Spe-diteur keine Verfügungsmacht, wird er richdger-weise erst gar mcht Schuldner der EUSt; der Vor-Steuerabzug erübrigte sidi daru-i.

Zweitens: Wendet mm die neue EUSt-Formel vom

Eingang der Ware in den Wirtschaftslu'eislauf an,so entsteht in folgender FaUkonstellation keiaeSteuer: Nicht-Unionsware wird unter ZoUverstößen

i.S.d. Art. 79 UZK nach Deutscliland m-id von dort

in einen anderen Mitgliedstaat (B) verbracht, wosie vermarktet -nd.td. In B kann trotz Vorliegens ei-nes Einfuhrumsatzes (Steueftatbestand) keine

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EUSt (Stcueranspruch) entstehen, weil der Steuer-anspruch von der Entstehung einer ZoUschuld ab-hängt, liier eüi unsini-dges Ergebnis! Dieses Ergeb-nis müsste auch emtteten, wenn die V^'are direktnach der Verzollung zu Verbrauchszwecken in ei-aen anderen Mitgliedstaat verbracht wird, also imKern die Situation des VC 42 vorliegt. § 21 Abs. 2UStG, die iimsatzsteuerrechtliche Venyeisungsvor-schrift auf das Zollrecht, bedarf also dringend derRevision. Vorbild könnten enva die deutschen Ver-

brauchsteuergesetze sein, die den Steueranspruchvon der Zoüschuld abgekoppelt haben.

Folgende Fragen gehören folgiich dringend zumEuGH:

a) Ist eine logistische Dienstleistiing im Zusam-menhang mit der Einfuhr selbst Einfuhr i.S.d.Art. 201 MwStSystRL (Steuerschuldnerschaftbei der Einfuhr)? Meines Erachtens nicht.

b) Führt der Stauswechsel bei der Überführungin den zol.l.rechdich freien Ve.rkehr zur Ein-

fuhr i.S.d. MwStSystRL? Meines Erachtensnicht, er löst aber eine starke tatsächlicheVermutung insoweit aus.

Darüber hinaus muss sich der Steuergesetzgebermit § 21 Abs, 2 LIStG befassen; die unionsrecht-liche Grundlage dafür ist spätestens mit demFedex-Urteil entfallen.

Redaktion: Für die gerade besprochenen Fragenist die Frage, ob der Tatbestand der Einfuhr im

Sinne von Art. 30 MwStSystRL vorliegt, relevant.Bei Ware, die im Rahmen der Zollunion EU-Türkei mit einer A.TR nach Deutsdzland gelangt,wird hierzulande die ELUSt erhoben. Ist diesesVorgehen Ihres .li.rachtens korrekt?

Schrönitigcs: Nein. In der Zollunion mit derTürkei geht es um die Freiverkehrsejgenschaftder Ware, die sich nur auf den Zoll bezieht unddurch die Warenverkehrsbescheinigung A.TRdokumentiert, wenn nicht sogar begründet wird.SIEHT MAN DIE EUST ALS ZOLL AN, WARENNATÜRLICH ZUM ERHALT DIESES STATUS ZOLLUND EUST ZU ZAHLEN. DAS IST AUCH BIS HEUTEPRAXIS. DA DIE EUST ABER KEIN ZOLL IST, MUSSDIESE PRAXIS BEENDET WERDEN.

Denn die Ware wird ja nicht in Deutsd-Jand ver-marktet, sondern stets und nur in der Türkei;wie soll da noch eine deutsche E'.USt entstehen

können? S+P haben eine entsprecheiide Eingabebei der Generalzolldirektion eingebracht; derzeitbefasst sich das BMF mit dieser Frage.

Redaktion: Unser FOCUS beschäftigt sich mitdem Thema Haftung insbesondere von Mitar-beitern im Zollbereich und zukünfdg vielleichtauch noch. stärker von Unternehmen. Wenn wir

bzgl. des Stichworts Haftung mal bei den Unter-schieden von Mehnvertsteuer und Zoll bleibenund den Terminus Verschuldensabhängigkeitdazu nehmen - ist Ihr Eindruck hier, dass dasdiesbezügliche Recht konform umgesetzt wird?

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Schrömbges: Das Thema Haftung nach derRechtsprechung des EuGH zum VC 42 beziehtsich auf die Frage, ob der Steuerpflichüge aufdie Mehrwertsteuer genauso ve.t-schuldensunab-hängig haftet wie der Zollpflichtige auf den Zoll.Das hat der EuGH in ständiger Rechtsprechungeindeudg verneint, eine verschuldensunabhän-gige Haftung des Steuerpflichtigen im Steuer-system der innergemeinschaftlichen Lieferunggibt es nicht, was die österreichische Rechtspre-chung bis heute nicht wirklich verstanden hatoder rechts'widriger.ve.i.se nicht akzeptieren will.Die Haftung von Geschäftsführern und Mitar-heitern ist ein ganz anderes Thema - zu dem esübrigeiis auch Rechtsprechungen des EuGM undder Finanzgerichte gibt —, wir können uns damitgerne gesondert befassen.

Redaktion: Darauf kommen wir gerne zurück!Wer Ihren insbesondere auch schriftstellerischen

Werdegang der letzten Jahre hat verfolgen kön-nen, sieht auch die Leidenschaft, mit der Sie dievon Ihnen als relevant identifizierten Fragestel-lungen verfolgen. Woher stammt Ihre Passionfür diese doch eher „trockenen" Themen und

wohet die Energie für Ihren Einsatz?

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Schrönibges: Ich bin mit Leidenschaft dabei,wenn es um die Arbeit geht. Deshalb mussteich auch nach 16 Jahren das BMF verlassen, dasbei mir jede Leidenschaft in den letzten Jähren„abgetötet" hatte. Ich finde Außenwirtschafts-recht, Verbrauchsteuerrecht, Umsatzsteuerrechtund Zollrecht keinesfalls „trocken", wenn mansich die dahinter stehenden Sachverhalte an-

schaut, ich finde, das sogar spannend. Die ge-nannten Rechtsbereiche zeichnen sich aber auch

dadurch aus, dass sie von einem professionellenjuristischen Standpunkt aus betrachtet eher inden Kinderschuhen stecken. Prof. Dr. Altmep-pen von der Uni Passau (Gesellschaftsrecht), mitdem ich seit der Referendarzeit befreundet bin,belächelt mich immer ein wenig mit meinemZoll-, Mineralölsteuer- und Umsatzsteuerrecht.

MIT DER ZEIT IST ES MEIN HOBBY GEWORDEN,MICH FÜR DIE PROFESSIONELLE WEITERENT-WICKLUNG DIESER RECHTSGEBIETE ZU ENGA-GIEREN UND VORSCHLÄGE ZU ERARBEITEN, DIESTETS AUF EINEM WEITERDENKEN DER VON MIRBEHANDELTEN KONKRETEN FÄLLE BERUHEN.

Das bedeutet für mich als „glühenden deutschenEuropäer" auch, das Recht von dem gefährlichen„Mief der Kleingeisterei" zu befreien, den mannoch immer viel zu oft vorfindet (symptomadschdafür ist etwa auch das Editorial zum Septem-berheft der ZfZ). Deshalb bin ich auch ein „Fan"des EuGIi, für den „Big Thinking se.lbstirer-ständlich ist.

Dr. Ulrich SchrömbgesSchrömbges + Partner PartnerschäftsgeseUschaftRechtsanwälte Steuerberater mbB

BalUndamm 13, 20095 HamburgE-Mail: [email protected]: ·www.schroembges.net

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