eGov Präsenz 1/2015

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Finanzierung & Steuerung «Ich glaube, alle müssen sich bemühen, dass sie den E-Government-Nutzerinnen und -Nutzern das Gefühl geben, dass sie durch die Technologie nicht die Herrschaſt über sich verlieren, sondern einen besse- ren Service bekommen.» ‣ S. 10 3. bis 6. März 2015 / BERNEXPO Agile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig, bürgerfokussiert Veranstaltungsvorschau ‣ S. 28 eGov Präsenz Fachzeitschriſt des E-Government-Instituts 1 | 2015

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Finanzierung & Steuerung

«Ich glaube, alle müssen sich bemühen, dass sie den E-Government-Nutzerinnen und -Nutzern das Gefühl geben, dass sie durch die Technologie nicht die Herrschaft über sich verlieren, sondern einen besse-ren Service bekommen.» ‣ S. 10

3. bis 6. März 2015 / BERNEXPOAgile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig, bürgerfokussiertVeranstaltungsvorschau ‣ S. 28

eGov PräsenzFachzeitschrift des E-Government-Instituts 1 | 2015

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swiss made softwarepublic innovationFakten, Firmen, Projekte, Interviews

100 Seitenals Buch und eBookab Februar 2015Print 39 CHF / eBook 24.90 CHFwww.swissmadesoftware.org

Was ist eigentlich Innovation, und soll der Staat diese nur fördern oder

auch selbst betreiben? swiss made software hat nach Antworten

gesucht und eine Reihe unterschiedlicher Modelle von den USA bis

Skandinavien recherchiert. Lernen Sie innovative IT-Projekte aus

dem behördlichen Umfeld der Schweiz kennen und lesen Sie, was be-

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1 Leitartikel

Fitness, oder schlechtere und bessere Instrumente Ziel von E-Government ist, dass die öf-

fentliche Verwaltung kostengünstiger, ef-fektiver und qualitativ besser wird. Doch ausgerechnet dafür gibt es von Regierung und Parlament in der Schweiz sehr wenig Geld. Die Politik ist extrem sparsam, wenn es um E-Government-Investitionen geht, die langfristig die Kosten senken, den Nutzen steigern und das Vertrauen ins Staatswesen stärken. Das widerspricht der natürlichen Erwartung. Muss es nicht im Interesse der Politik sein, mehr Leistung für weniger Steu-ergeld zu bekommen? Muss es nicht in ihrem Interesse sein, langfristig zu sparen? Und muss es nicht erst recht in ihrem Interesse sein, das Vertrauen in den Staat zu stärken?

Meist wird hier als Antwort gegeben, E-Government helfe keinem, gewählt zu werden, und das sei das primäre Ziel von Politikerinnen und Politikern. Diese müss-ten nicht erfolgreich sein, sondern eben nur wiedergewählt werden, soll sogar einmal ein Bundesrat gesagt haben. Tatsächlich weckt E-Government keine grossen Emotionen und ist ausserdem ideologiefrei, was beides die politische Vermittelbarkeit verringert. Doch das ist bei Weitem nicht die ganze Wahrheit.

Zum Ersten: E-Government weckt deshalb keine Emotionen, weil es dabei nicht um das grundsätzliche Verteidigen von Rechten, sondern um deren praktische Umsetzung geht, und auch das nur auf Administrationsebene. Tatsächlich scheint es keine emotiona-le Angelegenheit zu sein. Dabei geht aber vergessen, dass eine schlechte Informationsadministration Menschenleben kosten kann, beispielsweise wenn eine Operation erst dann genehmigt wird, wenn die Patientin tot ist. Das ist leider kein theoretisches Beispiel, auch kein aussereuropäisches, nicht einmal ein sehr seltenes, hof-fentlich aber keines, das in Zukunft wieder vorkommen wird. Doch auch unter wenigen extremen Umständen kann eine mangelhaft e Informationsverarbeitung dazu führen, dass sozial kritische Fehl-entscheide getroff en werden, die entweder Einzelne zu Opfern machen oder umgekehrt die öff entliche Verwaltung als Ganzes diskreditieren. So oder so: Selbst wenn E-Government nicht von sich aus grosse Emotionen verursacht, dient es doch vor allem der Leidenschaft , im Staatswesen gute Arbeit für die Gesellschaft zu leisten. Und es gibt viele Beispiele dafür, dass das eine sehr grosse Leidenschaft sein kann, die schier Unmögliches möglich macht. Allen, die das für eine leere Behauptung halten, empfehle ich, sich imaginär in frühere Zeiten zu versetzen. Würden Sie lieber in der guten alten Zeit leben – mit wesentlich höheren Mordraten in den Städten, Unfreiheit und Räubern auf dem Land sowie mit Zollschran-ken ohne Zahl für die Reisenden?

Zum Zweiten: Richtig ist, dass E-Government die Kosten senkt und die Qualität steigert, unabhängig davon, wie viel Staat man will. Deshalb lässt sich damit kaum ein ideologischer Wahlkampf

führen. Aber wieso wird die Forderung «Weniger Staat!» stets auf die Leistungen bezogen statt auf die Kosten? Es wäre doch sinnvol-ler, weniger Staatskosten bei gleichbleibender Leistung zu fordern, statt weniger staatliche Leistungen bei gleichbleibenden Kosten. Oder etwas seriöser formuliert: Warum beim Sparen nicht zuerst jene Kosten reduzieren, die gar keinen Nutzen schaff en? Warum nicht, operative Exzellenz anstreben? In seinem legendären Beitrag «Really Reinventing Government» hat Peter Drucker einst das Pri-mat der Pragmatik so formuliert: Alle Verwaltungseinheiten, die hervorragend arbeiten, sollen mehr Geld bekommen. Alle Verwal-tungseinheiten, die seit Jahren schlechte Arbeit leisten, sollen kom-promisslos geschlossen werden. Und mit denen, deren Leistung dazwischen liegt, soll man ein Experiment auf Zeit machen, um sie dann entweder der ersten oder der zweiten Gruppe zuzuordnen. Einzige Ausnahme: heilige Kühe. Das ist so einfach, dass man es auch in Wahlveranstaltungen bringen könnte.

Aber abgesehen davon, dass es durchaus möglich wäre, E-Government im Wahlkampf zu thematisieren, halte ich die Reduk-tion des Handelns von Politikerinnen und Politikern auf Wahlpro-paganda für grundfalsch (und unziemlich). Die Reduktion des Handelns von Menschen auf extrinsische Anreize ist mir generell suspekt. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Politikerinnen und Politiker vor allem eines will: gute Arbeit leisten! Wenn sie dem E-Government die fi nanzielle Unterstützung verweigern, so deshalb, weil sie es als weniger wertvoll als andere staatliche Investitionen ansehen – und weil sie die damit verbundenen mittelfristigen Ein-sparungen gar nicht sehen. Oder weil sie zwar die Einsparungsmög-lichkeiten und den Zusatznutzen von E-Government sehen, aber den E-Government-Verantwortlichen nicht zutrauen, die Projekte erfolgreich auszuführen.

Was auch immer der konkrete Grund ist, die Mehrheit der Politi-kerinnen und Politiker glaubt den Nutzenversprechungen der E-Gov-ernment-Promotoren nicht und spricht deshalb nur sehr wenig Geld. Und seien wir ehrlich: Die Mehrheit der E-Government-Promotoren glaubt selber nicht, dass sie benennbaren und belegbaren Nutzen schaff en. Sonst würden sie diesen glasklar benennen und in PR-Kam-pagnen unters Volk bringen. Das tun sie in den seltensten Fällen. Vielen geht es vermutlich gar nicht um den Nutzen, sondern um die Sache an sich. Das ist aus disziplinärer Logik gut nachvollziehbar, aber für die Sache selber nicht sehr hilfreich. E-Government ist weder Grundrecht noch höherer Auft rag. Es ist nur nützlich – oder es ist gar nicht(s). Und sehr oft ist es in der Wahrnehmung der Politikerinnen und Politiker eben gar nichts, das heisst Steuergeldverschwendung.

Die Empirie bestätigt die Vernunft dieser Haltung in der Politik sogar. Zwar gibt es viele Projekte, die nützlich sind, auch wenn die Verantwortlichen den Nutzen nicht darstellen können. Aber die Nachvollziehbarkeit eines Projektnutzens steigert diesen. Denn der Nutzen eines Vorhabens ist keine Konstante, sondern hängt von der Qualität der Durchführung ab. Und diese Qualität variiert stark in Abhängigkeit davon, ob Klarheit über den Nutzen herrscht oder nicht. Wenn die Politik die Darlegung des Nutzens fordert und die-se auch noch auf die sachliche Richtigkeit überprüft , handelt sie also nicht unvernünft ig. Wie aber sollen die E-Government-Verant-wortlichen in dieser Situation mit der Geringfi nanzierung umgehen?

Prof. Dr. Reinhard RiedlHerausgeber «eGov Präsenz»Wissenschaft licher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschulereinhard.riedl@bfh .ch

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2Leitartikel

Sehr beliebt im Schweizer E-Government ist derzeit die magische Zauberlösung «Geschäftsmodelle erfinden». Methodisch sauber erarbeitete Geschäftsmodelle sollen in Zukunft den Fortschritt des E-Governments finanzieren helfen, so die Hoffnung. Entsprechen-de Aufträge werden gern an die Privatwirtschaft gegeben, die die gewünschten Texte liefert. Doch leider folgt dann meist die grosse Überraschung: Texte produzieren keine Ressourcen. Im Gegenteil: In geschäftsmodellbefallenen Grossprojekten geht oft plötzlich gar nichts mehr vorwärts – und das ist kein Zufall.

Denn dem unternehmerischen Denken, das es eigentlich bräuch-te, sind Geschäftsmodelle fremd. Wenn überhaupt, so existieren sie rudimentär in den Köpfen von kreativen Unternehmern und werden nur dann ausgearbeitet, wenn es gilt, Investoren zu überzeugen. Ansonsten werden Geschäftsmodelle primär in etablierten Unter-nehmen mit einer mächtigen Hierarchie verwendet. Das hat Vor-teile: Innovatoren im Unternehmen müssen sich über die Nutz-barkeit ihrer Ideen Gedanken machen, und das erhöht die Erfolgschancen ihrer Projekte (siehe oben). Aber es hat auch Nach-teile: Mit Geschäftsmodellen geht oft die Fixierung auf Return-on-In-vestment-Kalkulationen einher (maximal 18 Monate ist keine Sel-tenheit), und viele vielversprechende Innovationen werden frühzeitig abgewürgt. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum sich Grosskonzerne oft schwertun, sich gegen kleinere dynamische-re Unternehmen zu behaupten, obwohl sie in ihrem operativen Geschäft in der Regel viel effizienter sind als die kleineren Konkur-renten.

Dazu kommt, dass es bekannterweise ziemlich riskant ist, inno-vative Geschäftsmodelle extern einzukaufen – vor allem dann, wenn man Ideen kauft und sie dann ohne die Erfinder geradlinig umsetzt. Gerade bei Innovationen setzt Erfolg Herzblut der Hauptverantwort-lichen und ein unterstützendes Netzwerk voraus, das an die Inno-vation glaubt. Wenn man dagegen weitgehende Innovationen über die Hierarchie durchsetzt, die sie nicht erfunden hat, ist das Risiko zu scheitern hoch.

Unterm Strich sind Geschäftsmodelle als Qualitätssteigerungs-werkzeug für E-Government-Vorhaben also sehr nützlich, sollten aber von den Projektgestaltern selber entwickelt und zusammen mit den Stakeholdern validiert werden – allenfalls unter erfahrener externer Anleitung. Als Lösung für Finanzierungsprobleme hinge-gen hat die aktuelle Geschäftsmodellmode mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Bürokratisierung ist der Tod des unternehmerischen Handelns, auch dann, wenn staatliche Projektträger unterneh-merisch handeln. Viel nützlicher ist es, wenn der Staat einen anderweitigen Paradigmenwechsel vollzieht – nicht hin zum Un-ternehmer, sondern hin zum Coach. Das heisst, Verwaltungsmitar-beitende sollten die Entwicklung privatwirtschaftlicher Dienste für E-Government coachen, beispielsweise im Bereich IAM-Infrastruk-tur. Ihr Vorteil dabei ist, dass sie keine eigenen Geschäftsinteressen verfolgen und deshalb den Nutzen für alle ohne Einschränkungen anstreben können.

In welcher Rolle auch immer sich die Verwaltung sieht: Statt weiter auf Magic-in-the-Business-Model-Box zu setzen, wäre es viel sinnvoller, die Kommunikation des Nutzens von E-Government-Pro-jekten zu verbessern und dabei den Souverän und seine politischen Repräsentanten vor allen anderen zu adressieren. Wir sollten lernen, den Wert von E-Government-Lösungen für Politikerinnen und Po-litiker gut nachvollziehbar darzustellen. Das setzt voraus, dass wir

uns von der Fokussierung aufs Finanzielle und auf positiven Nutzen lösen. Neben volkswirtschaftlichem Wachstum sind auch Werte wie hohe Lebensqualität, Fairness und soziale Sicherheit politisch relevant. Und neben Profiteuren gibt es bei den meisten Projekten auch Gruppen, die Nachteile erleiden. Der Einbezug von all dem in die Projektanalyse und in die Projektkommunikation würde man-chem alten Projekt zum Durchstarten verhelfen.

Selbst wenn man E-Government rein ökonomisch betrachtet, sollte man mindestens die Effizienzlogik der VWL und z.B. die Ge-rechtigkeitsüberlegung von Robert Frank zur Bewertung von E-Go-vernment heranziehen, statt sich auf finanzielle Einnahmen und Ausgaben im Sinne der Shareholder-Value-Logik zu beschränken. Pragmatischer sowie praktisch einfacher und wirkungsvoller als traditionelle ökonomische Analysen ist aber die Darstellung von E-Government-Projekten aus der Perspektive der Public-Value-The-orie. Sie ermöglicht eine Beschreibung, die sich zugleich sehr gut für die Diskussion im politischen Genehmigungsprozess und für die Leitung des Umsetzungsprozesses eignet. Richtig eingesetzt hilft das Public-Value-Konzept, Risiken zu identifizieren, Stakehol-der zu integrieren und die Politik vom Nutzen zu überzeugen. Und ganz nebenbei zeigt es auch noch der an gewandten Forschung, in welchen Bereichen sie Modelle liefern sollte, damit die Praxis schneller vorankommt.

Viele haben sich mir gegenüber kritisch über die Public Value Theorie geäussert: «Nichts Neues!» «Sprache wie damals, als Ame-rika vom Sputnikerfolg schockiert war!» «Diffus!» et cetera. Ich meine, es gibt kontextspezifisch bessere und schlechtere Instru-mente für die Nutzenkommunikation und Ausrichtung auf die Nutz-engenerierung. Die Instrumente der Grosskonzerne in der Wirtschaft zählen im E-Government zu den schlechteren, weil sie für einen anderen Kontext erfunden wurden. Public Value Messinstrumente zählen zu den besseren. Sie sind besser im Sinne von passender. Das heisst, ihre Fitness ist höher für E-Government – vor allem des-halb, weil ihnen eine ökonomische Sicht zugrunde liegt, die die Wertgenerierung ganzheitlich anschaut, die Frage der Legitimation zusätzlich explizit thematisiert und Ressourcen so einbezieht, dass auch die in der Schweiz im öffentlichen Sektor stark präsente Frei-willigenarbeit adäquat berücksichtigt wird. Oder frei nach Churchill: Die Public Value Theorie ist eine miserable Theorie. Sie nur unter allen exitierenden Theorien die für E-Government fitteste.

E-Government wird dann und nur dann vorwärts kommen, wenn es lernt, seine eigenen Steuerungs- und Kommunikationsinstru-mente zu entwickeln, die von allen Stakeholdern verstanden wer-den. Sich in Fremdsprachen zu flüchten ist keine Lösung. Public Value bieten immerhin einen guten Ansatz. Wenn es gelingt diesen mit IKT-Architekturkonzepten zusammenzubringen, wird es in Zukunft sogar möglich werden - so unglaublich das derzeit auch noch ist – die so dringend benötigten Investitionen in E-Government Infrastruktur zu finanzieren .

Herzlichst, Ihr Reinhard Riedl

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«eGov Präsenz» 2/15: Marketing und Service Design im E-Government«eGov Präsenz» ist die Fachzeitschrift für E-Government in der Schweiz und im deutschsprachigen Ausland (egov-praesenz.ch). Der Magazinteil enthält Experteninterviews, Kolumnen und aktuelle Veranstaltungsberichte. Im Fachteil präsentieren wechselnde Autoren nationale und internationale Perspektiven der Forschung und Praxis.

Die nächste Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema «Service Design und Marketing im E-Government». Wir laden Sie ein, bis zum 23. März 2015 einen Abstract zu diesem Thema einzureichen und bei angenommenem Abstract einen zwei- bis dreiseitigen Artikel zu verfassen. Die Ausgabe 2/15 erscheint im August 2015, Redak-tionsschluss ist der 11. Mai 2015.

Als Autorin oder Autor bietet Ihnen die Fachzeitschrift «eGov Präsenz» die Möglichkeit, Ihren Beitrag einem inter-nationalen Publikum von Entscheidungstragenden in Politik, öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft zu präsen-tieren. Ihr Beitrag kann die folgenden, aber auch themenverwandte Aspekte behandeln.

Mögliche Themenfelder: − Usability und User Experience − Emotionales und sinnliches E-Government − Marketing und PR für neue E-Government-Dienste − Politische Legitimierung von E-Government-Innovationen − Programme zur Gewinnung von Benutzerakzeptanz − Lebenszyklusmanagement für E-Government-Dienste − Nutzeninnovationen/Blue-Ocean-Konzepte für E-Government − Partizipatives Service Design: Open Innovation und Co-Creation − Kreatives Service Design: Design Thinking, …

Annahme der Artikel: Es werden Beiträge in den Kategorien Forschung/Analyse, Praxis Schweiz und Praxis inter-national angenommen. PR-Artikel sind nur in Form eines Inserates zugelassen. Aussagen sollen, wo immer möglich, mit Praxisbeispielen illustriert werden. Weitere Kriterien für die Annahme sind Klarheit, Innovations-grad und Aktualität. Es besteht keine Garantie für die Aufnahme eines Beitrages in die Zeitschrift.

Sprache: Es werden Artikel in deutscher, französischer und englischer Sprache akzeptiert.

Einreichung der Beiträge: Bitte senden Sie Ihre Vorschläge (Abstract, max. 1000 Zeichen) bis am 23. März 2015 an [email protected].

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Inserat Call for Papers_eGovPr_2_2014.indd 2 11.08.14 17:27

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4Inhalt

4Magazinteil

Leitartikel 1 Fitness, oder schlechtere und bessere Instrumente

Reinhard Riedl

Zu dieser Ausgabe 6 Anja Belfort 8 Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Interview10 «Die Menge und die Vielfalt an Darbietungen entwickelt ihren eigenen Sog.»

Dr. Helga Rabl14 «Publikation und Nutzung von Open Data wird in spätestens 15 Jahren

eine Selbstverständlichkeit sein.» André Golliez

19 Finanzierung von E-Government Peter Fischer

Kolumne13 Barcelona, Bayern, Basel und YB – Geld und Trainer

Prof. Dr. Jürg Römer18 Public Value – schnell erklärt

Reinhard Riedl20 Geld und Geist im E-Government

Ernst Menet

Veranstaltung22 eGov Fokus – Impressionen

Anja Belfort24 Vom Weihnachtstruthahn in der Allmend

Timur Acemoglu26 E-Government-Symposium 2014

Modular ein neues E-Government-Universum schaffen Jérôme Brugger

28 Veranstaltungsvorschau InfoSocietyDays 2015 Agile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig, bürgerfokussiert Jürg Lehni, Armin Haymoz

E-Government Schweiz30 E-Government-Aktionsplan: eine Zwischenbilanz

Anna Faoro, Andreas Forrer31 Finanzielle Führung und Governance bei eCH

Prof. Dr. Andreas Spichiger33 Wohin steuern Bund, Kantone und Gemeinden im E-Government?

Anna Faoro34 E-Government geht nicht ohne E-Partizipation

Matthias Brüllmann

«eGov Präsenz» 1/15

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5Inhalt

Fachteil

Forschung / Analyse36 Shared Service Center: Abkehr vom Zuständigkeitsprinzip?!

Stefanie Köhl, Stephan Löbel, Prof. Dr. Tino Schuppan38 Strukturierungsversuch: Einsatzmöglichkeiten und Grenzen des Geschäftsmodellkonzepts

in der öffentlichen Verwaltung Prof. Dr. Konrad Walser

42 E-Government in Gemeinden und Städten voran treiben – aber wie? Gérald Strub

44 Macht E-Government aus dem Staat Gurkensalat? Anmerkungen zum deutschen Projekt Stein-Hardenberg 2.0 Prof. Dr. Konrad Walser

46 Weniger, teurer, später oder gar nicht: Projekte wohin? Ernst Menet

48 Entwicklung eines E-Governance-Konzepts für die öffentliche Verwaltung Prof. Dr. Konrad Walser

Praxis – Schweiz50 Dienste und IT-Governance in der Bundesverwaltung – Bedarf, Nutzen und Potenzial

Dr. Silvia Knittl, Hans Ulrich Wiedmer52 Ein Businessmodell für eUmzugCH: neue Finanzierungsansätze für E-Government-Dienstleistungen

Roger Künzli, Rolf Busch55 Ergebnisorientiert steuern statt statisch planen

Dr. Patric Märki57 Linked Data Services LINDAS: ein semantisches Webgeschäftsmodell für E-Government-Dienste

Dieter L. Wälti, René Renk59 Einsparungen dank gemeinsamer Nutzung von E-Government-Modulen

Martin Baumgartner61 Ein gelungenes Rezept für bekömmliches E-Government

Michael Zimmermann, Fabian Reinhard, Balthasar Glättli63 Open-Source-Gemeinschaftslösungen: ein innovativer Ansatz für E-Government-Projekte

und deren Finanzierung André Kunz

Praxis – International65 Die E-Government-Strategie in Thailand: aktueller Stand und weiteres Vorgehen

Bogdan Lent, Somnuk Keretho67 Steuerung und Finanzierung im österreichischen E-Government

Franz Grandits

Die Artikel spiegeln die persönliche Meinung des Autors/der Autorin und nicht die Meinung der Berner Fachhochschule wider.

Mitglied der

Die Berner Fachhochschule ist Mitglied der European Foundation for Quality Management, EFQM

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6 Zu dieser Ausgabe

Redaktion «eGov Präsenz» Liebe Leserin, lieber Leser

Sie halten die Ausgabe 1/15 der «eGov Präsenz» zum Thema «Finanzierung und Steuerung» in den Händen. Die Fachzeit-schrift für E-Government in der Schweiz und im deutschsprachigen Ausland ist eine un-abhängige, internationale Publikations-plattform, in der ausschliesslich Facharti-kel ohne Publicitycharakter veröff entlicht werden.

Die nächste Ausgabe erscheint im August 2015 zum Thema «Marketing und Service Design im E-Government». Möchten Sie diese Ausgabe als Plattform für Ihr Inserat nutzen oder einen Artikel verfassen? Sie erreichen so die Entscheidungsträger in der öff entlichen Verwaltung auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene.

Detaillierte Informationen fi nden Sie unter egov-praesenz.ch, oder kontaktieren Sie mich direkt: egov-praesenz@bfh .ch.

Ich wünsche gute Unterhaltung beim Lesen.

Anja BelfortBerner FachhochschuleChefredaktorin eGov Präsenzanja.belfort@bfh .ch

Glossar

Geschäft smodell: Ein Geschäft smodell beschreibt, wie ein Un-ternehmen funktioniert und Gewinne erwirtschaft et. Der Kern eines Geschäft smodells ist die Generierung von Nutzen für eine oder mehrere Kundengruppen und die Identifi zierung mindestens einer Kundengruppe, die dafür auch zahlt.

Public Value: Public Value ist der Nutzen, den ein Projekt oder eine Organisation für die unterschiedlichen Akteursgruppen der Gesellschaft schafft , bzw. der Wert, den ein Projekt aus Sicht die-ser Akteursgruppen hat. In der Regel fällt der Wert für die unter-schiedliche Akteursgruppen auch unterschiedlich aus. Ausserdem gibt es verschiedene Wertarten. Deshalb ist Public Value ein mehrdimensionales Konzept, das am besten in Matrixform dar-gestellt wird: Die Spalten der Matrix entsprechen den Wertarten und die Zeilen den Akteursgruppen. Die Public-Value-Theorie wurde ursprünglich von Mark H. Moore (Harvard University) für die öff entliche Verwaltung entwickelt – als Pendant zur Sharehol-der-Value-Theorie für die Privatwirtschaft . Das Center for Tech-nology in Government (University of Albany) hat die Theorie für den IT-Bereich weiterentwickelt. Sie wird heute von verschiede-nen Akteuren des öff entlich Sektors (Weltbank, Deutsche Bundes-agentur für Arbeit, BBC, ORF, Bayern München usw.) verwendet, aber auch von börsenkotierten Unternehmen.

Events und Daten

Internationales Rechtsinformatik Symposion IRIS 2015Donnerstag, 26., bis Samstag, 28. FebruarUniversität Salzburg, Österreich

InfoSocietyDays 2015: Agile Verwaltung – fl exibel, reaktions-fähig, bürgerfokussiertDienstag, 3. März, bis Freitag, 6. März 2015 BERNEXPO, BernDetaillierte Informationen fi nden Sie auf Seite 28

Abstract einreichen für eGov Präsenz 2/2015: Marketing und Service Design im E-Governmentbis Montag, 23. März 2015, an egov-praesenz@bfh .chDetaillierte Informationen fi nden Sie auf Seite 3

CeDEM15: Conference for E-Democracy and Open GovernmentMittwoch, 20. Mai 2015, bis Freitag, 22. Mai 2015Donau-Universität Krems, Österreich

dg.o 2015, 16th Annual International Conference on Digital Government ResearchMittwoch, 27. Mai 2015, bis Samstag, 30. Mai 2015Phoenix, Arizona, USA

eGov Fokus 1/2015: Marketing und Service Design im E-GovernmentFreitag, 5. Juni 20159.00–15.40 Uhr (anschliessend Apéro)Hotel Bern, 2. Stock, Unionsaal, Zeughausgasse 9, 3011 Berne-government.bfh .ch

ECEG 2015: European Conference on eGovernmentDonnerstag, 18. Juni 2015, bis Freitag, 19. Juni 2015Portsmouth, UK

EGOVIS 2015: 4th International Conference on Electronic Government and the Information Systems PerspectiveDienstag, 1. September 2015, bis Freitag, 4. September Valencia, Spanien

eGov Fokus 2/2015Freitag, 6. November 2015Rathaus BernWeitere Informationen folgen auf e-government.bfh .ch

Page 9: eGov Präsenz 1/2015

7Zu dieser Ausgabe

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Shared Value: Der Begriff wurde von Michael E. Porter und Mark R. Kramer (beide Harvard University) geprägt. Das Shared- Value-Konzept ist ein Geschäftskonzept für die Privatwirtschaft, das darauf abzielt, Gewinn zu erwirtschaften und gleichzeitig Public Value zu schaffen, also Win-win-Situationen für das Unter-nehmen und die Gesellschaft zu erzeugen. Ein Beispiel dafür ist, wenn Banken ihren Kunden Finanzprodukte anbieten, die Vorha-ben im Bereich Public Value unterstützen. Für die Etablierung von Shared-Value-Geschäftskonzepten gibt es drei strategische Haupt-stossrichtungen: Produkte an die sozialen Bedürfnisse anpassen (siehe Beispiel), Produktionsketten nachhaltig umgestalten (z.B. durch Verringerung der ökologischen Schäden) und in die Ent-wicklung lokaler Cluster investieren (z.B. durch Schulen am Stand-ort in einem Entwicklungsland).

Shareholder Value: Der Shareholder Value ist der Wert eines Unternehmens aus Sicht seiner Besitzer. Meist ist damit lediglich der finanzielle Wert, genauer der Marktwert des Eigenkapitals, gemeint, also das, was man für Unternehmensanteile bekommt, wenn man sie verkauft. In der Shareholder-Value-Theorie, die ursprünglich von Alfred Rappaport (Northwestern University) entwickelt wurde, werden Unternehmensaktivitäten vor allem aus der Sicht von Einzahlungen und Auszahlungen betrachtet.

Social Entrepreneurship: Social Entrepreneurship bzw. soziales Unternehmertum bezeichnet eine unternehmerische Tätigkeit, mit der ein Unternehmen sich für einen wesentlichen, positiven Wandel der Gesellschaft einsetzt und damit auch die Schaffung von Public Value anstrebt. Dabei kann Gewinnstreben ein grund-legendes Ziel sein, es kann aber auch völlig nebensächlich sein.

Stakeholder Value: Ein Stakeholder ist eine Person oder eine Gruppe, die ein Interesse an einem Projekt oder einer Organisa-tion hat. Dieses Interesse kann sehr unterschiedliche Formen annehmen und zu einer positiven, negativen oder kontextabhän-gig variablen Einstellung gegenüber dem Projekt oder der Orga-nisation führen. Da das Verhalten der Stakeholder wesentlichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg haben kann, ist es sinnvoll, sich aktiv um ihre Interessen zu kümmern. Es gibt für Unternehmen also handfeste ökonomische Gründe, Stakeholdermanagement zu betreiben. Darüber hinaus gibt es wirtschaftsethische Gründe, die Interessen der Stakeholder in der Projekt- oder Organisa-tionsführung miteinzubeziehen. Der Stakeholder Value ist zwar grundsätzlich identisch mit dem Public Value, der Begriff Stake-holder Value wird aber primär für moralisches gewinnorientiertes Unternehmertum gebraucht.

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8Zu dieser Ausgabe

Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Anja BelfortBerner FachhochschuleChefredaktorin «eGov Präsenz»anja.belfort@bfh .ch

Timur AcemogluVerein eJustice.CHGeschäft [email protected]

Jérôme BruggerWissenschaft licher MitarbeiterE-Government-InstitutBerner Fachhochschulejerome.brugger@bfh .ch

Anna FaoroGeschäft sstelle E-Govern ment [email protected]

Andreas ForrerProjektleiter AktionsplanGeschäft sstelle E-Government [email protected]

Matthias BrüllmannBundeskanzleiFachberater [email protected]

Stefanie KöhlWissenschaft liche [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

Dr. Silvia Knittlaccessec gmbhIAM Solution [email protected]

Roger KünzliCSP [email protected]

Rolf BuschCSP AGMitglied der Geschäft s-leitung, [email protected]

Balthasar GlättliVerein OneGov.chPrä[email protected]

André KunzPuzzle ITCSolution Manager hitobito [email protected]

Bogdan LentBerner FachhochschuleDozentbogdan.lent@bfh .ch

Somnuk KerethoUniversität KasetsartDirektor [email protected]

Stephan LöbelWissenschaft licher [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

Franz GranditsLand SteiermarkBis 1.8.2014 zuständig für die [email protected]

Martin BaumgartnerVerwaltungs-rechenzentrum AG St.Gallen (VRSG)Leiter [email protected]

Dr. Patric MärkiSAS SwitzerlandManaging Directoroffi [email protected]

Page 11: eGov Präsenz 1/2015

9Zu dieser Ausgabe

Prof. Dr. Jürg RömerFachbereichsleiter Wirtschaft Berner Fachhochschulejuerg.roemer@bfh .ch

Ernst MenetFachbereich Wirtschaft Studiengangsleiter MSc Wirtschaft sinformatikernst.menet@bfh .ch

Prof. Dr. Reinhard RiedlHerausgeber «eGov Präsenz»Wissenschaft licher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschulereinhard.riedl@bfh .ch

Prof. Dr. Tino SchuppanWissenschaft licher [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

Fabian ReinhardSeantis GmbHGeschäft sfü[email protected]

René RenkINVERSUM GmbHBeratung [email protected]

«… und bei der nächsten Ausgabe vielleicht Sie?»

Michael ZimmermannGemeinde EbikonInformationsbeauft [email protected]

Gérald StrubStrub & Partner GmbHKommunaler Beauft ragter für E-Government in den Kantonen Aargau und [email protected]

Hans Ulrich WiedmerInformatiksteuerungs-organ des Bundes ISBGRC Architekt IAM Bund [email protected]

Prof. Dr. Konrad WalserDozent/Senior Researcher E-Government-InstitutBerner Fachhochschulekonrad.walser@bfh .ch

Dieter L. WältiStaatssekretariat für Wirtschaft SECOProjektleiter [email protected]

Prof. Dr. Andreas SpichigereCHPräsident Experten-ausschussandreas.spichiger@bfh .ch

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10Interview

«Die Menge und die Vielfalt an Darbietungen entwickelt ihren eigenen Sog.»Die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Dr. Helga Rabl-Stadler, erzählt vom Public Value von Festspielen, von der Zukunft der Salzburger Festspiele und von ihrer Arbeit als Festspielpräsidentin. Sie spricht über ihre Motivation, ihre Aufgaben und Rollen im Amt und gibt Tipps für Erstbesucherinnen und -besucher.Interview: Reinhard Riedl

Es wäre für unsere Leserinnen und Leser interessant, zu ver­stehen, was die Salzburger Festspiele wirklich sind und wo­für sie stehen. Was ist die Mission der Salzburger Festspiele?

Die Salzburger Festspiele sind die grössten Klassikfestspiele der Welt. Die Menge und die Vielfalt an Darbietungen entwickeln ihren eigenen Sog. Es ist etwas Wunderschönes, um elf Uhr vormittags ins Konzert gehen zu können, um drei in eine Oper und um acht in ein Schauspiel. Aber es geht nicht nur um das Erlebnis für die Be-sucherinnen und Besucher, sondern auch um die Gründungsidee der Festspiele. Sie waren eine Reaktion auf den Ersten Weltkrieg. Künstler wie Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss waren der Meinung, dass nur die Kunst die vom Krieg ge-geneinandergetriebenen Völker wieder zueinanderbringen könnte. Sie verfolgten zum einen eine friedensbringende und zum anderen eine identitätsstiftende Mission und kämpften ausserdem gegen den Werteverfall an. Das ist für uns noch immer wichtig. Ich finde es sehr schön, dass an den Festspielen nicht nur Feste gespielt wer-den, weil es ein Tourismusloch gibt, sondern weil man einen Grün-dungsauftrag hat.

Wie weit werden die Festspiele ihrem Gründungsauftrag, Identität zu stiften und Frieden zu bringen, nach wie vor gerecht?

Dem Gründungsauftrag versuchen wir, sowohl programmatisch wie auch durch die Auswahl unserer Festredner gerecht zu werden. Wir haben dieses Jahr als Eröffnungsredner Christopher Clark gehabt, der mit seinem Buch «The Sleepwalkers» meines Erachtens die Ge-schichte des Ersten Weltkriegs geschrieben hat. Die EU ist dazu noch immer unfähig, weil Sieger und Verlierer nach wie vor eine getrenn-te Geschichte schreiben. Wir laden jedes Jahr Künstlerinnen und Künstler ein, die für Frieden durch Kunst stehen. Daniel Barenboim mit seinem West Eastern Divan Orchestra oder das Simon Bolivar Orchestra, bei dem die Kunst für sozialen Frieden Pate steht, weil Kinder und Jugendliche aus den Favelas mit der Musik wieder einen Hoffnungsstrahl bekommen. Und was das Identitätsstiftende anbe-langt: Ich glaube, die Festspiele sind einer der wichtigsten Brands Österreichs. Wen kennt man weltweit von Österreich? Die Wiener Philharmoniker, die Salzburger Festspiele, Swarovski und Red Bull.

Welche Rolle spielt Mozart für die Festspiele? Welche Rolle spielen die Festspiele für die Rezeption von Mozart heute?

Es ist die vornehmste Aufgabe der Festspiele, das Eichamt für beispielgebende Mozartaufführungen zu sein. Das gelingt uns meist,

aber manchmal auch nicht. Mozart spielt aber nicht jene Rolle für die Festspiele, die Wagner für die Bayreuther Festspiele spielt. Die-se sind als Weihetempel für einen Komponisten und sein Werk gegründet worden. Die Salzburger Festspiele hingegen sind nicht für Mozart gegründet worden, sondern für Frieden, für Identität, für Qualität in der Oper, im Theater und in Konzerten. Ich wäre genauso glücklich, die Präsidentin nur eines Mozartfestspiels zu sein, weil Mozarts Musik für mich die schönste Musik ist. Aber so ist es nicht. Mozart ist wichtig für uns, aber nicht die einzige Raison d’être.

Was ist Ihre Motivation für die nicht ganz einfache Arbeit als Festspielpräsidentin?

Ich bin eine geborene Salzburgerin und eine glühende Österrei-cherin und Europäerin. Für mich ist es Ehre, Freude und Auszeich-nung, diese Festspiele führen zu dürfen.

Wie dürfen sich unsere Leserinnen und Leser den Arbeits­alltag und die Aufgaben einer Präsidentin vorstellen? Was ist wichtig an Ihrer Tätigkeit, was kostet viel Zeit und Energie?

Es ist ein sehr arbeitsaufwendiger Ganzjahresjob. Ich gehe nie mehr als zehn Tage in Urlaub. Denn meine Arbeit besteht aus einem unermüdlichen Einsatz für Akzeptanz bei allen Stakeholdern. Um das Geld der Steuerzahler zu bekommen, brauche ich Akzeptanz. Um das Geld der Sponsoren zu bekommen, brauche ich Akzeptanz. Um den totalen Arbeitseinsatz im Haus zu bekommen, brauche ich Akzeptanz. Und da wir nicht nur das Kulinarische bringen wollen, sondern eben auch Uraufführungen oder zu Unrecht vergessene Werke, braucht das viel Einsatz. Mir fällt das leicht, weil ich eine große Fähigkeit zur Selbstmotivation habe. Wenn mich der künst-lerisch Vorschlagende von seinem Projekt überzeugt, werde ich seine glühendste Vorkämpferin sein, dann ist es mir Auftrag, das, was wir gemeinsam als künstlerisch wichtig erkennen, finanziert zu bekommen. Aber es wird immer schwieriger. Zum einen ist Corporate Sponsoring sehr viel schwieriger geworden wegen der Fokussierung auf den Shareholder-Value und gleichzeitig der neu-en Antikorruptionsgesetze, die Einladungen stark einschränken. Zum anderen spart auch die öffentliche Hand bei der Kunstförde-rung. Weil das Bildungsbürgertum eine immer kleinere Rolle spielt, fällt es den Politikerinnen und Politikern leicht, das Geld für die Kunstförderung zu streichen. Da muss man reden, reden, reden. Für die Zukunft ganz wichtig sind darum auch die Jugendprogram-me. In diesem Bereich haben wir grosse Fortschritte gemacht.

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11Interview

Dr. Helga Rabl

Helga Rabl-Stadler promovierte 1970 zum Dr. iur. an der Univer-sität Salzburg. Anschliessend arbeitete sie als Journalistin bei der «Presse» und der «Wochenpresse» und schrieb als erste weibliche Journalistin eine Innenpolitikkolumne für den «Kurier». Von 1983 bis 2008 war sie Miteigentümerin des Modehauses Resmann. Von 1983 bis 1990 war sie Abgeordnete zum Nationalrat. Hier setzte sie sich unter anderem für bessere steuerrechtliche Bedingungen für Sponsoren ein. Von 1988 bis 1994 war sie Präsidentin der Wirtschaftskammer Salzburg. Zudem fungierte sie als Bundesob-mann-Stellvertreterin der ÖVP (1991–1995). 1995 wurde sie zur Präsidentin der Salzburger Festspiele ernannt.

© Salzburger Festspiele / Julia Stix

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12Interview

Was machen Sie konkret, um die Jugend anzusprechen?

Wir bieten Workshops für Kinder an, die sehr gern genutzt wer-den. Und Kinderopern. Aber die Gefahr, die Kinder mit 14 zu ver-lieren, ist gross. Wir haben viele Jugendabonnements, viele Jugend-karten, aber wir merken leider wie alle anderen Kultur veranstal - tungen auch: Für eine Traviata kriegst du sie schon her, aber sie für zeitgenössische Opern zu begeistern, ist sehr viel schwieriger. Dafür muss man Hilfe bieten, Unterstützung beim Hörenlernen.

Sie liefern ein Stichwort: zeitgenössische klassische Musik. Für mich stehen die Salzburger Festspiele in den letzten Jah­ren vor allem für ihre aussergewöhnlich hohe Qualität bei der Neuen Musik. Welche Rolle spielt die Neue Musik bei den Festspielen für Sie?

Eine ganz Wichtige. Ein Festspiel mit einer so internationalen Aufmerksamkeit, dessen Besucherinnen und Besucher aus über 70 Ländern stammen, darunter über 30 nicht europäische, hat die Aufgabe, der zeitgenössischen Kunst eine Plattform zu geben. Denn wer bei uns vorkommt, bekommt internationale Ausstrahlung, ob das ein bildender Künstler, eine Theatermacherin oder ein Opern- oder anderer Komponist ist. Das hat auch gute Tradition. Schliesslich sind wir von Künstlern gegründet worden.

Wie kann ein Erstbesucher der Salzburger Festspiele sich an­gesichts der Vielfalt orientieren?

Er muss unbedingt eine Mozartmatinee in der Stiftung Mozarte-um hören, damit er hineinkommt in diese ganz besondere Stim-mung. Dann soll er unbedingt eine Oper im Grossen Haus anschau-en, das ist die grösste Bühne der Welt mit der besten Akustik, die man sich vorstellen kann. Einfach schauen und hören, so, wie die Gründer es gesagt haben, Oper und Theater, von beiden das Höchste. Einen weitergehenden Rat zu geben, ist schwer. Das An-gebot ist so vielfältig, dass jeder sein eigenes Programm zusam-menstellen kann, aber 2015 muss man unbedingt «Mackie Messer – Eine Salzburger Dreigroschenoper» in der Felsenreitschule sehen.

Wie können die Salzburger Festspiele ihren einzigartigen Sta­tus trotz dem Massenangebot an Sommerfestspielen halten?

Durch Qualität. Ich kann es immer wieder sagen: Qualität und Sinnsuche. Man kann nicht immer ein Motto haben. Ein Motto kön-nen wir zu Pfingsten haben. Pfingsten ist ein wunderbares Beispiel, wie ein Gedanke Sinn ergibt. Aber das sind vier Tage. Du kannst nicht ernsthaft behaupten, dass du 45 Tage ein Motto durchhältst. Das heisst, es geht nur mit Qualität, mit der richtigen Mischung. Manchmal geht es besser, manchmal schlechter.

Die Salzburger Festspiele hingegen sind nicht für Mozart gegründet worden, sondern für Frieden, für Identität, fürQualität in der Oper, im Theater und in Konzerten.

Wie geht man damit um, dass es manchmal besser und manchmal eben doch auch schlechter geht?

Wenn es besser geht, wie jetzt, freut man sich und hat einen Energieschub fürs nächste Jahr. Und wenn es schlechter geht, was auch immer wieder passiert, muss man sich sehr bemühen, dass man nicht mutlos wird.

Traditionell betrifft unsere Abschlussfrage die ferne Zukunft: Wie werden die Salzburger Festspiele im Jahr 2050 aussehen? Und wie wird sich das Staatswesen bis dahin verändern?

Meine Stärke ist, dass ich nicht der Vergangenheit nachhänge und die Zukunft erträume, sondern die Gegenwart sehe und ihre Probleme löse. Ich bin aber überzeugt, dass Qualität 2050 für die Salzburger Festspiele genauso wichtig sein wird wie jetzt.

Beim E-Government wird vieles, was jetzt noch mit Misstrauen beäugt wird, als Selbstverständlichkeit gesehen werden. Ich glaube, alle müssen sich bemühen, dass sie den E-Government-Nutzerinnen und -Nutzern das Gefühl geben, dass sie durch die Technologie nicht die Herrschaft über sich verlieren, sondern einen besseren Service bekommen. Natürlich leiden wir alle darunter, dass es zu wenig persönliche Ansprache gibt. Da denken sich viele: Der mürrischste Beamte ist mir lieber als nur mein PC, denn er muss mir noch in die Augen schauen. Ich hoffe, dass wir die Vorteile der Technologisie-rung nutzen können und nicht nur ihre Nachteile erleiden müssen.

Herzlichen Dank für das Interview!

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13 Kolumne

Barcelona, Bayern, Basel und YB – Geld und TrainerAm Sonntag musste ich frustriert nach

Hause fahren, weil YB wieder einmal gegen den FC Basel verloren hatte. Am Donnerstag machte ich mich zufrieden auf den Heim-weg, YB hatte Napoli geschlagen. Sowohl die Rotblauen als auch die Himmelblauen ver-fügen über wesentlich mehr Geld als die Gelbschwarzen.

2,4 versus 500 Millionen FrankenEines ist klar. Acht von zehn Mal wird

Basel Schweizer Meister, gewinnen Juventus oder AC Milan den Scudetto. YB wurde das letzte Mal 1987, Napoli 1990 Meister. Basel hat ein Budget von rund 88 Millionen Fran-ken,1 Napoli eines von rund 140 Millionen Franken,2 und das von YB beträgt nicht ein-mal die Hälft e von dem von Basel oder ein Drittel von dem von Napoli.3 Die ganz gros-sen Clubs in Europa überschreiten die Schwelle von 500 Millionen Franken bei Weitem. Diese Zahlen sind publiziert.2

Zuverlässige Angaben über reale Kosten des E-Governments sind kaum verfügbar. Im In- wie im Ausland präsentiert man lieber die smarten Lösungen, kaum jedoch aussagekräft ige Angaben über Gesamtkosten, noch weniger Kosten-Nutzen-Rechnungen. Die Schweiz gibt mit dem E-Government-Aktionsplan für einige priori-sierte Vorhaben in gemeinsamer Regie von Bund und Kantonen jährlich 2,4 Millionen Franken aus.4 Damit fi nanziert der FC Bayern München kaum die Pause eines Heimspiels. Bayern, Barcelona, Real Madrid und Manchester United leisten sich sehr teure Trainer, die sehr teure Spieler erhalten und sich die Titel der Champions League auft eilen, sehr selten gestört von einem Club mit Schweizer Trainer. Ähnliches spielt sich in Europa im Bereich staatlicher Dienstleistungen ab. Neu werden in Deutschland wiederum 50 Mil-lionen Euro in das Projekt «Smart Service Welt» investiert, wie dessen Wirtschaft sminister am IT-Gipfel angekündigt hat, zentral vom Bund, versteht sich. Präsident und Trainer sagen, was gespielt wird.

Geld allein macht nicht glücklichSpielt die Schweiz deshalb im E-Government in der Amateurliga?

Eine deutsche Studie zeigt, dass 87% der Schweizer Bevölkerung zufrieden sind mit den E-Government-Angeboten ihrer Gemeinde, in Deutschland sind es 52%.5 In Deutschland wurde «vorwärtsge-macht» mit zentralen Programmen (Bund online 2005, Deutschland online) und damit mit Milliardeninvestitionen. Dienstleistungen, defi niert von Politik und Verwaltung, wurden bereitgestellt, die weder Wirtschaft noch Bevölkerung nennenswert nutzen. Auch in Österreich wird die in allen Rankings als vorbildlich dargestellte zentral verordnete Bürgerkarte kaum genutzt. In der Schweiz hin-gegen wurden – wie üblich föderalistisch, auch etwas zufällig – ohne zentrales Riesenprogramm in Gemeinden, Kantonen und beim Bund Dienstleistungen bereitgestellt. Über die Priorität der elektronischen Bestellung von Hundemarken kann man getrost streiten. Der Nutzen von Onlinesteuerlösungen ist hingegen off ensichtlich. Aufwand

sowie Fehler und Missverständnisse bei steuerpfl ichtigen Unter-nehmen und Personen einerseits, bei der Verwaltung anderseits werden massiv reduziert. Die Nutzungszahlen von 80% sprechen für sich. Umfragen zeigen immer wieder, dass die Schweizer Bevöl-kerung mit den elektronischen Dienstleistungen recht zufrieden ist. Zweifellos gibt es Nützliches und weniger Nützliches, Gelunge-nes und Misslungenes. Zweifellos gibt es hier und dort Alleingänge von Informatikern, die am Bedarf vorbeientwickeln. Insgesamt hat sich aber ein helvetisches E-Government-Ökosystem entwickelt, das zwar nicht im Glanze der Champions-League-Sterne gesamteu-ropäischer Benchmarks glänzt, dem Bedarf von Wirtschaft und Gesellschaft in der nüchternen Schweiz aber ganz gut entspricht. Klar würde man sich manchmal wünschen, dass der Präsident viel-leicht nicht gerade einen Messi, aber einen Shakiri einkaufen wür-de. Er wäre für zentrale Infrastrukturen, wie zum Beispiel ein durchgängiges Identity- und Access-Management, ebenso nützlich wie etwas mehr Einfl uss des Trainers. Die starken föderalistischen Gene der Schweiz haben eben nicht nur Vorteile. Die Abneigung gegen zentral verordnete Konzepte bewahrt aber ein Stück weit vor Fehlinvestitionen und spart somit Geld.

Dass Geld im Fussball hilft , ist unbestritten. Ronaldo, Robben und Rooney sind nun mal nicht für ein Trinkgeld zu haben. Auch für das E-Government sind fi nanzielle Mittel vonnöten, den Erfolg kaufen kann man aber nicht.

Die Rolle des TrainersDass Erfolg im E-Government nicht in erster Line von einer zen-

tralen Steuerung abhängt, zeigt das Schweizer Beispiel. Letztlich frage ich mich, welchen Einfl uss Trainer im Spitzenfussball einer-seits, im Mittelmass der Schweiz anderseits haben. An den auslän-dischen Pressekonferenzen tummeln sich die telegenen Unterhal-tungskünstler Guardiola, Mourinho und vormals Sir Alec Ferguson. In welchem Ausmass der Erfolg ihrer Vereine auf sie zurückzufüh-ren ist, bleibt unklar. Der Einfl uss der Trainer auf die Leistungen einer Mannschaft wurde meines Wissens bisher nicht wissenschaft -lich fundiert untersucht.

Eines ist aber in der Schweiz sicher: Beim FC Basel kann Trainer sein, wer will, er wird (fast) immer Meister. Und ebenso sicher ist: Bei YB kann an der Linie stehen, wer will. Sie werden sicher nicht Meister. Leider.

1 FC Basel 1893 und FC Basel 1893 AG: Geschäft sberichte 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013.

2 Deloitte: All to play for football money league. 2014.3 Tagesanzeiger. 31.1.2013.4 E-Government Schweiz: Abschlussbericht Aktionsplan 2013. 2014.5 ipima: Nutzung und Akzeptanz von elektronischen Bürgerdiensten im

internationalen Vergleich. 2014.

Prof. Dr. Jürg RömerFachbereichsleiter Wirtschaft Berner Fachhochschulejuerg.roemer@bfh .ch

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14Interview

«Publikation und Nutzung von Open Data wird in spätestens 15 Jahren eine Selbstverständlichkeit sein.»André Golliez, der Präsident des Vereins opendata.ch, spricht über opendata.ch, seine Arbeit als Präsident dieser Plattform sowie über Herausforderungen und Zukunftsvisionen im Bereich Open Data.

Interview: Reinhard Riedl

Herr Golliez, bitte erklären Sie unseren Lesern die Vision und die Mission von opendata.ch.

Es ist die Vision von opendata.ch, sich für Open Data in der Schweiz einzusetzen, und zwar im Interesse von Transparenz, In-novation und Effizienz in der Verwaltung. Das tun wir als zivilge-sellschaftliche Bewegung auf allen Ebenen mithilfe von Veranstal-tungen. Wir tun ganz konkret etwas mit den Open Data, die da sind, wir machen aber auch politische Vorstösse und sind in den Medien aktiv.

Wer macht bei opendata.ch mit?

Es ist eine bunt gemischte Truppe. Ursprünglich waren es vor allem Leute, die sich bereits in der Open-Source- oder Wikipedia- Creativ-Commons- oder Open-Streetmap-Bewegung engagierten. Mittlerweile sind natürlich neue Leute dazugekommen. Im weites-ten Sinn sind es Open-Aktivisten. Dann sind es vor allem Medien-leute, die sich aus persönlichem und aus beruflichem Interesse für Open Data interessieren. Dann geht es eigentlich quer durch alle Bereiche. Es hat etliche Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitar-beiter, die da mitziehen. Personen aus der Forschung, aus der Leh-re, Berater wie ich selber usw. Tendenziell kommen die Leute vor allem aus dem IT-Bereich. Das ist vielleicht eine Limi tierung. Wir sind noch sehr stark technisch geprägt, obwohl das Thema nicht primär technischer Natur ist.

Wer soll sich sonst noch aktiv beteiligen?

Grundsätzlich mehr Frauen. Wir sind weitgehend ein Män nerklub, das muss ich zugeben. Das versuchen wir zu ändern. Wir haben jetzt auch ein erstes weibliches Vorstandsmitglied, darauf sind wir sehr stolz. Es ist eine Journalistin. Die Entwicklung des Vereins sollte stärker in Richtung Kommunikation, Wissensvermittlung, Wissen-schaft, Lehre und Forschung gehen und sicher auch stärker in Rich-tung wirtschaftliches Engagement. Daran arbeiten wir.

Von wem kommen die Daten von Open Data?

Die Daten kommen primär von der Verwaltung. Diese stehen im Fokus. Wir haben zwar bewusst unsere Bewegung nicht Opengov-ernmentdata.ch genannt, sondern opendata.ch, weil wir von Anfang an der Meinung waren, dass auch andere Daten von Interesse sind, nicht nur diejenigen von der Verwaltung, aber es geht primär um Verwaltungsdaten, Behördendaten, Government Data und Daten des öffentlichen Sektors.

Wie managen Sie die Beziehungen zu den Datenanbietern in der öffentlichen Verwaltung bzw. im öffentlichen Sektor?

Von Managen kann man da nicht sprechen. Wir pflegen die Be-ziehungen. Es sind eigentlich sehr gute Beziehungen, und sie sind durchaus auch persönlich geprägt. Geodaten, Statistikdaten oder Daten des Archivs stehen im Vordergrund für eine Publikation oder sind bereits als Open Data publiziert, also ist es relativ selbstver-ständlich, in erster Linie mit Leuten zu sprechen, die mit diesen Daten zu tun haben. Aber der Kreis erweitert sich. Ich denke, dass diese Beziehungen im Zuge der Umsetzung der Open-Govern-ment-Data-Strategie Schweiz 2014–2018 unter dem Label Open- Data-Kultur systematischer gepflegt werden.

Wie sieht es mit der Pflege der Beziehungen zu den Nutzern von Open­Data­Apps aus?

Das beschränkt sich mittlerweile auf die Veranstaltungen, die wir durchführen, die Hack-Days und die Konferenzen. Auch diese finden nicht regelmässig statt. Es gibt keine Interessenverbindung der datennutzenden Unternehmen oder der Datenindustrie. Das zeigt, dass alles noch in der Embryonalphase ist. Im Vordergrund stehen kleinere Firmen, Startups oder Firmen, die sich für das The-ma interessieren, Firmen, die mit Open Data etwas anfangen kön-nen. Die Erwartung an den Verein ist, dass er in diesem Open-Gov-ernment-Data-Prozess die Nutzer repräsentiert. Wie eingangs gesagt, besteht der Verein im Moment hauptsächlich noch immer aus dieser Aktivistenbewegung. Es sind «Weltverbesserer» mit starken persönlichen Motivationen und zivilgesellschaftlichen Zielsetzungen. Das ist unverzichtbar. Aber das kann nicht so bleiben. Das ist klar. Die grösseren Industrien und die Wirtschaft, schauen interessiert auf Open Data, aber wissen nicht so recht, was damit anzufangen ist.

Wie sollen sich unsere Leser die Tätigkeit eines Präsidenten eines Vereins wie opendata.ch vorstellen?

Als äusserst erfreulich. Ausser in wirtschaftlicher Hinsicht. Man wird nicht reich als Open-Data-Präsident. Aber ansonsten macht es riesig Spass. Ich kann solche Gespräche wie hier führen, und ich habe ein weitreichendes Beziehungsnetz aufbauen können, das immer grösser wird und bis in die Verwaltung, in die Politik, in die Wirtschaft, aber auch in die Forschung reicht. Open Research Data ist auch ein wichtiges Thema. Es läuft enorm viel. Das grösste Pro-blem ist, den Faden nicht zu verlieren. Es ist ein riesiges Feld.

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15Interview

André Golliez

André Golliez ist Managing Partner der IT-Beratungsfirma itopia ag (Zürich), hat Anfang der 80er-Jahre an der ETH Zürich Informatik studiert und anschliessend über zehn Jahre im IT Management der UBS gearbeitet. 1999 hat er zusammen mit vier weiteren Partnern die Firma itopia in einem Management-Buy-out von einer Grossbank übernommen und sich auf die strategische IT-Beratung von Banken und öffentlichen Verwaltungen spezialisiert. Von 2004 bis 2009 war André Golliez Präsident der Schweizer Infor-matik Gesellschaft. Seit 2010 baut er zusammen mit Kollegen die Open-Data-Bewegung in der Schweiz auf und ist Präsident des 2012 gegründeten Vereins opendata.ch, Swiss Chapter der Open Knowledge Foundation.

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16Interview

Welches sind Ihre konkreten Finanzierungsaufgaben, und wie sorgen Sie dafür, dass die Vereinsaktivitäten finanziert werden können?

Für eine Führungsposition bin ich wahrscheinlich der falsche Typ. Ich habe mich vor viereinhalb Jahren in dieses Thema verliebt und mit einigen Personen zusammen die Initiative ergriffen. Die Hauptaufgabe besteht sicher darin, eine sehr heterogene Truppe an engagierten Leuten zusammenzuhalten und zu schauen, dass wir am gleichen Strick ziehen und Resultate erzielen. Konkret geht es um Veranstaltungen, um Vorstösse usw. Das ist sicher die wichtigs-te Aufgabe, und auch mit Vorschlägen und Ideen zu wirken, die Kommunikation zu pflegen zu einer stetig wachsenden Communi-ty. Wir haben mittlerweile über tausend Leute auf unserer Mailing-liste. Die Grösse des Vereins selber ist noch bescheiden. Wir sind etwa 150 Mitglieder, davon etwa 20 bis 30 Unternehmen oder Or-ganisationen. Wir finanzieren uns von der Hand in den Mund. Wir finanzieren unsere Veranstaltungen mit Sponsoren. Aber die Ver-anstaltungen sind eigentlich Low-Cost-Events. Das bewegt sich im ganz tiefen fünfstelligen Bereich. Eine Ausnahme war die Open-Knowledge-Konferenz letztes Jahr in Genf, die wir mit der Open Knowledge Foundation durchgeführt haben und der Bundes-verwaltung als Hauptsponsorin. Wir sind ein Non-Profit-Verein und machen keinen Gewinn. Wir beschränken uns auf Kommunika-tionsevents und Lobbying. Das ist wichtig. Wir versuchen, das Gan-ze aus diesen Tätigkeiten heraus und mit den Mitgliederbeiträgen zu finanzieren. Was darüber hinausgeht, wirkliche Projekte, über-lassen wir unseren Mitgliedern, sie fungieren als Entwickler, als Berater, als Medienschaffende und wir unterstützen sie dabei, aber wir wollen nicht, dass diese Aufträge oder Projekte über den Verein abgewickelt werden.

Sie haben gerade das Lobbying angesprochen. Es fällt auf, dass es in der Schweiz vom Parlament aus sehr viele Vor­stösse gab in Richtung Open Data. Wie funktioniert das Lob­bying, und warum ist es in der Schweiz so erfolgreich?

Es gibt praktisch nur erfreuliche Seiten bei dieser Tätigkeit un-seres Vereins. Die Lobbyarbeit konnte sich auf eine sehr gute Vorar-beit aus dem Bereich Open Source stützen. Die parlamentarische Gruppe «Digitale Nachhaltigkeit», die Matthias Stürmer aufgebaut hat, stand vor vier Jahren bereit, als wir begonnen haben. Dann wie-derum funktioniert das Lobbying mithilfe von persönlichen Bezie-hungen. Dann ist es auch immer im Dialog mit diesen Politikern gelungen, die Vorstösse so zu formulieren, dass sie konsens- oder mehrheitsfähig waren. Es war für mich von Anfang an klar, dass das Thema Open Data nicht polarisieren darf, sonst ist es tot, ehe es geboren wurde. Das ist uns gelungen. Ich hoffe, es geht so weiter.

Sowohl bei der Verwaltung als auch bei der Wissenschaft gibt es ja sicher auch Vorbehalte gegen das Veröffentlichen von Daten. Die Wissenschaft wird der Konkurrenz nicht Daten zur Verfügung stellen wollen. Was kann ein Verein wie Open Data tun, um diese Verlustängste abzubauen?

Viel kommunizieren. Bis jetzt stossen wir im Wissenschaftsbe-reich bei den drei Instituten auf wenig bis gar keinen Widerstand. Es gibt Vorbehalte gegen eine völlig offene Publikation gewisser

Daten, die absolut legitim sind. Sozialwissenschaftliche Forschungs-daten zum Beispiel stehen auf Mikroebene unter Personendaten-schutz. Das ist zu respektieren. Dementsprechend können sie nicht einfach generell als Open Data freigegeben werden, sondern man muss entsprechende Nutzungsbedingungen akzeptieren. Das stel-len wir auch nicht infrage. Es ist von Datenmanagementplänen die Rede, die Open Research ins Auge fassen. Ich stelle mir vor, dass analog zu Open Access oder zumindest für Forschungsdaten, die mit öffentlichen Mitteln erzeugt werden, eine Publikation als Open Data unter den Rahmenbedingungen, die sinnvoll sind, verlangt wird. In der Verwaltung spüre ich übrigens diese Konkurrenzfrage weniger. Ich denke aber nicht, dass sie nicht existiert. Da sind es wirklich administrative oder gesetzliche Hürden, die im Weg stehen, und zum Teil herrschen auch Unkenntnis und Skepsis vor.

Was sind Ihre nächsten grösseren Ziele?

Ich teile die Welt Open-Data-mässig in vier Bereiche ein. Zentral und nach wie vor der wichtigste Show Case für Open Data sind die Behördendaten, also Open Government Data, die Daten des öffent-lichen Sektors. Auf die hat die Öffentlichkeit ein Anrecht, sie stehen zur Verfügung, da kann man einfach vorwärtsgehen. Nicht nur Daten von der Verwaltung, sondern auch von Betrieben des öffent-lichen Sektors wie den Verkehrsbetrieben, Spitälern usw. Das ist der erste Bereich. Zweiter Bereich: Research Data, davon habe ich vorhin gesprochen. Da kommt jetzt die Plattform. Ich denke, da kommt viel auf uns zu. Mit Forschungsinstituten oder mit Verwal-tungen zusammenzuarbeiten, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, und der Kontext ist auch ein anderer. Hier ist der interna-tionale Bezug enorm wichtig. Wir machen eine Schweizer Plattform, aber das Ganze muss sich europäisch entwickeln, es ist sehr wich-tig, was sich auf europäischer Ebene tut und wie sich die Schweiz da positioniert. Dritter Bereich: Open Business Data. Ich denke, die privatwirtschaftlichen Unternehmen, allen voran die Banken in der Schweiz, die Versicherungen und die Pharmabranche, haben enorm viele Daten, die als Open Data publiziert werden können. Ich meine das nicht ironisch. Ich meine nicht die Kundendaten. Sondern Daten über die Sustainability dieser Unternehmen, Geschäftsrepor-te aus dem finanziellen Research oder ganz banal die Geolokalisie-rungen von Bankomaten oder Filialen usw. Vielleicht können wir hier in der Schweiz auch einen gewissen internationalen Effekt erzielen. Wenn eine Schweizer Bank plötzlich Open Data publiziert, hätte das einen entsprechenden PR-Effekt, der dem Image des Fi-nanzplatzes Schweiz nicht schaden würde. Der vierte Bereich ist eigentlich komplementär zu Open Data. Open Data sind personenun-abhängige Daten, sie sind bezüglich Datenschutz, rechtlich und sicherheitstechnisch unproblematisch. In diesem vierten Bereich jedoch, da geht es um persönliche Daten. Das ist wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch gesehen wahrscheinlich der bri santeste Be-reich, aber auch der schwierigste. Wir sind alle Datenbesitzer oder Datenbetroffene, und der Zugang zu diesen Daten respektive die Nutzung dieser persönlichen Daten für bestimmte Zwecke ist heu-te nicht gewährleistet. Die Vision ist, ein System persönlicher Daten zu schaffen, bei dem der Betroffene – ich sage bewusst nicht der Besitzer der Daten, sondern derjenige, der die Daten verursacht, die Person, das Individuum – darüber entscheiden kann, wofür diese Daten auch noch verwendet werden.

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17Interview

Wo werden wir in diesen vier Bereichen in 15 Jahren stehen?

Ich denke, dass Open Data personenunabhängig und sicherheits-unbedenklich zur Selbstverständlichkeit werden, dass dieser Data Space analog zum Web oder mit dem Web integriert zur Normalität wird. Es wird für Unternehmen selbstverständlich sein, diese Daten zu nutzen, selber Daten zu publizieren und auszutauschen. Das Gan-ze wird sich entwickeln, und wir werden da viele Plattformen, Infra-strukturen usw. sehen und sicher auch neue Geschäftsmodelle, kei-ne Frage. Im Bereich My Data, Personal Data bin ich mir jedoch nicht so sicher. Ich denke, da werden die Widerstände enorm sein. Es geht um unglaublich sensible Daten. Ich hoffe, dass sich das etablieren wird, dass wir Infrastrukturen haben werden, die wirklich eine in-formationelle Selbstbestimmung ermöglichen. Es gibt zahlreiche Institutionen, allen voran auch die öffentliche Verwaltung, grosse Unternehmen, die ihre Daten ihren Kunden oder Patienten entspre-chend zur Verfügung stellen und ein System von Dienstleistungsan-bietern, die damit etwas Sinnvolles machen können. Aber es kann auch sein, dass das an zu grossem Widerstand oder am fehlenden Konsens darüber, wie man das tun soll, zwar nicht scheitert, aber blockiert wird. Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn man sich auf gewisse Mechanisierungen und Standards einigen kann, wie diese persönlichen Daten zu nutzen sind, wie sie zu beziehen sind, wie sie weiterverarbeitet werden können. Das ist ein längerer Weg.

Braucht es da auch eine staatliche Regulierung?

Ja. Absolut. Ich denke, dass grundsätzlich die Frage der informa-tionellen Selbstbestimmung auf Verfassungsebene geregelt werden muss. Da sind entsprechende Initiativen unterwegs. Dann braucht es sicher Regulierungen dazu, in welcher Form Unternehmen und Verwaltungen ihre Daten den Personen zur Verfügung stellen müs-sen, Stichwort Blue, Green Botton. Das sind My Data-Pilotprojekte in den USA. Damit ein solches Datensystem entstehen kann, braucht es Regulierungen sicher auch über den nationalen Rahmen hinaus. Das ist klar, und das macht es ja eben auch so schwierig.

Wir sind eine E­Government­ Zeitschrift, daher auch kurz eine Frage zum genuinen E­Government. Was sind aus Ihrer Sicht neben Open Government Data wichtige Entwicklungs­ziele des E­Governments in der Schweiz?

Ich denke, dass für diese Vision My Data, Personal Data, die elek-tronische Identität der Bürger, der Konsumenten ein zentrales Ele-ment darstellt. Ohne eine elektronische Identität, mit der die betrof-fene Person über ihre Daten mitverfügen kann, wird das nicht funktionieren. Irgendwo muss die elektronische Identität geregelt sein. Das ist eine E-Government-Aufgabe. Möglichst rasch, möglichst günstig, möglichst standardisiert und eben natürlich auch auf inter-nationaler Ebene, mit einer zumindest europäischen Orientierung.

Ich bin schon bei der Abschlussfrage. Wie wird aus Ihrer Sicht im Jahr 2050 die Schweiz aussehen?

Da bin ich 95 und wahrscheinlich gar nicht mehr hier. Diese Frage geht natürlich weit über unser Thema hinaus und ist eine Herausforderung für mich. Ich hoffe auf eine weiterhin offene Schweiz in einem offenen Europa, in einer möglichst offenen Welt, in welcher der Austausch von Daten, von Informationen und Wissen zum Wohle aller gewährleistet ist und in der noch viel mehr Leute von den Möglichkeiten, welche die digitale Welt bietet, nicht nur von Open Data, profitieren können. Was uns fehlt, ist eine Garantie der fundamentalsten Menschenrechte im digitalen Raum. Es ist eine zentrale politische Aufgabe, diese zu gewährleisten. Ich kann nicht sagen, wie das zu tun ist, aber im Moment sind diese Rechte nicht gewährleistet. Das macht mich grundsätzlich besorgt – bei aller Euphorie für Open Data, My Data usw. Das wird uns in den nächsten Jahren enorm beschäftigen. Das ist völlig klar.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

© Bettina Diel

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Public Value – schnell erklärtDie öff entliche Verwaltung darf nur das

tun, wofür sie einen gesetzlichen Auft rag hat. So weit, so einfach. Oder eben doch nicht: Denn aus guten Gründen werden die Auft räge an die öff entliche Verwaltung von Parlament und Regierung nicht bis ins Detail spezifi ziert. Wer sich um das grosse Ganze kümmert – und das ist nun mal die Aufgabe des Parlaments und der Regierung –, der kann die konkreten Details nur in Ausnah-mefällen kennen und sollte sich nicht zu sehr einmischen. So wie umgekehrt dieje-nigen, die sich um die konkreten Details kümmern, oft die grösseren Zusammenhän-ge nicht sehen und durch Detailerfahrungen voreingenommen sind.

Wenn aber die Verwaltung die Umsetzung ihres gesetzlichen Auft rags selber plant und als Vorgabe neben Gesetzen und Verord-nungen nur einen Budgetrahmen bekommt, dann stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation der Planung. Gerade weil die Planung Kreativität zulässt und oft auch verlangt, ist diese Frage wesentlich. Aber sie ist keineswegs die einzige kritische Fra-ge in Bezug auf die Selbstorganisation der Verwaltung im Rahmen gesetzlicher Auft räge: Welches sind denn die praktischen Leitlini-en und Bewertungskriterien für das Handeln der Verwaltung? Wo-nach soll sie sich richten? Welche Werte soll sie schaff en? Und wie kommt sie zu den richtigen Ressourcen? Da Partizipation und Kol-laboration der Bevölkerung und der Wirtschaft bei öff entlichen Leistungen eine wichtige Rolle spielen, reicht ordentliche Buchhal-tung und Auft ragsvergabe nicht aus für eine gute Ressourcen-steuerung.

Das Beziehungsdreieck der Public-Value-TheorieDie Public-Value-Theorie beschäft igt sich mit all diesen Fragen

und Problemen. Sie stellt das Zusammenspiel (bzw. Beziehungs-dreieck) der drei kritischen Steuerungsfaktoren öff entlichen Han-delns – Nutzen für die Gesellschaft (Public Value), demokratische Legitimation sowie Umsetzungsressourcen – in den Fokus. Um sie praktisch anzuwenden, ist es notwendig, alle drei Steuerungsfak-toren zu analysieren und zu modellieren. Für die Nutzenperspek-tive wurde dies in den letzten Jahren gemacht. Ausgangspunkt dabei ist die simple Beobachtung, dass «Nutzen für die Gesellschaft » ein leeres Wort ist. Sinn ergibt hingegen die Betrachtung des Nutzens für unterschiedliche Stakeholder in der Gesellschaft , basierend auf einer Unterscheidung verschiedener Nutzenarten (ökonomisch, sozial, strategisch, reputationsbezogen usw.) und unter Berücksich-tigung von möglichem negativen Nutzen. So kann man ein klares Bild der Wirkung eines Verwaltungsvorhabens bekommen, versteht aber meist noch nicht seine Dynamik. Dafür muss man zusätzlich den konkreten Wandel studieren, den die Umsetzung des Vorhabens bewirken wird. Aufgrund dieser Überlegungen wurde am Center for Technology in Government (CTG) der University of Albany das Analyseinstrument PVAT entwickelt, das in Stakeholder-Workshops eingesetzt werden kann. Es hilft insbesondere, Stolpersteine für die Projektdurchführung frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig aus dem Weg zu räumen.

Weisse Flecken auf der Theorielandkarte Noch zu wenig praxistauglich ausgearbeitet wurde die Pub-

lic-Value-Theorie in Bezug auf Legitimation und Ressourcen. Die Legitimationsfrage gewinnt derzeit infolge des technologiegetrie-benen gesellschaft lichen Wandels sehr an Bedeutung. Denn zum einen hat die Verwaltung viel mehr Möglichkeiten für kreatives Handeln als früher (und auch viel mehr Druck, tatsächlich kreativ zu werden), zum anderen wird ihr Handeln immer transparenter. Ausserdem wächst das Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, sich einzumischen. Der letztere Punkt hat auch Auswirkungen auf die Ressourcenfrage, beispielsweise wenn mit veröff entlichten, ma-schinenlesbaren Verwaltungsdaten Apps entwickelt werden, die durchaus dem Verwaltungsauft rag entsprechen, aber mit den ver-fügbaren Staatsressourcen nicht realisiert werden könnten. Das zeigt exemplarisch, dass neben den klassischen Formen der Frei-willigenarbeit auch die proaktive Einmischung der Bevölkerung zusätzliche Ressourcen schafft  – und dabei zugleich neue Legi-timationsfragen aufwirft .

Public Value in der Privatwirtschaft Die Legitimationsfrage wird sich in Zukunft aber auch für die

Privatwirtschaft stellen – in all jenen Bereichen, in denen Staat und Wirtschaft sich zunehmend miteinander verweben. Also fast über-all. Denn die Wirtschaft übernimmt immer mehr Aufgaben von Politik und Verwaltung, und umgekehrt setzen Politik und Verwal-tung immer mehr Spielregeln für die Wirtschaft . Da gleichzeitig politische Gruppen massiv Märkte umgestalten (z.B. die Piraten den Musikmarkt) oder sogar unternehmerisch tätig werden, löst sich die Trennung zwischen gewinnorientierten Vorhaben und politisch fi nanzierten Vorhaben immer weiter auf. In dieser Situation ist es mehr als vernünft ig, sich auch als nicht staatliche Organisation dem eigenen Public-Value-Beziehungsdreieck zu widmen und es bei der Weiterentwicklung gezielt zu berücksichtigen.

Konklusion Egal ob als Amt, als Schwimmbadbetreiber, als Fussballverein,

als Fernsehanstalt oder als kommerzielles Unternehmen im Ge-sundheitswesen, die praktische Anwendung der Public-Value-The-orie hilft , die Risiken zu erkennen und die Erfolgschancen zu erhö-hen. Es sind aber auch noch viele Forschungsfragen off en.

Quellen – Cresswell, A. M./Burke, G. B./Pardo, T. A.: Advancing Return on Investment Analysis for Government IT. A Public Value Framework. 2006. http://www.ctg.albany.edu/publications/reports/advancing_roi/advancing_roi.pdf.

– Moore, M. H.: Recognizing Public Value. Harvard University Press, Cambridge, 2013.

– Organisationsentwicklung, Heft 4/2013: Organisationen entdecken ihren Public Value.

Prof. Dr. Reinhard RiedlHerausgeber «eGov Präsenz»Wissenschaft licher Leiter Fachbereich Wirtschaft Berner Fachhochschulereinhard.riedl@bfh .ch

18Kolumne

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19Interview

Finanzierung von E-GovernmentPeter Fischer über Finanzierung im E-Government: Kurz und bündig spricht der Delegierte für die Informatik-steuerung des Bundes über die Themen Staatsfinanzierung, Kommerzialisierung und kreative Finanzierungs-formen. Interview: Anja Belfort, Reinhard Riedl

Staatsfinanzierung: Wie verkauft man E­Government den Politikerinnen und Politikern am besten?

E-Government ist die Ausgestaltung staatlicher Tätigkeit und deshalb in diesem Rahmen zu finanzieren. E-Government muss Nutzen stiften. Der beste Nutzen ist derjenige, der für die «Kunden» sichtbar ist, das heisst der für die Bevölkerung und die Wirtschaft in ihrer Beziehung zur Verwaltung anfällt. Damit können mit E-Gov-ernment auch politische Ziele erreicht bzw. unterstützt werden. Weniger (bemerkbare) Bürokratie, Standortvorteile, Attraktivität der Lebensräume oder schnellere und transparentere Prozesse sind hier die Stichworte. Daneben kann E-Government auch direkte Wirtschaftlichkeitsziele mit der Optimierung der Verwaltungspro-zesse verfolgen. Das sind alles Gründe, um E-Government in den Budgets vorzusehen.

Kommerzialisierung: Wie beurteilen Sie das Potenzial von privatwirtschaftlich entwickelten und betriebenen E­Govern­ment­Lösungen?

Viele für das E-Government notwendige Informatikanwendun-gen werden von privaten Firmen bereitgestellt. Das ist ein Markt. Solche Lösungen basieren häufig auf Anwendungen, die auch in der Privatwirtschaft eingesetzt werden. Für verwaltungsspezifische Lösungen ist der Markt kleiner, und damit sind auch die potenziel-len Skaleneffekte geringer. Trotzdem ist es ein attraktiver Markt für die Privatwirtschaft. Wichtig ist die Einhaltung von Standards wie denjenigen von eCH zur Gewährleistung der Interoperabilität. Mit einer modularen Architektur kann die Behörde flexibel eigene und privatwirtschaftlich bereitgestellte Lösungen bzw. Teilservices wie Bausteine zusammensetzen.

Kreative Ansätze: Sind Crowdfunding, Corporate Sponsoring oder andere unkonventionelle Finanzierungsformen realisti­sche Optionen für die Weiterentwicklung des E­Governments?

Verschiedene Verwaltungseinheiten werden vermehrt zusammen Lösungen und Services entwickeln bzw. entwickeln lassen. Dies auch unter Anwendung des Grundsatzes aus der E-Government-Strategie «einmal entwickeln, vielfach verwenden». In diesem Sinne ist die gemeinsame Finanzierung ein Thema. Mit der unter dem Namen eOperations geplanten gemeinsamen Betriebsorganisation könnte ein entsprechendes Vehikel bereitgestellt werden. Werden Lösungen am Markt beschafft, die schon anderswo im Einsatz sind, wird die Entwicklung über den Markt vorfinanziert. Werden Services am Markt bezogen, werden diese durch die Anbieter vorfinanziert. Grundsätzlich ist das E-Government jedoch durch die beauftragende Stelle zu finan-zieren. Kreative Ansätze müssen das Beschaffungsrecht beachten.

Peter Fischer ist Delegierter des Bundesrates für die Informatik-steuerung des Bundes. Dabei zeichnet er verantwortlich für die Erarbeitung der Vorgaben zum mittel- und langfristigen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und für die Führung der IKT-Standarddienste der gesamten Bundesverwal-tung. Er verantwortet die strategische Leitung von MELANI, der Melde- und Analysestelle Informationssicherung, der Public Pri-vate Partnership Organisation zum Schutz der kritischen Infor-mationsinfrastrukturen in der Schweiz. Dazu gehört auch die Koordination der Umsetzung der nationalen Strategie für den Schutz vor Cyberrisiken. Weiter koordiniert er die Umsetzung der E-Government Strategie Schweiz von Bund und Kantonen. Vorher war er als Stv. Direktor des Bundesamtes für Kommunika-tion zuständig für die Regulierung des Telekommunikationsmark-tes. Er hatte dabei die Marktöffnung konzipiert, durch den politi-schen Prozess begleitet sowie um- und durchgesetzt. Weiter betreute er die Erarbeitung und koordinierte die Umsetzung der bundesrätlichen Strategie für eine Informationsgesellschaft Schweiz. Neben seiner beruflichen Tätigkeit amtete er von 1999 bis 2007 als Dozent an der Universität Freiburg.Davor war er mehrere Jahre im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation zuständig für die Bereiche Post und Telekommunikation. In dieser Funktion hat er auch den Aufbau der Schweizer Regulierungsbehörde für Rund-funk und Telekommunikation (Bundesamt für Kommunikation) wesentlich geprägt. Peter Fischer ist Fürsprecher (Rechtsanwalt) und beschäftigte sich in seiner Tätigkeit insbesondere mit verwaltungsrechtlichen, politischen, volks- und betriebswirtschaftlichen sowie gesell-schaftspolitischen Fragestellungen im Umfeld der Informations- und Kommunikationstechnik.

Page 22: eGov Präsenz 1/2015

20Kolumne

Geld und Geist im E-GovernmentIn der Einladung zum eGov Fokus der BFH

am 19. September 2014 schwang die Resig-nation mit: «Die Finanzierung von E-Gover-nment-Projekten ist eine der Hauptheraus-forderungen im Schweizer E-Government.» Und, nicht weniger überraschend: «Als noch schwieriger erweist sich oft die Finanzie-rung des Betriebs von bereits entwickelten Basisdiensten, da gute Geschäftsmodelle fehlen.» Und so ist denn landauf, landab von Finanzierungs-, Geschäfts- und Nutzenmo-dellen sowie von der Public-Value-Theorie die Rede.

Und was kommt dabei raus? Der Steuerzahler hat für seine eige-nen Anliegen nur ein paar Almosen übrig. Geradezu lächerlich im Vergleich zu den knapp 100 Millionen Dollar, die zum Beispiel die weltweite Ice Bucket Challenge (IBC) in etwas mehr als einem Mo-nat zusammengetragen hat. Es ist zu befürchten, dass sich an solch verblüffenden Resultaten auch in Zukunft nichts ändern wird.

Woher solch frappante Unterschiede wohl rühren? Der Verdacht liegt nahe, dass die für E-Government vorgeschlagenen Geschäfts-modelle allzu simpel und damit unwirksam sind. Andererseits war gerade das Geschäftsmodell hinter der erfolgreichen IBC extrem simpel. Und die Teilnehmer mussten sich dank dem Brain Freeze, den sie sich selbst zugefügt hatten, gar nicht erst damit befassen. Ganz abgesehen davon, dass wohl die meisten von ihnen den tiefe-ren Sinn der Aktion gar nie verstanden haben. «Money for nothing», wie die Dire Straits seit 30 Jahren beklagen.

Gehts beim E-Government um uncoole Projekte? Nein, keines-wegs! E-Government-Projekte würden uns langweilige und zeitrau-bende Arbeit abnehmen und dabei Millionen sparen. Für das Ge-genteil, nämlich uns mit den Millionen aus unseren Taschen das Leben schwer zu machen, dafür finden Regierungen und Parla- mente abstruserweise immer «Lösungen».

Es ist wohl, wie es immer ist: Es muss an den zuständigen Per-sonen liegen oder, genauer gesagt, an gewissen Eigenschaften die-ser Personen, wie Forscher der University of Wisconsin, der London Business School und der Lubar School of Business mit ihren For-schungsarbeiten vor drei Jahren zweifelsfrei zeigen konnten. Elaine Wong, Margaret Ormiston und Michael Haselhuhn1 ist der Nachweis gelungen, dass bei CEO die Width-to-Height-Ratio (WHR),2 das Breite-zu-Höhe-Verhältnis im Gesicht, eine zuverlässige Vorher sage darüber erlaubt, wie gut die «Financial Performance» ihrer Unter-nehmen sein wird. Vereinfacht ausgedrückt: Je breiter Ihre Visage, desto erfolgreicher werden Sie sein.

Bevor Sie sich nun aber überstürzt vor den nächsten Spiegel stel-len und messen, ob Sie ein noch besseres WHR als Buddha, Churchill oder Kim Jong-un und damit das Zeug für erfolgreiche E-Govern-ment-Finanzierungen haben, sollten Sie drei Dinge bedenken: 1) Sind Sie eine Frau, lassen Sies bleiben: «Men’s facial WHRs are larger than women’s.» 2) Sind Sie ein Mann mit exzellentem WHR, sollten Sie Folgendes wissen: «Differences in facial WHR are linked

to aggression in men, with greater facial WHR being associated with more aggressive behavior.» Wollen Sie etwa als künftig erfolgreich, aber aggressiv gelten? 3) Die Forschungsergebnisse von Satoshi Kanazawa (London School of Economics) und Jody Kovar (Indiana University of Pennsylvania)3 sprechen eine ganz andere Sprache. Die beiden kommen nämlich nach den Gesetzen der Logik zum Schluss «More beautiful people are more intelligent» und – nach weiteren Schritten unerbittlicher Logik  – zum Theorem «More beautiful people are more aggressive». Führt man die erwähnten Forschungen konsequent weiter, folgt unweigerlich, dass aggressi-ve Männer dank ihren breiten Mondgesichtern erfolgreicher und intelligenter und damit schöner sind. Oder so.

Was lehrt uns also die Forschung?Meine Frau ist mit den erwähnten Ergebnissen nicht einverstan-

den. Sie meint, ich könnte ruhig etwas weniger aggressiv, aber da-für etwas hübscher und erfolgreicher sein. Das Finanzierungs-problem für E-Government-Projekte ist also nach wie vor ungelöst.

Und nachdem wir uns so heillos im Unterholz des psychologi-schen Forschungsurwalds verheddert haben, sollten wir uns wieder auf handfestere Dinge konzentrieren. Zum Beispiel auf zweckmäs-sige Finanzierungsmodelle für E-Government-Projekte.

1 Wong, Elaine M./Ormiston, Margaret E./Haselhuhn, Michael P.: A Face Only an Investor Could Love: CEO’s Facial Structure Predicts Their Firms’ Financial Performance. In: Psychological Science 22 (2011) 12. S. 1478–1483.

2 Das Verhältnis der Distanz zwischen dem linken und dem rechten äussersten Punkt des Jochbeins und der Distanz zwischen Augenbraue und Oberlippe.

3 Kanazawa, Satoshi/Kovar, Jody L.: Why Beautiful People Are More Intelligent. In: Intelligence 32. S. 227–243.

Ernst Menet Fachbereich Wirtschaft Studiengangsleiter MSc Wirtschaftsinformatik [email protected]

Wer sich für Forschungen der erwähnten Art interessiert, dem sei das erleuchtende Werk von Marc Abrahams empfohlen: «This is Improbable: Cheese String Theory, Magnetic Chickens and Other WTF Research» (Oneworld Publications, Oxford, 2012, Titel der deutschen Übersetzung: «Warum denken wehtun kann»). Marc Abrahams ist der Gründer des Ig-Nobelpreises.

Page 23: eGov Präsenz 1/2015

21Fachbereich Wirtschaft

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Anja BelfortBerner FachhochschuleChefredaktorin «eGov Präsenz»anja.belfort@bfh .ch

eGov Fokus – ImpressionenBei der Tagung eGov Fokus am 19. September 2014 zum Thema «Finanzen und Steuerung im E-Government» standen die Finanzierung von Projekten sowie der Betrieb von bereits entwickelten Basisdiensten im Zent-rum. Diese Themen stellen nach wie vor eine Herausforderung im Schweizer E-Government dar, da gute Geschäft smodelle fehlen. Die Tagung präsentierte praktische Lösungen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich.

(Prof. Dr. Reinhard Riedl, BFH)

«Der vielleicht grösste Vorteil der Unternehmerkultur gegenüber der Verwaltungskultur ist, dass Unter-nehmer Fehler und Scheitern kennen, Politik und Ver-waltung aber nur Erfolg und korrektes Handeln.»

(Marianne Fraefel, Bundesamt für Justiz)

«Die Organisation soll Dienstleistungen erbringen, die in der Verwaltung auch nachgefragt werden.»

(Werner Möckli, SIX Terravis AG)

«Der Lieferant meint immer, er wisse, was die Kunden wollen. Das stimmt nicht, man muss das mit den Kun-den immer vorgängig abklären.»

(Dr. Christian Mrugalla, Bundes-ministerium des Innern, Berlin)

«Wenn ich über alle Probleme bei der Umsetzung der Standards etwas erzählen würde, wäre die Zeit begrenzung bereits überschritten. Der Teufel steckt im Detail.»

(Dipl.-Ing. Franz Grandits, Leitung der nationalen E-Gov-ernment-Kooperation Wien)

«Wenn die Juristen das Internet erfunden hätten, würde es heute noch nicht funktionieren.»

(Peter Trachsel, Informatik-steuerungsorgan Bund)

«Ein grosses Problem im E-Government ist die Sicher-heit. Wir werden E-Government nicht stemmen kön-nen, wenn wir das gängige System nicht überdenken.»

22 Veranstaltungen

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(Prof. Dr. Klaus Lenk, Universitätsprofessor (em.) für Verwaltungswissenschaft, Universi-tät Oldenburg)

«Man muss sich Gedanken machen über das Verhältnis Mensch und Technik. Oft haben wir die Lösung, bevor wir das Ziel festgelegt haben. Das ist ein Grund fürs Scheitern.»

Die Dokumentation der einzelnen Referate und weitere Informa-tionen zur Tagung eGov Fokus finden Sie untere-government.bfh.ch/egf.

‣ Wirtschaft

E-Gov Fokus 1/2015Marketing und Service Design im E-GovernmentFreitag, 5. Juni 201509.00–15.30 Uhr (anschliessend Apéro)Hotel Bern, Zeughausgasse 9, 3011 Bern

Technik allein genügt nicht, Kommunikation allein auch nicht. Ein benutzerzentriertes Service Design und ein zeitgemässes Marketing sind essentiell. Der eGov Fokus präsentiert den Stand der Forschung und praxiserprobte Lösungen aus der Schweiz und dem Ausland.

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ValuePublic

23Veranstaltungen

Page 26: eGov Präsenz 1/2015

Vom Weihnachtstruthahn in der AllmendDie zwölft e Tagung für Informatik und Recht vom 5. November 2014 im Rathaus in Bern ging der Frage nach, wie mit den Herausforderungen von Big Data umzugehen ist.

Chancen und HerausforderungenDr. Martin Dumermuth, Direktor des Bun-

desamtes für Justiz, eröff nete die Tagung und umriss die wichtigsten Chancen und Herausforderungen von Big Data. Dabei be-tonte er insbesondere die Notwendigkeit multidisziplinärer Kompetenzen, um den Einsatz von Big Data wirksam kontrollieren zu können. Zudem wies er auf die wachsen-de Wahrscheinlichkeit der De-Anonymisie-rung anonymer Daten hin, die die steigende Datenmenge mit sich bringt – eine Proble-matik, die im Rahmen der anstehenden Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) Berücksichtigung fi nden soll.

Vom WeihnachtstruthahnDie folgenden Referate gingen im Einzelnen auf die bezeichneten

Themen- und Problemfelder ein. Im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten wurde ein Aspekt hervorgehoben, der in der alltäg-lichen Diskussion über Big Data in der Regel etwas untergeht: Aus einer riesigen Datenmenge nützliche und vor allem die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist ein überaus anspruchsvolles Unterfangen, das aufgrund der steigenden Datenmengen und potenzierten Vernet-zungsmöglichkeiten stetig schwieriger wird. Und geradezu hochpro-blematisch ist es, aus Vergangenheitsdaten Zukunft sprognosen zu erstellen. Dies veranschaulichte Dr. Pierre Rossel von der EPF Lau-sanne am Gleichnis des Weihnachtstruthahns, welcher sein ganzes Leben lang gehegt, gepfl egt und gefüttert wird, sodass er aufgrund einer Datenanalyse zum Schluss kommen müsste, dass dies in Zu-kunft so weitergehen und er sicherlich einer privilegierten Spezies angehören müsste. Das dahinterliegende verschwörerische Szenario des Menschen kennt er nicht, und allein aufgrund einer Analyse der ihm vorliegenden Vergangenheitsdaten ist es auch unmöglich er-kennbar. Die berühmte Prämisse von Chris Anderson, Big-Data-Ana-lysen würden die wissenschaft liche Theorie obsolet werden lassen,1 wird damit widerlegt, auch wenn die vermehrte Nutzung der Analy-se von Korrelationen statt kausalistischer Theorien zum Erkenntnis-gewinn im Grundsatz unbestritten geblieben ist. Prof. Dr. Klaus Mainzer von der Technischen Universität München brachte die Not-wendigkeit beider Methoden treff end auf den Punkt: Theorie ohne Daten ist zwar leer, Daten ohne Theorie hingegen sind blind.

Keine rechtlichen Regelungen zu Big DataIn rechtlicher Hinsicht hat Prof. Dr. Rolf H. Weber von der Uni-

versität Zürich festgehalten, dass momentan keine Regelungen bestehen, die Big Data und insbesondere die Problematik der De-An-onymisierung gezielt anvisieren. Auch im europäischen Umland existieren lediglich unverbindliche Richtlinien und Empfehlungen.

Wie die bevorstehenden datenschutzrechtlichen Probleme gelöst werden können und sollen, bleibt off en. Fest steht nur, dass der bisherige Weg über die Einwilligung der Betroff enen vor dem Hin-tergrund der neuen Herausforderungen unbefriedigend ist.

Smarte DiskriminierungEin bevorzugtes Einsatzgebiet von Big-Data-Analysen ist der

Bereich der inneren Sicherheit und der Gefahrenabwehr. Eine Si-cherheitslösung, die Datenschutzbedenken berücksichtigen soll, stellen «smarte Videoüberwachungssysteme» dar, die nur aus der Norm fallendes Verhalten aufzeichnen. Maximilian Wolf von der Universität Freiburg i.B. und Prof. Dr. Dirk Helbing von der ETH Zürich zeigten auf, dass dadurch andere Grundrechte der Betroff e-nen gefährdet sind, indem ein Anpassungsdruck erzeugt und die persönliche Selbstentfaltung gefährdet wird. Schon das Gefühl, überwacht zu werden, ist für den Menschen und die demokratische Gesellschaft schädlich. Folgen den Datenanalysen auch automati-sche Entscheidungsprozesse, so besteht die Gefahr diskriminieren-

Timur AcemogluVerein eJustice.CHGeschäft [email protected]

Dr. Martin Dumermuth, Direktor Bundesamt für Justiz

1 Anderson, Chris: The End of Theory: The Data Deluge Makes the Scientifi c Method Obsolete. In: Wired Magazine (16.07), http://archive.wired.com/science/discoveries/magazine/16-07/pb_theory (10.11.2014).

24Veranstaltungen

Page 27: eGov Präsenz 1/2015

der Effekte und einer Umkehr der Beweislast: Wer einmal von einem Algorithmus ausgesondert wurde, gegen den besteht ein Anfangs-verdacht, den er de facto widerlegen muss, um seine Unschuld zu beweisen.

Von Allmenden und GenossenschaftenWelche Handlungsmöglichkeiten bestehen ausser in daten-

schutzrechtlicher Hinsicht, um diese hochkomplexe Situation in den Griff zu bekommen? Hier könnten Schweizer Stärken und Er-fahrungen allenfalls wegweisend sein. So plädiert Prof. Helbing für ein «Citizen Web», welches ähnlich wie eine Allmend kollektiv durch die Nutzerinnen und Nutzer verwaltet wird. Dadurch würde diesen die Handlungsmacht zurückgegeben, und sie würden im Sinne von sozialer Kontrolle bzw. als «Crowd Security» die Sicherheit selbst gewährleisten. Einen ähnlichen Ansatz im Sinne eines Koopera-tionsmodells zur Ermächtigung der Dateninhaber, das jedoch eher anwendungsbasiert ist, schlägt Prof. Dr. Ernst Hafen von der ETH Zürich vor: Dateninhaberinnen und -inhaber sollen sich in «Daten-genossenschaften» zusammenschliessen, um sämtliche Daten für die Zwecke der Forschung oder auch zu kommerziellen Zwecken in

sicherer Form zur Verfügung zu stellen. Durch das damit verbun-dene Wegfallen der «Datensilos» kann die Datenqualität erhöht werden. Gleichzeitig erhalten die Dateninhaber eine erhöhte Markt-macht und können an den erzielten Gewinnen partizipieren.

Am Ende blieb die Erkenntnis, dass viele offene Fragen und vi-sionäre Ansätze zu diskutieren sind. Die entsprechende Diskussion wurde in den erhabenen Gemäuern des Berner Rathauses auch zwischen und nach den Referaten intensiv geführt, und sie wird uns definitiv noch weiter begleiten.

Die Referate der Tagung finden Sie auf der Website der Tagung www.rechtsinformatik.ch

Dr. Pierre Rossel, EPFL Lausanne Prof. Dr. Dirk Helbing, ETH Zürich

Berner Rathaus

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Page 28: eGov Präsenz 1/2015

E-Government-Symposium 2014Modular ein neues E-Government-Universum schaffen Bereits zum achten Mal trafen sich Anfang November die wichtigsten Akteurinnen und Akteure des Schweizer E-Governments zum jährlichen Austausch. Der modulare Aufbau von Services, der Wiederverwendbarkeit und rasche Implementierung ermöglichen soll, stand in diesem Jahr im Zentrum der Veranstaltung. «Plug & Play E-Government» und «E-Government aus dem Baukasten» waren die Schlagworte, die die Vortragen-den aus unterschiedlichen Perspektiven mit Konzepten und Erfahrungen veranschaulichten.

Die «Engagierten und Passionierten» des E-Governments, wie Peter Fischer, Delegier-ter des Bundesrates für die Informatiksteu-erung, die Anwesenden begrüsste, hörten zu Beginn des Tages ein klares Votum von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, welche Anforderung an elektronische Dienstleis-tung im Zentrum steht: «Gäbig», so der schweizerdeutsche Ausdruck für einfach und praktisch, soll die Interaktion von Be-wohnerinnen und Bewohnern der Schweiz mit den Behörden sein. Einfache Interak-tionen mit der Verwaltung würden nicht nur Zeitersparnis bedeuten, sondern seien die Grundlage für das Vertrauen in die Behörden und damit in den Staat und die direkte De-mokratie, strich die Bundesrätin heraus. Sie verwies auf die Aktivitäten und Projekte in ihrem Departement, deren Ziel es ist, Infra-struktur bereitzustellen, damit Behörden aller föderalen Ebenen elektronisch mit den Bürgerinnen und Bürgern interagieren können.

Interaktion und Partizipation als ZielBundesrätin Sommaruga erklärte ihr Verständnis von E-Govern-

ment als Kommunikationskanal zwischen Bürgern und Behörden, in dem die Sprache zentral sei: Die Bürgerinnen und Bürger sollten die Behörden verstehen können. Beim Transparentmachen von Ver-fahren und Entscheidungen könnten elektronische Mittel einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung des Vertrauens und Steigerung der Beteiligung an den Entscheidungsprozessen leisten. Besonders dann, wenn es um die Ansprache und Integration von jungen, inter-netaffinen Menschen gehe. Alle elektronischen Interaktionen wür-den eine elektronische Infrastruktur bedingen, so die Bundesrätin weiter. Dabei sei sorgfältig zu prüfen, welche Aufgaben der Staat und welche die Privatwirtschaft übernehmen soll. In diesem Sinne wer-de aktuell auch eine schweizerische elektronische Identität geprüft.

Modularisierung löst Silos auf

Jean-François Junger, der sich bei der Europäischen Kommission in der DG Connect mit der Zukunft von E-Government beschäftigt, präsentierte seine Vision von Open Government. Diese beinhaltet nicht nur offene Daten, sondern auch offene Services und offene Prozesse. Erst mit einer umfassenden Öffnung aller Elemente der Leistungserbringung könne die Wiederverwendung und damit der Abbau der Silostrukturen in der Infrastrukturnutzung erreicht wer-den. Junger erweiterte die Verwaltungssicht, indem er auf die viel-

fältigen Möglichkeiten von privaten und behördlichen Nutzungen hinwies. So könnten private Anbieter auch Prozesse oder Services für ihre Zwecke nutzen oder Komponenten zur Verfügung stellen. Die aktuellen Bemühungen, Behördendaten öffentlich zugänglich zu machen, seien dabei der Beginn einer Entwicklung. Die skizzier-te weitere Öffnung würde mit ihren unzähligen Kombinationsmög-lichkeiten ein neues Universum von Dienstleitungen schaffen.

Jérôme Brugger Wissenschaftlicher Mitarbeiter E-Government-Institut Berner Fachhochschule [email protected]

Bundesrätin Simonetta Sommaruga

Jean-François Junger, Deputy Head of Unit, DG Connect, Unit «Public Services», European Commission

26Veranstaltungen

Page 29: eGov Präsenz 1/2015

Diese Vision sei technisch machbar, brauche aber erhebliche An-passungen von Gesetzen, Prozessen und – vor allem – eine Verän-derung im Denken.

Lernen von BeispielenDie Prinzipien der modularen Verwendung und der Standardi-

sierung von Servicekomponenten wurden am Symposium anhand beispielhafter Anwendungsfällen konkretisiert. Die Entwicklung in der IT der Finanzindustrie schilderte Peter Schnorf, IT-Chefar-chitekt bei der Credit Suisse, in seinem Referat. Fortgeführt wurde die Diskussion an Beispielen in den Fachsessionen. Als Abschluss des Vormittags wurde das E-Government des Kantons Aargau mit

dem Spezialpreis Schweiz des E-Government-Wettbewerbs ausge-zeichnet: ein gelungenes Beispiel für das Bereitstellen von Infra-struktur, die modular von einzelnen Ämtern und Gemeinden ent-sprechend ihren Bedürfnissen genutzt werden kann.

Das neunte E-Government-Symposium findet am 22. Oktober 2015 in Bern statt. Weitere Informationen unter http://www.egovernment-symposium.ch

Abschlussapéro

Moderierte Diskussion Jürg Römer, Fachbereich Wirtschaft, Berner Fachhochschule

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Page 30: eGov Präsenz 1/2015

Veranstaltungsvorschau InfoSocietyDays 2015Agile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig, bürgerfokussiertVom 3. bis 6. März 2015 finden in Bern die 18. InfoSocietyDays statt. Teil des viertägigen Kongresses ist das Swiss eGovernment Forum, das sich in der Branche als wichtige Informations- und Networking-Plattform etabliert hat. Die Veranstalter rechnen am Forum mit rund 500 Besucherinnen und Besuchern aus Verwal-tung und Wirtschaft und versprechen ein spannendes Programm in der BERNEXPO.Interview: Ines Heer

Jürg Lehni, «Agile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig und bürgerfokussiert» – so lautet der Titel der InfoSocietyDays 2015. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

In unserer komplexen und schnelllebigen Welt müssen Bundes-

stellen, Kantone und Gemeinden in der Lage sein, auf dynamische Anforderungen ausreichend flexibel zu reagieren. Das bedeutet, aus Veränderungen zeitnah die richtigen Schlüsse zu ziehen, Strukturen, Prozesse, Ressourcen und Tätigkeiten schnell auf die neuen Erfor-dernisse auszurichten und die Aufgabenerfüllung durch technische und organisatorische Weiterentwicklungen stetig zu optimieren.

Armin Haymoz, gibt es denn überhaupt eine agile Verwaltung in der Schweiz?

Die agile Verwaltung, die als Exempel für alle Verwaltungen

beigezogen werden kann, gibt es sicherlich nicht. Generell kann aber festgestellt werden, dass es auf Stufe Bund, Kantone und Ge-meinden äusserst agile Verwaltungen gibt. Interessant ist, dass sie im selben Kanton ein Amt haben können, dass sehr agil und kun-denorientiert arbeitet und daneben ein anderes Amt, das eher schwerfällig, kompliziert und verwaltungslastig unterwegs ist. Der Grund für solch grosse Unterschiede im selben Kanton beim selben Departement ist in den Menschen zu suchen, die die Verwaltungs-einheit führen, die den Mitarbeitenden ein Beispiel geben und die ihren Auftrag gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern klar als Dienstleister, als Problemlöser wahrnehmen.

Welches sind denn die Voraussetzungen für eine agile Verwal-tung? Zuerst braucht es einen klaren Leistungsauftrag, sodann einfache zielgerichtete Prozesse und gute Managementinstrumen-te, und vor allem braucht es Menschen, die mit den vorgegebenen Rahmenbedingungen die agile Verwaltungseinheit zugunsten der Bürgerinnen und Bürger anbieten.

Armin Haymoz, wo steht die Schweiz im internationalen Ver­gleich? Sind Verwaltungen in anderen Ländern agiler?

Die Schweiz steht im internationalen Vergleich insbesondere

gegenüber unseren Nachbarstaaten gut da. Dies liegt einerseits an der guten Ausbildung der Verwaltungsmitarbeitenden. Andererseits liegt es an der direkten Demokratie, den strengen Budgetvorgaben und den weitverbreiteten Defizitverboten, die dazu führen, dass die Arbeit und die Leistungsfähigkeit der Verwaltungen immer wieder

überprüft werden. Auch der Wettbewerb zwischen den Gemeinden und zwischen den Kantonen wirkt sich positiv auf die Leistungsfä-higkeit der Verwaltung aus. Regelmässige Benchmarks zeigen auf, wer mit den zur Verfügung gestellten Mitteln die beste Leistung erbringt. Schliesslich führen auch Befragungen der Bürgerinnen und Bürger über die Zufriedenheit von Verwaltungsabteilungen dazu, dass eine stete Verbesserung umgesetzt wird.

Armin Haymoz, wie kann die Wirtschaft den Agilitätsprozess der Verwaltungen unterstützen?

Ein Erfahrungsaustausch zwischen Verwaltung und Wirtschaft

bezüglich der Arbeitsprozesse und der eingesetzten Instrumente, aber auch bezüglich Personal fördert den Agilitätsprozess der Ver-waltungen. Es ist wichtig, dass Mitarbeitende aus der Verwaltung in die Wirtschaft wechseln, aber auch dass Mitarbeitende von der Wirtschaft in die Verwaltung wechseln, sodass auf beiden Seiten Verständnis aufgebaut wird und neue Impulse gegeben werden. Weitere Elemente der Unterstützung sind sicherlich gemeinsame Forschungsprojekte, wie wir sie regelmässig in Zusammenarbeit mit Fachhochschulen und Universitäten haben. Dabei geht es darum, Verwaltungstätigkeiten, die mit Tätigkeiten der Privat wirtschaft vergleichbar sind, zu überdenken und gemeinsam zu optimieren. Schliesslich ist es auch wesentlich, dass Verwaltungs ein heiten, die privatwirtschaftliche Leistungen erbringen, verselbstständigt wer-den, damit sie die Agilität, die Unabhängigkeit und die Flexibilität von privaten Unternehmen annehmen können. Zurzeit gibt es viele Verselbstständigungen in den Bereichen Gesundheit, Energie, Ver-sorgung und Entsorgung. Wichtig ist, dass die Wirtschaft gegenüber der Verwaltung ihre Bedürfnisse klar kommuniziert. Auf der ande-ren Seite muss sie aber auch Verständnis dafür haben, dass die Ver-waltung sich ihre Kundinnen und Kunden nicht aussuchen kann, schwierige Kunden nicht ablehnen kann und somit oftmals nicht die gleiche Voraussetzung hat wie ein privates Unternehmen. Aber wenn man Erfahrungen austauscht und voneinander lernt, werden Verwaltung wie Wirtschaft noch agiler, noch kundenfreundlicher und noch wettbewerbsfähiger werden.

Jürg Lehni, was erwarten Sie persönlich von den Konferenz­vorträgen?

Das Swiss eGovernment Forum zeichnet sich durch einen hohen

Praxisbezug aus. Entsprechend geben die Referate Antwort auf praxisrelevante Fragestellungen. Welche Herausforderungen sind

28Veranstaltungen

Page 31: eGov Präsenz 1/2015

29Veranstaltungen

zu bewältigen? Was bestimmt den Reifegrad einer agilen Verwal-tung? Welche Voraussetzungen sind auf Stufe Politik, Gesetzgebung und Strategie zu schaff en? Wie vollzieht die Verwaltung den Wandel von der reinen Ablauforganisation zur Prozessorganisation? Welche Rolle spielen dabei Standards, Schnittstellen und Kooperationen? Wie schafft die Behörde den Schritt von der hoheitlichen Verwaltung zum bürgerorientierten Servicecenter?

Jürg Lehni, gibt es Neuerungen im Ablauf der InfoSociety­Days 2015? Welches Publikum möchten Sie ansprechen?

Neu ist das Tagungsthema, gleich ist die bewährte Struktur mit

Plenumsreferaten am Vormittag und Parallelsessions samt Lösungs-präsentationen am Nachmittag. Das Forum richtet sich an alle Mit-arbeitenden von Bund, Kantonen und Gemeinden, die sich für die Herausforderungen und Konsequenzen im agilen Verwaltungsma-nagement interessieren.

Jürg Lehni, in einem Satz: Warum sollte ich an den Info­SocietyDays 2015 teilnehmen?

Um frei vom Alltagsstress einen oder zwei Tage Zeit zu haben für Inspiration, Denkanstösse, Erfahrungsaustausch und Networking.

Swiss eGovernment ForumAgile Verwaltung – flexibel, reaktionsfähig und bürgerfokussiert

3. & 4. März 2015 | BERNEXPO Mittwoch: Spezieller Thementrack Lösungen für Städte und Gemeinden

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen? Was bestimmt den Reifegrad einer agilen Verwaltung? Welche Voraussetzungen sind auf Stufe Politik, Gesetzgebung und Strategie zu schaffen? Wie vollzieht die Verwaltung den Wandel von der reinen Ablauforganisation zur Prozessorganisation? Welche Rolle spielen dabei Standards, Schnittstellen und Kooperationen? Wie schafft die Behörde den Schritt von der hoheitlichen Verwaltung zum bürgerorientierten Servicecenter?

Weitere Informationen unter www.infosocietydays.ch/eGovernment @ISD_eGovernment

5 1 info societydays

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30 E-Government Szene Schweiz

E-Government-Aktionsplan: eine ZwischenbilanzDer E-Government-Aktionsplan wurde mit der Erneuerung der Rahmenvereinbarung über die E-Govern-ment-Zusammenarbeit 2012 eingeführt. 2014 hatten Verantwortliche von priorisierten Vorhaben das vierte Mal die Möglichkeit, fi nanzielle Unterstützung über den Aktionsplan zu beantragen. Was konnte bisher mit den Geldern erreicht werden, die Bund und Kantonen paritätisch zur Verfügung stellen?

Die öff entlich-rechtliche Rahmenverein-barung über die E-Government-Zusammen-arbeit zwischen Bund und Kantonen liegt dem nationalen E-Government-Programm seit 2008 zugrunde. Nach der ersten Legis-latur gemeinsamer Umsetzung wurde die Rahmenvereinbarung unter leichten Anpas-sungen bis 2015 verlängert. Eine der wich-tigsten Neuerungen, die 2012 in Kraft trat, war die Einführung des E-Government-Ak-tionsplans. Gemäss diesem kann für priori-sierte Vorhaben des Programms E-Govern-ment Schweiz fi nanzielle Unterstützung beantragt werden, das heisst für die Umset-zung von «für ihre Realisierung wesentli-chen kurz-, mittel- und langfristigen Mass-nahmen»1.

Gemeinsame fi nanzielle Unterstützung für Vorhaben mit breiter Wirkung

Insgesamt stellen Bund und Kantone für den Aktionsplan zur Beschleunigung der Strategieumsetzung jährlich 2,4 Millionen Schweizer Franken zur Verfügung. Der Steu-erungsausschuss E-Government Schweiz entscheidet über die Zuteilung der Mittel. Umfassen die Anträge nicht das volle Bud-get, bildet der Steuerungsausschuss eine Reserve und überträgt der Geschäft sstelle E-Government Schweiz die Verantwortung, diese Reserve zur Unterstützung kurzfristi-ger Massnahmen als sogenannte «Quick Wins» an priorisierte Vorhaben abzugeben.

Aktionsplans 2012–2014: Erfolge und Herausforderungen Seit der Einführung des Aktionsplans wurden Massnahmen aus

16 priorisierten Vorhaben mit fi nanziellen Beiträgen unterstützt. Dabei erhielten einige Vorhaben über mehrere Jahre Unterstützung. Die Gelder konnten erfolgreich für die Umsetzung von Massnahmen eingesetzt werden, die sonst das Projektbudget überstiegen hätten. So war die Entwicklung einer Vielzahl von eCH-Standards im Rah-men von priorisierten Vorhaben möglich. Damit wurde ein Ökosys-tem gefördert, in dem off ene Standards die Interoperabilität und die Wiederverwendbarkeit der Lösungen sicherstellen. Mit der Unterstützung aus dem Aktionsplan erreichten Vorhaben wichtige Meilensteine, wie die Umsetzung eines Validators für elektronische Urkunden im Vorhaben «A1.07 Bestellung und Bezug von beglau-bigten Registerauszügen». Im Vorhaben «A1.06 Baubewilligung beantragen» konnte die Kooperation unter den Kantonen gefördert werden: Mehrere Kantone pfl egen heute gemeinsam den Kerncode der Anwendung CAMAC, der weiteren interessierten Kantonen kos-tenlos zur Verfügung steht. Das Vorhaben «B2.08 E-Rechnung» hat

E-Rechnungs-Projekte in Kantonen und Gemeinden mit den Geldern aus dem Aktionsplan direkt subventioniert und so die Ausbreitung der E-Rechnung beschleunigt. Die Liste der Projektmeilensteine, die im Rahmen des Aktionsplans umgesetzt wurden, könnte hier noch weitergeführt werden. Für eine Zwischenbilanz ist vor allem von Bedeutung, dass der Aktionsplan seit 2012 für die Umsetzung zeitlich klar begrenzter Massnahmen wichtige Unterstützung ge-leistet und zu einer beschleunigten Ausbreitung von E-Government in der Schweiz geführt hat.

Im heutigen Programm E-Government Schweiz sind Organisa-tionen mit ausgewiesener Expertise aus dem Alltagsgeschäft für die Umsetzung eines Vorhabens verantwortlich und federführend. Einige dieser Organisationen verfügen zwar über das themenspe-zifi sche Know-how und das nötige Netzwerk, kommen aber bei der Umsetzung und später dem Betrieb an die Grenzen ihrer Ressourcen. Gelder aus dem Aktionsplan wurden daher auch für den Einsatz der Projektleitung eingesetzt. In den betreff enden Vorhaben stellt die Jährlichkeit der Mittelabgabe eine zusätzliche Herausforderung dar, da diese eine langfristige Projektplanung erschwert.

Ausblick: «E-Government Schweiz ab 2016»Der Steuerungsausschuss hat sieben Vorhaben in den Aktions-

plan 2015 aufgenommen. Zudem stehen im laufenden Jahr Reserven zur Verfügung, die zur Unterstützung kurzfristiger Massnahmen eingesetzt werden können. Gleichzeitig läuft aktuell der Prozess zur Weiterentwicklung der E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz. Die Weiterführung des Aktionsplans oder eines ähnlichen Unterstützungsinstruments ist dabei ein wichtiges Handlungsfeld. Die oben genannten Stärken und Schwächen, die in der Führung des Aktionsplans in den letzten Jahren deutlich wurden, sind dabei unbedingt zu berücksichtigen. Mit der Erneuerung der Rahmenver-einbarung per Ende 2015 bietet sich die Chance, Schwachstellen des bisherigen Umsetzungsmodells anzugehen. Die Geschäft sstel-le E-Government Schweiz möchte diese Chance gemeinsam mit der im Projekt «E-Government Schweiz ab 2016» eingesetzten interfö-deralen Arbeitsgruppe packen, um E-Government in der Schweiz noch effi zienter vorantreiben zu können.

1 Art. 2a, Öff entlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Govern-ment-Zusammenarbeit in der Schweiz (2007–2015). S. 2.

Anna FaoroGeschäft sstelle E-Govern ment [email protected]

Andreas ForrerProjektleiter AktionsplanGeschäft sstelle E-Government [email protected]

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31E-Government Szene Schweiz

Anzahl Dokumente (bis 2013)

Aktiv

itäte

n 20

14

Aktivitäten 2013

Dig Arch

Geonormen

GP

IAM

Meldewesen

ObjektwesenPolitische Rechte

Expertenausschuss

externe

–2

0

2

4

6

8

10

12

–2 3 8 13 18 23 28 33

Abbildung 1: Geplante Standardisierungsaktivitäten nach Fachgruppen für 2014

Prof. Dr. Andreas SpichigereCHPräsident Experten-ausschussandreas.spichiger@bfh .ch

Finanzielle Führung und Governance bei eCHAufgaben

eCH hat als Verein den Zweck, E-Govern-ment zu fördern. Der Verein macht dies insbesondere, indem er Standards verab-schiedet und koordiniert. Dabei fördert er die Umsetzung von internationalen Stan-dards. Die wesentlichsten Vorgaben zur Governance sind bei eCH in den Statuten [1] festgelegt. Der konkrete Standardisierungs-prozess ist in den Statuten des Vereins in Art. 40, Abs. 3 [1] begründet und in eCH-0003 «Leitfaden zur Genehmigung von An-trägen» [2] standardisiert. Für die Statuten

des Vereins ist die Generalversammlung zuständig, während bei eCH-0003 (als einzigem Standard) der Vorstand für die Verabschie-dung zuständig ist. Der Expertenausschuss, der im Normalfall über Änderungen an Standards beschliesst, und die Geschäft sstelle eCH, welche die Standardisierungsaktivitäten unterstützt, erledigen ihren Auft rag nach eCH-0003.

Alles in allem nehmen die Standardisierungsaktivitäten eher langsam zu: Standardisierung geschieht als Folge von Gesetzge-bungsprozessen oder durch entsprechende Projekte, insbesondere im Programm der priorisierten Vorhaben von E-Government Schweiz. Der Bedarf für Standards wird durch die Fachgruppen aufgenommen. Es besteht aber auch für Externe die Möglichkeit, bei eCH Standards zur Verabschiedung einzureichen.

PlanungWenn man sich vor Augen führt, wie breit die Tätigkeiten von

Behörden sind (www.ch.ch/de/abisz oder eCH-0122 geben dazu einen kleinen Überblick), ist für eine Standardisierungsorganisa-tion grundsätzlich sehr viel zu tun. Gemäss dem Motto «Es gibt viel zu tun, packen wir es an!» lässt sich also sehr viel Arbeit generieren. Doch was ist zuerst zu tun?

Vereinsmitglieder und Externe können anregen, welche Themen bei eCH konkret verfolgt werden sollen. Wenn ein Themenantrag bewilligt ist, wird dieser entweder einer bestehenden Fachgruppe zugewiesen, oder die Gründung einer neuen Fachgruppe wird ini-tiiert.

Die Jahresplanung auf Gesamtvereinsebene beginnt jeweils etwa im Oktober in den Fachgruppen. Im Rahmen des Fachgruppenlei-tertreff ens im November berichten die Fachgruppenleiter einander, welche Aufgaben sie im laufenden Jahr erledigt haben und welche Aktivitäten für das neue Jahr vorgesehen sind. Diese Berichte bilden die Grundlage für den Jahresbericht, das Budget und den Bericht des Expertenausschusses.

Der Bericht des Expertenausschusses gibt jeweils auch einen Überblick über die Entwicklung der Standardisierung. Dabei zeigt sich, dass sich die Standards der verschiedenen Fachgruppen sehr unterschiedlich entwickeln (vgl. Abbildung 1). Die meisten Fach-gruppen planten für das Jahr 2014 keine Aktivitäten, die drei Fach-gruppen Meldewesen, Geschäft sprozesse und Identity & Access Management IAM sind gemäss Planung 2014 die wesentlichen Treiber der Standardisierung bei eCH.

Die Aktivitäten der Fachgruppe Meldewesen basieren auf dem hohen Integrationsbedarf, der durch die Registerharmonisierung auf der Basis des Registerharmonisierungsgesetzes ausgelöst wur-de. Die Standards werden durch eine grosse Zahl von SW-Herstellern verwendet und haben untereinander relativ viele Abhängigkeiten, sodass deren Pfl ege ein komplexes Publikationsmanagement erfor-dert. Die Fachgruppe Meldewesen erstellt zwar auch immer wieder neue Standards; einen wesentlichen Anteil an ihren Aktivitäten hat aber insbesondere die bisher meist jährliche Aktualisierung der bestehenden Standards aufgrund von Veränderungen in ihrem Kontext. Die Fachgruppe plant, die Standards nur noch alle zwei Jahre, mit der Zeit evtl. nur noch alle vier Jahre zu aktualisieren.

Bei den anderen Fachgruppen gestaltet sich die Aktualisierung der bestehenden Standards im Vergleich dazu zurzeit noch wesent-lich einfacher. Die relativ grossen Aufgaben der Fachgruppen Ge-schäft sprozesse und IAM ergeben sich insbesondere auch aus ent-sprechenden priorisierten E-Government-Vorhaben im Aktionsplan von E-Government Schweiz.1

Durch die Visualisierung der Istsituation und der Planung stellt der Expertenausschuss jeweils an der Generalversammlung die Standardisierungssituation bei eCH dar (vgl. Abbildung 2). Die dun-kelblauen Flächen zeigen Bereiche mit sehr hohem Standardi-sierungspotenzial. Die Säulen in der Grafi k zeigen die geplanten Standardisierungsaktivitäten. Die Landkarte, auf welcher die Ak-tivitäten von eCH visualisiert werden, basiert auf eCH-0122 [3]. Wie in vielen anderen Organisationen legt damit die Architektur bei eCH auch eine wesentliche Basis für die Steuerung in der Organi-sation.

RessourceneCH fi nanziert sich über Mitgliederbeiträge. Die verabschiedeten

Standards von eCH sind grundsätzlich gratis. Dies führt dazu, dass eCH alles in allem über sehr limitierte Mittel verfügt.

Die fi nanziellen Mittel setzt eCH für den Betrieb der Geschäft s-stelle ein, während die Arbeit der Fachgruppen und ihrer Mitglieder nicht durch eCH fi nanziert wird. Dies stellt eCH vor einige Heraus-forderungen bezüglich Finanzierung der Verabschiedung und be-züglich der Erstellung und Pfl ege von Standards.

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32E-Government Szene Schweiz

Finanzierung der VerabschiedungIn den letzten Jahren konnte eCH ihre Standardisierungsaktivi-

täten immer weiter ausbauen und will dies in Zukunft auch weiter tun. Es wird aber eCH im Gegenzug nicht gelingen, im gleichen Umfang neue Mitglieder zu gewinnen. Dies bedeutet, dass eCH eine entsprechende Steigerung bezüglich ihrer Effi zienz erreichen muss. Dies bedingt eine effi ziente formale und inhaltliche Prüfung der Standards und eine effi ziente Entscheidung und Publikation.

Die Prüfung der Standards geschieht formal durch die Geschäft s-stelle und inhaltlich inklusive Entscheidantrag an den Experten-ausschuss durch zwei Referenten. Die formale Prüfung kann effi -zient durchgeführt werden, wenn die Fachgruppe die betreff enden Anforderungen gut umsetzt. Den Fachgruppen wird diese Aufgabe erleichtert, wenn die Vorlagen es ihnen einfach machen zu erken-nen, was von ihnen erwartet wird. Die inhaltlichen Kriterien wie Einarbeitung der Rückmeldungen aus der öff entlichen Konsulta tion oder die Rückwärtskompatibilität eines Minor Release muss die Fachgruppe transparent darlegen. Zudem werden alle Personen aufwandmässig entlastet, wenn sie für ihre Arbeit eine sinnvolle zeitliche Flexibilität für die Bearbeitung erhalten.

Eine effi ziente Entscheidung und Publikation wird möglich, wenn die antragstellenden Fachgruppenleiter, die Geschäft sstelle und die Referenten eine hohe Transparenz bezüglich des Entscheidungspro-zesses schaff en und wenn alle Termine frühzeitig verbindlich fest-gelegt sind. Inwiefern die Termine eingehalten werden können, hängt wiederum von der guten Vorarbeit und Prüfung der Standards ab.

Erstellung und Pfl ege von StandardsDer aufwändigste Schritt bei der Standardisierung ist die Erstel-

lung von qualitativ hochwertigen Standards. Dabei ist es in keiner Weise trivial, diese hohe Qualität zu defi nieren. Standards sollen den Anwendern eine höhere Eff ektivität und Effi zienz ermöglichen, vor Risiken schützen, einfach anwendbar und möglichst breit ein-setzbar sein. Die Involvierung von Betroff enen ist besonders einfach, wenn Standards unmittelbar dann verabschiedet werden, wenn sie gebraucht werden. Wenn Standards zu spät erstellt werden, erfah-ren Projekte möglicherweise kostentreibende Verzögerungen. Wenn Standards zu früh erstellt werden, riskiert man einen grossen Wis-sensverlust, oder es kann sein, dass sie gar nie gebraucht werden.

Es ist erforderlich, die Standards aktuell zu halten. Während in der Erstellungsphase die Autoren einen motivierenden Lernschritt machen, kann die Pfl ege von Dokumenten sehr aufwändig und we-nig interessant ausfallen. Trotzdem muss jemand diese Arbeit tun und dabei mindestens die Qualität der Vorgängerversion halten.

Den Fachgruppenleitern kommt alles in allem eine sehr wichti-ge Tätigkeit zu: Sie moderieren diese Prozesse und sollten die Erar-beitung, Pfl ege und Ablösung von Standards mit einem guten Ge-samtblick auf den Public Value der Standards fördern oder eben auch bremsen. Eine Einführung in ihre Tätigkeit bei der Geschäft s-stelle, das gemeinsame Dokumentenmanagementsystem und das jährliche Fachgruppenleiter-Meeting sollen sie dazu befähigen, ihre Aufgabe kompetent wahrzunehmen. Selbstverständlich stehen die Geschäft sstelle, die Referenten des Expertenausschusses und die Mitglieder des Vorstands den Fachgruppenleitern gerne beratend zur Verfügung. Bei der Befähigung der Fachgruppenleiter besteht jedoch noch weiteres Potenzial. Dabei muss sichergestellt werden, dass diese weitergehende Befähigung der Fachgruppenleiter moti-vierend, zeitsparend und eff ektiv in der Gesamtorganisation ver-ankert wird.

Wirkung von StandardsBei allen Überlegungen zur Effi zienz der Organisation stellt sich

für eCH aber insbesondere die Frage ihrer Eff ektivität. Werden die Standards verstanden und genutzt, oder bleiben diese über Jahre ungenutzt auf der Website liegen? Erbringt das einzelne Dokument den optimalen Nutzen, oder könnte dieser durch bessere Kommu-nikation, ergänzende Hilfsmittel oder durch eine Überarbeitung erhöht werden?

eCH hat intern bisher keine Informationen, welche ermöglichen, die Nutzung bewerten zu können. Mit der Erstellung der E-Govern-ment-Landkarte Schweiz2 kommt hier etwas Licht ins Dunkel: Die Landkarte stellt für alle bisher erhobenen Dienstleistungen dar, welche eCH-Standards für diese empfohlen werden. Zudem enthält die Beschreibung einer Lösung auch eine Referenz auf die imple-mentierten eCH-Standards.

FazitEine gute Governance im grossen Wissensnetzwerk von eCH ist

eine sehr grosse Herausforderung, die ein gutes Zusammenspiel der Gremien innerhalb von eCH, aber auch ein gutes Zusammenspiel mit den vielen Stakeholdern ausserhalb von eCH voraussetzt. Dieses Zusammenspiel erfordert die stringente und effi ziente Umsetzung von Standardisierungsprozessen, die im Kontext eines umsichtigen Handelns vieler Wissensträger geschehen muss. Die Finanzierung der Standardisierungsaktivitäten kann enorm eff ektiv sein, indem mit verhältnismässig geringem Aufwand am Markt eine Interope-rabilität im E-Government und darüber hinaus erreicht werden kann. Fehlanreize durch Finanzierung von Aktivitäten, die aus langfristiger Gesamtsicht im Verein und in der Volkswirtschaft so-gar Schaden anrichten, will man aber unbedingt vermeiden.

Standardisierung bietet für E-Government eine sehr eff ektive Handlungsmöglichkeit – diese muss mit entsprechender Umsicht zum Nutzen aller gut wahrgenommen werden.

[1] eCH, «Statuten», 2014.[2] Expertenausschuss eCH, eCH-0003 – Leitfaden zur Genehmigung von

Anträgen, 2014.[3] eCH, eCH-0122 – Architekturübersicht E- Government Schweiz, 2014. S. 1–26.

1 www.egovernment.ch2 www.egovernment-landkarte.ch

Fachliche Fähigkeiten

Kernfähigkeiten mit Voraussetzungscharakter

Kernfähigkeiten

Politische Aktivitäten

0 0

Wirtscha�0 0

Rechts-sammlung

0 0

Arbeit0 0

Kultur0 0

Infrastruktur0 0

Einwohner5 5

Bauen0 0

Land-wirtscha�

0 0

Unternehmen1 1

Bildung0 0

Sicherheit1 1

Behörden0 0

Aussen-beziehungen

0 0

Steuern1 1

Gebäude und Grundstücke3

1

Gerichts-barkeit

0 0

Umwelt0 0

Tiere0 0

Soziales0 0

Gesundheit0 0

Geo-information

1 0

Ab bildung 2: Istsituation und Planung Standardisierung (Ausschnitt Fachliche Fähig-keiten der Behörden)

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33E-Government Szene Schweiz

Wohin steuern Bund, Kantone und Gemeinden im E-Government?Im Sommer 2014 hat die Geschäft sstelle E-Government Schweiz eine Anhörung zur Weiterentwicklung der E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz durchgeführt. Fachstellen aller föderalen Ebenen haben die vorgelegten Grundlagen beurteilt und damit die Stossrichtung für die ab 2016 gültige Rahmenvereinbarung vorgegeben.

Bund, Kantone und Gemeinden führen seit 2007 das Programm «E-Government Schweiz». Basis des Programms sind die E-Government-Strategie Schweiz sowie die öff entlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit. Letztere ist noch bis Ende 2015 gültig. Der Steuerungsausschuss E-Government Schweiz setzt sich aus politischen Vertretern der Bundes-, der kantonalen und der kom-munalen Ebene zusammen. In seinem Auf-trag werden 2014 und 2015 die Grundlagen für die zukünft ige E-Government-Zusam-

menarbeit geschaff en. Dafür hat die Geschäft sstelle E-Government Schweiz mögliche Elemente einer zukünft igen Strategie sowie Mo-delle für die Umsetzung von E-Government in der Schweiz erarbei-tet. Im Rahmen von Workshops haben E-Government-Experten der Verwaltung, verschiedener Organisationen und der Wirtschaft diese Grundlagen einem Review unterzogen.

Grosse Beteiligung an der AnhörungFür eine möglichst breite Abstützung der erarbeiteten Grundla-

gen eröff nete die Geschäft sstelle im Juli 2014 eine Anhörung bei den Fachstellen aller föderalen Ebenen und bei interessierten Organisa tionen. Vorgelegt wurden eine Istanalyse zum aktuellen Stand von E-Government in der Schweiz sowie mögliche Elemente einer zukünft igen Strategie (Vision, Prinzipien, Ziele, Vorausset-zungen) und einer zukünft igen Rahmenvereinbarung (Umsetzungs-szenarien). Bis Ende August gingen über 60 Stellungnahmen ein. Viele Bundesstellen und fast alle Kantone sowie eine Grosszahl der im E-Government aktiven Organisationen haben den Fragebogen der Anhörung beantwortet oder ihre Rückmeldung in einer freien Stellungnahme eingereicht. Von kommunaler Ebene gingen Stel-lungnahmen des Schweizerischen Gemeindeverbandes sowie des Schweizerischen Städteverbandes ein. Die hohe Beteiligung an der Anhörung sowie die Resultate zeigen, dass E-Government viel Bedeutung zugemessen wird und ein grosses Interesse an seiner Weiterentwicklung besteht.

Wille zur WeiterentwicklungAlle Antwortenden stufen die Bedeutung von E-Government für

die Zukunft der Verwaltung als sehr hoch ein und wollen, dass es mit dem nötigen Engagement vorangetrieben wird. Die für die neue Strategie vorgeschlagenen Elemente erhalten alle mehrheitlich Unterstützung. Wichtig ist dies in Hinblick auf die weiteren Arbei-ten im Projekt «E-Government Schweiz ab 2016», da insbesondere die vorgelegten strategischen Ziele einen höheren Detaillierungs-grad aufweisen als die drei in der aktuellen Strategie verankerten Ziele. Letztere sollen daher weiterentwickelt werden. Auch die zur Umsetzung der strategischen Ziele präsentierten Massnahmen fi n-

den mehrheitlich Akzeptanz. Die Bemerkungen und freien Stellung-nahmen weisen allerdings auch auf Optimierungspotenzial hin: Mehrfach werden eine noch konkretere Formulierung der strategi-schen Ziele und eine klarere Abgrenzung zwischen den verschie-denen strategischen Elementen gefordert. Bei den vorgeschlagenen Umsetzungsszenarien, die ausgehend von der heutigen Organisa-tion alternative Organisationsmodelle skizzieren, gehen die Rück-meldungen hingegen auseinander. Zwar ist ein starker Wille zur Veränderung der heutigen Situation gegeben: die Szenarien «Auf-lösung der Zusammenarbeit» oder «Fortführung der heutigen Form der Zusammenarbeit» stossen auf wenig bis gar keine Unterstüt-zung. Unter den Rückmeldungen der Kantone, der Bundesstellen und der Organisationen gibt es aber durchschnittlich wenig Konsens bezüglich der Wahl eines Umsetzungsszenarios. Aus dem Total der Stellungnahmen geht hervor, dass eine leichte Anpassung der heu-tigen Umsetzungsorganisation am mehrheitsfähigsten ist.

Einsatz einer interföderalen ArbeitsgruppeFür die fortführenden Arbeiten im Projekt «E-Government

Schweiz ab 2016» hat der Steuerungsausschuss E-Government Schweiz als erweitertes Projektteam eine interföderale Arbeitsgrup-pe eingesetzt, die die Geschäft sstelle unterstützt. Zusammengesetzt ist die Arbeitsgruppe aus E-Government-Fachleuten der Bundes-verwaltung sowie der kantonalen und kommunalen Behörden. Auch das Sekretariat der Konferenz der Kantonsregierungen, die als Ver-tragspartnerin der aktuellen Rahmenvereinbarung fungiert, und die Schweizerische Informatikkonferenz (SIK) sind in der Arbeits-gruppe vertreten.

Gemeinsame Weiterentwicklung auf Basis der bisherigen Erfahrungen

Die Istanalyse und die Resultate der Anhörung dienen der Ge-schäft sstelle E-Government Schweiz und der interföderalen Arbeits-gruppe nun als Basis für die Weiterentwicklung der E-Govern-ment-Strategie und für die Überarbeitung der Rahmenvereinbarung. Letztere defi niert ab 2016 die Form der E-Government-Zusammen-arbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sowie den ver-schiedenen bestehenden Organisationen. Anleitung für das weite-re Vorgehen sollen Erkenntnisse über die Programmumsetzung seit 2008 sein, die verschiedentlich sowohl in der Istanalyse als auch in den Stellungnahmen festgehalten sind. Nur so kann der zentra-le Befund der Anhörung – der Wille zu einer Veränderung des heu-tigen Vorgehens – ernst genommen und gewinnbringend in ein neues Modell der Zusammenarbeit einfl iessen.

– Lesen Sie dazu auch den Artikel zur Zwischenbilanz zum «E-Govern ment-Aktionsplan»

– Weitere Informationen zu «E-Government Schweiz ab 2016»: unter: www.egovernment.ch/egov2016

Anna FaoroGeschäft sstelle E-Govern ment [email protected]

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34E-Government-Szene Schweiz

E-Government geht nicht ohne E-Partizipation Das Web ist seit seiner Entwicklung im CERN in Genf ein Werkzeug der Kollaboration und Partizipation. Heute sind die erfolgreichsten Anwendungen diejenigen, die von den Userinnen und Usern mit Inhalt belebt werden. Ein E-Government, das dem kollaborativen und partizipativen Charakter des Webs nicht Rechnung trägt, läuft ins Leere.

Mein Interesse an der Partizipation als Methode wurde vor 20 Jahren in Basel auf einem stillgelegten Güterbahnhof in meiner Nachbarschaft geweckt. Der Naturschutz organisierte einen Rundgang durchs Areal, um den Menschen im Quartier die einzigar-tige Pflanzenwelt näherzubringen. Dies mit dem Hintergedanken, die ökologische Ni-sche für das dicht genutzte Kleinbasel un-verbaut zu erhalten.

Über die Begehung kam ich in Kontakt mit der Arbeitsgruppe «Quartier und Gewer-be». Diese hatte von den Behörden den Auf-trag erhalten, die Anliegen und Wünsche der Quartierbewohner in Bezug auf die Umnut-zung des Bahnareals zuhanden des politi-schen Prozesses aufzuarbeiten. Ich ent-schloss mich mitzuarbeiten.

Wie viele andere nehme ich an Wahlen, Abstimmungen, Gemein-deversammlungen, Demos und Debatten teil und unterstütze Ini-tiativen, Referenden und Organisationen, die sich um öffentliche Anliegen kümmern. Es sind dies alles Formen politischer Mitwir-kung, ohne die die Schweiz nicht die Schweiz wäre. Aber in Basel erlebte ich zum ersten Mal, wie es ist, wenn eine Behörde «normale» Bürgerinnen und Bürger zum Mitdenken einlädt. Auch wenn nicht alles so gelaufen ist, wie ich es mir gewünscht hätte, so war es doch ein ungemein bereicherndes Erlebnis.

Wenn heute von politischer Partizipation die Rede ist, dann ist sehr oft genau das gemeint: der Einbezug und die Mitwirkung von betroffenen und interessierten Menschen in einer frühen Phase von politischen Projekten. Ein grundlegendes Merkmal solcher Partizi-pationsprozesse ist, dass sie in Bezug auf Ausgestaltung und Ergeb-nis offen sind. Je nach Rahmenbedingungen und Problemstellung unterscheiden sie sich mehr oder weniger. Es gibt keine vorgeschrie-benen Prozeduren, wohl aber Methoden und Instrumente, um zu Resultaten mit einer hohen Legitimation und Robustheit zu kom-men.1 Bei der E-Partizipation wird zur Durchführung oder zur Un-terstützung solcher Prozesse das Web genutzt.

Die Themen Partizipation und Kooperation haben mich seit die-sem Tag auf dem Güterbahnhof nicht mehr losgelassen. Sie sind zentral im Projektmanagement und in der Führung. Mit dem Auf-kommen von Social Media sind sie Schlüsselthemen der internen Kommunikation und der Beziehung von Organisationen mit ihrer Aussenwelt geworden.

Der Wurm muss dem Fisch schmeckenIm Projektmanagement lernte ich schon vor einigen Jahren: Der

Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Fischer. Ob der Test beim Fischen an der Urne oder an der Registrierkasse stattfin-det – es ist immer kostspielig, wenn ein «unwiderstehliches» An-gebot abgewiesen wird, nachdem es mit viel Aufwand entwickelt und produziert worden ist.

Nicht jedes Unternehmen hat ein Marketinggenie vom Format eines Steve Jobs an der Spitze, schon gar nicht auf Dauer. Um über lange Zeit wertvolle Produkte und Services zu schaffen, braucht es Leistungsbereitschaft, Enthusiasmus, Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Kreativität aller Mitarbeitenden. Das sind alles Ressourcen, die über die Gestaltung der Unternehmenskultur zugänglich werden.

Interessanterweise gelingt dies oft in Projekten. Teams machen mit, wenn Projektleiter nicht nur fachlich top sind, sondern mit offenen Karten spielen, zuhören, Ideen, Vorschläge und Kritik an-nehmen, flexibel sind und Feedbacks mit Wertschätzung geben. Dann werden oft Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft sichtbar, die wir auch im betrieblichen Alltag gern hätten. Immer mehr Un-ternehmen und Behörden arbeiten deshalb gezielt daran, diese Quellen nutzbar zu machen, indem sie die Mitwirkung und Mitbe-stimmung fördern. So erlangen sie Wettbewerbsvorteile.

Das gilt auch für die Politik. Das bei der Umnutzung des Güter-bahnhofs von den Basler Behörden freiwillig praktizierte Vorgehen ist im Stadtkanton seit 2005 obligatorisch: Die Kantonsverfassung schreibt vor, dass die Behörden die Bevölkerung eines Quartiers anhören müssen, wenn es um Vorhaben geht, die diese besonders betreffen. Die Behörden können auch eine weiter gehende Mitwir-kung vorsehen. Die Mitwirkung der Quartierbevölkerung dient dazu, die staatliche Meinungs- und Willensbildung zu unterstützen sowie die Identifikation mit der Stadt Basel zu fördern.2

Baden-Württemberg packt die Aufgabe etwas anders an. Für die Förderung der Bürgerbeteiligung wurde Staatsrätin Gisela Erler eingesetzt. Sie ist Mitglied der Landesregierung und muss dafür sorgen, dass die Exekutive erreicht, was sie sich vorgenommen hat: eine Gesellschaft, in der jede Bürgerin und jeder Bürger die Mög-lichkeit und das Recht hat, auf allen Ebenen an Entscheidungen mitzuwirken. Kurz gesagt: «Politik auf Augenhöhe».3

Auf Augenhöhe?Um mit jemandem auf Augenhöhe zu kommunizieren, ist oft eine

Haltungsänderung erforderlich. Nicht von «oben herab» oder «über-heblich», sondern aufmerksam, offen, wertschätzend, dialogorien-tiert, neugierig und flexibel. Ein Beispiel: Die BK hat vor Kurzem eine Westschweizer Firma beauftragt, die elektronischen Richtli-nien für das Webdesign des Bundes weiterzuentwickeln. Etwas vom

Matthias Brüllmann Bundeskanzlei Fachberater E-Government [email protected]

(Der Autor legt hier seine persönliche Meinung dar, nicht die Haltung der Bun-deskanzlei)

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35E-Government-Szene Schweiz

Ersten, was uns die Auftragnehmer fragten: «Können wir das Projekt auf Github veröffentlichen?» Als Projektleiter war ich etwas verblüfft und wollte wissen, was das denn bringe. Die Antwort: «Auf Github ist die Community.» Über dieses Projekt bekam ich Einblick in eine mir bisher nicht bekannte Welt partizipativer und kollaborativer Softwareentwicklung. Github hat die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer, Anwendern und weiteren Beteiligten massiv vereinfacht.4 Dritte können sich an der Entwicklung betei-ligen und eigene Entwicklungen zur Verfügung stellen.

An diesem Beispiel erlebte ich auch, was der Politikwissenschaft-ler Philipp Müller meint, wenn er schreibt: «Die Implementierung solcher Projekte ist oft kontraintuitiv und entspricht nicht der Logik bestehender Ansätze in Politik und Verwaltung.»5 Die Beobachtung eines Unternehmers bestätigt diese Aussage. Er ist erfolgreich mit Beratung für Onlinepartizipationsprozesse unterwegs. Immer mehr Firmen nehmen die Dienstleistungen seines Unternehmens in An-spruch. Ich fragte ihn: «Wie steht es um Behörden?» Er antwortete: «Wir hatten einige Kontakte mit Behörden. Aber die Zusammenar-beit erwies sich als so schwierig und umständlich, dass wir sie als Kundengruppe aus unserer Strategie gestrichen haben.»

Partizipation ist eine GegebenheitDas ist kein gutes Zeichen, gerade in Bezug auf die Realisierung

von E-Government. Wenn wir das Social Web anschauen, dann ist Partizipation keine Option mehr, sondern eine Gegebenheit. An-wendungen wie Facebook, Twitter, Wordpress, Google, Github usw. sind als Strukturen lanciert worden, die Partizipation und Kollabo-ration ermöglichen. Sie sind attraktiv, weil die Nutzerinnen und Nutzer sie mit Inhalt füllen und auch die Funktionsweise beein-flussen: Mittlerweile gibt es unzählige Beispiele dafür, wie diese Anwendungen für die Selbsthilfe bei Krankheiten und Naturkata-strophen, für Bildungs- und Softwareprojekte und für politische Vorhaben eingesetzt werden.

Diese Applikationen bieten den Nutzern aber noch etwas mehr: ein «Mitwirkungsgeheimnis». Was ist damit gemeint? Das uns so wichtige Stimmgeheimnis ermöglicht es den Einzelnen, sich bei einer Abstimmung gegen den Dorfkönig zu stellen, ohne Auftrags-entzug und Verbannung in Kauf nehmen zu müssen. Das Social Web ermöglicht Teilnahme und Mitwirkung, ohne dass Rang und Name, Aussehen und Alter eine Rolle spielen, weil das alles nicht preisge-geben werden muss. Das ist entlastend, gerade für Menschen, denen es schwerfällt, sich in Gruppen oder in der Öffentlichkeit in Szene zu setzen, oder die die Rache des Dorfkönigs zu fürchten haben. Es ermöglicht die für die Partizipation so zentrale Kommunikation auf Augenhöhe.

Fazit Baden-Württemberg ist etwas kleiner als die Schweiz, hat aber

deutlich mehr Einwohnerinnen und Einwohner und liegt bezüglich Wirtschaftskraft wie die Schweiz in der Spitzengruppe der Staaten-welt. Wenn gelingt, was sich die Landesregierung in Bezug auf die Bürgerbeteiligung vorgenommen hat, so wird das die politische Kultur und die Standortbedingungen verändern. Das Land wird möglicherweise politische Probleme schneller und innovativer lö-sen als andere Staaten. Die Förderung der Mitwirkung – mit und ohne E – wird neue Dienstleistungen ermöglichen und Arbeitsplät-ze schaffen. Für Stimmberechtige könnte es wichtiger werden, wie ein Projekt entwickelt wurde, als welche Empfehlungen Parteien dazu abgeben. Für Auftragnehmer könnte es im Wettbewerb um

Aufträge entscheidend werden, ob sie Partizipation und E-Partizi-pation beherrschen.

Basel und andere Städte zeigen, dass auch Schweizer Behörden Partizipation und Kollaboration mit der Öffentlichkeit ausbauen. Wir müssen jedoch – gerade im E-Government – den inhärent de-mokratischen, partizipativen und kollaborativen Charakter des Webs anerkennen, verstehen und nutzen. Gedanken dazu wurden bereits in einem Manifest formuliert.6 Die Umsetzung der Open-Go-vernment-Data-Strategie des Bundesrates ist ein Beispiel. Ein Ziel ist die Etablierung einer Open-Data-Kultur in Zusammenarbeit mit der Community. Der Weg zum Ziel führt immer über Partizipation – ob mit oder ohne E davor.

1 Eine ausgezeichnete Einführung ins Thema Partizipation bietet das Betei-ligungsportal des Bundeslandes Baden-Württemberg http://beteiligungs-portal.baden-wuerttemberg.de/ (15.10.2014)

2 Medienmitteilung des Regierungsrates vom 24.5.2007 3 http://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/informieren/buer-

gerregierung/was-macht-die-buergerregierung-aus/ (15.10.2014)4 https://github.com/swiss/styleguide/5 Habbel/Huber: Wirtschaftsförderung 2.0, 20106 http://edemokratie.ch/manifest-zur-weiterentwicklung-der-demokratie/

(15.10.2014)

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36 Forschung/Analyse

Shared Service Center: Abkehr vom Zuständigkeitsprinzip?!Aus klassischer Verwaltungsorganisationssicht wird oft argumentiert, dass Shared Services gegen das Zu-ständigkeitsprinzip verstossen, weil Aufgaben neu verteilt werden. Hinzu kommt, dass Shared Service Center (SSC) sich nicht ohne Weiteres hierarchisch steuern lassen. Damit stellt sich die Frage, ob und wie sie mit dem Zuständigkeitsprinzip vereinbar sind. Im Beitrag wird deutlich, dass es sich bei SSC um eine prozess -o rientierte Form der Vernetzung handelt, die durchaus mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar ist, wenn bewusst eine entsprechende institutionelle wie soziotechnische Gestaltung vorgenommen wird.1

Shared Services als Spielart der Ver-netzung

Nach einem anfänglichen «Hype» ist es um Shared Service Center mittlerweile ru-higer geworden. Die Vorstellung, durch SSC Kosten zu senken und die Qualität zumin-dest beizubehalten, besteht nach wie vor, jedoch zeigen sich erhebliche Umsetzungs-schwierigkeiten. SSC sind per Defi nition semiautonome Behördeneinheiten oder ganze Behörden, die gegen ein Entgelt für andere Behörden vorzugsweise häufi g wie-derkehrende Unterstützungsprozesse, zum Beispiel im Bereich Personal oder Finanzen, abwickeln2. Die auft raggebende Behörde lagert Prozessteile an das SSC aus. Konkret weisen SSC folgende Merkmale auf:

– Prozessneugestaltung über Organisa-tionsgrenzen hinweg,

– IT-Unterstützung der Geschäft spro zesse zwischen Auft raggeber und Auft ragneh-mer,

– Bildung von Auft raggeber-Auft ragneh-mer-Strukturen mit ergebnisorientierten Verträgen,

– Standardisierung von (fachlichen) Prozes-sen, um Skaleneff ekte zu erzielen.

Problem aus traditioneller Organisa-tionssicht

Mit einer Shared-Service-Konstruktion resultieren aus traditioneller Organisations-einsicht einige Probleme. Durch die Neuver-teilung von Prozessschritten über Organisa-tionsgrenzen hinweg wird aus bisheriger Sicht die Zuständigkeit infrage gestellt, weil Arbeitsschritte von einer anderen Behörde übernommen werden. Zuständigkeit meint, dass die Bearbeitung einer Aufgabe einer Organisation zugewiesen ist. Hieraus be-gründen sich Befugnisse und bereitgestell-te Ressourcen.3 Eigentlicher Zweck von Zuständigkeiten ist es, die Verantwortlich-keit für die Aufgabenwahrnehmung sicher-zustellen. Die Aufgabenerfüllung liegt in der Organisationsgewalt der zuständigen Behör-de, wobei bislang davon ausgegangen wur-

de, dass der Vollzug der Aufgabe in sich geschlossen ist, das heisst, dass die Aufgabe nicht in Teilleistungen aufgespaltet, sondern selbstständig und vollständig durch eine Behörde bzw. Behörden-einheit ausgeführt wird. Aus dieser Sicht muss jede Neuverteilung von Prozessen über Behördengrenzen hinweg – wie bei SSC vorge-sehen – als Aufweichung von Zuständigkeiten erscheinen. Aus Prozesssicht ist jedoch eine diff erenzierte Betrachtung notwendig. Die Frage ist, wer für was gegenüber wem verantwortlich ist und im Falle eines Fehlers zur Rechenschaft gezogen werden kann. Hin-zu kommen Fragen der konkreten soziotechnischen Gestaltung, um das Gesamtkonstrukt SSC mit Prinzipien der Staatsorganisation in Einklang zu bringen.

Gestaltungsnotwendigkeiten zur VerantwortungssicherungIn der klassischen Staats- und Verwaltungsorganisation wird

immer von Aufgaben gesprochen, wobei der Begriff schwammig ist. Aufgaben können Ziele sein, aber auch kleinste Handlungen im Verwaltungsablauf darstellen. Um Shared-Service-Konstruktionen zu gestalten, ist das Aufgabenkonzept ungeeignet, weil es diverse Subaufgaben oder Teiltätigkeiten gibt, die keine hohe Legitimation erfordern. Vereinfacht gilt: Je hoheitlicher Prozessschritte sind, desto höher ist das erforderliche Legitimationsniveau. Ein hohes Legitimationsniveau wird klassischerweise durch Hierarchie, das heisst über Aufsicht und Weisung, sichergestellt. In diesem Zusam-menhang wird von einer Legitimationskette gesprochen, die in idealisierter Form vom Parlament zur Regierung bis zum einzelnen Amtsverwalter verläuft .4 In SSC werden Prozessteile mit keinem bzw. geringem Entscheidungsgehalt abgewickelt. Sie haben per se ein geringeres Legitimationserfordernis als entscheidungshaltige Prozessteile. Somit können Unterstützungsprozesse aus der Legi-timationskette herausgelöst werden, ohne dass die Gesamtlegiti-mation der Leistungserbringung darunter leidet. Um Ergebnis -ver antwortung sicherzustellen, werden Unterstützungsmodule idealerweise über ergebnisbezogene Verträge gesteuert. Allerdings erfordert dies den Aufb au von Steuerungs- und Managementkapa-zitäten.

Für eine Herauslösung von Prozessteilen ist die Trennung in nicht entscheidungsrelevante, präjudizierende und entscheidungs-haltige Prozessmodule ausschlaggebend. Präjudizierend ist ein Prozessteil, wenn er für sich genommen keinen Entscheidungscha-rakter aufweist, jedoch durch die Ausführung die Entscheidung selbst stark vorprägt. Geeignet für eine Erbringung in SSC sind alle Prozessmodule mit geringem Entscheidungsgehalt bzw. geringer legitimatorischer Relevanz. Entscheidungshaltige Aufgabenbe-standteile oder Prozessmodule mit präjudizierendem Charakter befi nden sich weiterhin bei der zuständigen Behörde. Damit bleibt

Stefanie KöhlWissenschaft liche [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

Stephan LöbelWissenschaft licher [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

Prof. Dr. Tino SchuppanWissenschaft licher [email protected] – The Potsdam eGovernment Competence Centerwww.ifg.cc

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37Forschung/Analyse

Forschungsprojekt «Stein-Hardenberg 2.0»

Ziel des von Juni 2011 bis März 2014 am IfG.CC ausgeführten Projektes war es, Veränderungen im Kontext von E-Government auf der Ebene des arbeitenden Staates herauszuarbeiten und mit Fragen der Staatsorganisation zu verbinden. Ergebnis ist, dass organisatorische Gestaltungspotenziale von E-Government ge-nutzt werden können, ohne dass dadurch grundlegende Prinzi pien der Staatsorganisation beeinträchtigt werden. Dennoch erfordert E-Government eine Neuinterpretation von Verwaltungsföderalis-mus sowie kommunale Selbstverwaltung und Ressorthoheit. Aus diesen Erkenntnissen wurden fundierte Konzepte einer Architek-tur für eine kooperative und vernetzte Verwaltung mit E-Govern-ment entwickelt.

diese «Herrin des Verfahrens», und die Legitimationskette für Ent-scheidungen erhalten. Die Entscheidung, ob jemand eingestellt wird und wer, trifft weiterhin das Ministerium, die Ausschreibung bei-spielsweise kann jedoch durch das SSC erfolgen. Hinzu kommt, dass Organisationshoheit als Kompositionshoheit in Bezug auf Prozessmodule – das heisst auf die freie Zusammensetzung von vorgegebe Modulen – umgedeutet werden kann.

Über entsprechende interne Steuerungsmechanismen koordi-niert die zuständige Stelle den Gesamtprozess, um Verantwortung sicherzustellen. Insofern ist im Aussenverhältnis zum Bürger bzw. Adressaten weiterhin die zuständige Behörde verantwortlich. Im Innenverhältnis ergibt sich jedoch eine komplexe Verantwortungs-struktur, denn unter Umständen trägt eine Behörde oder eine Per-son die Verantwortung für Handlungen, die sie selbst nicht ausge-führt hat und auf die sie keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten gehabt hat. Die vertragliche Beziehung funktioniert nur, wenn beide Seiten bei der Leistungserbringung eng aufeinander abge-stimmt auf «Augenhöhe» zusammenarbeiten und sich gemeinsam für die gesamte Leistungserbringung verantwortlich fühlen (Ver-antwortungsteilung).

Es zeigt sich, dass Verantwortungsfragen und Steuerungsfragen eng miteinander verbunden sind und sich kaum voneinander tren-nen lassen. Daher stellt sich die Frage, wie SSC insgesamt gesteuert werden. Klassischerweise handelt es sich bei SSC um Landes- oder Bundesbehörden, die dem Innenministerium unterstellt sind. Bleibt diese Konstruktion erhalten, ergibt sich ein Mix aus hierarchischer Gesamtsteuerung des SSC und vertraglicher Steuerung über Service Level Agreements (SLA), was aus Public-Management-Sicht wiede-rum einige steuerungsrelevante Fragen aufwirft. Ebenfalls zu hin-terfragen ist, ob SSC überhaupt weiterhin hierarchisch gesteuert werden müssen bzw. können. Denkbar wäre, dass die Auftragge-berbehörden zusätzlich zu den SLA in einer Art Kundenbeirat beim Auftragnehmer sitzen und hier Einfluss auf die Gestaltung des Leis-tungsspektrums nehmen. So liesse sich ein zusätzliches Einfluss-instrument mit Verantwortungsstrukturen schaffen. Das SSC könn-te auch als Agency über ergebnisbezogene Verträge gesteuert werden.

FazitAnstatt von einem abstrakten und unklaren an Aufgaben «kle-

bendem» Zuständigkeitsbegriff auszugehen, sollten prozessorien-tierte Fragen der Verantwortung und Steuerung in den Vordergrund gerückt werden. Die mit dem Prinzip der Zuständigkeit verbundene Organisationshoheit bleibt für den Kernbereich gewahrt, solange Verfahrensteile nicht so umfassend verlagert werden, dass faktisch die inhaltliche Entscheidungskompetenz verschoben wird. Das erfordert Transparenz bei der Prozessausführung ebenso wie sau-bere Prozessaufspaltungen und klare Verträge – woran es in Pra-xisprojekten vielfach mangelt. Spätestens aus Verantwortungssicht wird klar, dass durch SSC Prozessabschnitte verteilt werden, die keine zuständigkeitsverändernde Wirkung haben bzw. dass die Zuständigkeit nicht in anonyme Netzwerke verschwindet. Das heisst, Prozessmodule ohne Entscheidungsgehalt und Infrastruk-turkomponenten können problemlos an SSC übertragen werden, da im Aussenverhältnis zum Bürger oder im Verhältnis zum Parlament die Gesamtverantwortung bestehen bleibt. So hebt eine differen-ziertere Betrachtungsweise den scheinbaren Konflikt zwischen der vernetzten Zusammenarbeit bei Shared Services und dem Prinzip der Zuständigkeit auf. Allerdings werden durch SSC Aufgaben ver-teilt, die bisher von nur einem Träger ausgeführt wurden, sodass sich unabhängig von einer bestehenden juristischen Zuständigkeit die Frage stellt, wie sich Verantwortungs- und Steuerungsmecha-nismen ändern. Im Kern bleibt festzuhalten: Je mehr sich die Ver-waltung vernetzt, zum Beispiel durch SSC, desto stärker kommt es auf ein darauf abgestimmtes Verantwortungs- und Steuerungsma-nagement an. Dies wird in der Diskussion allzu leicht vergessen, obwohl hier der eigentliche neuralgische Punkt von Vernetzung liegt.

1 Der Artikel basiert auf Forschungsergebnissen des Projektes «Stein-Hardenberg 2.0». Im Ergebnisband sind diese und andere Erkenntnisse ausführlicher nach-zulesen. (Vgl. Köhl/Lenk/Löbel/Schuppan/Viehstädt: Architektur einer vernetz-ten Verwaltung mit E-Government, Berlin, 2014.)

2 Vgl. Schulman, D. S. et al.: Shared Services. Adding Value to Business Units. New York, 1999; Quinn, B. et al.: Shared Services. Mining for Corporate Gold. London, 2000.

3 Eifert, M.: Electronic Government. Das Recht der elektronischen Verwaltung. Baden-Baden, 2006.

4 Böckenförde, E.-W.: Demokratie als Verfassungsprinzip. In: Isensee, J./Kirchhof, P. (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band 1, Grundlagen von Staat und Verfas-sung. Heidelberg, 1987.

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38Forschung/Analyse

Prof. Dr. Konrad WalserDozent/Senior Researcher E-Government-InstitutBerner Fachhochschulekonrad.walser@bfh .ch

Strukturierungsversuch: Einsatzmöglichkeiten und Grenzen des Geschäft smodellkonzepts in der öff entlichen VerwaltungDie Diskussion um Geschäft smodelle hat seit dem Aufk ommen des Internets an Intensität zugenommen. Un-terdessen sind Geschäft smodelle auch im Bereich E-Government und öff entliche Verwaltung Thema. Im vor-liegenden Beitrag werden Einsatzmöglichkeiten und -grenzen des Geschäft smodellkonzepts im E-Government diskutiert sowie Bereiche in der öff entlichen Verwaltung eruiert, in welchen der Einsatz des Konzepts zweck-mässig ist. Dies mit einer teilweise überraschenden Schlussfolgerung.

Die Thematisierung von Geschäft smodel-len im E-Government kann problematisch sein, da die privatwirtschaft lichen Ge-schäft smodelle gezielt auf dem Element der Revenue-Generierung und auf spezifi schen Möglichkeiten der Abwicklung von Geschäf-ten über das Internet beruhen. Verwaltungs-handeln aber basiert nicht grundsätzlich auf Revenue-Generierung, sondern auf dem Management von verwaltungsinternen Leis-tungen und Leistungen zuhanden externer Adressaten. Überdies ist das Internet als einziger Vertriebskanal teilweise einengend. Es stellt sich im Rahmen dieses Beitrags so-mit die Frage, in welchen Ver waltungs-bereichen die Diskussion von Geschäft smo-dellen wirklich zweckmässig ist.

Geschäft smodelle Seit den 90er-Jahren hat sich ausgehend von der Entwicklung

des Internets reichlich Literatur zum Thema Geschäft smodelle ent-wickelt.1 Aus defi nitorischer Sicht handelt es sich dabei meist um Korrelationen zwischen (Unternehmens-)Strategien und dem Inter-neteinsatz2. Dies scheint in Anbetracht der heutigen Entwicklungen eine zu eng gefasste Defi nition. Eine mögliche Defi nition von Ge-schäft smodellen, die auf einem Vergleich verschiedener Defi nitionen basiert, lautet3: Ein Geschäft smodell kann als eine abstrahierende Beschreibung der ordentlichen Geschäft stätigkeit einer Organisati-onseinheit angesehen werden. Diese Abstraktion basiert auf einer Abbildung von Organisationseinheiten, Transformationsprozessen, Transferfl üssen, Einfl ussfaktoren sowie Hilfsmitteln oder einer Aus-wahl davon.

Laut Stähler4 umfasst das Geschäft smodell drei Hauptkomponen-ten: Nutzenversprechen, Wertschöpfungsarchitektur und Ertrags-modell. Osterwalder/Pigneur5 sehen das Nutzen- bzw. Wertangebot für die Kunden (Value Proposition) im Zentrum eines Geschäft smo-dells. Darum herum gruppieren sich auf der Unternehmensseite Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten, Schlüsselpartner sowie Kostenstrukturen.

Positionierung von Geschäft smodellen ausgehend vom New-Public-Management-Konzept

Ein wesentliches Thema im Zusammenhang mit Geschäft smo-dellen im E-Government ist das New-Public-Management-Paradig-ma. Mit dem New-Public-Management (NPM) versuchte man, in der Verwaltung betriebswirtschaft liche Konzepte einzuführen. Warum war NPM nur partiell (oder gar nicht) erfolgreich? Unter anderem deshalb, weil die Verwaltung anders funktioniert als die Privatwirt-schaft , aber auch weil sie eine andere funktionale Konstituierung aufweist. In Anlehnung an Walser6 (2013) und Peristeras/Tarabanis7 (2004) ist diese Konstituierung in die Tätigkeitsdomänen politische Verwaltung, Leistungsverwaltung sowie Verwaltungssupport auf-teilbar, wobei ein sehr geringer Anteil auch in den Bereich strategi-sche Führung fällt.

Eine zentrale Herausforderung der öff entlichen Verwaltung ist, dass sie auf Basis des Gesellschaft svertrags (contrat social8) funk-tioniert. Dieser tendenziell implizite Vertrag regelt das Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen gegenüber dem Staat, das heisst der öff entlichen Verwaltung. Somit hat die Verwaltung eine grundsätzlich andere Funktionsweise (kein Wett-bewerb) als die Wirtschaft (Wettbewerb). Der Gesellschaft svertrag beinhaltet unter anderem, dass Bürgerinnen und Bürger/Unterneh-men Rechte und Pfl ichten haben. Sie haben das Recht, Infrastruk-turen, die vom Staat bereitgestellt werden, zu nutzen, und sie haben die Pfl icht, Steuern zu zahlen, mit denen unter anderem die Verwal-tung und deren Infrastrukturen fi nanziert werden.

Leistungen der öff entlichen Verwaltung sind öff entliche Güter. Hier marktähnliche Denkweisen einzuführen, ist deshalb schwierig. Ein Staat und eine öff entliche Verwaltung werden eher politisch geführt als strategisch. Der Souverän hat das letzte Wort. Die Legis-lative ist Kontrollorgan und gibt vor, welche Leistungen die öff ent-liche Verwaltung erbringt. Entsprechend ist die Verwaltung im Dreieck mit Legislative und Judikative aktiv. Zudem kommen eine ganze Reihe Stakeholder als Beeinfl usser staatlichen Handelns hin-zu. Die öff entliche Verwaltung kann somit nicht einfach selbst be-stimmen, was zu tun ist. Vielmehr ist sie «einer laufenden Kontrol-le» und einem laufenden Bestimmungsprozess bezüglich öff entlicher Leistungen unterworfen. Analog zum Domänenmodell der öff entli-chen Verwaltung von Walser9 (2013) ist das strategische Denken in der öff entlichen Verwaltung somit immer dem politischen Denken und Handeln untergeordnet und unter anderem auch dem Handeln der Stakeholder und der Staatsgewalten.

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39Forschung/Analyse

Wenn Geschäftsmodelle nun also als Blueprints für die öffentliche Verwaltung verstanden werden, dann ausgehend vom Vierkreismo-dell.10 Dabei wird eine Aufteilung der institutionellen Einheiten im Umfeld der öffentlichen Verwaltung in vier konzentrische Kreise vorgenommen: Kreis 1 – Kern- oder Vollzugsverwaltung; Kreis 2 – FLAG-Einheiten, darin Führen mit Leistungsauftrag und Globalbud-get als zentrale Maxime; Kreis 3 – 100-prozentige Beteiligung des Staates an der Institution; Kreis 4 – Mehr- oder Minderheitsbeteili-gung des Staates an der Institution. Je nach Zugehörigkeit entsteht ein Kontinuum von Finanzierung über Steuereinnahmen (aufgrund eines Gesetzes) oder von Finanzierung über Umsätze, die über Kun-den generiert werden, etwa über Gebühren. Typischerweise kann dies bei Institutionen der Kreise 3 und 4 der Fall sein. Je nach Grund-lage ist die Institution mehr oder weniger frei in der Ausgestaltung der Preise. Diese können wie beispielsweise im dritten Kreis gesetz-lich gegeben sein (etwa Gebühren konzessionierter Unternehmen) oder durch den Markt gebildet werden (z.B. im vierten Kreis). Diese Sachverhalte haben einen zentralen Einfluss auf die Ausprägung von Geschäftsmodellen in Institutionen in deren je eigenem Umfeld.

Positionierung von Geschäftsmodellen in einem Verwal-tungsdomänenmodell

Die Positionierung von Geschäftsmodellen kann auch über ein Verwaltungsdomänenmodell erfolgen. Hierbei wird die Verwaltung je nach Betrachtungsweise in drei bis vier zentrale Bereiche aufge-teilt: politische Verwaltung, Leistungsverwaltung und Verwaltungs-support. Eine politische Verwaltung ist typischerweise über Steuern finanziert. Ihre Leistungen sind gegen aussen schwer zu messen, weil eine Materialisierung des ideellen Wertes «abstimmen können» oder «wählen können» äusserst schwierig ist. Die entsprechenden Leistungen sind deshalb vor allem vor dem Hintergrund der Pub-lic-Value-Diskussion bewertbar.

Auch in der Leistungsverwaltung werden Verwaltungsleistungen typischerweise über Steuergelder finanziert. Eine Revenue-Gene-rierung ist nicht einfach, aber zum Beispiel über zusätzliche Gebüh-ren realisierbar. Im Bereich der Leistungsverwaltung ist eine diffe-renzierte und abstrahierende Betrachtung der Leistungsarten einer öffentlichen Verwaltung und der Diskussion der Anwendbarkeit von Geschäftsmodelldefinitionen denkbar, insbesondere basierend auf der Geschäftsmodelldefinition von Scheer et al.11 Eine Diskussion um ein Domänenmodell der öffentlichen Verwaltung erscheint hier möglich und auch zielführend. Aus Sicht der Leistungsverwaltung können generische Leistungskategorien wie folgt konkretisiert wer-den: Informationsversorgung, Beauskunftung und Beratung, Nach-sorgeprozesse zur Transaktion, Registrierungen, Deklarationen, Autorisierungen, Überwachungs- und Beschaffungsleistungen usw. Für jede dieser Leistungsarten können Geschäftsmodelle entwickelt werden, die sich aus Sicht des Revenue-Managements stark verein-facht in drei Formen aufteilen lassen: 100-prozentige Bezahlung durch die Verwaltung (vollständig steuerbasiert finanziert), teilwei-se Bezahlung durch die Verwaltung (Mix aus Steuerfinanzierung und Einnahmen von Leistungsbezügern) sowie keine Bezahlung durch die Verwaltung (100-prozentige Finanzierung durch die Leis-tungsbezüger). Je nach Art des Finanzierungsmodells ist die Bedeu-tung von Geschäftsmodellen eine andere und mehr oder minder gross.

Im Bereich des Verwaltungssupports gibt es wiederum unter-schiedliche Möglichkeiten, ein Geschäftsmodell einzusetzen. Da der

Verwaltungssupport weniger direkt gesetzlicher Regelung unterliegt, sind hier mehr Freiheiten denkbar. Ganz anders präsentiert sich die Lage im Bereich der Infrastrukturleistungen. Hier werden Geschäfts-modelle eingesetzt, um etwa Verbünde für die Leistungserbringung zu bilden, wie Zweckverbände und dergleichen.

Zusammenfassung und AusblickAus der hier zunächst übersichtsartig präsentierten Anwendungs-

analyse ergeben sich unterschiedliche und teilweise überraschende Schlussfolgerungen. Zentral erscheint, dass zwar Geschäftsmodell-rechnungen gemacht werden können und Geschäftsmodelle damit im Grunde schon längerfristig existieren. Jedoch ist der Verwaltung möglicherweise zu wenig klar, welche Gestaltungsoptionen sie in dieser Hinsicht in verschiedenen Bereichen des Verwaltungshan-delns hat.

Das Geschäftsmodellkonzept scheint auf den ersten Blick eher schlecht geeignet für den Einsatz in der öffentlichen Verwaltung, insbesondere im Bereich E-Government. Auf den zweiten Blick er-scheint ein Einsatz in der öffentlichen Verwaltung denk- und disku-tierbar, und zwar auf Basis folgender Differenzierungen:

– Diskussion des Geschäftsmodelleinsatzes im Kontext der Aufga-bendifferenzierung von institutionellen Einheiten der Verwaltung, in der Schweiz früher auch als Vierkreismodell bezeichnet: Kern-verwaltung, FLAG-Ämter, Institutionen des dritten Kreises, Insti-tutionen des vierten Kreises usw.

– Einteilung der Verwaltung in unterschiedliche Domänen des Ver-waltungshandelns: politische Verwaltung, Leistungsverwaltung, Verwaltungssupport und reduzierte strategische Führung im Ver-waltungskontext. Geschäftsmodelle können insbesondere im Ver-waltungssupport und bei Querschnittsleistungen für verschiede-ne Verwaltungseinheiten thematisiert werden.

– Über eine neue Form von Geschäftsmodellen im Bereich der Poli-tikevaluation sollte nachgedacht werden. Hier wäre das Geschäfts-modell als Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen, Programmen aus der politischen Verwaltung usw. in der Leistungsverwaltung zu verstehen. Ein entsprechender Begriff müsste noch gefunden werden.

– Als letzte Möglichkeit, die in diesem Beitrag nicht weiter thema-tisiert wird, kann das Geschäftsmodellkonzept etwa in komplexen Finanzierungsmodellen eingesetzt werden, beispielsweise im Bereich der Finanzierung von Gesundheits- oder Sozialleistungen.

Auf den dritten Blick wären weitere Forschungen und Untersu-chungen nötig, um ein immer differenzierteres Bild des Geschäfts-modelleinsatzes zu erlangen, beispielsweise in der gleichen Richtung wie Weill/Vitale12 (2001), die E-Government-Websites im Hinblick auf Geschäftsmodellimplementierungen untersucht haben. In der Literatur ist zum Thema Geschäftsmodelle im E-Government kein einheitliches Bild und Konzept vorhanden, geschweige denn ein Konsens darüber, ob die Diskussion von Geschäftsmodellen im Be-reich der öffentlichen Verwaltung überhaupt Sinn ergibt. Ein inter-essanter Ansatz wäre im Weiteren, die in eCH-0070 und dem LEIKA (der deutsche Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung) disku-tierten Leistungen zusätzlich mit je einem in der Realität eingesetz-ten Geschäftsmodell zu hinterlegen oder mögliche dafür einsetzba-re Geschäftsmodelle zu diskutieren.

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40Forschung/Analyse

1 Keen, P./Qureshi, S.: Organizational Transformation through Business Models: A Framework for Business Model Design. In: Proceedings of the 39th Hawaii International Conference on System Sciences. 2006.

2 Hedman, J./Kalling, T.: The Business Model Concept: Theoretical Under-pinnings and Empirical Illustrations. In: European Journal of Information Systems 12 (2003). S. 49–59.

3 Scheer, C./Deelmann, T./Loos, P.: Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle – Begriffsbestimmung und Teilnehmermodell. 2003. http://wi.bwl.uni-mainz.de/publikationen/isym012.pdf (4.9.2014).

4 Stähler, P.: Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie: Merkmale, Strate-gien und Auswirkungen. Eul Verlag, Lohmar/Köln, 2001.

5 Osterwalder, A./Pigneur, Y.: Business Model Generation. John Wiley & Sons, Hoboken NJ, 2010.

6 Walser, K.: Development of an Administration Domain Model Based on a Business Architecture Model for Public Administration. In: Sabucedo L. A./Rifon L. A. (Hg.): MeTTeG 2013. Proceedings of the 7th International Con-ference on Methodologies, Technologies and Tools Enabling E-Govern-ment. Universität Vigo, Spanien, 2013. S. 167–176.

7 Peristeras, V./Tarabanis, K.: Governance Enterprise Architecture (GEA): Domain Models for E-Governance. In: Janssen, M./Sol, H. G.; Wagenaar, R. W. (Hg.): Proceedings of the Sixth International Conference on Elec-tronic Commerce (ICEC 04). 2004. S. 471–479.

8 Rousseau, J.-J.: Du contrat social ou Principes du droit politique. Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts. Reclams Universal bibliothek, Stuttgart, 2010.

9 Walser, K.: Development of an Administration Domain Model Based on a Business Architecture Model for Public Administration. In: Sabucedo L. A./Rifon L. A. (Hg.): MeTTeG 2013. Proceedings of the 7th International Con-ference on Methodologies, Technologies and Tools Enabling E-Govern-ment. Universität Vigo, Spanien, 2013. S. 167–176.

10 Ritz, A./Rieder, S./Jenzer, R.: Die Evaluation des Projektes «Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget FLAG». Erste Erfahrungen mit New Public Management in der Schweizerischen Bundesverwaltung. 1999. http://www.iop.unibe.ch/Dateien/Publikationen%20Ritz/Artikel%20SGVW%20Eval.%20FLAG.doc (22.9.2007).

11 Scheer, C./Deelmann, T./Loos, P.: Geschäftsmodelle und internetbasierte Geschäftsmodelle – Begriffsbestimmung und Teilnehmermodell. 2003. http://wi.bwl.uni-mainz.de/publikationen/isym012.pdf (4.9.2014).

12 Weill, P./Vitale, M. R.: Place to Space. Migrating to eBusiness Models. Harvard Business School Press, Boston, 2001.

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42Forschung/Analyse

E-Government in Gemeinden und Städten voran treiben – aber wie?Nach gut zehn Jahren E-Government-Erfahrung in der Schweiz besteht der Eindruck, dass das föderale Sys-tem das Vorantreiben der Aktivitäten hemmt, die in der E-Government-Strategie Schweiz festgehalten sind. Dies vor allem bei den Städten und Gemeinden. Bei der Akzeptanz von E-Government-gestützten Verwal-tungsleistungen im kommunalen Umfeld besteht Verbesserungsbedarf. Dieser Beitrag enthält Empfehlungen zu möglichen Massnahmen.

Die neuen Medien wecken bei den Kun-dinnen und Kunden der Verwaltungen neue und berechtigte Bedürfnisse. Es wird erwar-tet, dass die kommunalen Verwaltungen ihre Leistung mit einer ähnlichen Transpa-renz, Zugänglichkeit und Geschwindigkeit anbieten, wie es die Privatwirtschaft tut. Aufgrund von grösseren Sachzwängen ha-ben die Städte und Gemeinden die Moderni-sierung der kommunalen Verwaltungen nur wenig vorantreiben können. Die meisten von ihnen stehen unter einem grossen Kosten-druck. Ohne personelle und finanzielle In-vestitionen können die Angebote und Orga-nisationsstrukturen der kommunalen Verwaltung nicht den aktuellen Bedürfnis-sen angepasst werden. Um als Staat attrak-tiv zu bleiben, sind Modernisierungen aber notwendig.

Empfohlene MassnahmenIn den nachfolgenden Zeilen werden Massnahmen für die Ver-

besserung der Akzeptanz von E-Government-gestützten Verwal-tungsleistungen im kommunalen Umfeld empfohlen und erläutert.

Pflicht zur Prozessdokumentation: Die meisten kommunalen Verwaltungen haben die Prozesse und Abläufe für die zu erbringen-den Leistungen nur wenig oder gar nicht dokumentiert.

Dies entspricht nicht dem Wunsch nach Transparenz, den die Bezügerinnen und Bezüger von Verwaltungsleistungen heute ha-ben. Sie wollen gleich oder ähnlich bedient werden wie in der Pri-vatwirtschaft. Deshalb sollte geprüft werden, ob man den Gemein-den und Städten eine Pflicht für die Dokumentation der Prozesse auferlegen will, wie dies zum Beispiel im Bereich «internes Kont-rollsystem» (IKS) bereits geschehen ist.

Der «Kunde» hätte so die Möglichkeit, den Status einer Leistungs-erbringung in den E-Government-basierten Lösungen zu verfolgen. Damit würde die Transparenz der Leistungserbringung deutlich verbessert, und das Verständnis könnte allseits gesteigert werden.

Pflicht für den Einsatz einer GEVER-Lösung: Die kommunalen Verwaltungen sind aktuell stark an der Beschaffung von Lösungen für die digitale Geschäftsverwaltung (GEVER) interessiert. Die meis-ten Gemeinden und Städte verfolgen damit primär einen verwal-tungsinternen Nutzen. Das Sitzungsmanagement mit den politi-schen Instanzen soll vereinfacht werden. Mit der Beschaffung von

Softwarelösungen, die interne Prozesse bestenfalls verbessern und die Arbeitsgewohnheiten der Entscheidungsträger verändern, ge-winnen Politikerinnen und Politiker aber keine Wiederwahl. Der Fokus liegt deshalb verständlicherweise eher auf Projekten und Ausgaben, die von den Einwohnerinnen und Einwohnern wahrge-nommen werden. Es ist demzufolge empfehlenswert, die Verwal-tungen zum Einsatz einer GEVER-Lösung zu verpflichten, wie dies vor einiger Zeit mit der Einführung von Einwohnerkontroll-Sys-temen im Zuge der Registerharmonisierung geschehen ist.

Elektronische Identität: Aus Erhebungen in anderen Ländern wurde erkannt, dass einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für E-Government die Einführung der elektronischen Identität ist. Fehlt diese in der entsprechenden Absolutheit wie in der Schweiz, so müssen die Anwenderinnen und Anwender von E-Government-An-geboten immer einen Medienbruch in Kauf nehmen oder pro E-Gov-ernment-Angebot einen neuen Zugang mit User und Kennwort bewirtschaften. Leider konnte mit der SuisseID nicht die gewünsch-te Verbreitung erzielt werden. Empfohlen wird deshalb, die neue elektronische Identität kostenlos zusammen mit der ID oder dem Pass auszustellen. Ziel soll sein, eine elektronische Identität für alle Verwaltungsleistungen und alle weiteren beliebigen Angebote der Privatwirtschaft bereitzustellen – eine Karte für alles.

Liberalisierung der Verwaltungsleistung: Die Leistungserbrin-gung der öffentlichen Verwaltung untersteht heute keinem Wett-bewerb. Einen Grossteil der Verwaltungsleistungen muss man zwangsläufig bei der Wohngemeinde beziehen. Eine Liberalisierung könnte dies ändern. Damit ist nicht gemeint, dass Verwaltungsleis-tungen durch Private ausgeführt werden sollen, sondern dass an-dere kommunale Verwaltungen die gleichen Leistungen für alle in der Schweiz wohnhaften Personen erbringen können (z.B. SBB-Ta-geskarte). Es wäre doch praktisch, wenn eine Verwaltungsleistung, die bisher ausschliesslich im Gemeindehaus am Wohnort bezogen werden konnte, in Zukunft auch am Arbeitsort beziehbar wäre. Zu-gegeben, diese Empfehlung wird bei vielen Politikerinnen und Politikern sowie Verwaltungspersonen Kopfschütteln auslösen. Aber wie sonst soll eine aus Sicht des Kunden echte Dienstleistungs-situation entstehen?

Konzentration der Kräfte: Derzeit bestehen im Umfeld von E-Gov-ernment viele Projektfelder mit einer grossen Themenvielfalt. Mit der typisch schweizerischen Denkweise versuchen die Entschei-dungsträger, es allen Beteiligten recht zu machen. Dies führt zu einer Verzettelung der Kräfte und verhindert ein schnelles Voran-kommen. Da die E-Government-Gremien mit vielen politischen Mandatsträgern bestückt sind, wird E-Government zu stark «ver-politisiert». Die Gremien sollten in Bezug auf Aufgaben, Kompeten-

Gérald Strub Strub & Partner GmbH Kommunaler Beauftragter für E-Government in den Kantonen Aargau und Luzern gerald.strub @strubpartner.ch

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43Forschung/Analyse

zen und Verantwortung angepasst und gestrafft werden. Zudem sind die verfügbaren Mittel und Ressourcen zugunsten wichtiger Ziele, zum Beispiel der elektronischen Identität, einzusetzen – nach dem militärischen Führungsgrundsatz «Konzentration der Kräfte» oder dem Sprichwort «Weniger ist mehr».

Datenbestände besser vernetzen: Die verschiedenen föderalen Ebenen bewirtschaften eine grosse Fülle von unterschiedlichen Datenbeständen. Die Gemeinden und Städte wurden in den letzten Jahren mehrfach gesetzlich dazu verpflichtet, Datenbestände der kantonalen Verwaltung oder dem Bund zur Verfügung zu stellen. Leider sind die Datenlieferungen meist «Einbahnstrassen». Die Kommunen liefern zwar Daten, erhalten die weiterbearbeiteten Informationen von den übergeordneten Stellen jedoch nicht zurück.

Eine Forderung, die von den Einwohnerinnen und Einwohnern immer wieder genannt wird, ist, dass Daten, die dem Staat bekannt sind, nicht nochmals nachgefragt werden sollen. Die verfügbaren Datenbestände der öffentlichen Verwaltung als Gesamtes sind zum Nutzen der Verwaltung selber, der Einwohnerinnen und Einwohner sowie der Wirtschaft besser zu vernetzten.

Schulung der Politiker: Die primäre Aufgabe der kommunalen Politiker ist, die Gemeinden auf strategischer Ebene zu führen. Sie kennen die Verwaltungsleistungen von zwei Seiten: In ihrer Rolle als Politiker sind sie Teil des Systems, und in ihrer Rolle als Ein-wohnerin oder Einwohner sind sie auch Leistungsbezüger. Somit sind sie zum Teil in die Abläufe der Verwaltung involviert, jedoch nicht in alle. Zudem sind die zeitlichen Ressourcen für die meisten Kommunalpolitiker eher knapp bemessen, da die Aufgabe in einem Nebenamt zu leisten ist und meist nicht wirtschaftsgerecht vergü-tet wird. Dies führt dazu, dass sich die meisten Politikerinnen und Politiker den Ansprüchen ihrer Wählerinnen und Wähler entspre-chend vermehrt dort einsetzen, wo es auch wahrgenommen wird.

Vielen Kommunalpolitikern fehlt allerdings das Fachwissen über die kommunale Verwaltungstätigkeit. Dieses sollte geschult oder vermittelt werden – ganz nach dem Vorbild der Privatwirtschaft. Denn auch hier sind nebst den Fähigkeiten für die Ausübung einer Führungsaufgabe Fach- und oder Branchenkenntnisse erforderlich.

Neue Regionalpolitik (NRP): Am 1. Januar 2008 ist das neue Bundesgesetz über die Regionalpolitik in Kraft getreten. Sein Ziel ist es, die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit einzelner Re-gionen zu steigern, um so einen Beitrag zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in den geförderten Gebieten zu leisten.

E-Government-gestützte Verwaltungsleistungen können eben-falls dazu beitragen, dass eine Region oder die föderale Ebene der Gemeinden und Städte als Ganzes wettbewerbsfähiger wird. Reor-ganisationsprojekte der öffentlichen Verwaltungen von Gemeinden und Städten mit direktem Nutzen für die Einwohnerinnen und Ein-wohner sollten deshalb mit finanziellen und allenfalls personellen Ressourcen durch NRP unterstützt werden.

E-Partizipation fördern: Viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker gehören eher der Generation der Digital Immigrants an. Demnach sind sie erweiterten digitalen Formen der politischen Partizipation gegenüber eher kritisch eingestellt. Es lohnt sich, den Einsatz von Social-Media-Plattformen zu fördern. Sie erlauben es, mit den Einwohnerinnen und Einwohnern in anderer Weise in Kon-

takt zu treten. Stimmungen und Bedürfnisse können auf diesem Weg vielleicht sogar einfacher eingefangen werden als an einer Orientierungs- oder Gemeindeversammlung. Informationen, die sonst am Stammtisch ausgetauscht werden, können in einem grös-seren Einzugsgebiet auch über die Social-Media-Plattformen ver-breitet und diskutiert werden.

Informationspolitik zum Ausbau von E-Government: Zum einen ist die interne Kommunikation, das heisst die Kommunikation in-nerhalb der drei föderalen Ebenen, zu verbessern. Es sollen nicht mit jedem Wechsel auf der Führungsetage die E-Government-Akti-vitäten hinterfragt werden. Dabei hilft auch eine visionär formu-lierte E-Government-Strategie.

Zum anderen ist die Kommunikation zu den Kundinnen und Kunden, der Bevölkerung und der Wirtschaft von Verwaltungssei-te zu vereinheitlichen. Informationen, die gesucht werden, sollen schnell gefunden werden. Das Informationsangebot soll einheitlich dargestellt werden. Dies in der Struktur und im Wording (Öffent-lichkeitsarbeit). Beim Wording ist insbesondere zu überlegen, ob die Verwaltungsbegriffe in die Umgangssprache «übersetzt» werden sollen.

SchlusswortDie vorstehenden Empfehlungen sind von Gérald Strub im Rah-

men seiner Masterarbeit erarbeitet worden. Er selber ist Gemeinde-präsident einer Aargauer Gemeinde und auch beruflich im öffent-lichen Umfeld unterwegs. Er kennt deshalb die Sorgen und Probleme der kommunalen Verwaltungen bestens.

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44Forschung/Analyse

Macht E-Government aus dem Staat Gurkensalat? Anmerkungen zum deutschen Projekt Stein-Hardenberg 2.0 Im Herbst dieses Jahres ist ein ausserordentliches Buch erschienen, das die Erkenntnisse aus dem drei -jäh rigen Projekt Stein-Hardenberg 2.0 zusammenfasst.1 Das deutsche Forschungsprojekt wurde vom Bundes-ministerium des Inneren gefördert, und es beteiligte sich daran u.a. das ifG.CC Potsdam.

Ausserordentlich ist das Buch deshalb, weil die Potenziale von E-Government und die unglaublichen Herausforderungen, die E-Government für die meist traditionsrei-chen Staaten und Staatsorganisationen zur Folge hat, selten «so schonungslos» darge-stellt werden. Das Hauptthema im Buch sind eben gerade diese Herausforderungen der öff entlichen Verwaltung in Deutschland angesichts der zunehmenden Durchdrin-gung der öff entlichen Verwaltung mit Infor-mationstechnologie. In diesem Beitrag wird zunächst der Inhalt des Buches kurz zusam-mengefasst. Danach folgen aus unterschied-lichen Perspektiven einige Anmerkungen zum Text. Ein besonderes Gewicht erhält das Thema Architektur. Schliesslich ist im Un-tertitel des Buches von Architektur die Rede.

Das Buch ist im sigma-Verlag in der Verwaltungsmoderni sierungsreihe mit der Bezeichnung «E-Government und die Erneu-erung des öff entlichen Sektors» erschienen. Folgende zentrale Themen werden in diesem Band abgearbeitet: konzeptionelle Grundla-gen einer vernetzten Verwaltung, Prinzipien

der Staatsorganisation und die Weiterentwicklung von deren Ver-ständnis vor dem IT-Hintergrund, Vereinbarkeit der vernetzten Verwaltung mit grundlegenden Prinzipien der Staatsorganisation, konkrete Anwendungsfelder der Vernetzung, organisatorisch-tech-nische Gestaltbarkeit von E-Government und wissenschaft liche Grundlagen zur Gestaltung sowie das Fazit und weiterer Forschungs-bedarf. Nach dem Fazit folgt ein Kapitel, das wesentliche Begriff e aus dem Forschungsprojekt breiter auslegt.

Der Kern der Forschungsarbeit ist nicht wesentlich neu, aber nichtsdestotrotz von grossem Interesse. Es geht darum, wie die zu-nehmende Durchdringung mit Informationstechnologie den Staat verändert. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der «Blueprint» aussieht, mit dem Architekturen für die öff entliche Verwaltung sys-tematisch entwickelt werden können. Die Autoren des Bandes the-matisieren das in ihrem Dreischichtenmodell, das in den Arbeiten von Peristeras2 et al. und in der darauf basierenden Thematisierung von Walser3 vorangelegt ist. Es konkretisiert, was aus organisatori-scher Sicht als öff entliche Verwaltung zu bezeichnen ist. Dieses Domänenmodell oder diesen Bauplan kann man als Architektur-Blue-print bezeichnen. Er ist die Grundlage, um zwischen dem eigentlichen Verwaltungsgeschäft und der informationstechnischen Infrastruk-tur, durch die die ganz unterschiedlichen Bereiche oder eben Domä-nen des Verwaltungshandelns unterstützt werden, zu vermitteln.

Es ist aus wirtschaft sinformatischer Perspektive naheliegend, dass die unterschiedlichen Domänen der Verwaltung – politische Verwaltung, Leistungsverwaltung, Verwaltungssupport und stra-tegische Verwaltungsführung – ganz unterschiedliche Arten der Informationssystemunterstützung erfordern. Für den Bereich der sogenannten politischen Verwaltung (in Deutschland ministeriale Behörde genannt)4 hat Walser ein Teilarchitekturmodell entwickelt, das sich deutlich unterscheidet von einer Architektur der Leistungs-verwaltung (in Deutschland nachgelagerte Behörden genannt)5 Auch hier liegen Vorschläge für Referenzarchitekturen seitens Wal-ser vor.6 Damit zeigt sich, welche Funktion entsprechende archi-tekturorientierte Blueprints zur «Vermittlung zwischen Geschäft und IT» in der öff entlichen Verwaltung einnehmen können.

Ausgehend von ihrem Dreischichtenmodell erläutern die Autoren von «Stein-Hardenberg 2.0», welche Potenziale der Vernetzung in der öff entlichen Verwaltung gegeben sind. Dies tun sie, indem sie die drei Ebenen etwa mit unterschiedlichen Arten von Netzwerken kombinieren, die in der Verwaltungsrealität anzutreff en sind. Dabei wird nicht immer ganz deutlich, dass diese Vernetzung aus Inter-operabilitätssicht ja unterschiedliche Dimensionen haben kann. Gemäss European Interoperability Framework EIF 2.07 sind folgen-de Ebenen möglich: der politische Kontext, die legale Interoperabi-lität, die organisatorische Interoperabilität sowie die semantische und technische Interoperabilität. Mit diesen Ebenen hätte man auch die Vernetzung konkretisieren können. Im Wesentlichen bewegen sich die Autoren auf der Ebene der organisatorischen Herausforde-rungen und Interoperabilität. Sie sagen, ähnlich zu Walser, dass im Bereich IT-Unterstützung des Verwaltungshandelns unterschied-liche und voneinander unabhängige Dekompositionen und Rekon-fi gurationen von Verwaltungen vollzogen werden können.8 Anhand empirischer Analysen verifi zieren sie die E-Government-Netzwerke, so unter anderem anhand der EU-Dienstleistungsrichtlinie und der Behördenrufnummer 115. Diskutiert werden im Weiteren die zen-tralen Prinzipien des Staatsaufb aus und deren «Gefährdungen» oder die in dieser Hinsicht relevanten Herausforderungen, die die zunehmende Durchdringung der öff entlichen Verwaltung mit In-formationstechnologie mit sich bringt: Zuständigkeit, Arbeits- und Kompetenzverteilung im föderalen Staatsaufb au (Netzwerke müs-sen nicht notwendigerweise hierarchisch oder föderal organisiert sein), Selbstverwaltung sowie Ressorthoheit. Diese Prinzipien wer-den durch E-Government nicht nur herausgefordert, sondern viel-mehr implizit infrage gestellt. Statt der doch recht konservativen Einstellung bezüglich dieser Fragen wünschte sich der Leser eine etwas liberalere Haltung und eine noch unvoreingenommenere Diskussion möglicher Veränderungsausprägungen. Es stellt sich die grundlegende Frage: Wie soll ein moderner Staatsaufb au im Zeitalter der immer stärkeren Durchdringung des Verwaltungshan-delns mit Informationstechnologie aussehen? Welche Potenziale

Prof. Dr. Konrad WalserDozent/Senior Researcher E-Government-InstitutBerner Fachhochschulekonrad.walser@bfh .ch

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45Forschung/Analyse

können etwa angesichts der zunehmenden Verschuldung genutzt werden (Transaktionskosteneinsparungen bei gleichzeitig nur mäs-sig steigenden Koordinationskosten in der Verwaltung dank IT- und Geschäftsprozessintegration usw.)? Welche erleichternden Konse-quenzen hat die wesentlich stärkere Integration von Technologien in den Verwaltungsalltag für die Verwaltungsmitarbeiter? Welche negativen Konsequenzen des demografischen Wandels werden dank mehr Prozessintegration und IT-Integration wettgemacht? Die Ver-änderungen könnten in den verschiedenen Domänen des Verwal-tungshandelns durchaus unterschiedlich ausfallen und hätten auch über die Vernetzung thematisiert werden können.

Jedenfalls entstehen Herausforderungen, die in der Schweiz auch existieren und die im Wesentlichen eine grosse politische Debatte darüber auslösen sollten, wie der Staat der Zukunft aussehen soll. Erstaunlich ist, dass dieser Diskurs im grossen Stil nicht erfolgt. Ich sollte doch als Bürger verlangen können, dass ich im Zeitalter der Mobilität unabhängig vom Standort mit der Verwaltung inter-agieren kann. Dass ich meine «Story» nur noch einmal und nicht bei jeder Verwaltungsstelle von Neuem erzählen muss. Dass ich jederzeit weiss, welche Daten die Verwaltung von mir hält, und diese jederzeit offen verwalten kann.

Trotz systemischen Unterschieden können die Situation in Deutschland und die in der Schweiz als einigermassen ähnlich be-zeichnet werden. Die Verwaltung scheint wie die Maus angstvoll vor der Schlange zu sitzen. Unfähig, den erforderlichen Diskurs für die Verwaltung 2.0 oder 3.0 auch auf politischer Ebene fruchtbar zu führen. Eine wesentliche Diskussion, die in der Schweiz aktuell über eine eCH-Arbeitsgruppe angegangen wird und die im Buch von Köhl et al. auch aufgeführt wird, ist diejenige rund um das Frontoffice und entsprechende Gestaltungspotenziale bei der elek-tronischen Unterstützung des Single Point of Contact für Bürgerin-nen und Bürger und Unternehmen. Hier gilt es, den in der Ver-waltung allgegenwärtigen Blickwinkel von innen nach aussen umzukehren und die Verwaltung aus Kundensicht zu betrachten. Im Buch erfolgt die Vernetzungsanalyse aufgrund eines gestaltungs-orientierten Ansatzes für Familien in unterschiedlichen Lagen und Ausprägungen. Im Wesentlichen geht es dabei um Leistungsbün-delungsaspekte und entsprechende Redesigns von Leistungen.

Das Fazit lautet auf den ersten Blick: schwer verträgliche orga-nisatorische Gestaltungspotenziale mit der Mehrebenenverwaltung. Doch dann setzen die Autoren zu ihrer moderaten Einschätzung an, dass E-Government keine der thematisierten Verwaltungsprinzi pien wirklich infrage stellt. Das hinterlässt beim geneigten Leser ein etwas seltsames Gefühl. Alles bleibt beim Alten, und das E-Govern-ment macht aus dem Staat doch kein Gurkensalat? Skepsis kommt auf. Es braucht mehr Mut in dieser Diskussion, um die Potenziale der IT in der öffentlichen Verwaltung zu realisieren. Vor allem aber, so zeichnet sich ab, ist das ein Prozess, der über Generationen vor-anschreiten wird und nicht in dieser oder der nächsten Generation geklärt sein wird.

1 Vgl. Köhl, S./Lenk, K./Löbel, S./Schuppan, T./Viehstädt, A.-K.: Stein-Har-denberg 2.0. Architektur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government. edition sigma, Berlin, 2014.

2 Vgl. hierzu u.a. Peristeras, V./Goudos, S./Loutas, N./Tarabanis, K.: An On-tological Representation of Public Services: Models, Technologies and Use Cases. In: Journal of Web Engineering, vol. 8 (3) (2009). S. 245–267. Vgl. ferner Loutas, N./Peristeras, V./Tarabanis, K.: The Public Service Ontolo-gy: A Formal Model for Describing Domain Specific Semantics. In: Interna-tional Journal of Metadata, Semantics and Ontologies, vol. 6 (1) (2011). S. 23–34. Zu erwähnen ist zudem die aus Sicht des Verfassers bahnbre-

chende Entwicklung einer Government Enterprise Architecture (GEA) von Peristeras, V./Tarabanis, K.: Towards an Enterprise Architecture for Public Administrations Using a Top-down Approach. In: European Journal of In-formation Systems 9 (4) (2000), S. 252–260. Es entbehrt nicht einer ge-wissen Ironie, dass diese Arbeit von Griechen im 20. Jahrhundert entwi-ckelt wurde.

3 Vgl. hierzu Walser, K.: Development of an Administration Domain Model Based on a Business Architecture Model for Public Administration. In: Sa-bucedo, L. A./Rifon, L. A. (Hg.): MeTTeG2013 Proceedings of the 7th Inter-national Conference on Methodologies, Technologies and Tools Enabling E-Government, Universität Vigo, Spanien, 2013. S. 167–176.

4 Vgl. hierzu u.a. Walser, K.: Umrisse eines E-Government-Geschäftspro-zess-Referenzmodells. eGov Präsenz 1 (2008). S. 61–63.

5 Vgl. hierzu Walser, K./Riedl, R.: Policy Cycle-Based E-Government Archi-tecture for Policy-Making Organisations of Public Administrations. In: International Journal of E-Services and Mobile Applications (IJESMA) 3 (3) (2011). S. 49–68.

6 Vgl. Walser K./Riedl R.: Skizzierung von Front- und Back-Office-Architek-turprinzipien des E-Governments. In: Proceedings der Multikonferenz Wirtschaftsinformatik (MKWI), Universitätsverlag Göttingen, 2010. S. 1375–1386. Vgl. ferner Walser, K.: Architectural Principles for E-Govern-ment Business and Application Architectures based on an E-Government Business Process Reference Model. In: Konjovic, Z./Milosavljevic, B./Mar-kovic, M. (Eds.): MeTTeG2012. Proceedings of the 6th International Confe-rence on Methodologies, Technologies and Tools Enabling E-Government. Universität Novi Sad, Belgrad, Serbien, 2012. S. 112–124.

7 Vgl. hierzu EC/isa (2010): European Interoperability Framework 2.0. http://ec.europa.eu/isa/documents/isa_annex_ii_eif_en.pdf (5.12.2014).

8 Vgl. hierzu in etwas anderer Form: Walser, K.: The Deconstruction and Reconfiguration of Municipalities. A better Approach than Municipal Mer-gers? The Information System Point of View. In: Konjovic, Z.; Milosavljevic, B.; Markovic, M. (Eds.): MeTTeG2012. Proceedings of the 6th International Conference on Methodologies, Technologies and Tools Enabling E-Govern-ment. Universität Novi Sad, Belgrad, Serbien, 2012. S. 115–137.

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46Forschung/Analyse

Weniger, teurer, später oder gar nicht: Projekte wohin?Die Eidgenossenschaft kauft Jahr für Jahr Leistungen externer Lieferanten für über fünf Milliarden Franken ein, neben Bauleistungen namentlich Beratungs- und IT-Leistungen. Wenig bekannt ist, welcher Gegenwert mit diesen Zahlungsleistungen verbunden ist. Die Kontrollorgane untersuchen heikel scheinende Vorhaben, erheben Befunde und geben Empfehlungen ab. Aber auch diese Bemühungen zeigen oft wenig oder nicht belegbare Wirkung. Was ist zu tun?

Eindrückliche Zahlen2013 hat der Bund für Beschaffungen

insgesamt 5,3 Milliarden Franken aufgewen-det. Nach etwas über einer Milliarde für Nationalstrassen und weitere Bauleistungen folgen auf Platz 2 allgemeine Beratungs-dienstleistungen für 418 Millionen und auf Platz  4 Informatikdienstleistungen für 338 Millionen. Gerade Informatikprojekte und die dafür eingesetzten Mitarbeitenden, aber auch die allgemeinen Beratungsdienst-leistungen stehen in der Kritik, vornehmlich weil die Projekte nicht wie geplant verlau-fen, wegen exzessiver Beschäftigung von teuren externen Kräften, ausser Kontrolle geratenen Kosten usw.

Mit den genannten Summen ist zwar bekannt, welche Mittel der Staat für welche Arbeitskategorien ausgibt, aber wegen des fehlen-den umfassenden, strategischen Beschaffungscontrollings sowie wegen des fehlenden übergeordneten Vertragsmanagements ist nicht nachvollziehbar, welcher Gegenwert mit den eingesetzten Mitteln oder – noch wichtiger – welcher Gegenwert im Vergleich zur ursprünglichen Planung erzielt worden ist. Es ist an der Zeit, nicht nur nachträglich Befunde zur Kenntnis zu nehmen und Kritik zu üben, sondern Lehren zu ziehen und hilfreiche Strategien und Taktiken zu entwickeln.

«We know why projects fail, and how to prevent their failure …»Anhand von Berichten der Eidgenössischen Finanzkontrolle

(EFK), der Finanzdelegation (FinDel), der Verwaltungskontrolle und weiteren Quellen wird untersucht, wo die gewichtigsten Probleme in der Projektabwicklung angesiedelt sind. In einem weiteren Schritt werden Empfehlungen ausgearbeitet, die die Situation verbessern können, wenn sie adäquat umgesetzt werden.

«… so why do they still fail?»1

Die Untersuchungen decken die grössten Defizite auf: – Programm- bzw. Projektführung, insbesondere die finanzielle

FührungGeschönte Kosten-Nutzen-Planung, Unterschätzung der Kosten, Intransparenz, falsche Verbuchungen und vor allem fehlendes Fi-nanzcontrolling sind üblich. Unausgewogene Risikoallokation führt zu überhöhten Endkosten im Vergleich zu den Vergabesummen.

– Planung der Vorhaben, Nachführung der Planung bei der Ab-wicklungPlanungen sind oft unrealistisch und viel zu optimistisch. Diffe-renzen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer werden nicht

bereinigt. Terminüberschreitungen führen zu Mehrkosten und/oder Reduktion des Lieferumfangs. Ungenaues, oft beschönigen-des Reporting führt Aufsichtsorgane in die Irre. Die Planung trägt der Langlebigkeit der Ergebnisse zu wenig Rechnung.

– OrganisationUnangemessene, unklare Organisation, oft aufgeblasene Aus-schüsse, falsch angesiedelte Auftraggeber stiften Verwirrung. Es bestehen zu grosse Diskrepanzen zwischen Fachbereich und IT-Umsetzung. Mangelhaftes Fachwissen auf IT-Seite begleitet mangelhaftes Projektwissen auf Fachseite. Eine angemessene Projekt-Governance fehlt. Stakeholder sind ungenügend in das Vorhaben eingebunden, dies gilt insbesondere für die späteren Nutzerinnen und Nutzer der Projektergebnisse. Der Umgang mit vielen Stakeholdern mit divergierenden Interessen ist eine kriti-sche Herausforderung. Starke Personalfluktuation behindert den Projektfortschritt.

– Vorbereitung, Initialisierung, BeschaffungAuf mangelhaften Grundlagen, zum Beispiel mangelhafter Ge-schäfts- und IT-Architektur, lässt sich nicht erfolgreich bauen. Fehlende oder unstrukturierte Anforderungen, Spezifikationen und Qualitätsanforderungen lassen Projekte gleich zu Beginn scheitern. Die vorhandenen Informationen reichen nicht für brauchbare Aufwand-, Kosten- und Terminschätzungen. Projekte starten nicht selten mit ungenügenden Voraussetzungen. Die fehlenden Voraussetzungen sollen in der Folge mit ungeplanten Beschaffungen kompensiert werden, oftmals in der Eile unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften.

– Berücksichtigung der Sicherheitsvorgaben und -aspekteAufgrund der zunehmenden Vernetzung, namentlich im IKT-Be-reich, sehen sich die Aufsichtsorgane fast notorisch veranlasst, auf fehlende Sicherheits- und Notfallmassnahmen hinzuweisen und diese einzufordern.

Grosse Projekte – grosse RisikenEs liegt in der Natur der Sache, dass gerade grosse und umfang-

reiche Projekte stark risikobehaftet sind. Zudem werden Projekte oft umfangreicher und damit risikoreicher definiert als wirklich notwendig, es besteht die Tendenz zum Überladen des Fuders. Die FinDel kommt 2012 zum resignierten Schluss: «Einmal mehr zeigt sich, dass der Bund in der Handhabung solcher gewichtiger Vorha-ben überfordert ist. Wesentliche Fragen der Führung und der finan-ziellen Verantwortung sind … nicht klar geregelt, das Projekt dauert zu lange und wesentliche Elemente der Projektarchitektur werden wiederholt in Frage gestellt.»

Gerade im Zusammenhang mit dem übermässigen Engagement externer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der daraus resultie-renden asymmetrischen Risikoallokation macht sich das Prinzi-pal-Agent-Problem bemerkbar: der Agent – hier der externe Mitar-

Ernst Menet Fachbereich Wirtschaft Studiengangsleiter MSc Wirtschaftsinformatik [email protected]

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47Forschung/Analyse

beiter – handelt möglicherweise eigennützig und nicht im Sinne des Projektergebnisses und damit des Prinzipals, weil seine Leis-tungen nicht kontrolliert werden oder gar nicht kontrolliert werden können. Die EFK hat vorsichtig festgestellt, «dass der Eindruck entsteht, dass bei einigen Firmen nicht primär ein erfolgreich ver-laufendes Projekt im Vordergrund stand, sondern Umsatzüberle-gungen».

Gemäss den untersuchten Berichten wird bedauert und bemän-gelt, dass es an übergeordneten Vorgaben und Gremien fehlt, um die notwendige Transparenz zu schaffen, zweckdienliche Zusam-menarbeit zu fördern und um Redundanzen, Blindleistungen, un-nötige Luxuslösungen und Fehlleistungen zu vermeiden.

Wichtig und dringendDie vorangehenden Überlegungen führen unter anderen zu fol-

genden Grundsätzen: – Im Vordergrund stehen übereinstimmend die Forderungen der

Aufsichtsinstanzen nach finanzieller Planung, Transparenz und Führung.

– Eine oft wiederholte und zentrale Empfehlung lautet, dass sich die Verwaltungsorganisationen an geltende Vorschriften und Richtlinien, namentlich bezüglich des öffentlichen Beschaffungs-rechts zu halten haben.

– Eine wichtige Empfehlung der EFK ist auch die durchgängige An-wendung der Projektführungsmethode HERMES.

– Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Einhaltung von Vorschrif-ten im Zusammenhang mit der Datensicherheit und dem Daten-schutz.

– Der Beizug von übermässig viel externem Personal kann ver-schiedene negative Konsequenzen nach sich ziehen: Vorhaben werden massiv teurer als geplant, und das Risiko und die Verant-wortung verlagern sich von den extern Beauftragten zum Auf-traggeber, der zusehends die Kontroll- und Steuerungsmöglich-keiten abgibt.

How do you eat an elephant? One bite at a time!Neben den wichtigsten Empfehlungen der Aufsichtsgremien gibt

es eine Vielzahl direkter und indirekter Empfehlungen, teilweise auch von anderen Quellen:

Grosse Vorhaben müssen umfassend vorbereitet und konzipiert werden. Jedoch ist in kleinen Schritten immer nur das unmittelbar Notwendigste umzusetzen. Ein solches Vorgehen mag in seltenen Fällen unmöglich sein, aber gerade IT-Projekte lassen sich fast im-mer in kleinere Abschnitte zerlegen. Kleinere Abschnitte können schneller abgewickelt und damit Kosten und Risiken spürbar redu-ziert werden. In gewissen Fällen ist auch der vorzeitige Ausstieg aus einem Vorhaben denkbar, ohne alle Vorleistungen sofort ab-schreiben zu müssen.

Die Grundlagen für ein Vorhaben und eine erfolgreiche Initiali-sierung sind erfolgsentscheidend. Die Aufsichtsorgane des Bundes schreiben viele Projektmisserfolge dem Fehlen dieser Kriterien zu. Die Erfahrungen ausserhalb der Verwaltung bestätigen dies.

Komplizierte Aufgabenstellungen mit noch komplizierteren Lö-sungen erledigen zu wollen, ist kostentreibend und erhöht die Ri-siken beträchtlich. Die Probleme zu zerlegen, in einer zeitlichen Abfolge der Lösung zuzuführen und einfache Lösungen anzustre-ben, verspricht mehr Erfolg.

Die Erfahrungen bestätigen, dass die Kosten eines Vorhabens praktisch immer höher ausfallen als geplant. Der Nutzen dagegen fällt ebenso regelmässig geringer aus als erhofft. Weniger Optimis-mus, mehr Realismus und angemessene Reserven sind sehr hilf-

reich. Es liegt auf der Hand, dass die Verwendung von Reserven im Voraus zu regeln ist.

Ein Risikoausgleich sollte geschaffen werden. Vereinfachend kann man im Umgang mit externen Lieferanten festhalten: Bei Dienstleistungsverträgen schuldet der Auftraggeber die Bezahlung, bei Werkverträgen schuldet der Auftragnehmer das Werk. Damit der Auftraggeber überhaupt auf Werkverträge bauen kann, muss er sein Werk hinreichend genau beschreiben können. Ein beschwer-licherer, aber für alle Seiten sicherer Weg könnte in bestimmten Fällen die gemeinschaftliche Realisierung von Vorhaben mittels Public-Private-Partnerships (PPP) sein. Klar ist auch, dass bei reinen Dienstleistungsverträgen, selbst bei solchen mit Kostendach, die Risiken vollumfänglich beim Auftraggeber liegen.

Planung ist alles: Zu Beginn einen definitiven Plan zu erstellen, ist selbst für ein kleineres Vorhaben kaum möglich. Aber wegen anfänglicher Unsicherheiten und fehlender Informationen nicht zu planen, ist grobfahrlässig. Sogenanntes agiles Vorgehen bei unge-nügenden Grundlagen führt nicht zum Erfolg.

«If you fail to plan, you plan to fail»2

Planung erfolgt sehr wohl auch für das Projekt, muss aber – nicht zuletzt auch im Sinne der Nachhaltigkeit – primär dem Erzielen und dem Betrieb der Ergebnisse dienen.

Indem man Methoden, Daten, Informationen und Berichte stan-dardisiert, unterstützt man die Vergleichbarkeit und die Transpa-renz der Vorhaben.

Zusammenarbeit gilt es zu fördern, und zwar im unterstützenden und weniger im kontrollierenden Sinn. Im Kanton Aargau hat das den Departementen übergeordnete, aber aus Vertretern der Depar-temente zusammengesetzte IT-Board bereits positive Wirkung ent-faltet. Die Konstellation wäre auch auf der Ebene der Bundesver-waltung denkbar, wenn auch im einen oder anderen Fall der Schatten des eigenen Departements übersprungen werden müsste. Fehler und Mängel würden früher entdeckt, Redundanzen würden eliminiert, die knappen Ressourcen könnten effizienter eingesetzt werden. Ein bundesweites Projektportfoliomanagement würde wei-tere Effizienzgewinne abwerfen.

Mehr Kontrollen? Mehr Kontrollorgane?Werden Misserfolge publik, erfolgt in aller Regel der Ruf nach

mehr Kontrollen und weiteren Kontrollgremien. Doch mehr Kont-rollen sind kaum sinnvoll, denn die Kontrollorgane sind etabliert, und offensichtlich funktionieren sie. Die Mängel liegen vielmehr bei der Durchsetzung und der sachgerechten Umsetzung der Emp-fehlungen. Nicht noch mehr Kontrollen bringen die Vorhaben wei-ter, sondern zielstrebige Arbeit und Führungsstärke.

Quellen – Kwak, Young Hoon et al.: Challenges and Best Practices of Managing Govern-ment Projects and Programs. PMI, Newton Square, 2014.

– Wernham, Brian: Agile Project Management for Government. Maitland and Strong, London, 2012.

1 Martin Cobb2 Benjamin Franklin

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48Forschung/Analyse

Prof. Dr. Konrad WalserDozent/Senior Researcher E-Government-InstitutBerner Fachhochschulekonrad.walser@bfh .ch

Entwicklung eines E-Governance-Konzepts für die öff entliche VerwaltungEin einheitliches Governance-Konzept der öff entlichen Verwaltung fehlt bis heute weitgehend. Der vorliegen-de Beitrag klärt Konzepte der E-Governance und verdeutlicht damit die heute wenig thematisierten Zusam-menhänge zwischen den vier wesentlichen Elementen, die in einem E-Governance-Rahmenwerk positioniert werden: Strategie, Architektur, Servicemanagement und Governance.

ProblemstellungDas Pendel zwischen Conformance und

Performance1 schwingt im Verwaltungshan-deln naturgemäss eher in Richtung Confor-mance aus. Denn Verwaltungen sind typi-scherweise mit Teilen der Organisation mitverantwortlich für die Gesetzgebung (Policy Making, politische Verwaltung). Vor-ab jedoch sind sie in der Um- und Durchset-zung der Gesetze tätig (Leistungsverwaltung oder Vollzugsverwaltung). Die Evaluation der Performance-Orientierung aus Govern-ance-Sicht kann entweder in Richtung Out-come-Bewertung2 oder in Richtung Pub-lic-Value-Management verstanden werden3.

Konkretisierung des Begriff s der E-Governance und Stand der Forschung

Ray/Mukherjee4 defi nieren den Begriff E-Governance wie folgt: «The term e-governance refers to the process of using ICT for auto-mating both the internal operations within the government and its external interactions with citizens, businesses and other govern-ments.» Sie thematisieren zudem die folgenden Nutzenversprechen von E-Governance: «When utilized to the fullest extent, e-gover-nance has potential benefi ts like: effi cient and cost-eff ective delivery of public services; two-way communication between government and citizens bringing them closer to the government; transparency and accountability in government processes; better sharing and dissemination of information between ministries, government agencies, institutions, non-governmental organizations and the private sector; and better resource utilization and future resource planning.»

Das Verständnis des Begriff s E-Governance ist extrem dispers. Es herrscht weder eine klare Vorstellung vom Begriff selbst noch von seiner Positionierung vor. Es fehlen verwaltungsspezifi sche Führungskonzepte im Bereich E-Governance – für die Verwaltung selbst, das E-Government sowie die IT.

In diesem Bericht wird angenommen, dass E-Governance kon-zeptionell darauf beruht, die vier zentralen Elemente Strategie, Governance, Leistungs- oder Servicemanagement sowie Architek-tur zu managen. Diese vier zentralen Elemente können auf drei Ebenen zum Einsatz gelangen: der Verwaltung selbst, dem E-Gov-ernment sowie der IT. An einem Beispiel illustriert, bedeutet dies für das Element Governance, dass eine Verwaltung eine Verwal-tungs-Governance, eine E-Government-Governance und eine IT-Gov ernance implementiert haben sollte, die aufeinander abzustim-men sind. Dieser Beitrag geht damit von einer holistischen und doch konkreten Konzeption von E-Governance aus und lehnt sich zum Teil an die IT-Governance-Entwicklung der letzten Jahre an, kon-

kretisiert etwa durch die Entwicklung von COBIT (ISACA)5 oder der Information Technology Infrastructure Library (ITIL 2011 Edition)6.

Entwicklung eines konzeptionellen Rahmenwerks zum The-ma E-Governance

Im Folgenden werden vier zentrale Elemente des E-Governance-Modells thematisiert, die wie erwähnt Strategie, Governance, Ar-chitektur und Servicemanagement lauten. Die Strategie und die Architektur haben einen klar zeitlichen Bezug, sie gelten typischer-weise über eine bestimmte Dauer. Die Governance und das (Service-)Management (Umsetzung von Leistungen und Services im Gegen-satz zur Führung) haben einen statischeren Charakter. Die Strategie hat klare Bezüge zur Governance, zur Architektur sowie zum Ser-vicemanagement und sollte alle drei Themen beinhalten, unab-hängig davon, ob es sich um eine Geschäft s-, E-Government- oder IT-Strategie handelt. Die Governance hat klare Bezüge zum Service-management, zur Strategie sowie zur Architektur, indem diese Themen Bestandteil von Governance-Frameworks sind. Im Bereich IT-Governance sind sie Bestandteil von COBIT. Das heisst, aus allen vier Perspektiven sind Bezüge in Relation zueinander herzustellen.

Die Governance konkretisiert Controls und die Trennung von Go-vernance und (Service-)Management. Die Strategie enthält Pfadbe-schreibungen oder Handlungsanleitungen zu zukünft igen Entwick-lungen, sei es von Geschäft , E-Government oder IT. Die Architektur thematisiert die zukünft ige Infrastrukturentwicklung aus Geschäft s-, Anwendungs- und Infrastruktursicht, aber auch aus Sicht einer Da-ten- oder Informationsarchitektur. Und das Servicemanagement befasst sich mit Services aus Verwaltungssicht (Verwaltungsleistun-gen). Diese basieren auf gesetzlich defi nierten Aufgaben der Verwal-tung. Ihre elektronische Umsetzung (gegen innen und aussen) ist als IT-basierte Umsetzung von E-Government-Services zu verstehen, zum Beispiel das Bereitstellen eines Webportals, über das E-Gover-nment-Services wie Einwohnerservices (Umzug, Zuzug, Wegzug) angeboten werden. IT-Services bilden die Grundlage für die unmit-telbar vorher konkretisierten Geschäft s- und E-Government-Services.

Fallbeispiel: Analyse von eHealth-Suisse-Standards und -Dokumenten aus Sicht des Frameworks

Im Folgenden dient eHealth Suisse als Fallbeispiel für die Einsatz-möglichkeiten des entwickelten Rahmenwerks der E-Govern ance. Dies erfolgt auf Basis von Standards und Dokumenten von eHealth Suisse. eHealth Suisse ist eine Organisationseinheit des Bundes und beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) angesiedelt. Sie hat eine brei-te Palette an Dokumenten und Standards entwickelt, teilweise ge-koppelt mit Gesetzen, um dem Konzept E-Health in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen. So existieren laut Website von eHealth Suisse7 unter anderem die folgenden Gremien auf Bundesebene:

– Koordinationsorgan – Geschäft sstelle des Koordinationsorgans

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49Forschung/Analyse

– Steuerungsausschuss – Geschäftsstelle mit Projektleitungsgremium – beratende Begleitgruppe

Das Problem ist, dass die Kantone autonom sind und der Durch-griff des Bundes auf die kantonale Ebene aus föderaler Sicht nicht gegeben ist.

Für die vorliegende Analyse sind folgende eHealth-Suisse-Do-kumente relevant:

– Strategie eHealth Suisse – eHealth Suisse: Standards und Architektur – eHealth Suisse: Empfehlungen der Teilprojekte – eHealth Suisse: Standards und Architektur – Empfehlungen II – eHealth Suisse: Standards und Architektur – Empfehlungen III

Die Dokumente zeigen, dass mehrheitlich auf E-Health-Services fokussiert wird. Das verdeutlicht auch die Architektur. Weniger Aussagen werden etwa über die Geschäftsarchitektur gemacht. Eher noch dominieren Hinweise auf die Infrastruktur.

Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen den Versorgungsgebieten und den daraus resultierenden Communities (auch als Affinity Domains bezeichnet) als Konkretisierung der Architektur.

Eine Analyse des E-Governance-Ansatzes anhand des im Text entwickelten Rasters zu Strategie, Governance, Architektur und Servicemanagement sieht wie folgt aus:

– Strategie: Erfüllt, E-Health-Strategie vorhanden. Allerdings kann von aussen kein Bezug zu einer Gesundheitsstrategie hergestellt werden. Die IT-Strategie betrifft im Wesentlichen die dezentralen Beteiligten wie Spitäler, Ärzte usw. auf Kantons- oder kommuna-ler Ebene.

– Governance: Nicht erfüllt. Zu den Affinity Domains der Modellver-suche gibt es heute nur wenige Governance-Strukturen, die diese Bezeichnung verdienen.9 Dies gilt im dezentralisierten Gesund-heitswesen teilweise und in unterschiedlichem Masse für Ge-schäfts-Governance sowie für IT-Governance. Das Management der Letzteren liegt mehrheitlich dezentral bei den Leistungserbringern. Es stellt sich die Frage, welcher Zusammenhang zur Governance im Bereich E-Health sowie im Gesundheitsgeschäft besteht.

– Architektur: Erfüllt. Hier sind diverse interne Architekturkonkre-tisierungen vorhanden, unter anderem basierend auf dem inter-nationalen IHE-Standard. Möglicherweise herrscht indes eine zu starke Fokussierung auf technologische Standards und eine zu geringe Fokussierung auf Organisation und Policy Making vor, möglicherweise auch ohne gesetzliche Outputs usw.

– Servicemanagement: Zum Teil erfüllt. E-Health-Services sind vorhanden und werden propagiert. Mit der breiten Nutzung oder Adoption derselben hapert es allerdings noch sehr stark.

Aus Sicht des föderalen Aufbaus der Schweiz liegt die Herausfor-derung im E-Health, genauso wie im E-Government, damit im Bereich der Mehrebenen-E-Governance, die im hier propagierten Rahmen-werk noch ergänzt werden muss. Auf einer föderalen Ebene alleine (aus Sicht Bund) dafür zu sorgen, nützt nichts. Auch Verträge oder Rahmenvereinbarungen, zum Beispiel zwischen Kantonen und Bund oder zwischen Kantonen und deren Gemeinden, sind nur beschränkt wirksam, unter anderem wegen der Autonomie und der Zuständig-keitsorientierung. Der Bund müsste beispielsweise im Bereich E- Health Einfluss nehmen auf die Minimalgrösse einer Affinity Do-main. Aktuell gibt es davon zu viele, mit zu vielen verschiedenen Implementierungen von Standardlösungen, die nur begrenzt kom-patibel sind. Überdies sorgen auch die kantonalen Gesetzgebungen nicht für eine Harmonisierung der E-Health-Services, selbst wenn der Bund entsprechende Services vorschlägt. Aktuell ist daher kein Weg sichtbar, wie hinsichtlich der Elemente Governance und Stra-tegie sowie Architektur und Servicemanagement eine Konvergenz in eine wünschbare Richtung erreicht werden kann.

Ausblick

E-Governance ist aus heutiger Sicht ein schillernder Begriff ohne klare Fokussierung. Die Diskussion zur Erweiterung der E-Gov-ernance vor dem Hintergrund unterschiedlicher Verwaltungsdomä-nen ist weiterzuführen. Dabei ist insbesondere von der grundsätz-lichen Frage auszugehen, ob und wie die öffentliche Verwaltung aus E-Government- und E-Health-Sicht steuerbar ist bzw. welches Steu-erungskonzept ihr zugrunde liegt. Aus heutiger Sicht ist dies offen.

eHealth Suisse ist für die Standardisierung von E-Health zustän-dig. Bis zu einem integrierten Verständnis der E-Governance im Bereich E-Health ist es aber noch ein weiter Weg. E-Governance wird heute in E-Health-Konzepten und -Kontexten nur wenig adressiert. Es ist ein schwieriges Thema – infolge der Komplexität von Verwal-tung und Gesundheitswesen an sich, aber auch aufgrund des Fö-deralismus usw. Allerdings werden E-Health und E-Government als Katalysatoren die E-Governance langfristig schmerzhaft erzwingen. Erste Schritte sind gemacht. Jedoch braucht es noch eine starke Konkretisierung der E-Governance sowie eine Bewusstwerdung im E-Health- und E-Government-Umfeld.

1 Conformance versus Performance als zentrale Antipoden einer guten Governance. Vgl. hierzu etwa De Haes, S./Van Grembergen, W.: IT Govern-ance and its Mechanisms. In: Information Systems Control Journal 1 (2004).

2 Jann, W./Wegrich, K.: Theories of the Policy Cycle. In: Fischer, F./Miller, G. J./Sidney, M. S. (Hg.): Handbook of Policy Analysis – Theory, Politics and Methods. CRC Press, Boca Raton, 2007.

3 Vgl. für umfassendere Literaturangaben zum Thema Public-Value-Manage-ment Williams/Shearer (2011), wobei die verschiedenen Konzepte ein-schliesslich des New-Public-Management-Konzepts (vgl. hierzu u.a. Sched-ler/Proeller [2006]) im Hinblick auf die genannten Konzepte genauer untersucht werden müssten. Das ist nicht das Ziel dieses Beitrags. Vgl. Schedler, K./Proeller, I.: New Public Management, Haupt/UTB, Bern et al., 2006. Vgl. überdies Williams, I./Shearer, H. : Appraising Public Value: Past, Present and Futures. In: Public Administration 89 (2011) 4. S. 1367–1384.

4 Ray, S./Mukherjee, A.: Development of a Framework towards Successful Implementation of E-Governance Initiatives in Health Sector in India. In: International Journal of Health Care Quality Assurance 20 (2007) 6. S. 464–483.

5 ISACA: COBIT 5 Framework, Rolling Meadows, 2010.6 Van Bon, J.: ITIL 2011 Edition. Das Taschenbuch. Van Haren Publishing,

Zaltbommel, 2012.7 Vgl. http://www.e-health-suisse.ch/index.html?lang=de (16.10.2014).8 Bähler, T./Demarmels, M./Paschke, T./Schaller, T./Schröder, M.: eHealth

Schweiz. Basisinfrastruktur. Konzeption der Basiskomponenten. Im Auftrag des Koordinationsorgans Bund-Kantone. ELCA Informatik AG, Zürich, 2010.

9 Vgl. hierzu etwa Walser, K./Hosang, R.: eCH-0169 – STIAM Geschäftsarchi-tektur, eCH, Zürich, 2014.

Versorgungsgebiete

Communities und Systeme

Konkretisie-rung der

Architektur

Abbildung 1: eHealth Suisse – Domänen-Community-Strukturierung (eHealth-Architek-tur versus eHealth-Strategie)8

Page 52: eGov Präsenz 1/2015

50 Praxis – Schweiz

Dr. Silvia Knittlaccessec gmbhIAM Solution [email protected]

Dienste und IT-Governance in der Bundes-verwaltung – Bedarf, Nutzen und PotenzialIn der IT der Bundesverwaltung werden seit dem Januar 2012 zentral geführte Standarddienste etabliert. Dabei bestimmt der Bundesrat den Leistungserbringer. Daneben bieten verschiedene Fachämter spezifi sche Fachdienste mit hohem Wiederverwendungspotenzial an. Dieser Beitrag illustriert die Herausforderungen, die das Management einer solchen Diversität mit sich bringt, und den daraus resultierenden Bedarf an IT- Governance-Instrumenten. Hierzu wird das Potenzial von bestehenden Best-Practice-Ansätzen wie COBIT und TOGAF evaluiert.

Die IT-Landschaft der Bundesverwaltung ist traditionell dezentral. Seit einigen Jahren werden aber Standarddienste eingerichtet, die zentral durch das Informatiksteuerungs-organ des Bundes (ISB) geführt werden. Auf der Basis eines Marktmodells bestimmt der Bundesrat den Leistungserbringer. Weiter bestehen dezentrale oder fachspezifi sche Dienste in den Ämtern, die nicht der ISB-Führung unterliegen. Beispielsweise bietet das Bundesamt für Statistik (BFS) Ser-vices für Betriebe und Unternehmen (BUR, UID) an, die den Zugriff auf seine Register sowie deren Mutation ermöglichen, und das Bundesamt für Landestopografi e swisstopo stellt Dienste rund um Geoinformationen und Karten bereit. Das Management dieser Diversität ist eine Herausforderung. Geeig-nete Governance-Instrumente können je-doch helfen. Nachfolgend wird erörtert, in-wiefern mit «minimaler Governance» und im Sinn des Pareto-Prinzips (80-20-Regel) rasch und mit vertret barem Aufwand Ver-besserungen erzielt werden können.

Dienste und IT-Governance in der BundesverwaltungAbbildung 1 zeigt die aktuelle organisatorische Auft eilung der

Bundesverwaltung bezogen auf IT-Aspekte vereinfacht auf. Es gibt sieben Departemente, welche die Bundesämter (ca. 80) umfassen, zudem die Bundeskanzlei (BK). Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zum Beispiel umfasst unter anderen das Bundes-amt für Statistik (BFS). Das Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) führt die IT-Standarddienste zentral. Damit werden Informa-tikleistungen bezeichnet, die in vergleichbarer Funktionalität und Qualität von mehreren Organisationseinheiten benötigt werden. Mit der bei ihm angesiedelten Geschäft sstelle E-Government Schweiz koordiniert das ISB die Zusammenarbeit von Bund, Kan-tonen und Gemeinden im Bereich E-Government. Zudem leitet es die Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI zum Schutz der IT bei den kritischen Infrastrukturen. Die etablierten Standarddienste sind Datenkommunikation, Telefonie, Identity- und Access-Management (IAM) sowie Büroautomation/Unifi ed Com-munication and Collaboration (UCC) 1. Bereitgestellt werden sie vom jeweiligen Betreiber in der Rolle des Leistungserbringers (LE) ge-mäss Entscheid des Bundesrats. Die verschiedenen Departemente und Ämter treten in der Rolle des Kunden auf, hier Leistungsbezü-ger (LB) genannt. Neben den Standarddiensten stehen diverse Fach-dienste zur Verfügung, die nicht vom ISB geführt werden, sondern in der Verantwortung der Verwaltungseinheiten liegen. Am Beispiel des BFS erklärt: Das BFS nimmt die genannten Standarddienste in Anspruch, liefert aber selbst eigene Fachdienste, wie etwa das UID-Register. Diese können wiederum anderen Organisationen zur Verfügung gestellt werden. Das BFS tritt somit sowohl in der Rolle des Leistungsbezügers als auch in derjenigen des Serviceanbieters auf, eine fachliche Rolle gemäss der bundesweiten Vorgabe R016 – SOA-Policies2.

Herausforderungen im Bereich der IT-Governance Die IT-Governance der Bundesverwaltung sollte umfassend sein

und sich daher auf alle relevanten Dimensionen beziehen. Wichti-ge Wirkmechanismen sind unter anderem abgestimmte Prozesse, Organisationsstrukturen und die IT-Architektur. Bei der Organisa-tionsstruktur wurde die Notwendigkeit eines aktiven Stakeholder-managements zur Förderung von Synergieeff ekten bereits dar-gelegt3. Aufgrund neuer Anforderungen einer übergreifenden Zusammenarbeit sind nun auch neue Mechanismen notwendig.

Die IT-Governance kann in den diversen Organisationseinheiten der Verwaltung sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Ein Beispiel mit hohem Reifegrad ist etwa die Architektur-Governance inklu sive Service-Portfolio-Management des WBF4. Dabei werden Vorgaben im Prozesskontext defi niert, wie etwa die projektbegleitende Be-

Hans Ulrich WiedmerInformatiksteuerungs-organ des Bundes ISBGRC Architekt IAM Bund [email protected]

Abbildung 1: IT-Governance: Organisation in der Bundesverwaltung (Auszug)

Leistungsbezüger

VBS• Swisstopo• …

EDA 

EJPD

EFD

UVEKWBF

Andere: Bürger, Kantone, Unternehmen

EDI• BFS• …

Standard-dienstUCC

LEStandard-

dienst

LEStandard-

dienst

Service-anbieter

Fachdienst

ISB

BFSISC-EJPD

Standard-dienstIAM

Standard-dienstIAM

UIDRegister

EigeneGovernance

EigeneGovernance Eigene

Governance

ServiceanbieterStandarddienste

Page 53: eGov Präsenz 1/2015

51Praxis – Schweiz

ratung des Unternehmensarchitekten. So können die Lösungen bereits in einer frühen Phase des Projekts auf die vorhandene Inf-rastruktur ausgerichtet werden, oder diese kann entsprechend erweitert werden. Services werden mit strukturierten Servicebe-schreibungen dokumentiert und via www.e-services.admin.ch publiziert, gestützt auf die bereits erwähnten SOA-Policies2.

Diese LB-spezifische Ausprägung war in der Vergangenheit sinn-voll, da die Dienste auch stark auf die meist amtsspezifischen Be-dürfnisse ausgerichtet waren. Verschiedene Trends, vor allem aus dem Umfeld von E-Government, führen jedoch dazu, dass die bisher rein internen Fachprozesse nun auch amtsübergreifende Aspekte haben oder mitbedingt durch Open-Data-Initiativen anderen Per-sonenkreisen zu öffnen sind. Beispiele aus dem Bereich Geoinfor-mation sind Fachgemeinschaften rund um spezifische Themenbe-reiche wie etwa Umwelt und Naturgefahren oder Kataster. Nicht vernachlässigt werden darf die eigentliche Integration der Dienste als Voraussetzung für deren Nutzung in der Praxis. Bei der Integ-ration von IT-Systemen werden neben Fileschnittstellen und SOAP- Webservices zunehmend auch Application Programming Interfaces (API) genutzt, meist in Form von REST-Webservices, zum Beispiel api.geo.admin.ch für den Zugriff auf raumbezogene Daten.

Diese Strukturen stellen für die IT-Governance der Bundesver-waltung Herausforderungen dar, besonders im Hinblick auf die weiter steigende Nachfrage nach E-Government-Lösungen, aber auch aufgrund neuer Bedrohungen, etwa im Bereich der Cyber-Ri-siken. Eine übergreifende Koordination der LE und LB könnte diese Risiken minimieren. Lokal bei den einzelnen Organisationseinhei-ten identifizierte Aspekte, wie neue Serviceanforderungen, Risiken oder Sicherheitsaspekte, könnten effizient über die gesamte Orga-nisation koordiniert und kommuniziert werden. Hierfür wäre eine globale Übersicht notwendig, etwa mithilfe einer vollständigen Bundesservicelandkarte.

Nutzen einer organisationsübergreifenden GovernanceEine organisationsübergreifende IT-Governance kann durch

ausgewählte Standards sowie die Definition von abgestimmten Or-ganisationsstrukturen, Prozessen und Architekturvorgaben Nutzen stiften. Genau festgelegte Aufgaben, Kompetenzen und Verantwort-lichkeiten sorgen für klare Rollen und Organisationsstrukturen. Das Spezifizieren von übergreifenden IT-Governance-Prozessen mit der Orientierung an bestehenden Best-Practice-Ansätzen, wie etwa COBIT oder TOGAF, hilft vor allem in dezentralen Organisationen, ein einheitliches Verständnis von IT-und Architektur-Governance zu schaffen5.. Das in solche Standards eingeflossene Know-how ist wiederverwendbar und relativ leicht zugänglich: Es kann durch Schulungen zur Qualifikation von Mitarbeitenden vermittelt oder am Markt eingekauft werden.

Im Kleinen hat sich ein durch das ISB koordiniertes Vorgehen unter der konsequenten Berücksichtigung bestehender Governan-ce und Standardisierung bereits bewährt: beim Programm IAM Bund6. Dieses hat das Ziel, die bestehenden IAM-Standarddienste an die zukünftigen Bedürfnisse der Bundesverwaltung anzupassen. Die Verantwortlichen haben die in COBIT postulierte Stakeholder-orientierung stetig angewendet, indem sie durch zahlreiche Inter-views die Anforderungen der verschiedenen Anspruchsgruppen umfassend und nachhaltig erfassten. Der «Leitfaden für Unterneh-mensarchitekten in der öffentlichen Verwaltung» half bei der

TOGAF-Anwendung, die kontinuierlich durch die Beratung und Abstimmung mit Architekturspezialisten begleitet wurde. Zudem enthält der Methodenkoffer zur Entwicklung der IAM-Architektur neben TOGAF auch SABSA (Sherwood Applied Business Security Architecture), ein aus der Praxis orientierter Leitfaden zur Entwick-lung von Sicherheitsarchitekturen7.

In den nächsten Phasen werden spezifische auf IAM bezogene Governance-Prozesse weiter detailliert. Dabei soll vom Know-how profitiert werden, das bereits in Best-Practice-Dokumente oder Stan-dards eingeflossen ist. Betrachtet werden dabei auch relevante eCH-Standards, wie etwa eCH-01698. Dieser Standard spezifiziert eine SuisseTrustIAM-Geschäftsarchitektur für föderiertes IAM als wesentliche Komponente eines integrierten E-Governments oder einer E-Economy. Aus der Geschäftsperspektive werden Rollen so-wie Governance und Management einer STIAM-Domäne beschrie-ben. Der Standard eCH-0169 selbst orientiert sich wiederum an COBIT.

AusblickEs hat sich gezeigt, dass die Verwendung etablierter Best-

Practice-Rahmenwerke, aber auch organisationsintern entwickel-ter Vorgaben in Bundesverwaltungsprojekten einen Nutzen bringen kann, indem von dem bereits vorhandenen Know-how Gebrauch gemacht wird. Was im Programm IAM Bund initiiert wird, könnte zukünftig im Sinne von «Lessons Learned» auch auf andere Projek-te in der Bundesverwaltung übertragen werden. Ebenso essenziell ist eine Abstimmung mit der in Entstehung begriffenen bundeswei-ten Architektur-Governance. Wichtige Erfolgsfaktoren sind hierbei aus unserer Sicht eine umfassende Stakeholderorientierung, eine bei Programmstart festgelegte Auswahl relevanter Standards, die jedoch bei Bedarf an die eigene Situation angepasst werden, und die Projektbegleitung durch Spezialistinnen und Spezialisten, die die Konformität mit Governance-Vorgaben prüfen und einfordern (Stichwort Compliance). Standards wie COBIT können dank ihrem umfassenden Ansatz für den Aufbau einer übergreifenden Diens-te-Governance für Standard- und Fachdienste genutzt werden.

1 Ähnlich den Standarddiensten werden auch die SAP-Leistungen als «Supportprozesse» zentral verantwortet.

2 ISB: R016 – SOA-Policies. 2012. http://www.isb.admin.ch/themen/ standards/alle/05019/index.html?lang=de (10.2014).

3 Wiedmer, H.U./Mueller, W./Frutiger, B.: Keine Synergien ohne aktives Stake holdermanagement. In: eGov Präsenz 2 (2013).

4 WBF: Handout zur Infoveranstaltung E-Services des EVD: Unternehmens-daten, Geschäftsverwaltung, Web Service Kommunikation. 2010. http://www.e-services.admin.ch/wbf/itwbf/index.html (10.2014).

5 Knittl, S./Kunzewitsch, M.: Herausforderungen und Lösungsansätze bei der MaRisk-Umsetzung in einem internationalen Finanzkonzern. In: GI-Jahrestagung, 2013. S. 1202–1215.

6 Minth, L./Rohr, R.: Information Assurance und IAM innerhalb und mit der Schweizerischen Bundesverwaltung. In eGov Präsenz 1 (2014).

7 Hoernes, P.: Ein IAM-Grossprojekt aus der Perspektive des Enterprise Ar-chitekten. Vortrag im Rahmen des AK-EAM der Gesellschaft für Informatik, München, 2014.

8 Verein eCH: eCH-0169: SuisseTrustIAM-Geschäftsarchitektur. http://www.ech.ch/vechweb/page?p=dossier&documentNumber=eCH-0169&docu-mentVersion=1.0 (9.2014).

Page 54: eGov Präsenz 1/2015

52Praxis – Schweiz

Roger KünzliCSP [email protected]

Rolf BuschCSP AGMitglied der Geschäft s-leitung, [email protected]

Technisches Lösungskonzept, Deloitte

Ein Businessmodell für eUmzugCH: neue Finanzie-rungsansätze für E-Government-Dienstleistungen«eUmzugCH» ist ein priorisiertes Vorhaben der E-Government-Strategie Schweiz. Damit wird eine Dienstleis-tung geschaff en, die in Umfragen bei Bürgerinnen und Bürgern immer einen hohen Stellenwert einnimmt. Ein Umzug ist in der Schweiz föderalistisch aufgebaut, das heisst, jede Gemeinde wickelt diesen heute für sich selbst ab. Es stellt sich somit die Frage, wie eine fl ächendeckende Lösung für die ganze Schweiz zur Ver-fügung gestellt und clever fi nanziert werden kann. Dieser Artikel beschreibt, welches innovative Business-modell dazu entwickelt wurde und welche konkreten Schritte nun für die Umsetzung angegangen werden.

Einen Umzug hat fast jede Einwohnerin und jeder Einwohner der Schweiz mindes-tens schon einmal erlebt. Jedes Jahr zieht rund jeder sechste Einwohner der Schweiz um. Dies sind über eine Million Personen. Alle können sich somit etwas darunter vor-stellen, und viele haben sich insbesondere bei den Behördengängen und den unzähli-gen anstehenden Adressänderungsmeldun-gen sicherlich gefragt, ob hier nicht eine einfachere, effi zientere und elegantere Lö-sung zu fi nden wäre. Dieses Bedürfnis nimmt das Vorhaben «eUmzugCH» (A1.12) auf. Es beinhaltet eine einfache Umzugslö-sung, bei der jede Person (inkl. aller Fami-lienmitglieder) in der ganzen Schweiz ihren Umzug online melden kann. Sie kann dabei auch hinterlegen, welche Firmen (z.B. Zei-tungen, Versicherungen usw.) über die neu-en Adressdaten informiert werden sollen.

«eUmzugCH» ist ein Paradebeispiel für eine E-Government-Leis-tung, welche die wichtigsten Elemente einer erfolgreichen E-Govern-ment-Einführung erfüllt:

– Der Nutzen ist gegen innen (Verwaltung) und aussen (Einwohner, Unternehmen) gut ersichtlich.

– Es besteht ein hoher Skaleneff ekt. – Für die Einwohnerinnen und Einwohner wird ein hoher Zusatz-

nutzen generiert. – Die Effi zienz eines Verwaltungsprozesses wird deutlich gesteigert. – Die E-Government-Elemente können multiplizierbar in der ganzen

Schweiz eingesetzt werden. – Die Privatwirtschaft wird eingebunden.

Konsequente Verwendung von Standards macht fl exibelDie Architektur der Lösung stützt sich auf bestehende Standards

ab. Die folgende Grafi k zeigt dies schematisch auf. Das Rückgrat der technischen Abwicklung beruht auf eCH-Standards und der bereits bewährten Sedex-Plattform.

Der Vorteil dieser Lösung ist, dass fast keine Elemente zentral

entwickelt werden müssen. Sie ermöglicht die maximale Flexibili-tät für alle teilnehmenden Stakeholder (Gemeinden, Anbieter von Einwohneramtslösungen – sogenannten EWK-Lösungen –, Portal-betreiber usw.). Es werden keine proprietären Elemente verwendet.

«eUmzugCH»: Onlineumzug in acht Schritten

Schritt 01Zugang auf eUmzug

CH Portal. Dies ist über PC, Tablet oder Smart-

phone möglich.

Schritt 02Ausfüllen der Umzugsdaten,

Umzugspersonen un d Adressdaten.

Schritt 03Die Angaben der Umzugsperson

auto matisch an die Um zugs- oder

Wegzugs gemeinde geliefert.

Schritt 04Die Angaben der

Umzugspersonen wird vom Einwohnerdienst

überprüft und frei-gegeben.

Schritt 08Die Angaben der

Umzugspersonen wird vom Einwohnerdienst

überprüft und frei-gegeben.

Schritt 07Die Zuzugsgemeinde

erhält die Umzugsmeldung. Schritt 06

Die Informationen an die Unternehmen sind so aufb ereitet,

dass diese automatisch übernommen

werden.

Schritt 05Die Informationen

zum Umzug werden nun an die ausgewählten

Unternehmen gesendet.

Die Verarbeitung des Gesamtprozesses erfolgt asynchron.

Page 55: eGov Präsenz 1/2015

53Praxis – Schweiz

Die Lösung ist sehr stark skalierbar und hält sich an die offiziellen Standards. Somit steht sie allen Stakeholdern offen und kann in deren Systeme eingebaut werden.

Aber wie lässt sich eine solche schweizweite Lösung finanzieren? Vielen Bürgerinnen und Bürgern klingen noch Medienmeldungen von gescheiterten Riesenprojekten in den Ohren. Dies gilt es zu vermeiden. Hier kommt das neue Businessmodell für eUmzugCH ins Spiel.

Selbsttragende Finanzierung von eUmzugCHZentrales Element des eUmzugCH-Prozesses ist die einfache

Abwicklung eines Umzugs innerhalb einer Gemeinde, eines Weg-zugs von und eines Zuzugs in eine Gemeinde über einen Onlineser-vice. Zusätzlich sollen die Nutzerinnen und Nutzer auch gleich auswählen können, welche Firmen über ihren Umzug inklusive aller relevanten Details informiert werden sollen.

Um das Projekt auf ein erfolgreiches Fundament zu stellen, wur-de ein Businessmodell erarbeitet, das folgende Ziele erreichen soll:

– Sicherstellen einer langfristigen und selbstragenden Finanzierung – Einbindung aller wichtigen Stakeholder und Aufbau einer Träger-

schaft sowie einer Betriebs- und Supportorganisation – Konzentration auf die wesentlichen Kundensegmente (umziehen-

de Personen und Datenbezüger) – Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben

Was das Businessmodell speziell machtDie Prämisse des Businessmodells ist es, dass die Vereinfachung

des Adressänderungsprozesses nicht nur für die Einwohnerinnen und Einwohner einen hohen Nutzen darstellt, sondern auch für die öffentliche Verwaltung und private Unternehmen. Eine Adressän-derung löst bei Unternehmen, die auf korrekte Adressen angewiesen sind zum Teil hohe Aufwände aus. Hier setzt das Businessmodell an. Es geht davon aus, dass private Unternehmen bereit sind, für aufbereitete, verifizierte Umzugsmeldungen in einer standardisier-ten Form einen Beitrag zu bezahlen.

Es handelt sich somit um einen Multi-Side-Market. Dieser zeich-net sich dadurch aus, dass mehrere Kernkundensegmente zu be-rücksichtigen sind. In diesem Fall sind es die Person, die einen Umzug über eUmzugCH meldet, und die Datenbezüger, welche die Daten für ihre Adressdatenmutation benötigen. Diese Situation führt zum klassischen Huhn-Ei-Problem: Beide Kundensegmente haben unterschiedliche Interessen, und beide Seiten nehmen nur Teil, wenn es auf der jeweils anderen Seite bereits viele Teilnehmer gibt. Um einen hohen Nutzen zu generieren, muss in beiden Segmenten eine hohe Anzahl von Kunden bei eUmzugCH mitmachen. Diesem Umstand wurde bei der Entwicklung des Businessmodells ein grosser Stellenwert eingeräumt.

Die zweite wichtige Fragestellung betrifft die Kanäle, über welche die Umziehenden, aber auch die Datenbezüger den Prozess abwi-ckeln können. Im Zentrum steht die Diskussion um das geeignete Einstiegsportal für die Umziehenden. Für die notwendigen Schrit-te ist ein eUmzugCH-Front-End vorgesehen. Dieses soll in möglichst vielen Portalen zur Verfügung stehen. Das Lösungskonzept gibt vor, wie das Front-End aufgebaut ist und welche Elemente wie umgesetzt werden müssen. Dank der Einbindung des Front-Ends in bestehen-de Portale, zum Beispiel Gemeinde- und Kantonswebsites, ch.ch

oder private Portale, kann eine Multiplikation des Marktpotenzials erreicht werden.

Auch die Ausprägung der Kundenbeziehung sieht bei den beiden zentralen Kundensegmenten unterschiedlich aus. Die Beziehung mit dem Kundensegment umziehende Personen basiert auf einer automatisierten Abwicklung des Umzugsprozesses ohne persönli-che Vorsprache auf der Gemeinde. Zudem ist davon auszugehen, dass die Kundenbeziehung nur sehr selten (im Durchschnitt alle 6 Jahre) aktiv ist. Sie ist auch deshalb untypisch, da sie rechtlich verbindlich vorgegeben ist (Verpflichtung der Umzugsmeldung). Die Umzugsperson kann nur auswählen, welchen Kanal sie ver-wenden möchte. Dieser Umstand ist insbesondere bei der Aus-gestaltung der Kanäle und der Kommunikation wesentlich für den Erfolg von eUmzugCH. Die Kundenbeziehung muss so einfach wie möglich und ohne grosse Hürden gestaltet werden.

Ganz anders sieht die Kundenbeziehung mit dem Segment Da-tenbezüger aus. Es handelt sich um eine langfristige Partnerschaft, in der die Rollen von Leistungserbringer und Leistungsbezüger klar definiert sind: Der Datenbezüger erhält regelmässig vertraglich festgelegte Serviceleistungen, die er bezahlen muss.

Die Einnahmen sind selbstverständlich auch in diesem Ge-schäftsmodell das Schlüsselelement. Denn ohne Einnahmen kann ein Geschäftsmodell nicht funktionieren. Der einfachste Weg zur Generierung von Einnahmen wäre natürlich, für jede Adressände-rung bei der umziehenden Person einen festgesetzten Betrag zu verlangen. Dieser könnte allenfalls variieren, je nachdem welche Zusatzservices ausgewählt wurden. Für eUmzugCH wurde aber klar festgelegt, dass den umziehenden Personen keine zusätzlichen Kosten auferlegt werden sollen. Vielmehr ist im Konzept vorgesehen, dass den Datenbezügern für die Lieferung von verifizierten Adress-änderungen ein festgelegter Betrag verrechnet wird. Denkbar ist auch eine regelmässig zu entrichtende Pauschale. So werden Ge-bühren von dem Kundensegment erhoben, in dem auch der grösste Nutzen anfällt.

Es sind weitere Einnahmequellen denkbar, die noch in Prüfung sind (insbesondere bezüglich Akzeptanz):

– Partnerschaften mit privatwirtschaftlichen Firmen, die den Be-trieb von eUmzugCH unterstützen

– Premiumdienste für Datenbezüger, beispielsweise die Platzierung eines Logos bei der Auswahlliste der Firmen für die Adressmel-dungen (inkl. Link auf Firmenwebauftritt)

– Wahl eines Begrüssungspakets mit spezifischen Angeboten von Firmen aus der Region, in welche die meldende Person hinzieht

Im ausführlichen Businessmodell wurden ausserdem der detail-lierte Nutzen für die Kundensegmente, die Schlüsselressourcen, die Schlüsselaktivitäten, die Schlüsselpartner und die Kostenstruk-tur analysiert.

Trägerschaft für den BetriebUm das Businessmodell wie geplant umzusetzen und den E-Gov-

ernment-Service eUmzugCH flächendeckend anzubieten, wird eine Trägerschaft eingesetzt. Sie soll die Koordination des Aufbaus und des Betriebs sicherstellen. Zurzeit werden mehrere Varianten ge-prüft und priorisiert. Ziel ist es, dass die neue Trägerschaft im Ver-laufe des Jahres 2015 den Betrieb aufnimmt. Aus der Analyse gehen folgende drei priorisierten Varianten hervor:

Page 56: eGov Präsenz 1/2015

54Praxis – Schweiz

– Gründung einer unabhängigen Trägerschaft (z.B. Verein) unter Einbezug aller wichtigen Stakeholder

– Eingliederung in eine bestehende Verwaltungseinheit des Bundes – Aufbau einer engen Partnerschaft mit der Privatwirtschaft, zum

Beispiel einer Private-Public-Partnership (PPP)

2015 solls losgehenBis Ende Jahr wird die Analyse abgeschlossen und die Umset-

zungsvariante definiert. Die nächsten Schritte bei der Umsetzung des Businessmodells sind aktuell in Vorbereitung ebenso wie die Beantwortung letzter wichtiger Fragen zu rechtlichen Aspekten, zu strategischen Partnerschaften und zur technischen Umsetzung. Der Startschuss der Umsetzung steht bevor.

Erfolgsfaktoren und Stolpersteine auf dem weiteren Weg Damit das Businessmodell erfolgreich umgesetzt werden kann,

sind folgende Faktoren zwingend sicherzustellen:1. Ziel ist es, dass die eUmzugCH-Dienstleistung sämtliche Gemein-

den der Schweiz abdeckt. Das heisst, dass es nach einer kurzen Einführungszeit möglich sein muss, jeden Umzug von einer Ge-meinde in der Schweiz zu einer anderen digital über eUmzugCH abzuwickeln. Wird dieses Ziel nicht erreicht, so wird das Markt-potenzial sehr stark eingeschränkt und der Nutzen für die Umzie-henden nicht ausgeschöpft.

2. Das Portal ist der Startpunkt des gesamten Prozesses und daher erfolgskritisch. Die Bedienung soll so einfach und intuitiv wie möglich erfolgen. Die Einstiegshürden müssen dabei minimiert werden. Mit dem optimierten eUmzugCH-Front-End soll die Ein-bindung rasch und effizient erfolgen. Es ist entscheidend, dass möglichst viele Portale das eUmzugCH-Front-End einbinden, um möglichst viele Umzugswillige zu erreichen. Hier sind Partner-schaften mit den Gemeindeportalanbietern zu schliessen. Die technische Einbindung muss so einfach wie denkbar erfolgen und darf keine grossen Kosten für den Portalbetreiber auslösen.

3. Indem die umziehende Person die informationsberechtigten Un-ternehmen ausdrücklich auswählt, sind die datenschutzrechtli-chen Risiken relativ gering. Allfällige Unsicherheiten bezüglich des Datenschutzes sind rasch auszuräumen, und ein hohes Si-cherheitsniveau ist zu gewährleisten.

Als Risiko wurden folgende Faktoren aufgenommen:1. Sollte die notwendige hohe Marktdurchdringung nicht rasch er-

reicht werden, kann eUmzugCH nicht für alle Umzüge in allen Gemeinden verwendet werden. Dies kann zu einer negativen Abwärtsspirale führen.

2. Es ist notwendig, eine kritische Anzahl von beteiligten Unterneh-men zu erreichen. Wird sie nicht erreicht, kann dies ebenfalls zu einer Abwärtsspirale führen. Aus den Interviews mit einzelnen Unternehmen geht auch hervor, dass nicht goutiert wird, wenn mehrere Anbieter mit einem ähnlichen Service auf dem Markt auftreten und die Adressen bei verschiedenen Stellen bezogen werden müssen.

3. Das Konzept von eUmzugCH sieht vor, dass die notwendigen tech-nischen Anpassungen und deren jeweils moderate Kosten bei den jeweiligen Partnern (Gemeinden, EWK-Lösung, Portal) anfallen. Falls versucht würde, diese Kosten zentral auf die Trägerschaft eUmzugCH abzuwälzen, könnte dies dort zu einem hohen Finan-zierungsbedarf führen, der die Umsetzung des Projektes mögli-cherweise gefährden würde.

FazitSämtliche Bausteine für die Umsetzung von eUmzugCH sind nun

definiert. Die Lancierung des Vorhabens ist für 2015 geplant. Die federführende Organisation, der Verband der Schweizer Einwoh-nerdienste (VSED), ist sehr zuversichtlich, dass dieser E-Govern-ment-Service einen echten und breiten Nutzen sowohl für die Ein-wohnerinnen und Einwohner der Schweiz als auch für die Privatwirtschaft und die öffentliche Verwaltung stiftet. Kernelement ist die Einbindung aller Stakeholder und die Erzeugung einer Win-win-Situation für die Umziehenden und die potenziellen Da-tenbezüger. Und dies alles selbsttragend. eUmzugCH hat das Po-tenzial, ein Leuchtturmprojekt für E-Government in der Schweiz zu werden.

Quellen – Umzugsquote: gemäss Auswertung Zürcher Kantonalbank 2011 und gemäss Bundesamt für Statistik 2011

– Businessmodell-Canvas-Methode, http://www.businessmodelgeneration.com – Konzept Businessmodell eUmzugCH und weitere Projektdokumente, http://www.einwohnerdienste.ch/193.html

Businessmodell-Canvas-Methode

Das Modell wurde auf Basis der Businessmodell-Canvas-Methode (siehe http://www.businessmodelgeneration.com/canvas/bmc) entwickelt. Dabei wurden alle wesentlichen Elemente (Kunden-segmente, Kanäle, Ressourcen, Aktivitäten, Partner, Kosten usw.) eines Businessmodells anhand eines Rasters und mit einem kla-ren Vorgehen dargestellt und verbunden. Das Ergebnis ist ein einsatzbereites Businessmodell, das nun von der neu zu gründen-den Trägerschaft umgesetzt wird. Die offene Methode ist eine einfache und innovative Art, komplexe Zusammenhänge aufzu-zeigen, und kann auch problemlos für weitere E-Government-Pro-jekte angewendet werden.

Page 57: eGov Präsenz 1/2015

55Praxis – Schweiz

Ergebnisorientiert steuern statt statisch planenDie öffentliche Verwaltung und ihre Steuerungsmethoden stehen vor radikalen Veränderungen. Einschnitte in den Haushalten, ein gewandeltes politisches Verständnis und die Forderung nach mehr Transparenz rücken Ergebnis- und Wirkungsorientierung in den Fokus. Die erfolgreiche Erfüllung des öffentlichen Auftrags wird davon abhängen, wie Verwaltungen auf neue Anforderungen reagieren – und wie schnell. Dabei helfen mo-derne, datenbasierte Analytics-Systeme.

Verwaltungen stehen heute mehr denn je vor der Aufgabe, die vorhandenen finan-ziellen und personellen Ressourcen mit Blick auf ihre Wirkung bestmöglich einzu-setzen. Ergebnis- und Wirkungsorientierung werden künftig eine erheblich grössere Rol-le spielen müssen. Auch die Herausforde-rungen durch den demografischen Wandel machen neue Planungs- und Steuerungsin-strumente nötig. Die Anforderungen sind heute so komplex, dass sie ohne geeignete Softwarewerkzeuge nicht mehr erfüllbar

sind. Noch mangelt es vielfach an praktischer Erfahrung bei der Umsetzung entsprechender Controlling-Systeme. Am weitesten sind derzeit die Städte und Gemeinden, wo sich solche Systeme vielerorts bereits durchgesetzt haben, aber auch erste entsprechende Projek-te vom Bund und von den Kantonen können Erfolge vorweisen.

Ganz gleich, ob Bund, Kantone oder Gemeinden: Die Moderni-sierung ihrer Steuerungsinstrumente und -abläufe verspricht der Verwaltung erhebliche Einsparungen sowie ein deutliches Plus an Transparenz, Flexibilität, Agilität und Planungssicherheit – Aspek-te, die besonders vor dem Hintergrund demografischer und struk-tureller Veränderungen von grösster Bedeutung sind. Deshalb bietet es sich für Verwaltungen an, ihre Steuerungsprozesse mög-lichst rasch um geeignete Business-Analytics-Lösungen für die integrierte Verwaltungssteuerung zu erweitern.

Datenbasis liegt oft brachDie meisten Verwaltungen müssen keinesfalls auf der «grünen

Wiese» starten: In Form von Finanz- und Fachdaten sind die Fun-damente in der Regel bereits gelegt – bringen aber für sich genom-men keinen strategischen Nutzen. So betreiben die Verwaltungen umfassende IT-Systeme für die Buchhaltung und unterschiedlichs-te Fachprozesse, die jeden Tag grosse Mengen an Daten produzieren. Die strategische Nutzung dieser Daten kommt bisher allerdings noch zu kurz. In ihrer Rohform sind solche Daten oft wenig aussa-gekräftig. Um sie zu verwertbaren Informationen für die Planung und die Steuerung veredeln zu können, brauchen Verwaltungen sogenannte Analytics-Lösungen. Diese leisten zweierlei: Erstens führen sie die organisationsweit verstreuten operativen Daten zu-sammen, machen sie übergreifend vergleichbar und ermöglichen so die Sicht aufs Ganze; zweitens verfügen sie über Analysefunk-tionen, mit denen sich die Daten auswerten lassen. Das Software-programm Business Analytics erkennt versteckte Wechselwirkun-gen und Abhängigkeiten innerhalb grosser Datenmengen und ermöglicht mittels Simulationen, Szenarien und Prognosen eine wirkungsorientierte Steuerung über sämtliche Bereiche einer Or-ganisation hinweg. Wie lässt sich der öffentliche Auftrag mit den vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen bestmöglich

erfüllen? Welches sind die zentralen Faktoren für Erfolg und Miss-erfolg? Welchen Einfluss haben Budgetkürzungen auf Sachziele und öffentlichen Auftrag? Was geschieht, wenn sich Trends (z.B. betreffend die Altersstruktur einer Verwaltung) fortsetzen, und wie (etwa in Form von Pensionsrückstellungen) ist darauf zu reagieren? Analytics liefert die Antworten.

Was moderne Business-Analytics-Lösungen von älteren Tech-nologien radikal unterscheidet, ist vor allem ihre Fähigkeit, künf-tige Entwicklungen und Trends aus Vergangenheitsdaten abzulei-ten. Während das klassische Controlling die Vergangenheit abbildet und interpretiert, erzeugt Business Analytics ein genaues Bild von den kommenden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung. Damit ist es möglich, schon heute die Weichenstellungen vorzuneh-men, die nötig sind, um den Auftrag auch in Zukunft optimal zu erfüllen. Ist bereits bekannt, dass sich Rahmenbedingungen ver-ändern werden, so können Verwaltungen mithilfe entsprechender Szenario- und Simulationsfunktionen bereits im Vorfeld herausfin-den, wie sie sich am besten auf die neue Situation einstellen. Ver-änderte Vorgaben der Haushaltspolitik etwa verändern gegebenen-falls auch die Prioritäten einzelner Verwaltungen. Welche Auswirkungen dies auf die Auftragserfüllung hat und welche Mass-nahmen angebracht sind, lässt sich nur mit Analytics-Software wirklich zuverlässig simulieren.

Diese neuen Möglichkeiten lassen sich auf verschiedenen Ebenen von Politik und Verwaltung nutzen. Einerseits erlauben sie eine übergreifende Politikfeldsteuerung – etwa wenn es gilt, die Errei-chung primärer Ziele der Bundespolitik zu überwachen und zu steuern. Beispiel Energiepolitik: Hier hat die Bundesregierung ein vitales Interesse daran, die Gesamtkontrolle darüber zu behalten, wie die politischen Ziele – etwa der Anteil erneuerbarer Energie-träger – über Verwaltungsprozesse umgesetzt werden können. Da-bei geht es um langfristige Zielgrössen, die nachhaltiger Entschei-dungen bedürfen. In einem so komplexen Umfeld wie der Energieversorgung sind zuverlässige Prognosen als Entscheidungs-grundlage unerlässlich. Die Extrapolation von Erfahrungswerten oder Istanalysen ist keine ausreichende Basis für Infrastrukturent-scheidungen im Multimilliardenbereich.

Andererseits sind die Analysen auch auf erheblich kleinteiliger Ebene nutzbar. Für die Verwaltung lassen sich davon ganz konkre-te Massnahmen ableiten, um die übergeordneten politischen Ziele in der Praxis zu erreichen. Eine bedarfsbezogene, kontinuierliche Analyse und Simulation des Energieverbrauchs einer Gemeinde zum Beispiel kann dazu führen, erheblich bessere Einkaufskondi-tionen zu erreichen und Zusatzkosten durch Spitzenlasten zu ver-meiden.

Dr. Patric Märki SAS Switzerland Managing Director [email protected]

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56Praxis – Schweiz

Die Energiepolitik ist nur ein Beispiel. Analog lassen sich die analytisch gestützten Prozesse eines Nachhaltigkeitsmanagements auf zahlreiche weitere Politikfelder und Infrastrukturbereiche an-wenden. Dazu gehören die Gesundheitsversorgung, die Bildung und Kinderbetreuung, der Verkehrssektor inklusive des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs, die Orts- und Stadtentwicklung oder auch der gesamte Bereich der inneren Sicherheit und der Kriseninter-vention.

Analytics verändert EntscheidungsstrukturenAll diesen und vielen weiteren Themen von Politik und Verwal-

tung ist eines gemein: Sie sind mit althergebrachten Entscheidungs-prozessen der Verwaltung nicht mehr zukunftsgerecht steuerbar. Wie fundiert eine Entscheidung inklusive ihrer zugrunde liegenden Datenbasis und Expertise in einem solchen Prozess auch ist, nach-dem sie einmal gefällt und realisiert wurde, wird sie bis auf Weite-res nicht mehr hinterfragt. Das hat ganz pragmatische Gründe – nämlich fehlende personelle Ressourcen –, aber oft unerwünschte Auswirkungen. Wenn sich die Daten und damit die Entscheidungs-grundlagen ausserhalb des Sichtfeldes der Verwaltung ändern, können sich ehemals sinnvolle Massnahmen ins Gegenteil verkeh-ren.

Auf der Basis von Analytics-Systemen werden die Entscheidungs-zyklen bei gleichem oder geringerem Ressourcenbedarf erheblich kürzer, die Wirkung einmal getroffener Entscheidungen lässt sich kontinuierlich überwachen, und notwendige Korrekturen sind zeit-nah erkennbar. Insgesamt sorgt diese Methode für eine Nachhal-tigkeit in der Verwaltungssteuerung, die ihr bislang oft abgespro-chen wird.

FazitDie notwendige Datenbasis für eine ergebnis- und wirkungs-

orientierte Steuerung ist bei der öffentlichen Hand vorhanden. Nun muss es darum gehen, die bisher brachliegenden Daten aus den Finanz- und Fachsystemen mithilfe geeigneter Analytics-Software zu kultivieren und konsequent für Analyse, Planung und Steuerung einzusetzen. Diese Entwicklung wird als Katalysator für wesentlich nachhaltigere Verwaltungsprozesse dienen. In Zukunft müssen Verwaltungen Veränderungsprozesse besser und früher antizipie-ren und sich darauf einstellen. Die Technologie dafür ist verfügbar, und die bereits bestehenden Projekte sprechen klar für ihren Einsatz.

Analytics macht erfolgreich: verlässliche Erkenntnisse, neue Potenziale, schnelleres Agieren

Softwarelösungen für die integrierte Steuerung helfen Unterneh-men und Institutionen dabei, aus ihren vielfältigen Geschäftsda-ten konkrete Informationen für strategische Entscheidungen zu gewinnen und damit ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Organi-sationen können so Strategien entwickeln und umsetzen, den eigenen Erfolg messen sowie ihre Kunden- und Lieferantenbezie-hungen profitabel gestalten. Die Programme steuern die gesamte Organisation und erfüllen regulatorische Vorgaben.

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57Praxis – Schweiz

Linked Data Services LINDAS: ein semantisches Webgeschäft smodell für E-Government-DiensteAls Linked Data Service ist LINDAS ein neues, attraktives Geschäft smodell für E-Government-Dienste auf der Basis des semantischen Webs. In einem ersten Schritt ermöglicht es, aus den zahlreichen bereits vor-handenen Behördenverzeichnissen von Bund, Kantonen und Gemeinden automatisiert ein schweizweites «Meta-Behörden- und -Leistungsverzeichnis» zu generieren. Indem Behördendaten zentral und strukturiert zur Verfügung gestellt werden, lassen sich Informationen schneller und einfacher fi nden. Damit wird die Kundennähe erhöht sowie die Effi zienz und Produktivität von Verwaltung und Wirtschaft gesteigert.

Die dezentrale Struktur des Webs bringt es bekanntlich nicht fertig, die heterogenen IT-Infrastrukturen und -Informationen un-ter einen Hut zu bringen. Viele Daten stehen nicht strukturiert, nicht verknüpft und nicht in maschinenlesbarer Form zur Verfügung. Das Problem beginnt bei den unterschiedli-chen Dateiformaten und endet bei den ver-schiedenartig aufgebauten Websites. Damit ist es fast unmöglich, über das Web verteil-te Informationen zu sammeln, einheitlich aufzubereiten und darzustellen oder gar weiterzugeben. Noch akzentuierter gilt dies für kontextabhängige Informationen. Die-sem Umfeld sind selbstverständlich auch die Behörden unterworfen.

Lösungsidee der Datendrehscheibe LINDAS

Wie in der letzten Ausgabe dieser Zeit-schrift (2/2014) berichtet, wurden in einem Proof of Concept die technische Architektur des Linked-Government-Data-Ansatzes und die einfache Anbindung von Datennutzern und -lieferanten bereits erfolgreich verifi -ziert. Die wesentliche Idee hinter dem An-satz besteht darin, die Vorteile des Aufb aus des semantischen Webs zu nutzen, um Daten maschinenlesbar zur Verfügung zu stellen.

Dabei werden die W3C-Standards eingesetzt wie RDF, SPARQL und Ontologien (Vokabulare), welche die Daten beschreiben (siehe In-fobox). Der fl exible Ansatz, gekoppelt mit der Idee der Verlinkungs- und Beziehungsstruktur zu anderen relevanten Daten, erhöht die Transparenz der Daten. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Daten für alle lesbar sind, nachdem man sie mittels SPARQL End-point und der dazugehörigen Datenbeschreibung durch die Onto-logie off en publiziert hat. Ontologien können klein aufgebaut und dann beliebig erweitert werden. Damit lassen sich zukünft ig wei-tere Anwendungsfälle kreieren, die aus einer Mischung verschie-denster Datenquellen bestehen. Denkbar ist eine Mischung aus gesicherten Informationen (z.B. Gesetzestext, Unternehmensiden-tifi kation, Beantragungsformular X der Gemeinde Y) sowie nicht gesicherten Informationen (z.B. aus dem Web). Im Einzelfall können die Endnutzerinnen und -nutzer die Informationen bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen.

Der Nutzer ist auch nicht mehr an die starre Form des Eintritts-punktes gebunden (z.B. Suche Baubewilligungsgesuch der Stadt

Bern in deutscher Sprache), sondern kann unterschiedliche Abfra-gen tätigen (z.B. Suche Baubewilligung für kunsthistorische Bau-werke im Kanton Bern in französischer Sprache). Die Antwort liefert zum Beispiel für die Stadt Bern Links für beide Zuständigkeitsbe-reiche, das heisst sowohl für die städtische als auch für die kanto-nale Verwaltung.

Ausserdem bringt dieser Ansatz zukünft ig neuartige Anwendun-gen und Dienste mit sich, indem die von Maschinen und Soft ware gelesenen und interpretierbaren Daten für bisher nicht vorherge-sehene Zwecke verwendet werden können. Durch Hinzunahme weiterer semantischer Webkataloge (z.B. CKAN) oder -plattformen (z.B. Geoportale, DBpedia) werden zudem Anwendungsfälle denk-bar, die nebst dem nationalen auch einen internationalen Anschluss an webbasierte Informationen ermöglichen. Die Antwort auf die Baubewilligungsanfrage könnte demnach zum Beispiel zusätzlich mit Geodaten, wirtschaft lichen Standortbeschreibungen und Rechtsdatenlinks angereichert sein.

Ausserdem wird mit LINDAS erstmalig versucht, die bisher nur getrennt vorhandenen Informationen zu Leistungen, Zonen und Behörden auf gesamtschweizerischer Ebene zu verknüpfen und darzustellen. Gleichzeitig soll LINDAS diese Daten über Standard-technologien auch Dritten (z.B. anderen Behörden, Soft warefi rmen, internationale Webanwendungen) verfügbar machen.

Diese Ziele und Ideen können nur mit Unterstützung der Behör-den auf allen Stufen und den Anbietern von Behördensoft ware-lösungen erreicht werden.

Technische LösungUm die Lösung umsetzen zu können, muss die Architektur im

Wesentlichen aus drei Komponenten bestehen:

1. Die Datendrehscheibe (Nr. 1) ist das Kernelement und verantwort-lich für das Datenmanagement, die Datentransformation und die Benutzerverwaltung.

2. Der RDF Store (Nr. 2) dient als Speicher für die Ontologiebezie-hungen inkl. der Kontextinformationen und der zugehörigen Links.

3. Die Index- und Such-Engine (Nr. 3) erlaubt es mit einem einfachen User Interface, Daten zu suchen und anzuschauen.

Für die verschiedenen Ein- und Ausgabeformate wie RDF, CSV oder relationale Datenbanken steht eine Datentransformations-funktion (Nr. 4) zur Verfügung, die zusammen mit der inhaltlichen Schnittstellenstandardisierung eine wesentliche Vereinfachung bei der Anbindung von künft igen Datenquellen und Datennutzern bringt.

Dieter L. WältiStaatssekretariat für Wirtschaft SECOProjektleiter [email protected]

René RenkINVERSUM GmbHBeratung [email protected]

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58Praxis – Schweiz

NutzenDie semantische Webtechnologie, die bei LINDAS zum Einsatz

gelangt, öff net mehrere Nutzungsfelder:

– Dezentral vorhandene Behördendaten können einfach und zeitnah zentral sichtbar gemacht und zudem künft ig mit Zusatzinforma-tionen aus im Web vorhandenen Daten verlinkt und angereichert werden. Dies beinhaltet die nahtlose Integration sowohl von Text als auch von strukturierten Daten.

– Zentral vorhandene Behördendaten/-informationen können Drit-ten rasch und einfach zugänglich gemacht werden, und zwar nicht nur als Information, sondern auch in Form wiederverwertbarer und maschinell lesbarer Daten für weitere Anwendungen privater oder öff entlicher Natur.

– Der Eintrittspunkt, das heisst der zu erfassende Begriff für die Suchabfrage, ist durch die Einführung einer Ontologie fl exibel, da Verknüpfungen in jede Richtung verfolgbar sind.

– Ähnliche Begriffl ichkeiten, zum Beispiel Notar oder Advokat, füh-ren zum gleichen Suchergebnis und erlauben darüber hinaus innerhalb der festgelegten Sprachsets (Französisch, Deutsch, Italienisch und Englisch) das Finden von Informationen aus den anderssprachlichen Regionen.

– Sowohl Herkunft und Vertrauen als auch Korrelationen und Kor-rektheit der Daten können sichergestellt werden.

– Die Ontologie und die Standardisierung erlauben es, künft ig ohne Reengineering der Grundarchitektur inhaltlich zu wachsen und neue Geschäft sfälle zu integrieren.

– LINDAS bringt die Voraussetzung, um nebst den öff entlichen Da-ten zukünft ig auch einen Bereich für nicht öff entliche, rein behör-deninterne Daten, die mittels eines IAM geschützt werden, an-bieten zu können.

– Durch die bereits in der Realisierung erprobte Methode der Ein-bindung verschiedener Soft warelieferanten zur Anbindung von Datenquellen bzw. von Geschäft sfällen, können zukünft ig be-liebige Soft warefi rmen Anwendungen auf LINDAS oder mit LINDAS-Daten realisieren, wenn diese die technischen und me-thodischen Aufl agen erfüllen.

Der in LINDAS verfolgte Semantische Webansatz ermöglicht es grundsätzlich, die Daten unterschiedlichster Quellen automatisiert zusammenzuführen, Informationen neu und anders zu verknüpfen und unter anderem Geschäft sfälle zu generieren, die im Moment noch nicht einmal absehbar sind.

Aktueller Stand und Ausblick LINDASDie Datendrehscheibe LINDAS wird im ersten Quartal 2015 fer-

tig entwickelt. Anschliessend können die Behörden sowie die An-bieter von Behördenlösungen die Systemschnittstellen realisieren und ihre Daten einspeisen. Im Verlauf der zweiten Hälft e 2015 wird es dann möglich sein, öff entliche Daten von LINDAS zu Verwal-tungsstellen, Behördenleistungen und -lösungen zu beziehen. Ende 2015, in der aktuellen Legislaturperiode, wird das Projekt abge-schlossen und der Linked Data Service LINDAS in den aktiven Be-trieb überführt.

Partnerschaft enMit der Fertigstellung der Datendrehscheibe LINDAS wird es nun

möglich, Datenquellen und Datennutzer konkret anzubinden. Ver-waltungsstellen und Anbieter von Behördenlösungen können ab sofort Projektvereinbarungen unterzeichnen. Die Unterzeichnenden erklären sich bereit, durch den Bau der notwendigen Systemschnitt-stellen Voraussetzungen für die vernetzte Verwaltung Schweiz zu schaff en und ihre öff entlichen Daten zu Verwaltungsstellen sowie zu Behördenleistungen und -lösungen mit dem Service zu verlinken. Interessierte können sich an die Projektverantwortlichen wenden: www.egovernment.ch/b213.

Quellen – An Executive Intro to Ontologies:http://www.mkbergman.com/900/an-executive-intro-to-ontologies/

– Ontologies for E-Government:http://oegov.org/

– An Introduction to the Semantic Web (through an Example):http://www.w3.org/People/Ivan/CorePresentations/IntroThroughExample/

– Weitere Kataloge:http://ckan.org/http://de.wikipedia.org/wiki/DBpedia

– World Wide Web Consortium (W3C) und Linked Data:http://www.w3.org/standards/semanticweb/data

Defi nition Ontologie

In der Informatik sind Ontologien meist sprachlich gefasste und formal geordnete Darstellungen einer Menge von Begriffl ichkeiten und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen in einem be-stimmten Gegenstandsbereich. Sie werden genutzt, um zwischen Anwendungsprogrammen und Diensten «Wissen» in digitalisier-ter und formaler Form auszutauschen. Dies umfasst sowohl All-gemeinwissen als auch Wissen über sehr spezielle Themengebie-te und Vorgänge. Im Unterschied zu einer Taxonomie, die nur eine hierarchische Untergliederung bildet, stellt eine Ontologie ein Netzwerk von Informationen mit logischen Relationen dar. (wikipedia.de)

Architekturkonzept der Datendrehscheibe LINDAS

DDS Frontend

DDS Backend

Such UI Datenmanagement UI RDF Store Admin UISuch Admin UI

Daten-management

Nu

tzer

- &Ro

llenm

anag

emen

t REST APIRDF Store Index- und Such-

Backend

1

2

Index- und Such-

3

Produktivserver A Produktivserver B

Client X

4

ClientseitigeSo�wareartefakte

Daten-transformation

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59Praxis – Schweiz

Einsparungen dank gemeinsamer Nutzung von E-Government-ModulenAls modulare Drehscheibe enthält die eGov Box sämtliche relevanten Komponenten, um der Bevölkerung und der Wirtschaft erfolgreich E-Dienstleistungen anzubieten – vom E-Government bis hin zum E-Commerce. Diese Transaktionsplattform ermöglicht die Abbildung von Geschäftsprozessen sowie die betreiber- und an-bieterunabhängige Integration von Fachapplikationen, Web- und Portalanbietern. Damit bringt sie wesent-liche Kosteneinsparungen.

Für sichere und hoch verfügbare E-Go-vernment-Dienstleistungen braucht es eine entsprechende Infrastruktur. Die Investi-tions- und Betriebskosten, die dadurch an-fallen, können Gemeinden und Städte mit der eGov Box massiv reduzieren: Synergien lassen sich nutzen, fachliche Grundspezifi-kationen sowie die Implementation und Einführung einzelner Lösungen erfolgen für mehrere Kunden, und der Abgleich sowie die Integration von anderen, ähnlichen Lö-sungen verschiedener Anbieter verringern den Aufwand zusätzlich.

Tiefere Investitionskosten dank BündelungHeute erfolgt die E-Government-Anbindung in vielen Fällen pro E-Service und Fachapplikation innerhalb der einzelnen Systeme. Die notwendige Infrastruktur für sichere und hoch verfügbare E-Go-vernment-Dienstleistungen muss zusätzlich etabliert werden und verursacht dadurch oft mehrmalige Investitionskosten. Eine Mög-lichkeit, die Integration für unterschiedliche Applikationen und Portale sicherzustellen, bietet der Einsatz einer gemeinsam genutz-ten Integrationsplattform. Diese nimmt eine Vermittlerfunktion ein, gewährleistet einen sicheren Transport der schützenswerten Daten und ersetzt so die klassischen Punkt-zu-Punkt-Schnittstellen.

Die Bündelung der für alle E-Government-Dienstleistungen zen-tralen und spezialisierten Komponenten in einer Infrastruktur reduziert die Investitionskosten bei der Realisierung von neuen Services für Verwaltungen. Zudem muss das spezialisierte Know-how nicht für jedes Projekt aufgebaut, aktualisiert oder gar einge-kauft werden.

Nachfolgend die wichtigsten Komponenten der eGov Box:Identitäts- und RegistrierungsserviceDieser Service stellt die eindeutige Identifikation einer Person ge-genüber einer bestehenden Datenbasis und Registern sicher.

Access-ServiceOb die Nutzerinnen und Nutzer mit ihrer digitalen Identität auf einzelne Fachservices zugreifen können, ist abhängig von der Ver-fügbarkeit der angebundenen Endsysteme und vom Angebot in der jeweiligen Gemeinde. Diese Parameter werden hier verwaltet.

Service-BusFür den reinen Transport der Daten wird eine Bus-Architektur ge-nutzt, welche die Vermittlerfunktion zwischen den unterschiedli-chen Endsystemen wahrnimmt. Sie beinhaltet Services für die

Gewährleistung von Transportsicherheit, Validierung und Fehler-handling sowie für die Überwachung und Nachvollziehbarkeit.

Fachserviceintegration Diese Komponente bildet das Bindeglied zwischen den modellierten Geschäftsprozessen und der Fachlichkeit der jeweiligen Endsyste-me. Die Anbindung von Fachapplikationen erfolgt über den Ser-vice-Bus. Die Integration umfasst je nach Bedarf ein sogenanntes «Enabling» dieser Endsysteme, um die Durchgängigkeit sicherzu-stellen.

DarstellungFür die grafische Darstellung der Abläufe in den fachlichen Services beinhaltet die eGov Box je nach Bedarf eine für unterschiedliche Endgeräte optimierte Front-End-Lösung. Portale von Drittanbietern können in unterschiedlichen Stufen integriert werden und unter-liegen einer vorgängigen Zertifizierung zur Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit.

Plattform bringt günstigeren UnterhaltAktualisierungen von Sicherheitsstandards, Kommunikationspro-tokollen und Schnittstellen bei einer Vielzahl von Punkt-zu-Punkt-Ver-bindungen bedeuten eine ebensolche Vielzahl von Anpassungen und Aufwendungen. Das hat entsprechend hohe Kosten zur Folge. Die Anpassungen sind zudem schwierig zu koordinieren und kon-trollieren.

Tritt beispielsweise eine neue Version eines eCH-Standards in Kraft, muss die Umstellung mit allen Involvierten koordiniert wer-den, und es ist sicherzustellen, dass sowohl die neue wie auch die alte Version unterstützt wird. Als zentrale Transaktionsplattform bringt die eGov Box hier wesentliche Erleichterung: Eine allfällig

Immer mehr Kantone und Gemeinden setzen auf die eGov Box als Integrationsplattform und Drehscheibe für ihre E-Govern-ment-Services. Nachdem der Vorstand des Vereins Schweizerische Städte- und Gemeinde-Informatik (SSGI) Mitte 2013 beschlossen hat, die eGov Box «as a Service» einzusetzen, begann 2014 der Rollout für die interessierten Gemeinden in den Kantonen Schaff-hausen, Luzern, Ob- und Nidwalden. Ebenfalls bezugsberechtigt sind die Gemeinden im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Bereits länger im Einsatz ist die eGov Box in den gut 150 Gemeinden der Kantone St. Gallen, Thurgau, Zürich und Graubünden.

Martin Baumgartner Verwaltungs-rechenzentrum AG St.Gallen (VRSG) Leiter eGovernment martin.baumgartner @vrsg.ch

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60Praxis – Schweiz

notwendige Transformation der Versionen wird zentral bearbeitet, zusätzliche Anpassungsaufwände an partizipierenden Systemen entfallen in aller Regel.

Höhere Akzeptanz dank besserer UsabilityHeute müssen sich die Benutzerinnen und Benutzer für die ein-

zelnen E-Government-Applikationen mehrfach registrieren. Damit sind für unterschiedliche Lösungen verschiedener Anbieter inner-halb einer Gemeinde oder eines Kantons oft auch verschiedene Logins notwendig.

Teilweise wird dies durch unterschiedliche Lösungsansätze gar noch zusätzlich erschwert. So setzen einige Anbieter auf eine ini-tiale Anmeldung: Nach erfolgtem Login sind sämtliche zur Verfü-gung stehenden Angebote zugänglich. Andere Anbieter hingegen prüfen erst bei der Auswahl der gewünschten Funktion, ob ein Login notwendig ist.

Dies alles wirkt sich schliesslich negativ auf die Akzeptanz und die Nutzungsquote der User aus, da die Mehrfachregistrierungen umständlich und die Gründe dafür nicht nachvollziehbar sind. Die Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen, auf welche die Verwaltungen beim Einsatz von E-Government-Dienstleistungen zählen, bleiben aus.

Eine zentrale Plattform, welche die Registrierungs- und Authen-tisierungsmechanismen unterschiedlichster Anbieter vereint und den übergreifenden Zugang aus den Portalen auf die Inhalte der Fachapplikationen mit einer Grobautorisierung regelt, ermöglicht eine einfache und einmalige Registrierung. Damit lässt sich eine höhere Akzeptanz seitens der Bevölkerung erzielen, und die Ab-sprungrate verringert sich.

Bessere Nutzung dank voller DurchgängigkeitE-Government bietet die Chance, die Geschäftsprozesse der Ver-

waltung für die Bevölkerung sinnvoll darzustellen. Dies führt zu mehr Automatisierungsmöglichkeiten bei der Weiterverarbeitung sowohl in den einzelnen Fachapplikationen als auch im Austausch mit weiterführenden Systemen, zum Beispiel mit den notwen- digen Sedex-Meldungen. Müssen diese Mechanismen in einzelnen Lösungen implementiert werden, verursacht dies deutlich höhere Kosten.

Kostenfaktor «verteilte Systeme» bändigenImmer mehr E-Government-Funktionen werden über speziali-

sierte Anbieter bezogen. Die Angebote sind meist aus dem E-Com-merce entstanden und bilden Schnittmengen zum E-Government: bereits bekannte Integrationen wie E-Payment, aktuell die Integra-tion digitaler Signaturen oder sicherer digitaler Datenspeicher für die Bevölkerung («Bürgerdossier» oder digitaler Briefkasten) und künftig weitere Angebote im Payment-Umfeld (kontaktlose Zahlun-gen) oder in Verbindung mit dem Internet der Dinge bzw. dem Se-mantik-Web.

Solche Dienstleistungen werden für den Schweizer Markt mit seinen Eigenheiten aufgebaut (hohe Sicherheitsstandards, Daten bleiben in der Schweiz). Im Sinne «verteilter Systeme» sind sie in die E-Government-Lösungen zu integrieren. Wenn die notwendigen zentralen Komponenten nicht gebündelt werden, so ist absehbar, dass sich ein E-Government-Business-Case für Gemeinden und Kantone nicht rechnet. Denn dann müssen die Angebote in die vie-

len unterschiedlich aufgebauten Systeme integriert werden. Die dadurch entstehenden Kosten heben in naher Zukunft die Einspa-rungen wieder auf, die sich dank der Automatisierung ergeben haben.

Mit anderen Worten: Ohne diese Bündelung wird das Gesamtan-gebot an E-Government-Dienstleistungen aus Sicht von Gemeinden und Kantonen kaum zu einem sinnvollen Business-Case.

Quellen: – Verwaltungsrechenzentrum AG St.Gallen (VRSG)

Als zentrale Drehscheibe integriert die eGov Box «verteilte Systeme».

VRSG | eGov Box

VRSG | eGov Box Frontend

Dritt-anbieter

Dritt-anbieter

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61Praxis – Schweiz

Ein gelungenes Rezept für bekömmliches E-GovernmentDamit für Einwohnerinnen und Einwohner der Gang zum elektronischen Amtsschalter zum Genuss wird, muss das Angebot überschaubar und «gluschtig» daherkommen. Ein bekömmliches E-Government-Menü besteht aus kundengerechten, modernen, einfachen und wiederverwendbaren Softwaremodulen, die passend und gehaltvoll aufeinander abgestimmt sind. Die Zutaten zu diesem Menü sind frische Open-Source-Software und engagierte Entwickler und Partner, die den Löffel schwingen. Gemeinsam werden Lösungen via Crowdfun-ding finanziert und miteinander umgesetzt. Weil die Rezepte für alle zugänglich sind, sind die Wirtschaftlich-keit und die Qualität garantiert.

Eine grosse, aber übersichtliche Speisekarte

Die Dienstleistungen einer Gemeinde sind sehr vielfältig und werden von der Be-völkerung oft nicht auf Anhieb als solche erkannt. Was tut die Gemeinde für mich? Wie finde ich die richtigen Angebote? Welche Ansprechpersonen kann ich kontaktieren? Wie auf einer Speisekarte muss sich der Kun-de auf der Website einer Gemeinde in kurzer Zeit zurechtfinden, damit der Appetit nicht vergeht. Das ist nicht ganz einfach, da eine Gemeinde eine Vielzahl von Leistungen in den Bereichen Bau, Bildung, Einwohner-dienste, Finanzen, Soziales usw. erbringt. Auch Gemeindeinstitutionen wie Bibliothek, Feuerwehr, Musikschule, Pflegezentrum, Volksschule und weitere bieten Dienstleis-tungen an. Die Gemeinde Ebikon wollte mit der Zeit gehen und die Speisekarte bzw. die Website nach den Kundenbedürfnissen ge-stalten. Mit der Lösung OneGov Box kann Ebikon das Angebot der Gemeinde selbst wie auch das aller anderen Gemeindeinstitutio-nen auf einer Website präsentieren. Neue Angebote können zudem laufend kosten-günstig eingegliedert werden. Zusätzliche Websites sind schnell, einfach und im glei-chen Corporate Design erstellt. So werden die Services auch visuell als Teil der Gemein-de wahrgenommen.

Entscheidende ZutatenNeben dem Design legte die Gemeinde

Ebikon den grössten Wert auf die Struktur und den Aufbau. Der neue Internetauftritt wird zudem auf Mobiltelefonen und Tablets automatisch passend dargestellt und ist bar-rierefrei, also auch für Sehbehinderte nutz- und bedienbar. Die Musik- und Volksschule sowie das Café mix sind bereits als eigene Subsites gestaltet und dennoch als Gemein-dedienstleistungen erkennbar. Zusätzlich stammen der Veranstaltungskalender, die

Bestellung der SBB-Tageskarten und das Vereinsverzeichnis optisch und technisch aus derselben Küche. Ein positiver Nebeneffekt der gemeinsamen Infrastruktur ist, dass die interne Zusammenarbeit intensiviert wird, weil unterschiedliche Fachpersonen ein Thema aus verschiedenen Perspektiven erörtern. So lernen die Mitarbei-tenden neue oder andere Speisen und Zutaten kennen.

Qualitätvolle ZutatenEin mehrgängiges Menü, das harmoniert, qualitativ gut zuberei-

tet ist und sich immer wieder den Bedürfnissen nach Abwechslung anpasst, benötigt viel Wissen, hohe Leistungsbereitschaft und Fle-xibilität. So verhält es sich auch mit einem umfassenden Internet-auftritt für eine Gemeinde oder für andere öffentliche Institutionen. Die Qualität der Zutaten kann variieren, und darum ist es hilfreich, auf mehrere Lieferanten zurückgreifen zu können. Auch die Vielfalt der Zutaten kann bei einem einzigen Anbieter mit der Zeit leiden.Die Zusammenarbeit von Softwareherstellern sowie von weiteren

Webauftritt der Gemeinde Ebikon (www.ebikon.ch)

Michael Zimmermann Gemeinde Ebikon Informationsbeauftragter michael.zimmermann @ebikon.ch

Fabian Reinhard Seantis GmbH Geschäftsführer fabian.reinhard @seantis.ch

Balthasar Glättli Verein OneGov.ch Präsident [email protected]

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62Praxis – Schweiz

Partnern für Dienstleistungen im E-Government ermöglicht eine zeitnahe Entwicklung von Funktionalitäten, die immer wieder den Kundenbedürfnissen angepasst werden. Die Diskussionen und Pla-nungen und auch die Qualitätskontrollen erfolgen gemeinsam im Vereinsvorstand, in den Fachgruppen oder im Expertenausschuss. Regelmässig finden themenspezifische Anlässe statt, an denen ein reger Informationsaustausch gepflegt und neue Zutaten präsentiert werden.

Gute RezepteEine funktionierende Software muss dokumentiert sein, stan-

dardisierte Entwicklervorgaben erfüllen, einfache und kostengüns-tige Updates erlauben und idealerweise jederzeit nachvollziehbar sein. Die Auf- und Zubereitung ist entscheidend und setzt voraus, dass der Softwarehersteller sein Wissen einbringt und sich stetig weiterbildet und mit anderen austauscht. Die Rezepte für ein be-kömmliches E-Government garantieren eine gleichbleibende Qua-lität, ermöglichen einen regelmässigen Ausbau des Angebots und sorgen für die eine oder andere gelungene Finesse bei den Funk-tionalitäten. Am besten ist es, wenn die Rezepte öffentlich zugäng-lich und jederzeit überprüfbar sind. Dass die Ergebnisse auch mun-den und den Kundenbedürfnissen entsprechen, dafür sorgen eine oder mehrere Fachgruppen, die regelmässig die Softwaremenüs überprüfen und neue Ideen einbringen. Mit ihrer Transparenz erfüllt eine Open-Source-Community diese Anforderungen und schafft eine offene Kultur des Vertrauens.

Der RestauranttesterVielleicht kennen Sie Fernsehsendungen mit Restauranttestern

oder ähnliche Sendungen. Neben der Unterhaltung ist das Ziel, Ab-läufe zu optimieren, die Qualität der Herstellung zu erhöhen und Vertrauen in die eigene Arbeit zu erreichen. Es braucht eine Orga-nisation, die das Zusammenspiel zwischen Kunden und Herstellern unterstützt, neue Ideen einbringt, für ein gutes Umfeld sorgt, die Qualität überwacht und ab und zu für die Unterhaltung sorgt. Eine Organisation, die ohne finanziellen Druck und auf Augenhöhe als gleichberechtigte Partnerin in der Gemeinschaft eingebunden ist. Die Qualität der Zutaten und die Zubereitung werden durch einen vom Vorstand definierten Expertenausschuss laufend geprüft und zertifiziert. Der Vorstand setzt sich aus Kunden, Herstellern und Partnern zusammen. Das Netzwerk in den Bereichen Politik, Stan-dardisierungsgremien und übergeordnete Vorhaben auf Ebene Bund wird zentral koordiniert. In diesem Fall sind es der Verein OneGov.ch und seine Geschäftsstelle, die diese Aufgaben übernehmen.

Wer liefert was?Am Ende des Tages sollten alle Beteiligten mit dem E-Govern-

ment-Menü zufrieden sein. Die Funktionalität muss stimmen, die Kosten sollten möglichst tief und das Onlineangebot sollte bedie-nerfreundlich und im Internetauftritt einfach auffindbar sein. Die Kundenbedürfnisse müssen aufgenommen und in eine für Soft-wareentwickler verständliche Sprache übersetzt werden. Idealer-weise können Bedürfnisse gebündelt werden und so für einen Mehrwert sorgen. Der Verein übernimmt diesen Part der Koordina-tion. Die Hersteller können nun Softwarepakete schnüren und die Kosten schätzen. Diese Softwarepakete stehen den Kunden zur Beurteilung zur Verfügung. So können alle Beteiligten gemeinsam am Rezept und an den Zutaten für ein bekömmliches E-Govern-

ment-Menü arbeiten. Die Umsetzung startet erst nach einem erfolg-reichen Crowdfunding, wobei sich hier auch die Hersteller oder der Verein beteiligen können. So erhalten alle Beteiligten für einen Teileinsatz ein mehrgängiges Menü.

OneGov.ch – gemeinsam zur optimalen Lösung

Der 2012 gegründete Verein OneGov.ch ist eine Gemeinschaft von Entwicklern und Kunden, die zusammen ein durchgängiges E-Gov-ernment-System für heute, morgen und übermorgen erarbeitet. Dabei gilt als Motto der Grundsatz «Einmal entwickeln – mehrfach nutzen». Gemeinsam entwickeln wir kostengünstige behörden-übergreifende Lösungen, die modular aufgebaut, individuell kon-figurierbar und auf die verschiedensten Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt sind. Nutzen Sie die Möglichkeit, sich über den Verein zu vernetzen, gemeinsam Projekte zu starten, Ressourcen zu tei-len und Ihre Ideen und Erfahrungen einzubringen. Sie sind herz-lich willkommen (www.onegov.ch).

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63Praxis – Schweiz

Open-Source-Gemeinschaftslösungen: ein innovativer Ansatz für E-Government-Projekte und deren FinanzierungDer Quellcode von Softwareentwicklungen, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, sollte veröffent-licht werden. Dies wäre die konsequente Anwendung des fünften Grundsatzes der E-Government-Strategie Schweiz. Der offene Quellcode ermöglicht neue Formen der Zusammenarbeit sowie der Finanzierung der Vor-haben. Mit den Projekten «eOperations Schweiz» und «Koordinationsnetzwerk IT für Schweizer Behörden» der Schweizerischen Informatikkonferenz könnten Anwender-Communitys aufgebaut werden. Dass von die-sem Ansatz alle Beteiligten profitieren, zeigt ein Projekt der grössten Kinder- und Jugendorganisationen der Schweiz.

«Einmal entwickeln – mehrmals anwen-den», lautet einer der Grundsätze der E-Gov-ernment-Strategie Schweiz. Dies klingt zwar einfach, die Umsetzung harzt aber noch. Michel Huissoud, Direktor der Eidgenössi-schen Finanzkontrolle (EFK), hat an der IT-Beschaffungskonferenz1 erste Lehren aus der Prüfung von IT-Schlüsselprojekten des Bundes vorgestellt. Ein Grund für die teil-weise massiven Budgetüberschreitungen bei den Projekten sieht die EFK im starken Föderalismus. So musste der Bund für das Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) sechs proprietäre kantonale Lösungen in das System einbinden. Hohe Kosten ent-stehen da nicht nur beim Projekt, sondern auch bei der späteren Wartung der Lösung und bei den unterschiedlichen Schnitt-stellen.

Open-Source-Gemeinschaftslösungen als AlternativeDas IVZ ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen Einzelin-

teressen und geschlossene Systeme einer gemeinsamen Lösung und damit auch dem sinnvollen Einsatz von Steuergeldern im Weg stehen. Eine Alternative bietet der Einsatz von Open-Source-Ge-meinschaftslösungen: Quelloffene Software ermöglicht es Unter-nehmen und der öffentlichen Verwaltung gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die von allen genutzt und weiterentwickelt werden können. Und die Idee entspricht dem Grundsatz «Einmal entwickeln – mehrmals anwenden». Möglich sind dabei zwei Vorgehensweisen:

1) Institution A entwickelt eine Fachapplikation (oder lässt diese entwickeln) und stellt den Quellcode unter einer Open-Source-Li-zenz der Öffentlichkeit zur Verfügung. Weitere Institutionen ent-wickeln diese Lösung weiter, passen sie falls nötig auf ihre Bedürf-nisse an und veröffentlichen den Quellcode wiederum. Institution A profitiert dabei von den Weiterentwicklungen der anderen.

2) Mehrere Institutionen mit gleichen oder ähnlichen Bedürfnissen schliessen sich von Anfang an zu einer Anwender-Community zu-sammen, um eine Open-Source-Lösung entwickeln zu lassen, und teilen sich so die Projektkosten. Weitere Institutionen können wie beim ersten Beispiel später in das Projekt einsteigen.

Open-Source-Lösungen eignen sich besonders für Individual-entwicklungen, deren Anwenderinnen und Anwender grösstenteils gleiche oder ähnliche Anforderungen haben. Es ist aber auch mög-lich, bewusst Alternativen zu proprietären, marktbeherrschenden Produkten aufzubauen. Mit OpenJustitia und CAMAC gibt es bereits Open-Source-Fachanwendungen in der öffentlichen Verwaltung. Doch sie haben bisher kaum andere Verwaltungsstellen dazu an-geregt, weitere Open-Source-Lösungen zu lancieren. Dabei eröffnen diese den Weg zu neuen Geschäftsmodellen, zu neuen Formen der Finanzierung und dank der Kollaboration verschiedenster An-spruchsgruppen auch zu innovativen Lösungen.

Geschäftsmodelle und deren FinanzierungDa der Quellcode von Open-Source-Lösungen frei zur Verfügung

steht, können Organisationen diese selber weiterentwickeln bzw. Einzelpersonen oder Firmen mit der Weiterentwicklung beauftra-gen. Unternehmen können einzelne Open-Source-Komponenten zu einem kompletten Produkt zusammenfassen und sich als Distribu-tor am Markt positionieren. Entwickler von Open-Source-Lösungen bieten diese frei am Markt an (um beispielsweise eine hohe Verbrei-tung zu erzielen) und verdienen ihr Geld mit dazugehörigen Dienst-leistungen wie Support, Wartung und Schulung. Die Offenheit des Quellcodes ermöglicht noch weitere innovative Geschäftsmodelle. Was alles mit Open-Source-Software möglich ist, bestimmt die Lizenz, unter der diese veröffentlicht ist.

Genauso wie bei den Geschäftsmodellen gibt es auch bei deren Finanzierung verschiedene Möglichkeiten. Anwenderinnen und Anwender von Open-Source-Software können vom Anbieter ihrer Wahl eine Lösung nach ihren Wünschen im Rahmen eines klassi-schen Projekts weiterentwickeln lassen. Eine homogene Anwen-der-Community kann sich über bestimmte Weiterentwicklungen an einer Open-Source-Lösung einigen und deren Realisierung ge-meinsam finanzieren. Oder man kann die Mittel für die Umsetzung bestimmter Features über eine Crowdfunding-Plattform beschaffen. Das Schweizer Geoportal ging diesen neuen Weg für die Finanzie-rung von OpenLayers 3 (eine Programmierschnittstelle für die An-zeige von Kartenmaterial im Webbrowser) und wurde dafür mit dem OSS Award von /ch/open ausgezeichnet.

André Kunz Puzzle ITC Solution Manager hitobito [email protected]

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64Praxis – Schweiz

Kollaborative Softwareentwicklung im TrendUnternehmen widmen sich vermehrt dem Thema der kollabo-

rativen Entwicklung von Open-Source-Software und sehen diese als wesentlichen Erfolgsfaktor an. Bei der kollaborativen Soft-wareentwicklung arbeiten Einzelpersonen und Firmen – oftmals Wettbewerber – an einer gemeinsamen, offenen Codebasis. Berühm-testes Beispiel dafür sind die Projekte rund um das offene Betriebs-system Linux. Die Vorteile, die aus der kollaborativen Softwareent-wicklung resultieren, sind vielfältig. Dies zeigt eine Studie der Linux Foundation.2 Die befragten IT-Führungskräfte sehen vor allem die kürzeren Entwicklungszyklen bzw. die schnellere Verfügbarkeit eines Produkts am Markt, tiefere Entwicklungskosten und eine bessere Qualität der Lösung als Pluspunkte.

Die grössten Herausforderungen liegen gemäss der Studie bei politischen Hürden und rechtlichen Fragen zum Einsatz und zur Weiterverbreitung von Open-Source-Software. Damit quelloffene Software über Unternehmensgrenzen hinweg effizient entwickelt werden kann, braucht es zudem solide Grundlagen. Dies haben auch Facebook, Google, Twitter und weitere Partner erkannt. Sie haben im September die Gruppe TODO (talk openly, develop openly) ins Leben gerufen, um Best Practices und gemeinsame Werkzeuge zu definieren, welche die Nutzung und das Veröffentlichen von Quell-codes vereinfachen sollen.

Anwender-Communitys für die öffentliche VerwaltungDas gemeinsame Entwickeln von Software beschäftigt nicht nur

grosse internationale Technologieunternehmen. So hat die Schwei-zerische Informatikkonferenz (SIK) erkannt, dass Softwareanwen-dungen für die öffentliche Hand oftmals mehrfach mit sehr ähnli-chem Funktionsumfang entwickelt werden. Die SIK will deshalb ein «Koordinationsnetzwerk IT für Schweizer Behörden» schaffen, um bei der Entwicklung und Wartung von Fachanwendungen Syn-ergien zu nutzen.

Ähnliche Ziele3 verfolgt das Projekt «eOperations Schweiz», ein priorisiertes Vorhaben der E-Government-Strategie Schweiz. Um das Prinzip «einmal entwickeln – mehrmals anwenden» in der Bundesverwaltung breit umzusetzen, soll mit «eOperations Schweiz» eine Organisation aufgebaut werden, welche die organi-satorische, betriebliche und finanzielle Abwicklung von Koopera-tionen im E-Government unterstützt und vereinfacht. «eOperations Schweiz» bezieht sich dabei nicht spezifisch auf den Einsatz von Open-Source-Software, sondern auf generelle Herausforderungen wie die Organisation und Finanzierung von komplexen kooperati-ven IT-Vorhaben.

Die Vorteile von Open SourceOpen-Source-Software ist nicht per se besser oder schlechter als

proprietäre Lösungen. Eine gutes Open-Source-Projekt zeichnet sich aber dadurch aus, dass die Architektur auf die Wiederverwendbar-keit der Software ausgerichtet ist, offene Standards und Richtlinien einhält und der Quellcode gut dokumentiert ist. Der offene Quellcode bietet die nötige Transparenz, um die Qualität und Sicherheit einer Lösung zu beurteilen und beispielsweise in einem Dialogverfahren die Kosten für Weiterentwicklungen von mehreren Anbietern ad-äquat vergleichen zu können.

Beim Eingangs erwähnten Beispiel des IVZ sind die jeweiligen Kantone abhängig von ihrem Lösungsanbieter. Ein Wechsel zu ei-nem anderen Anbieter ist sehr wahrscheinlich mit hohen Kosten für die Migration der Daten und die Anpassung der Schnittstellen zu umliegenden Systemen verbunden. Gemeinschaftslösungen mit einer einheitlichen Codebasis lösen diese Abhängigkeiten und be-deuten vereinheitlichte Schnittstellen für Drittsysteme. Durch das Wegfallen der Nutzungsbarrieren am Source-Code entsteht eine echte Chancengleichheit für die Anbieter und der Wettbewerb wird gefördert.

Gemeinsam statt gegeneinanderWas spricht also dagegen, Fachanwendungen, die von der öffent-

lichen Hand in Auftrag gegeben werden, generell zu veröffentlichen? Nichts – das findet zumindest der Berner Grossrat,4 der sich im Ja-nuar mit 130 zu 0 Stimmen für Open-Source-Entwicklungen des Kantons Bern entschieden hat. Es bleibt zu hoffen, dass weitere Kantone diesem Beispiel folgen und die Anwender-Communitys der SIK und von E-Government Schweiz aufgebaut werden können. Das gemeinsame Vorgehen und der Austausch zwischen Anwendern und Entwicklern inspirieren und ermöglichen innovative Lösungen.

1 http://www.ch-open.ch/IT-Beschaffungskonferenz2 Linux Foundation: Collaborative Development Trends Report

(http://www.linuxfoundation.org/publications/linux-foundation/ collaborative-development-trends-report-2014)

3 http://www.egovernment.ch/b115/00909/index.html?lang=de4 http://www.digitale-nachhaltigkeit.ch/2014/01/osskantonbern/

Die zweitgrösste Kinder- und Jugendorganisation der Schweiz ging beim Projekt für die neue Mitglieder- und Kursverwaltung einen modernen Weg: Die Software wurde von Anfang an darauf ausgerichtet, dass auch andere Organisationen sie einsetzen können, und der Quellcode wurde 2013 unter einer Open-Source- Lizenz veröffentlicht. Unterdessen bilden vier Organisationen die Anwender-Community. Allgemeine Weiterentwicklungen und Wartungskosten werden aufgeteilt. Die Architektur der Lösung erlaubt aber auch individuelle Anpassungen, ohne dass die Funk-tionalität bei den anderen Organisationen tangiert wird.

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65Praxis – International

Die E-Government-Strategie in Thailand: aktueller Stand und weiteres VorgehenNachhaltige Regierungsentscheidungen in der E-Government-Entwicklung sollten auf Leistungsbewertungen beruhen, die erprobte und anerkannte Bewertungskriterien aufgreifen. Folglich wurden zur Bewertung der Fortschritte Thailands in diesem Bereich zwei Indizes der UN angewandt: der E-Government Development Index (EGDI) sowie der E-Participation Index (EPI). Mit Blick auf den ASEAN-IKT-Masterplan 2016–2020 wurden schliesslich Empfehlungen formuliert.

Der königlichen thailändischen Regie-rung unterstehen 20 Ministerien, die insge-samt 2049 Ämter und Behörden umfassen. Vor rund einem Jahrzehnt wurde auf den Beschluss der Regierung hin das Ministe-rium für Informations- und Kommunikati-onstechnologie (Ministry of Information and Communication Technology [MICT]) mit der Entwicklung und der anschliessenden Im-plementierung einer E-Government-Strate-gie beauftragt. Daraufhin hat dieses insbe-sondere das thailändische E-Government Interoperability Framework (TH E-GIF) konzipiert und seit 2006 schrittweise wei-terentwickelt.1

Im Zeitraum von 2009 bis 2014 konzen-trierten sich die Bemühungen des MICT auf folgende vier mit dem E-Government ver-bundenen Ziele: 1) Interoperabilität für den Austausch von

Informationen und Dienstleistungen inner-halb der Regierungsorganisationen, um integrierte Dienstleistungen für Bürgerin-nen und Bürger sowie Unternehmen zu erreichen

2) institutionelle Strukturen und Regierungsmechanismen mit dem Zweck, ein übergeordnetes Aufsichtsgremium für die Umsetzung der E-Government-Programme zu etablieren

3) Erneuerung des öffentlichen Dienstes, indem Innovationen in der Ausgestaltung und Bereitstellung staatlicher Dienstleistungen eingebettet werden, einschliesslich Open-Source-, Crowdsourcing- und Communitysourcing-Ansätze

4) Ein grundlegender und auf Effizienz ausgerichteter Strukturwan-del stets mit der Absicht, mit weniger mehr zu tun, also bessere Leistungen mit geringeren Kosten zu kombinieren und dabei mehr Menschen zu erreichen2

In den vergangenen fünf Jahren wirkten sich überdies auch jene Aktivitäten auf das Regierungshandeln aus, die in einem engen Zusammenhang mit der zum 1. Januar 2015 geplanten Gründung der ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft stehen.3 Um die Leistungser-bringung innerhalb der Ministerien zu erleichtern, baute das MICT ein nationales Kollaborations-Framework (NCF) auf.

Mit Blick auf die Umsetzung der politischen Ziele in der amts- und behördenübergreifenden Zusammenarbeit wurde 2011 der E-Gov -ernment-Integrations- und -Entwicklungsausschuss damit beauf-tragt, die Implementierung des E-Governments zu leiten und zu überwachen. Er setzt sich aus den IT-Leitern (CIO) von zwölf Regie-

rungsbehörden sowie aus sieben weiteren Experten zusammen. Den Vorsitz hat der Minister für Informations- und Telekommuni-kationstechnologie. Im Juni 2013 billigte das thailändische Kabinett die Entwicklung einer G-Cloud, um die Effizienz des Regierungsin-formationsnetzwerks (GIN) sowie der zentralisierten und cloudba-sierten Regierungsinfrastruktur weiter zu verbessern.

Den Fortschritt des E-Governments in Thailand beurteilte man mithilfe von Indikatoren des E-Government Survey der UN4. Die Evaluationsmethodik, die auf dem Mittelwert der Einheiten pro Stufe basiert, wurde zur Bewertung jedes öffentlichen Onlinediens-tes aller Regierungseinheiten der Ministerien angewandt.5 Dabei verwendete man das Konzept der Best Practices. Bei dessen Erar-beitung wurden die vier Interoperabilitätsebenen des European Interoperability Framework (EIF)6 sowie die Federal Enterprise Architecture (FEA) der US-Regierung7 analysiert und berücksich-tigt. Der Gesamtwert für jedes Ministerium wurde für jede Stufe separat als gewichtetes Ergebnis bewertet, erzielt von den geprüften Einheiten in jeder der UN-Survey-Stufen.

Ein repräsentatives Sample von 303 Einheiten aus allen 20 Ministerien wurde auf verschiedenen operativen Ebenen beur-teilt: Abteilungen, Sparten, Sektionen und einzelne Einheiten (Ämter und Behörden). Die Gewichtung jeder Reifegradstufe wurde in Relation zum Nutzen angepasst, der sich durch die erzielte Arbeitsentlastung der Beamtinnen und Beamten ergab: Stufe 1 gewichtet mit 7%, Stufe 2 mit 24%, Stufe 3 mit 30% und Stufe 4 mit 39%.

Die Gesamtbewertung des im Jahr 2013 erreichten Online Service Index (OSI) ergab folgende Ergebnisse:

– Reifegradstufe 1: Alle Ministerien erreichten hinsichtlich der Fähigkeit zur Bereitstellung von Onlineinformationsdiensten 100%.

– Reifegradstufe 2: Die Entwicklungsstufen bewegten sich zwischen 52% und 92% mit einem Durchschnitt von 82%.

– Reifegradstufe 3: Der Durchschnitt der Entwicklung lag bei 33%.

– Reifegradstufe 4: Die Entwicklungsstufen bewegten sich zwischen 6% und 40% mit einem Durchschnitt von 22%.

Unter Berücksichtigung des allgemeinen Ergebnisses für alle 20 Ministerien liegt hinsichtlich der Entwicklung elektronischer Dienstleistungen der durchschnittliche Wert des OSI in Thailand bei 45% (siehe Abbildung 1).

Die Bewertung der Bürgerbeteiligung mittels des E-Participation Index (EPI) ergab folgende Ergebnisse:

– Reifegradstufe 1, E-Information: Die Regierungswebsites bein-halten Informationen zur Regierungsstruktur, zu Politiken und Programmen, Gesetzen, Verordnungen und anderen Themen. Alle

Bogdan Lent Berner Fachhochschule Dozent [email protected]

Somnuk Keretho Universität Kasetsart Direktor Ku-Inova [email protected]

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66Praxis – International

Einheiten erreichten 100%. Im Bereich der Bürgerkontaktstellen und E-Mail-Listen erreichten die Einheiten 89%, im Bereich der Community Networks 59% und bezogen auf Blogs, Webforen und Newsgroups 61%.

– Reifegradstufe 2, E-Consulting: Von den Regierungswebsites schalteten 49% Umfragen und Feedbackfunktionen und 61% Chatrooms, Instant Messaging und Blogs frei.

– Reifegradstufe 3, E-Entscheidungsfindung: Die Reaktion der Re-gierungsbeamten auf Direktanfragen von Bürgerinnen und Bür-gern betrug 45%. Onlinepetitionen wurden zu 90% beantwortet.

Die Untersuchung führte zur Erarbeitung von zahlreichen ziel-gerichteten, schrittweise implementierbaren Verbesserungen und spezifischen Massnahmen auf jeder Stufe der Onlinedienste und jeder Ebene der E-Partizipation. Die Fokussierung auf Systeme im Bereich der nationalen Sicherheit und der Justiz wird hierbei als strategisch besonders relevant erachtet. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Thailand wurde bereits eine Durch-führbarkeitsstudie zu Onlinewahlen empfohlen.

Im prozessualen Bereich wurden folgende Empfehlungen for-muliert:

– Stärkung der MICT-E-Government-Dienstleistungen durch die Etablierung einer Strategie- und Vorgabebehörde (der Funktion nach vergleichbar mit dem ISB in der Schweiz)

– Aufbau einer für die Regierungsunternehmensarchitektur verant-wortlichen Behörde, die für die Vorgaben und die Koordination der IKT-Entwicklungen in allen Ministerien, Ämtern und Behörden verbindlich die Verantwortung trägt

– einheitliche Regierungsprojektleitungsmethode, unterteilt in fünf Projektphasen und fokussiert auf zehn kritische Erfolgsfaktoren

– einheitliche Richtlinien für das Management der Zulieferer für alle Regierungsbehörden und Ämter

– eine zentralisierte Beschaffungsorganisation für die Regierung (wie beim BBL in der Schweiz)

Im organisationalen Bereich wurden diverse Empfehlungen zur Erweiterung der Rolle von Ministern, Staatssekretären, CIO, Abtei-lungsleitern, Leitern der Facheinheiten und IKT-Direktoren bereits ausgesprochen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Zusammen-arbeit im Rahmen der ASEAN gewidmet, mit dem Ziel, die E-Gov-ernment-Interoperabilität zwischen den Mitgliedsstaaten entlang des ASEAN E-Government Strategic Plan 2020 zu synchronisieren.8

Die Autoren möchten der Staatssekretärin Methini Thempani für ihre unverzichtbare Mitwirkung bei dieser Untersuchung dan-ken. Die Studie wurde mit dem Ziel des Aufbaus institutioneller Kapazität in der IKT-Politik in Thailand von der International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) unterstützt (Grant No TF-097929).

1 Ministry of Information and Communication Technology: Thailand Elec-tronic Government Interoperability Framework, Version 3.0 (in Thai), 2010. http://egif.mict.go.th/ (8.8.2014).

2 National Electronics and Computer Technology Center/National Science and Technology Development Agency/Ministry of Science and Technology: Executive Summary. Thailand Information and Communication Technology Policy Framework (2011-2020). ICT2020. 2011. http://unpan1.un.org/in-tradoc/groups/public/documents/ungc/unpan048145~1.pdf (8.8.2014).

3 Association of Southeast Asian Nations: ASEAN Economic Community Blueprint. 2007. http://www.asean.org/archive/5187-10.pdf (8.8.2014).

4 United Nations Department of Economic and Social Affairs: United Nations E-Government Survey 2012. 2012. http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/un/unpan048065.pdf (8.8.2014).

5 Keretho, S.: Final Report for the Consulting Services of Report on Design and Implementation of e-Government. 2013. http://www.mict.go.th/as-sets/portals/1/files/4FinalReport_2.pdf (8.8.2014).

6 European Commission: European Interoperability Framework (EIF) for European Public Services. 2010. http://ec.europa.eu/isa/documents/isa_annex_ii_eif_en.pdf (8.8.2014).

7 Executive Office of the President of the United States: The Common Ap-proach to Federal Enterprise Architecture. 2012. http://www.whitehouse.gov/sites/default/files/omb/assets/egov_docs/common_approach_to_ federal_ea.pdf (8.8.2014).

8 Basu, M.: ASEAN Ministers emphasize cooperation in ICT initiatives. In: Asia Pacific FutureGov. 2013. http://www.futuregov.asia/articles/2013/nov/18/asean-ministers-emphasise-cooperation-ict-initiati/ (8.8.2014).

Abbildung 1: Reifegradstufen der E-Government-Dienstleistungen in Thailand (untersucht von Januar bis März 2013)

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67Praxis – International

Steuerung und Finanzierung im österreichischen E-GovernmentÖsterreich ist bei der E-Government-Umsetzung den schwierigen Weg von hochintegrierten Diensten mit den dafür notwendigen nationalen Standards gegangen. Dabei haben sich nicht nur der Bund, sondern vor allem auch Länder und Gemeinden stark engagiert. Mit der Vereinbarung eines nationalen Masterplans wurde eine abgestimmte Entwicklung des E-Governments durch die beteiligten Stellen möglich. Dass der Weg erfolgreich war, zeigt sich am Benchmarking der EU und an den Ergebnissen des E-Government-Monitors.

Aufb au der österreichischen Verwaltung

Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen kurz ein Blick auf die öster-reichische Verwaltung

Ebenen der Hoheitsverwaltung – Bundesverwaltung: Auf der Basis von na-

tionalen Gesetzen werden die Verfahren von Bundesbehörden vollzogen (Beispiel Steuern).

– Landesverwaltungen: Dazu zählen die neun Länder sowie die den Ländern zuge-ordneten Bezirksverwaltungsbehörden. Diese vollziehen Bundesgesetze (z.B. Identitätsdokumente), haben aber auch einen eigenen Wirkungsbereich, in dem sie Landesgesetze vollziehen.

– Gemeinden: Die Gemeinden haben einen übertragenen Wirkungs-bereich, in dem sie Bundesgesetze (z.B. Meldewesen) oder Lan-desgesetze vollziehen. Sie haben aber auch einen eigenen Wir-kungsbereich (z.B. örtliche Sicherheits- und Baupolizei).

– Daneben werden sowohl Bundes- als auch Landesaufgaben von Körperschaft en öff entlichen Rechts wie Kammern oder Sozialver-sicherungsanstalten, aber auch von ausgelagerten Gesellschaft en vollzogen.

Aus der obigen Kompetenzverteilung ergibt sich eine enge und komplexe Verzahnung der Informationsfl üsse, weil den Behörden im übertragenen Wirkungsbereich eine Reihe von Berichtspfl ichten auferlegt ist bzw. weil in den einzelnen Verfahren Dokumente aus anderen Verfahren als Bestätigung vorzulegen sind (z.B. Geburts-urkunde oder Meldenachweis)

Nationale Zusammenarbeit im E-GovernmentWill man mit E-Government eine deutliche Verbesserung und

Vereinfachung erreichen, müssen folgende kritische Erfolgsfakto-ren beachtet werden:

– Die innere Vernetzung der Behörden ist voranzutreiben, damit der organisationsübergreifende Zugriff auf zentrale Anwendungen erleichtert wird und die Vorlage von Beilagen entfallen kann.

– Gestaltung und Basisfunktionen des E-Governments sind zu ver-einheitlichen, damit bei der geringen Zahl von Behördenkontakten über diese Ebenen hinweg eine Einheitlichkeit gewährleistet ist.

Eine reine 1:1-Umsetzung von Papierverfahren in die Elektronik bringt hohen Aufwand und geringen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung. Aus diesem Grund hat das Land

Steiermark vor der Umsetzung von E-Government im eigenen Be-reich eine Reihe von nationalen Initiativen gestartet:

– Gründung der E-Government-Länderarbeitsgruppe im Jahr 2000: Damit ist eine länderübergreifende abgestimmte und gemeinsa-me Vorgangsweise gewährleistet.

– Kooperationsvereinbarung zur Erarbeitung von Schnittstellen und Basisfunktionen. Publikation der Ergebnisse auf dem «Referen-ce-Server»

– Erstellung eines nationalen E-Government-Masterplans im Jahr 2003: Die Vereinbarungen des Masterplans bildeten quasi das Rückgrat der E-Government-Umsetzung für etwa zehn Jahre und haben wesentlich dazu beigetragen, dass Österreich im EU-Benchmarking auf den Platz 1 vorgerückt ist.

Wesentliche Elemente des E-Government-MasterplansDer E-Government-Masterplan lässt sich mit einem Gebäude

vergleichen. Auf einem Fundament mit Grundsätzen tragen die Säulen der Querschnittssysteme über Schnittstellen die einzelnen Anwendungen.

Im Folgenden werden die wichtigsten Elemente des Masterplans kurz erläutert.

– E-Government-Gesetz: Integrierte und bürgerfreundliche E-Gov-ernment-Lösungen benötigen einheitliche Lösungsansätze für die Identifi kation und Authentifi zierung von Antragstellerinnen und Antragstellern oder für die Zulässigkeit von Nachweisen durch ein Dokumentenregister. Daneben sind eine Reihe von gesetzli-chen Regelungen zu ändern, die derzeit explizit auf die Papier-verwaltung zugeschnitten sind, wie im Bereich der Zustellung.

Franz GranditsLand SteiermarkBis 1.8.2014 zuständig für die [email protected]

Anwendungen

Schnittstellen(sec-layer, Zustellung, Payment, Reg. Abfragen, Antragsüberm., EDIAKT, Vinfo, pvp)

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F. Grandits 2005

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68Praxis – International

– Styleguide für intelligente Formulare: Elektronische Formulare bieten grosses Potenzial für Benutzerfreundlichkeit. Gerade weil die Bürgerinnen und Bürger eine grosse Anzahl unterschiedlicher Verfahren mit geringer Häufigkeit benutzen, sind ein gleichartiges Aussehen derartiger Formulare und eine einheitliche Bedienung erforderlich, damit dieses Potenzial genutzt werden kann.

– Standarddokumentenregister: Geburtsurkunde, Staatsbürger-schaftsnachweis und Meldenachweis sind in vielen Verfahren als Beilage notwendig. In Hinkunft soll auf die Vorlage dieser Doku-mente verzichtet werden können, wenn die Bürgerin oder der Bürger dies wünscht.

– Adressregister: Die Güte von Adressen ist entscheidend für das Meldewesen und die Zustellung. Die Qualität dieser Adressen soll durch ein einheitliches und für alle E-Government-Anwendungen verfügbares Adressregister erhöht werden.

– Register für Organisationen: Das Firmenbuch beinhaltet nur einen Teil der juristischen Personen, die am E-Government teil-nehmen sollen. Ein eigenes Register soll das Datenmaterial vor-handener Register zusammenfassen und Platz für die Registrie-rung zusätzlicher juristischer Personen schaffen.

– Bürgerkarte light: Für den Zugang zu Verfahren der öffentlichen Verwaltung, die eine gesicherte Authentifizierung erfordern, soll die Personenbindung nach dem System der Bürgerkarte zur Anwendung kommen. Um die Verwendung dieses Systems zu sti-mulieren, sollen Implementierungen forciert werden, die be - ste hende Strukturen und Lösungen benutzen, zum Beispiel die Handysignatur.

– Amtssignatur: Ausfertigungen, die mithilfe automationsunter-stützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen nach derzeit gültiger Rechtslage keinerlei Endfertigung oder Beglaubigung. Wenn sie in anderen Verfahren der öffentlichen Verwaltung be-nötigt werden, bieten sie so jedoch keine ausreichende Sicherheit. Durch die Signatur derartiger Ausfertigungen soll die Sicherheit erhöht werden.

– Kommunikationsarchitektur: E-Mail und Textverarbeitung sind wichtige Übergangsstadien auf dem Weg zu integrierten Lösun-gen. Ein hochentwickeltes E-Government muss aber auf synchro-nen Transaktionen und strukturierten Daten aufbauen, um das volle Potenzial elektronischer Lösungen ausschöpfen zu können. Eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme erzwingt die Definition produktneutraler Schnittstellen.

– Behördeninterner Portalverbund: Der behördeninterne Portal-verbund bildet eine Sicherheitsstruktur für behördenübergrei-fende Anwendungen in den Bereichen Authentifizierung und Rechteverwaltung. Das zwischen «Bund, Ländern, Städten» und Gemeinden vereinbarte Schema beinhaltet das Portalverbund-protokoll, einheitliche Sicherheitsklassen als Sicherheitsmanage-ment und die Portalverbundvereinbarung als rechtliche Absiche-rung.

– Elektronische Zustellung: Die elektronische Zustellung bringt einen erheblichen Kostenvorteil für die Verwaltung und einen Zeit- und Qualitätsgewinn für Bürgerinnen und Bürger und Wirt-schaft. Durch die bereits entwickelten einheitlichen Schnittstellen kann eine Zustellung über beliebige, vom Bürger ausgewählte Dienste erfolgen.

– Erweiterter Portalverbund für Partner: Die Methode des behör-deninternen Portalverbunds soll auf Partnerorganisationen an-gewendet werden, damit diese über einheitliche Portale auf Ver-waltungsanwendungen unterschiedlicher Verwaltungsebenen zugreifen können. Sicherheitszonen für unterschiedliche Benut-zerkreise wie Firmen und Schulen sind zu definieren.

– Finanzierung und Kosten: Die Finanzierung verwaltungsüber-greifender Systeme durch Transaktionsgebühren hat sich als nutzungshemmend erwiesen und entspricht auch nicht der Kos-tenstruktur von IT-Systemen mit einem hohen Basisaufwand und geringen nutzungsabhängigen Tangenten. Hier müssen neue Mo-delle gesucht werden.

Steuerung der UmsetzungDie übergreifende Steuerung der einzelnen Projekte wurde über

normierte Projektaufträge und periodische Berichte von der natio-nalen E-Government-Kooperation Bund, Länder, Städte und Ge-meinden wahrgenommen. Wie nicht anders zu erwarten war, hat sich die zeitliche Dimension bei Grossprojekten nicht zuletzt auf-grund der Klärung der Kostenfrage und der Einbindung vieler Part-ner als umfangreich erwiesen. Mehrjährige Projekte sind da eher die Regel als die Ausnahme. Die Schnittstellendefinition und grund-sätzliche Festlegungen wie der Styleguide waren wesentlich rascher umzusetzen.

Finanzierung verwaltungsübergreifender SystemeIm Masterplan wurde vereinbart, neue Modelle für die Finanzie-

rung übergreifender Systeme zu entwickeln. Damals war bereits absehbar, dass sich kein einfaches einheitliches System für die unterschiedlichen Szenarien festlegen lässt. Grundsätzlich hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Kosten entlang der Nutzen-komponenten aufgeteilt werden.

Dass dies auch im Einzelfall nicht einfach ist, zeigt das Personen-standsregister, in dem Geburten, Staatsbürgerschaften, Heiraten und Sterbedaten eingetragen werden. Der Bund wollte die Führung der Personenstandsbücher modernisieren und die Mitteilungspflich-ten vereinfachen. Die Länder wollten einen Wegfall der im Register abgebildeten Beilagen und eine Abfragemöglichkeit im Rahmen der gesetzlich übertragenen Aufgaben. Diese Nutzenkomponenten kön-nen nicht einfach mit einem mathematischen Modell quergerechnet werden. Aus diesem Grunde wurde der Aufteilungsschlüssel dann zwischen dem BMI und der Landesfinanzreferentenkonferenz aus-verhandelt. Auf eine Kostenbeteiligung der Gemeinden wurde ver-zichtet.

Von den meisten Akteuren wird akzeptiert, dass die Kosten nicht über Transaktionsgebühren umgelegt werden. Innerhalb eines Nut-zerkreises werden Bestandszahlen als Aufteilungsschlüssel heran-gezogen, beispielsweise die Zahl der aufrechten Gewerbeberech-tigungen im Gewerberegister. Stehen keine derartigen Zahlen zur Verfügung, wird der Bevölkerungsschlüssel herangezogen.

Ein wesentlicher Bestandteil der Finanzierung ist auch, dass die Stellen, welche die Kosten tragen, die Implementierung und Wei-terentwicklung beeinflussen können. Dies war beim Modell der Transaktionsgebühren nicht gewährleistet.

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«eGov Präsenz»Fachzeitschrift des E-Government-Instituts der Berner Fachhochschule15. JahrgangErscheint halbjährlich in einer Auflage von 2500 ExemplarenISSN 1424-9715 (gedruckte Ausgabe)ISSN 1424-9723 (elektronische Ausgabe)

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