Ein Mensch in zwei Welten

download Ein Mensch in zwei Welten

of 244

Transcript of Ein Mensch in zwei Welten

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    1/244

    R I C H A R D W U R M B R A N D

    E I N M E N S C HI N Z W E I W E L T E NM E D I T A T I O N E N I N G E F A N G E N S C H A F T

    U N D I N F R E I H E I TStephanus Edition

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    2/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    3/244

    Richard WurmbrandEin M ensch in zwei W elten

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    4/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    5/244

    Richard Wurmbrand

    Ein M enschin zwei W elten

    Stephanus Edition Uhldingen/Seewis

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    6/244

    Fr Spenden an die leidende Untergrundk irche wird dieOrganisation Hilfsaktion Mrtyrerkirche" empfohlen.Deutschland:HMK, Postfach 1160, D-7772 Uhldingen 1Konto-Nr. 2012003 (BLZ 69051725)Sparkasse Salem-Heiligenberg

    Schweiz:HM K, Postfach 1182 , CH -3601 ThunPostcheckkonto 80-4309-4

    ISBN 3-921213-84-3Copyright 1987 Richard W urmbrand. Teil I, aus derOriginalausgabe Sermons in solitary confinement"bersetzt von H . M. Steinacker* 1969 Hodder & Stoughton LondonAlle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe beiStephanus Edition Verlags AG Uhldingen/Seewis

    Titelbild T . Hagen/J. SchiunkeHerstellung: Ebner Ulm1. Auflage 1987

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    7/244

    InhaltVorwort 7I. Im GefngnisIm Gefngnis 11Gottes ungerechte Gesetze 18Ein Christ begegnet Gabriel 28Er gibt keine Befreiung von der Pflicht 35Simson im Gefngnis 43Das W ort ward Fleisch 50Ein Kindergottesdienst 55W ieder geknebelt 62Sichtbare Wunden 67Binzea 73Ani-hu 79Vor Liebe krank 84Die Unvernunft der Liebe 90Die Lehre von der Zelle mit den Ratten 96Gesprch mit meinem Sohn Mihai 101Predigt an die Kirchen im Westen 107Ich brachte ihn zum Lcheln 113Ganz reingewaschen 122II. In FreiheitMein persnliches Leid 131Geheimnisse der hebrischen Sprache 152M eine Politik ist Liebe 172W o Christus heu te leidet 193Die weien Seiten der Bibel 216Himmelfahrt 232

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    8/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    9/244

    VorwortRichard W urmbrand hat in zwei ganz verschiedenen Wel-ten gelebt. Er ist ein jdischer Christ rumnischer Her-kunft, der 14 Jahre lang in kommunistischen Gefng-nissen war, 3 Jah re davon in Einzelhaft, neun Meter unterder Erde.In dieser Zeit sah er nie die Sonne, nie ein Kind und nieein Buch. Um ihn herum war vollkommenes Schweigen.Nie hrte er eine Stimme, nicht einmal ein Flstern.Damals predigte er zu einem unsichtbaren Publikum.Gott und die Engel hrten seine Predigten. Auf Engels-flgeln wurden sie auch zu menschlichen Seelen weit weg-gebracht.

    Vieles von diesen Predigten prgte sich Wurmbrandein, indem er die Hauptgedanken in Reime fate. Nachder Befreiung konnte er dann die Gedichte wie Suppen-wrfel auflsen. Einige dieser ganz ungewhnlichen Ge-dankengnge folgen im ersten Teil dieses Buches.Nachdem Wurmbrand gegen ein Lsegeld in die Frei-heit kam, grndete er die Internationale ChristlicheMission fr die Kommunistische Welt, in Deutschland,sterreich und der Schweiz unter dem Namen HilfsaktionM rtyrerkirche bekannt. Fr diese Mission bereist er seit20 Jahren viele Lnder, predigt und hlt viele Vortrge.Es sind Predigten in einer fr ihn ganz neuen Welt.Die Gedanken und Gebete aus der Gefangenschaftund aus der Freiheit stellen eine natrliche und unerl-liche Ergnzung zueinander dar.Lesen Sie dieses Buch, und Sie werden die geistigeEnergie spren, die darin enthalten ist. Die verfolgte G e-meinde, zu der der Autor gehrte, gibt Antwort auf daszentrale Thema eines Christen: Wie besteht er in derSpannung seines Glaubenslebens, wie erlebt er JesusChristus heute real?

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    10/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    11/244

    IIm Gefngnis

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    12/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    13/244

    Im GefngnisVon den 14 Jahren, die ich in kommunistischer Gefan-genschaft in Rumnien war, verbrachte ich drei Jahreallein in einer Zelle etwa neun M eter unter der E rdober-flche, ohne jemals Sonne, Mond oder Sterne, Blumenoder Schnee gesehen, ohne jemals einen Menschen,auer den Wchtern und Verhrern, die mich schlugenund folterten, zu Gesicht bekommen zu haben.Selten hrte ich einen Laut in diesem Gefngnis. DieWchter trugen Schuhe mit Filzsohlen, und so hrte ichnicht, wenn sie kamen.Ich hatte weder eine Bibel noch ein anderes Buch. Ichbesa auch kein Papier, um meine Gedanken aufzu-schreiben. Das einzige, was wir schreiben sollten, warenAnschuldigungen gegen uns selbst und andere.Whrend dieser Zeit schlief ich nachts kaum. Ichschlief am T age. Jede Nacht verbrachte ich die Stundenmit Gebet und geistlichen bungen. Jede Nacht arbeite-te ich an einer Predigt und hielt sie auch.

    Ich hatte eine ganz schwache Hoffnung, eines Tagesentlassen zu werden. Und deshalb versuchte ich, meinePredigten im Gedchtnis zu behalten. Um das zu errei-chen, bediente ich mich eines Hilfsmittels und setzte dieHauptgedanken in kurze Reime. Hierfr gibt es bereitsBeispiele: Omar Kayyam, Nostradamus, Heinrich Susound Angelus Silesius hatten alle schon einen Schatzphilosophischer, religiser und prophetischer Gedankenin sehr kurzen Versen zusammengefat. So verfateauch ich meine Reime, lernte sie dann auswendig undbehielt sie durch stndiges Wiederholen im Gedchtnis.Als mein Gedchtnis mich unter dem Einflu von schwe-ren Rauschmitteln verlie, verga ich sie. Aber sobalddie Wirkungen der Drogen vorbei waren, kamen sie mirlebhaft wieder.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    14/244

    Hier sind nur einige der Predigten. Insgesamt habe ichetwa dreihundertfnfzig in meinem ungewhnlich gutenGedchtnis behalten.Diese Predigten knnen nicht nach ihrem dogmati-schen Inhalt beurteilt werden. Ich lebte damals nichtnach einem Glaubenssatz. Das kann keiner. Die Seeleernhrt sich von Christus, nicht von Lehren ber Ihn.Nach dogmatischen Gesichtspunkten durften Davidund Hiob nicht mit Gott argumentieren. Nach dogmati-

    schen Gesichtspunkten war es von dem Verfasser desBuches Esther falsch, kein Wort zum Lobpreis Gottes,der Sein Volk gerade in so groartiger W eise befreit ha t,niederzuschreiben. Nach dogmatischen Gesichtspunk-ten durfte Johannes der Tufer im Gefngnis nichtzweifeln, da Jesus der Messias war. Anhnger dogmati-scher Lehrstze knnten sogar an Jesus selbst Fehlerfinden. Er h tte in Gethsem ane nicht zittern sollen. Aberdas Leben, sogar das Glaubensleben, richtet sich nichtnach dogmatischen Lehrstzen. Es verfolgt seinen eige-nen Kurs, und dieser Kurs erscheint dem Denkensinnlos.Ich lebte unter auergewhnlichen Umstnden undhabe geistig auergewhnliche Stadien durchgemacht.Ich mu das von mir Erlebte meinen Mitmenschenmitteilen. Sie mssen informiert sein, denn Zehntausen-de von Christen sind noch immer in kommunistischenLndern in Gefangenschaft, werden gefoltert, mit Dro-gen betubt, in Einzelzellen gesperrt und - wie ich - inZwangsjacken gesteckt. Viele mssen hnliche Reaktio-nen - wie ich - haben. Jesus wurde durch Sein M itleid mitder Menschenmenge einer der ihren, ein Zimmermannin einem armen Land unter einem unterdrckten Volk.Du kannst nicht wirklich mitleiden, wenn du nicht deninneren Zustand derjenigen kennst, die bedrckt sind.Bei den K om munisten oder Nazis in Einzelhaft zu seinbedeutet, den Hhepunkt grten Leidens zu erreichen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    15/244

    Die Reaktionen der Christen, die durch diese Leidens-proben gehen, unterscheiden sich von allen anderen.Das vorliegende Buch soll diese Gedanken und Gefh-le denen verstndlich machen, die auf der Seite derunschuldigen Opfer stehen. Mit vielen der in diesenPredigten zum Ausdruck gebrachten Gedanken stimmeich heute, da ich unter normalen Umstnden lebe, nichtmehr berein. Trotzdem schreibe ich sie so nieder, wiesie mir damals kamen.

    Den Leser mchte ich bitten, anstatt zu urteilen, sichmit in die Gemeinschaft dieser christlichen Brder zubegeben, die im Gefngnis unter Umstnden leben, dieBede (engl. Mnch und Gelehrter, 673-735, Verfassereines lateinischen Geschichtswerkes ber die KircheEnglands; d. bers.) mit den Worten beschreibt: Hiergibt es keine andere Stimme als die des Weinens, keinAntlitz als das der Folterknechte." Versetzt euch in ihreLage: Gedenket der Gebundenen als die Mitgebunde-nen." Wendet eure ganze Vorstellungskraft an, umnachzufhlen, was es bedeute t, in Einzelhaft zu sein undgefoltert zu werden. Nur dann werdet ihr dieses Buchverstehen knnen. Es enthlt die Predigten eines Pfar-rers, dessen Grundfesten des Verstandes unter der Bean-spruchung wankten, wie ich dies jetzt erkenne. Manch-mal gab es Zeiten , in denen ich beinahe abtrnnig wurde .Glcklicherweise wurde ich an solchen Tagen nichtgefoltert. Wahrscheinlich wre ich dann zusammenge-brochen. Die Qualen kamen erst, nachdem ich dieVerzweiflung berwunden hatte.Es ist nicht schwer fr mich, die gesamte Predigt auseinem kurzen Vers wieder zu entwickeln, denn obwohlich nicht mehr in Einzelhaft bin , hat mich die Einzelzelleniemals mehr verlassen. Nicht ein einziger Tag vergeht,ohne da ich darin lebe; ganz gleich, ob ich in einerMassenversammlung in den USA, in einer Kirche odereiner Komiteesitzung in Grobritannien bin oder gerade

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    16/244

    in einem Zugabteil sitze. Mein wirkliches Ich ist frimmer in Einzelhaft geblieben. Ich lebe nicht meinaugenblickliches Leben , sondern ich erlebe stndig dieseGefngnisjahre wieder. Der Grund ist nun nicht, dadiese Jahre ein wesentlicher Teil meiner persnlichenGeschichte sind, sondern weil ich nicht mein wirklichesIch bin. Mein wirkliches Ich sind diejenigen, die heute inRotchina, in Albanien, in Rumnien, in Nordkorea undin andern kommunistischen Lndern in einsamen, d-stern , feuchten Zellen leben. Sie sind die kleinen BrderJesu. Sie sind der kostbarste Teil des mystischen LeibesJesu Christi auf Erden . Ich lebe ihr Leben, wenn ich dieJahre m einer Einzelhaft wieder erlebe . Es ist ein eigenar-tiges Erlebnis. Es kann zum Wahnsinn fhren. Ja, viel-leicht ist in diesen meinen Predigten schon Wahnsinnenthalten.Aber wenn Erasmus recht daran tat, Lob der Tor-heit" zu schreiben, warum sollte dann die Torheit nichtauch selbst fr sich sprechen knnen?Der Kom munismus hat viele Pfarrer und andere Chri-sten, deren geistige Gesundheit unter der langanhalten-den Folter zerbrach, zum Wahnsinn getrieben. Warumsollten nur weise Mnner sagen, was sie ber den Kom-munismus denken? Warum soll man die Irren nicht ausihrem W ahnsinn sprechen lassen? Was ich hier zu Papierbringe, sind die Wahnsinnsgedanken derjenigen, dieunter schrecklich harten , nicht zu beschreibenden Bedin-gungen lebten und immer noch leben.Ich hatte Augenblicke im Gefngnis, in denen ichGlaubenssiege kannte. Ich hatte ebenfalls Augenblickeder Verzweiflung. Ich danke Gott fr beides. Letzterehatten das G ute , da sie mir meine Grenzen zeigten undmir beibrachten, mich weder auf meine eigenen Siegenoch auf meinen G lauben, sondern allein auf das versh-nende Blut Jesu Christi zu verlassen.Neue Ursachen bringen immer neue Auswirkungen

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    17/244

    hervor. Die Einzelhaft unter den Kommunisten ist etwasNeues in der Kirchengeschichte. Man kann sie nicht mitden Verfolgungen der Rmer oder sogar der Nazisvergleichen. Beachtet den Unterschied durch die intensi-ve Anwendung von Drogen oder systematisch betriebe-ner Gehirnwsche und seid deshalb ber unsere Gedan-ken und Reaktionen nicht erstaunt.Mir ist bewut, da einige meiner in diesen Predigtenvertretenen Ansichten khn sind, eine Khnheit, die nurdurch lange Stille kommen kann . Geben diese Gedankennun die Wahrheit wieder oder sind sie Ketzerei? DieW ahrheit ist die bereinstimm ung zwischen der G edan-kenwelt und der Wirklichkeit. Aber wer kennt die volleWirklichkeit? Wir lebten in einer besonderen Wirklich-keit, und unsere Gedanken haben sie vielleicht genauwidergespiegelt, obwohl sie anderen, die ein ruhiges,normales Leben fhren, fremd erscheinen. Jedenfallshabe ich damals so darber gedacht. Das Denken Tau-sender Christen, die in kommunistischen Gefngnissenheute gefoltert w erden, wird von genau solchen Strmenzerschlagen. Das ist es, worber ich zum Nutzen derChristen schreiben mu, die kein selbstschtiges Lebenfhren wollen, sondern sich nach Gemeinschaft mitdenjenigen sehnen, die nicht nur durch physische Qua-len, sondern auch durch groe geistliche und geistigeSpannungen gehen mssen.Lat mich euch jetzt die Worte des Psalmisten sagen:Hre, Tochter, sieh und neige deine Ohren; vergideines Volks (ganz gleich, ob du Katholik oder Prote-stant, Fundamentalist oder Liberaler bist) und deinesVaterhauses" und folge m ir, genau wie wir Gefangenen,mit verbundenen Augen in das unterirdische Gefngnis.Hier schliet sich die Zellentr hinter dir: Du bist allein.Jegliches G erusch ist verstummt. D u wirst nur durch einRohr mit Luft versorgt. W enn du bei dem Gedanken, ansolch einem Ort abgeschlossen zu sein, schreien willst,

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    18/244

    dann tu es. Die Wchter werden dich bald in eineZwangsjacke stecken. Doch der Knig wird Lust andeiner Schne haben", wenn du so lange dort bleibst, wieEr es fr dich bestimmt hat.Sag ja zu deinen Gedanken der Verzweiflung und desGlaubens, deinen Zweifeln und ihrer Lsung, den Au-genblicken deines Wahnsinns und ihrem Schwinden. Duglaubst, du denkst. Aber in Wirklichkeit wirst du ge-dacht. Vielleicht bist du ein Experiment fr Engel. Dubist vielleicht wie Hiob Gegenstand einer Wette zwi-schen Gott und Satan. Sei fest entschlossen, dich nur anGott zu halten, auch wenn er dich, auch wenn er deinenGlauben zerschlgt. Wenn du deinen Glauben verlierst,dann bleibe auch ohne Glauben sein Kind. Wenn alleFrchte des Geistes schwinden und du ein vertrockneterBaum nur mit Blttern bleibst, dann denke daran, daauch Bltter einen Zweck haben. In ihren Schattenknnen die Fruchtbringer in den Armen ihres gttlichenLiebhabers ruhen. Von Blttern windet die Braut ihremGeliebten einen Kranz. Aus Blttern wird heilendeMedizin gewonnen. Und sogar wenn die Bltter gelbwerden und verwelkt auf den Boden fallen, knnen sie zueinem Teppich werden, auf dem Er denen entgegenge-hen wird, die, anders als du, treu bis ans Ende gebliebensind.Geh hinunter in die Einzelhaft. Ich habe dich bis an dieTr der Zelle geleitet. Hier verschwinde ich. Du bleibstallein mit Ihm. Vielleicht wird es dein Brautzimmer.Vielleicht wird es ein Zimmer geistlicher Qual fr dich.Ich mu dich verlassen. Mein Platz ist in meiner eigenenZelle. Du siehst mich an und glaubst, Wahnsinn inmeinem Gesicht zu erkennen? Das macht nichts. Sehrbald wirst du aussehen wie ich. Und vielleicht kannst dudann zu Jesus sagen: Ich bin schwarz, aber gar lieblich."Wir sind hinunter in die Dunkelheit gegangen. Hierwirst du den Druck, aber auch das Entzcken groer

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    19/244

    Tiefe erfahren. In einer groen Tiefe sehen die Dingenicht so aus wie an der Oberflche. Dein Orientierungs-sinn schwindet. Dein D enken ndert sich, vorausgesetzt,da du dein Denkvermgen berhaupt behltst. Du wirstwahrscheinlich vom rechten Weg abkommen.Mge Gott dir helfen! Mge Gott Erbarm en mit allenarmen Sndern haben, die durch die Entzckung derletzten Tiefen gehen. R. W.Anmerkung: Auf den folgenden Seiten wird verschie-dentlich darauf hingewiesen, da die Gefangenen sichmit Hilfe von Klopfzeichen durch die Zellenwnde ver-stndigten. In meinem Buch In Gottes Untergrund"erklre ich, wie fast alle Gefangenen diese Zeichenspra-che erlernten. Bei dem von mir erwhnten Gefngnis derNazis handelte es sich um ein rumnisches Gefngnis derrechtsgerichteten Diktatur von General Antonescu, dieunserem Land von den Nazis aufgezwungen wurde.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    20/244

    Gottes ungerechte GesetzeGott!

    Seit Jahren predige ich den Menschen. Ich hatte fastvergessen, da in der Kirche auch unsichtbare Zuhrersind; da die Engel zuhren, wie wir ein W ort darlegen.Jetzt, wo ich nun mit Dir und Deinen unsichtbarenDienern allein bin, kann ich mit einer neuen Predigtreihebeginnen.In der Kirche mute ich vorsichtig sein, nicht dieGefhle oder vorgefaten Meinungen meiner Zuhrerzu verletzen. Mit Dir kann ich ganz offen sein. Bei Dirgibt es keine Inquisition. Du wirst mich nicht der Ketze-rei anklagen. Vor anderen Menschen mute ich Dichloben. H ier bin ich frei, Dich in Frage zu stellen und DirVorwrfe zu machen, wie David und Hiob und andere esgetan haben.Ich will Dir offen alles sagen, was ich auf meinemHerzen habe. Es steht in Deinem Buch, da Du gesagth ttest: Es ist nicht gut, da der M ensch allein sei." Unddoch hltst Du mich in Einzelhaft. Du hast Eva geschaf-fen, damit sie bei Adam sei. Mir aber hast Du meine Fraugenom men. Du tust mir gerade das an, was Du selbst alsfalsch erkannt hast. Wie willst Du Dich rechtfertigen,wenn wir uns begegnen? Du wirst mich fragen, warumich gerade das getan hab e, was in Deinem Wort verurteiltwird. Es ist aber viel schlimmer fr einen G ott, nicht seineigenes Wort zu erfllen, als fr einen Menschen, nichtG otte s Gebo te zu befolgen. Das Gericht wird auf Gegen-seitigkeit beruhen. Ich kann jetzt die Worte Jesajasverstehen: So kommt denn und lat uns miteinanderrechten, spricht der Herr."Jesus sagte: Der Vater lt seine Sonne aufgehenber die Bsen und ber die Guten." Unsere Folterer

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    21/244

    sind jetzt am Strand und genieen die Sonne. Ich bin ineiner Zelle neun Meter unter der Erdoberflche undhabe die Sonne seit Monaten nicht mehr gesehen. Jesuswird mich vieles beim Jngsten Gericht fragen. Das istSein R echt. Aber ich werde Ihn auch fragen, warum SeinVater mich von der Sonne ferngehalten hat. Ich binneugierig, wie Seine Antwort lauten wird.Seit meiner Bekehrung hat mich immer Dein Wort inHesekiel gereizt: Ich gab ihnen Satzungen, die nicht gutsind, und R ech te, darin sie kein Leben konnten haben."Ich habe noch nie einen Prediger gehrt, der diesen Verserklrt hat. In den Kommentaren wird er ebenfallsum gangen. Jetzt fange ich an , etwas von dem Geheimniszu verstehen. Keine Satzung kann gerecht sein, auchwenn sie von Gott stammt, denn jede Satzung legt diegleichen Mastbe an, die mit unterschiedlichen Fhig-keiten in verschiedenen Situationen leben.Das gilt sogar fr die Zehn G eb ote. Du sollst dir keinBildnis machen", lautet ein Gebot, das allen Menschengleichermaen gegeben ist, sowohl dem streng puri-tanisch Erzogenen wie auch demjenigen, der auf einelange katholische Tradition zurckblicken kann. DiesesGesetz ist nicht gerecht, denn diese beiden Menschenknnen es nicht mit der gleichen Leichtigkeit erfllen.Ich unterhielt mich einmal mit einem Katholiken berdas zweite Gebot, und er antwortete mir aufrichtig:Warum seid Ihr Protestanten so blind? In dem Gesetzheit es, ,Du sollst dir kein Bildnis machen'. Das heitaber nicht, da Michelangelo oder sogar ein modernerBildhauer kein Bild fr dich machen darf. Es ist deneinzelnen nur verboten, Heiligenbilder jeweils nach ih-rem eigenen Belieben zu gestalten. Aber der Kirche ist eserlaubt, den Christen diese Hilfe der Inspiration zugeben."Ganz berrascht starrte ich diesen katholischen Bruderan, den berhaupt nicht beunruhigte, was mich sosehr

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    22/244

    verwirrte. Er fuhr fort: Als Gott in Jesus Christusmenschliche Gestalt annahm, hatte Er alle Eigenschaf-ten eines Menschen, auch die, gegebenenfalls Modelleiner knstlerischen Gestaltung zu sein." Und so weiter.Ich hatte hierber noch nie so gedacht.Du sollst deinen Vater und deine M utter ehren" wirddenen geboten, deren Vter glubig und gut sind. Ichkenne jedoch Menschen, die heftig auf dieses Gebotreagierten. Die einzige Erinnerung, die sie hatten, war,da ihr Vater trank und sie ungerecht geschlagen oderihre M utter sie verlassen h atte . In meiner Gem einde warein Mdchen, das von seinem eigenen Vater verfhrtworden war. Deine Gesetze sind nicht gerecht. Siebefehlen uns, jeden Vater zu ehren, jede Mutter, sogareine, die mir kriminelle Veranlagungen vererbte. Ich sollmeine Vorgesetzten in der Kirche ehren. Einige habendas Martyrium auf sich genommen. Andere von ihnenwurden Spitzel der Kommunisten. Und ich soll beideehren. So ist zwar Dein Gesetz, aber es ist ungerecht.Du sollst nicht tten" wird dem Schweden wie denSchweizern gesagt, deren Nationen seit Jahrhundertenkeinen Krieg mehr fhren. Uns Rumnen gilt das gleicheGebot, obwohl unser Land in jeder Generation vonanderen Vlkern berfallen wurde und wir uns verteidi-gen muten.Du sollst nicht stehlen" sagt ein G ebot dem Millionr,der mehr besitzt, als er bentigt, und keinen Grund hatzu stehlen. Ich bin jetzt schrecklich hungrig und wrdeBrot stehlen, wenn ich nur etwas finden knnte. Aberwenn ich das tte, wrde ich eines Deiner ungerechtenGebote brechen.Du sollst nicht ehebrechen", wird dem Mann gebo-ten, der eine liebevolle und schne Frau hat, die ihmsexuell eine gute Partnerin ist. A ber das Gesetz gilt auchdem, der einen unertrglichen Ehepartner oder garkeinen hat. Wie sehr hat Johannes, ein Mitglied unserer

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    23/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    24/244

    Euer Herz erschrecke nicht!" wird sowohl dem stetsbesorgten wie auch dem phlegmatischen Menschen ge-sagt, der von Natur aus niemals besorgt ist. Es wird demwohlhabenden Amerikaner, der wirkliche Sorgen nochnicht erfahren hat, wie auch meinem Mitgefangenengesagt, der mir gerade mit Morsezeichen durch die Wandzu verstehen gab, da er zum Tode verurteilt werdenknnte.Ein Gesetz kann nur ungerecht sein. Sogar Du, Gott,konntest die Ungerechtigkeit nicht umgehen, als Dubegannst, Gesetze zu schaffen.Deine Ungerechtigkeit besteht nicht nur darin, da Dumich allein an einem Platz hltst, der von der Sonne nichterreicht wird. Das Problem ist viel grer. Du hastungerecht gehandelt, die Menschen unter Gesetze zustellen.Mein persnliches Problem will ich Dir berlassen.Eine Mglichkeit, von dem frei zu werden, was einenbedrckt, ist, den persnlichen Kummer zu ertrnken,der nur ein Tropfen in dem unendlichen Meer desSchmerzes der Welt ist. Aber ich frage nach dem allge-meinen Problem. Warum warst Du so ungerecht zu denMenschen und hast ihnen G esetze gegeben, die Du selbstals ungerecht anerkennst?Du brauchst Jesus genauso wie ich. Er ist der Frspre-cher und Mittler. Ich hre jede Nacht, wie Er fr Dichspricht und verm ittelt, damit ich Dich verstehe und liebe,genauso wie Er sich fr mich bei Dir verwendet.Jesus mute - wenn auch aus einem ganz anderenGrund - fr Dich wie auch fr mich Fleisch werden. Duhast immer schon gew ut, wie der M ensch, aus gttlicherSicht betrach tet , beschaffen ist. Aber das zeigt Dir nichtdie ganze Wahrheit. Aus der Zelle nebenan klopfte mirein ehemaliger Richter durch die Wand, wie sehr er alleGefngnisstrafen bereut, die er verhngt hat. Er sprachUrteile, ohne jemals gewut zu haben, was es heit,

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    25/244

    Jahre im Kerker zu verbringen. Du hast die Menschenbeurteilt, ohne als Mensch gelebt und gelitten zu haben,ohne versucht worden zu sein. Du brauchtest die Erfah-rung des Menschseins. Du wrdest durch die Erfahrungder Menschwerdung Deines Sohnes bereichert. Gehetheraus und schauet, ihr Tchter Zions, den Knig Salo-mo in der K rone , damit ihn seine Mutter gekrnt hat amTage seiner Hochzeit." Von Ewigkeit her hat Christusherrliche Kronen aller Art. Die schnste wurde Ihmdurch seine heilige M utter gegeben: die Krone, Gott undMensch zu sein. Er war arm, wurde verspottet, geschla-gen, versucht. Er starb. Bereichert durch diese Erfah-rung kehrte Er zu Dir zurck. Nun kannst Du unsMenschen besser verstehen.Du bist ein lebender Gott. Leben heit sich entwik-keln, wachsen, mehr werden. Etwas, was immer gleichbleibt, lebt nicht. Die fortwhrende Aufforderung in denKirchen, den Herrn zu verherrlichen", zeigt uns, daman Deine Herrlichkeit mehren kann. Jesus machteDich grer.Jesus Christus hat durch seine Erfahrung als wahrerMensch das Geheimnis des menschlichen Lebens, wiewir es auf Erden kennen, im Himmel kundgetan.Ich habe eine Sprechpause gemacht. Es war keinerhetorische Pause. Wenn man mit Dir spricht, sind solcheKunstgriffe nicht ntig.

    Ich habe eine Pause gemacht, weil ich lauschte - genauwie im Himm el der G esang der Engel fr einige Augen-blicke der Stille unterbrochen wird, wenn der Rauch desRucherwerks mit den Gebeten der Heiligen vor Diraufsteigt.Ich hrte, wie Christus mir erklrte - Seine Schafeknnen Seine Stimme klar erkennen -, warum Du unsdas Gesetz gegeben hast, nmlich in der Hoffnung, dawir nicht bei dem Gesetz stehenbleiben, sondern darber

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    26/244

    hinausgehen und somit das Ziel erreichen, das Du ur-sprnglich fr uns geplant hast.Eins ist mir jetzt klar: Dein Gebot und Dein Wunschsind zweierlei.Du sagst zum Beispiel, die Rache sei mein". Damitgibst Du Deinen Willen kund, Deinen Zorn zu zeigen,aber Du glaubst auch, da unser Glaube gro genug ist,Deine Hand anzuhalten, wenn Du Dich rchen willst. Ja,wir wollen Dich hindern, auch wenn Du uns das Gegen-teil befiehlst. Ein guter Schferhund hrt auch nichtgleich auf, den Fremden anzubellen, wenn der Hirte esihm befiehlt.Ich sprach einmal hart mit meinem Sohn und tadelteihn, weil er etwas Unrechtes getan hat te . Er schaute mirnicht ins Gesicht, und ich fragte ihn, warum. SeineAntwort war: Ich schaue nicht auf deinen Mund, derdiese bitteren Worte sagt, sondern auf dein liebendesH erz , aus dem sie kom m en." Deshalb sollen wir nicht aufdie strikten W orte Deiner G ebote sehen, sondern auf dieliebevollen Absichten, die dahinter stehen.David kannte alle Deine Gebote ber die Tieropfer,aber er sagte: Opfer und Speisopfer gefallen Dir nicht."Den Juden berm ittelten die gypter falsche Vorstellun-gen ber G tter , die immer etwas von uns erwarten. Umsie zu warnen, keine Menschenopfer zu bringen, wie esandere Vlker taten, befahl ihnen Jehova, hchstens einLamm oder eine Taube zu opfern. A ber David nahm an ,das neue Leben begnne, wenn ein Mensch glaubt, daDu es warst, der den opferte, den Du am meisten liebst.Du erwartest nicht von uns, Leben zu nehmen, um vorDeinen Augen wohlgefllig zu werden.Eines Deiner ungerechtesten Gesetze befat sich mitden Freistdten.Wenn jemand einen unbeabsichtigt gettet hat undVerwandte sich rchen wollten, hast Du dem Mrderbefohlen, in eine Freistadt zu fliehen. Angenommen,

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    27/244

    mehrere Mnner sind eines solchen Mordes schuldiggeworden. Aber alle knnen nicht gleich schnell laufen.Nicht jeder kann im gleichen Tem po bergauf eilen. Dergute Lufer erreicht die Freistadt und ist sicher, obwohler genauso Schuld hat wie sein Kamerad, der langsamerist und deshalb von dem Rcher gettet wird.Kann Gerechtigkeit von der Schnelligkeit abhngen,mit der ein Mann seine Beine bewegt?Diese U ngerechtigkeit wird im Neuen Testament fort-gesetzt. Dort heit es, da die berwinder belohntwerden. Und was geschieht mit denen, die, obwohl siesich nach Heiligkeit sehnen, von der Snde zu Fallgebracht werden?Nach dem Gesetz wird die Liebe immer unbelohntbleiben, denn Liebe verliert immer im Wettlauf. Nur dasBse und die Laster machen das Rennen. Die Liebekommt immer spt.Jesus zeigt uns das in dem Gleichnis vom barmherzigenSam ariter. Drei M nner hatten gewettet, wer am schnell-sten von Jerusalem nach Jericho gelangen wrde: einjdischer Priester, ein Levit und ein Samariter.

    Alle drei starteten zur gleichen Zeit. Der Priester undder Levit waren ehrgeizig und eilten weiter, denn siewollten die Wette und den Ruhm gewinnen. Sie hrtenein Sthnen von einem , der verwundet und in Schmerzenlag; jemand rief um Hilfe. Weil sie nun gute Mnnerwaren, hatten sie Mitleid mit ihm; sie sprachen beimWeitereilen ein Gebet fr den Verwundeten, aber sieblieben nicht stehen, denn es gab ja einen Preis und Ehream Ziel des Rennens zu gewinnen. Hinzu kam noch, dader Ort auch gefhrlich war. Man munkelte von Bandi-ten in der Gegend.Der Samariter war von ganz anderem Holz. Man fragtsich, warum er berhaupt bei der W ette mitmachte. Ihmwar weder Geld noch Ruhm wichtig, sondern einzig undallein die Liebe zu allem, was lebt. Als er das Sthnen

    25

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    28/244

    hrte, beugte er sich nieder, salbte den Verwundetenund trug ihn in ein W irtshaus, das in der Richtung lag, ausder er kam . Somit verlor er das Rennen, wie es die Liebeimmer tut.Ich liege krank vor Liebe", sagt die Braut. Krankeknnen keine Rennen gewinnen; sie knnen nicht ber-winden. Jesus sagte, da das Himmelreich durch Gewaltan sich gerissen wird. A ber die Liebe hat nicht Kraft, umGewalt anzuwenden. Einem schweren Snder fllt esleicht, die Pforte des Himm els zu erstrm en. Heilige undliebevolle M enschen sind m ehr als andere auf die Gnadeangewiesen, um erlst zu werden, denn fr sich selbstknnen sie am wenigsten tun.Es ist ungerecht vom Gesetz, von jedem die gleicheSchnelligkeit und die gleichen Siege zu verlangen.Mir ist jetzt klar, warum ich so lange im Gefngnis aufdie Ankunft des Brutigam s warten m u. Ich bin sicher,da Er bereits unterwegs ist, um zu helfen. Aber Erverweilt auf seinem Wege bei jedem Verwundeten.Jairus flehte Ihn wegen seiner sterbenden Tochter an,aber Jesus fand eine kranke Frau am W ege, und so mutedie Tochter des Jairus in der Zwischenzeit sterben.Wer wei, ob Jesus, whrend Er uns zur Hilfe eilte,nicht auf dem Weg eine Blume mit von Tautropfenniedergedrckten Bltenblttern fand und sich aufhielt,um sie wieder aufzurichten.

    Ich bin krank vor Liebe und kann deshalb DeineWerke nicht tun. Du bist die Liebe selbst und deshalbzugleich die Krankheit selbst. Du kannst nicht rechtzeitigkommen, um mich meiner Familie wieder zurckzuge-ben, obwohl Du weit, da es dem Menschen nicht gut-tut, allein zu sein". Du bist krank vor Liebe und kannstdie Sonne nicht auch fr mich aufgehen lassen. Werwei, Vater, welchen Schafen Du aus dem Graben helfenmutest, als Jesus auf Golgatha war. Deshalb mute Erohne einen Lichtstrahl und ohne einen Tropfen Wasser

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    29/244

    bleiben. Ich kann Dein Gesetz nicht erfllen. DurchJesus hast Du mich von dieser Pflicht befreit.Du hast alle Schwierigkeiten der Liebe und kannstDeine vielen Versprechungen, mein Helfer zu sein, nichterfllen. Aber ich befreie Dich von allen durch DeinenBund zugesagten Verpflichtungen mir gegenber, ge-nauso wie Du mich von allen Deinen Gesetzen befreist.Sie sind nicht gu t. Sie sind einfach Allgem einheiten. FrDich bin ich einzigartig, wie Du es fr mich bist.Und wir werden gemeinsam die Jahre der Einzelhaftdamit verbringen, getrost zu lieben und geliebt zu wer-den. Ich will Dich wegen Deiner ungerechten Gesetzeund Lehren, die nicht gut sind, nicht anklagen. Du wirstmich aber auch nicht anklagen, sie gebrochen zu haben.Wie froh bin ich, da ich zum ersten Mal mit Dir so

    offen sprechen konnte. Am Ende erkenne ich, da Dumich nicht allein gelassen hast. Ich bin bei Dir. Du hastmich nicht ohne Sonne gelassen. Ich sehe die Sonne derGerechtigkeit in meiner dunklen Zelle aufgehen. - Dirsei Dank und Lob. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    30/244

    Ein Christ begegnet GabrielLiebe Brder und Schwestern!Ich kann euch nicht sehen, will aber trotzdem aus derFerne zu euch predigen.Ich habe verschiedentlich schon erfahren, ein soge-nanntes bersinnliches Empfindungsvermgen zu ha-ben. Hier ist ein Beispiel.Ein weiblicher Offizier der russischen Armee kam inunserer Wohnung zum Glauben. Anschlieend zog siedann mit ihrem Regiment weiter nach Ungarn undsterreich, und ich hrte von ihr ihr nichts mehr. In derZwischenzeit zogen wir um. Eines M orgens versprte ichjedoch whrend der Arbeitszeit einen unwiderstehlichenDrang, in die alte W ohnung zu gehen, obgleich ich nichtsmehr dort zu suchen hatte. Als ich nher kam, sah ich ausder anderen Richtung diese russische Schwester kom-men. Auf ihrem Wege heim nach Stalingrad kam siegerade durch Bukarest. Sie hatte einige Stunden Aufent-halt; aus ganzem Herzen hatte sie dafr gebetet, da ichzu H ause sei, damit sie noch mehr ber das Christentumerfahren knne. W re ich nicht gerade in diesem A ugen-blick dort gewesen, wre diese einzigartige Gelegenheitverpat worden.Solche Beispiele knnte ich noch viele anfhren.Auch ihr knnt ber Entfernungen hinweg ein solchesEmpfindungsvermgen haben. Die alten Propheten re-deten zu den Mnnern in der Ferne. Du EinwohnerinSaphirs mut d a h in . . . Du Stadt L a c h is .. . Ich will dir,M aresa, den rechten Erben b r in g e n ... Und du, Bethle-hem Ephratha" , sagte Micha in ein und derselben Predigtund war davon berzeugt, da die Engel seine W orte zuden entfernten Stdten bringen wrden.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    31/244

    Ich will euch an einigen der geistlichen Erfahrungenteilnehmen lassen, die wir im unterirdischen Gefngnisgemacht haben. Obwohl jeder allein in einer Zelle ist,verstndigen wir uns doch mittels Klopfzeichen durch dieWand. Deshalb bin ich ber folgende Ereignisse unter-richtet.Es war 10 Uhr abends. Wir wissen immer genau, wennes 10 Uhr ist. Mit chronometrischer Genauigkeit begin-nen zu dieser Stunde die groen Folterungen. In denMorgenstunden konnte man geschlagen werden. Aberdie Folterungen waren fr diese dunkle Stunde reser-viert. Du kannst die Schreie hren. Durch die Akustikwerden die Wehrufe in den gewlbten Korridoren voneiner Wand mit wachsender Lautstrke auf die anderegeworfen. Bei dem ersten Schrei geht ein Zeichen durchdie Wand von einer Zelle zu der anderen, und zwar eindreimaliges Klopfen, das uns daran erinnert, mit unserengeistlichen bungen zu beginnen; zuerst die berpr-fung des Gewissens, wobei unsere H altungen, Gedankenund Taten der letzten Tage berprft werden. Ein Jesui-tenpater hatte uns dieses gelehrt.

    Der C hrist, von dem ich euch heute erzhlen will, hattejedoch keine sehr groe Achtung vor derartiger Selbst-prfung. Er meinte, das Gewissen sei nicht so sehr dieStimme Gottes in uns, als die Stimme unserer gesell-schaftlichen Umgebung. Eine Handlung, die bei einemChristen groe Gewissensbisse hervorriefe, wird voneinem anderen, dessen Herkunft eine andere ist, frmoralisch vertretbar gehalten. Das Gewissen richtet unsnach seinem eigenen Gesetz. Aber Gesetze sind Verall-gemeinerungen, die die persnlichen Fhigkeiten undUmstnde nicht mit in Betracht ziehen. Du kannst dertreuste Protestant sein und allein an der Errettung durchden Glauben festhalten. Das Gewissen ist imm er katho-lisch und qult dich, wenn du an deine Taten denkst, alsob unser Verhltnis zu Gott davon abhinge.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    32/244

    Das Gewissen kennt keine Kausalitt. Es lt keinenDeterminismus gelten. Es glaubt an den Irrtum desfreien Willens. Es erkennt die offensichtliche Tatsachean, da meine Handlungsweise das nicht zu vermeidendeErgebnis meines Charakters - den meine bisherige Ver-gangenheit geprgt hat - und die einzige Antwort ist, dieich als einzigartige Persnlichkeit auf uere Anreizegeben konnte. Das Gewissen schreibt mir allein dieSchuld einer Handlung zu, die das Endergebnis desEinflusses Tausender anderer Menschen war: Ahnen,die mir eine bestimmte Anlage vererbten; Lehrer undEltern, die mir eine falsche Ausbildung gaben; Schrift-steller, Schauspieler, Freunde und Feinde, die meineSeele formten; der Druck meiner sozialen Umgebungund dergleichen mehr.

    Das Gewissen wei nichts von Gottes Plnen, in denenmeine sndige Handlung eine notwendige Rolle gespielthaben kann - wahrlich ja, sie haben sich versammeltber deinen heiligen Knecht Jesus, welchen du gesalbthast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden unddem Volk Israel, zu tun, was deine Hand und dein Ratzuvor bedacht hat, da es geschehen sollte".Das Gewissen ist voreingenommen. Wenn du allesberprfst, was du whrend des Tages getan hast, wird esdich nur an die schlechten Dinge erinnern. Die gutenvergit es. Und es unterscheidet nur zwischen schwarzund wei. Es kennt kein grau - eine Notwendigkeit, dieuns so oft vom Leben diktiert wird, bei der man nichtzwischen Gut und Bse, sondern nur zwischen zweibeln whlen kann.Das Gewissen lt die Worte Filippo Neris (1515 bis1595, italienischer Heiliger und Grnder der Weltprie-sterkongregation der Oratorianer; Kirchenreformer; d. bers.) nicht gelten, die besagen, da wir nicht erwartendrfen, in vier Tagen Heilige zu werden. Das Beste, wases nach langem Zweifel und vielen Qualen tun kann, ist,

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    33/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    34/244

    Gegenstand langer und melancholischer Betrachtung.Warum soll ich G ott betrgen, indem ich meine Zeit undKraft fr Gewissensbisse aufwende? Ich bin grer alsmeine Snden. Das Gewissen versucht, mich mit ihnenzu identifizieren.Unser Bruder gab nichts um solche seelische Selbst-qulerei. Im Talmud heit es: Die Sonne ist untergegan-gen, und der Tag ist rein ." Jede Nacht, wenn das Signalgegeben wurde, machte sich unser Bruder fertig, um zuGottes Ehren zu tanzen.Bevor das Zeichen gegeben wurde, lag er auf demBett. M it jedem Herzschlag - wie das Ticken einer U h r -dachte er an Jesus. Seine Sehnsucht nach dem Brutigamwar wie ein brennendes Feuer. Er flsterte mit jedemAtemzug Jesus". Pltzlich kam das Zeichen. Er muteseinen heiligen - oder vielleicht auch seinen verrckten -Tanz beginnen.Whrend seines Tanzes hrte er einen Engel sagen:Gegret seist du, Georg, voller Gnade. Gott ist mitdir. Gesegnet bist du." Der Bruder hat durch seineErziehung die berlieferungen der ersten Wstenvterachten gelernt. Er wute deshalb, was er in solchenFllen zu tun hat te . Er fragte den Engel: Zu wem bist dugesandt?" Der Engel antwortete: Zu dir, Georg." DerChrist antw ortete: In den Nachbarzellen sind noch vieleandere mit dem Namen Georg . Du bist zu dem Falschengekommen. Ich bin nicht wert, die Stimme eines Engelszu hren." Sein Kreisen wurde immer verrckter, um dieVersuchung zu vertreiben. Der Tanz war ein Opfer aufdem Altar Gottes.Aber der Engel - es war Gabriel - blieb. Wie beharr-lich Engel sind! Dann geschah etwas in diesem Christenwie damals bei Maria (oder vielleicht hat er nur entdeckt,was schon lange vorher da war): In ihm regte sich derKeim eines neuen Lebens, das ihm in Zukunft Kraftgeben wrde, dort durchzuhalten, wo er in der Vergan-

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    35/244

    genheit unterlegen war. Er wute nun, da er alles, wasnoch viel schmerzvoller als der Tod ist - sogar dasschlimmste Gesptt -, ertragen knne.Seit dieser Erfahrung lebt nicht mehr dieser Christ:Christus lebt in ihm. Er lebt jetzt nur, um dieses neueLeben zu nhren und den Urheber aller Tugend in allemGuten zu erziehen. W elch eine Aufgabe! Wie bei Mariaist es seine Aufgabe, den Himmelsknig zur Reife zubringen.Dieser Christ betrachtet es als eine besondere Aufga-be, Jesus zu einem Mann des 20. Jahrhunderts - odervielmehr des 21. Jahrhunderts - und zu einem modernenIntellektuellen zu machen, oder, noch mehr, zu einem,der den modernen Intellektuellen den Weg weiter weist.Es ist seine A ufgabe, Ihn zu einem Menschen zu machen,

    der in unserer Generation weint, so wie Er damals vorzweitausend Jahren in Jerusalem weinte, und Ihn zumSchmerzensmann unserer heutigen Zeit zu machen. Je-sus weint immer.In einer alten Legende heit es, Joseph liebte Jesus sosehr, da er niemals vom Markt nach Hause kam, ohnedem Kind Jesus ein Spielzeug oder Sigkeiten mitzu-bringen. Der kleine Jesus war so daran gewhnt, da erimmer am Fenster wartete, um zu sehen, wenn Josephzurckkehrte. Dann lief Er ihm entgegen und fragte:Vater, was hast du mir mitgebracht?" Einmal hatteJoseph kein Geld und kam deshalb mit leeren Hndennach H ause. A ls Jesus ihm entgegeneilte und die blicheFrage stellte, antwortete Joseph entm utigt: Nichts." Dabegann das Kind bitterlich zu weinen. Als nun Joseph dassah, weinte er ebenfalls.Die Heilige Jungfrau kam aus dem Haus und sah dieTrnen der beiden. Sie fragte, was geschehen sei. AlsJoseph es ihr erklrte, sagte sie berrascht: Ich kannverstehen, warum er weint. Er ist nur ein Kind. Aberwarum weinst du?" Joseph antwortete: Das Weinen

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    36/244

    Jesu hat eine tiefe Bedeutung. Dieses Kind wird immeran den Fenstern des Himmels sitzen und auf die Rck-kehr seiner Geliebten warten. Er wird jedem entgegen-eilen und fragen: ,Was hast du mir mitgebracht?' Undwenn die Antwort, hnlich meiner, ,Nichts' ist, wird Erim Himmel ebenso weinen, wie du Ihn jetzt weinensiehst."Der Christ, von dem ich spreche, sieht seine Aufgabedarin, diese Trnen Gegenwart werden zu lassen. WieJesus in der Vergangenheit ber Jerusalem weinte, sowird Er jetzt ber Moskau weinen, das die Prophetenttet und die Gesandten Gottes steinigt. Er wird berBerlin weinen, die Hauptstadt einer groen Nation, dienicht wiedervereinigt werden kann. Er wird ber Oslound Stockholm weinen, Stdte mit leeren Kirchen. Erwird ber London und Washington weinen, die einDrittel der Welt den kommunistischen Folterern opfer-ten, die soeben wieder eine Frau geschlagen haben. Ichkann ihre herzzerreienden Schreie hren.Jesus lebt jetzt in dem Herzen dieses Christen. Dieje-nigen, die Jesus nicht oder nur einen Schatten von Ihmhaben (den Jesus vor zweitausend Jahren), werden die-sen Mann verspotten, der wie eine Maria unserer Tageist.Aber dieser Christ ist Gabriel begegnet. Er hat in derWirklichkeit der mystischen Vereinigung gelebt. Chri-stus wurde in ihm gezeugt. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    37/244

    Es gibt keine Befreiung von der PflichtLiebe Brder und Schwestern!Paulus konnte whrend seiner Gefangenschaft Briefeschreiben. Er hatte Tinte und Pergament. Johanneskonnte ebenfalls aus seiner Verbannung auf Patmos andie Gemeinde schreiben.

    Wir haben kein Papier und keine Tinte. Aber es gibtnoch eine andere Mglichkeit zu schreiben, die sie unsnicht verbieten knnen: mit dem Heiligen Geist auf dieHerzen der Menschen zu schreiben, auch wenn sie fernvon uns sind.Ich vermag euch die Technik dieses Schreibens zulehren, damit ihr sie auch anwenden knnt.Eine Technik in Dingen des Heiligen Geistes? Imallgemeinen ist das Denken und Reden der Christen bergeistliche Dinge sehr unklar. Aber es gibt genausoGesetze des Geistes wie Gesetze der sichtbaren Welt.Wie in der sichtbaren W elt, so kannst du dich auch in dergeistlichen Welt orientieren. Die alten Propheten wu-ten nicht nur, da sie einen Engel getroffen hatten,sondern kannten auch die Legion, zu der er gehrte, undseinen Namen - Michael oder Gabriel. Wenn du dieGesetze des Heiligen Geistes kennst, kannst du eben-falls, wie bei den materiellen Dingen, wenn du derennatrliche Gesetze beherrschst, eine bestimmte Technikanwenden.Die grundlegenden Prinzipien, mit dem Geist in denHerzen der in der Ferne lebenden Menschen zu schrei-ben, sind folgende:1. Denke nicht an den Menschen, auf den du dichkonzentrieren willst, um ihm eine Botschaft von Gottzu bermitteln, auer in der Stunde solcher Konzen-tration. Sprich nicht ber ihn. Er sollte ganz aus

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    38/244

    deinem Gedchtnis sein. Dann hast du in der Stundeder Konzentration deine ganze Aufmerksamkeit unddeine ganze Liebe, die sonst zerstreut worden wren,zur Verfgung. Ich erzhle mir selbst Witze und spielemit mir selbst Schach und summe alle mglichenMelodien, bevor ich mich darauf konzentriere, zu dirzu sprechen.2. Meditation mu der Verkndigung der Botschaft vor-ausgehen. Ich mu die Botschaft durchdenken undausfeilen, damit sie in knappester Form nur das ent-hlt, was ich fr euch als wesentlich betrachte. Ich mudarber meditieren, wie die Kenntnis dieser Botschaftvon Gott deine Seele verschnern knnte; welcherVerlust es fr dich sein knn te, nicht genau die innereVerfassung deiner Brder und Schwestern im Gefng-nis zu kennen , da du eine Seele mit ihnen bist und ihreLeiden und Zweifel und ihre Siege deine sind.3. Von der Meditation habe ich zur Kontemplationberzugehen. Ich mu dich mit meinem geistigenAuge ebenso sehen, wie ich dich einst in der Kirchegesehen habe. Ich mu jedes Gesicht erkennen. Dumut mir so gegenwrtig sein, als ob ich dein Bildgerade betrachte te. Ja noch mehr, ich mu dich lachenoder weinen sehen, je nachdem, was ich dir geradeerzhle. Zur Meditation braucht man eine brennendeLiebe, zur Kontemplation eine Anwendung der Vor-stellungskraft. In unserer Phantasie knnen wir alleeinen geliebten Menschen vor Augen haben. bediese Fhigkeit, und du wirst in der Lage sein, im Geistzu schreiben.4. Schreibe deine Botschaft wirklich in Buchstaben aufdie Herzen derjenigen, die du im Geiste vor dir hast.Zuerst machst du am besten die Bewegungen mit derHand, als ob du wirklich schreibst.5. Sieh zu, da das Bild der Personen, denen duschreibst, nicht vor deinem geistigen Auge schwindet,

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    39/244

    bevor du an den Gesichtern gesehen hast, da deineBotschaft wirklich auch verstanden wurde. Sie solltennicken, lcheln oder mit dem Kopf schtteln. Aufjeden Fall sollten sie reagieren.Alle Gefangenen, Pfarrer und Christen der Unter-grundkirche, sollten diese in Vergessenheit gerateneKunst wieder lernen, da die Mglichkeiten einer norma-len Verstndigung immer weniger werden.Letzten Endes ist das Gebet auch ein Schreiben mit

    dem Geiste auf das Herz Gottes. Die Technik desrichtigen Gebetes entspricht ungefhr dem von mir Be-schriebenen, wobei das Anlitz Jesu Christi vor demgeistigen Auge des Beters steht.Aber eigentlich wollte ich zu euch gar nicht darbersprechen. Ich mu euch von etwas ganz anderem er-zhlen.Ich habe beobachtet, da Jesus und die Engel, wh-rend sie meinen Predigten in der Zelle zuhrten, sichbesonders ber die Geschichten freuen, mit denen ichmeine Predigten illustriere. Ich glaube, da sie mich gernbitten wrden, eine Geschichte einmal zu wiederholen,genau wie mein Sohn Mihai mich immer bat: Erzhlemir die Geschichte noch einmal."Deshalb will ich euch eine Geschichte erzhlen:Ein junger Knig war sehr znkisch und gab demweisen alten Knig des Nachbarlandes keinen Frieden.Der alte Knig versuchte mit allen Mitteln ein freund-schaftliches Verhltnis herzustellen, aber es war verge-bens. Der junge Knig erklrte ihm den Krieg. Der alteKnig, der sich genau an alle Torheiten seiner Jugenderinnerte und wute, da man bei Menschen in einembestimmten Alter keine Weisheit erwarten kann, befahlseinen Offizieren, den jungen Feind lebendig gefangen-zunehmen.So geschah es auch. Er wurde in Ketten vor den Siegergebracht. Dem alten Mann tat der Jngling leid. Er tat

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    40/244

    aber so, als ob er mit ihm sehr bse sei und verurteilte ihnzum T ode. D er junge Knig bat um sein Leben. Deshalbsagte ihm der alte M ann: Ich will dir eine Chance geben.Morgen bekommst du einen Krug, der bis zum Randemit Wasser gefllt ist. Diesen Krug mut du durch dieStadt von einem Ende der Hauptstrae bis ans anderetragen, ohne einen einzigen Tropfen zu vergieen. Wenndu das nicht kannst, bist du verloren."Am nchsten Tage machte der Gefangene sich mitdem Krug voll Wasser auf den Weg; ihm folgten Wach-soldaten sowie der Scharfrichter mit der Axt, die ihnimmer wieder in grausamer Weise daran erinnerte, daer auf der Stelle enthauptet wrde, wenn er versagte. Deralte Knig hatte der Menschenmenge auf der einenStraenseite befohlen, ihn auszupfeifen, whrend dieMenge auf der anderen Seite ihm zujubeln sollte.Es gelang dem Gefangenen. Er vergo keinen einzigenTropfen. Der alte Knig fragte ihn: Hast du der spotten-den Menge geantwortet?" Die Antwort des jungen K-nigs war: Dafr ha tte ich keine Zeit. Ich mute vorsich-tig wegen meines Kruges sein." - Aber hast du dich beidenen bedankt, die dir zujubelten?" - Was hatte ich mitdenen zu tun? Ihre Zurufe konnten mir nicht helfen. Ichwar um meinen Krug besorgt."Der alte Knig setzte ihn wieder auf freien Fu undgab ihm den Rat: Dir ist eine Seele anvertraut worden.Die mut du ganz und makellos dem Herrn wiederzurckbringen. Das ist das einzige, das zhlt. Wenn dirdas nicht gelingt, kommst du um. Suche nicht den Beifallder Menschen durch billige Siege. Kmmere dich nichtdarum, wenn sie dich verspotten. Achte nur auf deineSeele."Das Ticktack des Uhrpendels in dem Gefngniskorri-dor erinnerte mich wieder daran, da die Zeit hiergenauso verrinnt wie bei denen drauen in der Freiheit.Bald werde ich Rechenschaft ber jede Sekunde meines

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    41/244

    Lebens geben mssen. Heute ist mein vierzigster Ge-burtstag. Ich mu Rechenschaft ber 1261440000 Se-kunden geben. Whrend ich dieses ausgerechnet habe,sind wieder weitere Sekunden vergangen. Ich habe injeder Sekunde eine Pflicht zu erfllen. Die Tatsache, daich in einer Einzelzelle bin, entbindet mich nicht vondieser Pflicht.Im allgemeinen verbringen die Gefangenen ihre Zeitmit Nichtigkeiten. Dies kenne ich noch von meinenVerhaftungen bei den Nazis. Wenn sie nicht gezwungenwerden, Sklavenarbeit zu tun , erzhlen sie sich gegensei-tig Mrchen und W itze. M anchmal zanken sie sich auch.Sie verschwenden ihre Z eit, ebenso wie die Millionre estun.Millionre genieen viel, Gefangene nur sehr wenigvon dem Reichtum der N atur, ohne da beide es als ihrePflicht ansehen, der W elt etwas dafr geben zu mssen.Im Gefngnis herrscht die Meinung, von jeglicherPflicht enthoben zu sein, besonders in der Einzelhaft.Wer hat das R echt, von dir etwas zu verlangen, wenn duunter solchen frchterlichen Umstnden lebst?Aber das M u des Lebens kennt keine Entschuldigun-gen. Die Pflicht ist eine kategorische Forderung, ganzgleich, ob du glcklich oder unglcklich bist. Verspottet,hungrig, gefangen, krank, falsch beschuldigt, gefoltert,allein, hast du dem Hchsten zu dienen.Ich kenne meine Pflicht. Sie besteht nicht darin, vieleDinge zu tun. Das Gefngnis hindert mich, Taten zuvollbringen. Die Pflicht besteht vor allem darin, etwas zuwerden. Ich bin, der Ich bin", ist die allgemeine ber-setzung der Worte Gottes an Mose. Eine genauerebertragung der hebrischen W orte Ehjeh asherehjeh"ist Ich werde sein, was Ich sein werde". Er selbst wirdstndig etwas. Das ist auch meine Pflicht. Meine Pflichtist es, imm er mehr ich selbst zu werden. Als Gott mich indem versteckten Platz form te, schuf er mich, ich selbst zu

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    42/244

    sein, in meiner eigenen Weise, der Herold Seiner Herr-lichkeit zu sein, einzigartig wie Gott selbst.Sein eigenes Ich zu sein, ist viel mehr als treu , liebevollund religis zu sein, denn das Ich besitzt dieses alles undviel mehr. Jesus gab sich nicht damit zufrieden, nur dieWahrheit zu sein. Fr Ihn war die Wahrheit viel zuwenig. Hitler sagte: D ie Wahrheit ist eine oft wiederhol-te Lge." Das ist Unsinn. Aber wenn wir die klassischeDefinition des Wortes Wahrheit ist die bereinstim-mung zwischen Wirklichkeit und unseren Gedanken"betrachten, wie steht es dann mit den vielen Tatsachen,die fr uns unverstndlich, ja, uns noch nicht einmalbekannt sind? Jesus wollte nicht nur Wahrheit sein. Er istW ahrheit und Weg und Leben. Er wollte nicht nur Liebesein. Er wei auch zu hassen. Er sagte zu der Gemeindein Ephesus: Also hast auch du solche, die an der Lehreder Nikolaiten halten; das hasse ich."Im Hebrischen heit Wahrheit emeth". Es bestehtaus dem ersten, einem mittleren und dem letzten Buch-staben des Alphabets. Die Wirklichkeit kennt aber kei-nen Anfang und kein Ende. Die Wirklichkeit ist grerals die Wahrheit. Das griechische Wort fr Wahrheit istalethia, das etymologisch heit nicht vergessen". Aberes gibt noch etwas mehr als alethia; es gibt auch dasVergessen.Die Wahrheit gehrt zu dem bewuten Teil unseresWesens, eine kleine Insel im Meer des Unbewutseins.Die Liebe ist eins der vielen menschlichen Gefhle. Jesusist mehr als W ahrheit und Liebe. Auch Mythen gehrenzu Ihm, nicht nur die W ahrheit. Deshalb sind sie auch frmich von groer Bedeutung.Ich mu erst ich selbst werden, ein Ich, das nicht in einvorgegebenes Schema gefangen ist wie mein Krper indieser Zelle.Ich mu zur hchsten Stufe gelangen, die fr mich hierauf Erden erreichbar ist. Ich werde sein, was ich sein

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    43/244

    werde", und habe Jesus dabei als mein Endziel, der esvollbrachte.Dann werde ich sogar hier eine uere Pflicht erfllenknnen. Was schon, wenn ich gefoltert werde? Christusrettete einen Verbrecher, als Er am Kreuz hing. DieBrder zu meiner Rechten und Linken haben ihre Folte-rer manchmal zu Christus bekehrt.Wir sind in der Hlle. Manchmal schaue ich in denSchreckensnchten zu der Wassertasse in meiner Zelle.Nur das versichert mir, da es nicht die ewige Hlle ist.Dort haben die Verdammten kein Wasser. Aber sogar inder Hlle bist du nicht deiner Pflicht enthoben. Wie ofthabe ich die W orte des Glaubensbekenntnisses Nieder-gefahren zur Hlle" gesagt. Er stieg hinab, um diegequlten Seelen mit den Gaben Gottes zu bereichern.

    Das ist, was wir tun. Wir bringen Seelen zu Christus,indem wir das Evangelium durch die Wand klopfen.Das Wichtigste ist immer, ein Ziel zu haben und dieseszu verfolgen, ganz gleich, ob strmisches oder schnesWetter ist. Jesus will, da unsere Augen einfltig" sind.Im Hebrischen gab es das Wort Absicht" nicht. Jesusmeinte mit diesem Wort, da unser Ziel einfltig" seinsoll: das Hchste zu sein, was wir werden knnen, undsich dann nicht mehr zu bekmmern. Der Mensch han-delt immer nach dem, was er ist; er reagiert auf uereUmstnde entsprechend seinem Charakter. Die Rmerhatten das Sprichwort: Quod agis, agi" (tue, was duauch tust), tue nur eins. Die meisten von uns denkenbeim Beten an den Pfannkuchen, der vorzubereiten ist.Whrend wir den Pfannkuchenteig rhren, denken wir,wie schn es sei, unsere Zeit im Gebet zu verbringen.Whrend wir noch mit dem einen sprechen, denken wirschon an das folgende Gesprch. Wir machen nie etwasgrndlich. Man kann nur eins auf einmal grndlichmachen. Diejenigen, die zu viele Sportarten betreiben,werden niemals Meister.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    44/244

    Unser Leben auf Erden ist kurz. Lat uns nicht sodumm wie der Esel sein, von dem eine Geschichteerzhlt, da er vor Hunger gestorben sei, weil er nichtwu te, welchen der beiden vor ihm liegenden Heuhaufener whlen sollte. Aber lat uns das einzige Ziel verfolgen :einen himmlischen Charakter zu entwickeln, der anstek-kend wirkt und Gottes Himmel mit Menschen fllenwird. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    45/244

    Simson im GefngnisLiebe Brder und Schwestern!Ich hatte meine Mitgefangenen, die wegen ihres Glau-bens im Gefngnis w aren, immer als Mryrer angesehen.Aber nachdem ich mich mit ihnen durch die Wand - unddiese Zeichensprache funktionierte mit vielen Zellenrechts und links von mir - verstndigt hatte, fiel mir auf,da keiner von ihnen sich darber bewut war, einMrtyrer zu sein. Sie glaubten, Gott strafe sie wegenihrer Snden. Sogar Paulus, der viel wegen seines Glau-bens gelitten hat, nannte sich selbst der grte derSnder".

    Ich meine auch, da sie recht haben. Wir mssenzwischen dem ueren Anschein und dem Wesen unter-scheiden, zwischen dem, was die Menschen mit Tatsa-chen" oder Wahrheit" bezeichnen, und der geistigenBedeutung.Wer kann konspirativ in der Untergrundkirche arbei-ten und immer sagen, was man allgemein Wahrheit"nennt? Als ich mich vorstellte, tat ich es unter einemDecknamen. Die Person, mit der ich sprach, htte ja einSpitzel sein knnen. Wenn man mich gefragt htte, woich gestern w ar, so wren durch m eine korrek te Antwortviele Menschen in groe Schwierigkeiten gekommen.Heute wurde mir beim Verhr wiederum gesagt: Siesind ja ein Christ und Pfarrer. Ihr Glaube verpflichtetSie, die volle Wahrheit zu sagen. Ich hatte hierbermeine eigene Meinung. H tte ich der Bitte entsprochen,wren noch andere Brder verhaftet worden.In der Untergrundkirche kann niemand eine fhrendePosition innehaben, ohne den Begriff Wahrheit neu zuverstehen.Kommen wir nun zu dem Problem der Mrtyrer

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    46/244

    zurck. Nach dem ueren Anschein ist jeder, der wegenseines Glaubens gettet oder gefangen wird, ein Mrty-rer. D er Hintergrund kann jedoch ganz anders aussehen.Gott benutzt vielleicht die Kommunisten, um dich wegendeiner Snden zu bestrafen. Er lt sie dich vielleicht ineine Einzelzelle sperren, damit Er besser an deiner Seelearbeiten kann.Wie verletzt mssen die Juden durch Jesus gewesensein, als sie Ihm von einigen Galilern erzhlten, derenBlut Pilatus mit dem ihrer Opfer vermischt hatte. Diesewaren wirkliche Mrtyrer des mosaischen Glaubens undihrer Liebe zum Vaterland. Die Juden hatten groenRespekt vor Mnnern, die zur Ehre des Namens alkidush hashem" gestorben waren. Jesus nannte die er-mordeten Galiler jedoch einfach Snder".

    Er schaute auf den Kern. Snder - das sind sogarM rtyrer vor Gott. Luther unterscheidet zwischen Sn-dern auf der linken" und Sndern auf der rechtenSeite", zwischen Schuften und Befolgern des Gesetzes,die die Gebote des Glaubens, ja , sogar das der Selbstop-ferung befolgen, um sich das Paradies zu verdienen.Beide Gruppen sind Snder.Ich bin nichts als ein Snder. Ich habe nie einenschlechteren Menschen als mich gekannt. Der Eine, dermich befreien kann, zieht es vor, mich zur Strafe frmeine Vergehen im Gefngnis zu halten. Simson warwegen seiner Snde im Gefngnis, obwohl die Philisterihn wegen seines edlen Kampfes fr den mosaischenGlauben eingesperrt ha tten. Ich bin ein Snder, aber ichwei, da meine Kraft wachsen wird, wenn ich meineStrafe mit demtigem Herzen annehme.Bis heute hatte ich kurzgeschorene Haare wie alleGefangenen. Jetzt wurde mir gesagt, da ich sie wachsenlassen darf, ein sicheres Zeichen dafr, da ich bald vorein Gericht gestellt werde. Sie wollen, da man etwasmenschlicher aussieht, bevor man vor den Richtern

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    47/244

    erscheint. In der unterirdischen Zelle, in die nie einSonnenstrahl dringt, wachsen die Haare sehr langsam.Aber sie werden dennoch wachsen. Dadurch wurde ichan Simson erinnert. Seine Kraft wuchs gleichzeitig mitseinem Haar.Ich werde die verkrperte Kraft sein und bei meinemSterben mehr Philister erschlagen, als ich jemals inmeinem gesamten Leben als Christ erschlug. Ich werdesie tten, auch wenn ich mit ihnen sterbe.

    Wenn ich einmal diese Kraft wiedergewonnen habe,werde ich nicht mehr lnger wnschen, entlassen zuwerden. In diesem Zeitalter sind Krfte entwickelt wor-den, von denen man in der Vergangenheit nichts wute.Aber ich will von Gott die immer noch unbekanntenMchte der kommenden Zeiten, die versteckten geisti-gen Krfte, gewinnen. Obwohl sie hinter Gefngnismau-ern bleiben, knnen diejenigen, die sie besitzen, Tem pelzerstren und wiederaufbauen. Sie knnen in einerdunklen Zelle bleiben, und doch knnen sie die Sonne invielen Herzen zum Scheinen bringen. Sie knnen traurigund bedrckt sein und doch viele Seelen mit Frhlichkeiterfllen.Wie sehr mchte ich das werden, was Simson imGefngnis wurde! Echte Anbetung geschah nicht aufdem Berge Garizim, wo der Tempel der Sam ariter stand,noch in Jerusalem . Echte A nbetung ist Wachstum in derKraft, um alles das zu zerstren, was sich dem fr michGekreuzigten widersetzt.Jede Sekunde meines Lebens, die ich nicht der Zerst-rung dessen widme, was der Liebe im Wege steht,sondern fr andere Dinge verschwende, ist Snde.Es gibt keine bestimmten Taten, die unter allen Um-stnden sndig sind, und andere , die immer gut sind. DerKot, mit dem wir alle beschmutzt sind, enthlt in seinerMischung viele mitleidige Taten.Wohlttig zu einem Trunkenbold zu sein, der, nach-

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    48/244

    dem er dein Geld vertrunken hat, auch noch seine Frauschlgt, ist Snde. Judith wiederum ttete. Und auchJael. Aber sie befreiten die Welt von Tyrannen. In denanderen Zellen um mich herum sind viele Patrioten, diegettet haben. Sie taten dies aber um der Freiheit willen.Es ist verrckt, jeden Pullover, der fr einen Faulpelzgestrickt wird, als gute Tat zu betrachten und denAnschlag deutscher Generle auf Hitler, um dem Blut-bad von Millionen unschuldiger Opfer ein Ende zusetzen, verchtlich als Mord zu bezeichnen.Fr mich gilt nur das eine Kriterium: Trgt die Tatdazu bei, den W eg fr den endgltigen Sieg der Liebe zubereiten oder nicht?Wir mssen zwischen dem Guten als Mittel und demGuten als Endziel whlen. Wenn ich immer zu allenMenschen gut bin, auch zu denen, die durch Betrug undTerror dem Sieg der Liebe im Weg stehen , wird das Guteniemals siegen. Das Schlechte wird meine Demut ausnt-zen und die Position des Bsen noch festigen. Wenn ichdas Gute als mein Ziel whle, mu ich viele Tatenbegehen, die nach dem moralischen Kodex der Welt alsbel verurteilt werden.In der Bibel heit es , da Gott falsche Geister aussen-det. Deshalb habe auch ich keine Skrupel, mich derUnw ahrheit zu bedienen, um meine Verhrer irrezufh-ren . Mein einziger Skrupel ist, Skrupel bei einer solchenEinstellung zu haben.

    Gott lobte die Totschlger von Sisera, Agag, Holofer-nes. In der Bibel werden die gleichen Worte ber Jael,die Totschlgerin Siseras, gebraucht, wie sie der Erzen-gel der Jungfrau Maria sagt: Gesegnet sei unter denW eibern Jae l, das Weib Hebers, des Keniters; gesegnetsei sie in der Htte unter den W eibern." Dieses, weil sieeinen Feind Gottes erschlug. In einer der Zellen aufdiesem Korridor ist Nina, ein rumnisches Mdchen, diehnliches ta t. W enn es vor Tausenden von Jahren richtig

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    49/244

    war, einen auslndischen Unterdrcker zu tten, so mues jetzt genauso richtig sein. Im Neuen Testament wer-den diese Helden des Alten Testaments gelobt. Dasjdische Volk mute verteidigt werden. Das rumnischeVolk hat das gleiche Recht.Es war der gleiche Geist G ottes, der 1. Korinther 13, dasHohelied der L iebe, wie auch das Buch Esther inspirier-te , in dem erzhlt w ird, wie die Feinde Gottes rcksichts-los gettet wurden. Der Heilige Geist hat beides in demgleichen heiligen Buche vorgesehen. Ja, die ersten Chri-sten hatten nur die Rolle des Alten Testaments als ihreeinzige Heilige Schrift. Das Neue Testament wurdeJahrzehnte spter geschrieben und erst gegen Ende desersten Jahrhunderts vervollstndigt.

    Gott hat Gedichte der Liebe und Bcher, in denenEntschlossenheit zur Ausrottung des Feindes gelehrtwird, zusam mengestellt, um uns zu vervollkommnen unduns nur ein Z iel zu geben: den endgltigen Sieg der Liebezu erreichen. Um an dieses Ziel zu gelangen, mssenblutiger Kampf gegen Tyrannen und zrtliche Nchsten-liebe zusammenwirken.In unserem Leben mssen wir uns das hchste Zielsetzen, Seine Diener und die Diener aller zu sein. Dannhaben gute" oder schlechte" Taten das gleiche Ergeb-nis, nmlich der Liebe zum Sieg zu verhelfen.Die Frage ist fr mich sehr aktuell. Christen um michherum haben das Land gegen die kommunistischenUnterdrcker verteidigt und haben tten mssen. Sieklopfen ihre Beichten durch die Wand. Aber haben siewirklich gesndigt? Wrde ich in solch einem Kampfmitmachen?In Dostojewskijs Die Brder Karamasow" sagteIwan: Nicht Gott akzeptiere ich nicht, verstehe michrecht, sondern die von Ihm geschaffene Welt akzeptiereich nicht und kann ich nicht akzeptieren... Ich bin wie

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    50/244

    ein Kind b e rz eu g t .. ., da schlielich im Weltfinale, imMoment der ewigen Harmonie etwas dermaen Herrli-ches geschehen und erscheinen wird, da es fr alleausreicht... zur Shne aller von Menschen begangenenG r e u e l . . . ich aber akzeptiere das nicht und will es nichtakzeptieren... Lieber bleibe ich bei ungeshnten Lei-den . . . Ist doch diese Harm onie gar zu teuer einge-schtzt! W enigstens erlaubt es mein Beutel nicht, so vielfr den Eintritt zu zahlen. Darum aber beeile ich mich,mein Eintrittsbillett zurckzugeben. Und wenn ich nurein ehrlicher Mensch bin, so ist es meine Pflicht, diessobald wie mglich zu tun. Das tue ich denn auch. NichtGott ist es, den ich ablehne, Aljoscha, ich gebe ihm nurdie Eintrittskarte ergebenst zurck."Iwan sagt dann weiter zu Aljoscha: Sage mir offen,ich rufe dich au f- antw orte: Wrdest du, wenn du selbst,nehmen wir an, den ganzen Bau der Gesetze fr dasMenschengeschlecht zu errichten httest, mit dem Zielim Auge, zum Schlu alle Menschen glcklich zu ma-chen, ihnen endlich einmal Ruhe und Frieden zu g eb en-doch zur Erreichung dieses Zieles mtest du zuvorunbedingt, als unvermeidliche Vorbedingung zu jenemZweck, meinethalben nur ein einziges winziges Ge-schpfchen zu Tode qulen, sagen wir dieses selbeKindchen, das sich mit seinem Fustchen an die Brustschlug, und auf dessen unvergoltenen Kindertrnenmtest du diesen Bau errichten - wrdest du danneinwilligen unter dieser Bedingung, der Architekt desBaues zu sein? Antworte mir und lge nicht!"Nein, ich wrde nicht einwilligen", sagte Aljoschaleise.Meine Antwort ist: Ich tte es." Das war auch dieAntwort Abrahams. Er war bereit, sein eigenes Kinddafr herzugeben. Seine Nachfolger wissen, da die fnfOktillionen Atome, aus denen der Krper des Kindeszusammengesetzt ist, der Tempelschrein, ja, vielleicht

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    51/244

    die Gefngniszelle eines Geistes sind, und der Geistvielleicht froh wre, ihn loszuwerden. Sie glauben an das,was die Bhagavad-Gita (indisch Gesang des Erhabe-nen", berhmtestes frhreligises Zeugnis; d. bers.)sagt, da der M rder nichts weiter sei als der Erfller derPrdestination Gottes fr den M enschen. Wenn notwen-dig, ist es recht, um des Friedens, des Vaterlandes undGottes willen zu tten . W enn der Kampf der Juden gegendie Unterdrcker biblisch war, warum soll der Kampf derRumnen zur Befreiung von der kommunistischen Skla-verei nicht auch geheiligt sein?Nein, ihr Kmpfer fr das Vaterland, ihr habt nichtgesndigt. Der heilige Augustin sagte: Liebe Gott undtu was du willst!" Es steht ebenfalls geschrieben: Singetdem Herrn ein neues Lied." Das ist das Lied einesKriegers. Keiner ist ein so mutiger Kmpfer wie der Herrselbst. Er schlft noch schlummert nicht. Der christlicheGlaube heit uns nicht so sehr gut, als Kmpfer fr dasGute zu sein. Du kannst kein Kmpfer fr das Gute sein,ohne zu kmpfen, und kannst nicht nur abstraktes belund schlechte Institutionen bekmpfen, ohne auch dieschlechten Menschen zu schlagen.Gott ist der Anfang und das Ende. Die Mitte des Tagesgehrt uns. Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt.Und ich will Sein Knigreich nicht nur in der Zukunfthaben. Kmpft heute fr Sein Knigreich der Gerechtig-keit, des Friedens und der Liebe. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    52/244

    Das Wort ward FleischLiebe Brder und Schwestern!Das W ort Davar" ist im Hebrischen ein Homonym ; esbedeutet sowohl Wort" wie auch Ding", Gegen-stand". In der Sprache der Erwhlten Gottes sind Wortenicht nur bloe Symbole und Echos einer Wirklichkeit,sie sind selbst Wirklichkeit. Als Johannes im Hebri-schen den Prolog zu seinem Evangelium durchdachte,wollte er eigentlich damit sagen: Am Anfang war dieWirklichkeit. Und die Wirklichkeit war bei Gott. Unddie Wirklichkeit war Gott."Ich schlafe nachts fast kaum. Auf den nchtlichenAndachten liegt ein Segen. Siehe, lobet den Herrn , alleKnechte des Herrn, die ihr stehet des Nachts im Hausedes Herrn!" Whrend der Nacht kommen auch dieMenschen zusammen, um Bses zu tun. Einbrche,Morde und Vergewaltigungen geschehen nachts. Stalinschlief nachts nicht. Dann empfing er Leute und planteseine Massenmorde. Die Heiligen mssen die Waffe derGebetsnchte benutzen, um gegen die Macht der Fin-sternis zu kmpfen. Wer am Tage arbeiten mu, kanndies nicht tun. Aber ich habe den Vorteil, ein isolierterGefangener zu sein. Ich kann am Tage schlafen. Ich kannAndachten in der Nacht halten.

    Ich verbringe meine Nchte mit geistlichen bungen,im Gebet, reise in Gedanken um die Welt und bete zuGott fr jedes Land, arbeite Predigten aus und halte sieauch.Jede Nacht verfasse ich auch ein Gedicht. Ich verfassees in Gedanken, da ich kein Papier besitze, um esniederzuschreiben.Kmmerliche Gedichte eines unbegabten Geistes! Was50

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    53/244

    sind sie verglichen mit den W erken der groen D ichter?Aber auch so kann ich durch mein Bemhen um Vers-ma und Reim nachfhlen, wie schwierig es fr dieDichter war, Liebe, Weisheit und Leben in Gedichte zufassen.Die Worte fhlen sich in den Versen, wie ich mich inder Zwangsjacke fhlte.Das Wort wurde vor zweitausend Jahren Fleisch. DasW ort mchte auch heute wieder Fleisch und nicht nur einStck Poesie sein. Das Wort mchte nochmals die Ge-stalt eines Menschen annehmen, der Taten der Liebevollbringen, aber auch, um der Gerechtigkeit willen,streng sein und falsches Tun tadeln kann , wie Jesus es tat- ein Mensch, der alles verlt, alle liebt und sich selbstzum Opfer fr alle gibt, ja sogar fr diejenigen, die ihnverraten und geieln; ja, auch fr die, die Er selbst umder Gerechtigkeit willen mit der Peitsche schlagenmute.Das Wort G ottes und der Geist der Liebe sehnen sichimmer nach einer Fleischwerdung. Christus lebte nichtnur in dem Zimmermann Jesus, Er lebte auch in Paulus.Wir werfen nur Wrter in das aufgewhlte Meer dieserWelt, und die Mehrheit der Wrter ersetzt die Wirklich-keit.Gott hat mich in die Stille gefhrt. Es ist um michherum absolut still. Man kann nicht hren, wenn dieWchter sich nhern. Gott will, da ich die Wrterverlerne. Es wird mir immer schwerer, lange, klare Stzezu formulieren. Vielleicht tut man auch irgendwelcheDrogen in mein Essen, um mein Denkvermgen zuzerstren.Mich umgibt vllige Stille, eine Stille wie die bei denFischen in den Tiefen des Meeres. Das geheime Zeichender ersten Christen war der Fisch.Ich fange an, diese Stille zu lieben. Ich verfassemanchmal Verse, um die Zeit zu verbringen, aber was ich

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    54/244

    wirklich gerne tun wrde, wre Menschen zu schaffen,von denen jeder einzelne ein feines Stck Poesie wre.Im griechischen Originaltext des Epheserbriefes heit es,da die Christen das Gedicht (poiema) Gottes sind. Gottist also auch ein Dichter. Seine Gedichte sind gelassen,flexibel, reich an Bedeutung. Er hat Seine GedichteFleisch werden lassen. Jedes hat ein anderes Thema.Eins verkrpert Heldentum, ein anderes Heiligkeit, einanderes W eisheit, ein anderes sogar einfache praktischeVernunft. Christen sind nicht nur unterschiedlich, son-dern manchmal auch vllig voneinander abweichend biszu sich widersprechenden Charakteren. Aber jeder istdem Herrn angenehm.Nach dem Epheserbrief ist es nicht Aufgabe desPfarrers, Predigten auszuarbeiten, sondern Heilige zuzu-bereiten.Mir wrde auch eine solche Aufgabe gefallen. Zuerstmchte ich mich selbst zu einem Tem pel der verkrper-ten Liebe m achen, damit die Nachfolger der Weisen undHirten der Vergangenheit in mir Christus in Miniaturerkennen mchten und den Erlser in mir anbetenwollen.Anstatt einer Welt, in der Buchlden Gedichte- undPredigtbnde verkaufen, wnsche ich mir eine Welt, inder jeder M ann und jede Frau ein G edicht hoher Gedan-ken sind, gefllt mit Melodie und Farbe.Wenn ich dem Kommen einer solchen Welt ein Hin-dernis bin, mge Gott mich hier im Gefngnis tten!Aber so sollte die Welt sein.Ich will zur Verwirklichung eines solchen Knigreichesbeitragen und deshalb dem Beispiel Labans folgen. ImHebrischen heit sein Name wei". Er hatte zweiTch ter, Rahel und Lea. Ein junger M ann, Jakob , liebtedie schne R ahel. A ber Laban erlaubte ihm nicht, sie zubekommen, bevor er nicht auch die hliche Lea nahm.Laban w ar ein gerechter M ann und duldete keine Bevor-

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    55/244

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    56/244

    Liebe zeigen. Die schnen Seelen knnen ohne Zeichender Liebe auskommen. Verschwende deine Energiedort, wo sie am meisten bentigt wird!Besonders mchte ich euch die Pfarrer und Priesterans Herz legen, die mit den kommunistischen Verfolgernpaktieren und ihre Brder verraten . Ich habe Furcht beidem Gedanken, da sich in unserem Lande die gleicheSituation wie in der Sowjetunion entwickeln wird, wodiese Verrter oft von den Christen der Untergrund-

    kirche gelyncht oder erdolcht wurden. Die Kirche derKatakom ben mu vor diesen Verrtern bewahrt werden,und wenn es keinen anderen Ausweg gibt, greifen sie zudiesen M itteln. Die Kirche der ersten Jahrhunderte hattedie gleichen Methoden, obwohl die Schreiber der Kir-chengeschichte nicht viel darber berichten.Aber das ist schon die extrem e Lsung. In der Nazizeitgewannen wir Menschen fr Christus, die uns verratenund ins Gefngnis geworfen hatten. Wir sollten auchjetzt wieder alles tun, um dieses zu erreichen. Lat dasWort in uns Fleisch werden, Fleisch von Menschen, dieden Ku Judas' annehm en und ihn Freund nennen, auch

    wenn er an der Spitze eines bewaffneten Trupps kom mt,um dich zu verhaften. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    57/244

    Ein KindergottesdienstVielgeliebte Kinder!Heute schlugen die Kommunisten mich furchtbar. AmEnde wurde ich ohnmchtig. Sie brachten mich aberwieder zum Bewutsein, indem sie Wasser ber michschtteten; dann schlugen sie mich wieder.

    Und dann geschah das Schlimmste. Die Tr flog auf,und in den Raum, wo ich mit meinen Verhrern war,strzten unsere Brder und Schwestern - Bruder Davi-descu, der mit dem langen Bart, Bruder Marinow und diealte Tante Ionescu und Susanne und alle, die ich soliebte. Ich wunderte mich, wie sie ins Gefngnis gekom-men waren. Dann begannen sie, denen ich nie etwasgetan hatte, mich zu schlagen. Die Tr ging nochmalsauf. Nun kam Binzea, meine Frau, und Mihai, meinSohn. Auch sie spuckten mir ins Gesicht, verspottetenmich und sagten, da sie sich schmten, mich als Mannund V ater zu haben. Und Mihai streckte seine Faust aus,um mich zu schlagen. Das war zuviel. Ich wurde wiederohnmchtig. Als ich zu mir kam, war ich mit denVerhrern allein. Das Ganze war eine Halluzinationgewesen.Mir war klar, da ich verrckt geworden war wie soviele vor mir, deren Schreie ich in dem gewlbtenKorridor hallen hrte.Und jetzt seid ihr, liebe Kinder, gekommen, um meineeinsame Zelle zu fllen. Ihr seid wirklich hier. Ich weinicht, ob es das ist, was die geistig Gesunden daswirkliche Hier" nennen, oder ob es mein Hier" ist, dasHier eines Verrckten . A ber ihr seid hier. Und nicht nurihr, Kinder, seid in meiner Sonntagsschule. Heute seheich auch eure Schutzengel. Sie hoffen, da ich euch das

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    58/244

    Richtige erzhle. Sie drsten selbst danach, eine schneGeschichte ber Jesus zu hren.Und seht, da ist Er selbst, das heilige Kind. Frhererschien er St. Hieronymus, dem Mnch, der zuerst dieBibel ins Lateinische bersetzte, in der Gestalt einesKindes.Hieronym us arbeitete an seiner bersetzung in Beth-lehem, dem Geburtsort unseres Herrn. Als er betete,erschien ihm Jesus als Kind. Dieses erfllte das Herz desHeiligen mit einer solchen bermigen Se, da ersagte: L iebster Jesus, ich wnschte von ganzem Herzen,Dir ein Geschenk machen zu knnen. Sag mir, was Dicham meisten erfreuen wrde." Das Kind lchelte undantwortete: Himmel und Erde und alles, was darin ist,gehren mir. Was kannst Du mir schon geben?" Derheilige Mann sagte jedoch: Aber ich liebe Dich undmchte D ir ein Geschenk machen. Willst Du das wenigeGeld, das ich als Mnch besitze, annehmen?" Das Kindlchelte wiederum und antwortete: Gib Dein Geld denArmen. Ich habe keine Verwendung dafr." St. Hie-ronymus war jedoch hartnckig: Ich kann Dich nichtmit leeren Hnden gehen lassen. Was soll ich Dir ge-ben?" Das Kind wurde daraufhin sehr ernst und sagte:Wenn Du mir etwas schenken willst, was mein Herz mitFreude fllen wird, dann gib mir alle Deine Snden undDeine Begierden. Ich werde wegen ihnen am Kreuzsterben. Keine andere Gabe knnte mein Herz mit einersolchen Freude erfllen."Gesegnet ist, der da kommt im Namen des Herrn! Hierunter uns ist das Kind Jesu. Lat uns Ihm dies Geschenkbringen - unsere Unwahrhaftigkeit, unseren Egoismus,unseren Zorn, unsere Bitterkeit. Und so wird Er seineZeit in Freude mit uns verbringen.St. Antonius von Padua traf schon als Kind denHeiland. Es klopfte an der Gartentr seines Zuhauses,und Antonius lief, um zu sehen, wer da war. Als er die

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    59/244

    Tr ffnete, stand ein Bettler in Lumpen vor ihm, der imFroste eines W intertages zitterte. Antonius hatte Mitleidund sagte: Ich will meinen Vater bitten, dir ein paarwarme Kleider zu geben." Der Bettler antwortete: Esist sehr kalt in eurer Welt, aber ich bettle nicht umKleider." Das Kind sagte daraufhin: Du mut hungrigsein. Komm herein, m eine M utter wird dir etwas zu essengeben." Der Bettler antwortete: Ich bin hungrig, aberich bitte nicht um Brot." Erstaunt fragte Antonius:Warum hast du denn an unsere Gartentr geklopft?"Der Bettler an twortete: Ich wollte dich bitten, mir deinHerz zu geben." Das Kind trat einen Schritt zurck:Aber wenn ich dir mein Herz gebe, sterbe ich doch."Dann ffnete der Bettler einen Sack, den er ber seinerSchulter trug, nahm einige Herzen heraus und sagte:Dies ist das Herz von Paulus, dieses von M aria Magda-lena und dieses von St. Ignatius. Alle, die mir ihreHerzen lange vor ihrem Tode gegeben haben, lebenewiglich." Antonius wute dann , da derjenige, der vorihm stand, Jesus selbst war, und er wurde sein Nach-folger.

    Lat uns Ihm auch unsere Herzen geben.Und nun will ich Ihm und euch und euren Schutz-engeln eine Geschichte ber Ihn erzhlen.Jesu irdischer Vater Joseph war arm. Er konnte Ihmkeine richtige Ausbildung geben. Als das Kind zwlfJahre alt wurde, sagte er zu Ihm: Nun m ut du aufhrenmit Spielen und Trumen. Ich mchte, da du jetztZimmermann wirst wie ich."Am nchsten Tag ging er mit dem Kind in den Wald,um Bum e zu fllen. Aber diesmal konnte er die Bum enicht mit seiner Axt berhren. Immer wieder hielt dasKind ihn davon ab und sagte: Vater, Du weit, da dieBibel das Tten verbietet. Dieser Baum ist noch jung undhat sein Leben noch nicht gelebt. La ihn weiterhin dieSonne genieen. Sieh, wie er sich aufgerichtet und dem

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    60/244

    Licht entgegengestreckt hat. Wenn er noch ein Jahrlnger gelebt hat, werden gengend Menschen bereitsein, ihn zu tten... Auch den schlage nicht. Sieh,wieviel Ameisen um ihn wimmeln. Wie emsig sie Grserund kleine Strohstcke sammeln! Ich frchte, Du wirstviele tten, wenn Du den Baum f ll s t. .. Den auch nicht.In seinen sten ist ein Vogelnest. Ihr Zirpen hrt man imHimmel. Die kleinen Vgel werden sterben, und manwird Dich im Lande ber den Sternen wegen Mordesverklagen... Den la stehen, denn das Gerusch derSge wird, wenn Du ansetzt, von dem V ater im Himmelgehrt werden, der uns gebietet, Gnade mit Menschenund Bumen, Tieren und Vgeln, Blumen und Pflanzenzu haben. Heilige Augen weinen ber den Kummeraller."

    Jesus bat so instndig, und so viele Trnen rannendabei ber Seine W angen, da Joseph sich in den Schat-ten setzte, um Ihn zu trsten.In dieser W oche war es der zweite Sabbat. Von einemzum anderen Blatt wurde geflstert: Das ist der Erl-ser." Die Ameisen spielten um ihre Fe. Die Vgelsangen: Unser sehnlichster Wunsch ist erfllt." AmHimmel war keine Wolke.Das Kind legte seinen Kopf in Josephs Scho. Josephspielte mit den Locken des Kindes. Der Sohn war derLehrer, der Vater der Schler. Die Engel wachten berbeide.

    Das Kind fragte: Sag mir, Vater, warum hast Du eineAxt? Du weit doch, da die eisernen Werkzeuge voneinem Nachkommen des bsen Kain erfunden wurden.Als die Rmer Dich baten, ein Kreuz anzufertigen, umeinen Menschen daran zu kreuzigen, hast Du auch demLeben eines Baum es ein Ende gesetzt. Ich habe M nnergesehen, die ihre Kreuze zu der Hinrichtungssttte tru-gen. Ich habe sie unter der Last zusammenbrechensehen . Du hast mir gesagt, da dies auch mein Ende sei.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    61/244

    Wird fr mich auch ein Baum sterben, bevor ich meinLeben fr die Menschen gebe? Ich weine, wenn ich sehe,wie die Menschen Ruten abschneiden, denn Ruten wer-den gebraucht, um Kinder zu schlagen. Da wird etwasLebendes abgeschnitten, um Brutalitt auszuben."So wie das l ber den Bart des Priesters bei der lungluft, so liefen auch die Trnen ber Josephs Bart. EinZeichen, da die Worte sein Herz berhrt hatten.Er versuchte jedoch Entschuldigungen zu finden:Wenn ein Zimmermann Mitleid mit den Bumen hat,mu er verhungern." Er hatte zu voreilig gesprochen.Der Gedanke des Todes als Folge einer rechten Hand-lung fiel auf fruchtbaren Boden.Das Kind sagte: Wenn wir vor Hunger sterben ms-sen, weil wir keine Bume fr die Zimmermannsarbeitfllen, werden wir in ein Land gehen, wo es keinen Todmehr gibt und wir uns alle den ganzen Tag lang liebenwerden. Dort wird auch Mutter nicht mehr weinen, Duweit, da die Menschen sie hier verspotten. Sie wirdrechts und Du links von mir sitzen, und ich in der Mittewerde Euch lieben. Ich werde kein Zimmermann sein,sondern einer, der stirbt, damit die Bume die Flle desLebens haben und damit noch eine Sonne am Firmamentscheint. Ich werde das Leben der Bume nicht zer-stren."An diesem Tage blieben die Bume am Leben. DasKind war ihr Erlser. Er brachte den dunklen Wlderndie Hoffnung eines wolkenlosen Tages.Aber Joseph, der arme Zimmermann, hatte groeLasten. Eine ganze Familie mute versorgt werden. Erwar kein Kind, das sich ein Leben in Trumereienerlauben konnte.Am nchsten Tag nahm er Jesus mit in die W erkstatt.Er zeigte ihm, wie ein Brett mit dem Zollstock gemessenwird, wie man eine gerade Linie darauf zieht, wie manden Hobel ansetzt und die verschiedenen Werkzeuge

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    62/244

    benutzt. In diesem Leben mu man arbeiten. Sonst stirbtman.Aber Seine Mutter Maria beobachtete, da das Kindmit jedem Tag blasser und ernster wurde. Er war still undsagte keinem den Grund seiner Blsse. Es war, weil Erjedesmal die Schlge an Seinem eigenen Krper fhlte,wenn der Hammer auf das Holz schlug. Er weintejedesmal, wenn die Sge sich in das Holz fra. Er fiel aufden Boden , und Seine Trnen tropften in das Sgemehl,das geopfert wurde, um Betten und Sthle herzustellen,worauf die Menschen sich ausruhen knnen; in dergleichen Weise wrde auch Er eines Tages geopfertwerden, damit andere ewige Ruhe haben. Er weinte,denn Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er wrdefr die Snden der Menschen ben, die sie an denBumen begangen haben. An einem Baum, der dasOpfer der Ungerechtigkeit gewesen war, wird Er selbstals ein Opfer gekreuzigt werden.Und jetzt kann jeder kleine Zweig geduldig in Stillewarten. Jesus starb an dem Baum, damit ihre gebroche-nen Zweige in den Olivenbaum wieder eingepropft wer-den. Jesus kmpfte euren Kampf an dem Holz desBaumes, um fr euch eine wunderbare Zukunft zubereiten.So vollendete Jesus Seine Lehrzeit. Er wurde zumZimmermann ausgebildet, ein Zimmermann, der SeineKunst weinend ausbte, der Zim mermann, der die Him-melspforten machte.Du, der Du mich geschaffen hast - ich rufe Dich nichtmit dem Namen an, den die Menschen Dir gewhnlichgeben. Ich erinnere mich an St. Paphnutius, der, nach-dem er die berchtigte Dirne Thais zu Christus gefhrthatte, ihr sagte: Deine Lippen sind nicht wrdig, denheiligen Namen des Schpfers auszusprechen. Dein Ge-bet sollte nur lauten: ,Du, der Du mich geschaffen hast,erbarme Dich meiner.'" Allein in ihrer Klosterzelle

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    63/244

    betete sie drei Jahre dieses Gebet. Nach drei Jahren hatteein Bruder eine Vision, er sah eine wunderschne Seeleauf einem - mit Rosen bedeckten - Bett, der die Engelaufwarteten. Er war sich sicher, da dies der Platz sei,der im Himmel fr St. Antonius dem Groen, demGrnder des M nchtums, reserviert war. Aber Antoniussagte ihm, da er den Platz von Thais, der demtigenSnderin, die Deinen Namen nicht aussprach, gesehenhabe.

    Du, der Du mich geschaffen hast - die Kinder, berderen Gegenwart ich mich so gefreut habe, sind ver-schwunden. Ebenfalls auch ihre Schutzengel und dasheilige Kind. Es war auch wie heute morgen, als manmich schlug, eine Halluzination. Ich bin wirklich ver-rckt geworden.Ich habe viele Irrenanstalten besucht. Einige der Pa-tienten sind glcklich. Sie glauben, Kaiser oder Heiligezu sein. Andere leiden an stndigen Alpdrcken undglauben, sie werden verfolgt, seien in Gefahr und werdengefoltert.Wre es zuviel, Dich um eines zu bitten? Gib mir ein

    glckliches Verrcktsein. La mich sehen, wie sich dieKinder um mich drngen, und la mich ihre schnenEngel sehen. La mich immer das Kind Jesus sehen. Esmag einige geben, die dies gar nicht als Halluzination,sondern als eine Vision von Dir ansehen werden. DieseMenschen sind vielleicht ebenso verrckt wie ich. Abersie werden das, was ich sage, schtzen, und ich werdegetrstet werden.Soviel, ein glckliches Verrcktsein, erbitte ich vonDir. Amen.

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    64/244

    Wieder geknebeltMeine liebe Seele!Heute will ich wieder mit dir reden. Wieder erschalltendie furchtbaren Schreie, die weder ich noch die anderenGefangenen meistern knnen. Manchmal spritzt manGefangenen in solchen Fllen ein Beruhigungsmittel ein.Mich hat man zum zweiten Mal geknebelt und in eineZwangsjacke gesteckt. Mit wem auer dir knnte ichjetzt reden?Ich m chte gern wissen, wie St. Franziskus von Assisisich an meiner Stelle gefhlt htte.Ich kann mich noch an sein Gesprch mit Bruder Leoerinnern, der ihn fragte, worin die vollkommene Freudebestehe. Liegt sie darin, vieles zu wissen? Franziskusverneinte dies. Leo fragte weiter, ob die vollkommeneFreude darin liege, Prophet zu sein und die GeheimnisseGottes zu kennen. Franziskus schttelte schweigendseinen Kopf, um dem Bruder zu zeigen, da er nicht dasRichtige getroffen habe. Leo fragte wieder, ob dasGewinnen von Seelen fr Christus nicht die vollkomme-ne Freude sei. Die Antwort war wieder dieselbe: N ein."Leo fragte, ob groe Heiligkeit, die es einem ermglicht,sogar Wunder fr das Wohl der Menschen zu tun, nichtvollkommene Freude sei.Franziskus antwortete: Keines dieser Dinge kannvollkommene F reude schenken. W ir werden diese Freu-de erst kennenlernen, wenn wir durchnt, hungrig undvor Klte zitternd die heilige Maria der Engel erreichenund der Trh ter uns wegtreibt und uns dabei als Bettlerund Straenruber mit gemeinen W orten verspottet. Wirwerden die vollkommene Freude erfahren, wenn wirhungrig auerhalb der Klostermauern bleiben und Re-gen und Schmutz mit Freude, Geduld und Dankbarkeit

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    65/244

    ertragen. Das Kreuz ist der einzige Baum, auf dem dieBlume der vollkommenen Freude gedeihen wird."Ich habe das Kreuz. Deshalb entschlo ich mich, frohzu sein, und ich tanzte . Ich drehte mich im Kreis herum,bis mein Denken ausgelscht wurde. In Schwei geba-det, fiel ich auf mein Bett, und die Trnen liefen meineWangen hinunter, whrend die Wchter, die durch dasGuckloch der Tr schauten, lachten. Ich lebe meinLeben jetzt rckwrts vom Ende her - von der Wonneder Ewigkeit, die alle, die den Herrn lieben, erwartet -ber den Augenblick, wo du, meine Seele, von denFesseln des K rpers befreit wirst, bis zu meinem jetzigenZustand. Dann erinnere ich mich, wie ich vor einigenMinuten meine Arme noch bewegen konnte. Ich erinne-re mich an die schnen Jahre in meiner Kirche undmeiner Familie und, weiter zurckblickend, an meinganzes Leben bis zu meiner frhen Kindheit. Ich kannmich irgendwie auch erinnern, wie ich als Baby auf demArm getragen wurde. Davor war es ein Em bryo, der voneinem Schutzengel bewacht wurde. Davor war ich in denLenden meiner Vorvter. Ich kenne viele von ihnen, daich das Vorrecht habe, ein Jude zu sein. Ich wei, daAbraham mein Vorfahre war wie auch Tharah und all dieanderen. Ich war in Adam und fiel in Snde, und davorgeno ich die Gemeinschaft mit Gott. Und davor? Warich ein Geist bei G ott. D a v o r . . . gab es kein ich und Ihn.Es gab nur den Einen in voller Ruhe von Ewigkeit her.

    Meine Seele, warum bist du trichterweise ber denletzten Vorfall besorgt darber, da ich in eine Zwangs-jacke gesteckt und geknebelt wurde?Uneingeweihte Seelen urteilen immer nach dem letz-ten Eindruck. Ein falsches Wort von einem Menschenheute lt uns die vielen guten Taten vergessen, die wirwhrend vieler Jahre bei dieser Person beobachtet ha-ben. Eine freundliche Handlung und wir trauen einemMenschen, dessen Vergangenheit ihn nicht als vertrau-

  • 8/8/2019 Ein Mensch in zwei Welten

    66/244

    enswrdig zeigt. Uneingeweihte Menschen sind nicht inder Lage, alles zu bercksichtigen, was sie ber einenMenschen wissen, bevor sie urteilen . Fr sie zhlt nur derletzte Vorfall.Die Phariser urteilten so. Fr sie war Jesus einSnder, weil er den Sabbat nicht geheiligt hatte. Nurdaran konnten sie sich erinnern. Die vielen guten Tatenund Lehren Jesu hatten sie vergessen. Kann ich mir einerichtige Meinung ber einen Menschen bilden, wenn ichnur seinen Versto gegen das Gesetz in einem bestimm-ten Falle vor Augen habe und seine ganze Persnlichkeitauer acht lasse?Es gibt Menschen, die uerlich Bue tun und dann inder Kirche leben, anstatt wie vorher in der Welt. Ihrseelischer Mechanismus ist jedoch gleichgeblieben. Siebeurteilen jetzt die Brder nach dem letzten Vorfall,anstatt - wie frher - die Menschen der Welt. Aber ihrDenken blieb falsch. Sie beurteilen sogar Gott nachdiesem Kriterium: Sie loben Ihn, wenn Er ihnen etwasGutes gibt, und beginnen zu zweifeln, wenn Leidenkommen.

    Aber du, meine Seele, darfst nicht nach der Tatsacheurteilen, da ich whrend der letzten St