Eduard Von Hartmann - Der Spiritismus

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    EDUARD von HARTMANN

    DER SPIRITISMUS

    LEIPZIG VJj_y BERLINVERLAG VON WILHELM FRIEDRICH

    K. HOFBUCHHANDLUNG1885.

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    Im gleichen Verlage erschien:Philosophische Fragender Gegenwart

    von Eduard von Hartmann.gr. 8. Preis broch. M. 6.

    In gemeinverstndlicher Darstellung bietet dieses neue Werk des be-kannten Philosophen zwlf Essays ber Gegenstnde aus den verschiedenstenGebieten der Philosophie. Es behandeltelt u. a. die Philosphie Schopenhauersund seiner Schule, das Problem des Pessimismus, das Verhltniss von Philo-sophie und Christenthum, die neuesten Enthllungen ber indische Geheim-lehre, die Grundbegriffe der Rechtsphilosophie, die Bedeutung Kants frdie heutige Erkenntnisstheorie u. s. w. Im ersten Aufsatz fallen grelleStreiflichter auf die Physiognomie der heutigen Universittsphilosophie, dervierte liefert zum ersten Mal einen Abriss des Hartmannschen Systems imengsten Rahmen aus der Feder seines Urhebers. Wo nicht die behandeltenGegenstnde selbst der Philosophie der Gegenwart angehren, da greifensie doch in litterarische Streitfragen ein, welche gerade neuerdings lebhafterrtert worden sind (z. B. ber die Bedeutung des Wortes Nirvana), undmanche dieser Streitfragen (so z. B. die um den Pessimismus) drfte durchdiese Verffentlichung in eine neue Phase gerckt sein. Sowohl wegen dessachlichen Interesses der darin behandelten Gegenstnde, wie auch alsBeitrge zur nheren Klarstellung und festeren Begrndung des philoso-phischen Standpunktes ihres Verfassers werden diese Aufstze auf Beach-tung rechnen drfen.

    Das Judenthumin Gegenwart und Zukunft.

    von Eduard von Hartmann.IL durchgesehene Auflage, gr. 8. Preis broch. M. 5.

    Wenn unser hervorragendster Philosoph das Wort zu dieser bren-nenden Tagesfrage nimmt, darf man berzeugt sein, die Verhltnissevom wirklich unparteiischen Standpunkt aus beleuchtet und erklrt zu sehen,und indem die Kampfesweise und Wirkung des Antisemitismus als schdlichverworfen, werden zugleich die Fehler des Judenthums, welche gegenwr-tige Zustnde hervorgerufen, blossgelegt. Die vielen verschiedenen Seitender verwickelten Frage werden gesondert einer grndlichen Errterungunterzogen und berall die Wege zur naturgemssen Lsung gewiesen. Die beste Empfehlung des Werkes ist der ungeheuer schnelle Absatz derersten grossen Auflage, welcher nach drei Wochen eine zweite folgenmusste, whrend eine dritte in Vorbereitung sich befindet.

    Kgl. Hofbuchhandlung von Wilhelm Friedrich, Leipzig und Berlin.Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.

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    EDUARD von HARTMANN

    DER SPIRITISMUS

    LEIPZIG Vj[j_y BERLINVERLAG VON WILHELM FRIEDRICH

    K. HOFHICUHANDLUNG1885.

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    Alle Rechte vorbehalten.

    ORUC< VON EMIL HERBMANN SEN., LEIPZIG.

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    Inhalt.1. Der allgemeine Stand der Frage . I2. Die physikalischen Erscheinungen 253. Der Vorstellungsinhalt der Kundgebungen 574. Die Transfigurationen und Materialisationen 845. Die Geisterhypothese 106

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    1. Der allgemeine Stand der Frage.

    Das Wort Spiritismus ist ein franzsisches Produkt,whrend die Englnder und meist auch die Deutschenan dem Ausdruck Spiritualismus festgehalten haben;es scheint jedoch rathsam, die Bezeichnung Spiritualis-mus fr einen dem Materialismus entgegengesetztenmetaphysischen Standpunkt festzuhalten, und demgemsszur Vermeidung von Verwechselungen die Erklrung dermediumistischen Erscheinungen durch Mitwirkung ab-geschiedener Geister mit dem neugebildeten AusdruckSpiritismus zu benennen. Das Uebergewicht inner-halb des Spiritismus besitzt die amerikanisch-englischeRichtung, welche keine Reinkarnation annimmt, sondernin der Hauptsache auf dem christlichen Unsterblichkeits-glauben fusst. In Frankreich herrscht die Richtung,welche Allan Kardec der Sache gegeben hat, nmlichdie Hinwendung zu dem indischen Glauben, dass dieSeele so lange sich in neuen Krpern zu rei'nkarnirenhabe, bis sie den gottgewollten Zustand der Vollkom-menheit erlangt habe. In Deutschland besitzt der trans-cendentale Individualismus Hellenbachs einen Anhnger-kreis, welcher die Mglichkeit, aber nicht gerade dieXothwendigkeit der Reinkarnation lehrt, und sich vomfranzsischen Spiritismus hauptschlich dadurch unter-scheidet, dass er den Aussagen der Medien ebenso wenig,wie dieser viel Werth beilegt.Die Zahl der spiritistischen Zeitschriften ist bedeu-tend; fnfzig sind von den Psychischen Studien auf-gefhrt, mit welchen diese in Austausch stehen, undallein in Deutschland giebt es fnf. Die meisten sindvon einer geradezu unglaublichen Kritiklosigkeit undsuperstitisen Leichtglubigkeit; am schlimmsten vorn

    Hartmann, Spiritismus. I

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    allen sind in dieser Hinsicht die amerikanischen Berichte,was ihren Werth um so mehr herabdrckt, als geradein Amerika auch der Humbug und Schwindel derprofessionellen Medien seinen Gipfel erreicht. Unterden deutschen spiritistischen Journalen nimmt die Mo-natsschrift Psychische Studien (Leipzig bei OswaldMutze 1874 1885) dadurch eine Ausnahmestellung ein,dass ihr Redakteur Dr. Wittig mit Energie und kriti-schem Scharfsinn die Cox'sche Theorie der psychischenKraft und die Hallucinationshypothese gegen die Geister-hypothese vertritt, insbesondere in den letzten drei Jahr-gngen. Es ist charakteristisch fr die ganze Bewegung,dass dieser Versuch eines Redakteurs, der Stimme derVernunft Gehr zu verschaffen und sein Journal auf einwissenschaftliches Niveau zu erheben, sich nur im Kampfemit dem Herausgeber und der Mehrzahl der Mitarbeitervollziehen kann, und dass er zunchst bloss das Empor-blhen mehrerer Konkurrenzzeitschriften zur Folge ge-habt hat. Da nmlich die meisten Abonnenten spiri-tistischer Zeitschriften gar kein wissenschaftliches In-teresse an der Erklrung der Erscheinungen haben,sondern nur das Herzensinteresse, ihren Unsterblich-keitsglauben durch die mediumistischen Erscheinungengekrftigt zu sehen, so hrt fr sie mit einem Schlagejedes Interesse an der Sache auf, sobald ihnen dieseHoffnung benommen wird.Wenn man sich mit der Literatur der Spiritistenbefassen will, so muss man sich auf den Standpunkteines Irrenarztes stellen, der sich von seinen Patienteneine mglichst genaue Schilderung ihrer Wahnvorstel-lungen geben lsst; wer nicht die Geduld hat, in denVorstellungskreis und die typische Ausdrucksweise dieserGedankenverirrung einzutreten und sich in derselbenheimisch zu machen, der wird niemals ihre psychologi-schen Ursachen ergrnden.

    Dass ein Somnambuler die Vorstellungen seinestrumenden Mittelhirns verbildlicht und so weit als mg-lich personificirt, ist eine psychologische Notwendigkeit,ber die er als Somnambuler keine Macht hat. Dass einlarvirter Somnambuler die intelligenten Kundgebungenseines somnambulen Bewusstseins , welche sein Tages-bewusstsein nicht als die seinigen anerkennt, fremden,

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    unsichtbaren, personificirten Intelligenzen zuschreibt, istebenso psychologisch nothwendig. Wenn nun weiterdiejenigen Thtigkeiten , durch welche die ihm unbe-wusste Intelligenz seines larvirten somnambulen Bewusst-seins ihre Kundgebungen vermittelt, durch unwillkr-liche und unbewusste Impulse seines Mittelhirns (sei esauf die Muskeln der Gliedmassen oder Stimmwerkzeuge,sei es auf noch unbekannte Nervenkrfte von mecha-nischer Wirksamkeit) hervorgebracht werden, so ist esunvermeidlich, dass diese Thtigkeiten als eigne geleugnetund statt dessen als unmittelbare Thtigkeiten jenerpersonificirten Intelligenzen angeschaut werden. Wennsich nun gar mit solchen Vorgngen die Fhigkeit desSomnambulen verbindet, in der Seele empfnglicher An-wesender kombinirte Hallucinationen mehrerer Sinnes-organe zu erzeugen, so werden diese leicht geneigt sein,die combinirten Gesichts-, Gehrs-, Gefhls- und Tast-Hallucinationen wegen ihrer Handgreiflichkeit fr ob-jektive Realitten zu nehmen, und wenn endlich dieUebereinstimmung dieser eingepflanzten Hallucinationenbei mehreren Zeugen konstatirt wird, so scheint ihnen,wie dem sie einpflanzenden Somnambulen kaum nochein Zweifel an der Realitt der Erscheinungen brig zubleiben.

    Alle diese intuitiven Trugschlsse vollziehen sichmit gleicher psychologischer Gesetzmssigkeit wie dasZustandekommen von Sinnestuschungen. Man mag eineSinnestuschung mit der abstrakten Reflexion vollstn-dig durchschauen, so hrt sie darum doch nicht auf, sichfr die Anschauung von Neuem zu produciren, sobalddie Bedingungen ihrer Entstehung von Neuem herge-stellt werden. Ja sogar bei einem Theil der mediumi-stischen Phnomene, insbesondere der Uebertragung vonHallucinationen auf Dritte, scheint der ungestrte Glaubean die Realitt der Traumpersonifikationen im hervor-rufenden Somnambulen fast unerlssliche Bedingung zusein, und fr das Zustandekommen in den Zeugen min-destens begnstigend zu wirken. Es wird hieraus ver-stndlich, weshalb die Zuschauer mit wachsendem spiri-tistischem Glauben auch reicher entfalteten Erscheinungengegenbertreten, und dass eine intolerante Skepsis,welche es verschmht, in den Vorstellungskreis des Me-

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    diums, wenn auch nur zum Schein, einzutreten, lhmendauf dessen Produktionskraft wirken muss.

    Man erkennt schon aus diesen vorausgeschicktenBemerkungen, dass man es bei dem Erscheinungsgebiet,auf welches der Spiritismus sich sttzt, mit wesentlichanderen Versuchsbedingungen zu thun hat, als bei Ex-perimenten mit unorganischen Stoffen oder organischenKrpern. Nur ein kleiner Theil der mediumistischenErscheinungen ist seiner Wirkung nach rein physikalischaber selbst dieser Theil ist seiner Entstehung nach anpsychische Bedingungen, an Stimmung, Zuversicht, un-gestrte Behaglichkeit des Mediums geknpft. Nun ist esaber ganz ungerechtfertigt, wenn Naturforscher die Unter-suchung dieser Erscheinungen deshalb ablehnen, weil die-selben an Bedingungen geknpft sind, deren Herstellungnicht zu jeder Zeit in der Macht des Forschers liegt.Wenn man den Floh des Maulwurfs oder die Ein-geweidewrmer der Grille untersuchen will, so muss manschlechterdings erst Maulwrfe und Grillen fangen, umihnen die Flhe oder Eingeweidewrmer abzusuchen.Wenn man bestimmte Formen des Irrsinns untersuchenwill, so muss man in die Irrenhuser gehen, wo solcheKranke zu finden sind. Wenn man elektrische Rochenoder Aale untersuchen will, so muss man sich welcheaus ihrer Heimath schicken lassen. Ganz ebenso mussman, wenn man abnorme Erscheinungen der mensch-lichen Natur studiren will, abnorm veranlagte Naturenaufsuchen, oder solche zu sich kommen lassen. Auchdie Experimente des Laboratoriums sind oft von soverwickelten Bedingungen abhngig, dass der Forscherfr ihr Gelingen nicht in jedem Falle einstehen kann;aber diess hindert nicht die Beweiskraft der gelungenenFlle. Wenn der elektrische Rochen von der Reiseerschpft ist oder krank wird, so werden die Versuchemit demselben ebenso unbefriedigend ausfallen mssen,wie diejenigen mit einem Medium, das sich nicht wohlbefindet, und wenn der Feuchtigkeitsgehalt der Atmo-sphre einen gewissen Grad bersteigt, so werden dieVersuche an der Reibungselektrisirmaschine ebensomisslingen wie diejenigen an einem Medium. Diessalles darf aber die Erforschung der abnormen Erschein-ungen unmglich hindern.

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    Schlimmer als die Abhngigkeit von den Medienund ihrer Disposition ist der Kampf gegen absichtlicheTuschung, der einem Forscher bei der Untersuchungelektrischer Rochen allerdings erspart bleibt. Indessenist hier an das Gebiet der Geistes- und Nervenkrank-heiten, der Hysterie und des Somnambulismus zu er-erinnern, wo der Arzt und der Theoretiker ebenfallsmit den raffinirtesten Tuschungsversuchen zu thun hat,ohne dass er sich deshalb in seinem Forschungseiferhemmen lsst. Ein Somnambuler erhlt von seinenPhantasiepersonen Weisungen, welche er pnktlich be-folgt, in dem guten Glauben, nur das zu thun, was jenedurch ihn thun, und schwrt in seinem wachen Bewusst-sein mit gutem Gewissen darauf, von jenen Thtigkeitennichts zu wissen, hlt dann vielmehr deren Ergebniss frunmittelbare Leistungen jener Phantasiegestalten. Aehn-lich kann ein Medium im somnambulen Zustand dieRolle eines Geistes spielen und Dinge thun, von denenes hernach im wachen Zustande nichts weiss, die esvielmehr nach den Berichten der Zeugen fr unmittel-bare Geisterwirkungen halten muss.

    In welchen feinen und krausen VerschlingungenGutglubigkeit und Betrug bei Hysterischen verfitzt sind,davon weiss nur, wer sich mit solchen Kranken nherbeschftigt hat, ohne sich von ihnen tuschen zu lassen,Nun sind aber alle Medien, welche nicht bloss Magne-tiseure sondern zugleich offne oder larvirte Somnambulesind, ohne Ausnahme Individuen mit einer gewissen Des-organisation des Nervensystems, d. h. von einer relativzu grossen Selbstndigkeit der niederen und mittlerenNervencentra gegen das hchste reflexhemmende Cen-trum der bewussten Selbstbeherrschung; sie sind mitandern Worten ebensogut wie die nicht mediumistischenSomnambulen trotz hufigen Anscheins krperlicher Ge-sundheit hysterisch*) und vollbringen ihre Wirkungenentweder in offenem oder in larvirtem Somnambulismus,befinden sich also bei ihrer Produktion unter den frunbewussten oder halbbewussten Betrug denkbar gn-

    *) Dass Hysterie nicht bloss eine Krankheit des weiblichen Ge-schlechtes ist, gilt in Frankreich seit 20 Jahren fr ausgemacht, und istin Deutschland neuerdings von Mendel ausser Zweifel gestellt.

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    6 stigsten Bedingungen. Sie sind fest berzeugt davon,dass die Geister ihnen helfen, haben aber doch auch dasBewusstsein, dass sie auf irgend welche Weise eine frdie Geister unentbehrliche mitwirkende Bedingung sind,d. h. dass die Geister nur mit Hilfe ihrer wirken knnen.Liegt es da nicht nahe genug, dass sie sich bemhen,auch ihrerseits den Geistern zu dem erwnschten Er-gebniss zu helfen, und dass dabei die Grenze zwischenganz unwillkrlicher, halbunwillkrlicher, und willkr-licher Mitwirkung sich verwischt? Kann berhaupt derBegriff der vollen Zurechnungsfhigkeit auf einenGeisteszustand Anwendung finden, wo die organisch-psychische Gesammtenergie sich zwischen wachem Be-wusstsein und somnambulem Bewusstsein spaltet undfr das erstere nur einen grsseren oder geringerenBruchtheil der normalen Intensitt brig lsst?

    Ich glaube, es msste sonderbar zugehen, wenn einvollkommen normaler Mensch zu dem Einfall kommensollte, sich als Medium zu produciren. Am ehesten dazubefhigt wren offenbar Taschenspieler, aber diese ziehenes vor, ihre Knste vor einem grsseren Zuschauerkreisevorzufhren, whrend Medien auf die geringen Ertrgeeines engen Cirkels angewiesen sind. Man hat wohlvon vielen Medien gehrt, die Taschenspieler gewordensind, aber noch von keinem Taschenspieler, der Mediumgeworden wre. Man darf deshalb wohl annehmen, dassniemand in die Laufbahn eines Mediums kommt, der nichtdurch Zufall abnorme Eigenschaften und Krfte an sichentdeckt hat. Etwas von diesen Eigenschaften undKrften drfte wohl jeder Mensch besitzen, aber in sogeringem Grade, dass nichts Besonderes damit zu leistenist. In England sollen 3%, in Nordamerika, wo die Lufttrockener ist, sogar 5% der Menschen in dem GradeMedien sein, dass ihre Ausbildung lohnt. Bei Frauenist die Entwickelung dieser abnormen Anlagen hufigerals bei Mnnern, bei mageren nervsen Constitutionenhufiger als bei wohlbeleibten, bei jngeren Individuenhufiger als bei lteren, vor der Geschlechtsreife hufigerals nach derselben.Das Medium, das sich entdeckt hat, pflegt von denErscheinungen ebenso berrascht zu sein wie seine Um-gebung; es bedarf der lngeren Uebung, um soweit die

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    Herrschaft ber seine mittleren Nervencentra zu er-langen , dass es sich durch seinen Willen in den zurHervorbringung der Erscheinungen geeigneten Zustandzu setzen vermag. Beim Fortschreiten dieser Uebungnehmen die Erscheinungen an Mannichfaltigkeit undStrke zu, und sein Ruf verbreitet sich; bald erhlt esAufforderungen zum Besuch in fremden Stdten undLndern, fr welchen Geldentschdigung gewhrt wird.Hat vorher schon die Eitelkeit als Sporn gewirkt, sotritt nun das Geldinteresse hinzu ; das Medium vernach-lssigt seinen brgerlichen Beruf und wird professionel-les Medium. Es wird ihm peinlich, Geld anzunehmenfr misslungene Sitzungen, und doch braucht es Geldzum Leben; es fngt an, den Geistern nachzuhelfen, da-mit die Leute zufriedengestellt werden.Das professionelle Medium wird bezahlt fr jedeSitzung; je mehr Sitzungen, desto mehr Geld. JedeSitzung strengt aber das Nervensystem an und machtdas Medium nervser, hysterischer, kraftloser. So langeder mitgebrachte Kraftvorrath der Jugend vorhlt, gehtdie Sache ; dann lsst die erschpfte mediumistischeKraft merklich nach und die Erscheinungen werdenseltner und schwcher. Der Ruf des Mediums aberhinkt seinen Leistungen nach und verschafft ihm mehrEinladungen, als es annehmen kann ; es sieht das Geldvor sich und kann es doch nicht einstreichen. Jetztwird die Versuchung, den Geistern nachzuhelfen, drin-gend. Fast keinem professionellen Medium bleibt dieseabsteigende Phase seiner Mediumschaft erspart, und esgehrt eine grosse Charakterstrke dazu, den verlassenenbrgerlichen Beruf nach lngerem Vagabundenlebenwieder aufzunehmen. Manche Medien ziehen es vor,Antispiritisten zu werden, und das Publikum mit denTaschenspielerkniffen zu unterhalten, mit welchen siein ihrer Medienlaufbahn den Geistern nachgeholfenhaben; dabei verdienen sie dann in der Regel vieLmehr, als durch echte mediumistische Leistungen. Da-neben werden dann auch wohl einzelne mediumistischeLeistungen, die sich fr Produktion in grsserem Kreiseeignen (z. B. das Gedankenlesen durch Berhrung undnach den Direktiven unwillkrlicher Muskelbewegungen)weiter gepflegt und der Antispiritismus nur zur Ge-

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    winnung des erforderlichen Vertrauens als Vorspannbenutzt ; zugleich dauert aber die Taschenspielerei fortund das Publikum wird von diesen Antispiritisten nochweit sicherer betrogen als von den spiritistischen Medien.Viele Medien langen zuletzt bei vlliger Zerrttung desKrpers und des Geistes an, verfallen in Siechthum oderMelancholie und enden in Irrsinn oder Selbstmord. Diessgilt nicht bloss fr die amerikanischen Medien, sondernauch fr die indischen, obwohl letztere niemals einenGelderwerb aus der Sache machen drfen und weitweniger versucht sind, ihre Kraft durch allzuhufige Aus-nutzung zu erschpfen; die indischen Fakirs streben abergerade nach jener Zerrttung des Geistes und Krpers,welche unsre Medicin frchtet, und sehen in dem all-mhlichen Verfall und Absterben vor dem Tode daswnschenswertheste Ziel.Zwischen einem Taschenspieler und einem Mediumist ein betrchtlicher Unterschied erkennbar. Der Taschen-spieler ist unabhngig von seinem Befinden, von derLuftfeuchtigkeit, von den Gesinnungen der Anwesendengegen ihn, von der Zahl der Zuschauer und der Be-leuchtung; dagegen ist er abhngig in seinen Leistungenvon der Lokalitt, von der Beschaffenheit der Gegen-stnde, mit welchen er hantirt, von der Entfernung undStellung der Zuschauer zu ihm, in den meisten Leistun-gen auch von den Vorbereitungen, welche er an derLokalitt und den Apparaten hat treffen knnen. Seltenarbeitet er ohne Helfershelfer und von einer nervsenErschpfung durch die Vorstellung ist bei ihm nichts zubemerken ; er ist abhngig von bestimmten Bedingungen,unter welchen er seine Kunststcke vorfhrt, aber wennman ihm diese Bedingungen nicht strt, so ist er auchseines Erfolges so gut wie sicher. Diess alles ist andersbeim Medium.Das Medium kommt allein, ohne Gehilfen und ohneApparate in eine ihm fremde und vor der Sitzung nichtzugngliche Lokalitt. Der indische Fakir erscheintnackt, bloss die Schaam mit einem Lappen bedeckt;jedes verstndige Medium und mit anderen sollteniemand experimentiren lsst sich bereitwillig vorund nach der Sitzung vom Kopf bis zur Zehe unter-suchen und weigert sich nicht, die mitgebrachten Klei-

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    9 der unter Aufsicht mit neu hingelegten von besonderemSchnitt und Kolorit zu vertauschen. Alles, was dasMedium an Gegenstnden braucht, nimmt es von demWirth in Empfang, so dass jede Prparation vor derSitzung ausgeschlossen ist. Whrend der Sitzung be-findet sich das Medium unmittelbar unter den Augenund in Berhrung mit den Zuschauern; da es aber be-einflusst wird von deren Vorstellungen und Empfindun-gen, so wirkt auch belwollende, feindselige, oder frivoleGesinnung unter den Zuschauern strend auf seineSeelenthtigkeit ein, und zwar gleichviel ob es sich desGrundes dieser Strung bewusst ist oder nicht. Dajeder Mensch andre Gedanken, Empfindungen und Ein-flsse mitbringt, so mehren sich die strenden Einflssemit der Zahl der Zuschauer ; mediumistische Vorstellun-gen vor mehr als drei Zuschauern sind von vornhereinverdchtig, und pflegen nur dann Erfolg zu haben, wennsich unter den Zuschauern Medien befinden, welche,ohne es zu wissen, durch Zusammenwirken mit demHauptmedium dessen Kraft verstrken und so die st-renden Einflsse ausgleichen.Die nervse Abspannung und Erschpfung des Me-diums ist proportional der Flle und Strke der pro-ducirten Leistungen, kann freilich auch fingirt oderheuchlerisch bertrieben werden. Der Erfolg ist vlligunsicher, und wenn man das Medium vor jeder Ver-suchung zu tuschender Nachhilfe bewahren will, somuss man ihm vor allen Dingen klar machen, dass manmit dieser Unsicherheit des Erfolges bekannt sei undkeineswegs enttuscht oder ungeduldig sein werde, wennselbst mehrere Sitzungen gnzlich erfolglos verlaufen.Empfehlenswerth ist es auch, den Medien nicht dieeinzelne Sitzung zu honoriren, sondern ihnen ein Fixumpro Monat oder ein Pauschquantum fr die Dauer derVersuchsreihe neben freier Station auszusetzen, weil mitdem Honoriren der einzelnen Sitzungen ein wichtigerImpuls zu Tuschungen in Wegfall kommt.Ebenso hinderlich wie feuchte Luft und ble Ge-sinnungen der Zuschauer ist fr mediumistische Wir-kungen das grelle Licht, welches der Taschenspieler mitVorliebe herstellt, damit man nur ja nicht denke, erwolle sich im Dunkeln das Munkeln zu leicht machen.

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    IODie meisten Medien mssen erst durch Dunkelsitzungenihre Anlagen entdecken und ausbilden, bis sie so weitgekrftigt und abgehrtet sind, um eine massige Be-leuchtung zu ertragen. Nur hervorragende Medienbringen es dahin, bei vollem Lichte zu wirken; beson-dere Leistungen, z. B. das Emporfliegen des Mediumsund die Einpflanzungen von Hallucinationen in den Zu-schauern, scheinen unter allen Umstnden nur ein ge-dmpftes Licht zu ertragen. So gewiss man die ver-schiedenen Formen des elektrischen Glimmlichts nur inder Dunkelkammer beobachten kann, so gewiss kannman auch die phosphorescirenden Lichterscheinungen,welche sehr gewhnliche Begleiterscheinungen der Dun-kelsitzungen sind, nur im Dunkeln kennen lernen. Esist daher unthunlich, die Dunkelsitzungen ganz zu ver-werfen, doch sollte man sich in ihnen auf das Studiumdieser Erscheinungen beschrnken, und auf alles, wassonst vorkommt, keinen Werth legen. Die Aermelauf-schlge, die Stiefel und die Mtze des Mediums solltenebenso wie etwa sonst im Zimmer befindliche Gegen-stnde durch Merkzeichen von selbstleuchtender Farbegekennzeichnet sein. Noch besser ist die Vertheilungvon einer Menge ganz schwacher elektrischer Glh-lampen im Zimmer, wie man sie jetzt in Schmuckgegen-stnden anwendet. Derartige schwache Lichtquellen vonmehr phosphorescirendem Charakter pflegen auch vonschwcheren Medien vertragen zu werden, whrendstrkeres Licht (vielleicht durch seine Verwandtschaftmit elektrischer Induktion) strend wirkt.

    Alle andern Untersuchungen wird man bei ge-dmpftem oder hellem Licht vornehmen mssen undknnen, dann aber auch an der Sichtbarkeit aller Kr-pertheile des Mediums in Verbindung mit Visitation undKleiderwechsel vor und nach der Sitzung gengendeKontrolmassregeln besitzen, um sich gegen Taschen-spielerei zu sichern. Gnzlich zu verwerfen ist allesBinden der Medien, weil es die Taschenspielerei, dieabsichtliche und unabsichtliche Tuschung, geradezuherausfordert, und weil Taschenspieler im Lsen undWiederknpfen von Knoten und im Herausschlpfenund Wiederhineinschlpfen in Schlingen und Fesselnso Unglaubliches leisten, dass allein ein Taschenspieler

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    II kompetent sein kann, ber die Zulnglichkeit der Fes-selung zu urtheilen. Ausserdem ist aber die Fesselungeine fr das Medium qulende und darum unwrdigeArt vermeintlicher Sicherstellung, und fast jedes Me-dium sucht sich der Fesseln zu entledigen, sobald es inHypnose oder somnambulen Zustand verfallen ist undsich vor den Augen der Zuschauer sicher weiss. Werauf Fesselung baut und sonstige Kontrole vernachlssigt,kann allemal sicher sein, dass er getuscht wird, undalle Berichte ber Sitzungen dieser Art sind ohne Wei-teres als werthlos zu verwerfen.Wer seine fnf Sinne nicht fr ausreichend hlt, umunter den angegebenen Sicherheitsmassregeln Taschen-spielerei von unwillkrlichen Erscheinungen zu unter-scheiden, der erklrt damit die menschlichen Sinnes-werkzeuge berhaupt fr ungeeignet zur Feststellungvon Thatsachen und muss ebenso auf jeden gerichtlichenZeugenbeweis wie auf wissenschaftliche Forschung ver-zichten. Kann man bei jeder Sitzung einen gewiegtenTaschenspieler als vierten Mann hinzuziehen, so ist dasgewiss zu empfehlen; denn ein solcher hat das offenbareBerufsinteresse, vorkommende Taschenspielereien auf-zudecken, damit nicht die Medien den Ruf der Taschen-spieler verdunkeln. Bekanntlich haben die beiden erstenTaschenspieler Deutschlands und Frankreichs, Bellachiniund Houdin, ihr Zeugniss zu Gunsten der von ihnen be-obachteten Medien abgegeben; dagegen haben andereTaschenspieler (z. B. Hermann) behauptet, dieselben Er-scheinungen wie die Medien durch ihre Kunst hervor-bringen zu knnen.

    Prft man die letzteren Behauptungen nher unddurchblttert man die anonymen Confessions of a Me-dium oder Cumberlands Besucher aus dem Jenseitsoder hnliche Enthllungsschriften, so erkennt man so-fort, dass die Taschenspielerei Bedingungen und Vor-aussetzungen erfordert, die man dem Medium nicht zu-gestehen wird. Z. B. bei fernwirkender Schrift brauchtman nur dafr Sorge zu tragen, dass das Medium dieTafel entweder gar nicht, oder doch erst im letztenAugenblick in die Hand bekommt, um einer vorherigenPrparation vorzubeugen, und braucht nur die Hand-haltung zu kontroliren oder fr sichern Verschluss der

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    Tafel zu sorgen um ein direktes Schreiben durch denFinger des Mediums unmglich zu machen. Da zahl-lose Berichte von einem hrbaren Schreiben in der Handeines Dritten, oder bei frei auf dem Tisch liegenderTafel in deren wohlverschlossenem Innern sprechen, daeinzelne Beobachter die schreibende Bewegung desSchieferstckchens auf der unter dem Tisch halb vor-gezogenen Tafel gesehen haben wollen, andre sogar dasSchreiben eines sich selbst aufrichtenden Bleistiftes aufdem Papier wahrgenommen haben wollen,*) da immerwieder das Aussetzen des Schreibens bei Oeffnung derSitzungskette und dessen Fortsetzung bei Wiederver-einigung der Hnde behauptet wird, da in der ver-schlossenen Tafel oft genug Worte oder Stze geschrie-ben worden sind, die erst nach dem Verschluss oderwhrend des begonnenen Schreibens von einem An-wesenden dem Medium diktirt wurden, da auf diesemWege sinnvolle Antworten in der verschlossenen Tafelauf die eingeschriebene, dem Medium unbekannte Frageerfolgen (Ps. St. XI, 552), und derartige Erscheinungennicht nur bei Slade sondern auch bei Monk, Eglintonund verschiedenen Privatmedien von Hunderten vonBeobachtern konstatirt sind, so kann man zwar an derGlaubwrdigkeit aller dieser Gewhrsmnner zweifeln,aber jedenfalls nicht darum, weil sich unter wesent-lich anderen Bedingungen hnliche Wirkungen durchTaschenspielerei erzielen lassen. Dagegen ist jedem,der solchen Versuchen beiwohnen will, die Lektresolcher Enthllungsschriften nur zu rathen, damit ersich vor den dort beschriebenen Arten von Tuschungenum so gesicherter weiss.**)

    *) Psychische Studien IV, S. 468, 545; Owen Das streitige Landdeutsch von Wittig I, 139.**) Die zweifellos beste derselben sind die anonymen Confessions

    of a Medium (von Chapman), London, bei Griffith et Farran, 1882, whrendCumberland's Besucher aus dem Jenseits (Breslau bei Schottlnder 1884)ein drftiger und widerwrtig manierirter Nachklang jener sind. DeutscheLeser finden einen Auszug der ersteren Schrift bei Fritz Schultze DieGrundgedanken des Spiritismus (Leipzig bei Gnther 1883) S. 58 121.Macht ein frheres Medium in Antispiritismus, so gehrt es mit zu diesemUmschwung, auch seine etwaige frhere mediumistische Kraft zu ver-leugnen, und alle seine Leistungen fr blosse Taschenspielereien zu er-klren.

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    Nicht anders als mit der Taschenspielerei ist esmit den sogenannten Entlarvungen bei angeblichenGeistererscheinungen; beide werden nur missverstnd-licher Weise als Instanz gegen die von so vielen Zeugenbehaupteten Thatsachen geltend gemacht. Wenn eineangebliche Erscheinung ergriffen wird, und sich nur dasMedium aus ihr herausschlt, so hat eine Entlarvungstattgefunden fr denjenigen, der etwas anderes als dasMedium in der Erscheinung vermuthet hat. Wer abervorher sich hat sagen lassen, dass dieser Erfolg in sol-chem Falle der wahrscheinliche sein werde, weil kaum5 / der sogenannten Erscheinungen vom Mediumvllig abgelst seien, der kann doch, wenn der voraus-gesagte Erfolg eingetreten ist, nicht mehr von Ent-larvung reden. Wer mit Recht oder Unrecht eineErscheinung A erwartet und eine Erscheinung B vor-gefhrt erhlt, der muss doch als exakter Forscher vorallem B untersuchen, aber nicht darauf pochen, dass Bnicht A sei, und im Hohn darber B ignoriren. Wer insolchem Falle sich damit begngt, das durch unsanftenSchreck aus seinem somnambulen Zustand geweckteund seiner Sinne noch nicht wieder mchtige Mediumauszulachen, anstatt sofort zur Untersuchung berzu-gehen, mit welchen Mitteln das vorher visitirte Mediumdas vernderte Aussehn der Erscheinung hervor-gebracht habe, der zeigt damit, dass es ihm ebensowenig wie den Geisterglubigen um wirkliche Erforschungder Erscheinungen, sondern um ganz andere Dinge zuthun ist. Wenn man die Geschichte der (von den Zei-tungen natrlich ungenau berichteten) Entlarvungengenauer studirt, so erkennt man bald, dass die Ent-larver meist noch weniger Befhigung zum Experimen-tiren gezeigt haben als die Geisterglubigen, und wirdsich kaum noch darber wundern, dass jede solcheEntlarvung der Sache des Spiritismus einen mchtigenAufschwung gegeben hat.Gegen bewusste und absichtliche Tuschungen derMedien kann man sich schtzen, und unbewusste Tu-schungen derselben gehren selbst mit zum Gegenstandeder Forschung. Darum, weil ein professionelles Mediumals eine mehr oder weniger zu Tuschungen hinneigendePersnlichkeit anzusehen ist, darf man noch nicht so feige

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    14 sein, ihre Prfung von vornherein abzulehnen, wenn manauch ganz recht thut, privaten Medien vor professionellenden Vorzug zu geben. Es ist ein logischer Fehler, ausder Thatsache, dass ein Medium in einem Falle unter be-stimmten Bedingungen geschwindelt habe, zu schliessen,dass dieses Medium in allen Fllen unter den verschie-densten Bedingungen bloss geschwindelt habe ; man hateben die Bedingungen jedes Falles zu prfen, und einezweifellos positive Instanz kann selbst durch hundertnegative nicht entkrftet werden. Da nun aber Privat-personen weder die nthige Umsicht und Uebung imExperimentiren noch die nthige Autoritt gegenberdem Publikum besitzen, so ist es durchaus nothwendig,dass Physiker, Physiologen und Psychiatriker von Rufund amtlicher Stellung im amtlichen Auftrage diesemErscheinungsgebiet nher treten, um unter Hinzuziehungvon Taschenspielern lngere Versuchsreihen mit ver-schiedenen Medien anzustellen.

    Das Publikum hat nachgerade ein Recht darauf,zu wissen, woran es mit diesen Dingen ist, und da esselbst nicht in der Lage ist, sich ein eigenes Urtheilzu bilden, so ist es auf das Urtheil der officieilen Trgerder Wissenschaft angewiesen. Diese aber lehnen es ab,sich mit diesen Dingen die Finger zu verbrennen, seies, dass sie in der Ueberzeugung von der Unfehlbarkeitder bisherigen Wissenschaft a priori dekretiren zu knnenmeinen, was mglich und was unmglich sei, sei es,dass sie bloss nicht Lust haben, die ihnen einmal ver-traute Forschungs-Specialitt mit einer andern zu ver-tauschen. Deshalb mssen die Regierungen einschreitenund Mittel zur Untersuchung dieses Erscheinungsgebietsauswerfen, da man ja auch dem Einzelnen nicht zu-muthen kann, die Kosten lngerer Sitzungsreihen zutragen. Jeder vorsichtige Mann wird es, ebenso wiees seinerzeit Baron Hellenbach gethan hat, ablehnenmssen, ber die Erscheinungen ein sicheres Urtheilabzugeben, bevor er nicht wenigstens hundert Sitzungenmit verschiedenen Medien durchgemacht hat; das knnenaber nur reiche Leute durchfhren, die nichts zu thunhaben, und wenn sie das Geld- und Zeitopfer gebrachthaben, so hat ihr Urtheil doch fr keinen ausser ihnenselbst Gewicht. Die vorliegenden Materialien reichen bis

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    jetzt entschieden nicht aus, um die Frage fr spruch-reif zu erklren, sie reichen aber sehr wohl aus, umdieselbe fr untersuchungsbedrftig zu erklren.Jede Regierung hat die Pflicht, eine unnthige Ver-wirrung und Aufregung in den Kpfen ihrer Staats-brger zu verhindern, wenn sie derselben durch soeinfache Mittel wie die Niedersetzung einer wissen-schaftlichen Kommission vorbeugen kann.Der Spiritismus droht gegenwrtig eine ffentlicheKalamitt zu werden, auf welche jede Regierung ihrAugenmerk zu richten hat, welche aber nicht durchdas Verbot einer ffentlichen Diskussion auszurotten ist,wie man es in Russland versucht hat. Der Aberglaubean Geister greift epidemisch um sich und ffnet derAusbeutung der Leichtglubigkeit durch gewandte Be-trger neue Mittel und Wege. Alle todtgeglaubtenFormen mittelalterlichen Aberglaubens erwachen ausihrer Gruft und drohen ihr Unwesen von Neuem zu be-ginnen. Die Wchter der Religion schpfen bereitsernste Sorge aus diesen Vorgngen; die Vertreter einergeluterten Sittlichkeit sehen ihre Bestrebungen ber-wuchert durch den neu gestrkten transcendenten Egois-mus eines sinnlich-derben Unsterblichkeitsglaubens. DieVorkmpfer der Aufklrung wissen zu diesen Ver-irrungen keine andre Stellung zu nehmen, als indemsie alle denselben zu Grunde liegenden Thatsachenrundweg abstreiten und fr baaren Schwindel und Be-trug erklren ; dadurch erreichen sie aber nichts weiter,als dass von den Geisterglubigen ihre Ehrlichkeit inZweifel gezogen wird und dass durch den apriorischenWiderspruch der Glaube zum Fanatismus emporge-schraubt wird. Man weiss in der That nicht, aufwelcher Seite mehr Oberflchlichkeit, Kritiklosigkeit,Vorurtheil, Leichtglubigkeit und Unfhigkeit zur Unter-scheidung zwischen beobachteten Thatsachen und nahe-liegenden Vermuthungen zu finden ist, ob bei denSpiritisten, die in jedem zufllig umfallenden Regen-schirm die Offenbarung einer Geisterhand sehen, oderbei den Aufklrern, welche alles fr unmglich erklren,was nicht zu ihrem beschrnkten Weltbilde passt. Esist hohe Zeit, dass diesem Zustand der Verwirrungdurch officielle wissenschaftliche Erforschung des frag-

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    i6 liehen Erscheinungsgebietes ein Ende gemacht wird,damit die Natur der darin sich kundgebenden Krfteendlich dem Verstndniss erschlossen und der Aus-beutung fr den plumpsten Aberglauben entzogen wird.Da ich selbst niemals einer Sitzung beigewohnthabe, so bin ich auch nicht in der Lage, mir ber dieRealitt der fraglichen Erscheinungen ein Urtheil zubilden; ich kann nur soviel sagen, dass, wenn allesBerichtete wahr wre, allerdings noch neue bisher nochunerforschte Krfte im Menschen angenommen werdenmssten, dass aber von einer Umstossung von Natur-gesetzen oder von einem Verlassen der Sphre desNatrlichen dessenungeachtet in keiner Weise die Redesein knnte. Wenn z. B. ein Medium in liegenderHaltung an die Decke steigt, so beweist das fr michnicht, dass das Gesetz der Schwere in demselben durchbernatrliche Mchte aufgehoben sei, sondern dassdasselbe mit einer Kraft geladen sein muss, deren Ab-stossung gegen die Erde strker ist als die Anziehungder Gravitation, ganz hnlich wie diess von den Figr-chen aus Hollundermark unter der elektrischen Glockegilt. Deshalb kann auch nur derjenige, welcher alleNaturkrfte nach ihrem ganzen Umfang zu kennenbehauptet, sich erkhnen, bestimmen zu wollen, wasmglich oder unmglich sei, bevor er es erfahren undbeobachtet hat; da aber solche Behauptung nur beivlliger Verkennung unseres beschrnkten Kenntniss-umfangs mglich ist, so prostituiren solche apodiktischenVorhersagen nur die Urtheilsfhigkeit der Forscher,welche sich zu ihnen hinreissen lassen.Von den Mnnern, welche sich um die Erforschungdieses Erscheinungsgebietes verdient gemacht haben,kenne ich nur zwei persnlich, Zllner und Hellenbach.Zllners Versuche sind vortrefflich arrangirt, geben diedenkbar beste Brgschaft gegen Taschenspielerei undzeigen berall die kundige Hand des gewandten Ex-perimentators; auch sind die Berichte ber dieselbenprcis und klar geschrieben. Es ist zu bedauern, dassZllner alles darauf ankam, seine Hypothese einer viertenDimension des realen Raumes besttigt zu sehen; dochkann diess den Werth der erhaltenen faktischen Re-sultate nicht beeintrchtigen. Leider sind aber Zllners

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    17 Berichte in einem solchen Wust von Polemik vergrabenund zeigen seine vier Bnde Wissenschaftliche Abhand-lungen eine so sehr an Ideenflucht grenzende Stoffver-wirrung, dass er in den letzten Jahren seines Lebensnicht mehr als klassischer Zeuge gelten kann.Baron Hellenbach ist ein schlagfertiger, geistes-gegenwrtiger Weltmann, dem man wohl zutrauen darf,dass er auch feinere Taschenspielereien durchschauenwrde; nebenbei bemerkt ein Mann, der von der cha-rakterologischen Unzuverlssigkeit der Medien und vonder Werthlosigkeit ihrer Offenbarungen durchdrungenist. Andrerseits steht er ebenso wenig wie Zllner denErscheinungen und ihrer Deutung mit vlliger Unbe-fangenheit gegenber, denn wie dieser fr die vierteDimension, so sucht er in ihnen Besttigungen fr seinenmetaphysischen Standpunkt des transcendentalen Indi-vidualismus. Aber was schlimmer ist, er hlt es nichtfr loyal, zur Kenntnissnahme der Erscheinungen vonseinen fnf Sinnen weiter Gebrauch zu machen, als dieMedien oder Erscheinungen dazu auffordern oder es er-lauben. Nun gebe ich zwar zu, dass es illoyal ist, einMedium oder eine Erscheinung in brsker Weise an-zupacken, weil ein schreckhaftes Erwecken aus demsomnambulen Zustand sehr schdliche Folgen habenkann; aber ich gebe nicht zu, dass es illoyal sei, dieGesichts- und Gehrs-Eindrcke durch vorsichtige Tast-wahrnehmungen, beziehungsweise Geruchswahrnehmun-gen zu ergnzen; ich behaupte vielmehr, dass es Pflichteines Forschers sei, diese Ergnzung gegenber der Er-scheinung eines sich auf 4 5 Zoll dem eigenen Gesichtnhernden Kopfes nicht zu unterlassen. Denn entwederfasst man durch die Erscheinung durch, oder man tasteteinen Krper von bestimmter Beschaffenheit, sei es dasser Stand hlt, oder unter der Hand zerfliesst; in allendiesen Fllen kann dem Medium dadurch kein Schadegeschehen. Indem Hellenbach diese Pflicht nicht aner-kennt,hat er in meinenAugen der Mglichkeit desBetrugeszu gnstige Chancen erffnet, um noch als klassischerZeuge gelten zu knnen. Immerhin gehren die Sitzungs-Berichte Hellenbachs zu den klarsten und prcisesten,welche wir nchst den Zllnerschen besitzen ; aber wennsie allein stnden in der Welt, so wrde ich mich nichtHartmann, Spiritismus. 2

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    18 im Stande fhlen, auf dieselben gesttzt von einer Re-gierung die Niedersetzung einer Untersuchungs-Kom-mission zu verlangen.Nun stehen jedoch diese Berichte nichts wenigerals allein. Was die physikalischen Erscheinungen be-trifft, so werden sie am besten ergnzt durch die Be-richte von Crookes und Cox, deren ersterer durch seineExperimente mit Home zuerst versuchte, fr das ganzeGebiet eine exakte Basis zu schaffen, und deren letztererin seiner Schrift ber die psychische Kraft den bestenzusammenfassenden Bericht ber das Gebiet der physi-kalischen Erscheinungen geliefert hat. Leider hat Coxin seinen Beobachtungen und Diskussionen das Gebietder physikalischen Erscheinungen nicht berschritten,und Crookes hat in den bezglichen Versuchen mit MissCook nicht dasjenige Maass von kritischer Besonnenheitbeobachtet, welches man von einem wissenschaftlichenForscher erwarten darf, indem er das Medium durcheine unzulngliche galvanische Bindung*) gesichertglaubte, zwischen abgelster Gestaltbildung und Trans-figuration nicht unterschied und den Einfluss eingepflanz-ter Hallucinationen fr das Zustandekommen einer illu-sorischen Transfiguration nicht in Anschlag brachte.Auf alle Flle gehren die Berichte der genannten vierMnner zu dem Instruktivsten, was ber den Gegen-stand geschrieben ist, und wer sich mit demselben be-kannt machen will thut am besten, mit der Lektre derbetreffenden Abschnitte zu beginnen.**) Beachtenswert

    ) Die Bindung durch Anfassen der Endpole , wie Crookes undVarley sie bei den physikalischen Sitzungen mit Mrs. Fay in Anwendungbrachten (Psych. Stud., Jahrgang II, S. 349358), darf als ausreichendeSicherung gelten, aber nicht das Befestigen an den Armen durch Gummi,wobei Mnze und feuchtes Lschpapier nach hinten und oben verschobenwerden kann, ohne das Medium am Hervortreten zu hindern (Psych. Stud.,I, S. 341349).

    **) Zllner, Wissenschaftliche Abhandlungen (Leipzig bei L. Staack-mann 1878 1879), Bd. I, S. 725 729; Bd. II, Abth. I, S. 214215,314350; Abth. 2, S. 909939, 1173 1180; Bd. III, S. 231283.Lazar B. Hellenbach, Mr. Slade's Aufenthalt in Wien (Wien bei J. C.Fischer & Co. 1878), 44 Seiten. Dsb., Die Vorurtheile der MenschheitIII. Bd. (Wien bei L. Rosner 1880), S. 219255. Dsb., Die neuestenKundgebungen einer intelligiblen Welt (Wien bei L. Rosner 1881), 68Seiten. Dsb., Geburt und Tod als Wechsel der Anschauungsformen oderdie Doppelnatur des Menschen (Wien bei W. Braumller 1885), S. 109

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    ig ist dabei jedenfalls der Umstand, dass Cox gegen dieGeisterhypothese ist, dass Crookes und Zllner sichweder fr noch gegen dieselbe ausgesprochen, sondernerklrt haben, sich auf das Studium der Erscheinungenbeschrnken zu wollen, und dass Hellenbach mindestenssehr geringschtzig von dem Geistergesindel denkt, dasthricht genug ist, sich mit uns abzugeben.Der Umstand, welcher erst den Berichten dieserMnner ein Gewicht verleiht, welches sie als verein-zelt dastehende nicht besitzen wrden, ist der, dass inden letzten vierzig Jahren zahllose Zeugen hnlicheund darber hinausgehende Beobachtungen gemachtund verffentlicht haben, und dass dieses Erscheinungs-gebiet ebenso alt ist , wie die Geschichte der Mensch-heit. In China und Indien, bei den sibirischen Scha-manen und den malayischen Zauberern, bei den Mysti-kern der alexandrinischen Schule und in der Urgeschichtedes Christenthums , in den Kanonisationsprocessen derkatholischen Heiligen und in der Geschichte der Hexen -processe, bei den Alchymisten und Astrologen desMittelalters und bei den vagabundirenden Wunder-thtern der letzten Jahrhunderte berall kehrenganz bestimmte typische Formen abnormer Befhi-gungen und Leistungen wieder.*) Je nach den An-sichten des Zeitalters und je nach der Lebensstellungder Medien werden dieselben bald Gttern, Natur-geistern, Elementargeistern oder Dmonen, bald derMacht des heiligen Geistes oder des Teufels, bald denAhnengeistern, bald einer Vereinigung von Natur-geistern und Ahnengeistern zugeschrieben. Der heutigeSpiritismus ist nichts als die Wiederentdeckung und115. Crookes Der Spiritualismus und die Wissenschaft . Deutsch vonWittig (Leipzig bei F. Wagner 1872), S. 86 99 und 113 115 (2. Auf-lage 1884 erschienen). Edward W. Cox, Rechtsgelehrter, Die Theorieund die Thatsachen der psychischen Kraft , Deutsch von Wittig (Leipzig1883). Psych. Studien, Jahrgang X, S. 120 129, 312318, 3^237 I.

    *) Vgl. Hellenbach, Aus dem Tagebuche eines Philosophen , IV.Die mystischen Naturen der Vergangenheit. Ferner Jacolliot: Le spiritismedans le monde. L'initiation et les sciences occultes dans Finde (Paris1875). ''erty, Die mystischen Erscheinungen der menschlichen Natur ,2 Bde. (Leipzig und Heidelberg bei Winter, 1872). Schindler: Das ma-gische Geistesleben (Breslau bei Korn 1857) und Der Aberglaube desMittelalters (ebd. 1858).

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    20Wiederbelebung eines bei allen Vlkern und zu altenZeiten bekannten Erscheinungsgebietes, welches durchdie Machtsprche der Aufklrungsperiode gewaltsamverneint worden war; die spiritistische Erklrung derErscheinungen stimmt mit derjenigen berein, welcheder chinesische und indische Ahnenkultus denselbengiebt, lsst aber die Vermischung mit Naturgeisternund Teufelsspuk bei Seite, welche unserer Zeit nichtmehr mundrecht ist.Die Aufklrungsperiode hatte gar keinen Respektvor Thatsachen; sie stellte die Welt auf den Kopf,d. h. konstruirte a priori aus der Aufklrungsvernnf-tigkeit, was sein solle und drfe und was nicht. Gegen-wrtig liegt diese seichtrationalistische Denkweise imKampfe mit der wiedererwachten Achtung vor derWirklichkeit, von welcher die schwache menschlicheVernunft erst zu lernen hat, was mglich ist. Die Er-scheinungen , auf welche der Spiritismus sich sttzt,haben darum ein doppeltes Interesse: erstens einphysikalisches und psychologisches, indem sie unsereKenntnisse von dem, was wirklich und demzufolgeauch mglich ist, erweitern und vervollstndigen, undzweitens ein historisches, indem sie uns den Schlsselin die Hand geben zum kulturgeschichtlichen Ver-stndniss alles Wunderglaubens und Aberglaubens undfr die natrliche und gesetzmssige Entstehung seinertypischen Formen. Bis jetzt steht die moderne Ge-schichtsforschung vor der Nekromantie, dem Fliegender Wundermnner, Heiligen und Hexen und vor zahl-losen anderen Glaubensstzen der Vergangenheit wievor unlsbaren Rthseln ; schon die Hoffnung, fr dieseeine befriedigende Lsung zu finden, msste den Eiferzur Erforschung dieses Erscheinungsgebietes anspornen,auch wenn es nicht ausserdem die wichtigsten Aufschlsseber noch unerforschte Naturkrfte und unerforschte Ein-wirkungen einer Seele auf die andre versprche. Aber eskommt alles darauf an, dass diese Forschung in berufeneHnde gelegt wird, und vor allen Dingen nicht ausschliess-lich in den Hnden solcher belassen wird, die bei diesenUntersuchungen durch keinerlei wissenschaftliches In-teresse, sondern nur durch ein Herzensinteresse ander Bewhrung der Geisterrealitt geleitet werden.

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    Ohne Zweifel hat man es bei den Medien mit ab-normen, pathologischen Naturen und Erscheinungen zuthun, und muss sich klar machen, dass das Heran-bilden von Medien und die Veranlassung derselben zuSitzungen einen schdlichen Einfmss auf deren krper-liche und geistige Gesundheit hat. Wre das Gebietder mediumistischen Erscheinungen von berufenenAutoritten zur Genge durchforscht, so msste dieserUmstand hinreichen, um von jeder unntzen Wieder-holung solcher Versuche abzumahnen. Aber diesesGebiet ist bis jetzt noch so wenig durchforscht undklar gestellt, dass der theoretische Gewinn seinerUntersuchung grsser scheint, als der Schaden, welcherfr Einzelne aus der Untersuchung erwachsen kann.Es ist ferner zu bercksichtigen, dass in berufenenHnden die Medien viel besser aufgehoben sein werden,als in denen von Dilettanten, weil das Verstndnissfr den gesundheitsschdlichen Einfluss der Sitzungenauch zur humanen Schnung und rztlichen Kontrolefhrt, welche bis jetzt den Medien versagt sind. DieErscheinungen bei krftigen Medien wrden sich vor-aussichtlich steigern, wenn man dieselben dahin bringenknnte, nicht tglich, sondern nur wchentlich ein biszwei Sitzungen zu halten; sie wrden dann ihre Kraftauch lnger konserviren und an ihrer Gesundheit vielgeringere Einbusse erleiden, vielleicht keine grssere alseine gute Natur durch Ernhrung wieder auszugleichenvermag. Ebenso wie ich principiell alle ffentlichen Schau-stellungen dieser Art als nicht zu duldenden Unfug ver-werfe, ebenso bin ich gegen das knstliche Aufsuchen vonMedien durch Sitzungen in Privatkreisen; ich halte esfr gengend, diejenigen Medien zur Ausbildung zubringen, deren hervorragende Veranlagung sich unwill-krlich manifestirt. Wenn die Regierung alle Behrden,Magistrate, Geistliche und Aerzte anwiese, ber vor-kommende Flle von spukhaftem Klopfen, Rumoren,Klingeln und Steinwerfen in bestimmten Grundstckensofort auf das unbewusste Medium zu fahnden undAnzeige zu erstatten, so wrde in wenigen Jahren einausreichendes Material von Medien zur Verfgungstehen.Wer sich einen raschen Ueberblick ber das

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    Gebiet verschaffen will, drfte am besten thun, diesorgfltig und bersichtlich gearbeitete Schrift vonW. Schneider: Der neuere Geisterglaube (Paderbornbei Schning 1882) zur Hand zu nehmen, wenngleichder vllig mittelalterliche Dmonenglaube des katho-lischen Verfassers den Umstand ausser Acht lsst, dassdie Heiligen und die frmmsten Shne und Tchterder Kirche formell genau dieselben Erscheinungenzu Tage gefrdert haben, wie die angeblich mit sata-nischer Hilfe operirenden Hexen, Geisterbanner undSpiritisten. Dass die Spiritisten um ihrerbsenLust willeneigentlich heute noch so von der Kirche bestraft und aus-gerottet werden mssten, wie dereinst die Zauberer undHexen, ist diegutkatholische,wenn auch unausgesprocheneSchlussfolgerung dieses Buches von 430 Seiten. Wer sicheingehender mit dem Gegenstand vertraut machen will,dem empfehle ich die Monatsschrift Psychische Studien ,welche ein Archiv alles Wissenswerthen aus derneuesten Phase des Spiritismus darstellt. In diesemJournal findet der Leser auch alle wichtigeren Berichtevon Zllner und Heljenbach abgedruckt, so wie dieSchrift von Cox ber die psychische Kraft, so dassdiese Zeitschrift mit Ausnahme der ersten grundlegen-den Versuche von Crookes ebensowohl alles nthigeMaterial wie auch die Diskussion der verschiedenenHypothesen vereinigt.Was die deutsche Philosophie bisher pro undcontra ber die Sache vorgebracht hat, ist hchstdrftig. Abgesehen von den schon erwhnten SchriftenHellenbachs sind zunchst die inzwischen verstorbenendrei theistischen Philosophen J. H Fichte, Ulrici undFranz Hoffmann zu nennen, welche mit Sang undKlang ins spiritistische Lager bergegangen sind, umvon den vermeintlichen Beweisen der Spiritisten frdie Unsterblichkeit der Seele Nutzen zu ziehen. Wundthat eine kleine antispiritistische Brochure verffentlicht,die gar nicht in die Diskussion der Sache selbst ein-greift, sondern vom Aufklrungsstandpunkt aus berdie Probleme a priori abspricht. Vom darwinistischenStandpunkte aus hat Fritz Schultze theils auf die ,,Con-fessions of a Medium , theils auf die oben erwhnteSchneidersche Schrift gesttzt, ber das Ganze den

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    Stab gebrochen in seiner Schrift Die Grundgedankendes Spiritismus und die Kritik derselben (Leipzig,bei Gnther 1883); von den drei Vortrgen beschftigtsich nur der erste (S. 3 130) mit dem modernenSpiritismus, und in diesem ist wiederum nur dersiebente Abschnitt beachtenswerth, welcher einenblossen Auszug aus den Confessions of a Mediumbietet, whrend die im achten Abschnitt an die Zll-nerschen Berichte angelegte Kritik unzulnglich undoberflchlich ist.Als der Besonnensten einer zeigt sich der ver-storbene Schopenhauerianer Julius Frauenstdt inseiner Kritik der,,wissenschaftlichen Ansicht des Ueberna-trlichen von Wallace in der Sonntagsbeilage der Voss.Ztg. 1874 No. 41 fg. Beachtenswerth als ein Hin-weis auf die nahen Beziehungen zwischen den lterenVersuchen und Hypothesen Reichenbachs und denmediumistischen Erscheinungen ist auch die Brochurevon Leeser Herr Professor Wundt und der Spiritis-mus , 2. Aufl., Leipzig 187g.Ich bin, wie gesagt, ausser Stande, ber dieRealitt der ungewhnlichen Erscheinungen ein Ur-theil abzugeben , halte aber die bis jetzt vorliegendenZeugnisse der Geschichte und der Zeitgenossen inihrem Zusammenhange fr eine ausreichende Beglau-bigung der Annahme, dass es im menschlichen Orga-nismus noch mehr Krfte und Anlagen giebt, als diebisherige exakte Wissenschaft erforscht und ergrndethat, und fr eine hinlnglich dringende Aufforderungan die Wissenschaft, in die exakte Untersuchung diesesErscheinungsgebietes einzutreten. Dagegen halte ichmich allerdings fr zustndig, ein bedingungsweisegeltendes Urtheil ber die aus diesen Erscheinungenim Falle ihrer Realitt zu ziehenden Schlussfolgerungenabzugeben , denn diess ist recht eigentlich die Aufgabedes Philosophen, whrend er das thatschliche Materialseiner Schlussfolgerungen und Induktionen sich vonden exakten Wissenschaften liefern lassen muss. Ichglaube, dass grade auf diesem Erscheinungsgebiete, wogewisse Hallucinationen fr das Medium fast die un-entbehrliche Bedingung fr das Zustandebringen .ge-wisser Phnomene zu sein scheinen, unddie Anwesenden

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    24 mehr oder weniger unter dem magnetischen Einflussdes Mediums und unter der Ansteckung seiner Halluci-nationen stehen, die vollstndige Unbefangenheit desUrtheils durch hufige Theilnahme an mediumistischenSitzungen mit psychologischer Nothwendigkeit beein-trchtigt wird, dass es fr die durch hufige Sitzungenunter die Macht der Medien und ihrer Hallucinationengerathenen Forscher sehr schwer, fr die Medien selbstaber fast unmglich sein muss, die aus den Erschei-nungen zu ziehenden theoretischen Schlussfolgerungenunabhngig von dem flschenden Eindruck der durch-lebten Hallucinationen zu halten, und dass deshalb inBezug auf die eventuellen Konsequenzen der fraglichenErscheinungen ein konditional aus seiner Studirstubeurtheilender Denker verhltnissmssig grssere Brg-schaft fr Unbefangenheit gewhrt.Im Ganzen thut der Philosoph wohl daran, mitdem Ziehen der Schlussfolgerungen zu warten, bis dasexakte Thatsachenmaterial ihm in ziemlich zweifelfreierund unbestrittener Gestalt vorliegt; wo aber die Ver-treter der exakten Wissenschaft grade deshalb Be-denken tragen, sich mit der Untersuchung eines be-stimmten Erscheinungsgebietes zu befassen, weil siedie Folgerungen scheuen, welche fast allgemein vonFreunden und Gegnern der Sache als unabweislich an-gesehen werden, da muss es als ein dem Erkenntniss-fortschritt geleisteter Dienst erscheinen, wenn diephilosophische Kritik diese hemmenden Vorurtheilezersetzt und auflst und damit erst der unbefangenenwissenschaftlichen Forschung die Bahn frei macht. So-bald die Vertreter der exakten Wissenschaft das Ver-trauen gewinnen, dass der Nimbus des Uebernatr-lichen, den der Aberglaube um dieses Gebiet gewobenhat, ein vor der Kritik unstichhaltiges Vorurtheil ist,wird sie nichts mehr an dem Eintritt in die Unter-suchung desselben hindern. Sobald aber erst diesesallem Wunderglauben und Aberglauben zur Grundlagedienende Erscheinungsgebiet wissenschaftlich durch-forscht und natrlich erklrt sein wird, muss es noth-wendig die Kraft verlieren, den Wunderglauben undAberglauben zu nhren und zu krftigen, der von der

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    Aufklrung nur erst gewaltsam und usserlich unter-drckt, aber nicht innerlich berwunden ist.

    Es wrde zu ermdenden Wiederholungen fhren,wenn ich bei jeder angefhrten Erscheinung auf denVorbehalt zurckkommen wollte, dass ich dieselbe nurbedingungsweise, d. h. fr den Fall ihrer Realitt, er-rtere, und dass ich fr die Realitt derselben keiner-lei Brgschaft leisten kann und will; ich bitte daher,dieser Verwahrung, die hier ein fr allemal ausge-sprochen wird, in dem Folgenden durchweg eingedenkzu bleiben. Zugleich bemerke ich, dass es im engenRahmen einer Brochure unmglich sein wrde, diegenauere Bekanntschaft mit den fraglichen Erschei-nungen zu vermitteln, und dass hierzu ein umfang-reicher Band erforderlich wre. Ich muss mich schonaus rumlichen Rcksichten darauf beschrnken, einigetypische Formen von Erscheinungen der Errterungzu Grunde zu legen und im Uebrigen auf die Quellenverweisen.

    2. Die physikalischen Erscheinungen.

    Wenn man verschiedene Personen prft in Betreffdes Maasses, in welchem ihr bewusster Wille ihre will-krlichen (quergestreiften) Muskeln in der Gewalt hat,so erhlt man sehr verschiedene Resultate. Niemandist im Stande, alle unwillkrlichen Muskelbewegungenmehrere Minuten hindurch ganz zu unterdrcken; beinormalen Menschen aber schwanken diese unwillkr-lichen Bewegungen um eine vom bewussten Willenvorgezeichnete Mitte, und entfernen sich nicht allzuweitund nicht dauernd von dieser. Anders bei einer Minder-zahl von Personen, bei denen die Abweichungen vonder beabsichtigten Haltung und Stellung mit der Zeitbetrchtlicher werden und endlich zu ganz bedeutendenkombinirten Bewegungen ganz verschiedener Artfhren. Lsst man z. B. jemand einen Faden mit darangeknpftem Gewicht mit ausgestrecktem Arm bereinen Maassstab halten, so zeigen sich bei abnormen

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    und die Forscher, welche, wie Crookes, diesen Anspruchwiderlegten, in illoyaler Weise zu bekmpfen.

    Wenn sich mehrere Personen im Dunkeln in ge-spannter Erwartung mit aufgelegten Hnden um einenTisch setzen, so wird hufig die eine oder die andre-derselben eine abnorme Natur in dem Sinne sein, dasssie nach einiger Zeit unwillkrliche Muskelthtigkeitentwickelt und den Tisch bewegt, obwohl sie daraufschwren kann, dass sie ihn nicht hat bewegen wollenund nichts von unwillkrlichen Muskelbewegungen ihrerArme und Hnde gesprt hat. Will man dahinterkommen, wer die Person im Kreise ist, so hat mannur nthig, den Tisch anzureden und ihm vorzuschlagen,dass einmaliges Klopfen Nein, zweimaliges Ungewiss-heit und dreimaliges Klopfen Ja bedeuten solle. Hat derTisch dieser Verabredung durch dreimaliges Klopfen zu-gestimmt, so fragt man denselben weiter, ob A, ob B, obC das Medium sei, bis man statt der verneinenden einebejahende Klopfantwort erhlt. Dann thut man gut,weiter zu fragen, ob die Reihenfolge der Theilnehmerfr das Zustandekommen der Erscheinungen gnstigsei, oder wie sie gendert werden msse, um dasMedium von strenden Einflssen zu befreien, oder obein strendes Mitglied aus dem Kreise ausscheidensolle. In den Antworten spiegelt sich die unbewussteAntipathie und Sympathie des Mediums mit den bri-gen Anwesenden, und die Erscheinungen werden nachBefolgung dieser Anweisungen um vieles deutlicher.Man kann alsdann dazu bergehen, das Alphabet ab-klopfen zu lassen, d. h. die Gruppenziffer von Klopf-stssen als Ordnungszahl eines Buchstabens im Alpha-bet zu deuten, und dadurch freilich in sehr umstnd-licher Weise jede Unterhaltung mit den unbewusstfungirenden Hirntheilen des Mediums zu fhren.

    Schneller geht die Unterhaltung von Statten, wennman die unwillkrliche Arm- oder Handbewegung gleichzum Aufzeigen der Buchstaben verwerthet, z. B. denFaden mit Gewicht ber einem im Kreise aufgezeich-neten Alphabet hngen lsst, *) oder den unwillkr-

    *) Ganz hnlich den Bewegungen eines solchen hngenden Fadensist in ihrer Entstehung die Bewegung der Wnschelruthe, nur dass die

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    liehen Druck auf die Unterlage der Hand auf einenZeiger bertrgt, der sich ber einer Scheibe mitAlphabet dreht, oder auf eine drehbare Scheibe mitfestem Zeiger. In jedem Falle mssen die unbewusstfungirenden Hirntheile des Mediums sich erst auf diegestellten Bedingungen einben, und machen vor er-langter Uebung viele Buchstabirfehler , zu deren Be-richtigung grosse Geduld gehrt.Noch schneller als mit solchen sogenanntenPsychographen oder Spiritoskopen geht die Unter-haltung, wenn das Medium direkt mit Feder oderStift schreibt. Dieses unwillkrliche Schreiben ist beiIrren hufig konstatirt ; tritt es bei gesunden Personenein, so nennt man dieselben Schreibmedien . Oft sinddie Schreibmedien nur mit der linken Hand im Stande,unwillkrliche Schrift hervorzubringen, und diese istdann meist Spiegelschrift. Manche liefern auch mitder rechten Hand Spiegelschrift, wenn sie unwillkr-lich schreiben. Bei den meisten zeigt die unwillkr-liche Handschrift eine von ihrer gewhnlichen ab-weichende Physiognomie, und manchmal hnelt dieselbeder Handschrift derjenigen Personen, als deren Kund-gebung der Inhalt des Geschriebenen sich darbietet.Das unwillkrliche Schreiben findet hufig bei vollemBewusstsein, mitten in einer munteren Unterhaltungstatt, und anscheinend so mechanisch und gedankenlos,wie ein inhaltloses Fingerspiel. Zur Unterhaltung istes weniger geeignet als die Klopfsprache oder die Be-nutzung des Psychographen , weil es mehr seineneigenen Launen und trumerischen Bahnen folgt, undabsichtlichen Tuschungen den breitesten Spielraumgewhrt.Neben dem unwillkrlichen Schreiben ist hiernoch gleich das unwillkrliche Sprechen zu erwhnen,letztere nicht zum Aufzeigen von Buchstaben sondern zum Sichtbarmachender sensitiven Empfindungen niederer Nervencentra durch unwillkrlicheMuskelreflexe benutzt wird, insbesondere zum Sichtbarmachen der dunkelnunklaren Empfindungen, welche in Sensitiven durch die Nhe von Wasseroder Metallen erregt wird. Das Problem der Wnschelruthe, welche beiQuellensuchern (Ps. St. VI, 483486) und Schatzgrbern eine so wichtigeRolle spielt, ist bereits durch Reichenbach (in seinem Werk Der sensitiveMensch ) endgltig gelst.

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    das jedoch meist nur bei Bewusstlosigkeit des wachenMenschen, also in einem Zustande der Verzckung oderEkstase (Trance) vorkommt. Sowohl auswendig gelernteReden und Dichtungen werden in dieser Weise recitirt,als auch freie Vortrge und Predigten gehalten meistber religise oder sonst dem Herzen wichtige Gegen-stnde mehr idealen Gehalts. Das Zungenreden derersten Christengemeinden ist nur als unwillkrlichesSprechen in einer religis motivirten Ekstase zu ver-stehen. Die Sprachmuskeln werden hierbei ebenso wiebeim Schreiben die Handmuskeln durch unbewussteGehirnthtigkeit mittlerer Centralorgane innervirt, unddie Stimme nimmt hierbei ebenso wie dort die Hand-schrift einen vernderten Klang und Tonfall an, dersich dem Stimmklang einer bestimmten Person an-nhert, wenn das Medium die Illusion hat, dass diesePerson aus ihm spreche.Bei den Sprechmedien ist es ganz klar, dass manmit einem sonnambulen Zustande *) zu thun hat, dessenAuftreten durch psychische Erregung bedingt ist; beiden Schreibmedien kann whrend des Schreibens einfr die Aussenwelt unempfindlicher Trance -Zustandohne waches Bewusstsein und Selbstbewusstsein be-stehen, es kann aber auch das wache Bewusstseinanscheinend ungestrt fortbestehen und und sich inmunterer Unterhaltung bethtigen, whrend gleich-zeitig die unbewusste Thtigkeit der mittleren Hirn-theile das unwillkrliche Schreiben bewirkt. Hier sindnnn zwei Flle mglich: entweder die fragliche unbe-wusste Hirnthtigkeit ist ein absolut unbewusster, reinmaterieller Vorgang, der vorgezeichnete mechanischeBahnen verfolgt und nur darum in seinem Ergebnissden Schein bewusster Intelligenz hervorruft, weil diemechanisch durchlaufenen Bahnen in frheren Fllendurch relativ bewusste psychische Thtigkeit geebnetund vorgezeichnet sind, oder aber es besteht nebenund hinter dem wachen Bewusstsein ein sonnambulesBewusstsein, welches diese mechanischen materiellen

    *) Vgl. meinen Aufsatz Der Somnambulismus (in Nord und Sd1885), welcher die Ergnzung zu dieser Schrift bildet.

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    Hirnprocesse begleitet und mit wirklicher Intelligenzdurchleuchtet.Wenn das unwillkrliche Schreiben nur Auswendig-gelerntes wiedergbe, oder Bruchstcke von Gedcht-nissmaterial in zuflliger, intelligenzloser Weise ver-knpfte, so wrde die erste Seite der Alternative aus-reichend sein und als die einfachere Annahme denVorzug verdienen. Da aber bis zu einem gewissenGrade das Walten einer productiven Phantasie undeiner ordnenden Intelligenz in diesen Produktionen un-verkennbar ist, so wird man sich fr das Zusammen-bestehen zweier Bewusstseine in verschiedenen Hirn-theilen entscheiden mssen. Diese Erscheinung werdenwir also zwar Sonnambulismus nennen mssen, aberlarvirten, d. h. fr den Draussenstehenden durchdie Fortdauer des wachen Bewusstseins verhllten, ver-schleierten und unkenntlich gemachten Sonnambulismus.Dieser larvirte Sonnambulismus ist als ein Uebergangs-zustand zwischen der Alleinherrschaft des wachenBewusstseins und derjenigen des sonnambulen Bewusst-seins zu betrachten, und kann die verschiedenstenGrade in dem Helligkeitsverhltniss beider Bewusst-seine durchlaufen; von dem ersten Auftauchen dessonnambulen Bewusstseins ber die Schwelle, bei wel-chem das wache Bewusstsein noch gar nicht alterirtscheint, fhrt diese Stufenfolge durch halbtrumerischeZustnde von gestrter Besonnenheit und Zurechnungs-fhigkeit (wie sie beim zweiten Gesicht vorkommen)bis zum vollen Erlschen der Empfindung des wachenBewusstseins hindurch. *)Was wir bisher mit Carpenter unconscious cere-bration nannten, knnen wir also ebenso gut sonnam-

    *) Dieser larvirte Sonnambulismus spielt auch bei Sehern und Mysti-kern eine noch nicht genug beachtete und erforschte Rolle. Je mehr dieVirtuositt des zweiten Gesichtes oder der mystischen Intuition sich aus-bildet, desto mehr schwindet die zuerst bestehende Nothwendigkeit, dassdas normale Bewusstsein erlsche, damit der ekstatische Zustand eintretenknne, und von einem gewissen Grade der Virtuositt an beherrschen dieSeher und Mystiker den Eintritt des ekstatischen Schauens derart, dass ermit dem normalen Bewusstsein zugleich und in Wechselwirkung besteht.Bei Andrew Jackson Davis z. B. sind die Perioden des offnen und larvirtenSonnambulismus als aufeinander folgende Abschnitte seiner Laufbahn zuverfolgen.

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    bule Bewusstseinsthtigkeit nennen, und behaupten,dass die unwillkrlichen Muskelbewegungen der Medien,insoweit sie durch ihre Ergebnisse eine mitwirkendeIntelligenz verrathen, durch sonnambule Bewusstseins-thtigkeit verursacht und geleitet sind, sei es, dassdieses sonnambule Bewusstsein durch Erlschen deswachen Bewusstseins fr die Draussenstehenden zuTage trete, sei es, dass es durch Fortbestand des wachenBewusstseins larvirt sei. Unter einem Medium werdenwir ein Individuum zu verstehen haben, welches vonselbst durch zufllige oder durch selbstgesetzte psychischeErregungen in offenkundigen oder larvirten Sonnam-bulismus verfllt. In offenkundigen Sonnambulismuspflegen die Medien zu verfallen: erstens beim unwill-krlichen Sprechen, zweitens zur Produktion vonphysikalischen Erscheinungen, welche eine ganz beson-dere Anspannung von Nervenkraft erfordern, unddrittens zur Einpflanzung von Hallucinationen in dieAnwesenden, wozu eine besondere Intensitt derHallucinationen in den Medien selbst Vorbedingung zusein scheint. Die meisten der brigen Erscheinungenvollziehen sich im Zustande eines larvirten Sonnam-bulismus, und grade dieser Zustand ist es, der sowohldie unkundigen Zuschauer, wie auch die Medien selbstber die Ursachen der Erscheinungen am allerleichte-sten in Tuschungen wiegt. Darum ist das Verstnd-niss des larvirten Sonnambulismus der Schlssel zumganzen Gebiete der mediumistischen Erscheinungen.

    Charakteristisch fr die Medien ist ferner, dass sieAutosonnambule sind, d. h. dass sie ohne den Einflusseines Magnetiseurs und ohne Benutzung mechanischerHilfsmittel, also unter blosser Anwendung psychischerHilfen, sich in den (gleichviel ob larvirten oder offen-kundigen) Sonnambulismus versetzen. Diese Selbstver-setzung in Sonnambulismus zur verlangten Zeit ist esgrade, welche betrchtliche Uebung erfordert , ehe siemit einiger Sicherheit auf den Wunsch fremder Leutezu Gebote steht, und sie ist es auch, die am leichtestenversagt und Fehlsitzungen herbeifhrt. Die Unter-suchungen Fahnestocks haben gezeigt, dass in jedemMenschen die Fhigkeit schlummert, sich durch blosspsychische Hilfsmittel willkrlich in Autosonnambulis-

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    mus zu versetzen , und dass viele Menschen durchUebung dahin gelangen knnen , diesen Uebergang zujeder Zeit ziemlich schnell zu bewirken. Sie habenferner gezeigt, dass man sich aus diesem Zustande durchblosse Willenskraft willkrlich aufwecken kann, dassman aber auch die Aufweckung willkrlich nur frgewisse Krpertheile (z. B. bloss den Kopf, oder blossden Oberkrper, oder bloss den Kopf und eine Krper-hlfte) vollziehen kann, ja sogar dass man den ganzenKrper mit Ausnahme eines einzigen Gliedes aus demsonnambulen Zustand erwecken kann.*)Die Wirkung ist in solchem Falle die, dass daswache Bewusstsein wieder funktionirt und sein be-wusster Wille die Herrschaft ber die erwecktenKrpertheile wieder antritt, dass aber die noch nichterweckten Krpertheile der Herrschaft des bewusstenWillens nach wie vor entrckt und ausschliesslich derHerrschaft des sonnambulen Bewusstseins unterworfenbleiben, whrend sie bei dem Mangel jeglichen Im-pulses aus den sonnambulen Hirntheilen kataleptischerscheinen. Diese merkwrdige Erscheinung des lokal-beschrnkten oder lokalaufgehobenen Hynotismus findetin den neuesten franzsischen Forschungen ber denSonnambulismus ihre Besttigung. Die Uebung fhrtnach Fahnestock endlich dahin, dass man einzelneKrpertheile direkt dem bewussten Willen und derbewussten Empfindung entrcken und in einen an sichkataleptischen, thatschlich aber fr jeden Innervations-impuls des sonnambulen Bewusstseins empfnglichenund willfhrigen Zustand versetzen kann, In diesemZustand, der sich durch Abnahme der Hauttemperaturdes betreffenden Gliedes erkennbar macht, hrt jedeKonkurrenz zwischen den Innervationsimpulsen dersonnambulen Hirntheile und den Reflexhemmungenund Willkrakten des wachen Bewusstseins auf, sodass das betreffende Glied allein und ausschliesslichden sonnambulen Impulsen dienstbar ist.

    Dieser Zustand lokaler Katalepsie fr das wache*) Statuvolence oder der gewollte Zustand von Dr. med. Wm. Baker

    Fahnestock, deutsch von Wittig (Leipzig bei Mutze 1883). Psych. Stud.X, S. 115 120, 169, 173, 204.

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    34 thtigkeit und die noch unerforschten Krfte des Orga-nismus gelangt, davon wissen wir noch ebenso wenig,als wie der bewusste Wille es anfngt, zur Herrschaftber die willkrlichen Muskelbewegungen und denthierischen Magnetismus zu gelangen. Sicher ist, dassauch hier die Uebung einen grossen Einiluss hat, dassaber auch andrerseits bei vllig ungebten Medienganz unwillkrlich die berraschendsten Erscheinungeneintreten knnen, bei welchen die Medien selbst garkeinen Zusammenhang mit ihrer Person ahnen.

    Ein universelles Medium muss mehr sein als einAutosonnambuler, es muss zugleich ein krftigerMagnetiseur sein. Es giebt starke Magnetiseure , dieselbst keine Anlage zum Sonnambulismus haben, solcheheissen dann nicht Medien, weil ihr sonnambules Be-wusstsein von ihrem bewussten Willen niemals so weitbefreit wird, dass es zur Produktion mediumistischerLeistungen gelangt. Ihre Wirkungen beschrnkten sichdann darauf, andere Personen lokal oder total zumagnetisiren und im letzteren Falle sonnambul zumachen; aber es ist die Frage, ob man nicht auchihren bewussten Willen dazu erziehen knnte, ihremagnetische Kraft auf andere als lebende Objekte zurichten, und ob es nicht auf diese Weise gelingenwrde, wenigstens einen Theil der mediumistischenErscheinungen mit bewusstem Willen hervorzubringen.Dabei kann es sich natrlich nicht um die bisher be-sprochenen Wirkungen unwillkrlicher Muskelthtigkeithandeln, sondern um ein anderes Gebiet physikalischerErscheinungen, deren Versuchsbedingungen so ein-gerichtet sein mssen, dass die Mitwirkung unwill-krlicher Muskelthtigkeit zweifellos ausgeschlossenbleibt.Als das Grundphnomen dieses Gebietes betrachteich folgendes. Aus zwei Kugeln von Lindenholz vonje 7 cm Durchmesser, einem dnnen Stbchen von30 cm Lnge und einem Pferdehaar konstruirte sichDr. R. Friese in Breslau eine horizontale Drehwaage.Nhert ein Medium von krftiger physikalischerWirkungsfhigkeit die Fingerspitzen einer Hand einerder beiden Kugeln, so findet eine, allerdinds ausser-ordentlich geringe Abstossung statt. Hat jedoch das

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    OD Medium die betreffende Kugel vorher eine Minute mitder Hand umschlossen oder auch nur angehaucht, sofindet zwischen der Hand und der Kugel nunmehreine Anziehung statt, die viel krftiger ist als vorherdie Abstossung, so dass es leicht ist, die Kugel lang-sam im Kreise herumzuziehen (Ps. St. VIII, 381). DieseVersuche mssten zunchst von Anderen wiederholtund erweitert werden, insbesondere das Verhaltenzweier in der Hand gehaltenen Kugeln von verschie-denen Drehwaagen gegen einander beobachtet werden.Die Versuche sind nur so zu deuten, dass die Handdes Mediums mit einer Kraft geladen ist, welche aufdie neutrale, d. h. ungeladene Holzkugel abstossendwirkt, auf die gleichnamig geladene aber in weithherem Grade anziehend. Dieses Verhalten ist analogaber umgekehrt wie bei der Reibungselektricitt unddem Magnetismus.Die Verwandtschaft der fraglichen Kraft mit derReibungselektricitt zeigt sich unter andern auch inder Abhngigkeit beider von dem Feuchtigkeitsgehaltder Luft und in der von Reichenbach, Fechner, *) Zllnerund vielen andern konstatirten Fhigkeit der Medienzur strmischen Beunruhigung der eingeschlossenenMagnetnadel ohne Berhrung. Ein Magnetiseur besitztdie Fhigkeit, einen Menschen derart zu laden, dasszwischen ihm und dem metallenen Bettgestell, von demer durch eine wollene Decke isolirt ist, bei zuflligerAnnherung eines Krpertheiles krftige Funken ent-ladung stattfindet; diess habe ich an mir selbst untervorsichtiger Prfung des Magnetiseurs und seiner Um-gebung konstatirt,**) und lasse dahin gestellt, ob essich dabei um explosive Ausgleichungen der mediumi-stischen Nervenkraft selbst, oder um vorherige Um-wandlung dieser Kraft in Elektricitt handelt. Elek-trisches Knistern ist eine der gewhnlichsten undhufigsten Erscheinungen bei mediumistischen Sitzungen.Die nchste Aufgabe des Experiments msste sein, das

    *) Erinnerungen an die letzten Tage der Odlehre und ihres Ur-hebers (Leipzig bei Breitkopf & Hrtel, 1876).

    **) Phil. d. Unb. 1. Aufl., S. 132 133; 9. Aufl., Bd. I, S. 151bis 152.

    3*

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    - 36 Verhalten der fraglichen Kraft erstens zu den Polenfrei aufgehngter grosser Stabmagneten, zweitens zudem Elektroskop, drittens zu den freischwebenden be-weglichen Drhten, die von galvanischen Strmen durch-flssen sind, und viertens zur Stromstrke galvanischerStrme in festen Leitungen zu untersuchen, und es istgradezu unbegreiflich und das schlimmste Zeichen frdie wissenschaftlichen Interessen der Spiritisten, dassnoch niemand auch nur den Versuch gemacht hat, diesenFragen nher zu treten.

    Eine grosse Zahl der mediumistischen Erscheinungenbeschrnkt sich auf das Hinrutschen der Gegenstndezum Medium. Das Abgestossenwerden der Objektesoll auch vorkommen, aber viel seltener sein. Cox sahdas erstere niemals, das letztere sehr hufig und hates recht anschaulich beschrieben. Er vergleicht dieBewegungsart der Objekte mit derjenigen von Stahl-stcken, die auf einer Ebene von einem Magneten an-gezogen werden: Zuerst erheben sie sich ein wenig,fallen nieder, bewegen sich vorwrts, halten an, bis siesich innerhalb des Einflusses der magnetischen Kraftbefinden, und dann hpfen sie zum Magneten (resp.Medium) mit einem pltzlichen Sprung (Ps. St. X,127 128). Sthle sah er in dieser Weise von 6 bis10 Fuss Entfernung auf das Medium zurutschen, Arm-sthle und Sophas 23 Fuss fortrcken; einmal saher einen 14 Fuss entfernten schweren Armstuhl an dasMedium herankommen. Je krftiger ein Medium ist,desto grsser ist die Sphre seiner Wirksamkeit, aberimmer ist sie begrenzt, und die zu berwindendenSchwierigkeiten sind nicht proportional der Grsse,sondern dem Gewicht den Gegenstnde. Die Frage istdabei, wie das Medium es anfngt, einen bestimmtenentfernten Gegenstand mit seiner Kraft zu laden; wel-che Wege schlgt die Kraftbertragung ein und mitwelchen Mitteln wird sie geleitet? Auch hier knntenExperimente (Isolirung des Mediums vom Fussboden,Zwischenstellung verschiedener Stoffe zwischen Me-dium und anzuziehendes Objekt u. s. w.) Aufschlussgeben.Dass es sich hierbei weder um Muskelthtigkeitnoch um unmittelbare geistige Einwirkung des Mediums

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    auf die materiellen Objekte handeln kann, sondern nurum eine physikalische Kraft, welche unter psychischerAnregung durch das Nervensystem des Mediumsproducirt wird, ist klar. Es scheint deshalb unver-stndlich, warum Cox dieser Kraft die irreleitendeBenennung psychische Kraft statt Nervenkraftgegeben hat, da er selbst sie ausdrcklich fr einephysikalische (also nicht psychische Kraft) erklrt, dieer durch die Bezeichnung psychische Kraft nur vonder Muskelkraft unterscheiden wolle (Ps. St. X.213214).Einen weitergehenden Einfiuss als blosse Abstossungund Anziehung zwischen Medium und Objekten zeigt dieNervenkraft des Mediums, indem sie das dynamischeVerhltniss zwischen den Objekten und der Erde ver-ndert. Wie vorher die Drehwaage , hat hier dieWaage das Grundphnomen zu konstatiren, und hatsich dabei Crookes und die meisten anderen Experi-mentatoren der Federwaage bedient. Es ist die Frage,ob nicht fr freie Versuche die Schaalenwaage oderHebelwaage den Vorzug verdiente, um zunchst fest-zustellen , ob und in welchem Maasse kleinere Holz-kugeln durch Laden mit mediumistischer Nervenkraftihr Gewicht verndern knnen. Sehr empfehlenswerthist es, bei allen Versuchen, wie Crookes es gethan hat,selbstregistrirende Apparate an denWaagen anzubringen,weil nur die bleibende mechanische Aufzeichnung desApparates selbst gegen den Verdacht sicher stellt, dassder Ablesende unter dem Einfiuss einer ihm vom Me-dium eingepflanzten Hallucination gestanden habe.Um den Einfluss unwillkrlicher Muskelthtigkeit aus-zuschliessen, hat Crookes zwei ineinandertauchendeWassergefsse ber dem festen Drehpunkt des Brettesangebracht, dessen Ende von der Federwaage getragenwurde, und hat das Medium seine Hand in das Wasserdes obersten, festen Gefsses tauchen lassen.*) Andrehaben einen Tisch an der Drehwaage aufgehngt unddie Hnde des oder der Medien, welche auf umgedrehtenvSthlen knieen mussten, in einiger Entfernung vom Tischhalten lassen. So sah Cox das Gewicht eines 8 Pfd.

    ) Crookes: Der Spiritualismus und die Wissenschaft. S. S699.

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    39 Weise von dem zwei Jahre nach seinem Tode heiliggesprochenen Joseph von Copertino berichtet, der sogarzweimal eine andre Person mit in die Hhe genommenhaben soll (Ps. St. IV, 241 fg.). Unter allen Umstndenscheint das Emporsteigen des Mediums von einem vlligsonnambulen Zustande desselben bedingt zu sein; dadieser aber auch zur Uebertragung von Hallucinationenauf die Zuschauer der geeignetste ist, und das Empor-fliegen des Mediums meist erst nach mehreren Sitzungenmit demselben Cirkel und dann erst am Schlsse derSitzung einzutreten pflegt, wo auch die Anwesendenfr Hallucinationseinpflanzung empfnglicher gewordensind, so bedarf es hier ganz besonders einer Beglaubi-gung der objektiven Realitt der Beobachtung durchbleibende Merkzeichen. *)Die fraglichen Erscheinungen sind nur durch einePolaritt der Nervenkraft nach Analogie der Reibungs-elektricitt erklrbar. Handelte es sich nur um eineder Gravitation entgegenwirkendeAbstossung geladenerKrper gegen die Erde, so knnte man mit einer ein-fachen Kraft auskommen; da aber die dynamischenBeziehungen der mit Nervenkraft geladenen Krperzur Erde bald gleichgerichtet mit der Gravitation, baldderselben entgegengesetzt sind, so scheint eine doppelteArt der Ladung angenommen werden zu mssen, wel-che von dem sonnambulen Willen des Mediums abhngt.Man wird den Rckschluss machen drfen, dass auchbei der Anziehung und Abstossung der Objekte durchdas Medium eine doppelte Art der Ladung anzunehmenist, da die Abstossung des Mediums gegen alle neu-tralen Krper die gleiche sein msste. Die Erklrungdurch eine polarische Kraft ist schon von den altenIndern aufgestellt worden, welche behaupten, dass dieAufhebung der Schwerkraft und ihre Umwandlung ineine Steigkraft durch eine Umkehrung der Polarittdes Krpers zu Stande komme. Man wird hierbeidaran erinnern drfen, dass Zllner versucht hat, dieallgemeine Gravitation aus statischen Wirkungen der

    r'') Einem Somnambulen die Hallucination zu erwecken, dass derMagnetiseur im Zimmer herumfliege, ist ganz leicht (Psych. Stud. III,.536537)-

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    4Q Elektricitt zu erklren*) und dassbei aller Verschieden-heit der verschiedenen Naturkrfte dieselben dochzweifellos nur Ableitungen aus den gleichen Urkrftensind. Liesse man Zllners Ansicht gelten und dchteman sich, dass die Nervenkraft den statisch- elektrischenZustand des Krpers , von welchem seine Gravitationabhngt, vernderte, so htte man es in der That miteiner Kraft zu thun, welche nicht bloss die Wirkungder Schwerkraft aufhbe oder berwge, sondern dieSchwerkraft selbst vergrsserte , verkleinerte, odernegativ machte, ohne dass darum von einer Aufhebungoder Durchbrechung von Naturgesetzen die Rede seinknnte.Die fliegenden Gegenstnde verhalten sich nachCox hnlich wie ein kleiner Luftballon, d. h. sie ver-ndern niemals pltzlich ihre Schwere, sondern allmh-lich, steigen sanft und ohne Stsse auf, und kommenebenso zur Erde zurck, zeigen aber fortwhrend leichtependelartige Schwankungen. Tische mit brennendenPetroleumlampen haben noch niemals Schaden ange-richtet, wenn sie sich erhoben, weil die Sanftheit derBewegung und die Langsamkeit und geringe Ausschlags-weise der Pendelschwingungen keinen Anlass zum Um-strzen der Lampen geben. Ausser den Pendelschwing-ungen zeigen die schwebenden Objekte aber nochzitternde Bewegungen, welche aus den automatischenCurven der Crookesschen Versuche am deutlichsten er-sichtlich sind, und welche mit den gleichzeitigen Puls-kurven des Mediums, wie der Sphygmograph sie ergebenwrde, in unverkennbarem Zusammenhange stehen.Diess ist der deutlichste Beweis, dass die Kraft wirk-lich vom Medium und nur von diesem ausgeht. Allemediumistischen Erscheinungen sind ausserdem nichtkonstant, sondern schwanken bestndig in unregelmssi-gen Wellen, welche den Innervationswellen entsprechen,die vom Mittelhirn des Mediums in seinen Organismus.ausstrmen.

    *) Zllner: Erklrung der universellen Gravitation aus den stati-schen Wirkungen der Elektricitt uud die allgemeine Bedeutung desWeberschen Gesetzes (Leipzig bei Staackmann 1882). Vgl. dessen.Wissenschaftliche Abhandlungen , Bd. I, No. 3.

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    4i Die Leistungen eines Mediums pflegen strker zuwerden, wenn dasselbe nicht allein ist, sondern in einem

    kleineren Kreise von Personen gemischten Geschlechts.Es scheint als ob ein Medium die Fhigkeit bessse,auf die Anwesenden mehr oder minder in dem Sinneeinzuwirken, dass es dieselben auch zu Medien macht,d. h. sie veranlasst, unbewusster Weise Nervenkraft zuentwickeln, und dass das Medium weiterhin im Standeist, auf die Art und Weise der Vertheilung und Ver-wendung der von allen Anwesenden zusammen ent-wickelten Nervenkraft bestimmend einzuwirken. Es be-darf einer Dauer von mehreren Minuten bis zu mehrerenViertelstunden, ehe die Ladung des Sitzungsraumes unddes Mediums dasjenige Maximum erlangt hat, welcheszur Hervorbringung von ungewhnlichen Kraftleistungenerforderlich ist. Die Kraftproduktionen fallen deshalbmeistens an den Schluss der Sitzungen, oder wenigstensin deren letzte Hlfte, und sie fallen desto intensiveraus, je mehr Medien, d. h. Nervenkraft entwickelndePersonen, unter den Anwesenden sind, auf deren un-bewusste Mitwirkung das Hauptmedium sich sttzenkann. Fr schwchere Medien ist deshalb ein Cirkelgeradezu unentbehrlich, und nur starke Medien ver-mgen auch allein bedeutende Wirkungen hervorzubrin-gen; diess ist bei Experimenten mit ungebten odermassig veranlagten Medien wohl zu bercksichtigen.

    Aus der Verbindung der anziehenden und abstossen-den Wirkung mit der leichter und schwerer machen-den Wirkung in denselben Objekten ergeben sich schondie mannigfachsten Erscheinungen. Die schwebendenObjekte brauchen nicht mehr zum Medium hin odervon ihm fortzurutschen, sondern fliegen zu ihm hin undvon ihm fort. Dasselbe Objekt (etwa ein kleiner Tisch)kann beispielsweise am Boden entlang vom Mediumfortrutschen, im fernsten Winkel des Zimmers sich er-heben und dann schrg auf den Sitzungstisch herab-schweben oder strzen. Wasser erhebt sich ungesehenaus einer seitwrts stehenden Kanne und fllt als Sprh-regen auf die Anwesenden herab. Immer und immerwieder ereignet es sich, dass in einem Hause zu ge-wissen Stunden Tage oder Wochen lang die Klingelnluten, und trotz aller Befestigung und Umwickelung

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    4^ fortluten oder heruntergerissen werden*), oder dassein Grundstck mit Steinen, Kohlenstcken oder son-stigen herumliegenden Gegenstnden frmlich bombar-dirt wird, ohne dass die polizeilich und privatim aus-gestellten Beobachtungs-Posten dem Urheber des Unfugsauf die Spur.kommen knnen.**) Meist stellt sich dannein Dienstmdchen, oder ein hysterisches Frauenzimmer,oder ein Kind in den Entwickelungsjahren als diejenigePerson heraus, von deren Anwesenheit im Grundstckdie Erscheinung bedingt ist und in deren Nhe dieWurfstcke niederfallen. Die Behrden und Privatenhaben aber von solchem Zusammenhang in der Regelkeine Ahnung, und glauben eher an Gespensterspuk,als daran, dass ein Medium diesen Unfug unbewusstverbt.Erwgt man, dass die verschiedenen Gegenstndeim Sitzungszimmer und die verschiedenen Anwesendenin verschiedenem Grade geladen sind, theils durch dievom Medium bestimmte Vertheilung der verfgbarenGesammtkraft , theils durch aktive Mitwirkung, so be-greift es sich, dass die leichteren Gegenstnde, zumalwenn sie ins Schweben gekommen sind, gleichzeitigdem Einfluss der verschiedensten Anziehungen und Ab-stossungen unterworfen sind und Bahnen von krauserVerschlingung zurcklegen. Dirigirt das Medium einenGegenstand durch Abstossung in die Richtung, wo dieAnziehungssphre eines geladenen Anwesenden ber-wiegt, so rutscht oder schwebt der Gegenstand zudiesem hin, bis er zu dem am meisten geladenen Kr-pertheil desselben, etwa einer Hand, gelangt. So er-klrt sich z. B. das von Hellenbach beobachtete Em-porkriechen einer Schiefertafel an seinem Bein bis zumOberkrper und der Hand.Die mediumistische Nervenkraft kann sich fernermit den Wirkungen der unwillkrlichen Muskelthtig-keit auf die mannigfachste Weise verbinden. BeiSitzungen um einen Tisch pflegt zunchst die letztere

    *) Owen, Das streitige Land , I, 46 56.**) Wallace, Eine Vertheidigung des modernen Spiritualismus , deutschvon Wittig (Leipzig, Mutze 1875) S. 115 1 18; Ps. St. VII, 237, 562;VIII, 5, 81 108, 188, 238, 471; IX, 615, 3940, 9496.

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    43 sich zu entfalten und erst allmhlich nimmt die Ladungmit Nervenkraft so weit zu, dass diese allein aus-reicht; zuerst also bewegen sich die Gegenstnde nur,wenn die Anwesenden dieselben berhren, spter auchohne Berhrung.Die Wirkungen der mediumistischen Nervenkraftsind brigens mit den angegebenen Erscheinungsformennicht erschpft. Besonders b