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Herman Thole Ein komischer Vogel, dieser Strauß ...eine schwankhafte Komödie in drei Akten Aus dem Holländischen übersetzt von Jürgen M. Reuter Rudi und Luise Strauß stecken ihren Kopf in den Sand, denn große Gefahr droht dem Hause Strauß. Per Telefon kündigt sich für diesen Samstagnachmittag jede Menge "Besuch" an. Besuch, der nur das Eine zu wollen scheint: Geld eintreiben für unbezahlte Rechnungen! Die beiden beschließen, sich lieber erstmal bei Tante Berta auf dem Land in Sicherheit zu bringen... Rudi kann seinen gut durchtrainierten Kollegen Josef Eulmann vorsorglich dazu überreden, dieses Wochen- ende in der Strauß'schen Wohnung zu verbringen, damit da nichts anbrennt. Eine Nachbarin, Trude Blech, will Josef dabei Gesellschaft leisten. Die beiden hätten sich nie träumen lassen, wer und was und wie da alles auf sie zukommt - denn kaum sind die Straußens zur Tür hinaus, nimmt das 'Schicksal' seinen Lauf. Schauspieler wie Zuschauer dürf(t)en ihre helle Freude haben an diesem dicht gebauten Theater(lust!)stück voller Span- nung, Witz und Tempo. BS 588/ Regiebuch IMPULS-THEATER-VERLAG Postfach 1147, 82141 Planegg Tel.: 089/ 859 75 77; Fax: 089/ 8593044

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Herman Thole

Ein komischer Vogel, dieser

Strauß

...eine schwankhafte Komödie in drei Akten

Aus dem Holländischen übersetzt von Jürgen M. Reuter

Rudi und Luise Strauß stecken ihren Kopf in den Sand, denn große Gefahr droht dem Hause Strauß. Per Telefon kündigt sich für diesen Samstagnachmittag jede Menge "Besuch" an. Besuch, der nur das Eine zu wollen scheint: Geld eintreiben für unbezahlte Rechnungen! Die beiden beschließen, sich lieber erstmal bei Tante Berta auf dem Land in Sicherheit zu bringen... Rudi kann seinen gut durchtrainierten Kollegen Josef Eulmann vorsorglich dazu überreden, dieses Wochen-ende in der Strauß'schen Wohnung zu verbringen, damit da nichts anbrennt. Eine Nachbarin, Trude Blech, will Josef dabei Gesellschaft leisten. Die beiden hätten sich nie träumen lassen, wer und was und wie da alles auf sie zukommt - denn kaum sind die Straußens zur Tür hinaus, nimmt das 'Schicksal' seinen Lauf. Schauspieler wie Zuschauer dürf(t)en ihre helle Freude haben an diesem dicht gebauten Theater(lust!)stück voller Span-nung, Witz und Tempo.

BS 588/ Regiebuch

IMPULS-THEATER-VERLAG Postfach 1147, 82141 Planegg

Tel.: 089/ 859 75 77; Fax: 089/ 8593044

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PERSONEN: Rudi Strauß, der 'Echte' Luise Strauß Josef Eulmann, der 'Unechte' Trude Blech, die Nachbarin Karl Schlechter, Leiter eines Gestüts Liesl, seine Frau Ursel, ihre Pflegetochter Simon, Butler Lena, Simons Assistentin ORT / DEKORATION: Gemütliches Wohnzimmer, Tür links und rechts. Telefon auf einem Sideboard. SPIELALTER: Erwachsene; feste Spielgemeinschaft empfohlen, eher für an-spruchsvolle Spielgruppe / Amateurtheater geeignet SPIELDAUER: ca. 120 Minuten WAS NOCH? Der 1. Akt spielt am Samstagnachmittag, der 2. Akt am Samstag-abend und der 3. Akt Samstagnacht.

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ERSTER AKT Wenn der Vorhang sich öffnet, liegt Luise langgestreckt auf der Couch und liest. Dann läutet das Telefon. Luise:

Blödes Ding! (kommt widerstrebend von der Couch und nimmt den Hörer auf)... Luise Strauß... Wie sagen Sie? Schlechter?... Jawohl Herr Schlechter, hier ist das Haus von Rudi Strauß... Sie haben die Absicht, uns heute einen Besuch abzustatten... nein, nein, wir sind zu Hause. (legt den Hörer auf) Mm, das klang nicht sehr freundlich... ein Schlächter. (zuckt mit den Achseln und will sich wieder auf die Couch legen, aber wieder läutet das Telefon) Verflixt. (nimmt den Hörer auf) Luise Strauß... Was sagen Sie?... Sie wollen uns überraschen! So-so... .

Rudi: (kommt von rechts. Er ist ein flotter, junger Mann Ende Zwanzig) Wer ist am Telefon, Luise?

Luise: (winkt Rudi her) Herr Strauß kommt gerade herein... Ja, natürlich... Ich reiche Sie weiter (gibt Rudi den Hörer)

Rudi: Strauß... Stimmt, ich habe ‘mal ein Klavier bei Ihnen im Musik-geschäft gekauft... ein schönes Stück, ja... Musik ist meine Lei-denschaft, das können Sie mir glauben... was? Eine Überra-schung für uns, worüber wir uns wundern werden? Sie machen mich wirklich neugierig, Herr... Heute noch! Und mit zwei Per-sonen kommen Sie? So, ja, wenn Sie meinen... Na, dann bis bald. (legt den Hörer auf) Natternbrut!

Luise: (die das Gespräch mit Interesse verfolgt hat) Warum so unfreundlich, Rudi? Sie kommen doch mit einer Ü-berraschung, haben sie gesagt.

Rudi: (verärgert) Haben sie gesagt, ja. Überleg’ ‘mal Luise, ob das eine nette Überraschung wird. Diese Helden wollen zu zweit kommen. Werden wohl kräftige Kerle sein.

Luise: (die nichts begriffen hat) Tut mir leid, Rudi, aber jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Du brummelst mir hier was von Natternbrut und kräftigen Kerlen, dabei war der Mann am Telefon sehr freundlich. Er sprach doch nur davon, daß wir überrascht werden sollen. Das Wie und Warum, tja, das werden wir ja sehen.

Rudi: Zum Wie und Warum kann ich dir jetzt schon was sagen! Die Kerle werden hierher geschickt, um das Klavier abzuholen!

Luise: Mein Klavier, das du im letzten Jahr für mich gekauft hast? Das wollen die abholen?

Rudi: Die zwei Henkersknechte wollen uns die Rechnung präsentie-ren, Luise.

Luise: Rechnung präsentieren? Aber Rudi... das Klavier ist schon lan-ge bezahlt?

Rudi: Das ist es ja eben... Schau’ Luise... äh... du wolltest auch die alte Uhr und... äh, ich brauchte ein neues Auto...

Luise: Also ist das Klavier noch nicht bezahlt?

Rudi: Nein, das Klavier ist noch nicht bezahlt!

Luise: Oh Rudi... bist du mir ein Stümper! Und was nun? Das Klavier haben wir schon lange nicht mehr, ist doch eingetauscht für die neue Küche!

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Rudi: Weil du nie auf dem Ding gespielt hast, Luise. Du hättest lieber diese Küche, hast du doch selber gesagt!

Luise: Ja, weil ich nicht Noten lesen kann.

Rudi: So ist es nun ‘mal und heute kommen die Henkersknechte.

Luise: Ach geh’, Rudi. Die holen doch nicht mir nichts dir nichts das Klavier ab? Die schicken doch erst mal Mahnungen.

Rudi: Mahnungen habe ich schon zu Genüge bekommen, Luise. Ich habe sie halt immer vor dir verschwinden lassen.

Luise: Gütiger Himmel... was bist du für eine Leuchte? Und du traust dich, mir vorzuwerfen, daß ich nachlässig mit meinem Geld umgehe. Was machen wir jetzt?

Rudi: (tief seufzend) Ja, was nun? Wir sitzen in der Tinte, Luise.

Luise: Weißt du was, Rudi? Ich habe eine Idee.

Rudi: Ich bin ganz Ohr, meine Liebe. Luise: (munter) Wir könnten doch jetzt gleich in das Musikgeschäft gehen und die Rechnung bezahlen.

Rudi: Wovon denn? Ich hab’ noch genau zwei Zehner in der Tasche.

Luise: (schaut auf ihre Uhr) Wenn wir uns beeilen, können wir noch zur Bank... .

Rudi: Bloß das nicht, liebe Luise. Unser Bankkonto ist total im Minus.

Luise: Na wunderbar! Übrigens, gerade rief noch jemand an.

Rudi: Hoffentlich jemand, der uns den Hauptgewinn in der Klassenlot-terie ankündigt.

Luise: Nein, ein... ein Schlächter.

Rudi: Was ??? Nannte er sich Schlächter?

Luise: Seine Stimme war etwas...äh... grob. Oh... doch nicht noch mehr Unheil, oder?

Rudi: Was wollte er?

Luise: Er wollte heute noch bei uns vorbeischauen...

Rudi: (geht im Zimmer unruhig auf und ab) Harry Meske, genannt der Schlächter.

Luise: ...uns einen Besuch abstatten, hat er gesagt.

Rudi: (ratlos) Gott, das wird eine Katastrophe! Schlimmer kann’s nicht kom-men!!

Luise: (etwas ängstlich) Wer ist denn dieser... äh... Schlächter?

Rudi: Das ist der grobe Kerl, der dich neulich im Café ständig ange-macht hat, weißt du noch?

Luise: Dieser Gorilla, dem du dann ein Bein gestellt hast?

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Rudi: Ja... ja... ja...

Luise: Gottseidank waren im Café noch ein paar starke Burschen, die das Ekel an die frische Luft befördert haben. Sonst Rudi, wäre nicht viel von dir übrig geblieben. (plötzlich ängstlich) Echt... und dieser Kerl kommt hierher zu uns?

Rudi: Um abzurechnen, Luise!

Luise: Der wird dich ganz schön zerlegen, Rudi. (jetzt auch ratlos) Komm, sag doch was!

Rudi: Tja, was soll ich sagen? Das Einzige, was wir machen können, Luise, ist... äh, fliehen.

Luise: Ich hab’ aber versprochen, daß wir zu Hause sind.

Rudi: (läuft wieder unruhig durch das Zimmer) Klar, du hast gesagt, daß wir zu Hause sind. Verdammt... wie blöd.

Luise: Dieser Schlächter meinte übrigens am Telefon, daß er sich wirklich freut, dich wiederzusehen.

Rudi: Er ist ein Urtier, darum nennen sie ihn den „Schlächter“.

Luise: Auf den können wir auf keinen Fall warten.... Rudi, wir werden dieses Wochenende bei Tante Berta übernachten. Die freut sich immer, wenn wir sie besuchen.

Rudi: Absolut unmöglich, Luise. Wenn dieses Pack hier vor einer ver-schlossenen Tür steht, schlagen sie das ganze Haus kurz und klein.

Luise: Dann müssen wir jemanden finden, der bereit ist, hier die Stel-lung zu halten.

Rudi: Das ist es! Das ist es, Luise!! Wir kleben einen Zettel ans Fens-ter: „Dummkopf gesucht, der sich als Rudi Strauß verprügeln lassen will. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Du wirst sehen, Luise, in Viererreihen werde sie hier vor der Tür stehen.

Luise: Und doch können wir hier nicht bleiben. Weißt du etwas Besse-res, Rudi Strauß?

Rudi:(läßt sich mutlos auf einen Stuhl fallen) Ich weiß jetzt gar nichts mehr.

Luise: Dann überlege doch ‘mal.

Rudi:(schlägt sich mit der Hand an die Stirn) Ich denke... ich denke...

Luise: So wird das nichts.

Rudi: Halt... (schaut plötzlich auf) Josef... Josef Eulmann.

Luise: Wer ist Josef Eulmann?

Rudi: Der Lagerist im Baumarkt. Josef will mit aller Gewalt aus dem Lager ins Geschäft. Jetzt wird er seine Chance bekommen.

Luise: Du als Betriebsleiter des Baumarktes könntest so etwas ent-scheiden, stimmt’s?

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Rudi: Stimmt genau. Ich werde gleich probieren, ob ich ihn erwische. (holt ein Notizbuch aus seiner Jacke und blättert) Hier, ich hab’ ihn. (wählt eine Nummer am Telefon)... Hallo, Josef, hier Strauß. Das ist gut, daß ich Sie antreffe, mein Bester... Ja, ja, das ist Ihr freier Samstag, das weiß ich. Ich rufe auch nicht so sehr wegen des Geschäfts an... äh... es ist mehr privat, ja pri-vat. Ich möchte gerne mit Ihnen über etwas reden, allerdings lieber bei mir zu Hause... Bei mir zu Hause, ja... Haben Sie Zeit?... Schön Josef... bis bald... Meine Adresse? Natürlich. Kastanienallee 53... Wunderbar Josef, dann sehen wir uns gleich. (legt den Hörer auf) Das wäre geregelt.

Luise: Eigentlich ist es hundsgemein, daß dieser arglose Mann die Schläge abkriegen soll, die für dich bestimmt sind.

Rudi: Nichts ist umsonst im Leben, sag ich immer, so ist es nun mal, Luischen. Auch ich habe viele Schläge einstecken müssen, be-vor ich der Betriebsleiter vom Baumarkt wurde.

Luise: Rudi..., das lasse ich nicht zu!

Rudi: Häh??? Ach komm’, stell’ dich nicht so an.

Luise: Wir können den ahnungslosen Menschen hier nicht allein wie ein Lamm in der Löwengrube zurücklassen. Das geht mir zu weit, Rudi. Da mache ich nicht mit.

Rudi: Ein bißchen recht hast du ja. Vielleicht könnten wir jemanden finden, der Josef ein klein wenig Gesellschaft leistet, dann... Moment ‘mal... ich habe eine tolle Idee... Trudchen Blech, unse-re Nachbarin.

Luise: (wütend) Was willst du mit Trude Blech? Du weißt ganz genau, daß ich diese neugierige Ziege auf keinen Fall im Haus haben will. Du kannst hier nicht einmal husten, ohne daß die da drüben es nicht mitkriegt und sie macht aus einer Mücke gleich einen Ele-fanten.

Rudi: (hat inzwischen eine Nummer am Telefon gewählt) Guten Tag, Trude... ja, Sie haben richtig gehört. ich bin’s, Rudi Strauß, Ihr Nachbar... Nein! Es ist nichts Schlimmes passiert! Luise und ich würden gerne etwas mit Ihnen besprechen... Ja, jetzt gleich, wenn es geht... Nein Trude, es hat nichts mit Käthe von gegenüber zu tun... ja, ja, die Käthe ist wirklich eine flotte Biene, das weiß ein jeder... Bis bald, Trude (legt den Hörer auf)

Luise: Du bist wohl verrückt. Wie bringst du es nur fertig, Trude Blech in die Affäre hineinzuziehen?

Rudi: Sie kennt das ganze Haus und sie hat nichts weiter zu tun, als ab und zu hier nachzusehen, wie die Sache steht. Wir geben ihr die Telefonnummer von Tante Berta und wenn die Sache hier aus dem Ruder laufen sollte, kann sie uns anrufen. Aber nur in der allergrößten Not.

Luise: Na gut, wenn du meinst. Aber eins muß dir klar sein, Rudi Strauß: morgen abend weiß das ganze Dorf, was wir im Kühl-schrank haben und es wird noch schlimmer kommen!!

Rudi: Wieso?

Luise: Morgenabend weiß das ganze Dorf von dem fiesen Streich, den wir Josef Eulmann spielen.

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Rudi: (beschwichtigend) Das wird schon nicht so schlimm werden, Luise. Denn wenn Josef begreift, daß sein Schweigen seiner Beförderung vom Lageristen zum Verkäufer dienen kann, wird er gegenüber Tru-de sicherlich seinen Mund halten.

Luise: Das können wir nur hoffen. Aber jetzt müssen wir uns beeilen.

Rudi: Das müssen wir tatsächlich. Pack du schon ‘mal die Taschen ein!

Luise: Tante Berta wird sich freuen, wenn wir zu ihr kommen. Sie hat mich schon so oft für ein Wochenende eingeladen.

Rudi: Das paßt ja dann ganz gut, nicht wahr? (Es klingelt, Luise geht öffnen, kommt gleich wieder zurück.)

Trude: (kommt von links. Sie ist nicht mehr so jung und eine einfa-che Frau aus dem Volke. Sie spricht mit einem deutlichen Ak-zent) Hallo! Da bin ich.

Luise: Rudi möchte mit Ihnen reden, Nachbarin.

Trude: Und ich denk mir schon: Rudi Strauß persönlich am Telefon? Da muß schon was sehr Schlimmes passiert sein.

Rudi: Setzen Sie sich, Trude.

Trude: (setzt sich hin) Zunächst habe ich an die Käthe gedacht. Daß es um die geht. Das ist doch ein Flittchen! Stimmt’s oder hab’ ich recht!? Ges-tern abend haben sich bei ihr sechs Kerle die Klinke in die Hand gegeben. Ich hab’ sie gezählt, wissen Sie, sechs Kerle! Alles so fiese Typen, wissen Sie. Ich würde sie nicht mit der Beißzange anlangen wollen. Ogottogott! Das geht doch mit dem Teufel zu, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Rudi: Sicher... sicher, aber eigentlich geht es gar nicht um Käthe...

Trude: Wissen Sie, ich gönne jedem sein Pläsierchen, so ist es nicht! Aber für mich gibt es auch Grenzen. Deutliche Grenzen, wissen Sie. Man darf seine Mitmenschen mit so was nicht lästig fallen, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Rudi: (ungeduldig) Ja, wir haben eine tolle Biene als Nachbarin, Trude. Aber jetzt...

Trude: Na, so toll ist sie auch wieder nicht und ich begreife auch nicht, was die Kerle an ihr finden. Sie sieht ja aus wie eine gerupfte Henne. Stimmt’s oder hab ich recht?!

Luise: (mit Nachdruck) Rudi will über was anderes mit ihnen reden, Trude.

Trude: Dann mal los, Nachbar!

Rudi: ..un... äh... schau, Trude, wir haben da ein kleines Problem... äh... Luise und ich...

Trude: Ach Gott! Das gibt’s doch nicht! Aber man hört es immer öfter von Leuten, die schon seit Jahren verheiratet sind. Und es ist natürlich vernünftig, direkt einen Außenstehenden dazu zu ho-len. Wieviele streiten sich nicht erst zu zweit bis die Fetzen flie-gen und dann ist es auf einmal aus...

Luise: (schnell) Nein, nein, Trude, zwischen Rudi und mir ist alles in bester Ordnung!

Rudi: (lachend) Wir haben keine Probleme, Trude.

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Trude: Oh... da fällt mir ein Stein vom Herzen.

Rudi: Nun, wir haben momentan...

Trude: Wenn es um Geld geht, dann bin ich nicht die Richtige für Sie. Wenn Sie Hilfe brauchen...

Luise: Es geht nicht um Geld.

Trude: Nicht um Geld!? Da machen Sie mich aber wirklich neugierig. (fegt mit dem Arm ihre Nase ab)

Rudi: Wir wollten Sie nur bitten, Trude, daß Sie heute und morgen von Zeit zu Zeit hier mal kurz vorbeischauen, ob alles in Ord-nung ist.

Trude: Sind Sie nicht da?

Luise: Rudi und ich wollen dieses Wochenende verreisen.

Trude: Und wo wollen Sie denn hinfahren? Rudi: Wir fahren zu unserer Tante Berta.

Luise: Beeil’ dich, Rudi! Ich packe schon mal die Taschen.

Trude: Also, dann ist ja das Haus ganz leer? O Gottogott!. Nicht daß ich schnell ängstlich bin, aber... ein ganz leeres Haus... .

Luise: Wir bekommen noch einen Aufpasser, Trude, für das Haus.

Trude: Dann gibt es also noch jemanden?

Rudi: Ja! Mein Bruder Rudolf kommt hierher, um aufzupassen. Ein guter Junge, aber er ist noch Junggeselle und... äh... liebt Par-ties...

Trude: Hab’ schon verstanden und leichte Frauen mag er auch, stimmt’s oder hab’ ich recht!? Jawohl, der wird mich kennen lernen, der alte Freier!

Rudi: Genau! Das ist es, worüber Luise und ich uns Sorgen machen. Manchmal lädt er sich schon mal komische Freunde auf seine Parties ein.

Trude: Verstanden! Und ich muß von Zeit zu Zeit mal eben den Kopf um die Ecke stecken, um zu schauen, daß es hier nicht zu bunt wird. Aber Sie erwarten doch nicht, Rudi, daß ich hier als Poli-zist auftrete...

Rudi: Nein, nein Trude, nur wenn es aus dem Ruder laufen sollte...

Trude: Wenn das Haus in Brand steht...

Rudi: Nein, um Gottes Willen, soweit wird es nicht kommen, Trude, aber wenn... dann rufen Sie uns einfach an.

Trude: Na, hoffentlich krieg’ ich die lange Telefonnummer auf die Rei-he; ist doch ein Ferngespräch.

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Rudi: Das ist nicht schlimm. Ich schreibe Ihnen die Telefonnummer auf ein Stück Papier (blättert im Telefonbuch) Tante Berta... Tante Berta...

Trude: So... Ihr Bruder heißt Rudolf? Rudi und Rudolf in einer Familie, das ist doch sehr ungewöhnlich.

Rudi: (schreibt) Stimmt! Manchmal verwirrend. (gibt Trude das Papier) Hier ist die Telefonnummer von Tante Berta. Äh... wo waren wir gerade stehen geblieben? Oh ja... sagen Sie zu Rudolf ruhig Rudi, das hat er am liebsten, glaube ich.

Trude: Ganz schön raffiniert, ihr Bruder. Sie sind weg und er kann mit seinen Konsorten das ganze Haus auf den Kopf stellen.

Rudi: Es wird schon nicht so schlimm werden, denke ich. In jedem Fall ist es lieb von Ihnen, daß sie heute und morgen die Augen offen halten.

Trude: Ich sag’ ja immer: Lieber ein guter Nachbar als ein entfernter Verwandter, stimmt’s oder hab’ ich recht.

Luise: (kommt mit der Reisetasche) Gepackt und fertig!

Trude: Sie können in aller Ruhe auf Reisen gehen, Trude paßt schon auf.

Luise: Das ist prima, Trude. Also Rudi...

Trude: Wollen wir nicht erst ein Täschen Kaffee trinken, bevor Sie auf Reisen gehen?

Luise: Für Kaffee haben Rudi und ich jetzt keine Zeit, Nachbarin. Das machen wir ein anderes Mal.

Trude: Gut, dann verschwinde ich.

Luise: Rudi, hat Trude die Telefonnummer?

Trude: (winkt mit dem Papier) Wenn die Not am größten ist... . Also dann, gute Reise und viel Spaß bei Tante Berta... Sie brauchen sich nicht zu sorgen, denn hier hab’ ich die Nummer. (schaut auf das Papier) Was für eine Menge Zahlen hintereinander! O Gottogott!

Rudi: (bringt sie zur Tür, kommt nervös zurück. Er schaut auf seine Uhr und setzt sich seufzend nieder. Dann springt er wieder auf und läuft angespannt durch das Zimmer. Die Hausglocke läutet. Eilends geht er rechts ab. Aus dem Hintergrund hört man ihn übertrieben freundlich mit Josef Eulmann reden) Hallo, hier ha-ben wir ja unseren lieben Eulmann. Nett, daß Sie so schnell gekommen sind. Geben Sie mir bitte Ihre Jacke. So, hier ent-lang, Josef (tritt auf, gefolgt von Josef) Kommen Sie ‘rein, kommen Sie ‘rein.

Josef: (ein netter, junger Mann, Ende zwanzig) Nun! Ich bin neugierig, warum Sie mich haben kommen lassen, Herr Strauß?

Rudi: Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Nehmen Sie sich einen Stuhl. War der Weg hierher schwierig zu finden?

Josef: (setzt sich) Nein, ich bin schon öfter in der Gegend gewesen. Sie wohnen hier wunderschön. Herr Strauß. Eine schattige Allee und ein Prachthaus.

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Rudi: Stimmt genau, mein Junge, und wenn Sie ein wenig aufpassen, Ihre Möglichkeiten gut nutzen... äh... ich meine, Ihre Chancen beim Schopf packen, die Ihnen geboten werden, dann können Sie sicherlich das Gleiche erreichen, was ich erreicht habe.

Josef: Puh, da ist es noch weit hin, Chef.

Rudi: Sie haben doch alle Anlagen dafür. Sie sind intelligent genug, um die Erfolgsleiter schnell emporzusteigen.

Josef: (verlegen) Schön, wenn man solche Worte aus dem Mund seines Chefs hört. Das ist sehr erfreulich.

Rudi: (reibt sich zufrieden die Hände) Wo wir jetzt schon von Ihnen reden, Josef, will ich noch etwas mit Ihnen besprechen. Gesprächen mit Ihnen im Geschäft habe ich entnommen, daß Sie gerne aus dem Lager heraus wollen, um als Verkäufer bei uns weiterzukommen?

Josef: Das ist richtig, Herr Strauß. Im Lager kenne ich schon alles und den Verkauf finde ich interessanter. Man hat dann mehr mit Menschen zu tun, nicht wahr!

Rudi: Ich will Ihnen jetzt schon mal was anvertrauen, Josef. Aber das, was ich sage, darf nicht an die große Glocke gehängt werden, das müssen Sie mir versprechen.

Josef: Ich kann schweigen, wie ein Grab, wenn es sein muß, Herr Strauß.

Rudi: Prima, Josef. In Kürze wird ein Platz frei im Laden. Der alte Sander will aufhören, er will sich pensionieren lassen. Natürlich gibt es eine Menge von Anwärtern, die alles daran setzen, den freiwerdenden Posten für sich zu beanspruchen...

Josef: (traurig) Der Rottmann natürlich und der Lange.

Rudi: Unter anderem.

Josef: Da kann ich das Ganze wohl vergessen. Die zwei arbeiten ja viel länger bei der Firma.

Rudi: Doch gebe ich Ihnen eine gute Chance, Josef. Am Montag bin ich in der Sitzung der Geschäftsleitung, in der die Entlassung von Sander und sein Ersatz im Verkauf besprochen werden soll. Josef, glauben Sie mir, meine Empfehlungen, wer den Verkäuferjob bekommen soll, sind für unseren Direktor von großer Bedeutung.

Josef: Ja, ja und Sie wollen mich kleines Würstchen für den Job emp-fehlen?

Rudi: (zögernd) Mh... ja... ich denke schon, aber natürlich müssen Sie sich auch entsprechend einsetzen... äh... guten Willen zeigen.

Josef: Also volle Power, um es so auszudrücken.

Rudi: Genau. Volle Power.

Josef: Und das ist es, was Sie mir heute erzählen wollten, Herr Strauß?

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Rudi: Ja, das war es so ungefähr. Und dann habe ich noch etwas, was ich Sie fragen wollte, Josef.

Josef: Fragen Sie ruhig, Chef.

Rudi: Haben Sie an diesem Wochenende Zeit?

Josef: Ob ich dieses Wochenende Zeit habe? Ja... ich habe nichts Besonderes vor.

Rudi: Das trifft sich gut. Luise und ich haben da nämlich ein kleines Problem. Luise will unbedingt eine Tante von uns besuchen.

Josef: Schön!

Rudi: Schön sagen Sie, aber dann müßte ich eigentlich an zwei Orten gleichzeitig sein.

Josef: Das geht doch nicht!

Rudi: Luise will partout zu ihrer Tante und ich müßte eigentlich zu Hause bleiben, um... äh... Gäste zu empfangen.

Josef: Sie kriegen heute Besuch, Herr Strauß?

Rudi: Keine normalen Besucher, Josef. Es sind Leute, die durch schwere Lebensumstände geistig ein wenig in Schwierigkeiten geraten sind.

Josef: Einen Schlag auf den Kopf gekriegt haben?

Rudi: Das ist etwas grob formuliert, Josef. Sie sind einfach leicht ü-berspannt, die Leute.

Josef: Und die kommen hier einfach so auf Besuch?

Rudi: Therapie, Josef, reine Therapie. Sie wissen es wahrscheinlich nicht, aber ich arbeite schon seit Jahren als Freiwilliger für eine Stiftung, die sich die Aufgabe gestellt hat, geistig angeknacks-ten Menschen wieder auf die Füße zu helfen.

Josef: Nein, das ist mir neu.

Rudi: Ich habe bei dieser Stiftung einen guten Namen. Die Patienten haben nach einem Therapiewochenende mit mir eine gewisse geistige Stabilität zurückgewonnen.

Josef: Das ist interessant, Herr Strauß, und worin besteht diese The-rapie, wenn ich fragen darf?

Rudi: Dadurch, daß man die Patienten einfach gewähren läßt. Ihnen nichts verbietet.

Josef: Unglaublich. Einfach gewähren lassen? Was auch immer für komische Streiche sie einem spielen?

Rudi: Natürlich muß man sie ein klein wenig lenken und beeinflussen. Darum ist es äußerst ungünstig für diese Leute, daß ich an die-sem Wochenende nicht hier sein kann, um das Ganze zu steu-ern.

Josef: Also, heute kommen die...äh... Bekloppten?

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Rudi: Ja, sie haben sich schon telefonisch angemeldet.

Josef: Aber für diesmal könnten Sie ihnen doch absagen?

Rudi: Unmöglich, Josef. Sie haben ihr Therapiewochenende im Hau-se Strauß fest eingeplant, sie haben sich entsprechend vorbe-reitet, so daß die Absage für diese Armen einen starken Rück-schlag in ihrem Genesungsprozeß bedeuten würde.

Josef: Dann brauchen Sie einen Ersatzmann, Herr Strauß. Sie und Ih-re Frau müssen ja auch einmal ein paar Tage ausspannen können.

Rudi: Genau... und darum dachte ich als allererstes an Sie, Josef. Sie sind ruhig, intelligent und... äh... wollen in der Welt vorwärts kommen.

Josef: (erschrocken) Wollen Sie... wollen Sie,... daß ich Sie ersetze,... daß ich die... äh... Gestörten heute betreuen muß?

Rudi: Sie können es und ich traue es Ihnen zu, Josef Eulmann. Das will was heißen!

Josef: Sind es immer die gleichen Patienten?

Rudi: Nein, immer wieder neue Gesichter. Das macht diese Arbeit ja so abwechslungsreich. Man weiß nie, was für neue Typen je-desmal ‘reinschneien.

Josef: (zögernd) Und Sie finden mich wirklich geeignet für diese Arbeit?

Rudi: Zweifellos! Sie sind doch Junggeselle. Also nicht an eine Fami-lie gebunden...

Josef: Sind sie denn gefährlich?

Rudi: (schnell seinen Fehler korrigierend) Keinesfalls! Es sind in der Regel durchaus freundliche und um-gängliche Leute. Manchmal benehmen sie sich halt ein wenig seltsam. Meine Devise lautet: Laß’ sie ruhig gewähren. Ich ha-be außerdem die Nachbarin gebeten, von Zeit zu Zeit vorbeizu-schauen. Die wird hin und wieder nach dem Rechten sehen. Noch etwas... die Menschen wissen nichts anderes, als daß sie von mir, also Rudi Strauß, betreut werden. In diesem Glauben müssen wir sie lassen, Josef.

Josef: Für den Fall, daß ich es mache, müßte ich mich Rudi Strauß nennen?

Rudi: Genau, mein Junge. Sie sind Rudi Strauß. Nicht vergessen! Al-so, machen Sie es?

Josef: Das scheint mir keine einfache Aufgabe zu sein, Chef.

Rudi: Also, etwas Einsatz müssen Sie schon zeigen.

Josef: Sie beziehen sich hier auf den Job im Geschäft?

Rudi: Schauen Sie, das genau meine ich mit der außergewöhnlichen Intelligenz von Ihnen, Josef.

Josef: (resolut) Gut, ich tu es.

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Rudi: Wunderbar. Dann führe ich Sie mal eben durchs Haus. Zeige Ihnen Ihr Bett, die Küche und den Keller mit ordentlich was zum Trinken.

Josef: Muß ich denn hier schlafen?

Rudi: Sie müssen. Unsere Gäste dürfen unter keinen Umständen al-lein gelassen werden.

Josef: Oh!

Rudi: (öffnet die rechte Tür) Also, dann gehen wir mal.

Josef: Ja... (steht von seinem Stuhl auf)... und wann kommen die Gäs-te hier an, Herr Strauß?

Rudi: Das kann jeden Moment passieren. Wir müssen uns beeilen.

Josef: Oh ja. (geht vor Rudi rechts ab)

Luise: (kommt von links. Sie ist jetzt in Straßenkleidung. Nervös schaut sie im Zimmer umher und öffnet die linke Tür) Rudi !!!

Rudi: (aus dem Hintergrund) Ja.

Luise: Beeil’ dich gefälligst. Wir müssen wirklich weg. (läßt sich auf ei-nen Stuhl fallen, aber springt direkt wieder auf; öffnet die rechte Tür) Rudi !!!

Rudi: (aus dem Hintergrund) Ja, ja, ich komme.

Luise: (nach hinten rufend) Ich fahre schon mal das Auto vor. (links ab)

Rudi: (kommt mit Josef von rechts) Ich finde es ganz toll von Ihnen, daß Sie hier die Sache über-nehmen. Ich hole noch eben meine Tasche. (geht wieder rechts ab.)

(Josef zupft nervös an seinem rechten Ohr und dann wieder an seiner Nase. Rudi mit Reisetasche kommt von rechts. Weit weg im

Hintergrund hupt ein Auto)

Luise: Ich bin fertig. Nun „RUDI STRAUß“, viel Erfolg! Bis morgen A-bend (läuft noch etwas zögernd durch das Zimmer und geht rechts ab)

Josef: (stöbert durch das Zimmer, stellt dann das Radio an und läßt seine Finger über die Buchrücken der Bücherwand gleiten) (Im Hintergrund das Geräusch eines fallenden Gegenstands)

Tja, jetzt geht’s schon los. (schleicht sich an die linke Tür und reißt diese mit einem Ruck auf) Heh Sie!! Was machen Sie denn da mit dem Kühlschrank?

Trude: (im Hintergrund) Die Buttermilchflasche fiel zufällig aus dem Kühlschrank. Gott-seidank ist sie heil geblieben.

Josef: Wer sind Sie?

Trude: Trude, die Nachbarin.

Josef: Oh... äh... ja... die Nachbarin.

Trude: (tritt auf) Und du bist Rudolf, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Josef: Josef... äh... Rudi... Rudi Strauß, gnä’ Frau.

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Trude: (setzt sich) Ja, ja, dein Bruder hat schon von dir gesprochen.

Josef: Mein Bruder ??? Oh... ja... so, sagte mein Bruder das. Und wie heißen Sie wieder, gnä’ Frau?

Trude: Trude Blech.

Josef: Blech?

Trude: Ja, das ist das, aus dem die schönen, runden Dosen gemacht werden, in denen schöne Gemüse und andere Dinge drin sit-zen, hahaha. Netter, kleiner Scherz, was??

Josef: (mit einem Lachen, wie ein Bauer, der Zahnschmerzen hat) Toller Scherz, gnä’ Frau!

Trude: Trude! Sag einfach Trude zu mir, ohne das „gnä’ Frau“. Das können wir uns doch sparen, stimmt’s oder hab’ ich recht!?

Josef: Suchtest du was Bestimmtes im Kühlschrank, Frau... Trude?

Trude: Nein, nein. Wie kommst du drauf?

Josef: Ich hab’ ja nur gemeint...

Trude: Mein Rock blieb einfach an der Kühlschranktür hängen und plötzlich ging sie auf. Und weil der Kühlschrank so proppenvoll ist, fiel die Milchflasche um. Mann, der Kühlschrank ist ja total voll. Von allem was, besonders die Flaschen...

Josef: (unterbricht sie) Wenn ich es richtig verstanden habe, sollst du mir ab und zu etwas Gesellschaft leisten, ist es nicht so, Trude?

Trude: Genau. Sag’ mal, kommen deine Partygäste bald?

Josef: Können jederzeit kommen.

Trude: Oh Gottogott! Bei solchen Dingen, wie ‘ne Party, legt man doch die Zeit genauer fest. Ich sag’ immer: erst nach acht Uhr antre-ten, bitte!

Josef: Richtig, Trude, aber bei dieser Art von Menschen ist die Sache eben anders.

Trude: Das scheinen mir schöne Typen zu sein?

Josef: Nun... äh... Typen...

Trude: Ja, so nennt man die Leute halt. Die leben einfach wild drauf los, niemals kriegen sie genug. Die sollen mich kennenlernen!

Josef: Ach, es wird schon nicht so schlimm werden, Nachbarin. Wir müssen in jedem Fall nur dafür sorgen, daß wir die Gäste mög-lichst in Ruhe lassen.

Trude: Heißt das, daß jeder tun und lassen kann, was er will?

Josef: Ihnen einfach etwas aus dem Weg gehen.

Trude: (beunruhigt) Na! Das kann ja heiter werden. Ich seh’ hier die Leute schon wie eine wilde Horde umherspringen. Was soll das nur werden?

Josef: Vielleicht müssen wir hin und wieder ein bißchen eingreifen...

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Trude: Weißt du, was du da sagst. (weist auf sich selbst) Wenn ich als Steuerfrau das Ruder in der Hand habe, fährt das Schiff dahin, wo ich will. Aber jetzt muß ich dringend ins Dorf zum Einkaufen. Danach komm’ ich noch mal eben kiebitzen. (links ab)

Josef: (macht einen tiefen Seufzer, nimmt ein Buch vom Bücher-brett und setzt sich auf das Sofa. Türklingel.) Es kann losgehen. (legt das Buch hin und geht rechts ab. im Hintergrund übertrieben freundlich) Guten Tag, der Herr, guten Tag, Fräulein... jawohl... Sie sind hier bei Strauß... wie bitte?... ein Überraschungsbesuch... ich bin Rudi Strauß. Kommen Sie bitte rein... Darf ich ihre Mäntel aufhängen?... So, so, ein Über-raschungsbesuch... Tun Sie, als ob Sie zu Hause wären, ich gehe voraus. (tritt auf und macht eine hilflose Gebärde) Bitte, treten Sie näher.

(Simon und Lena treten auf, Lena als Dienstmädchen und Simon als Butler gekleidet.)

Simon: Und nun die Überraschung, Herr Strauß. An diesem Wochen-ende ist dieses Mädchen Ihr Dienstmädchen und (weist auf sich) ich bin Ihr Diener.

Josef: Ha, ha... ja, ja... guter Witz, was?

Lena: Nennen Sie mich ruhig Lena, mein Herr.

Simon: Und mich Simon.

Josef: So, so, Lena und Simon. Sie sind das erste Mal hier, stimmt ‘s?

Simon: Ja, einen solchen Preis bekommen Sie nicht jeden Tag ange-boten, Herr Strauß.

Lena: (kichernd) Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Josef: (lachend) Also, ich habe einen Preis gewonnen?

Simon: Eigentlich Ihre Frau, Herr Strauß. Ihrem poetischen Geist ent-sprang der tolle Werbespruch: „Aus einem Piano von Schim-mel, hört man das beste Gebimmel“

Josef: (mit Vergnügen) In der Tat, meine Frau ist verflixt gut beim Erfinden von Sprü-chen.

Simon: (ernsthaft) Die Jury hat diese Einsendung mit dem zweiten Preis ausge-zeichnet und das heißt, daß Sie und Ihre Frau heute und mor-gen vollständig und kostenlos bedient werden von Fräulein Le-na und von mir, Herr Strauß.

Lena: Ist ihre Frau zu Hause?

Simon: Eigentlich ist sie die Gewinnerin, nicht wahr? Denn sie hat den Spruch erfunden.

Josef: (kurz etwas überrascht) ...ob meine Frau zu Hause ist?

Lena: Ja, ich bin neugierig, wie sie reagiert, wenn sie hört, daß sie den Preis gewonnen hat.

Josef: Äh... ja... äh... nein! Sie mußte noch eben zum Einkaufen ins Dorf, sagte sie. Schade...

Lena: Dann müssen wir eben noch warten. Können Sie mir inzwi-schen zeigen, wo die Küche ist?

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Simon: Da kann Lena schon gleich anfangen, nicht wahr. (es klingelt.)

Trude: (noch von draußen) Hallo, bin zurück vom Einkaufen, Rudilein.

Josef: Oh... häh... da...

Simon: Sicherlich Ihre clevere Frau, Herr Strauß?

Josef: Ja, ja, das wird sie wohl sein. (geht öffnen)

Trude: (mit Josef auf von links) Hab’ gerade Hackfleisch geholt vom Metzger. (bemerkt jetzt Lena und Simon) Ja sowas! Die Ersten sind ja schon da. (sie betrachtet die Kleidung von Lena und Simon) Na, na, tolles Outfit, wird das heute abend ein Faschingsfest? Simon: (sein Blick geht von Trude zu Josef und zurück. stam-melnd) Äh... gnä’ Frau... äh... also Sie können so gut Reklame-verse erfinden?

Trude: Reklameverse!? Ja, da bin ich besonders gut drin. Hier zum Beispiel... hier habe ich schon einen... „Ein tolles Fest im Hause Strauß, hält der beste Gast nicht aus“... na, wie ist der?

Lena: „Aus einem Piano von Schimmel, hört man das beste Gebim-mel“.

Trude: Ich merke schon, daß Fräuleinchen versteht auch was davon.

Josef: Äh... (betont) Frau Strauß, das ist doch der Vers, den du selber ausgedacht hast... äh... du weißt schon... wie wir das Klavier gekauft haben. (macht ein paar heftige Gebärden) Ach weißt du... du hast den zweiten Preis damit gewonnen.

Trude: O Gottogott!

Simon: Gnä’ Frau, Fräulein Lena und ich werden dafür sorgen, daß Sie die zwei schönsten Tage ihres Lebens verbringen werden.

Lena: Simon und ich werden Sie an diesem Wochenende herrlich verwöhnen, darauf können Sie sich verlassen.

Simon: Ihr Gatte darf an der Festfreude natürlich voll und ganz teilha-ben. Ich finde, Herr Strauß, daß ihre Frau einen Kuß als Beloh-nung von Ihnen verdient hat. Den werden Sie doch dafür übrig haben?!

Josef: Ja... das heißt... äh... jawohl. (geht auf Trude zu und beugt sich zu ihr) Frauchen...

Trude: (macht schnell einen Schritt rückwärts) Jetzt aber halt, mein Freund!

Simon: Hm, Hm. Lena, sollen wir schon mal in die Küche gehen? Viel-leicht wird Frau Strauß so gut sein und uns den Weg zeigen.

Josef: (schnell) Das mach’ ich schon. Bitte folgen Sie mir. (öffnet die linke Tür und läßt Lena und Simon nach hinten vorangehen)

Trude: (wartet, bis sie weg sind, geht schnell zum Telefon und wählt eine Nummer) Trude ist hier, will dir schnell erzählen, Mia, was hier heute alles los ist... Nein, laß mich doch ausreden... ach, ach, wieder diese Krampfadern? Na, die sind aber lästig. Mia, hör ‘mal schnell eben zu... Ach! Wieder dieses Stechen im Ohr. Am besten ein paar Tropfen Salatöl ‘rein... was ? Du hast nur Mayonnaise... Nein, Nähmaschinenöl würde ich nicht neh-men. Nun Mia, hör’ mal eben zu... O Gottogott! Was, Kamillen-tee für die Kleine? Das ist gut für den Magen. Aber jetzt komm’

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ich ganz schnell mit dem Neuesten! Du kannst dir nicht vorstel-len, was hier los ist...

Josef: (kommt von links) So! Die zwei sind wenigstens beschäftigt.

Trude: (hat schnell das Telefon hingelegt) Also jetzt will ich ‘mal eine Erklärung: was soll das mit Frau hier und Frau da? Du bist wohl nicht richtig im Kopf.

Josef: Nun sei doch erst mal ganz ruhig, Trude. Ich kann ja verstehen, daß du das alles hier nicht begreifst. Glaube mir, ich bin auch überrascht.

Trude: Du weißt nicht einmal, was für Gäste du auf deiner Party hast.

Josef: Ich habe niemanden eingeladen. Diese Leute kommen eigent-lich zu... äh... meinem Bruder.

Trude: Das ist ja ein schönes Durcheinander.

Josef: Ich weiß nur, daß diese Leute alle ein bißchen seltsam sind...

Trude: Häh? Was meinst du damit...

Josef: Sie sind alle mehr oder weniger geisteskrank. Sie sind hier in Therapie.

Trude: Ja, das brauchst du mir erst gar nicht zu erzählen, das kann man ja schon hören und sehen. Die sind also hier in Therapie?

Josef: Wir beide müssen dieses Wochenende wahrscheinlich ganz schön Theater spielen, Trude.

Trude: Du als Don Juan und ich als Cleopatra.

Josef: (lacht) Ja, ja, in jedem Fall muß du für ein paar Tage so tun, als wenn du meine Frau bist, Trude. Es geht nicht anders.

Trude: Wenn es sein muß, dann muß es wohl sein. Aber ich werd’s denen schon zeigen. Die haben ‘s ja nicht anders gewollt, Stimmt’s oder hab’ ich Recht.

(Es läutet an der Tür.)

Josef: Oh nein, nicht schon wieder.

Trude: Und ich gehe ums Verrecken nicht an die Tür. Die Leute sind mir zu komisch.

Josef: Bleib’ ruhig sitzen. Ich mach’ schon auf. (geht zur rechten Tür)

Simon: (hastig auf von links) Das ist mein Job, Herr Strauß. (rechts ab)

Trude: So ein Butler ist schon nützlich, wie man sehen kann.

Josef: (bleibt zurück, läuft unruhig durch das Zimmer, ständig an seinem Ohrläppchen ziehend)

Trude: Da kriegst du ein langes Ohr von. Du kannst besser abwech-selnd an dem einen und dem anderen ziehen. Dann bleiben sie gleich lang.

Simon: (auf) Herr und Frau Schlechter für Sie, Herr Strauß. Sollen Sie rein-kommen?

Trude: Sogar zwei gleichzeitig. Dann wird es schnell voll hier.

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Josef: Laß sie eintreten, Simon.

Simon: Jawohl! (ab)

Trude: Ganz schön was los hier. Kennst du die Schlechters?

Josef: Nie gehört.

Simon: (auf) Bitte treten Sie näher.

(Karl und Liesl treten auf. Sie sind im mittleren Alter. Etwas altmo-disch gekleidet.)

Trude: Da sind nun die Schlechters...

Simon: Herr und Frau Schlechter. (zu Liesl und Karl gewendet) Darf ich Sie bekannt machen: Herr Strauß und... äh... Frau Strauß.

(Es entsteht eine kurze Pause)

Trude: Der Pfarrer kommt vorbei! Das haben wir immer gesagt, wenn eine Zeit lang nichts geredet wurde. Der Pfarrer kommt vorbei...

Liesl: (versucht lustig zu klingen) Nun, was ist denn aus unserem Rudilein geworden (gibt Josef einen Kuß auf beide Wangen) Kennen Sie mich denn nicht mehr?

Josef: Oh ja... äh... Sie kommen mir irgendwie bekannt vor...

Liesl: Der Reiterhof?

Josef: Ja... ja... der Reiterhof...

Karl: Sie sind ja verheiratet, Rudi!?

Josef: Ja, schließlich ist es soweit gekommen.

Trude: Wie er Trude sah, war er verloren.

Liesl: (gibt Trude die Hand) Ihrem Scharm war unser Rudi also nicht gewachsen.

Trude: Genau wie Sie sagen, Frau Schlechter. Wir haben uns in einem Schuhgeschäft gefunden. Ich hob’ gerade meinen Rock ein wenig hoch, um einen Schuh zu probieren, da hat ‘s den Rudi glatt umgehauen. Er sah nur noch meine zarten Füße, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Karl: Darf auch ich mich vorstellen? Karl Schlechter. (gibt Josef und Trude die Hand) Ich denke, Rudi, daß Ursel sehr enttäuscht sein wird, wenn sie hört, daß Sie inzwischen verheiratet sind.

Liesl: Das arme Ding. Sie hat sich so auf ein Wiedersehen mit Ihnen gefreut, Rudi.

Karl: Unsere Ursel hat sich nämlich an ihr Jugendversprechen gehal-ten. Kein Mann hat sie davon abhalten können, wie hübsch und reich er auch gewesen sein mochte.

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Simon: (der noch immer an der Tür steht) Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie mich. (schreitet zur linken Tür und geht ab)

Liesl: Ursel kann jeden Moment kommen. Sie wollte im Dorf noch ein paar nette Kleinigkeiten kaufen. Wissen Sie eigentlich, Rudi, daß Ursel seit dem Tod ihrer Eltern bei uns wohnt?

Josef: Ich habe davon gehört, ja.

Karl: Wir behandeln sie wie unsere eigene Tochter.

Josef: Aber nun setzen Sie sich erst einmal. Nehmen Sie Platz.

Liesl: (betrachtet Josef genau) Oh, wie haben Sie sich verändert, mein Junge.

Karl: Das ist doch normal. Rudi war zehn, als er bei uns auf dem Rei-terhof war.

Liesl: Ich war damals Haushälterin beim Direktor des Gestüts, Paul Penninger. Eine traurige Zeit war das. (zu Rudi) Ihr Vater be-kam damals den verhängnisvollen Pferdetritt an seinen Kopf.

Trude: Man darf nie hinten um ein fremdes Pferd herumgehen.

Karl: Rudolf Strauß, ein netter Mann. Ich erinnere mich noch ganz genau an ihn. Der beste Tierarzt, den ich je getroffen habe.

Trude: Ist doch komisch. Man muß erst tot sein, damit Gutes von ei-nem erzählt wird.

Liesl: Länger als ein Jahr sind Sie Gast auf dem Gestüt gewesen bei der Familie Penninger. Sie und Ursel konnten es gut miteinan-der.

Karl: Sie mochte die Pferde gerne, Sie mochten auch die Pferde gerne...

Trude: Ich mag auch Pferde gerne, besonders als Salami und gut ge-räuchert.

Liesl: Und dann der Tag, an dem Sie Abschied nehmen mußten von den Pferden... und von Ursel...

Karl: Ihre Tante wollte die weitere Erziehung übernehmen. Wie hieß sie denn noch?

Josef: Äh... Tante Berta...

Trude: (zu Josef) Das wird die Tante Berta sein, du weißt schon.

Liesl: Ich sehe euch beide noch da stehen. Sie, Rudi, an der einen Seite von Romeo und...

Trude: Julia an der anderen Seite.

Liesl: ...und Ursel an der anderen Seite des Pferdes. Über den Pfer-derücken hattet ihr beiden die Arme ausgestreckt und die Hän-de gehalten. Ich höre noch heute, wie Sie das feierliche Ver-sprechen gegeben haben, mit einer hellen und klaren Jungen-stimme: Ursel, ich muß jetzt von dir Abschied nehmen, aber ich werde zurückkommen und dann werde ich immer bei dir blei-ben. Und dann fragte Ursel: wann kommst du zurück, mein Freund? Worauf Sie, Rudi, geantwortet haben: Wenn du 25

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Jahre alt bist. (sie verdrückt eine Träne) Romeo ist unser Zeu-ge.

Trude: ‘Ne richtig schöne Geschichte; da wird einem warm ums Herz.

Karl: Den Romeo gibt es immer noch, Rudi.

Liesl: Der genießt in vollen Zügen seine wohlverdiente Ruhe.

Karl: Dem geht es ausgezeichnet in seiner Pferdepension.

Trude: (zu Karl) Sie sind wohl noch nicht weit mit Ihrer Therapie, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Josef: Und... äh... Ursel kommt wohl auch dieses Wochenende hierher - bleibt über Nacht?

Liesl: Ja... (schaut auf ihre Uhr)... wo steckt sie denn nur? Ach... manchmal hat man es schon schwer mit ihr, dem armen Ding...

Karl: ...besonders, wenn sie hört, daß Sie, Rudi, sich nicht an das Versprechen gehalten haben und...

Liesl: ...daß Sie doch mit einer anderen Frau verheiratet sind.

Trude: Das kann ich auf Rudi nicht sitzen lassen. Jeder sorgt zuerst für sich selbst. So ist das Leben.

Josef: Darf ich etwas zu trinken anbieten. Ach, Trude, sag’ doch dem Butler Bescheid.

Karl: Ich warte, bis Ursel hier ist.

Liesl: Ich auch.

Josef: Gut, dann warten wir noch ein bißchen.

Trude: Ich hätte schon Lust auf einen Schluck. (geht an die linke Tür und ruft nach hinten) Butler, eine Bestellung!

Karl: Ich habe nicht schlecht gestaunt, wie mir ein waschechter But-ler die Tür aufgemacht hat.

Trude: Na ja, waschecht? Ich glaube nicht, daß dieser Mann seine Pa-piere so in Ordnung hat, wie es das Gesetz vorschreibt.

Simon: (tritt auf mit einem Schreibblock und Bleistift) Sie haben gerufen. (geht zu Liesl) Gnä’ Frau? Sie wünschen?

Trude: Hierhin, Ober, ein Jäckchen bitte, ein Cognäckchen! Die ande-ren Herrschaften warten noch ein bißchen.

Simon: Einen Cognac, Frau Strauß. Sehr wohl.

Trude: Seine Ohren jedenfalls sind gut in Ordnung.

Simon: (zu den anderen) Kann ich den Damen und Herren vielleicht irgendwie sonst zu Diensten sein?

Josef: Nein danke, Simon, Sie können jetzt gehen.

Simon: Zu Diensten, Herr Strauß. (schreitet nach links ab)

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Karl: Wenn Ursel heiratet, erbt sie das Gestüt, Rudi.

Josef: So!

Liesl: Das haben wir ihr versprochen. Der Reiterhof wird auf den Na-men unserer Pflegetochter umgeschrieben. Bis dahin werden wir, Karl und ich, ihn leiten.

Karl: Wir werden eben mit der Zeit älter. Und die Leitung eines sol-chen Betriebes ist schon eine Aufgabe.

Trude: (zu Liesl und Karl) Es kommt immer auf den Kopf an. In Ihrem Fall würde ich sofort aufhören. Das scheint mir die beste Therapie zu sein.

Josef: (läuft grübelnd durch das Zimmer) Also Ursel bekommt das Gestüt?

Liesl: Ja, aber nur wenn sie heiratet.

Karl: Ursel ist ein tüchtiges Mädchen, da können Sie sicher sein. Nur, um einen solchen Betrieb, wie den unseren, gut zu leiten, braucht sie die Unterstützung eines tatkräftigen Mannes.

Trude: Und diese Hochzeit findet nun nicht mehr statt, wenn ich es richtig begriffen habe.

Simon: (kommt mit einem Tablett und dem Cognac) Gnä’ Frau!

(Türklingel)

Trude: Das wird sie sein.

Simon: Ich mache auf.

Trude: Geben Sie mir das Tablett. Simon: (gibt Trude das Tablett und geht schnell rechts ab)

Josef: (eilig) Ich halte es schon fest, Trude. (stößt ungeschickt gegen das Tablett, so daß das Cognacglas umfällt) Das tut mir aber leid. Bring’ das Zeug schnell in die Küche. Sonst läuft der ganze Cognac auf den Teppich. Beeil’ dich!

Trude: Ja, ja - was für ein Durcheinander! O Gottogott!

Simon: (kommt von rechts) Herr Strauß, hier ist ein Fräulein Ursula Penninger für Sie.

Ursel: (tritt auf bleibt in der Tür stehen, ist eine junge Frau in den Zwanzigern, hübsch und sportlich gekleidet)

Hallo! Liesl: (weist auf Josef)

Das ist Rudi, mein Kind. Ursel: (geht zögernd auf Josef zu und umarmt ihn)

Trude: (kommt schnell von der linken Tür) Hoi, hoi, langsam! (zieht an Ursels Kleidung)... Laß bloß deine Finger von meinem Mann. Los... los... wird’s bald!!

- VORHANG -

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ZWEITER AKT Wenn der Vorhang sich öffnet, liegt Trude schlafend auf der Bank. Sie schnarcht. Simon kommt von links. Er nimmt Teller und Be-steck vom Tisch und geht damit links ab. Ursel: (kommt von rechts. Mit etwas Abscheu schaut sie auf die

schlafende Trude) Hm...hm...

(Trude schläft weiter. Lena kommt von links mit einem Putztuch. Sie putzt den Tisch. Ursel nickt mit dem Kopf in Richtung Trude)

Was für eine Prinzessin! Lena: (leise)

Ja, Fräulein. Ursel:

Eine schlafende Nymphe. Lena:

Ja, Fräulein. (ist mit dem Tisch fertig) Kann ich Ihnen noch mit was behilflich sein, Fräulein Penninger?

Ursel: Sicherlich.

Lena: Sagen Sie’s, Fräulein.

Ursel: Das nasse Putztuch auf das schnarchende Gesicht legen.

Lena: Muß ich das wirklich tun, Fräulein?

Ursel: Sonst würde ich es nicht sagen.

Lena: Oh... äh... ja. (legt das Tuch vorsichtig auf Trudes Gesicht)... Ist es so gut, Fräulein?

Ursel: Jetzt schaut sie schon viel besser aus.

Trude: (schnarcht weiter) Lena: (zögernd)

Äh... sonst noch ‘was, Fräulein? Ursel:

Ja. Lena:

Was denn... äh... was noch, bitte? Ursel:

‘n Eimer Wasser holen. Lena: (jetzt resolut)

Das mache ich nicht, Fräulein Penninger. Ursel:

Und warum nicht? Lena:

Sie ist Frau Strauß. Ich bin in ihren Diensten. Ursel:

Genau das glaube ich nicht... Lena:

Was glauben Sie nicht, Fräulein? Ursel:

Daß diese schlafende Schönheit Frau Strauß ist. Lena:

Aber... Ursel:

Ist schon gut. Ich frage die Schnarchtante selber. (nimmt das Tuch von Trudes Gesicht)

Lena: (erschrocken) Wollen Sie sie wach machen?

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Ursel: Sonst versteht sie mich ja nicht. (will Trudes Nase zuhalten)

Simon: (ist von links gekommen) Halt! Darf ich fragen, was Sie vorhaben, Fräulein Penninger?

Ursel: Den Lufteinlaß ein klein wenig zudrehen, Butler. Sie bekommt zuviel Luft.

Lena: Das Fräulein will Frau Strauß etwas fragen, Simon.

Simon: Ich ersuche das Fräulein dringend, Frau Strauß in Ruhe zu las-sen.

Liesl: (auf von rechts. Sie blickt verständnislos einen nach dem anderen an) Was ist denn hier los?

Ursel: Diese gnä’ Frau fühlte sich plötzlich nicht gut, Mutter.

Liesl: Oh... rufen Sie den Doktor, Butler. Oder warten Sie...(holt aus ihrer Tasche ein Fläschchen mit Eau de Cologne und hält die-ses unter Trudes Nase)

Ursel: (zu Lena) Ammoniak! Schnell Ammoniak, Mädchen!

Lena: Ja... ja... ja... (eilig links ab)

Simon: (läuft nervös durch das Zimmer) Ich muß Sie doch alle dringend bitten...

Trude: (hört plötzlich auf zu schnarchen, jeder starrt auf das Sofa. Es ist kurz vollkommen still im Raum.)

Liesl: (verzweifelt) Oh... nein... liebe Frau...

Trude: (wird halb wach) He... he... das war angenehm. Nach dem Abendessen hau’ ich mich gern ein bißchen hin.

Lena: (schreit im Hintergrund) Simon:

Was gibt es denn jetzt schon wieder? Lena: (eilends von links)

Ein fremder Kerl!! Trude: (springt vom Sofa auf und rennt rechts weg. Liesl und Si-

mon ihr hinterher) Ursel: (ruhig)

Wo ist der Kerl? Lena:

Er probierte, durchs Küchenfenster einzusteigen. Ursel:

Ich bin ganz wild auf Kerle (selbstsicher links ab) Lena: (schlägt die Hände vors Gesicht) Ursel: (aus dem Hintergrund)

So, mein lieber Einbrecher. Halte mal eben still (man hört einen dumpfen Schlag.

Lena: (geht zögernd an die linke Tür, öffnet diese ein klein wenig und späht hinaus).

Ursel: (kommt streitlustig zurück mit der Bratpfanne in der Hand) So, den hat ’s umgehauen, den komischen Kerl.

Lena: (zitternd) Umgehauen!?

Simon: (steckt vorsichtig seinen Kopf durch die rechte Tür) Ursel:

Richtig umgehauen. Draußen vor ’m Küchenfenster. Er fiel wie ein Sandsack durchs Fenster... äh...nachdem ich ihm mit die-sem Gerät eins auf seinen Kopf verpaßt habe.

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Lena: Sie haben ihn doch... äh... nicht zu hart geschlagen?

Simon: (mannhaft auf von rechts) Wo ist der komische Kerl, meine Damen? Warten Sie, ich wer-de ihn mir vornehmen! (läuft an die linke Tür, späht erst vorsich-tig und geht dann ab)

Ursel: Ich gehe ‘mal eben ums Haus. Kommen Sie mit mir?

Lena: Äh... ja... wenn Sie es wollen. (trippelt hinter Ursel her nach rechts ab)

Simon: (von links. Er schlägt die Tür fest hinter sich zu) Keine Angst, meine Damen. Niemand... äh... (blickt sich ängst-lich um, als er bemerkt, daß die linke Tür sich langsam öffnet, verschwindet er blitzschnell durch die rechte Tür)

Josef: (auf von links) Niemand?

Simon: (tapfer auftretend) Auch da ist alles sicher.

Josef: (nichts begreifend) Wieso sicher? Was heißt das: sicher, Simon?

Simon: Soeben hat jemand versucht, auf freche Art und Weise hier einzubrechen, Herr Strauß.

Josef: (erschrocken) Einzubrechen???

Simon: Eine obskure Person hat versucht, durch das Küchenfenster hier einzusteigen, Herr Strauß.

Josef: Und Sie haben es ihm ordentlich gezeigt...

Simon: Nun... äh... die Situation war so... äh... Herr Strauß... ich stand an dieser Seite vom Tisch, als Lena plötzlich aufschrie...

Josef: Hat sie den Einbrecher gesehen?

Simon: Jawohl, Herr Strauß. Ich glaubte, daß der Schrei von dort kam, (weist auf die rechte Tür) darum bin ich dorthin gelaufen.

Josef: Aber Lena schrie doch aus der Küche...

Simon: Zu diesem Schluß kam ich dann auch und bin deshalb wieder durch dieses Zimmer zur Küchentür gelaufen, Aber... da kam Fräulein Ursel mit der Bratpfanne in der Hand aus der Küche...

Josef: Also hat Ursel mit der Pfanne dem Einbrecher...

Simon: ...eins auf die Birne gegeben, Sie sagen es. War schon alles passiert, bevor ich in Aktion treten konnte. Ich habe aber sofort eine Kontrollrunde durchs ganze Haus gemacht, Herr Strauß.

Josef: Und wissen Sie, wo Ursel sich jetzt befindet?

Simon: Die wird sich mit Fräulein Lena ein sicheres Versteck gesucht haben. Man kann sich ja vorstellen, daß der Schlag von Fräu-lein Ursel ein wenig schwach ausgefallen ist und daß der Ein-brecher sich noch im Hause herumtreibt. Keine schönen Aus-sichten, Herr Strauß.

Josef: Und wo sind all die anderen?... Herr und Frau Schlechter... Trude... ?

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Simon: Ich hab’ den Eindruck, daß wir beide die einzigen Helden sind, die sich in diesem Hause zu bleiben trauen.

Josef: Wissen Sie, was ich glaube, Simon?

Simon: Was denn, Herr Strauß?

Josef: Daß der Einbrecher mit den Beinen unterm Arm verschwunden ist und bereits weit weg ist von hier.

Simon: Je weiter, desto besser, Herr Strauß.

Josef: (erleichtert) Bringen Sie mir mal ein schönes Bier, Simon.

Simon: (zögernd) Oh... äh... ein Bier... richtig ja...

Josef: Ein schön gezapftes Bier wird mir jetzt richtig gut tun.

Simon: Hätten Sie was dagegen, wenn wir zusammen am Küchen-tisch...

Josef: Hätte ich. Ich möchte nämlich hier richtig faul auf dem Sofa lie-gen und den kühlen Trank genießen.

Simon: Oh... ja. Aber ich glaube von Fräulein Lena verstanden zu ha-ben, daß wir diesen Abend mit einer schönen Tasse Kaffee be-ginnen wollten.

Josef: Aber doch erst das Bier, Simon.

Simon: Wie Sie wünschen, Herr Strauß... ein Bier. (läuft zögernd zur linken Tür, überlegt, geht dann zur rechten Tür, späht kurz hin-aus und geht dann ab)

Josef: (legt sich langgestreckt auf das Sofa und seufzt erleichtert) Ursel: (tritt von rechts auf. Sie freut sich, als sie Josef so liegen

sieht) Hi, Rudi. Es ist hier wie im Irrenhaus. Habe ich doch ge-rade den Butler gesehen, wie er auf Händen und Füßen durch den Gang in Richtung Küche gekrochen ist.

Josef: Hallo, du Kopfjägerin. Simon hat mir gerade eine seltsame Ge-schichte erzählt von einem Eindringling, der durchs Küchen-fenster ‘rein wollte... und daß du...

Ursel: ...daß ich ihm mit der Bratpfanne klar gemacht habe, daß er das besser nicht tun sollte.

Josef: Also... du hast ihn wirklich auf den Kopf geschlagen?

Ursel: Rechne ‘mal damit, daß der jetzt ganz schön Schädelbrummen hat.

Josef: Ich dachte, daß Simon einfach phantasiert hat. Er war so... so...

Ursel: ...tapfer!

Josef: Wie er es dargestellt hat, schon. Ich hab’ geglaubt, daß er die Geschichte von dem Einbrecher erfunden hatte, Ursel.

Ursel: Aber so etwas erfindet man doch nicht einfach so.

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Josef: Natürlich nicht einfach so, nein. Aber... äh... unter bestimmten Umständen...

Ursel: (setzt sich hin) Warum machst du das, Rudi?

Josef: Was meinst du, Ursel?

Ursel: Du gehst mit den Leuten so seltsam... so... mit Abstand um, nach der Methode: „Du kannst mir viel erzählen und du kannst machen, was du willst!“ ohne daß du irgendeinen auch nur ein bißchen ernst nimmst.

Josef: Vielleicht habe ich dafür gute Gründe, Ursel.

Ursel: Gute Gründe???

Josef: Es gibt Menschen, die brechen sich ein Bein... andere bekom-men Magengeschwüre und es gibt auch solche, die durch... äh... Stresszustände einen kräftigen geistigen Schlag abbe-kommen.

Ursel: Und dadurch etwas verwirrt werden.

Josef: Genau das meine ich, Ursel.

Ursel: So... so... so, das ist es also. Simon ist bescheuert, Karl ist be-scheuert, Liesl ist bescheuert und ich bin bescheuert und um den Satz fertig zu machen: Rudi Strauß ist normal und Trude ist normal... oder... gehört Trude auch zu der Truppe der Be-scheuerten?

Trude: (auf von links. Sie hat einen großen Holzhammer in der Hand) Haltet den Dieb! Wo ist er?

Ursel: Er liegt irgendwo und leckt seine Wunden.

Trude: Er ist also fort! Gottseidank! (läuft mißtrauisch zum Sofa hin) Sie sitzen ganz schön nahe bei meinem Mann, Fräuleinchen.

Ursel: (springt auf) Sie dürfen ihn meinetwegen haben. (geht entnervt links ab)

Josef: (gereizt) Du kannst auch verschwinden! (springt auf, läuft unruhig durchs Zimmer)

Trude: Ich soll abhauen?

Josef: Ach, so meine ich das nicht, Trude. Ich bin, denk’ ich, etwas durcheinander.

Trude: Das ist der Normalzustand in diesem Haus. Aber das Fräulein-chen...

Josef: Das Fräuleinchen hat uns durchschaut, Trude. Sie weiß, daß wir nicht miteinander verheiratet sind.

Trude: Hat sie das gesagt?

Josef: Nicht direkt... nein, in Andeutungen...

Trude: Das Fräulein hat alles schön durcheinander gebracht, stimmt’s oder hab’ ich recht?

Josef: Die Ursel ist bestimmt ein nettes Mädchen. Obendrein ist sie die Erbin eines Pferdegestüts. Ein Gestüt ist ein Millionenbe-

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trieb, Trude. Stell’ dir mal vor, der Eigentümer von einem sol-chen Betrieb zu sein.

Trude: Wer sagt denn, daß das alles wahr ist, was die Schlechters er-zählen?

Josef: Ich glaube nicht, daß das Wahnvorstellungen sind, Nachbarin.

Trude: Immer langsam mit den jungen Pferden. Manchmal frage ich mich, wer hier eigentlich krank ist...

Josef: Ich auch, Trude!

Trude: Jetzt mal was anderes, Rudi. Ich, Trude Blech, habe beschlos-sen, von hier zu verschwinden. Die Einbrecherei von heute a-bend gefällt mir ganz und gar nicht. Das ist sicher. Bevor du ‘s mitkriegst, knüppelt dich so einer nieder. Und dafür ist meine Krankenversicherung zu niedrig.

Josef: Mach’, was du willst. Wo bleibt Simon mit dem Bier? Ach was, ich hol’s mir selber. (geht mit großen Schritten links ab)

Trude: (holt den Zettel mit der Telefonnummer aus ihrer Schürzen-tasche und geht ans Telefon) Oh Gottogott! Was für ‘ne lange Nummer. (nimmt den Hörer und wählt)... hier ist Trude Blech... Blech, ja... ich hätte gerne Frau Strauß gesprochen... ja die Frau von Rudi Strauß... dann Rudi Strauß selber. Was, ist auch nicht da? Beide nicht da...

Ursel: (hat während des Telefongesprächs den Kopf durch die Tür gesteckt)

Josef: (von links mit einem Glas Bier) Ha, das schmeckt.

Ursel: (zieht beleidigt ihren Kopf zurück) Trude:

O Gottogott! (legt schnell den Telefonhörer auf) Josef:

Du telefonierst, Trude? Trude:

Wie kommst du drauf? Ich hab’ saubergemacht! Josef:

So so. (setzt sich an den Tisch und trinkt sein Bier) Karl: (von rechts)

Was für ein Elend. Meine Frau hat doch so eine Angst vor Ein-brechern. Sie ist vollkommen von der Rolle.

Trude: Ach, die Ärmste. Ich zitt’re auch am ganzen Körper. Ist Ihre Frau oben im Schlafzimmer, Herr Schlechter?

Karl: Sie hat sich unter der Bettdecke versteckt und bebt am ganzen Leib.

Trude: Dumme Kuh. Ich red’ mal mit ihr. (rechts ab)

Karl: Und Rudi trinkt ganz ruhig sein Bier, als wenn nichts los wäre.

Josef: (fröhlich) Ich hatte mich schon auf einen etwas unruhigeren Abend vor-bereitet, Herr Schlechter.

Simon: (kommt mit einem Glas Bier) Ihr Bier, bitte...

Josef: Direkt aus der Brauerei geholt, Simon?

Simon: Sie... äh... haben schon, sehe ich.

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Karl: Stell’n Sie’s hierher, Butler. Ich kann auch eins vertragen.

Simon: Soll ich noch Knabberzeug auf den Tisch stellen, meine Her-ren?

Josef: Ich dachte, daß wir erst noch Kaffee trinken, Simon?

Simon: Ja... jawohl, Herr Strauß, das war auch unsere Absicht. Fräu-lein Lena hatte den Kaffee fertig, aber der ist... verschwunden.

Karl: Der Kaffee verschwunden?

Simon: ‘ne volle Kanne, Herr Schlechter.

Karl: Wie kann um Himmelswillen ‘ne Kanne Kaffee verschwinden?

Simon: Unbegreiflich, Herr Schlechter.

Josef: Ach, was schwatzt ihr dummes Zeug über ‘ne Kaffeekanne, die weg ist. Viel schlimmer für die Leute hier ist, daß sie komplett von der Rolle sind.

Karl: Von der Rolle sind?

Simon: Keine Sorge, Herr Strauß, die Rolle liegt aufgeräumt in der Kü-chenschublade. Fräulein Lena hat sie vorhin noch zum Ausrol-len des Teigs gebraucht.

Josef: Schon gut, Simon. Bringen Sie bitte das Knabberzeug.

Karl: Ich falle hier von einer Überraschung in die andere, Rudi.

Josef: ‘s geht mir genau so, Herr... äh...Karl. Wer ist wer und was ist was? Das frage ich mich ständig.

Karl: Haben Sie das selber gemerkt oder hat Ihnen das Ihr Arzt ge-sagt?

Josef: (schaut Karl eine Zeit lang erstaunt an) Worüber sprechen Sie jetzt?

Karl: Über das „Durcheinandersein“ und „von der Rolle sein“ und so...

Josef: (schlägt sich mit der Hand an die Stirne). Sprechen wir um Himmelswillen über was anderes. Ich werde noch wirklich krank davon.

Karl: Über Ursel?

Josef: Oder über den Reiterhof. Die Geschäfte laufen gut im Gestüt, nicht wahr?

Karl: Das kann man wohl sagen, Rudi. In der Reithalle trainieren so an die dreißig Reitpferde. Stück für Stück ein Traum für einen Pferdeliebhaber. Dann in den Ställen noch so siebzehn Fohlen von ausgesuchter Klasse. Prachtstücke!!

Josef: (träumt vor sich hin) So ein Gestüt ist wirklich was Tolles.

Karl: (enthusiastisch) Ganz was Tolles, mein Junge, ganz was Tolles. Und das hätte Ihres werden können, Rudi. Hätten Sie wirklich nicht noch ein wenig mit der Heiraterei warten können mit... äh... Trude? Übri-gens glaube ich, daß Ursel die geschicktere Frau... ach... was red’ ich doch für dummes Zeug. Verheiratet ist verheiratet.

29

Josef: Ich bin mit Trude nicht verheiratet, Karl.

Karl: Was sagen Sie mir da ???

Simon: (kommt mit Schälchen und Salzgebäck. Er setzt es auf den Tisch) Noch was zu trinken, meine Herren?

Karl: Ja, noch ein Bier, Butler.

Simon: (zu Josef) Und Sie?

Josef: Ich hab’ noch, Simon.

Simon: Wie Sie wollen, Herr Strauß. (links ab)

Karl: Also ihr wohnt nur so zusammen, Rudi?

Josef: Zusammen wohnen ist gut.

Karl: Das verändert natürlich die ganze Situation, mein Junge. Wie gefällt Ihnen Ursel?

Josef: Sie ist ein nettes Mädchen, aber...

Karl: Ursel hat schwer zu tragen gehabt, Junge. Sie war erst fünf-zehn, als ihre Eltern den schweren Autounfall hatten. Und mit einem Schlag war sie Waise.

Josef: Das trifft einen hart.

Karl: Liesl, die jetzt meine Frau ist, arbeitete damals schon seit Jah-ren bei der Familie Penninger als Haushälterin und weil Ursel noch minderjährig war, bekam sie die Aufsicht über das Kind. Später, als Liesl und ich verheiratet waren, haben wir sie adop-tiert.

Josef: So so.

Karl: Der plötzliche Tod ihrer Eltern hat Ursel einen abscheulichen Schock versetzt. Sie kann es noch immer nicht richtig verkraf-ten.

Josef: Aha, also deshalb...

Trude: (hinten) Der Dieb !!! Der Dieb !!!

Karl: Was - jetzt schon wieder?

Trude: (plötzlich von rechts) Der Dieb... unter der Treppe.

Josef: (jetzt doch erschrocken) He... sitzt da jemand?

Trude: ‘ne Art Schlangenbeschwörer mit einem Turban auf seinem Kopf. Packt ihn, den Schurken!

Josef: (ruhiger) Wir sollten doch ‘mal schau’n, Karl?

Karl: Machen wir nicht zuviel Aufhebens. Wenn meine Frau das hört. Kommen Sie, Rudi, nehmen wir uns den Schlangenmenschen vor. (mit Josef rechts ab)

Trude: (schleicht hinter Karl und Josef recht ab, sie läßt die Tür weit offen).

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(Rudi kommt ganz schnell von recht. Er hat einen Verband um seinen Kopf gewickelt. Er will die Schalen mit dem Knabbergebäck

vom Tisch packen, aber da kommt Simon von links. Schnell ver-steckt er sich hinter der Bank.)

Simon: (schaut erstaunt) Alles weg. (stellt das Bier auf den Tisch) Was für ein Haushalt! (geht links ab)

Rudi: (kommt wieder zum Vorschein, trinkt schnell das Bier aus, greift mit beiden Händen in das Knabberzeug und geht verstoh-len wieder rechts ab.

Ursel: (kommt von links, läßt sich auf das Sofa fallen) Trude: (kommt von rechts)

O Gottogott! Ursel: (entspannt)

Was ist denn jetzt schon wieder los, Trude? Trude:

Oh, Sie sind hier? Ursel:

Habe ich Sie erschreckt? Trude:

Ich möchte schwören, daß der Kerl unter der Treppe saß. Ursel: (ruhig)

War der Kerl unter der Treppe, FRAU STRAUß? Trude:

Was reden Sie mich so seltsam an. Ursel:

Das hat Gründe. Trude:

Sie sind wohl auf mich eifersüchtig, he? Das Fräuleinchen kann nicht ausstehen, daß meine Anziehungskraft auf die Männer-welt stärker war.

Ursel: (unsicher) Sie lügen, Trude Blech.

Trude: Nicht, was den Kerl unter der Treppe betrifft. Da lege ich meine Hand ins Feuer.

(Karl und Josef kommen lachend von rechts.)

Trude: Ja, lacht nur!

Ursel: Und Männer? Kein Kerl unter der Treppe?

Trude: Er saß da!

Karl: Ach, gute Frau, regen Sie sich doch nicht so auf. Setzen Sie sich doch gemütlich zu uns.

Trude: (schreiend) Da war einer. Wenn ich’s doch sag’ !!

Josef: (führt Trude zu einem Stuhl) Es ist heute einfach etwas viel für dich gewesen. Ursel, bitte doch den Butler, daß er einen Schnaps bringt. Den kannst Du jetzt gut vertragen. Also, setz’ dich.

Karl: (zu Ursel) Frag’ den Butler gleich, wo mein Bier bleibt. (starrt mit großen Augen auf den Tisch) Ein leeres Glas!

Josef: (schaut von Ursel zu Trude) Ihr habt während unserer Abwesenheit ganz schön zugeschla-gen, nicht wahr?

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Trude: Wie muß ich das verstehen, Rudi Strauß? Raus mit der Spra-che!

Karl: Ihr wart zu zweit hier im Raum, als wir draußen waren. Ursel trinkt kein Bier, das weiß ich... Gnä’ Frau...

Trude:(will protestieren) Josef:

...und wo ist das Knabberzeug? Die Schälchen waren voll... Trude:

Ich war’s nicht. (zeigt auf Ursel) Die Kleine saß hier schon, als ich ‘reinkam.

Ursel: (ruhig) Ich mag kein Knabberzeug.

Karl: (geht mit großen Schritten an die linke Tür und ruft hinaus) Butler!

Ursel: Glaubt ihr wirklich, daß ich heimlich was vom Tisch nehme...

Trude: Dann eben nicht heimlich.

Simon: (auf) Sie haben gerufen.

Trude: (weist auf Karl) Der will was.

Simon: (zu Karl) Sie brauchen mich, Herr Schlechter?

Karl: Haben Sie mir zum zweiten Mal ein volles Glas Bier gebracht, Butler?

Simon: Ganz sicher, mein Herr. Niemand war hier im Zimmer. Darum habe ich das Glas auf den Tisch gestellt. Hätten Sie gerne noch ein Bier?

Trude: Der will mir weismachen, daß seine Tochter kein Bier trinkt? Kennst sie eben nicht gut genug, Mann.

Josef: Danke, Simon, Sie können wieder gehen.

Simon: (geht Schulter zuckend ab) Ursel:

Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Trude die Wahrheit ge-sagt hat...

Trude: Jetzt bin ich aber baff!

Karl: Wie meinst du das, Ursel?

Ursel: Wenn der Butler vorhin das volle Glas auf den Tisch gestellt hat und niemand von uns hat es ausgetrunken, dann muß noch je-mand hier im Haus sein, der Bier mag.

Josef: Aber Ursel. Das hieße doch, daß sich hier im Haus eine fremde Person versteckt.

Trude: Ja, verflixt, eben das ist, was ich den ganzen Abend erzähle.

Karl: Ich traue diesem ganzen Laden nicht mehr. Ursel, bitte geh’ nach oben ins Schlafzimmer und sag Liesl, sie soll unsere Sa-chen packen.

Ursel: (erschrocken) Sie soll eure Sachen packen???

Josef: (stammelt) Sie wollen... Sie wollen abreisen?

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Karl: Heute abend noch. Ich will nicht, daß meine Frau hier vor Angst stirbt.

Trude: Hast recht, Schlechter. Hast ganz recht.

Ursel: Wir fahren also nach Hause.

Josef: Das kann nicht sein... das darf nicht sein. (läuft unruhig im Zimmer hin und her)... Ich... äh... muß Ihnen etwas gestehen. Ich... äh... äh... ich wollte Ihnen einen netten Abend bereiten... äh... mit ein paar... äh... lustigen Einlagen.

Karl: Wollen Sie behaupten, Rudi, daß diese seltsamen Ereignisse heute abend von Ihnen inszeniert waren?

Josef: Genau. Ich dachte mir, es... äh... soll ein spannender Abend werden. Gemütlich aber auch ein klein wenig zum Gruseln... und so.

Trude: (trocken) Ich lach’ mir ‘nen Ast, Rudi Strauß.

Ursel: Und wer war die Person im Küchenfenster, der ich den Schlag mit der Bratpfanne verpaßt habe?

Josef: (lacht gekünstelt) Ha, ha, ha, das war mein Freund Gerhard. Der hat ganz schön eins drauf gekriegt. Ha, ha. (bricht ab)

Trude: Der wird genau so gelacht haben wie du jetzt, Rudi. Wie ein Bauer mit Zahnschmerzen.

Josef: (ärgerlich) Halt du mal deinen Schnabel, Trude, Glauben Sie mir Karl, al-les war nur ein Scherz.

Karl: (mit grimmigem Humor) Sie sind mir ein origineller Scherzbold, das muß man Ihnen las-sen.

Trude: Und der Kerl unter der Treppe? War das auch dein Freund Gerhard?

Josef: Ganz genau.

Trude: (mit einem tiefen Seufzer) Na Gottseidank!.

Karl: (nun etwas fröhlicher) Das macht allerdings alles einfacher.

Ursel: Dieser Gerhard, scheint mir ein verrücktes Bürschchen zu sein...

Josef: (versucht lustig zu sein) Ha, ha, ha... ja, und nett ist er, der Gerhard. Trotzdem bleib’ ich die nächste Zeit am besten außerhalb seiner Reichweite. Ha, ha.

Karl: Das würde ich auch tun, mein Junge. Also, ich geh’ jetzt zu meiner Liesl und erzähle ihr, daß die ganzen seltsamen Ereig-nisse nur ein Scherz waren. Die Ärmste liegt wahrscheinlich immer noch im Bett versteckt und zittert wie Espenlaub. (rechts ab)

Trude: Und was wird sich der verrückte Gerhard heute abend noch für uns ausdenken?

Ursel: (simuliert feixend die Bratpfanne) Das wird eine Überraschung!

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Trude: (lachend) ‘N Leben voller Überraschungen ist wie ein Bett voller Flöhe. In beiden Fälle hast du alle Hände voll zu tun. Guter Witz, was? Den hat mein Dirk, mein seliger Mann, immer erzählt. Nein vor-gespielt hat er ihn, bis sich alle ausgeschüttet haben vor La-chen. (schüttelt lachend den Kopf)... ja, mein Dirk, das war eine Nummer.

Ursel: Ach Trude, diese Heirat mit Rudi ist also schon Ihre zweite?

Trude: Dritte. Mit Hermann, meinem zweiten, bin ich genau drei Stun-den verheiratet gewesen. Auf dem Weg zum Fotografen wegen der Trauphotos hat er plötzlich die Augen verdreht und ist ge-storben und ich war eine Stunde später schon wieder Witwe. O Gottogott, was kann das schnell gehen. Ja, ja, da macht man was mit, stimmt’s oder hab’ ich recht?

(Türglocke)

Ursel: Noch mehr Besuch.

Simon: (schnell von links) Ich mach’ schon auf. (rechts ab)

Trude: Je später der Abend, desto schöner die Gäste.

Simon: (im Hintergrund, übertrieben freundlich) Sicher... sicher. Kommen Sie rein... kommen Sie rein.

Trude: Der Weihnachtsmann.

Simon: ...bitte folgen Sie mir... diese Seite... ja, die Tür ist es... (als die Tür aufgeht kommt er rückwärts rein mit beiden Hände hoch über seinen Kopf)... Kommen Sie...

(Auch Trude und Josef heben jetzt die Hände hoch. Trude stellt sich dabei sogar auf die Zehen. Ursel bleibt ruhig sitzen.)

Simon: ...treten Sie näher...

Ursel: (tritt auf. Sie hat einen Nylonstrumpf über ihren Kopf gezo-gen und in ihrer Hand hält sie eine Spielzeugpistole, die sie auf Simon gerichtet hat. Mit der anderen Hand dirigiert sie Simon in die Küche, Tür links)

Simon: (äußerst freundlich)... Folgen Sie mir... diese Richtung, bitte... ja, die Tür ist es... (läßt vorsichtig eine Hand hinter seinem Rücken runter, um die Tür-klinke zu drücken)...so, das hätten wir... (rückwärts geht er links ab, gefolgt von Luise)

Josef: (läuft zögernd und mit beiden Händen erhoben zur linken Tür. Durch die offene Tür nach hinten ab) Liebe Leute, hört auf! Das wird jetzt zuviel... ich kann nicht alles zulassen...

(Karl kommt von rechts, direkt gefolgt durch Liesl. Als sie die erho-benen Arme von Trude und Josef sehen, gehen auch ihre Arme

hoch.)

Josef: (noch immer mit erhobenen Händen)... So, das reicht jetzt, liebe Leute....

(Simon trägt zusammen mit Lena ein großes Tablett rein, auf dem einige Flaschen, belegte Brote und Beutel mit Chips liegen. Hinter

ihnen Luise, noch immer mit gezogener Pistole. Josef macht schnell die rechte Tür auf, durch die die Prozession verschwindet. Jeder läßt nun vorsichtig die Hände sinken, bis auf Trude, die läßt

sie oben.)

Ursel: (grinsend) Sie können sie ruhig runter tun, Trude.

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Trude: Äh?... Oh... (während sie noch auf die rechte Tür starrt, gehen ihre Hände runter)

Liesl: (läßt sich mit einem Seufzer auf einen Stuhl fallen) Aber Karl, du sagtest doch...

Simon: (kommt von rechts) Die Gefahr ist endgültig gebannt.

Lena: (tritt hinter Simon auf) Sie sind weg.

Josef: Sie???

Lena: Jawohl, mein Herr. Sie waren zu zweit. Hinterm Steuer von dem Wagen, den sie vor dem Haus geparkt hatten, saß ein Mann mit einer weißen Mütze.

Simon: Wir mußten das Tablett mit allem, was drauf war, hinten ins Au-to stellen.

Trude: Der mit der weißen Mütze, das war unser Schlangenbeschwö-rer...

Ursel: (neckend) Rudi, dein Freund... äh... Gerhard... der macht mit seinen Scherzen einfach weiter?

Trude: Aber ich höre jetzt auf. (eilt zur linken Tür, wo sie sich noch schnell zu Josef umdreht) Unsere Ehe ist ab sofort geschie-den, Rudi Strauß. Trude geht jetzt nach Hause.

Ursel: Nach Hause, Trude?

Josef: (mutlos) Alles klar, Nachbarin. Warte, ich begleite dich noch zur Haus-tür.

Trude: Wie du willst. Ich halte es hier nicht mehr aus. Wiederseh’n. (links ab gefolgt von Josef)

Lena: (starrt erstaunt auf die linke Tür) Nachbarin?? Trude ist also die Nachbarin? Aber wer ist dann Frau Strauß? Sag’ was, Simon!

Simon: (vor sich hinstarrend) ...tja, was soll man da sagen, Fräulein Lena?

Lena: Auf der Karte mit dem Werbespruch stand klar und deutlich: Frau Strauß.

Simon: (irritiert) Ja, ja, ja...

Liesl: Verstehst du das noch, Karl?

Karl: Nein, Liesl, ich verstehe nichts mehr. (legt seine Hand auf ihre Schulter) Komm mit, wir müssen ernstlich über die neue Situa-tion reden.

Liesl: Gut, gehen wir rauf ins Schlafzimmer. Ursel, kommst du mit?

Ursel: Nein! Ruft mich, wenn ihr mich braucht.

Karl: Wie du willst, Ursel. Komm, Frau, gehen wir. (beide rechts ab)

Simon: (seufzend) Es hätte ein schöner Abend werden sollen...

Lena: Ich gehe mal in die Küche, zur Schadensbegrenzung. Vielleicht ist doch noch genug übrig für heute abend (links ab)

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Simon: (wandert ziellos durchs Zimmer) ...ja, doch, ja, ich werde Fräulein Lena bei der Arbeit helfen. (will links ab)

Ursel: Butler?

Simon: Was wünschen Sie, Fräulein Ursel.

Ursel: Haben Sie noch einen Moment Zeit für mich?

Simon: (zurück stolzierend) Aber sicher, Fräulein Ursel.

Ursel: Seien Sie ehrlich, Butler. Wie finden Sie die Situation hier in diesem Haus?

Simon: (hüstelt gewichtig) Seltsam, äußerst seltsam, Fräulein Ursel.

Ursel: Rudi Strauß? Wie finden Sie den?

Simon: Hm, Hm... weder Fisch noch Fleisch...

Ursel: Wie meinem Sie das?

Simon: Entschuldigen Sie bitte... äh...

Ursel: (fröhlich) ...ich weiß, was Sie meinen. Sie wissen also bei Rudi Strauß nicht, wie Sie bei ihm dran sind. Das wollten Sie doch sagen, nicht wahr?

Simon: In der Tat, Fräulein Ursel.

Ursel: Man kann ihn nicht packen.

Simon: Aber sonst... ein sehr netter Mann...

Ursel: (streitlustig) Ich werde mir diesen Regenwurm mal näher ansehen, Butler.

Simon: (sich zurückziehend) Oh... äh... aaaber...

Ursel: (holt eine kleine Schere aus ihrer Handtasche, die auf dem Sideboard steht) Vielleicht muß ich ihn für mich in Stücke schneiden.

Simon: Jawohl... aber... sehen Sie, Fräulein... an diesem Wochenende bin ich im Dienst bei Herrn Strauß...

Simon: Und Sie, Butler, müssen mir bei meiner Untersuchung ein biß-chen helfen.

Simon: Ich fürchte, Fräulein, es ist doch nicht so gut, wenn Sie...

Ursel: Geben Sie mir ihren Schuh, Butler!

Simon: (schaut erst Ursel an, dann seine Füße) Äh... Schuh??

Ursel: Ja, das ist so ein Lederkahn, in dem man nur zum Beispiel hier im Zimmer herumfahren (spottend) ka(h)nn . Legen Sie Ihren rechten Schuh auf mein Knie, Butler.

Simon: Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, Fräulein, aber...

Ursel: Das ist ein Befehl, Butler!

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Simon: Oh... äh... ja... (zieht nervös seinen rechten Schuh aus)... ich äh... habe nur ein Paar dabei...

Ursel: Geben Sie schön her, Butler.

Simon: ...und ich muß hier noch einiges erledigen (gibt Ursel den Schuh)

Ursel: (zieht den Schnürsenkel aus dem Schuh) Aufgepaßt! Dieser Schnürsenkel ist unser wunderbarer Regen-wurm...

Simon: Darf... äh... ich die Schere wieder in ihre Handtasche tun, Fräu-lein?

Ursel: Wir nennen diesen Wurm Rudi Strauß. Kein Kopf und kein Schwanz, sehen Sie, Butler?

Simon: Ja... äh... nein, Fräulein.

Ursel: Stellen Sie sich vor, ich schneide diesen Wurm...

Simon: (mit Angst um seinen Schnürsenkel) Bitte nicht, Fräulein.

Ursel: Ich sagte: Stellen Sie sich vor...

Simon: (wischt sich den Schweiß von der Stirn) Äh... und ich habe schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Ursel: (nimmt die Schere und schneidet den Schnürsenkel mit-ten durch)

Simon: Oh... (läßt sich mutlos auf einen Stuhl fallen)... Mein einziger Schuh.

Ursel: Ich habe oben im Schlafzimmer noch eine ganze Menge Schuhbänder. Sie dürfen sich nachher welche aussuchen, o.k.?

Simon: Ja... äh... jawohl, Fräulein.

Ursel: Nun, wieviel nette Würmchen habe ich hier, Butler? (hält die Stücke Schnürsenkel hoch)

Simon: Zwei, Fräulein.

Ursel: Nun kann man deutlich einen Kopf und einen Schwanz unter-scheiden. Eine Seite hart und die andere Seite weich. Was nehmen wir als Kopf?

Simon: Die... äh... harte Seite, Fräulein.

Ursel: Sie scheinen langsam zu verstehen, Butler. Weiter. Wir nennen jeden von diesen netten Regenwürmchen: Rudi Strauß.

Simon: Sehr verwirrend...

Ursel: Stimmt auffallend. Sagen Sie, Butler. Wer ist Ihrer Meinung nach der echte Rudi Strauß?

Josef: (lachend auf von links) So, die Nachbarin wäre unversehrt nach Hause gebracht.

Simon: (nimmt seinen Schuh von Ursels Schoß) Josef:

Probleme mit dem Schuh, Simon?

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Ursel: Da war ein Regenwurm in seinem Schuh, stimmt’s Butler?

Simon: (zieht sich den Schuh an) Aua... aua...

Josef: (fröhlich) Meines Erachtens sitzt er noch drin. ‘n Wurm mit Zähnen.

Simon: (hat seinen Schuh wieder ausgezogen, holt die Schere heraus und gibt sie Ursel, trocken) Ihre, Fräulein Ursel.

Josef: (lacht schallend) Oje, so ein Regenwurm ist natürlich hart beim Gehen. ??

Simon: (geht ärgerlich und hinkend links ab) Josef:

...‘n komischer Kauz, unser Simon. Ich frag’ mich nur: ist er echt oder ist er falsch?

Ursel: (launig) Hier kann man am Stück durchlachen. Hast du eigentlich schon die Polizei angerufen, Rudi Strauß?

Josef: Die Polizei?

Ursel: Ist das so komisch? Nach all den kriminellen Ereignissen hier im Haus?

Josef: Ich hab’ doch schon gesagt, daß das ein Partyscherz ist, Ursel.

Ursel: Nun ja, ist doch gar nicht lange her, da bist du mit „Händen hoch“ hier ‘rumgestanden. Ich hab’s sehr deutlich gesehen.

Josef: Nun... äh .. ich war eben so beeindruckt, daß ich zur Sicherheit dabei mitgemacht habe. Nein Ursel, die Polizei können wir hier nicht brauchen.

Ursel: Wenn du meinst... - Du bist also in Wirklichkeit ein Junggeselle, Rudi?

Josef: Ja, bin ich, Ursel.

Ursel: Und warum das Getue mit Trude?

Josef: Das gehörte alles zur Überraschungsparty, glaube ’s mir doch, Ursel. (öffnet die linke Tür) Simon!

Ursel: Zieh’ mal dein linkes Hosenbein hoch, Rudi.

Josef: Mein Hosenbein hoch, warum?

Ursel: Ich möchte gerne die Narbe sehen.

Josef: Narbe? Wovon?

Ursel: Ich sehe dich noch heute vor mir, als du damals von dem Esel gefallen bist.

Josef: Blöder Esel. Das war ein blöder Esel.

Ursel: Du bist mitten auf dem Waldweg gelegen und hast dich vor Schmerzen gebogen...

Josef: Verflixt, das hat so weh getan, als hätte ich meinen Knöchel gebrochen

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Ursel: ...und dann sehe ich noch den Stock vor mir. Den Stock, der quer durch die Hose in deiner Wade steckt...

Josef: Den hatte ich damals nicht einmal bemerkt, den verflixten Stock. (schaut auf seine Uhr) He, wo bleibt der Butler? Der A-bend ist beinahe vorbei und wir haben noch keinen Schluck zu trinken bekommen. Ha, ha, die Trude war froh, wie sie wieder zu Hause war. Der Schreck war ihr in die Glieder gefahren.

Simon: (kommt von links angeschlürft. Seine Schuhe sind noch lose) Sie haben gerufen?

Josef: Ursel, möchtest du was trinken?

Ursel: Ach ja, lassen wir uns in Bacchus’ Arme fallen. Einen trockenen Sherry, Butler.

Simon: Gerne, Fräulein. Der Herr ein Bier?

Josef: Sie sagen es, Simon.

Simon: Einen Moment, bitte (schlürft zurück)

Josef: (zu Ursel) Wo sind eigentlich deine Pflegeeltern?

Ursel: Oben beim Packen, glaube ich. Aber ich will weiter über den Unfall reden...

Josef: Nichts da, Ursel. Versuche lieber das häßliche Mißgeschick aus deinem Kopf zu vertreiben. Ist für dich nicht einfach. Das ver-stehe ich. Dafür war es zu schlimm. Aber du kannst doch dein Leben nicht jetzt noch mit Geschichten belasten, die dir über-haupt nicht guttun...

Ursel: Ich will die Narbe sehen, in deinem Bein, Rudi.

Josef: Oh... ja...äh... ich habe doch schon gesagt, daß es ein blöder Esel war.

Ursel: Die Narbe!

Josef: Ist prächtig zugewachsen. Man kann nichts mehr sehen, meine Liebe.

Ursel: Aber der Doktor, der dich damals behandelt hat, meinte, daß sie dein ganzes Leben...

Josef: Ärzte vertun sich unwahrscheinlich oft. Nimm meinen Nachbarn Willi. Der müßte eigentlich laut seinem Arzt zwei rechte Hände haben... aber ich habe noch nie so einen ungeschickten Kerl gesehen.

Ursel: Rudi, mein Lieber, setzt dich doch mal zu mir auf ’s Sofa.

Josef: Mach ich - sobald Simon was zu trinken gebracht hat.

Ursel: Du bist so kühl, Rudi.

Josef: Nun... ja... äh... meinst du wirklich, Ursel?! (setzt sich mit einem Abstand zu ihr auf das Sofa)

Ursel: Ich tue jetzt das, worauf ich seit Jahren gewartet habe: dich küssen.

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Josef: So, so. Wenn du meinst. Dann tue ‘s doch. (läßt es gelassen zu, daß Ursel ihn umarmt und küßt)

Simon: (kommt mit den Getränken. Er bleibt in der Tür stehen) Hm... Hm...

Josef: (löst sich von Ursel) Stellen Sie bitte alles auf den Tisch, Simon.

Simon: Wie Sie wünschen. (setzt die Gläser auf den Tisch) Kann ich noch etwas für Sie tun?

Ursel: Jawohl, Butler. Rufen sie alle hier im Haus in dieses Zimmer, damit sie mit uns anstoßen auf unsere Verlobung.

Josef: (springt vom Sofa auf) Verlobung?

Ursel: Wir haben uns soeben verlobt, Butler.

Simon: Oh... äh... ja... das geht manchmal sehr schnell... hm... hm... ich werde alle zusammenrufen, Fräulein. (schlürft nach links weg)

Josef: (im Zimmer hin und her) Jetzt bin ich baff... du erstaunst mich, Ursel, aber echt. Erst nix... und dann plötzlich verlobt...

Ursel: So läuft es nun mal bei mir, Liebster (springt nun auch vom So-fa hoch und will Josef um den Hals fallen)

Josef: (entkommt ihr) Nein! Das geht mir entschieden zu weit. Ich habe nämlich die volle Verantwortung für das Tun und Lassen in diesem Haus. So geht das nicht!

Ursel: (läßt sich zurück auf das Sofa fallen) Was stehst du da, Liebster und redest von Verantwortung, wo wir doch dabei sind, unser weiteres Leben miteinander zu tei-len.

Josef: Tut mir leid, Ursel. Eine Verlobung geht nun mal nicht so Knall auf Fall. Nein, so geht das nicht. Ich tu’ alles, es euch hier so gemütlich wie möglich zu machen, aber es gibt Grenzen.

Ursel: Nun hör’ mir mal zu, Rudi. Du hast viele Jahre lang auf mich gewartet und ich habe genau so viele Jahre auf dich gewartet. Keinen Tag bist du aus meinen Gedanken verschwunden, Liebster (geht an ihm vorbei, lockend)... oder... oder... bin ich etwas eine Enttäuschung für dich? Bin ich in Wirklichkeit weni-ger hübsch als das Bild, das du von mir in dir trägst?

Josef: Nein... nein... nein, das ist es nicht, Ursel. Du bist natürlich ein unheimlich hübsches Mädchen und was ich ganz besonders an dir mag, ist deine unvorstellbare Spontaneität... aber...

Ursel: Du magst mich nicht mehr.

Josef: Im Gegenteil, Mädchen. Ich würde gerne alles tun, um mit dir... äh...

Ursel: Was tun wir dann so ‘rum (fällt Josef um den Hals und küßt ihn)

Liesl: (mit Karl lachend von rechts) Ach Kinder, habt ihr euch endlich gefunden? (Ursel und Josef bekommen von ihnen einen innigen Kuß.)

Karl: Das ist der Moment, auf den wir seit Jahren gewartet haben (gratuliert Ursel und Josef)

Liesl: (strahlend) Mein Gott, bin ich erleichtert... nach all dem elendigen Getue hier heute abend.

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Karl: Morgen früh, bei Sonnenaufgang, fahren wir zurück zu eurem Gestüt. Du freust dich schon darauf, junger Mann - hab’ ich recht?

Liesl: Rudi, du bist ein Glückspilz,.

Josef: Ja... äh... aber...

Ursel: (löst die Umarmung) Kein aber. Das Fest kann beginnen.

Lena: (zögerlich von links) Ich hörte von Simon,... daß...

Ursel: Ha, Lena, Sie kommen wie gerufen. Schleif’ den Butler her und stellt alles, was eßbar und trinkbar ist, auf den Tisch!

Lena: Jawohl Fräulein. Ich hörte von Simon...

Ursel: Du hast gute Ohren, Mädchen. Nun mach’ erst mal das, was ich dir aufgetragen hab’.

Lena: Ist gut, Fräulein. (links ab)

Josef: (zu Ursel) Hast du denn nicht gemerkt, daß sie uns gratulieren wollte? Sei doch nicht so überdreht, bitte.

Ursel: Oh... sie wollte uns gratulieren? (geht zur linken Tür und ruft nach hinten) Lena!

Liesl: Unsere Ursel dreht halb durch vor Glück, Rudi.

Lena: (schüchtern von links) Sie haben mich gerufen, Fräulein?

Ursel: Ja, Lena. Herr Strauß möchte ihnen etwas mitteilen.

Lena: Bitte, Herr Strauß.

Josef: Lena,... äh... Ursel und ich haben uns soeben verlobt. Das woll-te ich sagen.

Lena: Oh, das ist aber schön. (gratuliert Ursel und Josef) Kann ich sonst noch was für sie tun?

Josef: Ja, Lena, bitte unser Verlobungsfest weiter vorbereiten.

Lena: (begeistert) Simon und ich werden alles tun. um Ihnen einen unvergeßli-chen Abend zu bereiten. (ab)

Karl: Ein prächtiges Mädchen. So freundliches Personal findet man heutzutage selten.

Josef: (zu Ursel) Es scheint mir das beste zu sein, wenn du dich eine Stunde hinlegst und dich ausruhst. Der Tag heute ist doch sehr an-strengend für dich gewesen.

Ganz können wir Ihnen diesen Spieltext hier nicht geben. Ist doch klar, oder?! Wenn Sie dieses Stück spielen wollen – rufen Sie uns an:

Impuls-Theater-Verlag Tel.: 089 / 859 75 77

Dann besprechen wir alles weitere!

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