Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven...

135
Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike Nimmig aus Dessau Von der Fakultät V – Verkehrs- und Maschinensysteme der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der Ingenieurwissenschaften -Dr. Ing.- genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. H. J. Meyer Gutachter: Prof. Dr. R. Liebich Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Santos Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 10. Dezember 2013 Berlin 2013 D83

Transcript of Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven...

Page 1: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolationin Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen

vorgelegt vonDiplom-IngenieurinHenrike Nimmig

aus Dessau

Von der Fakultät V – Verkehrs- und Maschinensystemeder Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der Ingenieurwissenschaften

-Dr. Ing.-

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. H. J. MeyerGutachter: Prof. Dr. R. LiebichGutachter: Prof. Dr.-Ing. Santos

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 10. Dezember 2013

Berlin 2013

D83

Page 2: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2

Danksagung

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicheMitarbeiterin am Fachgebiet Konstruktion und Produktzuverlässigkeit im Institut fürKonstruktion, Mikro- und Medizintechnik an der Technischen Universität Berlin.

Meinem Doktorvater Prof. Dr.-Ing. Liebich danke ich für die Begutachtung derArbeit und für alle Freiheiten, die er mir in meiner Forschung und Lehre ließ. Fürdie Übernahme des zweiten Gutachtens danke ich Herrn Prof. Dr.-Ing. Santos. Prof.Dr.-Ing. H. Meyer war so freundlich, den Prüfungsvorsitz zu übernehmen.

Die Arbeit wäre nicht in dem Umfang möglich gewesen ohne die Unterstützungvon zahlreichen Studierenden und Kollegen.

Herrn Sascha Wolff danke ich sehr für seinen wertvollen Beitrag zur Regelungs-technik. Nach seiner Diplomarbeit am Fachgebiet stand er mir auch weiterhin alswissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Mess- und Regelungstechnik bei zahlrei-chen Fragen zur Regelungstechnik Rede und Antwort.

Sehr viel Zeit, Geduld und Aufwand steckten die Studierenden Anja Fechtel,Steven Mücke, Erik Schulz, Anton Kropinski und Ingo Barbré im Rahmen vonProjekt- und Diplomarbeiten in die experimentellen Untersuchungen am Prüfstand,wofür ich ihnen sehr dankbar bin.

Auch den Mitarbeitern aus der Werkstatt danke ich für die schnelle und kom-petente Unterstützung während der Realisierung des Prüfstands.

Meinen Kollegen danke ich dafür, dass mir stets ihre Unterstützung anbotenund ein sehr angenehmes Arbeitsklima ermöglichten. Mein spezieller Dank gilt zudemmeinem Kollegen Daniel Kreuzer, der mir insbesondere am Ende der Arbeit mit Ratund Tat zur Seite stand.

Herrn Thomas Kaufhold danke ich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit inder Lehre im Fach Antriebstechnik und das dabei entgegengebrachte Vertrauen undEngagement. Die Lehre hat mir sehr viel Spaß gemacht und war gleichzeitig eine großeMotivation für mich bei der wissenschaftlichen Arbeit.

Last but not least danke ich von ganzem Herzen meinem Freund Michael Kuntz für diezahlreichen fachlichen Diskussionen und die ständige Begleitung und Unterstützungmeiner Arbeit am Fachgebiet.

Page 3: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3

Phantasie ist wichtiger als Wissen,denn Wissen ist begrenzt.

(Albert Einstein)

Page 4: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4

Kurzfassung

In der vorliegenden Forschungsarbeit wird die aktive Schwingungsreduktion in derGehäuseaufhängung unwuchterregter Rotoren mithilfe von Piezoplättchen untersucht.Hintergrund dieser Untersuchungen sind z.B. unwuchterregte Schwingungen in Flug-zeugtriebwerken, welche über die Lagerung der Turbinenwelle bis ins Gehäuse unddessen Aufhängung sowie nachfolgende Strukturen geleitet werden. Somit beanspru-chen diese Schwingungen unnötigerweise eine Vielzahl von Bauteilen, welche weit vonder Entstehungsquelle der Schwingungen entfernt angebracht sind und sie könnensogar Komfortverluste im Flugzeug selbst verursachen.

In Anlehnung an die in Triebwerken verwendete filigrane Stützstruktur des In-termediate Casings wurden ein Simulationsmodell und ein Prüfstand mit einerstrebenförmigen Gehäusestruktur aufgebaut. Auf diesen Streben befinden sich Pie-zoplättchen, welche durch eine geregelte Spannungsversorgung gezielt eine Kraft indie Streben leiten, so dass dadurch die Schwingungen in der dahinter folgenden Ge-häuseaufhängung von den Gehäuseschwingungen entkoppelt bzw. zumindest reduziertwerden.

Das Simulationsmodell wurde mithilfe der Software ANSYS als parametrischesFE-Modell aufgebaut, dessen Systemmatrizen in MATLAB eingelesen, transformiertund als Zustandsraumdarstellung definiert. Anschließend wurden ein Optimalreglersowie zwei robuste Regler für den Betrieb in der ersten Biegeeigenfrequenz bei definier-ter Unwuchtanregung synthetisiert und das Ergebnis des geschlossenen Regelkreisesin SIMULINK simuliert. Die so ermittelten Regler wurden anschließend am Prüfstandimplementiert und die resultierenden Ergebnisse mit denen des Simulationsmodellsverglichen.

Ausgewertet wurden die Schwingwege in horizontaler und vertikaler Richtung inder Gehäuseaufhängung, die Schwingwege am Rotor sowie die Aktorspannungen. Zielwar dabei v.a. eine gute qualitative Übereinstimmung der Ergebnisse von Simulati-onsmodell und Prüfstand.

Die Ergebnisse wiesen zwar leichte Diskrepanzen auf, aber dennoch konnte dieTendenz aus dem Simulationsmodell bestätigt werden: das beste Ergebnis liefertedie Optimalregelung während die robusten Regler quasi keinen Einfluss auf dasSchwingungsverhalten haben. Dort zeigte sich aber auch, dass einige Parameter wiehohe Aktorspannungen einen entscheidenden Einfluss auf das Regelergebnis haben.Daraufhin schlossen sich noch einige Parameterstudien am Simulationsmodell an,welche die Einflüsse einzelner Parameter auf das Regelergebnis bei Optimalregelungverdeutlichten und somit eine Grundlage für weitere Studien an real existierendenSystemen bis hin zum industriellen Einsatz der Piezos zur Schwingungsreduktiondarstellen sollen.

Page 5: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5

Abstract

In this dissertation active vibration reduction of unbalance rotating shafts in framesuspension by means of piezoelectric plates was investigated. The motivation forthese researches are vibrations in jet engines caused by excitations due to unbalancedmasses, which are transmitted through the bearings of the turbine shaft to the frameand its suspension and further on subsequent structures. Hence a lot of constructionelements are unneccessarily strained by vibrations though they are mounted far awayfrom the vibration source. This can also be responsible for a lack of comfort of thewhole aircraft itself.

In dependence on the filigree support structure of the intermediate casing a si-mulation model and a test rig with a counterfort frame were build up. On thesecounterforts piezoelectric plates were bonded and via controlled power supply leada defined force into the counterforts so that vibrations in the subsequent framesuspension could be degenerated or at least be reduced thereby.

The simulation model was defined as a parametric FE-model in ANSYS, whosesystem matrices furthermore were imported to MATLAB, transformed and finallyused to define the system in state space. Subsequently, a linear quadratic regulator(LQR) and two robust controllers were developed to reduce vibrations in framesuspension due to a defined unbalance excitation in the first natural frequency ofthe system. The closed loop system was simulated in SIMULINK. The consequentlydesigned controllers are applied to the test rig and results are compared to the resultsof the simulation.

For this comparison the displacement of the frame suspension in horizontal andvertical direction, the displacement of the shaft and actuator voltages were evaluated.The objective was a good qualitative agreement between the results of both simulationand measurement.

In spite of small discrepancies the results of the simulation could also be vali-dated on the test rig: The LQR could reduce vibrations in the frame suspension whilethe robust controllers essentially did not influence the vibration behaviour. Howeverresearches also showed that some parameters such as high actuator voltages have animportant influence on the controller performance.

Hence, some parameter studies followed up the simulation model, which showedsome detailed influences of construction and excitation on the performance of theLQR. These results are a basis for ongoing researches on the utilisation of piezoelectricplates in real existing systems in terms of reduction of vibration.

Page 6: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis III

Tabellenverzeichnis VI

Symbolverzeichnis VII

1 Einleitung 1

2 Grundlagen der aktiven Schwingungsbeeinflussung 42.1 Möglichkeiten zur Schwingungsreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Mechatronische Systeme für die aktive Schwingungsisolation . . . . . . 52.3 Piezoelektrische Aktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Modellbildung 143.1 Aufbau des untersuchten Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.2 Aufbau des Simulationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.3 Systemeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.3.1 Einführendes Beispiel: Unwuchterregter Ein-Massen-Schwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.3.2 Unwuchterregter Mehr-Massen-Schwinger . . . . . . . . . . . . . 233.3.3 Mechatronisches System: Unwuchtiger Mehrscheiben-

rotor und Piezoaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.4 Das Zustandsraummodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4 Regelung 324.1 Grundlagen der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen . . . 334.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum . . . . . . . . . . 38

4.3.1 Struktureigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.3.1.1 Minimalrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.3.1.2 Steuerbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.3.1.3 Beobachtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.3.1.4 Spillover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.3.1.5 Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

4.3.2 Optimaler Regler im Zustandsraum . . . . . . . . . . . . . . . . 454.3.2.1 Beobachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.3.3 Robuste Regelung unsicherer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . 514.3.3.1 Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.3.3.2 Unsicherheiten im Simulationsmodell . . . . . . . . . . 524.3.3.3 Reglersynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Page 7: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Inhaltsverzeichnis II

5 Prüfstand 655.1 Prüfstandskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

5.1.1 Antriebseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.1.2 Rotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.1.3 Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

5.2 Elektronische Hardwarekomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.3 Sensorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715.4 Datenverarbeitende Hardwarekomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . 715.5 Experimentelle Modalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

6 Untersuchungen und Ergebnisse 746.1 Simulationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

6.1.1 Optimale Regelung (LQR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.1.2 Robuste Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

6.1.2.1 H∞-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796.1.2.2 µ-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

6.2 Messergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866.2.1 Optimale Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876.2.2 Robuste Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

6.2.2.1 H∞-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906.2.2.2 µ-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

6.3 Weitere Simulationsstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966.3.1 Erhöhung der Unwuchtkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976.3.2 Stellgrößenbeschränkung an Piezoaktoren . . . . . . . . . . . . . 986.3.3 Variation des Piezowerkstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1006.3.4 Variation der Strebendicke im Gehäuse . . . . . . . . . . . . . . 1026.3.5 Variierende Aktorspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

7 Zusammenfassung und Ausblick 106

Literatur 113

A DK-Iteration 114

B Separationstheorem für den geschlossenen Regelkreis mit Beobachter116

C Herleitung der oberen LFT 118

Page 8: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Abbildungsverzeichnis

2.1 Einteilung der Aktoren, nach [38] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Unterteilung unkonventionelle, neuartige Aktoren, nach [19] . . . . . . 72.3 Elementarzelle (links unbelastet; rechts belastet), nach [29] . . . . . . . 82.4 Auswahl von Piezoaktorbauarten (Bezeichnung von links nach rechts):

Stapel - Streifen (parallel) - Bieger, nach [19] . . . . . . . . . . . . . . . 92.5 Bezeichnung der Achsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.6 Mechanische Dehnung in Abhängigkeit von elektrischer Feldstärke

(Schmetterlingshysterese), nach [22] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.7 Polarisation in Abhängigkeit von elektrischer Feldstärke (Piezoelektri-

sche Hysterese), nach [22] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.1 Skizze des Gesamtsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2 Skizze des Strebengehäuses mit den Piezos (rot) . . . . . . . . . . . . . 153.3 Schematische Modellierung der Lagerung im ANSYS-Modell . . . . . . 173.4 FE-Simulationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.5 Ablauf der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.6 Unwuchterregter Einmassenschwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.7 Abhängigkeit der Eigenwerte vom Dämpfungsgrad bei konstanter Stei-

figkeit k, nach [30];[12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.8 Abhängigkeit der Eigenwerte von der Steifigkeit bei vernachlässigter

Dämpfung, nach [30];[12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.9 Amplituden-Frequenzgang des Simulationsmodells . . . . . . . . . . . . 253.10 Campbelldiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.11 Erste und zweite Biegeeigenform des Rotors . . . . . . . . . . . . . . . 27

4.1 Geschlossener Regelkreis eines mechatronischen Systems mit Unwuch-terregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4.2 Unwuchterregter Ein-Massen-Schwinger mit Kraftaktor . . . . . . . . . 354.3 Übertragungsverhalten von P-, I- und D-Regler, nach [46] . . . . . . . . 354.4 Pol-Nullstellen-Diagramm eines 1-Massen-Schwingers mit und ohne D-

Regler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364.5 Pol-Nullstellen-Diagramm für 1-Massen-Schwinger mit und ohne P-Regler 374.6 Blockschaltbild eines linearen Zustandsraummodells . . . . . . . . . . . 394.7 Ortskurven des offenen Regelkreises [27] . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.8 Allgemeines Blockschaltbild für eine Zustandsrückführung . . . . . . . 464.9 Blockstruktur geschlossener Regelkreis mit Zustandsregler . . . . . . . 464.10 Blockschaltbild des geschlossenen Regelkreises mit Beobachter . . . . . 494.11 Unsicheres Modell als LFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.12 Blockschaltbild der unsicheren Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.13 System mit Unsicherheiten in Aktorik und Eigenkreisfrequenz . . . . . 57

Page 9: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Abbildungsverzeichnis IV

4.14 Wichtungsfunktionen im Regelkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584.15 Allgemeiner Regelkreis mit gewichteter Strecke P . . . . . . . . . . . . 584.16 Verallgemeinerter Regelkreis für Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.17 Störübertragungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614.18 Stellübertragungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624.19 Sensitivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624.20 Komplementäre Sensitivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634.21 Regelkreis zur Analyse der robusten Performance . . . . . . . . . . . . 64

5.1 Antriebseinheit des Prüfstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.2 Gesamtansicht Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.3 Strebengehäuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

6.1 Simulierte Schwingwege an Gehäuseaufhängung mit Optimalregler(Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

6.2 Simulierte Schwingwegamplituden an Gehäuseaufhängung mit Optimal-regler (Frequenzbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

6.3 Simulierte Aktorspannungen der Piezos mit Optimalregler . . . . . . . 786.4 Simulierte Schwingwege am Rotor (Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . 796.5 Simulierte Schwingwege in der Gehäuseaufhängung mit H∞-Regler

(Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.6 Simulierte Schwingwegamplituden in der Gehäuseaufhängung mit H∞-

Regler (Frequenzbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.7 Simulierte Aktorspannungen in den Piezos mit dem H∞-Regler (Zeitbe-

reich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826.8 Simulierte Schwingwege in der Gehäuseaufhängung für drei zufällig ge-

nerierte Unsicherheiten (Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836.9 Simulierter Schwingweg in der Gehäuseaufhängung mit µ-Regler (Zeit-

bereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846.10 Simulierte Schwingwegamplituden in der Gehäuseaufhängung mit µ-

Regler (Frequenzbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 856.11 Simulierte Aktorspannungen an den Piezos mit µ-Regler . . . . . . . . 866.12 Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit Optimalregler . . . 886.13 Gemessene Aktorspannungen am Prüfstand mit Optimalregler . . . . . 896.14 Gemessene Schwingwege am Rotor mit Optimalregler . . . . . . . . . . 906.15 Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit H∞-Regler . . . . 916.16 Gemessene Aktorspannungen bei H∞-Regelung . . . . . . . . . . . . . 926.17 Gemessene Schwingwege am Rotor mit H∞-Regler . . . . . . . . . . . . 936.18 Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit µ-Regler . . . . . . 936.19 Gemessene Aktorspannungen bei µ-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 946.20 Gemessener Schwingweg am Rotor mit µ-Regelung . . . . . . . . . . . 956.21 Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung bei erhöhter Unwucht

mit Optimalregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976.22 Aktorspannungen bei erhöhter Unwucht mit Optimalregelung . . . . . 986.23 Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung bei Stellbeschränkung

mit Optimalregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996.24 Simulierte Aktorspannungen bei Stellbeschränkung mit Optimalregelung 100

Page 10: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Abbildungsverzeichnis V

6.25 Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit PIC151 und Opti-malregelung (Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

6.26 Simulierte Aktorspannungen mit PIC151 und Optimalregler (Zeitbereich)1026.27 Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit 1mm dicken Streben

und Optimalregler (Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1036.28 Simulierte Aktorspannungen mit 1mm dicken Streben und Optimalregler

(Zeitbereich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

7.1 Vergleich Reduktion des Schwingwegs einzelner Paramtervariationen mitOptimalregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

C.1 Unsichere Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Page 11: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Tabellenverzeichnis

2.1 Eigenschaften verschiedener Piezo-Bauformen, nach [19], [34] . . . . . . 102.2 Curie-Temperaturen ausgewählter Piezo-Keramiken [34] . . . . . . . . . 12

3.1 Abmessungen des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.2 Systemeigenfrequenzen in ANSYS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4.1 Hankel-Singulärwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

5.1 Werkstoffeigenschaften von PIC255 und PIC151 (Auswahl) [34] . . . . 705.2 Vergleich numerische und experimentelle Eigenfrequenzen . . . . . . . . 725.3 MAC-Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

6.1 Vergleich Schwingwege in horizontaler Richtung in Gehäuseaufhängung 956.2 Vergleich Schwingwege in vertikaler Richtung in Gehäuseaufhängung . . 956.3 Vergleich Aktorspannungen der Piezos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966.4 Reduktion der simulierten Schwingwege mit Optimal-Regelung bei va-

riabler Aktorspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Page 12: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Symbolverzeichnis

Häufige AbkürzungenEMA Experimentelle ModalanalyseFEM Finite-Element-MethodeMIMO Multiple-Input-Multiple-OutputSISO Single-Input-Single-Output

Lateinische Buchstabenq Beschleunigungq Geschwindigkeitq Wegamplitudeqh Homogene Wegamplitudeqp Partikuläre Wegamplitudey Geschätzte Ausgangsgrößeq Beschleunigungsvektorq Geschwindigkeitsvektorx Geschätzter Zustandsvektory Geschätzter AusgangsvektorD Modale DämpungsmatrixK Modale SteifigkeitsmatrixM Modale Massenmatrixu Erweiterter EingangsvektorA SystemmatrixB EingangsmatrixC AusgangsmatrixD DurchgangsmatrixD DämpfungsmatrixD Matrix der elektrischen VerschiebungsdichteES Störmatrix (Sensorgleichung)E Matrix des ElastizitätsmodulsE Störmatrixe SchätzfehlerfA AktorkraftvektorfU UnwuchtkraftvektorGA Matrix der elektrischen Ladungen AktorGS Matrix der elektrischen Ladungen SensorG Übertragungsmatrix nominelle StreckeG∆ Übertragungsmatrix der unsicheren StreckeI Einheitsmatrix

Page 13: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

VIII

JU Wirkmatrix der UnwuchtkraftKA

φq Elektromechanische Koppelmatrix AktorKS

φq Elektromechanische Koppelmatrix SensorKA

φφ Piezoelektrische Kapazitätsmatrix AktorKS

φφ Piezoelektrische Kapazitätsmatrix SensorKAS

φφ Kreuzkopplungsmatrix Aktor-SensorKSA

φφ Kreuzkopplungsmatrix Sensor-AktorKA

qφ Elektromechanische Koppelmatrix AktorKS

qφ Elektromechanische Koppelmatrix SensorK SteifigkeitsmatrixK Übertragungsmatrix des ReglersL BeobachtermatrixL Übertragungsmatrix offener RegelkreisM MassenmatrixM VorfilterM Übertragungsmatrix geschlossener Regelkreis mit gewichteter StreckeN Übertragungsmatrix nominelles SystemP Gram’sche MatrixP VerstärkungsmatrixP Übertragungsmatrix gewichtete Streckep Piezoelektrische LadungskonstanteQB BeobachtsbarkeitsmatrixQS SteuerbarkeitsmatrixQ Gram’sche BeobachtbarkeitsmatrixQ Kehrwert der MinimalenergieQ Wichtungsmatrix Optimalreglerq VerschiebungsvektorR Wichtungsmatrix Optimalreglerr FührungsgrößeS Mechanische DehnungS Sensitivitäts Elastische NachgiebigkeitT Mechanische SpannungT Umgekehrte SensitivitätuV Wegvektor aus VorfilterU Eingangsmatrixu EingangsvektorWe Wichtungsmatrix RegelabweichungWr Wichtungsmatrix FührungsgrößeWu Wichtungsmatrix StellgrößeWdi

Wichtungsmatrix eingangsseitige StörungW Matrix der Führungsgrößenx ZustandsvektorY Ausgangsmatrixy Ausgangsvektorz Störgrößenvektorap Montageabstand Piezo

Page 14: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

IX

ax Verstärkungsfaktoren Ausgangsgrößeba Breite des Außenringsbi Breite des Innenringsbp Breite der Piezoplättchenbs Breite der Strebenbx Verstärkungsfaktoren Eingangsgrößec Elastische SteifigkeitskonstanteD DämpfungsgradD Elektrische Verschiebungsdichted DämpfungskoeffizientDa Außendurchmesser des AußenringsDi Außendurchmesser des Innenringsdw Wellendurchmesserd33, d31 Piezoelektrische Ladungskonstantedsg Durchmesser der großen Scheibedsk Durchmesser der kleinen ScheibeE Elektrische Feldstärkee Euler’sche Zahle Piezoelektrische Konstantee RegelabweichungF KraftfA AktorkraftFU Unwuchtkraft (laplacetransformiert)fU UnwuchtkraftfUx Komponente Unwuchtkraft in x-RichtungfUy Komponente Unwuchtkraft in y-RichtungG Übertragungsfunktiong Verstärkungsfaktorh HöheHωH ,nH

Hochpassfilter der Ordnung nH mit Eckfrequenz ωH

hga Länge der Aufhängunghi HankelsingulärwertI Integralkriteriumi Komplexe Zahlj Imaginäre Zahlk SteifigkeitKD Verstärkungsfaktor D-AnteilKI Verstärkungsfaktor I-AnteilKP Verstärkungsfaktor P-Anteillp Länge des Piezoplättchenslw Länge der Wellem Massen MessrauschenP Polarisationp Modaler Wegpi PolstelleQ Laplacetransformierter Weg

Page 15: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

X

q Wegqh Homogene Lösung (Weg)qp Partikuläre Lösung (Weg)S Mechanische Dehnungs Elastische Nachgiebigkeitskonstantes LaplacevariableT Mechanische Spannungt Zeitta Tiefe des AußenringsTC Curie-Temperaturti Tiefe des Innenringstp Tiefe der Piezoplättchents Tiefe der Strebentga Tiefe der GehäuseaufhängungU Elektrische Spannungw FührungsgrößeXa Ausgangsgröße ÜbertragungsfunktionXe Eingangsgröße Übertragungsfunktiony Messgröße

Griechische Buchstabenα Realteil des Eigenwertsβ Phasenversatzγ Unendlich-Norm der Übertragungsmatrix des geschlossenen Regelkrei-

ses mit gewichteter Streckeλ Eigenwert∆ UnsicherheitsmatrixφA Elektrisches Potenzial AktorφS Elektrisches Potenzial SensorΦ Modalmatrixµ Beobachterkorrekturµ Strukturierter Singulärwertν Parametrische UnsicherheitΩ Drehfrequenzω Gedämpfte Eigenkreisfrequenzω0 Ungedämpfte Eigenkreisfrequenzω0,1x Ungedämpfte 1. Eigenkreisfrequenz in x-Richtungω0,1y Ungedämpfte 1. Eigenkreisfrequenz in y-Richtungφ Elektrisches Potentialσ Mechanische Spannungω0,k Nominelle, ungedämpfte k-te Eigenkreisfrequenzωk Unsichere, ungedämpfte k-te Eigenkreisfrequenzε Dielektrizitätskonstanteε Exzentrizitätε Mechanische Dehnungεr Relative Permittivitätszahlξ Modaler Dämpfungsgrad

Page 16: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike
Page 17: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

1 Einleitung

Im Betrieb auftretende Schwingungen in Maschinensystemen sind häufig unerwünschteErscheinungen, welche zum einen die Funktionsweise des Systems beeinträchtigen undzum anderen schwerwiegende Folgen haben können, wenn sie zum Bauteilversagenaufgrund einer Überbeanspruchung des Materials führen. Darüber hinaus werdenSchwingungen von Maschinen oftmals auch von Menschen als unangenehm wahrge-nommen, wenn diese direkt auf ihn übertragen oder als Lärm abgestrahlt werden.Aus diesem Grund werden Maßnahmen zur Vermeidung der Entstehung und Weiter-leitung der vorherrschenden Schwingungen oder zur Verminderung der entstandenenSchwingungen bzw. deren Übertragung in Maschinensystemen getroffen.

Speziell in Flugzeugtriebweken führen äußere Störungen, wie z.B. Vogelschlagoder auch innere Störungen, wie Unwuchten in der Turbinenwelle zu Schwingungeninnerhalb des Triebwerks, die durch filigrane Stützstrukturen (Intermediate Casing)bis in den Flugzeugrumpf übertragen werden können und dort als störend empfundenwerden. Zur Dämpfung unwuchterregter Schwingungen werden Quetschöldämpferoder Elastomerdämpfer an den Lagern vorgesehen, die jedoch als sogenannte passiveDämpfungssysteme die Eigenschaft haben, nur für eine bestimmte Betriebsfrequenzoptimal ausgelegt zu sein. Da aber während des Flugbetriebs ein ausgedehnterDrehzahlbereich durchfahren wird und auch unvorhergesehene Störungen zu einerAnregung des Rotors in einer Eigenfrequenz führen können, für die der passiveDämpfer dann möglicherweise weniger gut wirksam ist, wird zunehmend die Forderungnach aktiven Systemen zur Schwingungsminderung gestellt. Diese bestehen aus einemSensor, welcher den aktuellen Systemzustand misst und aus diesem über eine Regelungin Echtzeit ein Stellsignal für einen Aktor ermittelt, der durch sein Eingreifen in dasSystem die Schwingung reduziert. Der ständige Abgleich zwischen Soll- und Istzustandermöglicht somit eine Verringerung der auftretenden Schwingungen über einen weitenFrequenzbereich.

Die vorliegende Arbeit soll klären, ob mithilfe von auf die Stützstruktur desGehäuses aufgeklebten Piezoplättchen eine aktive Schwingungsisolation der dahinterfolgenden Gehäuseaufhängung von den durch eine Unwucht im Rotor induzierten undins Gehäuse weitergeleiteten Schwingungen möglich ist. Ziel des Stelleingriffs dieser Ak-toren ist nicht die komplette Reduktion der Schwingungen in der Gehäuseaufhängung,sondern lediglich deren Abschwächung, so dass vorgegebene Grenzwerte eingehaltenwerden. Das untersuchte System weist dabei zunächst nur eine grobe Ähnlichkeit mittatsächlich existierenden Triebwerken auf. Auch die Betriebsbedingungen während desVersuchs entsprechen noch nicht denen im realen Triebwerk während des Flugbetriebs.Stattdessen soll den Untersuchungen zur Regelung eine Parameterstudie folgen, welcheden Einfluss einzelner Systemeigenschaften auf das Regelergebnis näher bestimmt.

Page 18: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

1 Einleitung 2

Somit soll eine Grundlage geschaffen werden für nachfolgende Forschungsarbeitenan einem realen Flugzeugtriebwerk mit entsprechenden Größenverhältnissen undRandbedingungen.

Die Forschungsarbeit mit piezoelektrischen Aktoren begann spätestens 1991, alsPalazzolo die Lagerung eines Rotors zusätzlich aktiv mit Piezoaktoren unterstützte[31],[32],[33]. Seitdem sind die Untersuchungen rund um Smart Structures geradezuexplodiert, so dass es mittlerweile unmöglich geworden ist, auf alle einzugehen oderauch nur eine Übersicht über alle möglichen Anwendungsbeispiele und -formen zugeben. Da der Hintergrund dieser Arbeit auf der aktiven Schwingungsisolation vonLeichtbaustrukturen in Flugzeugtriebwerken liegt, soll an dieser Stelle somit lediglichein Abriss über mögliche Einsatzbereiche von Piezoaktoren zur Schwingungsminderungin Flugzeugtriebwerken gegeben werden.Um speziell unwuchterregte Schwingungen im Triebwerk mithilfe von piezoelektrischenAktoren zu reduzieren, werden v.a. zwei Konzepte angewendet: 1. die Verwendung vonStapelaktoren zur (Gegen-)Krafteinleitung an der Lagerstelle, welches u.a. ausführlichin [25], [21], [42] und [3] untersucht wurde. Die zweite Möglichkeit besteht in derFormkontrolle mithilfe von flächigen Piezoaktoren, welche speziell am Rotor u.a. vonHans-Georg Horst [17] untersucht wurde. Beide Anwendungsmöglichkeiten führtenbereits zu erfolgreichen Resultaten. Die Verwendung von flächigen Piezoaktoren wirdspeziell in der Luftfahrttechnik auch für die Beeinflussung der Flügelkontur bei Flug-zeugen [15] oder die Schadensdiagnose z.B. im Flugzeugrumpf [20] verwendet. DiesePiezoaktoren werden zudem für die aktive Schwingungsisolation verwendet, welchezunehmend erforscht wird, z.B. [9]. Das DLR stellt in [6] aber auch eine Methode deraktiven Schwingungsisolation von Turboprop-Antrieben im Rumpfinnenraum einesAirbus mithilfe von in Leichtbaustreben integrierten Piezo-Stapelaktoren vor.

Grundsätzlich unterscheidet sich die aktive Schwingungsisolation von der Schwin-gungsdämpfung in dem zu beruhigenden Bauteil und damit verbunden in derMessstelle der Sensoren: während bei der aktiven Dämpfung das Messsignal an derWirkstelle des Aktors ermittelt wird, befindet sich bei der Isolation der Sensor ander zu entkoppelnden Komponente, während der Aktor an einer davor befindlichenschwingenden Komponente angebracht ist und dort eingreift. Somit ist das Prinzip derKollokation - also die Ermittlung des Messsignals für den Regelkreis an der Stelle, anwelcher der Aktor wirkt - bei der Isolation nicht gegeben und es kann dadurch leichtzu Instabilitäten kommen. Die in der vorliegenden Arbeit angestrebte Isolation derins Gehäuse eines unwuchterregten Rotors weitergeleiteten Schwingungen wurde inder Form bisher noch nicht erforscht. Während in den anderen aufgeführten Arbeitenzur Schwingungsreduktion in Rotorsystemen die Schwingungen des Rotors selbstverringert werden sollten, sind im Rahmen dieser Arbeit Rotorschwingungen durchauszulässig, jedoch sollten sie nicht so groß werden, dass dadurch Anstreifvorgängeauftreten oder der Rotor und angrenzende Bauteile versagen.

Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen gegliedert:

Zunächst wird in Kapitel 2 auf die notwendigen Grundlagen für die Forschungsarbeiteingegangen. Dazu wird eine Übersicht über mögliche Maßnahmen zur Verringerung

Page 19: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

1 Einleitung 3

von Schwingungen gegeben und desweiteren im speziellen auf die Anwendung vonpiezoelektrischen Bauteilen zur Schwingungsreduktion eingegangen.

In Kapitel 3 wird auf das untersuchte mechanische System und die verwende-ten Simulationsmodelle sowie die notwendigen Gleichungen zur Beschreibung desSystemverhaltens eingegangen.

Im Anschluss daran werden in Kapitel 4 die Grundlagen für die Entwicklungeiner geeigneten Regelung zunächst an einem einführenden Beispiel und anschließendspeziell für das untersuchte System erörtert.

Im Kapitel 5 wird schließlich der Aufbau und die Auslegung des verwendetenPrüfstands zur Validierung der Simulationsergebnisse beschrieben.

Die Ergebnisse der Simulation und des Prüfstands werden im Kapitel 6 auf-geführt und ausgewertet. Auf spezielle Varianten des Systemaufbaus und dessenBedeutung wird ebenfalls im Rahmen einer Parameterstudie eingegangen.

Abschließend wird im Kapitel 7 eine Zusammenfassung der Untersuchungensowie ein Ausblick auf weitere mögliche Forschungsarbeiten gegeben.

Page 20: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2 Grundlagen der aktivenSchwingungsbeeinflussung

In diesem Kapitel soll zunächst beschrieben werden, wie unerwünschte Schwingungenreduziert werden können. Dabei soll auch der Unterschied zwischen aktiven und passivenMaßnahmen verdeutlicht werden. Anschließend erfolgt eine kurze Übersicht zu Aktorengenerell. Anhand der Eigenschaften von piezoelektrischen Werkstoffen und Bauteilensoll dann verdeutlicht werden, wie diese für die aktive Schwingungsreduktion eingesetztwerden können.

2.1 Möglichkeiten zur Schwingungsreduktion

Schwingungen von Maschinen können sowohl ein erwünschtes, als auch ein un-erwünschtes Verhalten darstellen; abhängig davon ob die Schwingung selbst zurFunktionserfüllung der Maschine beiträgt oder eher eine unerwünschte Nebenerschei-nung darstellt. Sollen fremderregte Schwingungen eines Bauteils verringert werden, sokann man entweder der Ursache der Schwingung oder der Reaktion des schwingendenBauteils auf die äußere Anregung entgegen wirken. Bei der zuletzt genannten Maß-nahme handelt es sich dabei immer um Änderungen an dem Schwingungssystem selbst.

In [4] wird die Eliminierung oder Verringerung der Erregerkraft als „primäre“Maßnahme bezeichnet, welche bei einer Schwingungsreduktion immer zuerst durchzu-führen ist und somit höchste Priorität hat. Eine mögliche Maßnahme zur Verringerungder äußeren Kraft stellt z.B. das Auswuchten von unwuchtigen Rotoren oder derAusgleich von Massenkräften im Kurbeltrieb dar.

Als „sekundäre“ Maßnahme gilt nach [4] das Anbringen von Tilgern und Dämp-fern, wodurch Schwingwege oder -kräfte verringert werden können. Diese Maßnahmensollten erst dann in Betracht gezogen werden, wenn die primären Maßnahmen nichtdurchgeführt werden können oder nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Dieschwingungsmindernde Wirkung sekundärer Maßnahmen beruhen auf:

· Verstimmen des Systems durch Änderung der Systemeigenschaften

· Umwandlung der Schwingungsenergie in Wärmeenergie (Dissipation) mithilfe vonDämpfern und

· Anbringen von zusätzlichen schwingungsfähigen Massen, damit die Schwingungs-amplituden bei bestimmten Frequenzen minimal werden

Page 21: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.2 Mechatronische Systeme für die aktive Schwingungsisolation 5

Einen Sonderfall der Schwingungsbeeinflussung stellt die sogenannte „Schwingungsiso-lation“ dar, bei der die Schwingungsübertragung von den schwingenden Bauteilen aufmit diesen verbundenen Strukturen durch geeignete Maßnahmen verhindert werdensoll. Wird das zu isolierende Bauteil so elastisch mit dem schwingenden Bauteil ver-bunden, dass es selbst keine Erregung erfährt, so spricht man auch von „Entkopplung“.Die Entkopplung von Systemen bezeichnet die Schwingungsisolation im klassischenSinne. Wird dagegen gezielt eine Massenkraft in die schwingende Struktur eingeleitet,welche der Erregerkraft entgegenwirkt, so spricht man von „Massenkraftkompensation“[4]. Diese Maßnahme entspricht nach oben genannter Definition einer „primären“ Maß-nahme. Wird die Gegenkraft jedoch nicht direkt am Ort der Erregerkraft eingeleitet,so kann man auch hier von Schwingungsisolation sprechen, wenn das Ziel nicht derAusgleich der Erregerkraft selbst ist, sondern die Beruhigung nachfolgender Bauteile.Die Schwingungsisolation spielt insbesondere bei der Fundamentierung von dynamischerregten Maschinen eine große Rolle. Wird das Fundament durch eine von einer dy-namisch belasteten Maschine übertragene Kraft zum Schwingen angeregt, kann durchEinleiten einer Gegenkraft eine Schwingungsisolation bewirkt werden. Diese Art derSchwingungsisolation wird in der Mechanik auch als „aktive“ Schwingungsisolation oder„Quellenisolation“ genannt. Als „passive Schwingungsisolation“ oder „Empfängerisolati-on“ bezeichnet man die Isolation einer Maschine von äußeren Schwingungsanregungen,wie z.B. Wegerregungen durch das Fundament, welche durch entsprechende Maßnah-men zu verringern sind [14].Eine andere Art der Unterscheidung von Schwingungsisolationtypen wie bisher be-schrieben wird dagegen in der Regelungstechnik vorgenommen: die Bezeichnung „aktiveSchwingungsisolation“ wird hier verwendet, wenn eine Kraft durch einen Aktor auf dasSchwingungssystem übertragen wird. Das entsprechende Stellsignal wird dabei mithil-fe eines Prozessors generiert, der ein Sensorsignal der Schwingunsstruktur als Eingangerhält. Als „passive Schwingungsisolation“ werden dann dementsprechend Maßnahmenbezeichnet, die ohne Regelung wirken.

2.2 Mechatronische Systeme für die aktiveSchwingungsisolation

Man bezeichnet also die Wirkungsweise einer Vorrichtung in der Mechatronik immerdann als „aktiv“, wenn das Verhalten der Vorrichtung durch Sensoren gemessen wird,in einem Regelkreis ein Abgleich zwischen Soll- und Istwert erfolgt und aufgrunddessen durch ein Eingreifen von außen durch einen Aktor die Systemeigenschaftenso verändert werden, dass der Sollwert (wieder) erreicht wird [4]. So verändert einElastomerdämpfer z.B. seine Eigenschaften in Abhängigkeit von der Temperatur oderDrehzahl [40], aber die Änderung kann nicht beliebig von außen hervorgerufen werden,sondern sie stellt sich aufgrund der Beanspruchung des Werkstoffs von selbst ein undkann auch zu einer Verschlechterung des Dämpfungsverhaltens führen.In einem anderen Beispiel ist ein Quetschöldämpfer in seiner Wirkungsweise abhängigvon der Viskosität des Öls sowie vom Öldruck [12]. Diese Parameter verursachen dieentsprechenden Steifigkeits- und Dämpfungseigenschaften des Dämpfers und somitauch seine schwingungsdämpfende Wirkung. Man kann die Dämpfungseigenschaf-

Page 22: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.2 Mechatronische Systeme für die aktive Schwingungsisolation 6

ten auch beeinflussen, indem man den z.B. den Öldruck durch die Variation derSpaltdicke ändert. Werden neue Dämpfungseigenschaften erforderlich, weil sich z.B.durch Alterung und Verschleiß die Eigenschaften des Systems ändern oder erfolgtder Betrieb in einem breiten Frequenzbereich, so wird der Quetschöldämpfer seineEigenschaften nicht von selbst ändern denn wegen einer fehlenden Sensorik wird dieseneue Betriebssituation nicht erfasst und die neuen benötigten Systemeigenschaftenkönnen sich aufgrund einer fehlenden Aktorik nicht einstellen.Einen Zwitter von aktiven und passiven Systemen bilden sogenannte „semi-aktive“Systeme, bei denen passive Systeme in ihrer Wirkungsweise aktiv unterstützt werden.Hierzu liegen z.B. Untersuchungen von El-Shafei [8] vor. Er untersuchte die Beeinflus-sung des Öldrucks im Quetschöldämpfer mithilfe einer Aktorik, welche die Positioneines speziellen Dichtrings in der Lagerung regeln kann.Es gibt aber auch aktive Lager, wie z.B. Magnetlager, welche über eine Regelung ihreSteifigkeits- und Dämpfungseigenschaften ändern können [49],[16],[12]. Sie ermöglichensomit eine stets optimale, schwingungsreduzierende und stabilisierende Wirkung.Aktive Systeme dienen jedoch nicht nur der schwingungsreduzierenden Beeinflussungvon Maschinensystemen, sondern sie können auch anderweitige Aufgaben übernehmen,wie z.B. die Überwachung von Maschinen.

Der Begriff „Aktor“ stammt aus dem Englischen und bedeutet ursprünglich „Antrieb“,aber er beschreibt mittlerweile alle Elemente, die Kräfte, Momente oder Bewegungenausgeben [38]. Ein Aktor besteht immer aus einem Energiesteller, der dem AktorHilfsenergie zuführt und aus einem Energiewandler, der entsprechend dem Wirkprinzipdes Aktors die vom Energiesteller zur Verfügung gestellte Energieform in die vomAktor abgegebene Energieform umwandelt. Eine Übersicht über mögliche Energie-wandlungsprinzipien bei Aktoren mit einigen Anwendungsbeispielen gibt Abbildung2.1 wieder.

Abbildung 2.1: Einteilung der Aktoren, nach [38]

Page 23: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 7

Demnach beruhen bei klassischen Aktoren die Wirkprinzipien v.a. auf der Wandlungvon elektrischer, thermischer, chemischer oder Strömungsenergie. Die in dieser Arbeitverwendeten piezoelektrischen Aktoren sind hierbei noch nicht vertreten. Diese Artder Aktoren zählt zu den sogenannten „neuartigen“ Aktoren, welche erst in den letztenJahren ausgiebiger untersucht wurden. Sie werden v.a. im Bereich kleiner Leistungeneingesetzt und erzeugen in erster Linie lineare Bewegungen [38]. Roddeck [38] zähltzu diesen Aktoren auch die piezoelektrischen Aktoren. Isermann [19] nimmt eine da-von abweichende Unterteilung der Aktortypen vor und zählt die Piezo-Aktoren zu den„unkonventionellen“ Aktoren, welche auf speziellen Werkstoffeigenschaften und Ferti-gungstechnologien beruhen und zusätzlich auch rotatorische Bewegungen und Kräfteerzeugen. Er zählt zu den unkonventionellen Aktoren auch jene, die in [38] zu denklassischen Aktoren gezählt wurden unter Wandlung der chemischen Energie und ther-mischen Energie. Dies zeigt bereits deutlich, was für eine Vielzahl an Einteilungsmög-lichkeiten es für Aktoren gibt. Neben piezoelektrischen Aktoren nutzen auch magne-tostriktive und elektroviskose Aktoren Molekularkräfte und als Hilfsenergie elektrischeEnergie für die Erzeugung von Stellkräften, siehe Abb.2.2 zu den unkonventionellen,neuartigen Aktoren [19]:

Abbildung 2.2: Unterteilung unkonventionelle, neuartige Aktoren, nach [19]

Auf die Eigenschaften und Auslegung der piezoelektrischen Aktoren wird nun nähereingegangen.

2.3 Piezoelektrische Aktoren

Der piezoelektrische Effekt wurde erstmals 1880 von den Brüdern Curie beobachtet.Ihnen fiel auf, dass bei einer äußeren Krafteinwirkung und damit einhergehender Ver-formung kristalliner Stoffe an diesen eine elektrische Spannung gemessen werden konn-te. Einige Zeit später wurde auch der inverse piezoelektrische Effekt nachgewiesen: legtman an einen Körper aus piezoelektrischem Material eine elektrische Spannung an, soverformt er sich. Die Ursache für dieses Materialverhalten liegt in den Eigenschaftender Elementarzellen des Kristallgefüges. So besitzen diese kein Symmetriezentrum undnur eine geringe elektrische Leitfähigkeit [38]. Bei einer Deformation der Elementarzel-le verschieben sich die positiven und negativen Ladungsschwerpunkte Q+ und Q− - in

Page 24: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 8

Abb. 2.3 sind diese durch ein Kreuz (x) gekennzeichnet - und es bilden sich Dipole aus.Auch benachbarte Elementarzellen orientieren sich in der gleichen Richtung und bildensogenannte Domänen aus. An der Oberfläche des Piezos sammeln sich Ladungen, dieals elektrische Spannung abgegriffen werden können (siehe Abb. 2.3).

Abbildung 2.3: Elementarzelle (links unbelastet; rechts belastet), nach [29]

Während der direkte piezoelektrische Effekt für Sensoren genutzt werden kann, wirdder inverse piezoelektrische Effekt bei Aktoren genutzt.

Da in natürlichen Kristallen, wie z.B. Quarz, Turmalin oder Seignette-Salz derpiezoelektrische Effekt nur geringfügig in Erscheinung tritt wurden mittlerweilepolykristalline ferroelektrische Keramiken wie z.B. Barium-Titanat (BaTi03) oderBlei-Zirkonat-Titanat für die technische Anwendung des Piezoeffekts entwickelt.Es gibt zahlreiche Bauarten von Piezokeramiken welche sich zum einen in der Höheder Betriebsspannung voneinander unterscheiden; zum anderen kann man aber aucheine Unterteilung nach der Bauform vornehmen [29]. Bei der zuerst genanntenKlassifizierung können sogenannten Hochvolt- und Niedervoltaktoren unterschiedenwerden. Hochvoltaktoren werden mit einer Betriebsspannung bis zu 1500V betriebenund liefern hohe Kräfte bei guter Dynamik. Die Keramikschichtdicken liegen bei0, 5...1mm. Dagegen haben Niedervoltaktoren üblicherweise eine Keramikschichtdickevon ca. 100µm; werden dann jedoch übereinander gestapelt und zu mehreren mmhohen Blöcken gesintert. Zu diesem Typ von Piezoaktoren gehören auch Multilayer-Aktoren. Die Betriebsspannung liegt hierbei unter 150V [29].

Mittlerweile sind im Handel zahlreiche Bauformen von Piezoaktoren erhältlichund es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, auf alle näher einzuge-hen. Daher sollen an dieser Stelle lediglich auf die für die aktive Schwingungsdämpfungoder -isolation am häufigsten verwendeten Bauteile eingegangen werden:

· Stapelaktoren (Translatoren)

· Streifenaktoren (Laminaraktoren)

· Biegeaktoren

Page 25: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 9

Abbildung 2.4: Auswahl von Piezoaktorbauarten (Bezeichnung von links nach rechts):Stapel - Streifen (parallel) - Bieger, nach [19]

Bei Stapelaktoren handelt sich um Keramikscheiben, welche elektrisch parallel undmechanisch in Reihe geschaltet werden, wodurch an allen Scheiben die selbe elektrischeSpannung U anliegt und sie von allen Bauformen die höchste Steifigkeit aufweisen. Sieermöglichen eine Translationsbewegung in Wirkrichtung der angelegten Aktorspannung(in „3-Richtung“). Durch die mechanische Reihenschaltung addieren sich die Hübe dern einzelnen Keramikscheiben und es ergibt sich für den Gesamthub ∆h eines Stapel-aktors:

∆h = d33 · n · U3 (2.1)

Der Faktor d33 beschreibt hierbei die piezoelektrische Ladungskonstante - einem Werk-stoffkennwert, der die erzeugte Dehnung pro Einheit angelegtem elektrischen Feld an-gibt. Stapelaktoren sind am weitesten verbreitet und können von allen Aktorbauartendie größten Kräfte erzeugen: die Angaben reichen bei Druckkräften bis zu −100kN[38],[34]und Stellwege bis zu 500µm [34], welche mit ihnen realisiert werden können.Die sogenannten Streifenaktoren arbeiten mit dem 31-Effekt, welcher die Querkontrak-tion beschreibt. Hierbei hängt der maximale Stellweg von der Länge l1 des Aktors in die„1-Richtung“ (Wirkrichtung) ab, weshalb wesentlich größere Stellwege erreicht werdenbei geringerer elektrischer Spannung [35]:

∆l = d31 · U3 ·l1t3

(2.2)

Die Größe t3 beschreibt die Dicke einer Keramiklage. Die hierbei erzeugten Kräfte sindjedoch wesentlich geringer als bei Aktoren in Stapelbauweise. Dieser Effekt wird auchbei einlaminierten Streifen, bei Platten und dünnwandigen Rohren genutzt. Bei Biege-wandlern befindet sich der piezoelektrische Keramikstreifen auf einem Metallstreifen.Wird der Piezo elektrisch angesteuert, dann kontrahiert oder expandiert dieser,während sich der Metallstreifen durch die Übertragung dieser Bewegung verbiegt [35].Auch hier können Stellwege bis in den Millimeterbereich erzeugt werden, aber nurgeringe Kräfte [29].

Eine Übersicht über die mit ausgewählten Bauformen erreichbaren Wege, Stell-kräfte und Stellspannungen zeigt nachfolgende Tabelle mit Angaben eines Herstellers:

Page 26: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 10

Bauform Stapel längsförmig biegeförmig(seriell) (parallel)

Weg [µm] . . . + 500 . . . + 50 . . . + 1000Stellkraft [N ] −100.000 . . . + 3500 . . . + 775 . . .± 2

Stellspannung [V ] . . . + 775 −250 . . . + 1000 ±30 (0 . . . + 60)

Tabelle 2.1: Eigenschaften verschiedener Piezo-Bauformen, nach [19], [34]

Das lineare piezoelektrische Materialverhalten wird durch in der IEEE-Standardnorm[18] definierte Gleichungen beschrieben. Die in dieser Arbeit benötigte Aktorgleichungfür Piezoaktoren lautet:

S11

S22

S33

2S23

2S13

2S12

︸ ︷︷ ︸S

=

s11 s12 s13 0 0 0s12 s22 s23 0 0 0s13 s23 s33 0 0 00 0 0 s44 0 00 0 0 0 s55 00 0 0 0 0 s66

︸ ︷︷ ︸

sE

T11

T22

T33

T23

T13

T12

︸ ︷︷ ︸T

+

0 0 d31

0 0 d32

0 0 d33

0 d24 0d15 0 00 0 0

︸ ︷︷ ︸

d’

E1

E2

E3

︸ ︷︷ ︸E

(2.3)

Hierbei bedeutet d′ = dT , also die Transponierte der Matrix d - welches jedoch nichtzu Verwechseln ist mit d bei konstanter Spannung T (äquivalent zur nachfolgendenGleichung z.B. εT). Die Sensorgleichung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht benötigt,aber dennoch der Vollständigkeit halber nachfolgend angegeben:

D1

D2

D3

︸ ︷︷ ︸D

=

0 0 0 0 d15 00 0 0 d24 0 0

d31 d32 d33 0 0 0

︸ ︷︷ ︸

d

T11

T22

T33

T23

T13

T12

︸ ︷︷ ︸T

+

ε11 0 00 ε22 00 0 ε33

︸ ︷︷ ︸

εT

E1

E2

E3

︸ ︷︷ ︸E

(2.4)

In beiden Gleichungen sind die elektrische Feldstärke E und die mechanische Span-nung T die unabhängigen Variablen. Weiterhin beschreiben s die elastische Nachgie-bigkeit, D die elektrische Verschiebungsdichte, d die bereits beschriebene piezoelektri-sche Ladungskonstante und ε die Permittivität. Bei den verwendeten Formelzeichenmuss berücksichtigt werden, dass anstelle des häufig verwendeten σ für die mechani-sche Spannung in der Norm das Formelzeichen T verwendet wird. Die mechanischeDehnung wird nun mit S anstelle von ε beschrieben. Ein hochgestellter Index deutetan, dass die Größe im Index konstant ist. Für die tief gestellten Indizes gilt: der ersteEintrag im Index in den Formelzeichen kennzeichnet stets die Anregungsrichtung undder zweite Eintrag im Index die Wirkrichtung [5]. Entsprechend der DIN 50324-1 sinddiese Richtungen folgendermaßen definiert:

Page 27: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 11

Abbildung 2.5: Bezeichnung der Achsen

Eine Scherdeformation um eine der drei Achsen wird entsprechend der Abb.2.5 mitdem Index 4 (oder 23 bzw. 32) , 5 (oder 31 bzw. 13) oder 6 (oder 12 bzw. 21) versehen.Die Orientierung der Polungsachse bestimmt die Richtung der Auslenkung oder dermechanischen Deformation.

Die Gleichungen (2.3) und (2.4) beschreiben das lineare Verhalten piezoelektrischerWerkstoffe. Dieses liegt im sogenannten Kleinsignalbereich bei kleinen Spannungs-amplituden (Feldstärken < ±20V/mm) vor. Im Großsignalbereich (ab Feldstärken> ±500V/mm) kann neben der Ausdehnung in Feldrichtung auch eine Kontraktionquer dazu auftreten und das piezoelektrische Material verhält sich nichtlinear. Dasnichtlineare Verhalten ist sehr gut in der sogenannten Schmetterlingskurve sichtbar:

Abbildung 2.6: Mechanische Dehnung in Abhängigkeit von elektrischer Feldstärke(Schmetterlingshysterese), nach [22]

Page 28: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 12

In dieser Kurve ist die relative Dehnung S des Piezos in Abhängigkeit der elektrischenFeldstärke E abgetragen. Charakteristisch ist hierbei, dass bei einer bestimmten elek-trischen Feldstärke, welche nicht überschritten werden darf, eine maximale DehnungSmax erreicht wird. In diesem Zustand sind alle Domänen im Piezo in Richtung desäußeren Feldes ausgerichtet [44],[34]. Bei Umkehrung der elektrischen Feldstärke bleibteine Sättigungsdehnung Ssat des Piezos vorhanden, sobald die elektrische Feldstärkeverschwindet. Der Bereich der weiterhin abnehmenden Dehnung bei entgegengesetztangelegtem elektrischen Feld ist gekennzeichnet durch die sogenannte Koerzitivfeld-stärke Ec, bei welcher die Polarisation P verschwindet (siehe Abb.2.6).Nichtlinearität äußert sich auch in der ferroelektrischen (piezoelektrischen) Hysterese:

Abbildung 2.7: Polarisation in Abhängigkeit von elektrischer Feldstärke (Piezoelektri-sche Hysterese), nach [22]

In dieser Hysteresekurve ist die Polarisation P über der elektrischen Feldstärke Eabgetragen. Am Schnittpunkt der Hysteresekurve mit der Achse der elektrischenFeldstärke lässt sich die Koerzitivfeldstärke Ec ablesen. Die SättigungspolarisationPsat lässt bei der elektrischen Feldstärke von 0kV/mm ablesen.

Wird die zulässige elektrische Feldstärke von E = 2kV/mm überschritten, kannes zur Depolarisation kommen und der piezoelektrische Effekt verschwindet. Dieskann auch dann geschehen, wenn eine charakteristische Temperatur, die sogenannte„Curie-Temperatur“ überschritten wird, weil dann keine Dipole mehr vorhandensind [34]. In nachfolgender Tabelle sind für einige ausgewählte Piezokeramiken einesHerstellers die Curie-Temperatur TC angegeben:

Typ PIC. . . 151 255 155 153 152 181 141 241 300 110TC [C] 250 350 345 185 340 330 295 270 370 150

Tabelle 2.2: Curie-Temperaturen ausgewählter Piezo-Keramiken [34]

Page 29: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

2.3 Piezoelektrische Aktoren 13

Weiterhin muss beachtet werden, dass es sich bei den industriell gefertigten Kerami-ken um spröde Werkstoffe handelt, welche zwar Druckkräfte bis 50MPa ertragen,jedoch nur 5 . . . 10% der maximalen Druckkraft als Zugbelastung [34]. Daher müssenpiezeolektrische Bauteile oftmals vorgespannt werden, wenn höhere Zugkräfte wirken.Desweiteren sind piezoelektrische Keramiken empfindlich gegen Scherkräfte, so dassdiese vermieden [34] oder durch Kugelkopfstücke oder Parallelführungen der Einspan-nung entkoppelt werden müssen [29].

Bezüglich des Frequenzbereichs, in welchem Piezoaktoren eingesetzt werden kön-nen, kann keine konkrete Angabe gemacht werden. Ein Piezo-Hersteller [34] gibtdazu an, dass der Piezoaktor seine nominelle Auslenkung bei ca 1/3 der Periodeder Resonanzfrequenz erreicht. Die Resonanzfrequenz ist jedoch bei jedem Aktorunterschiedlich entsprechend seiner Masse und Steifigkeit. Grundsätzlich sind jedochPiezoaktoren für einen Betrieb bis in den hochfrequenten Bereich geeignet [34]. EineMindestfrequenz von 1-2Hz muss laut Herstellerangaben im dynamischen Betriebgewährleistet sein, damit dass es nicht zur dauerhaften Entladung kommt.

Insbesondere die vielfältigen Bauformen und die damit gekoppelten Möglich-keiten zur Stellgrößenerzeugung machen Piezoaktoren interessant für die aktiveSchwingungsisolation von Gehäusen und Stützstrukturen. Somit ist sicher gestellt,dass Piezos in die unterschiedlichsten Konstruktionsausführungen integriert werdenkönnen. Die Versorgung der Piezoaktoren mit elektrischer Leistung ist zwar aufwendig,aber vergleichsweise mit der Leistungsversorgung anderer Aktorarten relativ gut zurealisieren. Dennoch müssen auch die in diesem Kapitel genannten Randbedingungenfür den Betrieb der Piezoaktoren berücksichtigt werden, damit keine Depolarisationauftritt.

Page 30: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3 Modellbildung

Zunächst wird das zu untersuchende System beschrieben. Im Anschluss daran erfolgteine Erläuterung zur Vorgehensweise beim Aufbau des Simulationsmodells und die Her-leitung der dafür notwendigen Gleichungen. Zum besseren Verständnis wird dabei zu-nächst auf das einfache System des Ein-Massen-Schwingers zurückgegriffen und dieGleichungen anschließend entsprechend dem untersuchten System Schritt für Schritterweitert. Eine wichtige Rolle spielen dabei notwendige Reduktionsverfahren, auf dieebenfalls eingegangen wird. Simulationsergebnisse für das System ohne Regelung wer-den vorgestellt. Auf das geregelte System wird erst im nächsten Kapitel eingegangen.

3.1 Aufbau des untersuchten Systems

Bei dem untersuchten System handelt es sich um einen 3-Scheiben-Rotor, welcherauf einer Seite in einem starren Fundament und am anderen Wellenende in einervergleichsweise nachgiebigen, aber dennoch steifen Gehäusestruktur gelagert ist. DieGehäusestruktur besteht aus drei in einer Ringstruktur eingeschraubten dünnen,quaderförmigen Streben, auf welche an den beiden breiten Seiten Piezoplättchenaufgeklebt sind. Diese können mithilfe eines Verstärkers elektrisch angesteuert werdenund durch Ausnutzung des piezoelektrischen 31-Effekts und der damit verbundenenAusdehnung der Piezos kann in die schwingende Gehäusestruktur eine Kraft ein-geleitet werden. Zielsetzung ist, dass die Gehäuseaufhängung aktiv von dem durchUnwuchten zu Schwingungen erregten Rotor und dem Gehäuse isoliert wird bzw. dasszumindest die Schwingungen in der Aufhängung reduziert werden. Zu diesem Zweckwird mithilfe einer Echtzeitregelung ein Stellsignal für die sechs Piezos aus den inhorizontaler und vertikaler Richtung gemessenen Schwingwegen an einer der beidenGehäuseaufhängungen generiert. Gleichzeitig soll anhand dieser Messsignale beurteiltwerden, ob die aktive Isolation erfolgreich war.Die Abbildungen auf der nächsten Seite zeigen den gesamten Rotor mit dem Gehäusein der Seitenansicht sowie das nachgiebige Gehäuse mit den Piezoplättchen in derDraufsicht.

Das verwendete Simulationsmodell wurde entsprechend dieser Skizze aufgebaut,d.h. die Antriebsaggregate wurden nicht extra simuliert. Nachfolgend verwendete Be-zeichnungen für die Streben beziehen sich auf die Definition gemäß Abb.3.2. In dieserAbbildung sind auch die Sensorpositionen grün markiert, während der Messpunkt fürdas Wegsignal in horizontaler Richtung am Rotor in Abb. 3.1 markiert ist.

Page 31: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.1 Aufbau des untersuchten Systems 15

Abbildung 3.1: Skizze des Gesamtsystems

Abbildung 3.2: Skizze des Strebengehäuses mit den Piezos (rot)

Page 32: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.2 Aufbau des Simulationsmodells 16

Bezeichnung WertWellenlänge lw 1088mmWellendurchmesser dw 25mmDurchmesser große Scheibe dsg 158mmDurchmesser kleine Scheibe dsk 115mmScheibendicke b 30mmAußendurchmesser des Innenrings Di 110mmAußendurchmesser des Außenrings Da 380mmBreite des Innenrings bi 29mmBreite des Außenrings ba 20mmBreite der Streben bs 2mmTiefe des Innenrings ti 32mmTiefe des Außenrings ta 30mmTiefe der Streben ts 25mmLänge des Piezoplättchens lp 50mmBreite des Piezoplättchens bp 1mmTiefe des Piezoplättchens tp 25mmMontageabstand des Piezos ap 48.75mmTiefe der Aufhängung tga 30mmLänge der Aufhängung hga 251mm

Tabelle 3.1: Abmessungen des Systems

3.2 Aufbau des Simulationsmodells

Mithilfe des Simulationsmodells soll untersucht werden, ob die durch einen unwuch-tigen Rotor induzierten Schwingungen in der Gehäuseaufhängung bei stationäremBetrieb in der ersten Biegeeigenfrequenz durch das Dazuschalten von Piezoaktorenreduziert werden können. Da bei diesem Betriebsfall die Schwingungsamplituden sehrgroß sind, stellt diese Betrachtung eigentlich einen Grenzfall im Betrieb („Worst-case“)dar, der in Realität so eher nicht auftreten wird. Es wird jedoch argumentiert, dassbei erfolgreicher Schwingungsreduktion daraus geschlossen werden kann, dass auch beieinem Durchfahren der Eigenfrequenz und bereits bei geringeren Frequenzen wirksa-mer Aktorik die aktive Isolation noch bessere Resultate liefern müsste, da in dem Falldie Schwingungsamplituden nicht so groß sind wie im untersuchten Fall. Es sei dar-auf hingeweisen, dass lediglich die Anregung durch Biegeschwingungen betrachtet wird.

Für die Simulation eines dem Prüfstand ähnlichen Systems ist es wichtig, dassdie Gehäusestruktur relativ genau abgebildet wird, damit die Systemeigenschaftendes Simulationsmodells korrekt abgebildet werden und das Verhalten des Simulations-modells und des dementsprechenden Prüfstands gut übereinstimmt. Deshalb wurdezunächst ein Modell des Rotors mit den Piezos im kommerziellen FEM-ProgrammANSYS erstellt. Für die Einbindung der Regelung ist die Verwendung eines anderengeeigneten Programms - in diesem Fall MATLAB/SIMULINK - notwendig, daeine direkte Implementierung insbesondere von komplexen Mehrgrößenreglern in

Page 33: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.2 Aufbau des Simulationsmodells 17

ANSYS nicht möglich ist. Dazu werden die in ANSYS für die Berechnung erstelltenSystemmatrizen (Masse- und Steifigkeitsmatrix) in MATLAB eingelesen und in diefür die Reglerimplementierung benötigte Darstellung im Zustandsraum transformiert.Die Reglersynthese wird in MATLAB durchgeführt und die Ergebnisse der Regelungkönnen dann in MATLAB (für den Frequenzbereich) und SIMULINK (für denZeitbereich) betrachtet werden.

Die Geometrie und Werkstoffe des Modells in ANSYS wurden parametrisch mithilfeder Programmiersprache APDL (ANSYS Parametric Design Language) beschrieben,um so eine bessere Möglichkeit zur Untersuchung einzelner Varianten zu schaffenund zudem - falls notwendig - das Simulationsmodell bei Diskrepanzen mit denMesswerten gezielt anpassen zu können („Modell-Updating“). So ist es z.B. möglich,die Abmessungen und Werkstoffeigenschaften der Piezos oder anderer Bauteile nachBedarf zu ändern oder der Einfluss unterschiedlicher Strebendicken kann untersuchtwerden.Für die Elementierung des Rotors wurden Balkenelemente verwendet, während dasStrebengehäuse durch Solid-Elemente (Volumenelemente) beschrieben wird. Die Pie-zoaktoren werden ebenfalls durch Solid-Elemente abgebildet, die jedoch als spezielleKoppelfeldelemente mithilfe der konstitutiven Gleichungen für piezoelektrische Bau-teile (Gl (2.3) und (2.4)) die mechanischen und elektrischen Freiheitgrade miteinanderverknüpfen. Es wird also von einem linearen Verhalten der Piezoaktoren ausgegangen,da die später im Prüfstand angelegte Verstärkerleistung eine Versorgung der Piezosmit max. ±550V ermöglicht, was nur sehr knapp über der elektrischen Grenzspannung(500V) für lineares Werkstoffverhalten liegt. Es werden Piezoscheiben des TypsPIC255 verwendet, während der Rotor und das Gehäuse sowie dessen Aufhängung ausStahl gefertigt wurden. Die Lagerungen werden über Contact- und Target-Elementesowie einer Steifigkeitsmatrix abgebildet:

Abbildung 3.3: Schematische Modellierung der Lagerung im ANSYS-Modell

Es werden dabei lediglich die statischen Steifigkeiten entsprechend der Angaben desHerstellers der Lager aus dem Prüfstand verwendet. Der Lagerbock wird als starr an-genommen und dies anhand der Randbedingungen realisiert.Die Vernetzung erfolgte in einem aufwändigen Prozess halbautomatisch, da einige Kno-ten neben der Lastaufbringung auch für die Definition in der Zustandsraumdarstellungeine wichtige Rolle spielen, wie z.B. die Sensorpositionen, und somit an bestimmten

Page 34: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.2 Aufbau des Simulationsmodells 18

Positionen im Geometriemodell Knoten vorhanden sein müssen, ohne gleichzeitig dieQualität des Netzes zu verschlechtern. Durch die parametrische Beschreibung der Geo-metrie muss auch das Netz parametrisch definiert sein, damit es sich bei einer Änderungder Geometrie entsprechend anpasst. Die Notwendigkeit eines sich automatisch anpas-sendenden Netzes bei Geometrieänderungen ist auch die Ursache für die aufwendigeparametrische Beschreibung gegenüber einer Änderung von Modelleigenschaften überdie Benutzeroberfläche in ANSYS.Anschließend wird das FEM-Modell mittels der CMS (Component Mode Synthesis)über eine modale Synthese mit Substrukturen, deren Koppelstellen gefesselt sind, aufBasis des Verfahrens von Craig-Bampton reduziert, um die Größe der in MATLAB/SIMULINK einzulesenden Systemmatrizen gering zu halten und somit die Rechenzeitzu verringern. Die Reduktion wird über eine modale und eine statische Kondensati-on sowie nachfolgender modaler Synthese durchgeführt. Es wurden die Gehäuseknotensowie die Knoten der Gehäuseaufhängung reduziert. Nicht reduziert wurden die Kno-ten der Messpunkte der Sensoren an der Gehäuseaufhängung, des Rotors, der Piezosund die entsprechenden Knoten, die der Verbindung zwischen reduziertem und nicht-reduziertem Modell dienen (Masterknoten). Die nachfolgende Abbildung visualisiertdas reduzierte gegenüber dem vollständigen Simulationsmodell.

(a) Basis-FE-Simulationsmodell (rot: Piezos) (b) Reduziertes FE-Simulationsmodell (durch-sichtige Bauteile entsprechen den reduziertenStrukturen

Abbildung 3.4: FE-Simulationsmodelle

Bei dem reduzierten Modell (Abb. 3.4(b)) sind jene Bauteile mit den reduzier-ten Knoten nur schemenhaft dargestellt. Mit dieser Reduktionsmethode konnte dieKnotenanzahl des vollständigen Modells von 11.629 auf 1.411 Knoten reduziert werden.

Als nächstes muss das Zustandsraummodell - auf welches später noch genauereingegangen wird - des zu regelnden Systems aufgebaut werden. Da die Überführungder Dynamikgleichungen in den Zustandsraum auf analytischem Wege durchgeführtwurde, werden im folgenden Kapitel die im Simulationsprogramm implementiertenTransformationsvorschriften hergeleitet. Liegt das System in der Zustandsraumdar-stellung vor, erfolgt die zweite Modellreduktion - die sogenannte „modale Reduktion“.Bei dieser Reduktion wird festgelegt, welche Eigenfrequenzen bei der Regelungentsprechend dem Regelziel berücksichtigt werden sollen. Sie setzt voraus, dass das

Page 35: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.2 Aufbau des Simulationsmodells 19

System in modalen Koordinaten vorliegt. Die Reduktion wird durchgeführt, indemdie zu den vernachlässigenden Eigenfrequenzen gehörenden modalen Zustände undderen entsprechende Einträge in den Systemmatrizen einfach herausgestrichen bzw.„abgeschnitten“ werden [30]. Diese Reduktion ist notwendig, weil es quasi unmöglichist, einen Regler zu synthetisieren, welcher die Amplituden in allen Eigenfrequenzendes Systems reduziert. Nur durch die modale Reduktion können technisch realisierbareRegler entwickelt werden, welche gezielt das Verhalten der Struktur in bestimmtenEigenfrequenzen beeinflussen. Die modale Reduktion setzt allerdings auch voraus, dasseine Durchgangsmatrix D definiert wird, da nur durch diese Matrix der statische Anteilder höheren (abgeschnittenen) Moden auch im tieffrequenten Bereich erhalten bleibt[17]. Eine weitere Problematik durch die Reduktion stellt das sogenannte „Spillover“dar, also die durch Vernachlässigung höherer Moden verursachte Instabilität desSystems [36]. Um diese zu vermeiden, müssen spezielle Eigenschaften vom Regelkreiserfüllt werden, welche in Kapitel 4 näher beschrieben werden.

Für eine eindeutige Beschreibung des Systems in der Zustandsraumdarstellung,welche auch die Überführung in andere regelungstechnische Darstellungsformen derÜbertragungsfunktion ermöglicht, ohne künstlich neue Eigenwerte einzuführen, werdendie Gleichungen abschließend in die Minimalrealisierung überführt. Auf diese wird imfolgenden Kapitel zur Regelung noch ausführlicher eingegangen.

In der nachfolgenden Abbildung sind nochmals alle Schritte zum Erstellen desSimulationsmodells ohne Regelung schematisch darsgestellt:

Abbildung 3.5: Ablauf der Simulation

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der in der mechatronischen Fachliteraturhäufig verwendete Begriff „Koordinaten“ gleichzusetzen ist mit dem in der Mechanik

Page 36: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 20

geläufigerem Begriff „Freiheitsgrad“.

3.3 Systemeigenschaften

Vor der Herleitung der Zustandsraumgleichungen soll zunächst Schritt für Schritt diedafür benötigte Dynamikgleichung hergeleitet werden und in diesem Zusammenhangauf die Systemeigenschaften des Simulationsmodells eingegangen werden.

3.3.1 Einführendes Beispiel: Unwuchterregter Ein-Massen-Schwinger

Zunächst wird als einfaches Beispiel ein unwuchterregter Ein-Massen-Schwinger mitDämpfung betrachtet, der vereinfacht folgendermaßen dargestellt werden kann:

Abbildung 3.6: Unwuchterregter Einmassenschwinger

Die Bewegung der Masse m wird im komplexen Koordinatensystem durch die Dyna-mikgleichung

mq(t) + dq(t) + kq(t) = fU(t) (3.1)

mit der UnwuchtkraftfU(t) = mεΩ2ei(Ωt+β) (3.2)

beschrieben. Für die Lösung der homogenen Differentialgleichung

mq(t) + dq(t) + kq(t) = 0 (3.3)

wird ein Exponentialansatz gewählt:

qh(t) = qheλt. (3.4)

Einsetzen des Lösungsansatzes in die homogene Differentialgleichung ergibt die cha-

Page 37: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 21

rakteristische Gleichungλ2 + 2Dω0λ + ω2

0 = 0 (3.5)

mit den Abkürzungen

ω0 =√

k/m . . . Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Systems (3.6)

undD =

d

2ω0m. . . Dämpfungsgrad, Lehr’sches Dämpfungsmaß. (3.7)

Die Lösung des Eigenwertproblems liefert die konjugiert komplexen Eigenwerteλk, welche bei schwacher Dämpfung (0<D<1) die Form

λ1,2 = −Dω0 ± i · ω0

√1−D2 = α± i · ωd (3.8)

mit den Abkürzungenα = −Dω0 (3.9)

undωd = ω0

√1−D2 (3.10)

ergeben. Dabei beschreibt ωd die Eigenkreisfrequenz des gedämpften Systems.

Die Eigenkreisfrequenz gibt u.a. Auskunft darüber, ob sich ein System bei Anregungin eben dieser Eigenkreisfrequenz stabil oder instabil verhält, also Schwingungen zu-sätzlich angefacht werden. Es fällt auf, dass die Systemeigenschaften Masse, Steifigkeitund Dämpfung die Eigenkreisfrequenz des Systems entscheidend beeinflussen.

So wird z.B. Dämpfung oft bewusst eingesetzt um entstehende Schwingungsam-plituden eines Systems bei Anregung in der Eigenfrequenz zu reduzieren. Dämpfungkann aber auch anfachend wirken und somit das System instabil werden lassen, alsozu unbegrenzt anwachsenden Amplituden führen, siehe nachfolgende Abbildung Abb.3.7 nach [30],[12], welche die möglichen Eigenwerte (dargestellt als Kreuz x in derAbbildung) in Abhängigkeit von der Dämpfung in der komplexen Ebene zeigt.

Ein ähnliches Diagramm (nachfolgende Seite; Abb. 3.8) lässt sich auch für dieVariation der Steifigkeit bei gleich bleibender Dämpfung erstellen [30],[12], wobei aufdieses erst zu einem späteres Zeitpunkt wieder eingegangen werden soll.

Page 38: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 22

Abbildung 3.7: Abhängigkeit der Eigenwerte vom Dämpfungsgrad bei konstanter Stei-figkeit k, nach [30];[12]

Abbildung 3.8: Abhängigkeit der Eigenwerte von der Steifigkeit bei vernachlässigterDämpfung, nach [30];[12]

Page 39: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 23

Wird eine Regelung verwendet, so muss diese nicht nur dafür sorgen, dass das Systemstabilisiert wird - gleichzeitig darf der Regler ein stabiles System nicht instabil werdenlassen [41]. Zur Überprüfung der Stabilität betrachtet man daher in der Regelungs-technik die Eigenwerte in der komplexen Ebene. Da stets ein stabiles Systemverhaltenanzustreben ist, müssen sich die Eigenwerte also entsprechend der Abbildungen 3.7und 3.8 immer in der linken Halbebene befinden oder es müssen Maßnahmen ergriffenwerden, um die Eigenwerte in die linke Halbebene zu verschieben. Dazu müssen imFall von passiven Maßnahmen die entsprechenden Systemeigenschaften z.B. durchUmbaumaßnahmen oder Änderung des Werkstoffs beeinflusst werden. Im Fall von ak-tiven Maßnahmen übernimmt dies eine geeignete Regelung (siehe dazu auch Kapitel 4).

Für die partikuläre Lösung der Bewegungsgleichung bei Unwuchtanregung wirdzunächst ein Ansatz vom Typ der rechten Seite gewählt:

qp(t) = qpei(Ωt+β). (3.11)

Einsetzen in die Bewegungsgleichung Gl. (3.1) liefert(−Ω2 + 2Dω0iΩ + ω2

0

)qp = εΩ2. (3.12)

Als Amplitude ergibt sich demnach die von der Exzentrizität ε und der Anregungsfre-quenz Ω abhängige Funktion

qp =εΩ2

−Ω2 + 2Dω0iΩ + ω20

(3.13)

bzw., wenn man stattdessen die Übertragungsfunktion von Unwuchtkraft und Ant-wortamplitude definiert:

qp

εΩ2=

1

−Ω2 + 2Dω0iΩ + ω20

. (3.14)

Die zuerst genannte Übertragungsfunktion wird üblicherweise in der Mechanik verwen-det, die zweite in der Regelungstechnik, wo sie auch als „Störübertragungsfunktion“bezeichnet wird, da sie den Einfluss der Störgröße auf die Regelgröße beschreibt. Es seidarauf hingewiesen, dass die angegebene Lösung für den stationären Betrieb gilt.

3.3.2 Unwuchterregter Mehr-Massen-Schwinger

Auf das in dieser Arbeit untersuchte System des Rotors mit dem nachgiebigen Gehäuseund den Piezos kann das Modell des unwuchterregten Ein-Massen-Schwingers nichtmehr angewendet werden. Die Dynamikgleichung muss um zusätzliche Freiheitsgradeergänzt werden und lautet nun (aus Gründen der Übersichtlichkeit wird nachfolgendauf die Darstellung von der Zeitabhängigkeit verzichtet):

Mq + Dq + Kq = FU (3.15)

Page 40: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 24

Diese Gleichung wird auch in ANSYS für das modellierte System aufgestellt und ineiner Modalanalyse durch Lösen der homogenen Differentialgleichung mithilfe von An-satzfunktionen die Eigenfrequenzen und Eigenvektoren des Systems berechnet. ZurVerringerung des Rechenaufwands wird das FE-Modell - wie in Kapitel 3.2 bereitsbeschrieben - mithilfe der CMS-Methode reduziert. Es ergeben sich hierbei für dasvollständige (nicht reduzierte) Basis-Modell und für das reduzierte Modell in ANSYSfolgende Eigenfrequenzen:

Nr. Basis- reduziertes Betrag der Art derModell [Hz] Modell [Hz] Abweichung [%] Eigenform

1 0.000 0.674·10−3 0.04 Starrkörperbewegung2 20.805 20.812 0.034 1. Biegung Rotor3 20.817 20.823 0.029 1. Biegung Rotor4 75.200 75.295 0.126 2. Biegung Rotor5 75.338 75.425 0.115 2. Biegung Rotor6 119.650 121.130 1.222 1. Torsion Gehäuse7 146.070 146.070 0.000 1. Torsion Rotor8 167.690 170.540 1.671 1. Biegung Gehäuse9 186.280 187.150 0.465 3. Biegung Rotor10 188.630 189.160 0.280 3. Biegung Rotor

Tabelle 3.2: Systemeigenfrequenzen in ANSYS

Hierbei sind in fetter Schrift die für die Schwingungsreduktion interessierendenBiegeeigenfrequenzen des Rotors hervorgehoben.

Die 2. und 3. Systemeigenfrequenz stellen die erste Biegeeigenfrequenz in Horizontal-und Vertikalrichtung dar, die 4. und 5. Systemeigenfrequenz die zweite Biegeeigen-frequenz in den entsprechenden Richtungen und die 9. und 10. Systemeigenfrequenzentspricht der dritten Horizontal- und Vertikalbiegeeigenfrequenz. Alle weiterenEigenfrequenzen sind rotatorische bzw. axiale oder Gehäuseeigenfrequenzen, diejedoch nicht durch die Piezoaktoren beeinflusst werden sollen und deshalb nicht weiterbetrachtet werden. Es handelt sich hierbei um die ungedämpften Eigenfrequenzen,denn im verwendeten FE-Modell wurde auf die Dämpfung zunächst verzichtet (sieheauch [30]). Diese wird jedoch später in der Zustandsraumdarstellung wieder eingeführt.

Aus Tabelle 3.2 ist ersichtlich, dass die Zunahme der Eigenfrequenzen durch dieReduktion der Freiheitsgrade im FE-Modell nur marginal sind und dieses deshalb fürdie Simulation des Prüfstandsverhaltens und den Entwurf einer Regelung geeignet ist.

Der nachfolgend abgebildete Amplituden-Frequenzgang ergibt sich aus der har-monischen Analyse in ANSYS: In diesem ist neben der Verschiebung des Knotens inder Wellenmitte (siehe Abb. 3.1) auch die elektrische Spannung in einem Piezoplätt-chen an der senkrechten Strebe („Strebe 1“) abgebildet. Sobald der Rotor in seinerEigenfrequenz angeregt wird, werden die Schwingungen in das nachgiebige Gehäusegeleitet und durch die resultierende Verformung der Streben entsteht in den Piezoseine elektrische Spannung. Demzufolge sind im Bereich der Systemeigenfrequenzen

Page 41: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 25

auch große elektrische Spannungen in dem betrachteten Piezoaktor zu erwarten.

Abbildung 3.9: Amplituden-Frequenzgang des Simulationsmodells

Auffällig ist in dem betrachteten Amplituden-Frequenzgang, dass bei ca. 75Hz dieVerschiebungsamplituden trotz Anregung in der 2. Biegeeigenfrequenz im Wellen-mittelpunkt nicht weiter zunehmen. Die Ursache dafür liegt in der Tatsache, dassin der betrachteten Wellenmitte ein Knoten in der Eigenform vorliegt. Es lässt sichaber dennoch eine Zunahme der elektrischen Spannungen in dem betrachteten Piezoerkennen.

Weiterhin fällt auf, dass bei einer Frequenz von ca. 120Hz die Verschiebungenim Wellenmittelpunkt Null sind, während die elektrische Spannung im Piezoaktoransteigt. Dies resultiert daraus, dass bei dieser Frequenz eine Gehäuseeigenfrequenzvorliegt, wodurch sich das Gehäuse bei einer Anregung in dieser Frequenz verformtund somit auch elektrische Spannungen in den Piezoplättchen entstehen. Der Rotorwird dadurch jedoch nicht weiter angeregt.

Durch Berücksichtigung der gyroskopischen Effekte werden die Eigenfrequenzendrehzahlabhängig, wie das Campbell-Diagramm des FE-Modells zeigt:

Page 42: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 26

Abbildung 3.10: Campbelldiagramm

Hierbei bilden die Schnittpunkte der Frequenzverläufe mit dem Fahrstrahl die imBetrieb auftretenden Eigenfrequenzen.

Aus dem Campbelldiagramm geht hervor, dass sich die erste Biegeeigenfrequenzim untersuchten niedrigen Drehzahlbereich kaum ändert. Daher wird bei der Bil-dung des Zustandsraummodells auf die Berücksichtigung der Gyroskopie in derDynamikgleichung verzichtet und damit gleichzeitig auch die Größe des zu lösendenGleichungssystems stark reduziert, da nur noch Verschiebungsfreiheitsgrade und derenAbleitungen bei den mechanischen Freiheitsgraden berücksichtigt werden müssen,jedoch nicht die Winkelfreiheitsgrade für die Gyroskopie.

Die nachfolgenden vier Abbildungen zeigen die ersten vier Eigenformen des Si-mulationsmodells. Die beiden oberen zeigen dabei die horizontale und vertikaleAusprägung der ersten Biegeeigenform; die unteren zwei Abbildungen zeigen zusätz-lich die zweite Biegeeigenform in horizontaler und vertikaler Richtung. Gestrichelthinterlegt ist jeweils das Modell ohne Auslenkung. Die Eigenformen nehmen dieerwartete Kontur an. Es fällt auf, dass die Gehäusestruktur gegenüber der Wellerelativ steif ist und demzufolge kaum Verformungen aufweist. Zu sehen ist auchdie Rotationssymmetrie des Gehäuses in den Eigenfrequenzen in horizontaler undvertikaler Richtung.

Page 43: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 27

(a) 1. Biegeeigenform horizontal (b) 1. Biegeeigenform vertikal

(c) 2. Biegeeigenform horizontal (d) 2. Biegeeigenform vertikal

Abbildung 3.11: Erste und zweite Biegeeigenform des Rotors

In dem bisher beschriebenen Simulationsmodell wird an die piezoelektrischen Scheibenkeine elektrische Spannung angelegt, d.h. sie wirken lediglich als Sensoren, da in ihnenaufgrund einer Verschiebung des mit ihnen befestigten Gehäuses eine elektrische La-dung erzeugt wird. Da die Piezoplättchen im untersuchten System jedoch als Aktoreneingesetzt werden sollen, welche aufgrund ihrer Versorgung mit einer elektrischen Span-nung eine zusätzliche Kraft in das Schwingungssystem einleiten, muss jene Aktorkraftzusätzlich in der Dynamikgleichung auf der rechten Seite ergänzt werden.

3.3.3 Mechatronisches System: Unwuchtiger Mehrscheiben-rotor und Piezoaktoren

Aus der Beschreibung der Dynamikgleichungen von piezoelektrischen Kontinua[1],[37],[48] unter Berücksichtigung der konstitutiven Gleichungen (2.3) und (2.4) folgtunter Vernachlässigung des Dämpfungsterms:M 0 0

0 0 00 0 0

q

φA

φS

+

K KAqφ KS

KAφq KA

φφ KASφφ

KSφq KSA

φφ KSφφ

qφA

φS

=

FU

GA

GS

(3.16)

Page 44: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.3 Systemeigenschaften 28

Mit dieser Gleichung kann der physikalische Zusammenhang zwischen mechanischenBewegungsgrößen q und deren Ableitungen sowie dem elektrischen Potentialvektor φbzw. der elektrischen Ladung G der Piezos beschrieben werden. Dabei wird nicht nurdie aktorische Wirkung der Piezos berücksichtigt (Index „A“), sondern auch die senso-rische (Index „S“).Die elektromechanische Kopplung zwischen der mechanischen Verschiebung und demelektrischen Potential wird über die elektromechanischen Kopplungsmatrizen Kqφ bzw.Kφq beschrieben, für welche Kqφ = KT

φq gilt. Weiterhin beschreibt Kφφ die piezoelek-trische Kapazitätsmatrix. Die Kreuzkopplungsmatrizen KSA

φφ und KASφφ beschreiben die

Kopplung der Kapazität bei Verwendung eines Piezoelements als Aktor und Sensorgleichzeitig. Da die Piezoplättchen ausschließlich als Aktoren, jedoch nicht als Senso-ren verwendet werden entfällt der elektrische Freiheitsgrad des Sensors φS. Damit kanndas Gleichungssystem Gl.(3.16) vereinfacht formuliert werden als:

Dynamikgleichung: Mq + Kq = JUfU︸ ︷︷ ︸FU

−KAqφφA. (3.17)

Aktorgleichung:(KA

)Tq + KA

φφφA = GA (3.18)(Sensorgleichung:

(KS

)Tq + KSA

φφ φA = GS

)(3.19)

Die Sensorgleichung entfällt hier ebenfalls aus dem oben genannten Grund und wirdsomit an dieser Stelle nur in Klammern aufgeführt, da sie nicht weiter berücksichtigtwird in den nachfolgenden Betrachtungen. In der Aktorgleichung wird das statischeVerhalten des Piezoaktors bei einer angelegten Spannung (φA) oder Ladung (GA) aufdas System in Form einer Verschiebung q beschrieben. Die Kraftwirkung des Piezoak-tors bei angelegter elektrischer Spannung auf das Dynamiksystem wird dagegen in derDynamikgleichung beschrieben. In dieser Gleichung wurde desweiteren speziell für dieUnwuchtkraft fU noch eine Wirkmatrix JU eingeführt, die den Angriffspunkt der Un-wuchtkraft berücksichtigt. Das verwendete Gleichungssystem liegt aufgrund der amuntersuchten System vorhandenen Platzierung der Sensoren im kartesischen Koordina-tensystem vor. Die Unwuchtkraft fU wird deshalb durch ihre Komponenten

fUx = mεΩ2cos(Ωt + β) (3.20)

undfUy = mεΩ2sin(Ωt + β) (3.21)

beschrieben.

Die Kopplungsmatrix KAqφ ergibt sich automatisch beim Umsortieren der in ANSYS

vorliegenden Form der Systemmatrizen - dem Harwell-Boeing-Format - in die bekannteForm der Dynamikgleichung (siehe Gl. (3.17)).

Da die Piezoelemente im vorliegenden System durch eine entsprechend der Re-gelung angelegte elektrische Spannung die Auswirkungen der Unwuchtkraft in derGehäuseaufhängung eliminieren sollen, wird an dieser Stelle nur mit der Dynamikglei-chung weitergearbeitet.

Page 45: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.4 Das Zustandsraummodell 29

Zur Entkopplung der einzelnen Freiheitsgrade in der Bewegungsgleichung wirdeine Überführung in den Modalraum mithilfe der Transformationsvorschrift

q = Φp (3.22)

durchgeführt. Ersetzen von q und Links-Multiplikation mit ΦT bringt die Dynamik-gleichung (3.17) in die Form:

ΦTMΦp + ΦTKΦp = ΦTJUfU −ΦTKAqφφA. (3.23)

Aufgrund der Orthogonalitätsbedingungen gilt für die modale Massen- und Steifig-keitsmatrix:

M = ΦTMΦ (3.24)K = ΦTKΦ. (3.25)

Da sich das Simulationsmodell für die Reglersynthese wie der Prüfstand verhalten soll,wird nun die in der Realität vorhandene Dämpfung mithilfe des modalen Dämpfungs-koeffizientens wieder eingeführt:

D = ΦTDΦ. (3.26)

Die Dynamikgleichung mit elektro-mechanischer Aktoranregung lautet nunmehr

p + 2ξωp + ω2p = M−1ΦTJUfU − M−1ΦTKAqφφA (3.27)

mit den Abkürzungen

DM−1 = 2ξω0 = −2α (3.28)KM−1 = ω0

2. (3.29)

entsprechend der Gleichungen (3.6), (3.7) und (3.9). Der Vektor ξ wurde hier neueingeführt als modaler Dämpfungskoeffizient, welcher so bestimmt wird, dass das darusresultierende Zustandsraummodell stabil ist [30]. Sowohl die Vektoren ξ und ω als auchdie Systemmatrizen M, D und K liegen nun als Diagonalmatrizen vor.

3.4 Das Zustandsraummodell

Da alle in dieser Arbeit verwendeten Reglersyntheseverfahren im Zustandsraum durch-geführt werden, muss auch die Dynamikgleichung Gl.(3.27) in den Zustandsraum über-führt werden. Die Zustandsgleichungen liegen generell im Zeitbereich vor, können aberauch in den Frequenzbereich transformiert werden. Die Zustandsraumdarstellung setztsich zusammen aus der Zustandsgleichung

x = Ax + Bu (3.30)

Page 46: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.4 Das Zustandsraummodell 30

und der Ausgangsgleichungy = Cx + Du. (3.31)

Es gelten dabei folgende Bezeichnungen:

x(t)...Zustandsvektoru(t)...Eingangsvektory(t)...AusgangsvektorA...SystemmatrixB...EingangsmatrixC...AusgangsmatrixD...Durchgangsmatrix

Die Zustandsraumdarstellung des vorliegenden Simulationsmodells lässt sich aus derDynamikgleichung herleiten, indem der Zustandsvektor als

x =

pp

(3.32)

definiert wird. Die Zustandsgleichung ergibt sich dann zupp

︸ ︷︷ ︸

x

=

[0 I

−ω02 2ξω0

]︸ ︷︷ ︸

A

pp

︸ ︷︷ ︸

x

+

[0

M−1ΦTJU

]︸ ︷︷ ︸

E

fU︸︷︷︸z

+

[0

−M−1ΦTKAqφ

]︸ ︷︷ ︸

B

φA︸︷︷︸u

. (3.33)

mit der Einheitsmatrix I. Hier wurde die allgemeine Zustandsgleichung Gl. (3.30) nocherweitert um den Term der Unwuchtanregung

Ez =

[0

M−1ΦTJU

]fU, (3.34)

mit der Störmatrix E und der Störgröße z welche die externe Störung auf das System- in diesem Fall also die Unwuchtkraft - beschreibt. Es besteht alternativ die Möglich-keit, den Term der Unwuchtanregung durch Erweiterung in der Eingangsmatrix B zuberücksichtigen:

Bu =

[0 0

−M−1ΦTKAqφ M−1ΦTJU

]φA

fU

. (3.35)

Beim Schließen des Regelkreises muss dann jedoch darauf geachtet werden, dass nurdie entsprechenden Stellgrößen φA im Regelkreis zurückgeführt werden.Auch die Ausgangsgleichung, welche die Sensorgrößen - hier die Schwingwege in derGehäuseaufhängung - beschreibt, kann aus der Bewegungsgleichung Gl.(3.27) hergelei-tet werden. Dazu müssen die modalen Koordinaten zunächst wieder in physikalischerücktransformiert werden mit der Transformationsvorschrift

p = Φ−1q. (3.36)

Es stehen demnach Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Systems als Mess-größen zur Verfügung (linke Seite des Gleichungssystems) und die Ausgangsgleichung

Page 47: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

3.4 Das Zustandsraummodell 31

lautet:qqq

︸ ︷︷ ︸y

=

Φ 00 Φ

−Φω02 −Φ2ξω0

︸ ︷︷ ︸

C

pp

︸ ︷︷ ︸

x

+

00

ΦM−1ΦTJU

︸ ︷︷ ︸

ES

fU︸︷︷︸z

+

00

−ΦM−1ΦKAqφ

︸ ︷︷ ︸

D

φA︸︷︷︸u

.

(3.37)Auch hierbei wurde zusätzlich noch ein Summand für die externe Störgröße auf dasSystem in die allgemeine Ausgangsgleichung Gl. (3.31) eingefügt:

ESz =

00

ΦM−1ΦTJU

fU. (3.38)

Dieser lässt sich äquivalent zur Zustandsgleichung alternativ auch in der Matrix Dberücksichtigen bei entsprechender Rückführung der Größen φA im Regelkreis:

Du =

0 00 0

−ΦM−1ΦKAqφ ΦM−1ΦTJU

φA

fU

. (3.39)

Da in den weiteren Untersuchungen lediglich an zwei Positionen der Gehäuseaufhän-gung der Weg gemessen wird, werden nur die zu den entsprechenden Freiheitsgradendes Ausgangsvektors gehörenden Gleichungen berücksichtigt und alle anderen Frei-heitsgrade im Ausgangsvektor und entsprechend in den Matrizen vernachlässigt, umden Rechenaufwand zu reduzieren.

Der nächste Schritt ist die schon beschriebene modale Reduktion und die Über-führung in die im nächsten Kapitel beschriebene Minimalrealsierung des Systems. Esfolgen dann als nächstes die Reglersynthese und -implementierung in das Simulations-modell. Auf die Verfahren zur Reglersynthese wird ebenfalls im nachfolgenden Kapiteleingegangen. Der Regelkreis wird dann sowohl in MATLAB als auch in SIMULINKgeschlossen und die Schwingwege des geregelten Systems mit denen des ungeregeltenSystems verglichen (siehe Kapitel 6).

Page 48: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4 Regelung

In diesem Kapitel soll auf die Grundlagen des Reglerentwurfs eingegangen werden; an-gefangen bei sogenannten klassischen Reglern für Eingrößensysteme bis hin zu Mehr-größensystemen, welche entsprechend komplexere Regler benötigen. Auch auf Bewer-tungskriterien zur Überprüfung des Regelerfolgs wird eingegangen. Die für die Regelungvon dem vorliegenden Mehrgrößensystem verwendeten optimalen und robusten Reglerwerden ausführlicher beschrieben, da sie entscheidend für den Erfolg der nachfolgendenUntersuchungen sind.

4.1 Grundlagen der Regelung

Mithilfe der Regelung soll eine Aktorkraft fA(t) generiert werden, welche auf das durcheine Unwuchtkraft fU(t) zu Schwingungen erregte System (Regelstrecke) wirkt und zueiner gewünschten Systemantwort (Regelgröße) führt. Im vorliegenden System soll alsRegelgröße der Schwingweg an jeweils einem Messpunkt in horizontaler und vertikalerRichtung der Gehäuseaufhängung gemessen und durch die Aktorik verringert werden.Diese greift an der Strecke an und beeinflusst somit entsprechend die Messgröße amStreckenausgang. Um das Regelziel zu erreichen muss der gemessene Weg y(t) mit einervorgegebenen Sollgröße r(t), auch Führungsgröße genannt, verglichen werden. Da hierder Schwingweg (idealerweise) kompensiert werden soll, gilt also r(t)=0. Die Differenzzwischen Regel- und Sollgröße geht als Regelabweichung e(t) in den Regler ein, woentsprechend dem Regelgesetz des verwendeten Reglers eine Stellgröße u(t) berechnetwird. Die wirkungstechnischen Zusammenhänge im geschlossenen Regelkreis können ineinem Blockschaltbild folgendermaßen dargestellt werden:

Abbildung 4.1: Geschlossener Regelkreis eines mechatronischen Systems mit Unwuch-terregung

Die in dieser Abbildung verwendeten Formelzeichen seien an dieser Stelle nochmals

Page 49: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen 33

zusammengefasst:

r(t)...Führungsgrößee(t)...Regelabweichungu(t)...StellgrößefA(t)...AktorkraftfU(t)...Unwuchtkrafty(t)...Regelgrößen(t)...Messrauschen

In diesem Blockschaltbild ist der Vollständigkeit halber auch das Messrauschen n(t)eingetragen, welches in der Realität immer vorhanden ist, jedoch für die weitere Be-trachtung vereinfacht vernachlässigt wird. Da die Regelgröße negativ zurückgeführtwird im geschlossenen Regelkreis spricht man hier auch häufig von „closed-loop-control“oder „feedback-control“.Es stellt sich nun die Frage, welche Anforderungen ein Regler erfüllen muss bzw. wiebewertet werden kann, ob ein Regelergebnis gut oder schlecht ist. Allgemein sollte eingeschlossener Regelkreis folgende Güteforderungen erfüllen [26]:

· Stabilität

· Sollwertfolge

· Dynamikforderungen des Übergangverhaltens

· Robustheit

Auf diese Anforderungen wird im Laufe des Kapitels noch näher eingegangen. Siemüssen bei der Reglersynthese immer überprüft und vom geschlossenen Regelkreiserfüllt werden.

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern inEingrößensystemen

Das Übertragungsverhalten eines Blocks mit einer Eingangsgröße Xe(s) und einer Aus-gangsgröße Xa(s) wird in der Regelungstechnik im Allgemeinen durch die Übertra-gungsfunktion G(s) beschrieben

Xa(s) = G(s) ·Xe(s). (4.1)

Hierbei beschreibt s = σ + jω - die bei klassischen Reglern üblicherweise verwendeteLaplacevariable - das Systemverhalten im Frequenzbereich. Bei mechanischenSchwingungssystemen wie der vorliegenden Regelstrecke liegt meist eine Differential-gleichung 2. Ordnung vor, die zunächst in den Laplacebereich überführt werden muss.Eine allgemeine Differentialgleichung der Form

an

(n)xa(t)+an−1

(n−1)xa (t)+ . . .+a1xa(t)+a0xa(t) = b0xe(t)+b1xe(t)+ . . .+bm

(m)xe (t) (4.2)

Page 50: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen 34

nimmt bei der Transformation in den Laplaceraum die Form

(ansn + . . . a1s + a0) Xa(s) = (bmsm + . . . + b1s + b0) Xe(s) (4.3)

an. Die Übertragungsfunktion G(s) lautet dann

Xa(s) =bo + b1s + . . . + bmsm

a0 + a1s + . . . + ansn·Xe(s). (4.4)

Die Nullstellen im Zähler einer Übertragungsfunktion werden „Nullstellen“ der Über-tragungsfunktion genannt und die Nullstellen im Nenner - im dynamischen Systemdie Eigenwerte - werden „Polstellen“ genannt und spielen eine wichtige Rolle bei derÜberprüfung der Stabilität, wie im Kapitel 3.3 bereits gezeigt wurde.

Für den im Kapitel 3.3.1 eingeführten unwuchterregten Ein-Massen-Schwingerlautet die Dynamikgleichung nach Transformation in den Laplacebereich:

(ms2 + ds + k)Q(s) = FU(s) (4.5)

bzw.(s2 + 2Dω0s + ω2

0)Q(s) =1

mFU(s). (4.6)

Mit der laplacetransformierten Unwuchtkraft als Eingangsgröße

FU(s) = Xe(s) (4.7)

und dem laplacetransformierten Weg als Ausgangsgröße

Q(s) = Xa(s) (4.8)

lautet die Übertragungsfunktion im Laplacebereich also:

G(s) =Q(s)

FU(s)=

1

m(s2 + 2Dω0s + ω20)

. (4.9)

Da diese Übertragungsfunktion den Einfluss der Erregerkraft („Störung“) auf dasSystem beschreibt, wird diese Übertragungsfunktion in der Regelungstechnik auch„Störübertragungsfunktion“ genannt.Möchte man nun z.B. die unwuchterzwungenen Schwingungen mithilfe eines Kraftak-tors bei Wegmessung und einer Regelung, welche eine kompensierende Aktorkraftgeneriert reduzieren, so bietet sich als eine Möglichkeit an, die Schwingwege mithilfeeines D-Reglers zu reduzieren. Das mechanische Ersatzsystem kann durch folgendeAbbildung beschrieben werden:

Page 51: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen 35

Abbildung 4.2: Unwuchterregter Ein-Massen-Schwinger mit Kraftaktor

Die Dynamikgleichung im Zeitbereich wird nun noch um die Aktorkraft erweitert:

mq(t) + dq(t) + kq(t) = fU(t) + fA(t) (4.10)

bzw.q(t) + 2Dω0q(t) + ω2

0q(t) =1

m(fU(t) + fA(t)). (4.11)

Für die Regelung im klassischen Sinne stehen P-, I- oder D-Regler bzw. Kombinatio-nen dieser zur Verfügung. Nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhangzwischen der Eingangsgröße xe(t) und der Ausgangsgröße xa(t) beim entsprechendenRegelkonzept:

Abbildung 4.3: Übertragungsverhalten von P-, I- und D-Regler, nach [46]

Die Aktorkraft wird in einem ersten Beispiel durch einen D-Regler generiert, indemdas gemessene Wegsignal differenziert, negativ zurückgeführt und durch den Faktor gverstärkt wird. So lautet die Aktorkraft im Zeitbereich:

fA(t) = −gq(t) (4.12)

bzw. im Laplacebereich:Xe(s) = −gs ·Xa(s). (4.13)

Page 52: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen 36

Einsetzen und Umformen der Bewegungsgleichung ergibt

q(t) + (2Dω0 +g

m)q(t) + ω2

0q(t) =1

mfU(t) (4.14)

bzw.(s2 + (2Dω0 +

g

m)s + ω2

0)Q(s) =1

mFU(s). (4.15)

Daraus folgt für die Übertragungsfunktion

Gd(s) =Q(s)

FU(s)=

1

m(s2 + (2Dω0 +g

m)︸ ︷︷ ︸

2D∗ω0

s + ω20

. (4.16)

Offensichtlich bewirkt die Regelung also eine Änderung des Dämpfungsverhaltens indem System. In der Störübertragungsfunktion ist auch ersichtlich, dass sich die Eigen-frequenzen bzw. die Polstellen aufgrund der Regelung ändern. Eine Überprüfung derStabilität kann hier mithilfe des Pol-Nullstellen-Diagramms, welches in diesem Fall demin Abb. 3.7 eingeführten Diagramm der Eigenwerte in der komplexen Ebene entspricht,erfolgen:

Abbildung 4.4: Pol-Nullstellen-Diagramm eines 1-Massen-Schwingers mit und ohne D-Regler

In einem Pol-Nullstellen-Diagramm - auch Wurzelortskurvendiagramm (kurz: WOK)genannt - werden die Pole und Nullstellen eines offenen Regelkreises abgebildet.Anhand dessen kann ein Rückschluss auf die Stabilität des geschlossenen Regelkreisesgezogen werden. In obigem Diagramm sind dabei die Polstellen des Systems durch einKreuz (x) dargestellt. Hierbei verschieben sich entsprechend Abb. 3.7 die Polstellenentlang der Abszisse, wenn der Dämpfungskoeffizient durch die Regelung verändert

Page 53: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.2 Schwingungsreduktion mithilfe von Reglern in Eingrößensystemen 37

wird. Die Einführung des D-Reglers (durchgezogene Linien) bewirkt eine Verschiebungder Wurzelortskurven (und somit der Polstellen) nach links, also in den stabilenBereich. Der Regler wirkt somit stabilisierend. Je weiter links die Pole liegen, destoschneller klingen die dazugehörigen Schwingbewegungen ab, da der Dämpfungsgradentsprechend zunimmt. Ändern sich darüber hinaus noch andere Systemeigenschaften,wie z.B. die ungedämpfte Eigenkreisfrequenz ω0, so verschieben sich die Polstellenentsprechend Abb. 3.7 entlang der Ordinate (siehe grüne und blaue Linien in Abb. 4.4).

Als Alternative könnte man entsprechend Abb. 3.8 einen P-Regler verwendenund bei negativer Rückführung des Wegs q(t)

fA(t) = −g · q(t) (4.17)

damit die Steifigkeit k des Systems beeinflussen. Die Übertragungsfunktion im Lapla-cebereich lautet dann:

Gd(s) =Q(s)

FU(s)=

1

m(s2 + 2Dω0 · s +

(ω2

0 + gm

)) . (4.18)

In diesem Fall würden die Pole der Übertragungsfunktion des geschlossenen Regelkrei-ses lediglich entlang der von den Polstellen wegführenden Kurven entlang der Ordinateverschoben werden (dies entspricht analog zu Abb. 4.4 auch wieder einer Änderung derungedämpften Eigenkreisfrequenz, da diese ja gemäß Gl. (3.6) direkt von der Steifigkeitabhängig ist). Eine gegebenenfalls notwendige Polverschiebung entlang der Abszisse indie negative komplexe Ebene zur Stabilisierung des Systems wäre somit nicht möglich,siehe nachfolgende Abbildungen des Pol-Nullstellen-Diagramms eines dynamischen Sys-tems mit und ohne P-Regelung:

Abbildung 4.5: Pol-Nullstellen-Diagramm für 1-Massen-Schwinger mit und ohne P-Regler

Page 54: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 38

Da bei der Regelung mit einem D-Regler allein u.U. nicht alle Pole in die linke stabileHalbebene verschoben werden können, verwendet man oftmals auch eine Kaskadenre-gelung aus einem P- und einem D-Regler, einen sogenannten PD-Regler, der in derRegel zu einem stabilen Verhalten des geschlossenen Regelkreises führt [30]. Bei dertechnischen Umsetzung der Regelung muss auch noch eine zeitliche Verzögerung derRegelung berücksichtigt werden in Form eines T1-Glieds (Verzögerungsglied ersterOrdnung), so dass dann PDT1-Regler zur Anwendung kommen. Zum Erreichenstationärer Genauigkeit wird in manchen Fällen auch zusätzlich noch ein I-Anteilhinzugefügt [30].

Es handelt sich bei der hier beispielhaft betrachteten Strecke im Sinne der Re-gelungstechnik um ein SISO-System, also ein Single Input - Single Output-System,weil hier nur eine Eingangsgröße, nämlich die Aktorkraft fA(t) auf die Strecke wirktund nur eine Ausgangsgröße, nämlich der Weg q(t) gemessen und zurückgeführt wird.

Sollen die Schwingungen eines Systems mithilfe mehrerer Aktoren beruhigt wer-den und werden dafür mehrere Messgrößen bereitgestellt, so handelt es sich um einMIMO-System (Multiple Input - Multiple Output). In diesem Fall muss zunächstgeklärt werden, ob die Stellkraft eines Aktors nur die ihr zugeordnete Regelgrößebeeinflusst oder ob auch die anderen Regelgrößen von ihr betroffen sind. Dies istin der Regel der Fall und man spricht dann von einer „Kopplung“ der Regelgrößen.Sind diese Kopplungen vernachlässigbar oder wird eine Entkopplung durchgeführt, solässt sich eine dezentrale Regelung für das System entwickeln, indem es in mehrereSISO-Systeme zerlegt wird und jeweils ein geeigneter klassischer Regler (PID-Regler)für jeden einzelnen Regelkreis entworfen wird [30]. Mehr Aufwand erfordern dagegendie Verfahren der zentralen Regelung, bei der die Kopplungen der Regelgrößenuntereinander berücksichtigt werden [30].

Die in diesen Untersuchungen vorliegende Strecke besitzt sechs Eingangsgrößen- nämlich jeweils zwei Aktoren an den drei Streben - und zwei Ausgangsgrößen: dengemessenen Weg in horizontaler und vertikaler Richtung in der Gehäuseaufhängung.Es handelt sich also um ein MIMO-System. Aufgrund der vielen Freiheitsgrade derStrecke und der unbekannten Kreuzkopplungen der einzelnen Aktor- und Sensorgrößenwird im vorliegenden Fall von der klassischen Regelung abgesehen. Es wird stattdessenauf die zentrale Regelung, also auf Reglersyntheseverfahren aus dem Zustandsraumzurückgegriffen, welche aus den Anforderungen an die Regelgüte des geschlossenenRegelkreises direkt einen Regler berechnet [30].

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen imZustandsraum

Für die Regelung von gekoppelten Mehrgrößensystemen sind Reglersyntheseverfahrenim Zeit- oder Frequenzbereich notwendig. Im Zeitbereich verwendet man die schon in

Page 55: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 39

Kapitel 3 eingeführte Zustandsraumdarstellung

x = Ax + Bu (4.19)

y = Cx + Du. (4.20)

In Kapitel 3.4 wurde die Zustandsraumdarstellung für die zu regelnde Strecke herge-leitet. Nachfolgendes Blockschaltbild verdeutlicht den Zusammenhang grafisch:

Abbildung 4.6: Blockschaltbild eines linearen Zustandsraummodells

x(t)...Zustandsvektoru(t)...Eingangsvektory(t)...AusgangsvektorA...SystemmatrixB...EingangsmatrixC...AusgangsmatrixD...Durchgangsmatrix

Wie schon in Kapitel 3 beschrieben, soll das Systemverhalten bei Unwuchtanregungin der ersten Biegeeigenfrequenz in horizontaler und vertikaler Richtung beeinflusstwerden. Deshalb reduziert sich die Matrix der in der Regelung zu berücksichtigendenungedämpften Eigenfrequenzen durch modales Abschneiden zu

ω0 =

[ω0,1x 0

0 ω0,1y

](4.21)

und entsprechend reduzieren sich auch die anderen Matrizen der ZustandsgleichungGl.(3.33). Da die Regelung mithilfe von sechs Aktoren (Stellgrößen φA) unter Verwen-dung von zwei Wegsensoren (Messgröße q) erfolgen soll, ergeben sich die Zustandsglei-

Page 56: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 40

chungen aus Kapitel 3.4 dementsprechend zu:

p1

p2

p1

p2

︸ ︷︷ ︸x

=

[0 I

−ω02 2ξω0

]︸ ︷︷ ︸

A

p1

p2

p1

p2

︸ ︷︷ ︸x

+

[0

M−1ΦTJU

]︸ ︷︷ ︸

E

fUx

fUy

︸ ︷︷ ︸

z

+

[0

−M−1ΦTKAqφ

]︸ ︷︷ ︸

B

φA1

φA2

φA3

φA4

φA5

φA6

︸ ︷︷ ︸u

(4.22)

q1

q2

︸ ︷︷ ︸

y

=[Φ 0

]︸ ︷︷ ︸C

p1

p2

p1

p2

︸ ︷︷ ︸x

+

00

ΦM−1ΦTJU

︸ ︷︷ ︸

ES

fUx

fUy

︸ ︷︷ ︸

z

+

00

−ΦM−1ΦKAqφ

︸ ︷︷ ︸

D

φA1

φA2

φA3

φA4

φA5

φA6

︸ ︷︷ ︸u

(4.23)

Es werden jeweils die zwei Aktoren an einer Strebe (Index 1...3) mit derselben elektri-schen Spannung versorgt. Deshalb lässt sich das Gleichungssystem noch weiter zusam-menfassen durch

φA1 = φA2 = φ1 (4.24)φA3 = φA4 = φ2 (4.25)φA5 = φA6 = φ3 (4.26)

Der neue Stellvektor u lautet dementsprechend

u =

φ1

φ2

φ3

(4.27)

und die Einträge in den Matrizen B und D müssen durch Addition der Spalteneinträgeentsprechend angepasst werden.Die Strecke ist somit ausreichend beschrieben und der Regler kann ausglegt werden.

Die Vorteile der Behandlung der Regelaufgabe im Zustandsraum sind u.a. [23]

· allgemeingültige Aussagen für die gesamte Modellklasse sind bei allen linearen,zeitinvarianten Systemen möglich

· systematische und einfache Lösungsverfahren für die Regelaufgabe auch bei hoch-dimensionalen Systemen

· nichtlineare und/oder zeitvariante Systeme lassen sich nicht anders darstellen undbehandeln

Darüber hinaus lässt sich mithilfe spezieller Eigenschaften von Zustandsraumsystemenschon vorab überprüfen, inwieweit die regelungstechnischen Ziele überhaupt erreichbarsind. Darauf wird nun im Folgenden eingegangen.

Page 57: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 41

4.3.1 Struktureigenschaften

4.3.1.1 Minimalrealisierung

Schon im vorangegangenen Kapitel 4.2 wurde bei den Differentialgleichungen 2. Ord-nung auf die Bedeutung einer Übertragungsfunktion G(s) eingegangen. Bei MIMO-Systemen wird das Übertragungsverhalten durch eine Matrix von Übertragungsfunk-tionen G(s) beschrieben. Möchte man diese Übertragungsmatrix für ein System, wel-ches in der Zustandsraumdarstellung vorliegt, angeben, so kann diese berechnet werdenmittels:

G(s) = D + C (sI−A)−1 B (4.28)

Y(s) = G(s)U(s) (4.29)

Umgekehrt ist es auch möglich eine im Laplacebereich vorliegende Übertragungsfunk-tion einer Differentialgleichung 2. Ordnung G(s) in den Zustandsraum zu überführen.Allerdings muss dann darauf geachtet werden, dass das ermittelte Zustandsraumsys-tem in der Minimalrealisierung vorliegt, d.h. es dürfen durch den Transformations-Algorithmus keine Pole oder Nullstellen „künstlich“ eingeführt worden sein, die sichgegeneinander kürzen, da dieser Pol dann nicht mehr als solcher erkennbar ist undbeeinflusst werden kann. Man sagt dann auch, dass solch ein Pol nicht beobachtbar undnicht steuerbar ist [23].

4.3.1.2 Steuerbarkeit

Die sogenannte „Steuerbarkeit“ einer Strecke gibt Auskunft darüber, ob durch dievorgenommene Platzierung der Aktorik die Strecke überhaupt beeinflusst werden kann.Im Fall eines unwuchterregten elastischen Rotors macht es z.B. wenig Sinn, genauim Schwingungsknoten einer Eigenform den Aktor anzubringen, da dort angreifendeKräfte ohne Wirkung bleiben.

In der Regelungstechnik ist die „Steuerbarkeit“ folgendermaßen definiert: Mithil-fe des Reglers soll ein Steuervektor u(t) generiert werden, der das System aus demAnfangszustand x0 in endlicher Zeit in den gewünschten Endzustand xend bringt. Istdies technisch möglich, so ist das System steuerbar. Zur Überprüfung der Steuerbarkeitwird i.d.R. das Kalman’sche Kriterium der Steuerbarkeit herangezogen. Dieses besagt,dass das System x = Ax + Bu mit konstanten Einträgen in A und B genau dannsteuerbar ist, wenn B, AB, . . ., An−1B linear unabhängig sind. Dazu wird die(n, n× p)-Steuerbarkeitsmatrix

QS =(B AB A2B . . . An−1B

)(4.30)

gebildet. Beträgt deren Rang n, so ist das System steuerbar. Die Steuerbarkeit ist einenotwendige Bedingung um das Regelziel zu erreichen[27],[11],[26]. Ein Nachweis fürdie notwendige Bedingung der Steuerbarkeit und der daraus resultierenden Gleichung(4.30) erfolgt u.a. in [26].

Die Überprüfung der Steuerbarkeit des untersuchten Systems mithilfe dieser

Page 58: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 42

Steuerbarkeitsbedingung ergab, dass das System steuerbar ist.

Möchte man auch die Frage beantworten, wie gut ein System steuerbar ist, somuss die Gram’sche Steuerbarkeitsmatrix P aufgestellt werden, welche eine Aussageüber die Energie der modalen Zustände innerhalb des Systems liefert [30]. Sie ergibtsich aus der Impulsantwort des Systems

x(t) = eAtB (4.31)

zuP =

∫ ∞

0

eAtBBT eAT tdt. (4.32)

Die Lösung dieses Integrals ergibt sich aus der sogenannten Ljapunov-Gleichung (sieheauch [26]):

AP + PAT + BBT = 0 (4.33)

Eine Singulärwertzerlegung der Gram’schen Steuerbarkeitsmatrix P liefert eineAussage über die Steuerbarkeit.

Die Gram’sche Steuerbarkeitsmatrix wird im nächsten Unterkapitel für das un-tersuchte System nochmals aufgegriffen.

4.3.1.3 Beobachtbarkeit

Auch die Beobachtbarkeit stellt eine notwendige Bedingung zum Erreichen desRegelziels dar. Zur Veranschaulichung der „Beobachtbarkeit“ dient wiederum einunwuchterregter elastischer Rotor. Wird der Sensor genau im Bereich des Schwin-gungsknotens einer Eigenfom platziert, dann lässt sich die Rotorschwingung nichtmessen, also nicht „beobachten“. Infolgedessen wird auch kein Stellsignal generiert, weilja als Regelgröße der Weg y(t)=0 gemessen wird und somit das Regelziel scheinbarerreicht wurde.

Die regelungstechnische Definition für „Beobachtbarkeit“ lautet: Ein System istgenau dann beobachtbar, wenn man aus einer Messung y(t) und dem Verlauf einerStellgröße u(t) in einem endlichen Zeitintervall den gesamten Systemzustand x(t) undsomit auch den Anfangszustand x0 rekonstruieren kann [26]. Zur Überprüfung der Be-obachtbarkeit eines Systems nach Kalman muss die (r× n, n)-Beobachtbarkeitsmatrix

QB =(C CA CA2 . . . CAn−1

)(4.34)

auf ihren Rang untersucht werden, welcher ebenfalls den Wert n betragen muss.

Die untersuchte Strecke ist nach dem angegebenen Beobachtbarkeitskriteriumbeobachtbar.

Auch die Güte der Beobachtbarkeit kann mithilfe der Gram’schen Beobachtbar-keitsmatrix näher untersucht werden. Durch sie wird der Kehrwert der Minimalenergieder modalen Zustandsgrößen beschrieben, welche benötigt wird, um an den System-

Page 59: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 43

ausgängen Impulse der Größe 1 zu erzeugen [30]. Sie ist analog definiert als:

Q =

∫ ∞

0

eAT tCTCeAtdt. (4.35)

Q ergibt sich in dem Fall aus der Ljapunov-Gleichung (Herleitung siehe [26]):

ATQ + QA + CTC = 0. (4.36)

Auch hier wird zur Beurteilung der Beobachtbarkeit eine Singulärwertzerlegungdurchgeführt.

Zur Beurteilung der Steuer- und Beobachtbarkeit der i-ten Eigenform geben dieHankel-Singulärwerte hi Auskunft, welche aus den Diagonalelementen pii von derGram’schen Steuerbarkeitsmatrix P und qii von der Gram’schen Beobachtbarkeitsma-trix Q folgendermaßen gebildet werden [30]:

hi =√

piiqii. (4.37)

Die Hankel-Singulärwerte sind ein Maß für den Einfluss eines Zustands auf dasSystemverhalten.

Die untersuchte Strecke wurde durch die modale Reduktion auf die ersten bei-den Biegeeigenmoden in horizontaler und vertikaler Richtung reduziert und besitztnur sehr kleine Hankel-Singulärwerte:

Zustand Nr. 1 2 3 4Singulärwert 0.3993 · 10−11 0.3686 · 10−11 0.0034 · 10−11 0.0032 · 10−11

Tabelle 4.1: Hankel-Singulärwerte

Das lässt darauf schließen, dass die vorliegende Strecke nur schlecht steuerbar undbeobachtbar ist und somit die Regelziele nur schwer realisierbar sind. Sie zeigen jedochauch, dass der erste Zustand (in der 1. Eigenfrequenz horizontal) noch besser zu regelnist als der zweite (in der 1. Eigenfrequenz vertikal), da der erste beiden der angegebenenHankelsingulärwerte für den ersten Mode größer ist als für den zweiten. Auf die weitereBedeutung der Hankel-Singulärwerte in der verwendeten Regelung wird später nocheingegangen.

4.3.1.4 Spillover

Als „Spillover“ wird die Zunahme der Schwingungsamplituden in den höheren Frequen-zen, welche nicht mehr durch den Regler beeinflusst werden sollen, bezeichnet [36]. Sokann unterschieden werden zwischen dem „Control Spillover“, bei dem es zum Spilloverkommt, weil durch die Aktorkraft Moden angeregt werden, die bei der Reglersynthesenicht berücksichtigt wurden. Beim „observation spillover“ werden dagegen im geregeltenFrequenzbereich auch höherfrequente Schwingungen von den Sensoren gemessen. DieAuswirkungen des Spillovers können fatal sein, wenn durch die Schwingungen gewisse

Page 60: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 44

Grenzwerte im Bauteil überschritten werden. Als Maßnahme gegen das Auftreten vonSpillover schlägt Preumont [36] deshalb u.a. vor, eine sogenannte robuste Regelung, aufwelche später noch genauer eingegangen wird, zu verwenden. Weitere mögliche, aberam vorliegenden System nicht umsetzbare oder garantiert erfolreiche Maßnahmen zurVermeidung des Spillovers sind [36]:

· Verwendung modaler Filter (entfällt da Anzahl der Aktoren gleich der Anzahlder Sensoren entsprechen muss)

· direktes Feedback mittels Kollokation (entfällt wegen fehlender Kollokation)

· Verwendung von Tiefpassfiltern (führt nicht immer zum gewünschten Regelerfolg)

Die robuste Regelung wird zur Vermeidung des Spillovers im Rahmen dieser Arbeituntersucht. Vergleichsweise wird aber auch der später eingeführte und näher erläuterteoptimale Regler auf seine Robustheitseigenschaften untersucht, da diese meist auchsehr gut sind [26].

4.3.1.5 Stabilität

Der Begriff „Stabilität“ ist bereits mehrfach im Rahmen dieser Arbeit gefallen. Grund-sätzlich müssen dazu die Eigenwerte eines Systems betrachtet werden. Auch bei Syste-men im Zustandsraum müssen zur Untersuchung der Zustandsstabilität die Eigenwerteder Systemmatrix A betrachtet werden. In der untersuchten Strecke lautet die System-matrix:

A =

[0 0

−ω02 2ξω0

](4.38)

Besitzt das Systemx = Ax (4.39)

Eigenwerte in der linken Halbebene des Pol-Nullstellen-Diagramms, also Eigenwertemit negativem Realteil, so ist dieses stabil. Verschwindet der Realteil bei mehrfachenEigenwerten und liegen alle anderen Eigenwerte in der linken Halbebene oder existiereneinfache Eigenwerte auf der imaginären Achse, so ist das System (grenz-)stabil, wennzu den mehrfachen Eigenwerten ihrer Vielfachheit entsprechend linear unabhängigeEigenwerte angegeben werden können [26]. Die Berechnung der Eigenwerte λ erfolgtmithilfe der charakteristischen Gleichung

det(λI−A) = 0. (4.40)

Die Eigenwerte der untersuchten reduzierten Strecke liegen im Pol-Nullstellen-Diagramm in der linken Halbebene, also ist sie stabil.

Es gibt neben der Bestimmung von Pol- und Nullstellen auch zahlreiche andereMöglichkeiten, die Stabilität von Regelkreisen zu bestimmen. Es soll an dieser Stellenoch die Überprüfung des vereinfachten Nyquistkriteriums erwähnt werden, dadieses auch bei der robusten Regelung wieder aufgegriffen wird. Dieses geht von derOrtskurvendarstellung des offenen Regelkreises im Pol-Nullstellen-Diagramm aus und

Page 61: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 45

besagt, dass der geschlossene Regelkreis eines SISO-Systems nur dann stabil ist, wennder kritische Punkt Pkrit = (−1, 0) beim Durchlaufen der Ortskurve mit wachsendemω links von der Ortskurve liegt [27]:

Abbildung 4.7: Ortskurven des offenen Regelkreises [27]

Bei MIMO-Systemen gilt enstprechend: wenn der offene Regelkreis eines Mehrgrö-ßensystems mit der Übertragungsmatrix L = GK mit der Übertragungsfunktionder Strecke G und des Reglers K m Pole auf oder rechts der imaginären Achsebesitzt, so ist der geschlossene Regelkreis genau dann asymptotisch stabil, wenn dieNyquist-Ortskurve von det(I + L(jω)) = |I + L(jω)| bei ω = 0...∞ nicht durch denUrsprung läuft und die Phasendrehung der Nyquist-Ortskurve mπ beträgt [43].

Auch bei der Überprüfung der robusten Stabilität, welche für geschlossene Re-gelkreise mit unsicheren Strecken durchzuführen ist, wird auf die Überprüfung mithilfedes vereinfachten Nyqusitkriteriums zurückgegriffen. Auf sie wird später noch nähereingegangen.

4.3.2 Optimaler Regler im Zustandsraum

Ein Regler muss neben den oben genannten Anforderungen in erster Linie zwei Aufga-ben erfüllen [11]:

1. Beseitigung der Auswirkung von Anfangsstörungen x0

2. Sicherung des gewünschten Verlaufs einer Ausgangsgröße y(t)

Die erste Aufgabe kann mithilfe einer linearen Rückführung der Zustandsgrößen erfülltwerden. Man spricht dann von einer „Zustandsregelung“ oder „Zustandsrückführung“.Das Rückführungsgesetz lautet bei negativer Rückführung:

u(t) = −Kx(t). (4.41)

Es handelt sich hierbei also um einen P-Regler mit der Übertragungsmatrix K. Dasallgemeine Blockschaltbild des geschlossenen Regelkreises gestaltet sich folgenderma-ßen:

Page 62: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 46

Abbildung 4.8: Allgemeines Blockschaltbild für eine Zustandsrückführung

Setzt man das Regelgesetz in die Zustandsgleichung Gl. (4.19) ein, so folgt daraus dieGleichung des geschlossenen Regelkreises:

x(t) = (A−BK)x(t). (4.42)

Die zweite Aufgabe kann mithilfe eines Führungsvektors erfüllt werden, der den ge-wünschten Verlauf der Ausgangsgröße beschreibt. Hier wird zusätzlich zur Zustandsre-gelung mithilfe eines Vorfilters M ein weiteres Stellsignal uV ermittelt. Das Rückführ-gesetz lautet hier für eine lineare Rückführung

uV (t) = Mr(t). (4.43)

Da im vorliegenden System die Führungsgröße r(t) = 0 vorliegt, kann auf diesezusätzliche Steuerung mittels Vorfilter verzichtet werden.

Die Blockstruktur des um den Regler erweiterten Systems hat nunmehr folgen-des Aussehen:

Abbildung 4.9: Blockstruktur geschlossener Regelkreis mit Zustandsregler

Page 63: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 47

Für das vorliegende System wird eine optimale Regelung entwickelt, da mithilfe dieserRegelung auch schon in anderen, ähnlichen Arbeiten ([17], [13], [25]) gute Regelzie-le erreicht wurden. Bei der Reglersynthese wird ein Optimierungskriterium definiert,welches sowohl die Reglerdynamik für das Erreichen des Regelziels berücksichtigt, alsauch die dafür benötigte Stellenergie des Aktors. Ziel ist es, einen Regler zu finden,der die Regelabweichung möglichst schnell verringert, ohne dabei den Stellaufwand zuüberschreiten. Diese zwei Forderungen werden in einem Integralkriterium definiert:

I =

∫ ∞

t0

(x(t)TQx(t) + u(t)TRu(t)

)dt, (4.44)

In der Literatur wird das Integral mitunter noch mit dem Faktor 1/2 multipliziert, umdie Berechnung zu vereinfachen [23]. Mit dem linken Summanden im Integral wird dieDynamik des Regelkreises beschrieben: je schneller das Regelziel erreicht wird, um sokleiner ist dessen Betrag. Der zweite Summand im Integral beschreibt den dafür not-wendigen Stellaufwand: je kleiner der Aufwand ist, umso kleiner wird dieser Wert imIntegral. Die Matrix Q hat nun eine andere Bedeutung als bei der Untersuchung von derSteuerbarkeit und Beobachtbarkeit des Systems - erhält jedoch entsprechend der in derRegelungstechnik üblicherweise verwendeten Bezeichnung das selbe Formelzeichen. Mitder sogenannten Wichtungsmatrix Q wird eingestellt, wie stark die Zustände im Gü-tefunktional berücksichtigt werden und mit der Wichtungsmatrix R wird der Einflussder Stellgrößen u(t) festgelegt. Sie werden in der Regel zu Diagonalmatrizen gewählt.Die optimale Stellgröße ist jene, für die das Integral am kleinsten wird. Die Lösungdes Optimierungsproblems erfolgt durch das Hamilton-Verfahren (genaue Herleitungsiehe [23]). Mithilfe der Verstärkungsmatrix P(t) kann die Übertragungsmatrix K desReglers durch die sogenannten kanonischen Gleichungen ([23]) bestimmt werden:

u(t) = −R−1BTP(t)x(t) = −Kx(t) (4.45)

Die hier noch zeitabhängige Verstärkungsmatrix P(t) wird mithilfe der sogenanntenMatrix-Riccati-Differentialgleichung berechnet:

P(t) = −ATP(t)−P(t)A + P(t)BR−1BTP(t)−Q, P(te) = 0. (4.46)

P(t) ist hierbei nicht zu verwechseln mit der bereits zuvor eingeführten Gram’schenSteuerbarkeitsmatrix. Die Bedeutung von P(t) ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext.

Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass man für den endlichen Zeitbereich einenzeitvariablen Regler erhalten würde anstelle einer konstanten Rückführung. Die sta-tionäre Lösung Ps lässt sich ermitteln, wenn die Matrix-Riccati-Gleichung rückwärtsgelöst wird und davon ausgegangen wird, dass zum Endzeitpunkt ein Eingreifen desReglers nicht mehr notwendig ist, da die Zustandsgröße x(te) = 0 ist [23]. Aufgrundder Komplexität des Optimierungsproblems, kann dieses nur numerisch gelöst werden.

Die Synthese der Zustandsrückführung wird aufgrund des Lösungsverfahrens„Riccati-Regelung“ oder „LQ-Regelung“ (quadratisches Gütefunktional zur Regelungeiner l inearen Strecke) oder einfach „Optimalregelung“ bezeichnet [26].

Page 64: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 48

Ist die Wichtungsmatrix Q symmetrisch und positiv semidefinit sowie R sym-metrisch und positiv definit, so ist der geschlossene Regelkreis mit dem Optimalreglerasymptotisch stabil [26].

Im untersuchten System werden bei der Reglersynthese die WichtungsmatrizenQR und RR (der Index „R“ steht hierbei für Regler) durch sinnvolles Ausprobierenermittelt. Es ist aus den Gleichungen (4.22) und (4.23) bekannt, dass x ein Vektorder Größe 4 × 1 und u ein Vektor der Größe 3 × 1 ist. Somit ergibt sich die Größeder Matrizen aus dem Integralkriterium zu QR : 4 × 4 und RR : 3 × 3. Für dieWichtungsmatrix QR wurden die ersten beiden Einträge (diese entsprechen demVektor p aus Gleichung (4.22)) aufgrund der höheren Hankelsingulärwerte (sieheTabelle 4.1) stärker gewichtet, da diese die Steuerbarkeit und Beobachtbarkeit desSystems mehr beeinflussen als deren Ableitungen p, welche dementsprechend mitdem geringeren dritten und vierten Eintrag auf der Hauptdiagonalen der Matrix QR

gewichtet werden:QR = diag(80 80 1 1). (4.47)

Die Wichtungsmatrix RR für die Stellgrößen wird folgendermaßen festgelegt:

RR = diag(2.6 · 10−10 1.1 · 10−10 6.0 · 10−10). (4.48)

Hierbei entsprechen die Matrixeinträge der Reihenfolge nach den Piezos an den Stre-ben 1, 2 und 3 (siehe Anordnung in Abb.3.2). Anhand der später durchgeführten Va-riationsberechnungen (siehe Kapitel 6) wird deutlich, dass die Regelung zu den bestenErgebnissen führt, wenn die den Sensoren am nächsten gelegenen Piezos mit der höchs-ten Stellspannung versorgt werden, also dort die höchsten Aktorkräfte angreifen, wasder hier gewählten Wichtung entspricht (z.B. Strebe 3 befindet sich am dichtesten anden Sensoren, also ist der 3. Eintrag in der Matrix RR am größten usw.). Die einzel-nen Einträge in der Matrix wurden durch manuelle Abstimmung so gewählt, dass dieeinzelnen Piezos genau mit der technisch maximal möglichen Stellspannung versorgtwerden, um somit die größt möglichen Aktorkräfte zu erzeugen.

4.3.2.1 Beobachter

Die Regelung mithilfe einer Zustandsrückführung setzt voraus, dass alle Zustände x(t)des Systems bekannt sind [26]. In der Regel werden jedoch nicht alle Zustandsgrößengemessen. Die Verwendung eines sogenannten Beobachters bietet eine Möglichkeit, ausden gemessenen Größen y(t) auf alle Zustandsgrößen x(t) zu schließen. Der Zusammen-hang zwischen den Messgrößen und den Zustandsgrößen ist in der bereits in Kapitel3.4 eingeführten Sensorgleichung beschrieben. Der Vollständigkeit halber und für diebessere Nachvollziehbarkeit der nachfolgenden Gleichungen sei zunächst die Zustands-gleichung und die Sensorgleichung des Systems noch einmal angegeben:

x(t) = Ax(t) + Bu(t) (4.49)

y(t) = Cx(t) + Du(t) (4.50)

Page 65: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 49

Das Beobachterkonzept sieht nun vor, ein mathematisches Modell der gesamten Stre-cke mit allen Zuständen zu entwickeln, welches jedoch den tatsächlichen Anfangszu-stand x0(t) nicht kennt. Deshalb werden die Zustände x(t) des realen Systems zunächstnicht mit den vom Beobachter geschätzten Zuständen x(t) der Strecke übereinstimmen.Gleiches gilt demzufolge auch für die Ausgangsgrößen y(t) bzw. y(t). Die Differenzy(t) − y(t) wird mithilfe einer geeigneten Matrix L auf das Modell zurückgeführt, sodass der Schätzfehler

e(t) = x(t)− x(t) (4.51)

für t → ∞ gegen Null strebt. Die Zustände x(t) des Streckenmodells im Beobachterentsprechen dann annähernd den Zuständen x(t) des tatsächlichen Systems. Es gel-ten für das Streckenmodell folgende Zustandsgleichungen, wenn die Regelung auf denZuständen des Beobachter-Modells basiert:

x(t) = Ax(t) + Bu(t) + L (y(t)− y(t)) (4.52)

y(t) = Cx(t) + Du(t) (4.53)

u(t) = −Kx(t) (4.54)

Für ein System, welches mithilfe eines Beobachters geregelt wird, hat das Blockschalt-bild dann folgendes Aussehen:

Abbildung 4.10: Blockschaltbild des geschlossenen Regelkreises mit Beobachter

Die Festlegung der Beobachtermatrix bzw. Korrekturmatrix L kann mithilfe der Schätz-

Page 66: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 50

fehlerdifferentialgleichung erfolgen. Diese kann aus den Gleichungen (4.49)-(4.54) her-geleitet werden:

e(t) = x(t)− ˙x(t)

= A (x(t)− x(t))− L (y(t)− y(t))

= (A− LC) (x(t)− x(t))

= (A− LC) e(t)

(4.55)

Der Schätzfehler e(t) strebt genau dann gegen Null, wenn die Eigenwerte der Dyna-mikmatrix A−LC in der linken Halbebene des Pol-Nullstellen-Diagramms liegen, alsoeinen negativen Realteil haben. Hier kann die Matrix L also mithilfe einer Polvorgabeüber

|λI− (A− LC)| =n∏

i=1

(λ− pi) (4.56)

bestimmt werden („Luenberger-Beobachter“), wobei pi die vorgegebenen Pole sind. ImFalle eines geschlossenen Regelkreises sollte die Dynamik des Beobachters desweiterenhöher sein als die der Strecke, weil man mit dessen Hilfe genau die Zustandsgrößenermitteln möchte, die sich einer direkten Messung entziehen, aber für die Reglerausle-gung relevant sind [11]. Deshalb müssen die Eigenwerte der Dynamikmatrix (A− LC)des Beobachters nicht nur in der linken Halbebene des Pol-Nullstellen-Diagrammsliegen, sondern darüber hinaus links von den Eigenwerten der Systemmatrix A imoffenen Regelkreis bzw. links von den Eigenwerten des geschlossenen Regelkreises(A−BK).

Der Schätzfehler e(t) kann alternativ auch entsprechend der Synthese eines op-timalen Reglers mithilfe eines Gütekriteriums verringert werden, so dass dieserfür beliebige Anfangsbedingungen x0 = x(0) und Anfangsschätzungen x(0) gegenNull strebt. Man spricht dann von einem „optimalen Beobachter“. Dafür wird dasGütekriterium nun folgendermaßen definiert [23]:

I =

∫ ∞

t0

[eT (t)Qe(t) + µT (t)Rµ(t)

]dt. (4.57)

Das vorliegende Optimierungsproblem wird durch den Beobachterkorrekturvektorµ(t) = −LTe(t) minimiert. Durch die Festlegung der Wichtungsmatrix Q kann derBeobachtungsfehler gewichtet werden. Mit der Wichtungsmatrix R kann die Größe derBeobachterkorrektur beeinflusst werden. Es wird also auch hier durch die Wichtungs-matrizen die Eigendynamik des Beobachters beeinflusst. Die den Beobachter beschrei-bende Korrekturmatrix L ergibt sich aus der stationären Riccati-Gleichung [23]

0 = −APs −PsAT + PsC

TR−1CPs −Q, (4.58)

welche äquivalent zur stationären Riccati-Gleichung für die Auslegung eines optima-len Reglers hergeleitet werden kann (siehe auch [26]). Mithilfe von Ps als Lösung derstationären Riccati-Gleichung ergibt sich die Korrekturmatrix L zu

L =(R−1CPs

)T= PsC

TR−1. (4.59)

Page 67: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 51

Aufgrund des Separationstheorems (Herleitung siehe Anhang B) können Regler undBeobachter bei linearen Systemen unabhängig voneinander ausgelegt werden, da dieEigenwerte des Gesamtsystems der Summe der Eigenwerte des Beobachters und desReglers entsprechen.

Erste Untersuchungen an dem Simulationsmodell zeigten, dass die optimale Re-gelung bei Verwendung eines optimalen Beobachters zu besseren Resultaten führt alsbei Verwendung eines Luenberger-Beobachters. Deshalb wurde mit dem optimalenBeobachter weitergearbeitet. Auch hier wurden die Einträge für die Gewichtungsma-trix QB (der Index „B“ steht nun für Beobachter) durch Ausprobieren ermittelt undentsprechend der Hankelsingulärwerte die ersten beiden Zustände stärker gewichtet.Es muss sich für das untersuchte System entsprechend der Gleichungen (4.51) und(4.57) um eine 4 × 4-Matrix mit Einträgen auf der Hauptdiagonalen handeln, wobeidie ersten beiden Einträge aus schon genannten Gründen wie bei der WichtungsmatrixQR wieder höher gewählt wurden:

QB = diag(80 80 1 1). (4.60)

Die Einträge in der Wichtungsmatrix RB sollten nicht zu hoch gewählt werden, dasonst Störanteile im Messsignal verstärkt werden können [23]. Für das im Rahmendieser Arbeit untersuchte System ergibt sich für die Beobachtermatrix L die Größe4× 2 (siehe auch Gleichung (4.52)). Demnach ergibt sich für die Beobachterkorrekturµ(t) die Größe 2 × 1 und für die Wichtungsmatrix RB mit der daraus resultierendenGröße 2× 2 wurde schließlich

RB = diag(1 · 10−10 1 · 10−10) (4.61)

durch sinnvolles Ausprobieren ermittelt.

4.3.3 Robuste Regelung unsicherer Systeme

4.3.3.1 Normen

Für die Behandlung von unsicheren Systemen ist es zunächst notwendig, eine Möglich-keit zur Beschreibung dieser zu finden. So wurde bisher bei den sogenannten nominellenStrecken, welche keine Unsicherheit aufweisen, das Übertragungsverhalten aufgrund derMehrdimensionalität anhand einer Matrix von Übertragungsfunktionen G beschrieben.Dabei beschreibt jede Übertragungsfunktion den Zusammenhang zwischen einer Ein-gangsgröße und einer Ausgangsgröße in dem System. Man bezeichnet deshalb das Über-tragungsverhalten auch als „richtungsabhängig“, da sich somit in Abhängigkeit von derbetrachteten Eingangsgröße bei konstanter Verstärkung eine bestimmte Ausgangsgrößeergibt [43]. Um das Übertragungsverhalten einer mehrdimensionalen Strecke mithilfeeiner einzigen Größe beschreiben und somit letztendlich auch den Erfolg der Regelungbeurteilen zu können, werden sogenannte Normen definiert. Mit ihrer Hilfe soll letzt-endlich für ein Mehrgrößensystem die maximale, frequenzabhängige Verstärkung durcheinen einzigen Wert anstelle einer Übertragungsmatrix G beschrieben werden.Die „Größe“ eines Vektors wird durch die euklidische Norm; auch 2-Norm genannt,

Page 68: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 52

beschrieben:‖x‖2 =

√x2

1 + x22 + . . . + x2

n (4.62)

Vereinfacht gesagt, werden durch die euklidische Norm also die Einträge in einem Vek-tor zusammengefasst zu einem Wert.Da die Übertragungsfunktionen des vorliegenden MIMO-Systems in einer Übertra-gungsmatrix G(jω) beschrieben werden, wird wegen der höheren Dimension eine wei-tere Norm benötigt, welche die maximale Verstärkung eines beliebigen Eingangssignalsdurch die Matrix beschreibt. Diese maximale Verstärkung σ(G(jω)) der Matrix wirdmaximaler Singulärwert genannt und er berechnet sich aus der durch die euklidischeVektornorm induzierte Matrixnorm [43]:

σ(G(jω)) =√

λmax(GHG) (4.63)

Hierbei beschreibt λmax den maximalen Eigenwert der Übertragungsmatrix G und GH

die hermetisch adjungierte Matrix von G. Diese wird berechnet, indem G transponiertwird und die komplexen Einträge durch ihren konjugiert komplexen Wert ersetzt wer-den. Die Vektoren der Ein- und Ausgangsgrößen müssen in dem Fall als euklidischeNorm vorliegen. Der sich ergebende maximale Singulärwert ist frequenzabhängig. Umden Maximalwert der Verstärkungsmatrix G im gesamten Frequenzbereich angeben zukönnen, wird die sogenannte ∞-Norm einer Matrix verwendet. Sie ist definiert als das„Supremum“ (also Maximum) des maximalen Singulärwerts einer ÜbertragungsmatrixG im gesamten Frequenzbereich [43]:

‖G‖∞ = supω

σ(G(jω)). (4.64)

4.3.3.2 Unsicherheiten im Simulationsmodell

Unsicherheiten im Verhalten der Strecke können verschiedene Ursachen haben, wiez.B. nur ungenau bekannte Systemparameter, Modellreduktion oder nicht modellierteNichtlinearitäten. Sie können bewirken, dass der in der Simulation für das nominelleSystem (ohne Unsicherheiten) ausgelegte Regler im Betrieb nicht funktioniert oder dasSystem instabil werden lässt. Es empfiehlt sich also, Unsicherheiten in der System-modellierung und der anschließenden Reglersynthese zu berücksichtigen. Dafür könnenzwei Klassen der Unsicherheiten unterschieden werden: die Klasse der strukturierten(„parametrischen“) Unsicherheiten und die Klasse der unstrukturierten („dynamischen“)Unsicherheiten. In beiden Klassen kann die Unsicherheitsbeschreibung sowohl eingangs-als auch ausgangsseitig additiv, multiplikativ oder invers multiplikativ erfolgen. Mit-hilfe von strukturierten Unsicherheiten lassen sich z.B. Unsicherheiten in denSystemeigenschaften, wie der Masse, Steifigkeit und Dämpfung berücksichtigen, wäh-rend die unstrukturierten Unsicherheiten z.B. fehlende dynamische Anteile, wie nichtmodellierte Eigenformen jenseits des interessierenden Frequenzbereichs berücksichti-gen. Letztere können durch additive unstrukturierte Unsicherheiten beschrieben wer-den; Abweichungen in den Eigenformen selbst dagegen durch multiplikative unstruk-turierte Unsicherheiten [17]. Mithilfe von Gewichten kann die Unsicherheit der Streckefrequenzabhängig definiert werden um somit einen Regler möglichst geringer Dimensi-on synthetisieren zu können [43]. Der Vektor der Unsicherheiten ∆ mit den Skalaren

Page 69: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 53

∆ muss in jedem Fall die Bedingung

‖∆‖∞ ≤ 1, (4.65)

erfüllen [43], d.h. die Unsicherheiten müssen normiert werden und sind einer oberenSchranke unterworfen.

Die Verknüpfung der Strecke G (siehe Abb. 4.1) mit einem Block der Abwei-chungen ∆ erfolgt über eine sogenannte „obere lineare fraktionale Transformation“(kurz: LFT) [39], [17]:

Abbildung 4.11: Unsicheres Modell als LFT

Dabei werden die oberen Systemein- und -ausgänge der unsicheren Strecke G∆ überdie Unsicherheitsmatrix ∆ zurückgeführt. In Abb. 4.11 wurden zur Kenntlichmachungder unsicheren Ein- und Ausgangsgrößen der Index ∆ verwendet. Für eine mathemati-sche Beschreibung der Verknüpfung beider Blöcke wird das sogenannte „Sternprodukt“(Redheffer Star Product) verwendet. So gilt für die vorliegende obere LFT entsprechendder Herleitung siehe Anhang C [43]:

∆ ? G∆ =[G∆21∆ (I−G∆11∆)−1 G∆12 + G∆22

](4.66)

y = (∆ ? G∆)u (4.67)

Während unstrukturierte Unsicherheitsbeschreibungen verwendet werden um mehrereQuellen einer Unsicherheit in einer kompakten Form zusammenzufassen (die Unsicher-heitsmatrix ist voll besetzt), werden bei strukturierten Unsicherheitsbeschreibungeneinzelne Unsicherheiten im System durch eine blockdiagonale Unsicherheitsmatrix ∆

∆ = diag(∆i) (4.68)

beschrieben [43]. Die unstrukturierte Unsicherheitsbeschreibung führt somit zu einersehr konservativen Unsicherheitsbeschreibung, da sich gegenseitig beeinflussendeWechselwirkungen (also Einträge auf den Nebendiagonalen) hierbei nicht berücksich-tigt werden.

Bei der in dieser Arbeit untersuchten aktiven Schwingungsbeeinflussung spielen

Page 70: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 54

insbesondere Unsicherheiten bei den Eigenfrequenzen sowie im Verhalten der Akto-ren eine wichtige Rolle. Die Eigenformen dagegen werden durch das FEM-Modellschon sehr gut beschrieben und weisen somit kaum Abweichungen gegenüber derrealen Strecke auf. Unsicherheiten in der Eigenfrequenz kommen z.B. durch eineungenügende Kenntnis der im Simulationsmodell verwendeten Systemparameterzustande. Deshalb wurde zunächst eine experimentelle Modalanalyse durchgeführt(Ergebnisse siehe Kapitel 5) und die Systemparameter im Simulationsmodell so an diegemessenen Eigenfrequenzen angepasst, dass die Differenz gegenüber den berechnetenEigenfrequenzen nur noch gering ist („Model-Updating“). Erst im Anschluss daranwurde zusätzlich eine Unsicherheitsbeschreibung im Simulationsmodell vorgenommen.Unsicherheiten in der Aktorik tragen z.B. Übertragungsverlusten der Aktorkraft durchdie Klebung oder nichtlinearem Piezoverhalten Rechnung.

Um die aufgrund ungenügend genauer Modellierung des realen Systems entstan-denen Unsicherheiten in der Eigenfrequenz in der Beschreibung der Strecke in modalenParametern berücksichtigen zu können, muss nach [39] die Systemmatrix A dernominellen Strecke im Zustandsraum (siehe Gleichung (4.22))

A =

0 0 1 00 0 0 1

−ω20,1x 0 2ξ1ω0,1x 00 −ω2

0,1y 0 2ξ2ω0,1y

(4.69)

zunächst in Blockform

A =

A1

. . .Ak

. . .AN

(4.70)

transformiert werden, wobei für jeden Block Ak gilt:

Ak =

[0 1

−ω20,k −2ξkω0,k

]. (4.71)

Die Unsicherheit in der k-ten Eigenkreisfrequenz wird mithilfe einer strukturiertenmultiplikativen Unsicherheit beschrieben [17]:

ωk = ω0,k (1 + νω,k) (4.72)

mitνω,k = νω,k,max∆ω,k (4.73)

und |∆ω,k| ≤ 1 als nominelle oder prozentuale Unsicherheit in der k-ten Eigenkreisfre-quenz und νk,max als maximale Abweichung von der k-ten Eigenkreisfrequenz. Dabeibeschreibt ωk die unsichere ungedämpfte k-te Eigenkreisfrequenz und ω0,k die nomi-nelle, ungedämpfte k-te Eigenkreisfrequenz ohne Unsicherheiten (der Index Null stehthier also für nominell). Für das untersuchte System wird entsprechend der Erfahrun-

Page 71: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 55

gen aus den experimentellen Versuchen eine maximal mögliche Abweichung in der Ei-genkreisfrequenz νω,k,max = 4% festgelegt. Die blocktransformierte Systemmatrix mitBerücksichtigung von Unsicherheiten in der Eigenkreisfrequenz A∆,k ergibt sich damitunter Vernachlässigung des quadratischen Terms bei kleinen Unsicherheiten [39] zu

A∆,k =

[0 1

−ω20,k −2ξkω0,k

]︸ ︷︷ ︸

A

+

[0

νω,k,max

]︸ ︷︷ ︸

A21,k

∆ω,k

[−2ω2

0,k −2ξkω0,k

]︸ ︷︷ ︸A12,k

. (4.74)

Die komplette Systemmatrix A∆ lautet dann [39]:

A∆ = A + A21∆ωA12 (4.75)

Isoliert man die Unsicherheit in der Eigenkreisfrequenz ∆ω entsprechend Abb. 4.11 miteiner oberen LFT:

Abbildung 4.12: Blockschaltbild der unsicheren Strecke

so lautet der Vorwärtszweig der LFT (entsprechend Gl.(4.66) und (4.67)):y∆,ω

˙x

=

[0 A12

A21 A

]u∆,ω

x

. (4.76)

Hierbei sind die Zustandsvariablen x sowie Ein- und Ausgangsvektor u und y mit einerTilde versehen, um zu verdeutlichen, dass es sich hierbei immer noch um die block-transformierte Form handelt. Für die rücktransformierte Zustandsraumdarstellung desgesamten Systems mit Unsicherheiten in der Eigenkreisfrequenz gilt dann aufbauendauf den Gleichungen (3.33) und (3.37) sowie (4.76) für die Zustands- und die Ausgangs-gleichung:

x = A0x +[A21 E B

]u∆,ω

zu

(4.77)

y∆ω

y

=

[A12

C

]x +

[0 0 00 Es D

]u∆,ω

zu

(4.78)

Page 72: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 56

Unsicherheiten in der Aktorik lassen sich ebenfalls in strukturierter, multiplika-tiver Form für die blockdiagonale Darstellung der Matrix B berücksichtigen:

bkuk = (b0,k + bA21,k∆Aktor,k) uk. (4.79)

Die Herleitung erfolgt nun für das System mit Unsicherheiten in der Aktorik äquivalentzur Herleitung für das System mit den Unsicherheiten in der Eigenkreisfrequenz. Fürdas Gesamtsystem ergibt sich als obere LFT [17]:

y∆,Aktor

Bu

=

[0 I

BA21 B0

]u∆,Aktor

u

. (4.80)

Die Zustands- und Ausgangsgleichung des Gesamtsystems mit unsicherer Aktorik lau-ten somit nach [17]

x = A0x +[BA21 E B

]u∆,Aktor

zu

(4.81)

und y∆,Aktor

y

=

[0C

]x +

[0 0 I

0 Es D

]u∆,Aktor

zu

. (4.82)

Im untersuchten Simulationsmodell wurde für die Aktorik willkürlich eine Unsicherheitvon 5% angesetzt.

Werden die Unsicherheiten in den Systemeigenfrequenzen und der Aktorik gleichzeitigberücksichtigt, so lautet die Zustandsraumdarstellung des unsicheren Systems mit derUnsicherheitsmatrix [17]:

∆ =

[∆ω

∆Aktor

](4.83)

folgendermaßen:

x = A0x +[A21 BA21 E B

] u∆,ω

u∆,Aktor

zu

(4.84)

y∆,ω

y∆,Aktor

y

=

A12

0C

x +

0 0 0 00 0 0 I

0 0 Es D

u∆,ω

u∆,Aktor

zu

. (4.85)

Folgende Blockdarstellung der Strecke mit Unsicherheiten in der Eigenkreisfrequenzund in der Aktorik verdeutlicht noch einmal den Zusammenhang zwischen den Ein-und Ausgangsgrößen:

Page 73: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 57

Abbildung 4.13: System mit Unsicherheiten in Aktorik und Eigenkreisfrequenz

4.3.3.3 Reglersynthese

Robuste Regler müssen trotz Unsicherheiten in der Regelstrecke Anforderungen an dienominelle und robuste Stabilität und Performance erfüllen. Erstere betrifft dabei dieStrecke ohne Unsicherheiten und die zweite die Strecke mit den Unsicherheiten. DiePerformance-Anforderungen an den geschlossenen Regelkreis mit unsicherer Streckeund einer robusten Regelung sind v.a.[43],[47]:

· Stabilität des Regelkreises

· minimale Auswirkungen der Störungen auf die Regelabweichung

· geringe Auswirkung des Messrauschens auf die Regelabweichung

· kleine Stelltätigkeit des Aktors

Um die Anforderungen an den geschlossenen Regelkreis zu konkretisieren werden Wich-tungsmatrizen vorgegeben. Mit deren Hilfe lässt sich das gewünschte Übertragungsver-halten des geschlossenen Regelkreises vorgeben, so dass diese entsprechend unterschie-den werden können in [39], [43]:

We...Gewichtsmatrix der Regelabweichung e(t)Wr...Gewichtsmatrix der Führungsgröße r(t)Wu...Gewichtsmatrix der Stellgröße u(t)Wdi

...Gewichtsmatrix der eingangsseitigen Störung di(t)

Schematisch kann der Einfluss der Wichtungsmatrizen im geschlossenen Regelkreis mitder zunächst nominellen Strecke G(s) und dem Regler K(s) folgendermaßen dargestelltwerden:

Page 74: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 58

Abbildung 4.14: Wichtungsfunktionen im Regelkreis

Wird die Strecke G mit den Wichtungsmatrizen zur Übertragungsmatrix P zusammen-gefasst und der Übertragungsblock des Reglers für eine übersichtlichere Darstellung imRegelkreis verschoben, so ergibt sich:

Abbildung 4.15: Allgemeiner Regelkreis mit gewichteter Strecke P

Werden die Unsicherheiten ∆ der gewichteten Strecke P in der Blockdarstellung er-gänzt, so kann der geschlossene Regelkreis nun folgendermaßen dargestellt werden:

Page 75: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 59

Abbildung 4.16: Verallgemeinerter Regelkreis für Synthese

Der geschlossene Regelkreis ohne die Streckenunsicherheiten ∆ wurde in dieserBlockdarstellung zum Block M zusammengefasst. Hierbei sind die Systemeingängew der gewichteten Strecke P die externen Störungen und u die Stellgrößen desReglers. Die Ausgänge bilden mit z die Reaktionen des mechanischen Systems anden relevanten Orten und v die dem Regler zugeführten Messgrößen. Da es zusehr komplexen Zusammenhängen führt, wenn die Regelgüte zwischen den externenStörungen w und den Reaktionen z spezifiziert wird, wird vereinfachend angenommen,dass die Regelgüte auch zwischen dem Streckeneingang u und dem Streckenausgang vspezifiziert werden kann unter der Annahme, dass somit auch die Regelgüte zwischenw und z beeinflusst wird [39]. Somit sind die Strukturen des geschlossenen Regelkreisesmit den Gewichten in Abb. 4.14 wieder mit jenen aus Abb. 4.15 übereinstimmend.

Ein möglicher robuster Regler ist der sogenannte H∞-Regler. Bei der H∞-Synthesewerden üblicherweise lediglich unstrukturierte Unsicherheiten in der Strecke berück-sichtigt. Diese sind im untersuchten System jedoch nicht vorhanden, weshalb dieReglersynthese nur die nominelle Strecke ohne Unsicherheiten berücksichtigt. Soll dergeschlossene Regelkreis M mit den unstrukturierten Unsicherheiten ∆ robust stabilsein, so muss das verallgemeinerte Nyquist-Kriterium erfüllt sein, woraus wegen desSeparationstheorems folgt, dass [43],[17]

σ(M(jω)∆(jω)) ≤ σ(M(jω))σ(∆(jω)) ≤ 1. (4.86)

Wegen||∆||∞ ≤ 1 (4.87)

folgt dementsprechend, dass [43]

‖M(K)‖∞!= γmin ≤ 1. (4.88)

Die Lösung des Optimierungsproblems (4.76) erfolgt mithilfe eines γ-Iterationsverfahrens. Aus diesen Bedingungen und der Übertragungsmatrix M = P?K

Page 76: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 60

mit [39]

||P ? K||∞ =

∥∥∥∥[WeSoWr WeGSiWdi

−WuKSoWr −WuTiWdi

]∥∥∥∥∞≤ 1 (4.89)

folgt die Festlegung der oberen Schranken der einzelnen Übertragungsfunktionen mit-hilfe der entsprechenden Gewichtsmatrizen [39]:

σ(KSo) ≤ |WuWr|−1 (4.90)

σ(Ti) ≤ |WuWdi|−1 (4.91)

σ(So) ≤ |WeWr|−1 (4.92)

σ(GSi) ≤ |WeWdi|−1 (4.93)

Bei den betrachteten Übertragungsfunktionen handelt es sich dabei um

· So...Sensitivitätsfunktion

· KSo...Stellübertragungsfunktion

· Ti...umgekehrte Sensitivitätsfunktion; Führungsübertragungsfunktion

· GSi...Störübertragungsfunktion

Hierbei stehen die Indizes „i“ jeweils für „Eingang“ (input) und „o“ für „Ausgang“(output) entsprechend der Berücksichtigung der Gewichtsmatrizen vor oder hinterdem Block der Übertragungsmatrix der Strecke siehe Abb. 4.14. Die Sensitivitätbeschreibt den Einfluss der Regelung auf die Schwingungsamplituden, die Stellüber-tragungsfunktion beschreibt das Verhalten das Reglers bezogen auf die Erzeugung derStellgröße und die Störübertragungsfunktion beschreibt das dynamische Verhalten desgeregelten Systems [17]. Da bei der vorliegenden Regelaufgabe für die Reglersynthesemehrere Gewichtsmatrizen zu unterschiedlichen Übertragungsfunktionen berücksich-tigt werden, spricht man auch von einem „Mixed-Sensitivity“-Problem [28].

Die Festlegung der Gewichtsmatrizen und somit der oberen Schranken der Übertra-gungsfunktionen entscheidet über den Erfolg der Reglersynthese. Die Gewichtsmatrizenwerden in den hier durchgeführten Untersuchungen als Diagonalmatrizen definiert mitfolgenden Einträgen entsprechend [7]:

σ(GSi) < |WeWdi|−1 = κGSi

|HωH ,nH(s)| (4.94)

σ(So) < |WeWr|−1 = κSo mit 1, 5 < κSo < 3 (4.95)

σ(KSo) < |WuWr|−1 = κKSo |K0| mit κKSo < 3 (4.96)

Die erste Gleichung für das Störübertragungsverhalten ist dabei essenziell für die ak-tive Schwingungsreduktion, da mit dieser die Amplitudenüberhöhung in der Resonanz„abgeschnitten“ werden soll. Für die Stellübertragungsfunktion KSo muss ein ReglerK0 vorgegeben werden, der durch die Gewichtsmatrix letztendlich global angepasstwird. Hierbei ist z.B. der optimale Regler aus Kapitel 4.3.2 eine geeignete Wahl. Die

Page 77: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 61

obere Schranke von Ti ergibt sich aus den Vorgaben für die anderen Übertragungs-funktionen und bedarf somit keiner speziellen Vorgabe. Aus diesen oberen Schrankendes Übertragungsverhaltens lassen sich entsprechend den Gleichungen (4.94)-(4.96) dieGewichtsmatrizen ableiten:

We = diag (1) (4.97)

Wr = diag

(1

κSo

)(4.98)

Wdi= diag

(1

κGSi·HωH ,nH

(s)

)(4.99)

Wu = diag

(κKSo

κKSo ·K0(s)

)(4.100)

Die Einträge auf der Hauptdiagonalen einer Gewichtsmatrix wurden in den durchge-führten Untersuchungen jeweils identisch gewählt, um den Aufwand für die Reglersyn-these in Grenzen zu halten. Die Nebendiagonalen sind unbesetzt.Somit werden für die robuste Regelung in dieser Forschungsarbeit folgende Verläufeder Übertragungsfunktionen gemäß den Gleichungen (4.90)-(4.93) durch entsprechen-de Wahl der Wichtungsmatrizen vorgegeben:

Abbildung 4.17: Störübertragungsfunktion

Page 78: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 62

Abbildung 4.18: Stellübertragungsfunktion

Abbildung 4.19: Sensitivität

Page 79: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 63

Abbildung 4.20: Komplementäre Sensitivität

Es wird also verlangt, dass die Amplituden der Störübertragungsfunktion im niedrigenFrequenzbereich einschließlich der ersten Eigenfrequenz durch die Regelung reduziertwerden, während nach dem Durchfahren der ersten Eigenfrequenz die Amplitudenwieder zunehmen dürfen (siehe Abb. 4.17). Dafür ist entsprechend Abb. 4.18 imniedrigen Frequenzbereich eine insbesondere im Bereich der Resonanz zunehmendeStellgröße erforderlich, welche in der Eigenfrequenz maximal wird und danach wiederabnimmt (PT2-Verhalten). Der Wert der Sensitivität musste etwas größer gewähltwerden als vorgeschlagen, um ein zufrieden stellendes Regelergebnis zu erzielen (Abb.4.19). Die komplementäre Sensitivität ergab sich entsprechend der gewählten Gewichte(Abb. 4.20).

Einen möglichen alternativen Reglerentwurf bietet die µ-Synthese. Hierbei wer-den die im untersuchten System vorhandenen strukturierten Unsicherheiten derStrecke bei der Reglersynthese berücksichtigt. Der strukurierte Singulärwert µ ent-spricht dem Kehrwert der kleinsten strukturierten Unsicherheitsmatrix ∆, welchegerade zu Instabilität führt [17]. Es folgt also aus

σ (∆(s)) > 1 (4.101)

für den strukturierten Singulärwert µ:

µ∆ (M(s)) =1

σ(∆(s))< 1 (4.102)

Page 80: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

4.3 Regelung von Mehrgrößensystemen im Zustandsraum 64

Dies ist gleichzeitig die Anforderung, welche der geschlossene Regelkreis für robusteStabilität erfüllen muss [17]. Für die robuste Performance muss

µ∆ (N) ≤ 1 (4.103)

erfüllt werden [43]. Hierbei beschreibt N den geschlossenen Regelkreis mit der gewich-teten Strecke [43]:

Abbildung 4.21: Regelkreis zur Analyse der robusten Performance

so dass also für die LFT des geschlossenen Regelkreises mit den Unsicherheiten geltenmuss [47]:

‖∆ ? P∆ ? K‖∆ =

∥∥∥∥[WeS∆Wr WeG∆S∆iWdi

−WuKS∆oWr −WuT∆iWdi

]∥∥∥∥∆

≤ 1 (4.104)

Die Wichtungsfunktionen werden bei dem untersuchten System für die µ-Syntheseidentisch zu denen gewählt, die schon für die H∞-Synthese verwendet wurden.Weiterhin beschreibt der Index ∆ aus Gleichung (4.103) eine um eine um eine komplexeUnsicherheit ∆W erweiterte Unsicherheitsmatrix

∆ =

[∆ 00 ∆W

](4.105)

Es existiert keine geschlossene Lösung für die Gleichung (4.103), welche letztendlichden gesuchten Regler K liefern würde. Eine Alternative zur näherungsweisen Lösungbietet die sogenannte DK-Iteration, welche aus Gründen der Übersichtlichkeit imAnhang A beschrieben wird. Da bei der µ-Synthese die Unsicherheiten im Systemberücksichtigt werden, ist der Regelerfolg nun nicht mehr allein von der Wahl derWichtungsfunktionen abhängig, sondern auch von der Unsicherheit selbst.

Page 81: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5 Prüfstand

In diesem Kapitel wird der Aufbau des Prüfstands, die verwendeten Sensoren und Ak-toren sowie die notwendigen Hard- und Softwarekomponenten beschrieben. Desweiterenwird auf den für die Reglerimplementierung notwendigen Systemabgleich eingegangen.

5.1 Prüfstandskonstruktion

Ziel der Untersuchungen am Prüfstand ist die Überprüfung der Realisierbarkeit vonaktiver Schwingungsreduktion in der Gehäuseaufhängung mithilfe von auf filigranenGehäusestrukturen befestigten piezoelektrischen Plättchen und einer geeignetenRegelung der Stellgrößen. Eine prinzipielle Darstellung des untersuchten Systemswurde bereits in Kapitel 3 vorgestellt (Abb. 3.1 und 3.2). Da es sich zunächst um einerein akademische Machbarkeitsanalyse handelt, wurde noch keine Aufmerksamkeitauf eine Ähnlichkeit des Prüfstands mit tatsächlich existierenden Strukturen, wieFlugzeugtriebwerken und den dort herrschenden Betriebsbedingungen, geometrischenGrößenordnungen oder Werkstoffen der Bauteile gelegt, in denen das Konzept späterumgesetzt werden soll.

Für die Beschreibung des Prüfstandaufbaus wurde dieser unterteilt in die Kom-ponenten Antriebseinheit, Rotor und Gehäuse.

5.1.1 Antriebseinheit

Die Antriebseinheit bildet ein Drehstrom-Asynchronmotor für Niederspannung derFirma VEM motors GmbH mit einer Synchrondrehzahl von 3000min−1. DessenNennleistung beträgt 4kW bei einer Nenndrehzahl von 2900min−1. Mithilfe einesFrequenzumrichters FR-E540-3,7K EC der Firma Mitsubishi Electric kann dieMotordrehzahl variiert werden. Durch einen Riemen der Firma Optibelt wird dasMotordrehmoment mit einer Übersetzung von 2,15 auf eine Zwischenwelle übertragen.Eine Ausgleichskupplung (Federstegkupplung) der Firma Mädler zum Ausgleich vonAxial- und Winkelversatz überträgt das Drehmoment auf den Rotor. Sie darf fürDrehzahlen bis zu 5000min−1 eingesetzt werden.

Nachfolgende Abbildung zeigt den Aufbau der Antriebseinheit des Prüfstands:

Page 82: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.1 Prüfstandskonstruktion 66

Abbildung 5.1: Antriebseinheit des Prüfstands

5.1.2 Rotor

Der Rotor besteht aus einer langen, dünnen Welle, auf der jeweils im gleichen Abstandzueinander insgesamt drei Scheiben mithilfe von Spannsätzen des Typs BAR der FirmaMädler angebracht sind. Die Welle hat eine Länge von 1088mm bei einem Nenndurch-messer von 25mm. Nachfolgende Abbildung zeigt den Rotor mit der Antriebseinheit(Mitte bzw. links im Bild) und dem Streben-Gehäuse (im Bild rechts)

Abbildung 5.2: Gesamtansicht Prüfstand

Die beiden äußeren Scheiben besitzen einen Außendurchmesser von 158mm, diemittlere Scheibe hat einen Außendurchmesser von 115mm. Alle Scheiben sind 30mmbreit. Antriebsseitig ist der Rotor durch ein Pendelkugellager der Baureihe 2205-K-2RS-TVH-C3 der Firma INA/FAG in einem relativ starren Lagerbock gelagert.Abtriebsseitig ist der Rotor in einem weiteren Pendelkugellager des selben Typs in einer

Page 83: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.1 Prüfstandskonstruktion 67

vergleichsweise nachgiebigen, aber dennoch steifen Gehäusestruktur gelagert, welcheeine Idealisierung einer Triebwerksstützstruktur darstellen soll. Die Lageranordnungerfolgt fest-los. Die einseitige Beeinflussung der Gehäuseschwingungen stellt ebenfallseine Idealisierung dar, da in den hier durchgeführten Untersuchungen zunächsteine generelle Aussage über die Wirksamkeit der aktiven Schwingungsbeeinflussunggetroffen werden soll.

Für die Untersuchungen mit der Regelung ist es notwendig, dass eine „definier-te“, also bekannte Unwucht am Rotor vorhanden ist, da für diese Unwucht der Reglersynthetisiert wird. Der Rotor besitzt jedoch über seiner Länge eine nicht näherbekannte Ur-Unwucht- und Schlagverteilung und muss deshalb zunächst ausgewuchtetwerden. Als Auswuchtverfahren kommt aufgrund seines nachgiebigen Verhaltensdie N-Theorie zum Einsatz. Die Ausgleichssetzungen werden wegen der symmetri-schen Anordnungen der Scheiben auf dem Rotor an der ersten und dritten Scheibevorgesehen. Dort sind bei einem Radius von 65mm jeweils 30 zueinander versetztBohrungen mit einem Durchmesser von 5mm für die Anbringung der Ausgleichsmassenvorhanden. Für das Auswuchtverfahren wurde ein Kontrastsensor zur Bestimmungder Phase sowie ein Wirbelstromsensor IN-081 der Firma Brüel & Kjaer Vibro fürdie Messung der Wegamplituden verwendet. Die Aufnahme und Digitalisierung derzur Bestimmung der Auswuchtsetzungen erforderlichen Messwerte erfolgte mit derMesskarte NI9215; das Einlesen und Speichern der Messwerte wurde mit LabVIEWrealisiert. In der 1. Eigenfrequenz konnten die Schwingungen aufgrund der ermitteltenAusgleichssetzungen um rund 90% reduziert werden.

Die Befestigung der definierten Unwuchtmassen erfolgt an den selben Bohrun-gen der Rotorscheiben, welche auch für die Setzung der Ausgleichsmassen vorgesehensind. Die definierte Unwucht von 409, 5gmm wurde an der mittleren Scheibe an-gebracht. Bei Betrieb in der ersten Eigenfrequenz von ca. 21Hz greift somit eineUnwuchtkraft von 7, 1N am Rotor an, welche sich jeweils zur Hälfte auf beide Lageraufteilt.

5.1.3 Gehäuse

Das Gehäuse besteht aus einer ringförmigen Struktur, durch welche die Lagerkräf-te und Schwingungen mittels drei um 120 versetzt angeschraubten Streben in einenAußenring geleitet werden. Dieser Außenring wird durch zwei an den Seiten ange-schraubte massive Stahlblöcke („Gehäuseaufhängung“, siehe Abb. 5.3 rechts) mit demMaschinentisch („Fundament“) verschraubt. Die Streben können durch eine relativeeinfache Montage und Demontage über Schraubverbindungen ausgetauscht werden.Somit ist es möglich, unterschiedliche Strebendicken in einem Bereich von 1...2mm zumontieren und damit einher gehende Auswirkungen der Steifigkeitseigenschaften desGehäuses auf die Schwingungen in der Aufhängung zu untersuchen. Auch durch ei-ne Änderung des Materials der Streben kann die Steifigkeit des Gehäuses beeinflusstwerden. Für in nachfolgenden Forschungsprojekten vorgesehene Untersuchungen mitanderen Gehäuseformen, welche frontseitig an die Ringstruktur angeschraubt werden,sind entsprechende Bohrungen in der Struktur des Innen- und Außenrings vorgesehen.

Page 84: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.1 Prüfstandskonstruktion 68

So können z.B. auch dünnwandige, konusförmige Gehäusestrukturen montiert werden,welche jedoch in der hier vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt wurden, da hier le-diglich anhand einer beispielhaft ausgewählten Gehäuseform die generelle Machbarkeitder aktiven Schwingungsreduktion mit Piezoaktoren untersucht werden sollte. Da dieBohrungen auch einen Einfluss auf die Gehäusesteifigkeit haben, wurden sie auch imSimulationsmodell berücksichtigt.

Abbildung 5.3: Strebengehäuse

Auf die Streben wird beidseitig jeweils ein Piezoplättchen des Typs PIC255 der FirmaPI Ceramics GmbH mit den Abmessungen 50x25x1mm aufgeklebt. Als Klebstoffwird dafür UHU PLUS ENDFEST 300 verwendet, welcher auch schon in anderenForschungsarbeiten angewendet wurde [17].

In der untersuchten Anordnung wurden die Piezos auf einem Abstand von 48, 75mm,gemessen von der Außenkante des Außenrings zum Mittelpunkt des Plättchens auf denStreben, angebracht. Durch die Austauschbarkeit der Streben können an dem Prüf-stand auch Experimente zur optimalen Klebeposition der Piezoaktoren durchgeführtwerden. Untersuchungen mit DMS zeigten, dass der Biegeanteil der Piezoplättchen amPrüfstandsgehäuse im Betrieb relativ gering ist [10], während der Zug-Druck-Anteildominiert. Aufgrunddessen ist die Position, auf welcher die beiden Piezoplättchen aufder Strebe angebracht werden prinzipiell nicht eingeschränkt. Es sollte jedoch daraufgeachtet werden, dass die beiden Piezoplättchen an einer Strebe jeweils gegenüberliegend angeklebt werden, um keine ungewollten Scherbeanspruchungen der Strebe zuverursachen. Außerdem sollten die Piezoaktoren möglichst nahe an den Sensoren zurMessung der Schwingung in der Aufhängung angebracht werden - also möglichst dicht

Page 85: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.1 Prüfstandskonstruktion 69

am Außenring. Somit wird zumindest annähernd Kollokation erreicht und die Gefahreines Spillovers reduziert. Bei den Untersuchungen werden jeweils die beiden Piezos aneiner Strebe mit der elektrischen Spannung eines Leistungsverstärkers versorgt. Es istgrundsätzlich aber auch möglich, jeden Piezo einzeln über einen Leistungsverstärkeranzusteuern.

Bei der Auslegung der Piezos wurde zum einen darauf geachtet, dass die werk-stofftechnischen Randbedingungen wie Curie-Temperatur und maximal zulässigeelektrische Feldstärke nicht überschritten werden, indem der Rotor und somit diePiezos nicht dauerhaft betrieben und die Ausgangsspannung des Leistungsverstärkersbegrenzt wurde. Zum anderen erfolgte eine mechanische Auslegung der Piezoplättchen.So wurde zunächst die Auswahl der Piezoplättchen von der Firma PI Ceramic durchdie geometrischen Abmessungen der Gehäusestreben eingeschränkt: die Breite derPiezos sollte der Breite der Strebe - also 25mm - nicht überschreiten. Die Länge derPiezos sollte nicht mehr als die halbe Strebenlänge betragen, da es sonst aufgrund vondennoch vorhandenen Biegebeanspruchungen oder Eigenbewegungen zu Ablöseprozes-sen bei der Klebung kommen könnte. Also sollte die Länge der Piezoplättchen nichtmehr als 57, 5mm betragen. Aufgrund dieser geometrischen Einschränkungen wurdenPiezoplättchen der Länge lP = 50mm und Breite von tP = 25mm ausgewählt. DieDicke der Piezoplättchen sollte, wie beschrieben, im Bereich von 1mm...2mm liegen.Es wurde nun die von einem Piezoplättchen erzeugte Kraft berechnet mithilfe derFormel [2]

FPiezo = tP · EP · d31 · E3 · bP . (5.1)

Auf Empfehlung des Piezo-Herstellers PI Ceramic wird für die maximale elektrischeFeldstärke E3 = −0, 3kV/mm als konservativer Erfahrungswert für den Wechselbe-trieb angenommen. Dies entspricht also einer zulässigen Zugdehnung von 10−20% dermaximalen Druckdehnung. Wegen

U3 = E3 · bP (5.2)

ergibt sich für den angegebenen Bereich der Dicke der Piezoplättchen bP eine möglicheStellspannung von ±300V... ± 600V für die Dicke von 1mm bis 2mm. Für die Unter-suchungen werden Piezos von 1mm Dicke verwendet. Somit ist auch gewährleistet,dass die Piezos noch im Großsignalbereich von bis zu 500V/mm betrieben werden, wosie sich linear verhalten.

In Gleichung (5.1) ist lediglich die Materialkonstante d31 noch offen. In dendurchgeführten Untersuchungen wurde das Material PIC255 verwendet - somit istdiese Materialkonstante ebenfalls festgelegt (siehe nachfolgende Tabelle).

Page 86: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.2 Elektronische Hardwarekomponenten 70

Parameter PIC255 PIC151Dichte ρ [g/cm3] 7,80 7,80

Curie-Temperatur Tc [C] 350 250rel. Permittivitätszahl εT

33/ε0 1750 2400rel. Permittivitätszahl εT

11/ε0 1650 1980piezoel. Ladungskonstante d31 [10−12C/N ] -180 -210elast. Steifigkeitskonstante cE

13 [1010N/m2] 7,025 6,385Elastizitätsmodul EP [1012N/m2] 16,1 15,0

Tabelle 5.1: Werkstoffeigenschaften von PIC255 und PIC151 (Auswahl) [34]

In der Simulation wurden zum Vergleich auch Untersuchungen mit Piezos aus demWerkstoff PIC151 durchgeführt.

Mithilfe dieser Werte und einer Dicke des Piezos von 1mm ergibt sich mit Gl.(5.1) eine maximale Stellkraft von 83, 85N für Piezoaktoren des Typs PIC255.Wird die Piezodicke verdoppelt, verdoppelt sich gemäß Gleichung (5.1) auch dieKraft, welche durch den Piezo erzeugt wird. Da die Aktorkräfte zur Entkopplungder Aufhängung von dem restlichen Gehäuse dienen, kann nicht vorab bestimmtwerden, wie groß die Aktorkraft sein muss, um dieses Ziel realisieren zu können.Es ist durchaus möglich, dass wesentlich höhere Kräfte zur Entkopplung notwendigsind als tatsächlich Störkräfte an dem System angreifen. Es lässt sich analytisch undexperimentell nachweisen, dass in einer Strebe in Abhängigkeit von der Phasenlageeiner Unwuchtanregung des Rotors maximal 66% der Lagerkraft - also 2, 34N - wirken[10]. Bei der geringen Unwuchtanregung, wie sie hier im Experiment vorgesehenist, sind die Piezoaktoren somit auch trotz zusätzlich vorhandener Restunwuchtvollkommen ausreichend dimensioniert.

5.2 Elektronische Hardwarekomponenten

Die Piezoflächenwandler werden durch eine elektrische Spannung als Stellsignal ange-regt, welches durch den Regler ermittelt und durch einen Leistungsverstärker verstärktwird. Dafür stehen drei Piezoverstärkermodule der Firma PI Ceramic GmbH zur Ver-fügung, wobei immer ein Verstärker für die Versorgung von zwei Piezoplatten an einerStrebe verwendet wird. Somit kann sich die Leistung auf beide Piezos gleichmäßig auf-teilen und eine Zug-Druck-Beanspruchung der Strebe durch die Piezos gewährleistetwerden. Das in LabVIEW berechnete Stellsignal wird über das analoge Ausgangsmo-dul NI 9263 mit einer maximal möglichen Ausgangsspannung von -10V bis +10V aufden Leistungsverstärker übertragen. Da die verwendeten Leistungsverstärker für ei-ne Eingangsspannung von -5V bis +5V ausgelegt sind, muss das Ausgangssignal vomModul NI 9263 entsprechend auf diesen Wertebereich reduziert werden. Es werdendrei Leistungsverstärker verwendet, die sich jedoch leicht voneinander unterscheiden.Die maximale Ausgangsspannung beträgt bei den zwei Leistungsverstärkern des TypsE507.K003 ±275V und bei dem Leistungsverstärker des Typs E-507.00 ±550V , mitdenen die Piezos jeweils maximal betrieben werden können. Dabei sind die Piezos

Page 87: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.3 Sensorik 71

an der oberen Strebe („Strebe 1“) an den Leistungsverstärker mit der Ausgangsspan-nung von ±550V angeschlossen. Bei diesen Piezos könnte also die vom Hersteller beiWechselbetrieb gemachte konservative Empfehlung der Maximalspannung von 300Vüberschritten werden. Bei den Versuchen wurde deshalb die maximale Versorgungs-spannung der Piezos an „Strebe 1“ zunächst auf 300V beschränkt und diese Grenzedann sukzessive erhöht, nachdem der Betrieb keine Depolarisation erkennen ließ. DieVerwendung unterschiedlicher Leistungsverstärker war bedingt durch den vorhandenenBestand und stellt keine Beeinträchtung des Forschungsvorhabens dar.Während in der Simulation die Regler auf die maximal von den Verstärkern zur Ver-fügung stehende Ausgangsspannung ausgelegt wird, werden bei den Messungen amPrüfstand die Piezos an „Strebe 1“ mit max. ±500V versorgt und alle anderen mitmax ±250V , da vom Hersteller ein ständiger Betrieb mit der maximal möglichen Aus-gangsspannung nicht empfohlen wird. Im Regelergebnis wird dies u.U. zu einer kleinenVerschlechterung des Regelergebnisses führen, welche aber unerheblich ist, da im Rah-men dieser Arbeit zunächst erste Tendenzen zu einer möglichen Schwingungsisolationaufgezeigt werden sollen.

5.3 Sensorik

Als die für den Regelkreis notwendige Messgröße werden an der Gehäuseaufhängungdie Wege in horizontaler und vertikaler Richtung mithilfe von Wirbelstromsensoren desTyps IN-081 der Firma Brüel & Kjaer Vibro, welche einen Messbereich von 1, 5mmbesitzen gemessen. Beide Sensoren sind an ein und derselben Gehäuseaufhängung an-gebracht: der Sensor für die Messung der Auslenkung in horizontaler Richtung befindetsich auf einer Höhe von 225mm gemessen von der Oberseite des Maschinentischs; dieAuslenkung in vertikaler Richtung wird von einem weiteren Sensor bei einem Abstandvon 15mm über der Oberseite der Gehäuseaufhängung in der Mitte gemessen (sieheauch Abb. 5.3). Weiterhin wird auch die Auslenkung der Welle mit einem Wirbelstrom-sensor an der mittleren Scheibe in horizontaler Richtung auf Höhe der Rotationsachsedes unausgelenkten Rotors gemessen (siehe Abb. 3.1 „Auswertepunkt Wegsignal Ro-tor“). Diese Messung dient zum einen der Bewertung des Einflusses der Aktorkräfte aufdie Rotorauslenkungen; zum anderen ermöglicht sie dadurch auch die Überwachung derRotorschwingungen bis hin zum Versuchsabbruch sobald sich die Schwingungsamplitu-den des Rotors signifikant erhöhen. Die Drehzahlmessung und Bestimmung der Phasen-lage des Rotordrehwinkels erfolgt mittels eines Kontrastsensors des Typs KT3W-P1116der Firma SICK AG.

5.4 Datenverarbeitende Hardwarekomponenten

Der Echtzeitregler wird in LabVIEW Realtime beschrieben und das Programm überLabVIEW FPGA auf dem FPGA-Chip des cRIO von National Instruments gespeichert.Dieser Chip ist rekonfigurierbar und mit den benötigten Ein- und Ausgangsmodulenim NI cRIO 9114 Chassis verbunden. Der Echtzeit-Controller NI cRIO 9024 führtdas Programm zur Regelung aus. Er besitzt eine CPU-Taktfrequenz von 800MHz und

Page 88: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.5 Experimentelle Modalanalyse 72

einen Systemspeicher von 512MB. Der Echtzeit-Controller ist über ein gekreuztes Pat-chkabel (Twisted-Pair-Kabel) und RJ-45-Steckern mit dem Messcomputer verbunden.Weiterhin wird das analoge Ausgangsmodul NI 9263 für die Ansteuerung der Piezosverwendet. Dessen Eingangsbereich beträgt ±10V . Die maximale Abtastrate wird mit100kS/s pro Kanal und die Auflösung mit 16bit angegeben.Die Filterung der Messsignale erfolgt anschließend mit einem Bandpassfilter, so dassneben der anregenden Eigenfrequenz noch die benachbarten zwei Frequenzen berück-sichtigt werden, also im Bereich 19...22Hz.

5.5 Experimentelle Modalanalyse

Für die Reglersynthese wurde der vorhandene Prüfstand ohne die Antriebseinheitals Regelstrecke analytisch beschrieben. Damit der Regler seine Aufgabe zuverlässigerfüllen kann und nicht zu Stabilitätsproblemen führt, muss sicher gestellt sein,dass das Verhalten der analytisch beschriebenen Strecke auch dem tatsächlichenPrüfstandsverhalten entspricht (die Strecke selbst entspricht hierbei dem Rotor ohneUnwucht - und die Unwucht wird entsprechend Abb. 4.1 als externe Störgröße berück-sichtigt). Aus diesem Grund wurde eine experimentelle Modalanalyse (kurz: EMA) desPrüfstands mit den 2mm dicken Streben durchgeführt. Mit dieser Strebendicke werdenauch die restlichen Versuche mit der Regelung durchgeführt, abgesehen von einernumerischen Vergleichsuntersuchung mit den 1mm dicken Streben. Die 2mm dickenStreben versprechen aufgrund der größeren Steifigkeit und der damit verbundenenstärkeren Kraftwirkung auf die Gehäuseaufhängung bessere Regelergebnisse. DieAufnahme und Auswertung der Messwerte erfolgte mithilfe der Software SO Analyzer.

Die Ergebnisse der EMA werden für die ersten drei Eigenfrequenzen in folgen-der Tabelle mit den gedämpften Eigenfrequenzen der numerischen Modalanalyse inANSYS verglichen und die Abweichungen der Werte voneinander berechnet:

Nr. ANSYS EMA Abweichung1 20, 79Hz 21, 08Hz 1, 38%2 75, 14Hz 74, 36Hz 1, 05%3 186, 13Hz 188, 70Hz 1, 36%

Tabelle 5.2: Vergleich numerische und experimentelle Eigenfrequenzen

Die Abweichungen zwischen dem Simulationsmodell und dem realen Prüfstand sindbezogen auf die Eigenfrequenzen also nur sehr gering. Neben den Eigenfrequenzen müs-sen auch die Eigenformen von Simulationsmodell und Prüfstand gut übereinstimmen.Über den sogenannten MAC-Wert (MAC=Model Assurance Criterion) kann die linea-re Abhängigkeit der Eigenvektoren von Simulationsmodell xsim und Prüfstand xmess

beschrieben werden [45]. Er ist definiert als

MAC =

(xT

messxsim

)2

(xmessTxmess) (xsim

Txsim). (5.3)

Page 89: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

5.5 Experimentelle Modalanalyse 73

Ist der MAC-Wert Eins, so sind die Eigenvektoren kollinear. Der Wert Null sagt aus,dass die Eigenvektoren orthogonal zueinander sind. Für eine gute Übereinstimmung derEigenformen von Simulationsmodell und Prüfstand sollten also die MAC-Werte nahebei Eins liegen [4]. Da für die vorliegende Analyse genau drei Eigenvektoren gemessenund berechnet wurden, ist die MAC-Matrix quadratisch und für die Auswertung werdendie Werte auf der Hauptdiagonalen betrachtet:

Eigenform Nr. MAC-Wert1 0, 9952 0, 9873 0, 968

Tabelle 5.3: MAC-Werte

Auch hier ist also eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Simulationsmodell undPrüfstand gegeben.

Mithilfe eines Ausschwingversuchs wurde schließlich noch der Dämpfungsgraddes Systems ermittelt. Es ergab sich ein modaler Dämpfungsgrad von D = 0, 04 fürdie erste Eigenfrequenz.

Page 90: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6 Untersuchungen und Ergebnisse

In diesem Kapitel werden zunächst die Ergebnisse der numerischen Untersuchungenmit dem Optimalregler und den robusten Reglern beschrieben und miteinander vergli-chen. Anschließend erfolgt die Auswertung der experimentellen Ergebnisse am Prüf-stand mit den synthetisierten Reglern. Auf diesen Ergebnissen aufbauend werden inweiteren Simulationsstudien die Einflüsse einzelner Parameter auf das Regelergebnisnäher analysiert.

6.1 Simulationsergebnisse

An dem in Kapitel drei beschriebenen Simulationsmodell wurden zahlreiche numeri-sche Untersuchungen durchgeführt. Dies wird v.a. durch die parametrische Beschrei-bung des Simulationsmodells erleichtert. Es wurden zunächst unterschiedliche Reglersynthetisiert und anschließend der geschlossene Regelkreis simuliert und auf (robus-te) Stabilität und Performance untersucht. Im Anschluss daran werden die Regler amPrüfstand eingesetzt und auf deren Wirksamkeit untersucht. Es wurden die

· Optimale Regelung (LQR)

· H∞-Regelung und

· µ-Regelung

verwendet.

Bei der Reglersynthese wurde stets auf die technische Realisierbarkeit am vor-handenen Prüfstand geachtet, d.h. die beiden Piezos an „Strebe 1“ (siehe Abb. 3.2und Abb. 5.3 zur Bezeichnung der Streben) können jeweils mit einer maximalenelektrischen Wechselspannung von ±550V versorgt werden, während an alle anderenPiezos eine elektrische Wechselspannung von maximal ±275V angelegt werden kann.

Alle Simulationen wurden für eine Unwuchtanregung in der Nähe der 1. Biege-eigenfrequenz mit der „definierten“ Unwuchtkraft von 7,13N , welche an der mittlerenScheibe des Versuchsstands angreift, durchgeführt. Aus Bauteilschutzgründen wurdeam Prüfstand der Rotor nicht direkt in der ersten Biegeeigenfrequenz betrieben.Stattdessen erfolgt die Anregung bei einer Frequenz von 20,5Hz. Für den Vergleichmit den Simulationsergebnissen erfolgte somit auch die Simulation im Zeitbereichbei einer Frequenz knapp unterhalb der ersten Biegeeigenfrequenz, in welcher dieSchwingwegamplituden dennoch deutlich überhöht waren.

Page 91: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 75

Für alle numerischen Untersuchungen wurden die

· Schwingwege horizontal und vertikal an der Gehäuseaufhängung

· Wellenschwingwege horizontal und vertikal an der mittleren Scheibe

· Elektrische Spannungen an den Aktoren

ausgewertet. Dabei wurden bei der Auswertung der Simulationsergebnisse jene Knotenbetrachtet, die den Messpunkten am Prüfstand entsprachen.

Die Auswertung erfolgt im Zeitbereich und in der Simulation erfolgt auch eineBetrachtung des Frequenzbereichs, wobei dort v.a. der unterkritische und überkriti-sche Bereich bis zum Abklingen der Resonanzschwingungen interessiert.

In dieser Betrachtung wird davon ausgegangen, dass der Regler stets im einge-schwungenen Zustand dazugeschaltet wird.

Betrachtet werden jeweils die Amplituden und Phasen der einzelnen Signale. Essei darauf hingewiesen, dass aufgrund der nicht symmetrischen Anordnung derSensorik nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Amplituden der Signalegleich groß und die Phasenlagen entsprechend der geometrischen Anordnung um 120

zueinander versetzt auftreten müssen. Dies wäre lediglich dann zu erwarten, wennsich die Sensoren ebenfalls auf den Streben befinden würden und somit alle 120

die umlaufende Unwucht beobachtet werden könnte. So wird jedoch entsprechendder Vorgaben (Wichtungsmatrizen) ein Regler synthetisiert, der die an ihn gefülltenAnforderungen erfüllt durch numerische Optimierungsverfahren, welche selbst nur biszu einem gewissen Grad durch diese Vorgaben beeinflusst werden können und selbstdann auch lediglich die Amplituden der Stellsignale.

6.1.1 Optimale Regelung (LQR)

Durch entsprechende Wichtungsmatrizen (siehe Kapitel 4) konnte ein optimalerRegler unter Verwendung eines optimalen Beobachters synthetisiert werden, welcherdie Schwingungsamplituden des Systems bei Betrieb nahe der ersten Eigenfrequenzreduziert.

Die auf der nächsten Seite folgende Abbildung zeigt das Verhalten des Systemsbei Unwuchtanregung im Zeitbereich: Aus dieser Abbildung ist ersichtlich, dass sichdurch die Regelung die Schwingwege in der Aufhängung in horizontaler Richtung umca. −21, 1% reduzieren. Die Schwingwege in vertikaler Richtung reduzieren sich umca. −32, 8%.

Page 92: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 76

Abbildung 6.1: Simulierte Schwingwege an Gehäuseaufhängung mit Optimalregler(Zeitbereich)

Im Frequenzbereich (siehe nachfolgende Abbildung auf der nächsten Seite) hat derRegler offenbar im gesamten betrachteten Frequenzbereich einen schwingungsmin-dernden Einfluss, welcher jedoch im Bereich der Resonanz am ausgeprägtesten ist.

Beim Vergleich der Ergebnisse mit dem Zeitbereich sei an dieser Stelle noch-mals darauf hingewiesen, das die Anregung im Zeitbereich aus oben genanntenGründen nicht direkt in der Resonanzfrequenz erfolgte und die Schwingwegamplitudenaus der Simulation im Zeitbereich daher etwas geringer sind als die Amplituden direktin der Resonanz bei der Simulation im Frequenzbereich.

Page 93: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 77

Abbildung 6.2: Simulierte Schwingwegamplituden an Gehäuseaufhängung mit Opti-malregler (Frequenzbereich)

Der Regler wurde durch die Festlegung der Einträge in den Wichtungsmatrizen sokonfiguriert, dass die Piezos jeweils mit der technisch maximal möglichen elektrischenSpannung versorgt werden: an den Piezos an „Strebe 1“ liegen ±550V an; an denanderen ±275V . Die technischen Grenzen der Versorgungsspannung sind in der fol-genden Abbildung zum Verlauf der Aktorspannungen durch rote Linien gekennzeichnet.

Entsprechend dieser Abbildung ergibt sich, dass die elektrischen Spannungen,welche an den Piezos an „Strebe 1“ und „Strebe 3“ anliegen phasengleich sind; währenddie elektrische Spannung an den Piezos an „Strebe 2“ den Spannungen der anderenPiezos mit einem Phasenwinkel von ϕ = 37, 8 vorauseilt.

Page 94: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 78

Abbildung 6.3: Simulierte Aktorspannungen der Piezos mit Optimalregler

Werden die Wichtungsmatrizen Q und R so modifiziert, dass sich die Aktorspannun-gen verringern, so verschlechtert sich auch das Regelergebnis.

Die Betrachtung der Rotorschwingwege an der mittleren Scheibe in horizontalerund vertikaler Richtung zeigt, dass es keine Rückwirkung durch die Aktorkräfte aufden Rotor gibt (siehe Abb. 6.4).

Die abschließende Überprüfung der Stabilität des geschlossenen Regelkreises mitder nominellen Strecke ohne Unsicherheiten und dem synthetisierten LQ-Regler zeigte,dass sich dieser stabil verhält. Auch die Überprüfung der robusten Stabilität undPerformance des geschlossenen Regelkreises mit der Strecke mit den strukturiertenUnsicherheiten zeigte, dass dieser stabil ist.

Page 95: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 79

Abbildung 6.4: Simulierte Schwingwege am Rotor (Zeitbereich)

6.1.2 Robuste Regelung

Zur Untersuchung der robusten Regelung dienen ein H∞-Regler und ein µ-Regler. DerH∞-Regler wurde für die nominelle Strecke synthetisiert, da bei der Reglersynthesedie vorhandenden strukturierten Unsicherheiten nicht berücksichtigt werden können.Nach der Synthese erfolgte ergänzend eine Überprüfung des geschlossenen Regelkrei-ses mit der unsicheren Strecke (mit den strukturierten parametrischen Unsicherheiten)auf robuste Performance und robuste Stabilität. Demgegenüber wurde der µ-Regler di-rekt für die unsichere Strecke synthetisiert und anschließend ebenfalls der geschlosseneRegelkreis mit der unsicheren Strecke auf robuste Stabilität und robuste Performanceuntersucht.

6.1.2.1 H∞-Regelung

Für die angenommenen Unsicherheiten in der Regelstrecke konnte ein Regler ermit-telt werden, der die Anforderungen an die robuste Stabilität und robuste Performanceerfüllt. Die dazugehörigen Wichtungsfunktionen sind im Kapitel 4 (Abb. 4.17-4.20) ab-gebildet. Es ergibt sich γ = 0, 67; die Forderung nach γ ≤ 1 entsprechend der Definitionvon Gl. (4.88) wird also erfüllt und somit ist der Regler robust stabil. Folgendes Verhal-ten zeigt der geschlossene Regelkreis bei Betrieb in der Nähe der 1. Biegeeigenfrequenz

Page 96: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 80

unter Unwuchtanregung:

Abbildung 6.5: Simulierte Schwingwege in der Gehäuseaufhängung mit H∞-Regler(Zeitbereich)

Die Regelung bewirkte also kaum eine Verbesserung im Schwingungsverhalten desSystems. Die Schwingwege in horizontaler Richtung wurden um rund −4, 3% reduziert;in vertikaler Richtung um −6, 8%. Der geregelte Schwingweg wies dabei in beidenRichtungen eine Phasenverschiebung von ca. 7, 5 gegenüber dem ungeregelten Weg auf.

Im Frequenzbereich zeigte sich die schwingungsmindernde Wirkung der robustenRegelung erst unmittelbar im Bereich der ersten Biegeeigenfrequenz. Im weiterenVerlauf ist sogar ersichtlich, dass die Schwingwege ab einer Frequenz von ca. 26Hz,also nach Durchlaufen der 1. Eigenfrequenz, wieder ansteigen:

Page 97: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 81

Abbildung 6.6: Simulierte Schwingwegamplituden in der Gehäuseaufhängung mit H∞-Regler (Frequenzbereich)

Die Aktoren werden bei dieser Regelung mit elektrischen Wechselspannungen imBereich von ±76V (an „Strebe 1“), ±68V (an „Strebe 2“) und ±13, 5V (an „Strebe 3“)betrieben - siehe die Verläufe der elektrischen Spannungen an den Aktoren auf dernächsten Seite. Somit werden diese also mit einer wesentlich geringeren Spannung alsder maximal möglichen Spannung versorgt und können nicht die komplette Aktorkrafterzeugen, welche technisch eigentlich möglich wäre.

Diese geringen Aktorspannungen sind offenbar eine Ursache für das schlechtereRegelergebnis. Aber auch die nicht vorhandene Phasenverschiebung der Aktorspan-nungen zueinander könnte einen Einfluss auf das Regelergebnis haben. Durch einemodifizierte Festlegung der Wichtungsmatrizen könnten die Stellsignale für die Pie-zoaktoren beeinflusst werden, allerdings müssen dafür die Performanceanforderungenangepasst werden und es besteht die Gefahr von Instabilität.

Page 98: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 82

Abbildung 6.7: Simulierte Aktorspannungen in den Piezos mit dem H∞-Regler (Zeit-bereich)

Eine Rückwirkung auf die Rotorschwingwege gibt es auch hier nicht (Abb. 6.4 giltsomit auch für die H∞-Regelung und wird nicht noch einmal zusätzlich dargestellt).Neben der robusten Stabilität wird auch die robuste Performance eingehalten.

6.1.2.2 µ-Regelung

Für die Synthese der µ-Regelung wird das unsichere System mit strukturierten para-metrischen Unsicherheiten in der Strecke verwendet. Anstelle einer Störübertragungs-funktion der unwuchterregten Regelstrecke gibt es also entsprechend der definiertenUnsicherheit einen Bereich an möglichen Übertragungsfunktionen. Hier wird beispiel-haft der Schwingweg in der Gehäuseaufhängung bei Unwuchtanregung nahe der erstenBiegeeigenfrequenz für drei zufällig gewählte strukturierte Unsicherheiten im Bereichvon −4% · · ·+ 4% Abweichung der ersten Bieggeeigenfrequenz und −5% · · ·+ 5% Ab-weichung in der Aktorkraft gegenüber den nominellen Werten gezeigt:

Page 99: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 83

Abbildung 6.8: Simulierte Schwingwege in der Gehäuseaufhängung für drei zufällig ge-nerierte Unsicherheiten (Zeitbereich)

Aufgrund der Änderung der Systemeigenschaften (Eigenfrequenz) und der wirksamenKräfte werden also die Schwingwegamplituden zu- oder abnehmen und eine Phasen-verschiebung des Schwingwegs auftreten.

Der Regler muss nun für alle Übertragungsfunktionen in dem beispielhaft be-trachteten Bereich der Unsicherheiten eine Reduktion der Wegamplituden bewirkenund dabei muss die robuste Stabilität und die robuste Performance des geschlossenenRegelkreises mit der unsicheren Strecke eingehalten werden. Je nachdem, wie großdie Unsicherheit der Strecke ausfällt, wird der Schwingweg durch die Regelung mehroder weniger stark beeinflusst. Für die bessere Vergleichbarkeit der einzelnen Regleruntereinander wird das Regelergebnis, welches mit den Wichtungsmatrizen aus Kapitel4 (siehe Abb. 4.17-4.20) gefunden wurde für das nominelle Modell ohne Abweichungengezeigt:

Page 100: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 84

Abbildung 6.9: Simulierter Schwingweg in der Gehäuseaufhängung mit µ-Regler (Zeit-bereich)

Demnach wird der Schwingweg in horizontaler Richtung um ca. −1, 8% verringert undin vertikaler Richtung um ca. −3, 7%. Auch hier weist der geregelte Schwingweg inbeiden Richtungen wie bei der H∞-Regelung einen Phasenversatz von ca. 7, 5 auf.Von allen Regelergebnissen ist dies also das schlechteste, wenn man zum Vergleich dienominelle Strecke heranzieht. Unter einer bestimmten Konstellation von Unsicherhei-ten in der Strecke kann das Regelergebnis aber durchaus auch besser oder schlechterausfallen. Auf keinen Fall wird jedoch das Übertragungsverhalten durch den Reglerverschlechtert. Für γ ergibt sich der Wert 1,0046, womit also also die Anforderung anγ ≤ 1 (siehe Gleichung (4.88)) leicht überschritten wird. Dennoch kann der Reglergerade noch als robust stabil angesehen werden. Für mehr Sicherheit in der robustenStabilität (γ < 1) müssen die zulässigen Unsicherheiten herabgesetzt werden, was alsoeine sehr gute Übereinstimmung zwischen Simulationsmodell und Prüfstand voraus-setzt.Der Amplituden-Frequenzgang zeigt, dass der Regler im gesamten betrachteten Fre-quenzbereich kaum eine schwingungsmindernde Wirkung hat - hier bewirkt der Reglerstattdessen schon ab ca. 21Hz - also in unmittelbarer Nähe der ersten Biegeeigenfre-quenz - eine Amplitudenerhöhung.

Page 101: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.1 Simulationsergebnisse 85

Abbildung 6.10: Simulierte Schwingwegamplituden in der Gehäuseaufhängung mit µ-Regler (Frequenzbereich)

Die auf der nächsten Seite dargestellten elektrischen Spannungen, mit welchen die Pie-zos versorgt werden, betragen hierbei für die Piezos an „Strebe 1“ ±71V , an „Strebe 2“±56V und an „Strebe 3“ ±110V . Hier haben die Stellsignale eine deutliche Phasenver-schiebung zueinander: gegenüber dem Signal an „Strebe 1“ eilt das Signal an „Strebe 2“mit einer Phase von ϕ = 60, 48 vorweg und das Signal an „Strebe 3“ folgt dem Signalan „Strebe 1“ mit einer Verzögerung von ϕ = 37, 8.

Page 102: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 86

Abbildung 6.11: Simulierte Aktorspannungen an den Piezos mit µ-Regler

Es trat kaum eine Verbesserung der Schwingwege durch die Regelung auf, weildie Aktorspannungen im Vergleich zur Optimalregelung wieder relativ gering sindund somit nur geringe Aktorkräfte zur Entkopplung erzeugt werden. Jedoch kanndurch eine Feinabstimmung der Einträge in den Gewichtsmatrizen u.U. ein besseresRegelergebnis erzielt werden kann. Doch dies ist in der Regel sehr aufwendig undselbst kleine Änderungen können schnell zu einem unerwünschten Verhalten desgeschlossenen Regelkreises bis hin zur Instabilität führen. Der vorliegende Reglererfüllt die Anforderungen an die robuste Performance.

Auch hier bewirkt der Regler keine Änderung im Schwingungsverhalten des Ro-tors (es gilt wieder Abb. 6.4).

6.2 Messergebnisse

Nach der Reglersynthese am Simulationsmodell wurden die ermittelten Regler amPrüfstand mithilfe von LABVIEW implementiert. Da die experimentelle Modal-analyse eine sehr gute Übereinstimmung mit dem Simulationsmodell ergab, solltendiese zu qualitativ ähnlichen Resultaten wie im Simulationsmodell des geschlossenenRegelkreises führen. Eine exakte quantitative Übereinstimmung der Mess- undSimulationsergebnisse wird indes nicht erreichbar sein, da am Prüfstand aufgrund von

Page 103: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 87

möglichen Restunwuchten, Nichtlinearitäten in der Lagerung oder im Piezoverhaltenund nicht genau bekannter Dämpfung andere Schwingwege in der Gehäuseaufhänggemessen werden und somit auch andere Stellsignale in den Piezoaktoren bei derRegelung entstehen.

Für eine bessere Übereinstimmung von Mess- und Simulationsergebnis bietet essich entweder an, den Versuchsrotor feiner auszuwuchten oder aber die äußereAnregung im Simulationsmodell an die gemessenen Schwingwege anzupassen. Daaufgrund einer ausgeprägten Schlag- und Unwuchtverteilung des Rotors vom Prüfstanddas Wuchtergebnis nicht weiter verbessert werden konnte, wurde versucht, die imSimulationsmodell verwendete Unwucht an das reale System anzupassen. Dies brachtejedoch auch keine Annäherung siehe Kapitel 6.3.1.

Ausgewertet werden für eine erste Abschätzung zur Umsetzbarkeit der aktivenSchwingungsisolation:

· Schwingweg horizontal und vertikal an der Gehäuseaufhängung

· Schwingweg horizontal an der mittleren Scheibe des Rotors

· Aktorspannungen

Die Anregung des Rotors mit der definierten Unwucht erfolgt wiederum in der erstenBiegeeigenfrequenz bei 20,5Hz. Mit der Messwertaufnahme wurde erst begonnen, wennder Rotor eingeschwungen war. Die Auswertung findet ausschließlich im Zeitbereichstatt.

Die Stellspannungen wurden bei den Messungen gemäß Kapitel fünf auf ±500Vbzw. ±250V beschränkt.

6.2.1 Optimale Regelung

Der in der Simulation synthetisierte Optimalregler, welcher in der Simulation des ge-schlossenen Regelkreises vielversprechende Ergebnisse liefert, führt am Prüfstand zufolgenden Schwingwegen an der Gehäuseaufhängung:

Page 104: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 88

Abbildung 6.12: Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit Optimalregler

Es zeigt sich, dass die durch Regelung die Schwingwege in horizontaler Richtung um−8, 3% reduziert werden, allerdings nehmen die Schwingwege in vertikaler Richtung um+8, 6% zu. Die Schwingwege werden zudem durch die Regelung leicht um 7, 5 phasen-verschoben. Die Ursache für die Schwingwegzunahme wird in später folgenden Untersu-chungen deutlich und dann erläutert. Im Vergleich zum Simulationsergebnis (Abb. 6.1)fällt die Reduktion der Schwingungen in horizontaler Richtung an der Gehäuseauf-hängung etwa 2,5 Mal geringer aus. Auffällig ist, dass die gemessenen Schwingwegesowohl mit als auch ohne Regelung mehr als 2,35 mal höher in horizontaler Richtungund mehr als 2,75 mal höher in vertikaler Richtung sind als in der Simulation. Diesegrößeren Eingangssignale der Regelung bewirken, dass der Regler Stellspannungen fürdie Aktorik vorsieht, welche technisch nicht mehr realisierbar sind - somit erreicht dieelektrische Spannung, mit denen die Aktoren versorgt werden, immer den Bereich dervorgesehen Stellbeschränkung (siehe rote Linien in nachfolgender Abbildung):

Page 105: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 89

Abbildung 6.13: Gemessene Aktorspannungen am Prüfstand mit Optimalregler

Offensichtlich werden also alle Aktoren während der ganzen Zeit mit der maximalmöglichen Spannung von ±500V („Strebe 1“) bzw. ±250V („Strebe 2“ und „Strebe 3“)versorgt - die durch die Regelung vorgegebene Stellspannung kann also nicht mehrumgesetzt werden und der Regler ist somit nicht mehr wirksam. Das Stellsignal an„Strebe 2“ eilt um ca. 7, 5 den gleichphasigen Signalen an „Strebe 1“ und „Strebe 3“nach. In der Simulation war die Phasenverschiebung an „Strebe 2“ jedoch größer undeilte den anderen Spannungen voraus (siehe Abb. 6.3).

Die Schwingwege am Rotor bleiben wie auch in der Simulation unverändert:

Page 106: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 90

Abbildung 6.14: Gemessene Schwingwege am Rotor mit Optimalregler

6.2.2 Robuste Regelung

Die robuste Regelung verspricht durch die Berücksichtigung von Diskrepanzen zwischenrealem Prüfstand und Simulationsmodell eine Abnahme der Schwingwege in der Auf-hängung. Die Höhe der Schwingwegreduktion ist - wie in der Simulation ersichtlich war- jedoch abhängig von der Modellierungsgüte: stimmen Simulationsmodell und Prüf-stand gut überein, führt die Regelung zu besseren Regelergebnissen. Dennoch könnennicht so gute Ergebnisse wie bei der optimalen Regelung erwartet werden, da schonin der Simulation kaum eine Reduktion der Schwingwege in der Gehäuseaufhängungersichtlich war aufgrund von relativ geringen Stellspannungen in der Aktorik zugunstender garantierten Stabilität des Systems im gesamten Unsicherheitsbereich.

6.2.2.1 H∞-Regelung

Durch die H∞-Regelung ändern sich die Schwingwege in der Gehäuseaufhängung - wieauch schon in der Simulation ersichtlich - kaum:

Page 107: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 91

Abbildung 6.15: Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit H∞-Regler

Aus den Messergebnissen geht hervor, dass der Regler die Schwingwege sogar um2, 2% in horizontaler Richtung und 2, 9% in vertikaler Richtung erhöht. Auch hiersind die Schwingwege wesentlich größer als in der Simulation, bedingt durch die zuBeginn des Kapitels genannten mutmaßlichen Ursachen. Jedoch sollte das vorliegendeMessergebnis mit Vorsicht betrachtet werden: schon kleine Messungenauigkeitenkönnen das Regelergebnis verfälschen. Ein Vergleich der ungeregelten Schwingwegein Abb. 6.15 mit jenen in Abb. 6.12 zeigt, dass die Messwerte für die Schwingwegein der Gehäuseaufhängung bereits um ca. 0, 4 · 10−6m unterschiedlich zueinandersind. Es kann also eher davon ausgegangen werden, dass die H∞-Regelung keinennennenswerten Einfluss auf das Schwingungsverhalten in der Gehäuseaufhängung hat.

Die Aktorspannungen fallen auch hier bedingt durch die wesentlich größerenSchwingwege in der Gehäuseaufhängung höher aus:

Page 108: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 92

Abbildung 6.16: Gemessene Aktorspannungen bei H∞-Regelung

Durch die der Messung nachfolgenden Filterung (siehe Kapitel 5) ist das Signal derAktorspannungen nicht mehr glatt. Wie in Abb. 6.16 ersichtlich, wird an den Piezosan „Strebe 1“ eine elektrische Spannung von ±345V angelegt; an den Piezos an „Strebe2“ ±250V - hier läuft der Regler also in die Stellbeschränkung des Aktors (roteLinie in Abb. 6.16) - und an den Piezos an „Strebe 3“ ±61V . Die Aktorspannungensomit an „Strebe 1“ und „Strebe 3“ etwa 4,5 Mal größer und an „Strebe 2“ etwa3,5 Mal höher als in der Simulation. Dennoch entspricht die Aufteilung des Betragsder Aktorspannungen auf die einzelnen Streben in der Messtechnik der Aufteilungin der Simulation: die Piezos an „Strebe 1“ werden mit der höchsten Spannungversorgt; die Piezos an „Strebe 3“ mit der geringsten. Die Signale sind hierbei nichtphasenverschoben zueinander, wie auch in der Simulation.

Die Schwingwege des Rotors in horizontaler Richtung werden sehr geringfügig durchdie H∞-Regelung beeinflusst, aber auch hier können geringste Messungenauigkeitendas Messergebnis bereits beeinflussen:

Page 109: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 93

Abbildung 6.17: Gemessene Schwingwege am Rotor mit H∞-Regler

6.2.2.2 µ-Regelung

Da die µ-Regelung bereits in der Simulation den schlechtesten Regelerfolg zeigte, wirdauch in der Messung eine ähnliche Tendenz des Regelerfolgs erwartet:

Abbildung 6.18: Gemessene Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit µ-Regler

Page 110: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 94

Wie in obiger Abbildung ersichtlich, werden die Schwingwege in horizontaler Richtungzwar um −3, 7% reduziert; in vertikaler Richtung zeigen die Schwingwege jedoch keineÄnderung gegenüber dem ungeregelten System. Auch hier gilt jedoch, dass Messunge-nauigkeiten das Messergebnis beeinflussen können.Eine Betrachtung der Aktorspannungen zeigt, dass diese hierbei ebenfalls generell grö-ßer sind als im Simulationsmodell bedingt durch die größeren Schwingwege in derGehäuseaufhängung:

Abbildung 6.19: Gemessene Aktorspannungen bei µ-Regelung

Die Piezos an „Strebe 1“ werden mit ±170V versorgt, jene an „Strebe 2“ mit ±131V undan „Strebe 3“ mit ±203V . Die elektrischen Spannungen, mit denen die Piezos an „Aktor1“ und „Aktor 2“ versorgt werden, sind etwa 2,4 Mal so hoch wie im Simulationsmodell;an „Strebe 3“ sind die Spannungen etwa 1,8 Mal höher (siehe Abb. 6.11). Dabei wirdauch hier die Tendenz vom Simulationsmodell eingehalten bezüglich der Verteilung derAktorspannungen auf die Piezos an den einzelnen Streben: die Piezos an „Strebe 3“werden mit der höchsten elektrischen Spannung versorgt; die Piezos an „Strebe 2“ mitder geringsten. Es ist zudem in der Messung eine deutliche Phasenverschiebung dereinzelnen Aktorspannungen zueinander zu erkennen: die Spannungen an den Piezos an„Strebe 2“ eilen gegenüber den Spannungen an den Piezos an „Strebe 1“ um ca. 66

voraus; die elektrischen Spannungen an den Piezos an „Strebe 3“ haben gegenüber demSignal an „Strebe 1“ eine Verzögerung von ca. 46. Dieser Phasenversatz entspricht zwarnicht ganz jenem am Simulationsmodell, aber auch bei diesem wurde aus Abb. 6.11

Page 111: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.2 Messergebnisse 95

ersichtlich, dass ein deutlicher Phasenversatz vorliegt, welcher ähnlich dem gemessenenist.Am Rotor konnte beim horizontalen Schwingweg sogar eine leichte Reduktion um ca.5% durch die Regelung gemessen werden:

Abbildung 6.20: Gemessener Schwingweg am Rotor mit µ-Regelung

Dieses Resultat entspricht zwar nicht der Simulation, ist aber durchaus kein uner-wünschter Nebeneffekt der Regelung und kann im Gegensatz zu den Schwingwegen imGehäuse auch nicht auf Messfehler zurückzuführen sein, da der Rotor etwa 100 Malhöhere Schwingwege aufweist, als die Gehäuseaufhängung.

Abschließend seien an dieser Stelle noch einmal die Ergebnisse der Simulationund Messung zusammenfassend gegenüber gestellt:

Regler Simulation MessungLQR −21, 1% −8, 3%

H∞-Regelung −4, 3% +2, 2%µ-Regelung −1, 8% −3, 7%

Tabelle 6.1: Vergleich Schwingwege in horizontaler Richtung in Gehäuseaufhängung

Regler Simulation MessungLQR −32, 8% +8, 6%

H∞-Regelung −6, 8% +2, 9%µ-Regelung −3, 7% ±0%

Tabelle 6.2: Vergleich Schwingwege in vertikaler Richtung in Gehäuseaufhängung

Page 112: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 96

Regler Strebe Simulation Messung1 ±550V ±550V

LQR 2 ±275V ±275V3 ±275V ±275V1 ±76V ±345V

H∞-Regelung 2 ±68V ±250V3 ±13, 5V ±61V1 ±71V ±170V

µ−Regelung 2 ±56V ±131V3 ±110V ±203V

Tabelle 6.3: Vergleich Aktorspannungen der Piezos

6.3 Weitere Simulationsstudien

Bisher wurde gezeigt, in wie weit sich die Schwingungen im Simulationsmodell und amPrüfstand mithilfe eine Aktorik reduzieren lassen. Duch den Vergleich der Messergeb-nisse mit den Simulationsergebnissen wurde deutlich, dass schon kleine Abweichungenzwischen Simulationsmodell und Prüfstand eine große Auswirkung auf das Regelergeb-nis am Prüfstand haben kann. Da im Rahmen dieser Arbeit zunächst eine allgemeineAussage über die Eignung der Piezoplättchen für die aktive Schwingungsisolation ge-troffen werden soll, werden in den nun folgenden Simulationsstudien die Auswirkungenvon Änderungen am System genauer untersucht. Anhand dieser Studien soll auch eineAussage über eventuell mögliche Maßnahmen zur Verbesserung des Regelergebnissesgetroffen werden können. Untersucht wurden in diesem Zusammenhang

· Erhöhung der Unwuchtkraft

· Stellgrößenbeschränkung der Piezoaktoren an „Strebe 1“

· Variation des Piezomaterials

· Streben der Dicke 1mm

· Variation der Ausgangsspannung des Leistungsverstärkers

Von den drei bisher untersuchten Reglern brachte die Optimal-Regelung sowohl in derSimulation als auch am Prüfstand die größte Reduktion der Schwingungsamplituden.Darüber hinaus zeigte die Optimalregelung im Frequenzbereich auch im über- und un-terkritischen Bereich eine Verringerung der Schwingungen. Aus diesem Grund wurdeausschließlich diese Regelung für die nachfolgenden Parametervariationen verwendet.Ziel der Untersuchungen ist, zunächst eine Aussage darüber treffen zu können, ob trotzder Änderung von bestimmten Parametern die Schwingungen reduziert werden können.Das ursprüngliche System ohne veränderte Parameter wird nun als „Basis-System“ be-zeichnet. Ausgewertet werden auch hierbei die Schwingwege in horizontaler und verti-kaler Richtung in der Gehäuseaufhängung sowie die durch die Regelung vorgesehenenAktorspannungen jeweils im Zeitbereich.

Page 113: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 97

6.3.1 Erhöhung der Unwuchtkraft

Die Messergebnisse zeigen, dass die tatsächlichen Schwingwege wesentlich größer sindals in der Simulation. Es gibt zahlreiche mögliche Ursachen dafür, welche bereits inKapitel 6.2 genannt wurden. Es soll deshalb an dieser Stelle untersucht werden, in-wieweit eine Erhöhung der Schwingwege z.B. durch eine größere Unwuchtkraft dasRegelergebnis in der Simulation beeinflusst. Dafür wurde - um den Effekt besonderszu verdeutlichen - eine wesentlich höhere Unwuchtkraft angenommen, welche fünfmalgrößer ist als die Unwuchtkraft im „Basis-System“. Es ergaben sich folgende Schwing-wege:

Abbildung 6.21: Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung bei erhöhter Unwuchtmit Optimalregelung

Gegenüber den gemessenen Schwingwegamplituden in der Gehäuseaufhängung ver-doppeln sich hierbei die Wege in horizontaler Richtung; während sie sich in vertikalerRichtung auf 1/3 des gemessenen Wegs reduzieren ohne Berücksichtigung der Rege-lung. Diese Werte nähern sich also der Größenordnung der gemessenen Schwingwegeam Prüfstand an; zeigen aber auch eine deutlich zunehmende Abweichung zwischendem Simulationsmodell und dem Prüfstand, da die Änderung des Schwingwegs nichtproportional in beide Richtungen erfolgt.

Aus Abb. 6.21 ist weiterhin ersichtlich, dass sich die Schwingwege trotz der

Page 114: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 98

deutlichen Zunahme der Unwuchtkraft weiterhin durch die ursprünglich für das „Basis-System“ synthetisierte Optimalregelung reduzieren. Allerdings fällt die Reduktionnun auch wesentlich geringer aus als am „Basis-System“: in horizontaler Richtungnehmen die Schwingwege nur noch um −4, 8% ab; in vertikaler Richtung um −7, 4%.Die Reduktion fällt somit fünfmal kleiner aus als am „Basis-System“. Es bestehtalso ein linearer Zusammenhang zwischen der Unwuchtkraft und dem geregeltenSchwingweg. Die Aktorspannungen sind ähnlich wie bei den gemessenen Spannungender Optimalregelung (siehe Abb. 6.13) durch die Stellgrößenbeschränkung (in derAbbildung wieder als rote Linie dargestellt) „abgeschnitten“:

Abbildung 6.22: Aktorspannungen bei erhöhter Unwucht mit Optimalregelung

Ursache dafür ist die schon beschriebene Erhöhung der Schwingwege, welche in demRegelkreis zurückgeführt werden und durch die Regelung deshalb höhere Aktorkräfteinduzieren.

6.3.2 Stellgrößenbeschränkung an Piezoaktoren

In den Kapiteln zwei und fünf wurde auf die beschränkte Zugbeanspruchbarkeit vonPiezoaktoren hingewiesen. Bei den verwendeten Piezoaktoren gibt der Hersteller des-halb eine Beschränkung der anliegenden Aktorspannung von ±300V an. Diese wirdbei den Piezos an „Strebe 1“ mit der LQ-Regelung überschritten, da dort durch den

Page 115: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 99

Verstärker elektrische Spannungen bis zu ±550V angelegt werden können, was bei derOptimalregelung des „Basis-Systems“ auch erreicht wird. In der Messung hatte die er-höhte Aktorspannung keine Depolarisation zur Folge. Es stellt sich deshalb die Frage,ob jedoch bei Dauerbetrieb in der Praxis Depolarisationseffekte bei den Piezos auftre-ten können, welche die Beschränkung der Stellspannung an diesen Piezos erforderlichmacht. Aus diesem Grund wird nun eine Beschränkung der Stellspannung an den Piezosan „Strebe 1“ auf ±300V im Simulationsmodell untersucht, wobei die Optimalregelungselbst gegenüber dem „Basis-System“ nicht verändert wurde. Es ergeben sich folgendeSchwingwege:

Abbildung 6.23: Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung bei Stellbeschränkungmit Optimalregelung

Durch die Stellgrößenbeschränkung fällt die Reduktion der Schwingwege nicht mehrganz so hoch aus, wie bei dem „Basis-System“: die Schwingwege in horizontaler Rich-tung reduzieren sich um −16, 5% und in vertikaler Richtung um −30, 5%. So ist alsodie Verringerung des Schwingwegs in horizontaler Richtung um ca. 4, 5% geringer undin vertikaler Richtung um ca. 2, 25% geringer als beim „Basis-System“. Die Aktorspan-nungen entsprechen denen des „Basis-Systems“ mit Ausnahme der elektrischen Span-nungen an „Strebe 1“, wo die Stellgröße wie beschrieben auf ±300V beschränkt wird(die Schranken werden wieder durch die roten Linien angedeutet):

Page 116: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 100

Abbildung 6.24: Simulierte Aktorspannungen bei Stellbeschränkung mit Optimalrege-lung

6.3.3 Variation des Piezowerkstoffs

Für die bisher durchgeführten Simulationen wurden Piezoaktoren des WerkstoffsPIC255 verwendet. Dieser Werkstoff verspricht entsprechend der Auslegungsberech-nungen für die Piezoaktoren des Prüfstands (siehe Gl. (5.1)) die höchsten Aktorkräfteunter allen zur Auswahl stehenden Piezoaktoren. Für weitere Untersuchungen werdennun Piezoaktoren aus dem Werkstoff PIC151 mit einer Optimalregelung verwendet.Die Wichtungsmatrizen QR und RR wurden dafür modifiziert, so dass die Aktorspan-nungen in Amplitude und Phase ähnlich denen zur Regelung mit dem Typ PIC255 sindund somit eine Vergleichbarkeit gegeben ist. Bei Verwendung der Wichtungsmatrizenzur Optimalregelung des „Basis-Systems“ mit PIC255 würden sich die Aktorspannun-gen sonst drastisch verringern und damit auch die Reduktion der Schwingwege in derGehäuseaufhängung durch die Regelung wesentlich geringer ausfallen. Sie sind nunfolgendermaßen gewichtet:

QR,mod = diag(80 80 1 1). (6.1)

RR,mod = diag(1 · 10−10 4 · 10−11 2 · 10−10). (6.2)

Page 117: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 101

Die Matrizen für den optimalen Beobachter wurden nicht geändert. Aufgrund dieserWichtungsmatrizen ergeben sich folgende Schwingwege in der Gehäuseaufhängung:

Abbildung 6.25: Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit PIC151 und Op-timalregelung (Zeitbereich)

Die Schwingwege reduzieren sich also um ca.−6, 8% in horizontaler und um ca.−10, 8%in vertikaler Richtung - das Regelergebnis verschlechtert sich gegenüber der Verwen-dung von PIC255 also um den Faktor 3,1 in beiden Schwingungsrichtungen. Dabeiwerden die Piezoaktoren, wie beschrieben, an „Strebe 1“ mit ±500V angesteuert - dieSpannung fällt hier gegenüber dem „Basis-System“ also etwas geringer aus - und dieanderen Piezoaktoren mit der technisch maximal möglichen elektrischen Spannung von±275V :

Page 118: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 102

Abbildung 6.26: Simulierte Aktorspannungen mit PIC151 und Optimalregler (Zeitbe-reich)

Die Phasenverschiebung der elektrischen Spannungssignale entspricht jener bei derOptimal-Regelung mit den Piezos des Typs PIC255 im „Basis-System“. Die gegenüberdem „Basis-System“ etwas geringere elektrische Spannung der Piezos an „Aktor 1“ istdabei jedoch keine maßgebliche Ursache für die Verschlechterung des Regelergebnisses,sondern die geringere Steifigkeit von dem Werkstoff PIC151 gegenüber dem WerkstoffPIC255 (siehe Tab. 5.1). Dadurch können Piezoaktoren des Typs PIC151 nur geringereAktorkräfte erzeugen als jene aus dem Material PIC255.

6.3.4 Variation der Strebendicke im Gehäuse

Am „Basis-System“ wurde mit 2mm dicken Streben gearbeitet, welche jedoch auchdurch dünnere Streben ausgetauscht werden können. An dieser Stelle werden daherUntersuchungen zum Systemverhalten mit 1mm dicken Streben durchgeführt. Dadurchwird das Gehäuse insgesamt etwas nachgiebiger an der Stelle, an der die Aktorkräf-te angreifen. Der Einfluss der dünneren Streben auf die Eigenfrequenz ist sehr ge-ring und macht sich im Simulationsmodell bis zur dritten Biegeeigenfrequenz nur imNachkomma-Bereich bemerkbar, da die Streben im Gegensatz zu den anderen Bautei-len des untersuchten Systems nur eine relativ geringe Masse besitzen. Der Regelkreis

Page 119: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 103

wurde für diese Strecke mit einem Optimalregler auf Basis der selben Wichtungsma-trizen wie beim System mit 2mm dicken Streben geschlossen. Mit diesem ergaben sichfolgende Resultate:

Abbildung 6.27: Simulierte Schwingwege in Gehäuseaufhängung mit 1mm dicken Stre-ben und Optimalregler (Zeitbereich)

Die Schwingwege verringern sich in horizontaler Richtung also um ca. −19, 9% und invertikaler Richtung nehmen sie um ca. +3, 4% zu. Es fällt auf, dass das Ergebnis hierv.a. in vertikaler Richtung schlechter wird und somit qualitativ dem Messergebnis fürdie Schwingwege mit der Optimalregelung (siehe Abb. 6.12) entspricht, wo in horizon-taler Richtung die Wege zwar reduziert werden, aber in vertikaler Richtung zunehmen.Durch die Regelung verzögert sich der geregelte Schwingweg um ca. 7, 5 in beide Rich-tungen. Die Aktorspannungen entsprechen hierbei in Amplitude und Phasenlage denenbei der optimalen Regelung mit den 2mm dicken Streben.

Page 120: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 104

Abbildung 6.28: Simulierte Aktorspannungen mit 1mm dicken Streben und Optimal-regler (Zeitbereich)

Eine Begründung für das schlechtere Regelergebnis insbesondere in vertikaler Richtungist die Tatsache, dass die an „Strebe 1“ angebrachten Piezos gerade in Wirkrichtungdes Sensors für die Messung des Wegs in der Aufhängung in vertikaler Richtung ei-ne Kraft in die Strebe leiten. Bei zunehmender Nachgiebigkeit der Streben, wie esdurch die abnehmende Strebendicke der Fall ist, werden geringere Kräfte an die ver-gleichsweise starre Gehäuseaufhängung weitergeleitet. An der Aufhängung werden sichdadurch kaum Wege v.a. in vertikaler Richtung messen lassen. Gerade diese werdenjedoch im Regelkreis zurückgeführt und bilden somit die Basis zur Ermittlung derStellgröße, welche die Aktoren aufbringen müssen. Sind die gemessenen Wege in derGehäuseaufhängung bereits gering, so fällt entsprechend auch die elektrische Spannung,mit denen die Aktoren angesteuert werden, geringer aus und somit sind dann auch diebereit gestellten Aktorkräfte geringer, was in dem Fall sogar zu einer Erhöhung desSchwingwegs führen kann, wenn durch die geringen zurückgeführten Wege ungünsti-ge Phasenverschiebungen der Aktorspannungen zueinander als Stellsignal vom Reglergeneriert werden.

Page 121: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

6.3 Weitere Simulationsstudien 105

6.3.5 Variierende Aktorspannungen

In diesem Kapitel wird der Einfluss der Aktorspannungen auf das Regelergebnis unter-sucht. Im Basis-System werden die Piezos an „Strebe 1“ mit max. ±550V betrieben unddie anderen Piezos mit max. ±275V . Nun soll zum einen das Verhalten des geschlosse-nen Regelkreises mit Optimal-Regelung untersucht werden, wenn die Spitzenspannungvon ±550V jeweils an den Piezos an „Strebe 2“ oder „Strebe 3“ angelegt wird anstattan den Piezos an „Strebe 1“ (dies entspricht also einem Austausch der Leistungsver-stärker; entsprechend werden alle anderen Piezos mit max. ±275V betrieben). Zumanderen sollen alle Piezos auf einmal parallel mit max. ±550V betrieben werden. Dadie Phasenverschiebung der Signale zueinander stets denen der Optimalregelung des„Basis-Systems“ entspricht, kann anhand dieser Untersuchung der alleinige Einfluss derAmplituden der Stellsignale auf das Regelergebnis untersucht werden. An dieser Stel-le sind die Simulationsergebnisse aus Gründen der Übersichtlichkeit und der besserenVergleichbarkeit in tabellarischer Form zusammengefasst. Unter der Spalte „Strebe1“ sind die Ergebnisse mit der Optimal-Regelung des „Basis-Systems“ (siehe Kapitel6.1.1) für einen besseren Vergleich eingetragen:

Umax = ±550V an ... „Strebe 1“ „Strebe 2“ „Strebe 3“ allen StrebenWeg horizontal −21, 1% −13, 9% −17, 8% −27, 6%Weg vertikal −32, 8% −19, 2% −34, 4% −45, 6%

Tabelle 6.4: Reduktion der simulierten Schwingwege mit Optimal-Regelung bei varia-bler Aktorspannung

Es zeigte sich - wie erwartet - dass bei der Versorgung aller Aktoren mit der maxi-malen elektrischen Spannung von ±550V das beste Regelergebnis erzielt wird, da indem Fall die höchsten Aktorkräfte im System bereit gestellt werden. Voraussetzungdafür ist die Verwendung entsprechender Leistungsverstärker für die Verstärkung derAktorspannungen an allen drei Streben. Weiterhin fällt auf, dass durch Anlegen dermaximalen elektrischen Spannung an „Strebe 3“ bessere Ergebnisse erzielt werden alsbei der Ansteuerung der Piezos an „Strebe 2“ mit der maximalen elektrischen Span-nung, obwohl „Strebe 2“ und „Strebe 3“ spiegelsymmetrisch zueinander angeordnetsind. Die Ursache dafür ist in der Messstelle für den Schwingweg zu suchen: „Strebe 3“befindet sich an der Gehäuseseite, an der die Auslenkungen mithilfe der Wegsensorengemessen und dem Regelkreis zurückgeführt werden, während „Strebe 2“ am weitestenvon der Messstelle entfernt ist. Durch Verluste bei der Kraftleitung haben somit diehöheren Aktorkräfte an „Strebe 2“ einen geringeren Anteil am gemessenen Weg als hö-here Aktorkräfte an „Strebe 3“, wo die Kraft nur eine kurze Strecke bis zur Messstellezurücklegen muss. Würde also ein Sensor auch an der anderen Gehäuseaufhängungden Weg messen und dem Regelkreis zurückführen, dann würde sich vermutlich auchdas Regelergebnis ändern. Diese Untersuchung zeigt demnach, wie wichtig der Einflusseiner guten Steuerbarkeit und Beobachtbarkeit auf das Regelergebnis ist.

Page 122: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

7 Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurde die Realisierbarkeit einer aktiven Schwingungsiso-lation von filigranen Gehäusestützstrukturen mithilfe von Piezoplättchen untersucht.Ziel ist dabei nicht die komplette Entkopplung der Gehäuseaufhängung vom schwin-gungserregten Gehäuse, sondern lediglich eine Reduktion der Schwingungen, so dassz.B. die Beanspruchung betroffener Bauteile in einem zulässigen Bereich liegen.

Für die Untersuchungen wurde ein unwuchtiger Drei-Scheiben-Rotor betrachtet,welcher einseitig in einer strebenförmigen Gehäusestruktur abgestützt wird. In dieserwurden jeweils zwei Piezoaktoren an jede Strebe geklebt und über eine Regelung miteiner elektrischen Spannung versorgt. Zur Beurteilung des Regelergebnisses werdenin der Gehäuseaufhängung die Schwingwege in horizontaler und vertikaler Richtunggemessen.

Für die Reglersynthese wurde in ANSYS ein parametrisches FEM-Modell desuntersuchten Systems aufgebaut und anschließend mithilfe einer Transformation derSystemmatrizen in MATLAB eine Zustandsraumdarstellung der Strecke definiert.Ein Optimalregler und zwei robuste Regler - ein H∞-Regler und ein µ-Regler -wurden synthetisiert und das Verhalten des geschlossenen Regelkreises in SIMULINKmiteinander verglichen. Die Simulation ergab eine Verringerung des Schwingwegsin der Gehäuseaufhängung um −21% in horizontaler Richtung und um −33% invertikaler Richtung bei der Optimalregelung. Die robusten Regler zeigten dagegennur einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf das Schwingungsverhalten in derGehäuseaufhängung.

Eine ähnliche Tendenz zeigten auch die Messergebnisse am Prüfstand, allerdingswar dort mit der Optimalregelung eine Zunahme des Schwingwegs in vertikalerRichtung um +8, 6% auffällig, während sich der Schwingweg in horizontaler Richtungimmerhin um −8, 3% reduzierte. Die robusten Regler zeigten auch in der Messungnur einen verschwindend kleinen Einfluss auf den Schwingweg in der Aufhängung, sodass generell gesagt werden kann, dass die Optimalregelung zu den besten Resultatenführt.

Sowohl in der Simulation als auch in der Messung fiel auf, dass große Aktor-spannungen, wie sie bei der Optimalregelung vorkommen, notwendig für einensignifikanten Einfluss auf das Schwingungsverhalten in der Aufhängung sind. Umweiteren Ursachen, die über Erfolg oder Misserfolg der Regelung entscheiden, aufden Grund gehen zu können und davon eine allgemeine Aussage für die aktiveSchwingungsisolation ableiten zu können, wurde anhand des Simulationsmodellseine Parameterstudie durchgeführt. Dafür wurde wegen der guten Wirksamkeit stets

Page 123: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

7 Zusammenfassung und Ausblick 107

der Optimalregler verwendet, während eine gezielte Änderung einzelner Parameterstattfand. So wurden folgende Einflüsse untersucht:

· Erhöhung der Unwuchtkraft

· Stellgrößenbeschränkung

· weicheres Piezomaterial (PIC151)

· weichere Streben (1mm)

· Variation der Stellspannung

Die Abweichungen der Schwingwege mit und ohne Regelung sind nachfolgend nocheinmal in einer Übersicht zusammengefasst:

Abbildung 7.1: Vergleich Reduktion des Schwingwegs einzelner Paramtervariationenmit Optimalregelung

In der Parameterstudie ergab sich, dass die Störgröße in dem System für einen gutenErfolg bei der Isolation zum einen gut bekannt und zum anderen bereits so weit wiemöglich reduziert sein sollte, da an die Piezoaktoren nur eine beschränkte Stellspan-nung angelegt werden kann. Es sollte deshalb auch bei der Reglersynthese daraufgeachtet werden, dass der Regler im Simulationsmodell nicht bereits die maximalenAktorspannungen vorsieht, denn wenn diese in der Messung überschritten werdenweil z.B. die tatsächliche Störgröße größer ist als in der Simulation angenommenund die Stellgrößen deshalb in den Bereich der Stellgrößenbeschränkung geraten,verschlechtert sich das Regelergebnis. Die Höhe der Aktorspannungsamplituden kanndurch entsprechende Wichtungsmatrizen bei der Reglersynthese beeinflusst werden.

Page 124: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

7 Zusammenfassung und Ausblick 108

Neben der Spannungsamplitude hat auch die Phasenlage der Aktorspannungen derPiezos an den drei Streben einen Einfluss auf das Regelergebnis. Auf diese kannjedoch bei der Reglersynthese nicht einfach durch die Wichtungsamtrizen Einflussgenommen werden. Vielmehr sind diese Resultat der numerischen Lösungsverfahrenbei der Reglersynthese.Inwieweit die Beschränkung der Zugbeanspruchung bei Piezoaktoren durch die anlie-genden Spannungen tatsächlich zu einer Depolarisation führt, müsste in einer weiterenForschungsarbeit näher untersucht werden. Da es inzwischen auch Leistungsverstärkermit einem höheren Stellbereich gibt, empfiehlt es sich, an alle Piezoaktoren einemöglichst hohe elektrische Spannung anzulegen, da hohe Kräfte für die Entkopplungbenötigt werden. Dies ist aber natürlich nur dann zulässig, wenn die angelegteSpannung nicht zu einer Depolarisation der Piezos führt.

Es ist nicht genau bekannt, welche Aktorkräfte die Piezos zur Entkopplung derAufhängung bereitstellen müssen. Im untersuchten System sind die Schwingwegedurchaus noch weiter reduzierbar, indem höhere Aktorkräfte bereit gestellt werden.Die von den Aktoren bereitgestellten Kräfte sind u.a. von der Steifigkeit des Piezosabhängig, weshalb also dementsprechend steife Piezowerkstoffe für die Isolationverwendet werden sollten. Durch eine Parallelanordnung der Piezoplättchen könnendie Aktorkräfte noch weiter gesteigert werden.

Einen großen Einfluss auf die Regelergebnisse hat auch die Nachgiebigkeit derGehäusestruktur. Je nachgiebiger die Struktur ist, umso kleiner sind die Schwingwegean den nachfolgenden zu entkoppelnden steiferen Strukturen und umso schlechterwird auch das Regelergebnis wegen der Rückführung kleinerer Schwingwege als beisteiferen Übertragungsstrukturen. Der gemessene Schwingweg in vertikaler Richtungin der Gehäuseaufhängung bei Optimalregelung nahm sogar zu, obwohl sich fürdie in der Simulation verwendete Gehäusestruktur keine Zunahme der Schwingwegein der Aufhängung ergab. Somit ist dieser Effekt auch auf andere Ursachen amPrüfstand zurückzuführen, welche die Schwingwege bereits im Gehäuse entkoppeln.So können z.B. durch die Verschraubung der Streben mit den Gehäuseringstrukturenoder die Verschraubung der Aufhängung mit dem Gehäuse zur Verschlechterung desRegelergebnisses führen. In der Simulation wurden die Verschraubungen als festeVerbindungen ohne Dämpfung simuliert, aber am realen Prüfstand können dortVerluste in der Übertragung der Schwingung auftreten, welche zu einem ungünstigenReglerverhalten führt. Auch Verluste durch die Klebeverbindung der Piezoaktorenkönnen zu ähnlichen Effekten führen wie bei der Verringerung der Steifigkeit durchdünnere Streben.

Ebenso sollte auf die Steuerbarkeit und Beobachtbarkeit des Systems Wert ge-legt werden. Die Parameterstudie ergab, dass es einen negativen Einfluss auf dasRegelergebnis hat, wenn die Aktuierung örtlich entfernt von der Sensormessstelleerfolgt (schlechte Beobachtbarkeit). Da an mehreren Stellen aktuiert wird, solltedeshalb an mehreren Stellen der Weg in der Gehäuseaufhängung gemessen werden,damit das Regelergebnis verbessert wird. Aktorik und Sensorik sollten dabei so dichtwie möglich beieinander angeordnet sein.

Page 125: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

7 Zusammenfassung und Ausblick 109

Abschließend lässt sich sagen, dass sich mithilfe von Piezoplättchen und insbe-sondere der Optimalregelung eine aktive Schwingungsreduktion realisieren lässt. Füreine weitere Anwendung in der Wirtschaft muss jedoch zunächst die genaue Strukturbekannt sein, an welcher die Isolation durchgeführt werden soll, um eine Aussageüber Aufwand und Nutzen machen zu können. Weitere Untersuchungen sollten dannspeziell für diese Strukturen erfolgen.

Sollen zunächst an einem akademischen Beispiel weitere Forschungsarbeiten stattfin-den, so empfiehlt es sich neben der Berücksichtigung der oben genannten Punkte nocheine Änderung in der Anordnung der Streben im Gehäuse vorzunehmen: es solltenzukünftig besser vier 90 zueinander versetzte Streben in horizontaler und vertika-ler Richtung verwendet werden, um einen direkten Einfluss der Aktorkräfte auf dieSchwingungswege in horizontaler und vertikaler Richtung näher analysieren zu können.

Weiterhin sollten dann auch die am zukünftigen Einsatzort vorherrschenden Betriebs-bedingungen berücksichtigt werden, da sich dadurch das Verhalten der Piezoaktorenändern kann. Auch die Reduktion bei Anregung in mehreren Eigenfrequenzen wie beieinem Hochlauf und/oder einem breiten Betriebsbereich sollte als nächstes untersuchtwerden. Dabei ist die Gyroskopie nicht mehr vernachlässigbar und es muss mitdrehzahladaptiven Reglern und Beobachtern gearbeitet werden.

Page 126: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Literaturverzeichnis

[1] Finite Element method for piezoelectric vibration, Henno Allik, Thomas J. R.Hughes, International Journal for numerical methods in engineering, vol.2, 151-157, 1970

[2] Improved Analytical Modelling of Smart Piezoelectric Beams and its ExperimentalVerification, J. dennerlein, U.Gabbert, H. Köppe, S. Nunninger, M. Bechthold,Technsiche Mechanik, Band 26, Heft 1, (2006), 44-64

[3] A piezo-based active bearing for noise reduction of rotating machinery, Devos,Stallaert, pinte, symens, sas, Swevers, Adaptronic Congress, Berlin 2008

[4] Maschinendynamik, H. Dresig, F. Holzweißig, Springer-Verlag Berlin Heidelberg,8. Auflage, 2007

[5] DIN 50324-1: Piezoelektrische Eigenschaften von keramischen Werkstoffen undKomponenten, Teil 1: Begriffe,Dezember 2002

[6] Adaptronik - Aktiv gegen Lärm, Vibrationen und Verformungen, H. P. Monner,Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Institu für Faserverbundleicht-bau und Adaptronik, 2008; http://elib.dlr.de/view/subjects/fa.html, Zugriff vom19.07.2011

[7] Methoden und Komponenten für die Realisierung aktiver Schwingungsdämpfung,C. Ehmann, Dissertation, TU Darmstadt 2004

[8] Active Control Algorithms for the Control of Rotor Vibrations Using HybridSqueeze Film Dampers, A. El-Shafei,Journal of Engineering for Gas Turbinesand Power, 124;598-607, Juli 2002

[9] Active vibration isolation of a flexible structure mounted on a vibrating elasticbase, A.H. El-Sinawi, Journal of Sound and Vibration, Februar 2003

[10] Aufbau eines Rotor-Versuchsstandes zur Untersuchung des schwingungsmindern-den Einflusses von Piezo-Aktoren auf Gehäuseschwingungen in Flugzeugtriebwer-ken, Anja Fechtel, Steven Mücke, Projektarbeit, Fachgebiet Konstruktion undProduktzuverlässigkeit, TU Berlin, 2012

[11] Regelungstechnik - Einführung in die Methoden und ihre Anwendung, Otto Föl-linger, Hüthig Verlag Heidelberg, 10. Auflage, 2008

[12] Strukturdynamik - Band 1: diskrete Systeme, R. Gasch, K. Knothe, Spriner-Verlag, 1. Auflage, 1987

Page 127: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Literaturverzeichnis 111

[13] Optimierte aktive Schwingungsdämpfung von Leichtbaustrukturen, J. Günnewig,Fortschrittbereichte VDI - Berichte aus dem Institut für Regelunsgtechnik, RW-TH Aachen, 2000

[14] Technische Schwingungslehre - Lineare Schwingungen diskreter mechanischerSysteme, P. Hagedorn, S. Otterbein, Springer Verlag, 1987

[15] Piezo-Polymer-Composite Unimorph Actuators for Active Cancellation of FlowInstabilities Across Airfoils, Haller, paetzold, Losse, Neiss, Peltzer, Nitsche, King,Woias, Journal of Intelligent Material Systems and Structures, Vol.22 p.462-474,März 2011

[16] Kennfeldbasierte Schaltregelung für ein aktives Magnetlager, Dominik Hofmeyer,Dissertation, Professur Elektrische Energiewandlungssysteme und Antriebe, TUChemnitz, 19999

[17] Aktive Schwingungsminderung an elastischen Rotoren mittels piezokeramischerAktoren, Hans-Georg Horst, Dissertation, TU Darmstadt, Shaker Verlag, 2005

[18] IEEE Standard on Piezoelectricity, ANSI/IEEE Std 176-1987, 1987

[19] Mechatronische Systeme - Grundlagen, Rolf Isermann, Springer-Verlag, BerlinHeidelberg, 2. Auflage, 2008

[20] Vibration based damage diagnostics of an aircraft struc-ture using piezoelectric transducers, Käsgen, Mayer, Fraunho-fer Institute for Structural Durability and System Reliability,http://www.lbf.fraunhofer.de/de/adaptronik/signalverarbeitung-und-strukturueberwachung.html, Zugriff vom 06.09.2012

[21] Vergleich einer piezoelektrischen Lagerabstützung mit Quetschöldämpfern zurSchwingungsreduktion eines elastischen Rotors, C. Kaletsch, Dissertation, TUDarmstadt, 2011

[22] www.keramikverband.de, Piezoelektrische Keramiken, Zugriff vom 03.02.12

[23] Mehgrößenregelung im Zeitbereich, Vorlesungsskript, Prof. Dr.-Ing. RudibertKing, FG Mess- und Regelungstechnik, Institut für Prozess- und Verfahrens-technik, Technische Universität Berlin, 12.07.2010

[24] Robuste Regelung / Mehrgrößenregelung im Frequenzbereich, Vorlesungsskript,Prof. Dr.-Ing. Rudibert King, FG Mess- und Regelungstechnik, Institut fürProzess- und Verfahrenstechnik, Technische Universität Berlin, 2009

[25] Theoretische und experimentelle Analysen von Flugtriebwerksrotoren zur aktivenSchwingungsminderung mit Piezostapelaktoren, F. Lebo, Dissertation, TU Darm-stadt, Shaker Verlag,Aachen 2011

[26] Regelungstechnik 2 - Mehrgrößensysteme, Digitale Regelung, Jan Lunze, SpringerVerlag, 6. Auflage, 2010

Page 128: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Literaturverzeichnis 112

[27] Taschenbuch der Regelungstechnik mit Matlab und Simulink, Prof. Dr.-Ing. HolgerLutz, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wendt, Verlag Harri Deutsch, 8. Auflage, 2010

[28] Entwurf robuster Regelungen, Kai Müller, B.G. Teubner Stuttgart, 1. Auflage1996

[29] Maschinenelemente und Mechatronik I, Prof. Dr.-Ing. R. Nordmann, Prof. Dr.-Ing. H. Birkhofer, Shaker Verlag, 3. Auflage, 2003

[30] Mechatronische Systeme im Maschinenbau I, Prof. Dr.-Ing. R. Nordmann, ShakerVerlag, 2005

[31] Test and Theory for Piezoelectric Actuator-Active Vibration Control of RotatingMachinery, Journal of Vibration and Acoutics, Vol.113 p.167-175, April 1991

[32] Hybrid Active Vibration Control of Rotorbearing Systems Using Piezoelectric Ac-tuators, Palazzolo, Jagannathan, Kascak, Maontague, Kiraly, Journal of Vibra-tion and Acoustics, Vol.115 p.111-119, Januar 1993

[33] Combined Piezoelectric-Hydraulic Actuator Based Active Vibration Control forRotordynamic System, Tang, Palazzolo, Kascak, Montague, Li, Journal of Vibra-tion and Acoustics, Vol.117 p.285-293, Juli 1995

[34] Physik Instrumente - Grundlagen der Nanostelltechnik, 2009

[35] Die ganze Welt der Nano- und Mikropositionierung, Gesamtkatalog, 2011

[36] Vibration Control of Active Structures - An Introduction, Andre Preumont, Klu-wer Academic Publisher, 2nd Edition, 2004

[37] Mechatronics - Dynamics of Electromechanical and Piezoelectric Systems, A.Preumont, Springer-Verlag, 2006

[38] Einführung in die Mechatronik, Werner Roddeck, Teubner Verlag, 3. Auflage,2006

[39] Practical Robust Control of Mechatronic Systems with Structural Flexibilities, U.Schönhoff, Dissertation, TU Darmstadt, 2003

[40] Ein Beitrag zur Optimierung des Schwingungsverhaltens komplexer Rotorsystemmit viskoelastischen Dämpfungselementen, A. Scholz, Dissertation, TU Berlin,2011

[41] Regelungstechnik 1, Gerd Schulz, Oldenbourg Verlag München, 4. Auflage, 2010

[42] Modal active Vibration Control of a Rotor Using Piezoelectric Stack Actuators,Simoes, Steffen, Jr, Der Hagopian, Mahfoud, Journal of Vibration and Control,13(1):45-64, 2007

[43] Multivariable Feedback Control: Analysis and Design, Sigurd Skogestad, Ian Post-lethwaite, John Wiley & Sons, 2. Auflage, 2005

Page 129: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

Literaturverzeichnis 113

[44] Nichtlineare Effekte bei Piezokeramiken unter schwachen elektrischem Feld: Ex-perimentelle Untersuchung und Modellbildung, Utz von Wagner, Habilitation, TUDarmstadt, 2003

[45] Experimentelle Modalanalyse und Computerunterstützte Modellanpassung einerRohkarosserie, F. Wagner, C. Schedlinski, K. Bohnert, J. Frappier, A. Irrgang,R. Lehmann, A. Müller, VDI Schwingungstagung 2004

[46] Taschenbuch der Regelungstechnik, Lutz Wendt, Verlag Harri Deutsch, 9., ergänz-te Auflage, 2012

[47] Aktive Schwingungsdämpfung mechanischer Systeme mittels piezoelektrischer Ak-toren, Sascha Wolff, Diplomarbeit, FG Konstruktion und Produktzuverlässigkeit,TU Berlin, 2010

[48] Finite element analysis and design of active controlled piezoelectric smart struc-tures, S.X. Xu, T.S. Koko, Finite Elements in Analysis and Design 40 (2004)241-262, 2002

[49] Aktive Regel- und Kompensationsstrategien für magnetgelagerteMehrfreiheitsgrad-Rotoren, X. Zhang, Dissertation, Reihe Forschen undWissen - Mechatronik, GCA-Verlag Herdecke, TU Darmstadt, 2003

Page 130: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

A DK-Iteration

Für die Durchführung der DK-Iteration wird eine Skalierungsmatrix

D = diag(diIi) (A.1)

aus beliebigen Vorfaktoren di und Einheits-Blockmatrizen Ii aufgebaut. Diese hatdieselbe Dimension wie die blockdiagonale Matrix der strukturierten Unsicherheit∆ = diag(∆i). Sowohl der Block M als auch der Block ∆ des verallgemeinertenRegelkreises werden nun von links mit der inversen Matrix D−1 und von rechts mitder Skalierungsmatrix D multipliziert, wobei der ursprüngliche Regelkreis dadurchnicht verändert wird, also D∆D−1 = ∆ und DMD−1 = M gilt.

Die hinreichende Bedingung für robuste Stabilität lautet nun wieder

σ(DM(jω)D−1) < 1; ∀ω. (A.2)

D soll durch Optimierung so bestimmt werden, dass der kleinst mögliche Wert für denskalierten Singulärwert σ(DM(jω)D) erhalten wird. Dieses Minimum ist nahe demtatsächlich vorhandenen strukturierten Singulärwert µ:

µ(M) ≤ minD

σ(DMD(jω)); ∀ω (A.3)

In dem Syntheseverfahren für die µ-Synthese wird die Anforderung an die robustePerformance mit der Skalierungsmatrix entsprechend formuliert als

µ∆(N) ≤ min σ(DMD(jω)); ∀ω (A.4)

für den geschlossenen Regelkreis mit der Unsicherheit ∆.Bei der nun angwendeten DK-Iteration wird immer abwechselnd eine H∞-Reglersynthese und eine Minimierung folgendermaßen durchgeführt mit dem Ziel, dassein Regler gefunden wird, welcher den Maximalwert für die obere Grenze für µ∆(N)aus der Unendlichnorm minimiert:

minK

(min

D

∥∥DN(K)D−1∥∥∞

). (A.5)

Durch eine abwechselnde Minimierung bezüglich dem Regler K bzw. D (daher „DK-Iteration“) kann die Optimierungsaufgabe gelöst werden:

· K-Schritt: H∞-Synthese für das skalierte Problem, also minK‖DN(K)D−1‖∞

· D-Schritt: Bestimmung von D(ω) für alle ω und feststehendes N, so dassσ

(DND−1(jω)

)minimal ist

Page 131: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

A DK-Iteration 115

Die im D-Schritt gefundenen Werte D(ω) müssen von einer Funktion approxmiertwerden und dann wieder in den K-Schritt eingesetzt werden.

Page 132: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

B Separationstheorem für dengeschlossenen Regelkreis mitBeobachter

Dem geschlossenen Regelkreis wird durch Vorgabe vom Regler K das dynamischeVerhalten vorgeschrieben. Da auch der Beobachter ein bestimmtes Dynamikverhaltenaufweist, stellt sich die Frage nach der gegenseitigen Beeinflussbarkeit der Eigenwertevon Regler und Beobachter im geschlossenen Regelkreis mit Beobachter und damitverbunden auch die daraus resultierende Stabilität des Gesamtsystems.

Für die Beantwortung dieser Frage müssen die Eigenwerte der Regelstrecke mitnegativer Rückführung der Zustände und die Eigenwerte des Beobachters betrachtetwerden. Die Strecke wird beschrieben durch

x(t) = Ax(t) + Bu(t). (B.1)

Die negative Rückführung u(t) = −Kx der vom Beobachter ermittelten Zuständeeingesetzt in die Zustandsgleichung ergibt

x(t) = (A−BK)x(t) + BKe(t) (B.2)

unter Berücksichtigung des Schätzfehlers e(t) = x(t)− x(t).

Für den Beobachter gilt

˙x(t) = Ax(t) + Bu(t) + L (y(t)− y(t)) (B.3)

Einsetzen der Sensorgleichungen der Strecke

y(t) = Cx(t) + Du(t) (B.4)

und des Beobachtersy(t) = Cx(t) + Du(t) (B.5)

ergibt für die Ableitung des Schätzfehlers die schon bekannte Gleichung

e(t) = (A− LC) e(t). (B.6)

Page 133: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

B Separationstheorem für den geschlossenen Regelkreis mit Beobachter 117

Der geschlossene Regelkreis mit Beobachter wird dementsprechend durch die Vektor-differentialgleichung

x(t)e(t)

=

[A−BK BK

0 A− LC

]x(t)e(t)

(B.7)

beschrieben.

Die Eigenwerte dieses Systems ergeben sich aus den Matrizen auf der Hauptdia-gonalen, da es sich um eine Blockdreiecksmatrix handelt [26],[23]. Das heißt, dieEigenwerte setzen sich aus den Eigenwerten des geschlossenen Regelkreises ohneBeobachter und aus den Eigenwerten des Beobachters zusammen. Somit können derRegler und der Beobachter unabhängig voneinander ausgelegt werden, denn die fürdie Stabilität notwendigerweise festgelegten Eigenwerte des Systems beeinflussen sichnicht gegenseitig [26]. Die voneinander unabhängige Festlegung der Eigenwerte wirddeshalb auch Separationstheorem genannt.

Page 134: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

C Herleitung der oberen LFT

Mithilfe der oberen LFT wird die Strecke G mit den Unsicherheiten ∆ über die obe-ren Systemein- und Ausgänge verbunden. Da in der Strecke dann die Unsicherheitenberücksichtigt sind, wird sie korrekterweise mit dem Index ∆ versehen und G∆ be-zeichnet:

Abbildung C.1: Unsichere Strecke

Entsprechend der Abbildung gelten die Gleichungeny∆

y

=

[G∆11 G∆12

G∆21 G∆22

]u∆

u

(C.1)

bzw. ausformulierty∆ = G∆11 · u∆ + G∆12 · u (C.2)

y = G∆21 · u∆ + G∆22 · u. (C.3)

Für den Unsicherheitsblock ∆ gilt

u∆ = ∆ · y∆. (C.4)

Durch Einsetzen von dem Unsicherheitsblock Gl.C4 in den entsprechenden oberen Teilder Gleichung für die Strecke Gl. C2 ergibt sich

y∆ = G∆11 ·∆ · y∆ + G∆12 · u (C.5)

und durch Umformen(I−G∆11 ·∆)y∆ = G∆12 · u (C.6)

bzw.y∆ = (I−G∆11 ·∆)−1 ·G∆12 · u. (C.7)

Gl. C7 wird nun eingesetzt in den unteren Teil des Übertragungssystems der Strecke

Page 135: Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor ... · Ein Beitrag zur aktiven Schwingungsisolation in Rotor-Gehäuse-Leichtbaustrukturen vorgelegt von Diplom-Ingenieurin Henrike

C Herleitung der oberen LFT 119

Gl. C3:y = G∆21 ·∆ · (I−G∆11 ·∆)−1 ·G∆12 · u + G∆22u. (C.8)

Durch Zusammenfassen ergibt sich daraus die obere LFT, welche die Unsicherheitsma-trix mit der Strecke verknüpft:

y = (∆ ? G∆) · u =(G∆21 ·∆ · (I−G∆11 ·∆)−1 ·G∆12 + G∆22

)· u. (C.9)