Ein Sommer in Zanskar - shambhala.de · ren fällt mir der Unterricht leichter, denn sie können...

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Reru, Reru - wo soll ich bloß beginnen? So viel mit so wenig - so viel für so wenig. So viel für mich. Mir liegt alles dort sehr nah am Herzen. So viel wurde mir gege- ben von so vielen Seiten. In Leh begann alles. Von Anfang an fühlte ich mich wohl in dieser Kultur. Alles bunt, Menschen und Läden. Lachende Menschen, arbeitende Menschen, feilschende Menschen, Menschen, die die Nase hoch tragen, bet- telnde Menschen, alles. Frauen, die an der Straße ho- cken und getrocknete Aprikosen verkaufen. Hoch oben der thronende Königspalast. Stu- pas und Gebetsfähnchen. Diese Weite, diese Kahlheit, dieses Licht! Nachts liege ich im Bett und horche auf die bellenden, wilden Hunde in den Gassen, die tagsüber an den Ecken dösen und sich ausruhen. Dann ist es soweit, mit dem Jeep geht es auf in Richtung Reru. Ein Tag, eine Nacht, 9 Leute in den Jeep gequetscht bis Padum. Ein paar Tage bleibe ich noch bei Karma und seiner Fa- milie in Gyapak, lerne über die Lebensweise der Menschen, die Einfachheit, die große Gast- freundlichkeit, das sich-arrangieren-mit-den-Umstän- den. Ich esse zum ersten Mal Reis mit Dal und hausgemachte Momos (und werde bei dem Versuch, sie zu formen von der ganzen Familie herzlich ausge- lacht), trinke Unmengen von Butter- und Milchtee („Chai“). Ich höre die Yaks brummen, Kinder krei- schen, Stimmen, die mit heiseren Rufen die Tiere antreiben, und die Stille. Ich benutze wie alle die tra- ditionelle Ladakhi-Toilette: ein Loch im Boden, dane- ben ein Erdhaufen, von dem man in das Loch seinem Geschäft ein paar Krümel hinterherstreut. Schließlich habe ich mich ausgeruht, mich mehr an die Höhe ge- wöhnt, und es ist Zeit weiterzufahren. Der Jeep hol- pert über die Schotterstraße, die gerade geteert wird. Straßenarbeiter aus Bihar starren mich aus dunkel- braunen Augen an, ich komme mir vor wie die weiße Massai. Dann kommt Reru und mein Mitfahrer sagt: „Your vil- lage!“ Und dann die Schule. Ja, ich erkenne die Gebäu- de, denn ich habe sie schon auf Fotos gesehen. Dahinter sitzen Schüler in Gruppen auf dem Boden im Staub und schreiben: die vorletzten Examen des Schuljahres, wie ich später erfahre. Jemand kommt den Weg herauf: Kar- ma Rinchen, seit dem Jahr 2009 Schulleiter an der Jamyang Ling Schule, heißt mich willkommen. Er führt mich zu einem Zimmer des Lehrergebäudes, das nun für einige Zeit das Meine sein soll. Ob ich denn außer Englisch noch etwas anderes unterrichten könn- te? Computer? Sci- ence? Hier ein Tee und tschüss - ich habe jetzt Zeit für mich. Die Schüler haben Pause, neu- gierig versuchen sie durch die Vorhangritzen des Zim- mers im ersten Stock Blicke auf mich zu erhaschen: die neue Lehrerin? An diesem Tag habe ich noch etwas Zeit und erkunde die Umgebung. Am nächsten Morgen geht dann alles ganz schön schnell. Um 10:00 Uhr ist die Schulversammlung mit dem Morgengebet, dort werde ich als „neue Lehrerin“ vorgestellt. Ich habe vier Klassen: UKG, Klasse 1, 3 und 5. Außer in Klasse 1 mit „Science“ bin ich die neue Englischlehrerin. Ich soll auch noch Computer unterrichten, aber der PC ist im Moment zur Reparatur nach Leh geschickt und das Projekt muss auf später ver- schoben werden. Ein Sommer in Zanskar von Lynn Klinger Unterricht in Klasse 5

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Reru, Reru - wo soll ich bloß beginnen? So viel mit so wenig - so viel für so wenig. So viel für mich. Mir liegt alles dort sehr nah am Herzen. So viel wurde mir gege-ben von so vielen Seiten.

In Leh begann alles. Von Anfang an fühlte ich mich wohl in dieser Kultur. Alles bunt, Menschen und Läden. Lachende Menschen, arbeitende Menschen, feilschende Menschen, Menschen, die die Nase hoch tragen, bet-telnde Menschen, alles. Frauen, die an der Straße ho-cken und getrocknete Aprikosen verkaufen. Hoch oben der thronende Königspalast. Stu-pas und Gebetsfähnchen. Diese Weite, diese Kahlheit, dieses Licht! Nachts liege ich im Bett und horche auf die bellenden, wilden Hunde in den Gassen, die tagsüber an den Ecken dösen und sich ausruhen.

Dann ist es soweit, mit dem Jeep geht es auf in Richtung Reru. Ein Tag, eine Nacht, 9 Leute in den Jeep gequetscht bis Padum. Ein paar Tage bleibe ich noch bei Karma und seiner Fa-milie in Gyapak, lerne über die Lebensweise der Menschen, die Einfachheit, die große Gast-freundlichkeit, das sich-arrangieren-mit-den-Umstän-den. Ich esse zum ersten Mal Reis mit Dal und hausgemachte Momos (und werde bei dem Versuch, sie zu formen von der ganzen Familie herzlich ausge-lacht), trinke Unmengen von Butter- und Milchtee („Chai“). Ich höre die Yaks brummen, Kinder krei-schen, Stimmen, die mit heiseren Rufen die Tiere antreiben, und die Stille. Ich benutze wie alle die tra-ditionelle Ladakhi-Toilette: ein Loch im Boden, dane-ben ein Erdhaufen, von dem man in das Loch seinem Geschäft ein paar Krümel hinterherstreut. Schließlich habe ich mich ausgeruht, mich mehr an die Höhe ge-wöhnt, und es ist Zeit weiterzufahren. Der Jeep hol-pert über die Schotterstraße, die gerade geteert wird.

Straßenarbeiter aus Bihar starren mich aus dunkel-braunen Augen an, ich komme mir vor wie die weiße Massai.

Dann kommt Reru und mein Mitfahrer sagt: „Your vil-lage!“ Und dann die Schule. Ja, ich erkenne die Gebäu-de, denn ich habe sie schon auf Fotos gesehen. Dahinter sitzen Schüler in Gruppen auf dem Boden im Staub und schreiben: die vorletzten Examen des Schuljahres, wie ich später erfahre. Jemand kommt den Weg herauf: Kar-ma Rinchen, seit dem Jahr 2009 Schulleiter an der

Jamyang Ling Schule, heißt mich willkommen. Er führt mich zu einem Zimmer des Lehrergebäudes, das nun für einige Zeit das Meine sein soll. Ob ich denn außer Englisch noch etwas anderes unterrichten könn-te? Computer? Sci-ence? Hier ein Tee und tschüss - ich habe jetzt Zeit für mich. Die Schüler haben Pause, neu-

gierig versuchen sie durch die Vorhangritzen des Zim-mers im ersten Stock Blicke auf mich zu erhaschen: die neue Lehrerin? An diesem Tag habe ich noch etwas Zeit und erkunde die Umgebung.

Am nächsten Morgen geht dann alles ganz schön schnell. Um 10:00 Uhr ist die Schulversammlung mit dem Morgengebet, dort werde ich als „neue Lehrerin“ vorgestellt. Ich habe vier Klassen: UKG, Klasse 1, 3 und 5. Außer in Klasse 1 mit „Science“ bin ich die neue Englischlehrerin. Ich soll auch noch Computer unterrichten, aber der PC ist im Moment zur Reparatur nach Leh geschickt und das Projekt muss auf später ver-schoben werden.

Ein Sommer in Zanskar von Lynn Klinger

Unterricht in Klasse 5

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Es werden noch zwei Bücher ausgegraben von zwei der Klassen, die ich unterrichten soll. Und dann die Glocke: da ist die Klasse, los geht’s! Ich hole tief Luft und gehe hinein.

Den Rest des Tages verbringe ich damit herauszufin-den, wo die Schüler mit dem Stoff stehen, was gelernt werden muss für die Jahresprüfungen in vier Wochen und wie die Schüler auf mich reagieren. Mit den Älte-ren fällt mir der Unterricht leichter, denn sie können mehr Englisch und ich kann so besser mit ihnen kommunizieren.

Langsam gewöhne ich mich ein, ein neuer Tag, die gleichen Klassen. Ich gewöhne mich an die Gesichter und an den Gedanken, die Schüler auf ihre Ab-schluss-examen vorzu-bereiten. Mit und ohne Strategien versuche ich, die Namen der Schüler zu behalten, die, so scheint es, alle mit „Tenzin“ beginnen. Ich staune über die unterschiedlichen Alphabete, die die Schüler lernen müssen: Ladakhi/Zanskari, Hindi, Eng-lisch, Urdu. Eigentlich wollte ich mich ja bemühen, die Sprache der Menschen hier zu lernen, aber ange-sichts der Sprachvielfalt versinke ich im Chaos. Ein Wort jedoch, das ich zu rufen lerne während ich die Hände über meinen Teller halte, ist: “Dig, dig-le!“(„Genug, genug!“) - um zu verhindern, dass mir von den gastfreundlichen Menschen mit einem „Don, don!“ („Nimm, nimm!“) zum fünften Mal der Teller vollgehäuft wird. Dann kommt der „children’s day“- der wichtige Tag für alle Kinder in Indien. In Reru bedeutet das schulfrei mit Programm; für den Abend haben alle Lehrer verschiedene Aufführungen ge-plant: Tänze, Theatereinlagen und improvisierte Shows. Meine Gitarre kommt zum ersten Mal richtig zum Einsatz! Eng aneinandergekuschelt und in De-cken gehüllt schauen die Kinder zu. Danach kommt

mir der Gedanke, die Gitarre mit in den Unterricht einzu-bringen. Jeder Klasse bringe ich passend zum Unter-richtsstoff ein Lied bei: UKG lernt „Good morning, oh what a sunny morning“ für Wetterbegriffe, Klasse 1 passend zum Tierthema „Old McDonnald had a farm“, Klasse 3 Reime zu den Kör-perteilen und Klas-se 5 „How many roads“ für die Unterscheidung zwi-schen „how much“ und „how many“. Es wird zu einem Ritual, mit diesen Liedern die Stunde anzufangen. In Klasse

5 lasse ich die Schüler sogar auch selber mal versu-chen zu klimpern und sie sind enthusiastisch und mit viel Spaß dabei! Vielleicht wären regelmäßige Musik-stunden eine gute Idee - wo die Schüler z.B. lernen, sich auf der Gitarre zu traditionellen Liedern zu be-gleiten. Mit dieser Klasse schaffe ich es auch immer mehr, Dialoge zu führen, frage sie z.B. nach Inhalten von Geschichten, die wir gelesen haben. Wenn sie es nicht verstehen, formuliere ich die Fragen einfacher

oder geschlossener, um die Antwort zu erleichtern.

Den Morgen beginne ich mit einem Rundgang über den Berg. Mit jedem Atem-zug sauge ich die Atmosphä-re in mich ein, die karge Idylle. Hohe, majestätische Berge, kahl, ohne Bäume. Felsbrocken, zwischen de-nen Schafe und Ziegen her-getrieben werden, die me-ckern. Die hallende Stille, die Tragweite der Geräu-sche, die Stimmen, Geklap-per und „Ha!“-Rufe herüber-schickt. Der mit den Tagen

immer türkiser und klarer werdende Fluss, der wie ein Juwel zwischen den braunen Staubhängen daher-rauscht.

Jamyang Ling Schule

Lynn mit Schülern auf dem Weg nach Ichar

Mittagessen im Freien vor der Schule

Schulgebäude in Reru

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Jammu/ Kashmir und der Ort Raru

Jamyang Ling

Jammu & Kashmir

Es ist schon Mitte Oktober, immer kälter werden die Tage, vor allem morgens und abends. Oft unterrich-ten wir die Schüler draußen, da dort die Sonne scheint und es wärmer ist als in den eisigen Klassen. Meine Daunenjacke rettet mich, ich staune über nach kurzer Zeit gefrorene Spu-cke und Wassertropfen und über von zermürbender Arbeit und Sonne braun und stark gewordene Ladakhi-Hände, die mit dem Eiswasser aus dem Schlauch, der Wasserquelle für das ganze Dorf, ihre Wäsche wa-schen. Ich tue es ihnen gleich.

Ich erfreue mich an der Stim-menwelle, die morgens durch die Schülerschar läuft, wenn ich komme. „Good morning Miss!“, rufen sie. Überhaupt ist Respekt ein Aspekt, der mir hier sehr auffällt. Wenn ich das mit meiner Schulzeit verglei-

che… Während des Unterrichts sind sie meist leise und wollen auch wirklich etwas lernen. Wie oft haben die Schüler in Deutschland z.B. einfach keinen Bock und lassen sich das auch anmerken! Ich hatte den Ein-druck, dass auf die meisten Leh-rer Verlass ist, wenn die Schüler wirklich ein Problem haben. Und sie haben auch Spaß mitei-nander und necken sich gegen-seitig. Gegen Ende der Schul-zeit z.B. entstand ein spon-tanes Fußballspiel mit Lehrern und Schülern gemischt. Und alle

hatten Spaß!

Unterdessen habe ich volle Verantwortung. Ein paar Tage vor den Prüfungen erfahre ich, dass ich die Exa-menspapiere selber entwerfen muss.

U Lynn Klinger

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Die Schule ist auf Ihre Hilfe angewiesenDie Schule ist auf Ihre Hilfe angewiesen

Wie Sie das Schulprojekt unterstützen können • Mitgliedschaft bei Shambhala e.V. (Jahresbeitrag ab € 60,-) • Sponsoring für ein Zanskari Kind mit monatlich € 20,- • Beiträge in Form von einmaligen Spenden • Bestellen Sie unser Postkartenset mit 12 Motiven von der Schule und Zanskar

Auf Grund der Gemeinnütz igkei t von Shambhala e.V. können für a l le Spenden

s teuerl ich absetzbare Spendenbeschein igungen ausgestel l t werden. Spendenkonto:

Kreissparkasse Reutl ingen Konto-Nr.: 19534 BLZ: 640 500 00

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Fortsetzung Bericht Lynn Klinger .. und sie später korrigieren sowieso. Na dann mal los - nur wie? Hätte ich das gewusst, hätte ich ja den Un-terricht ganz anders strukturieren können. Hier ge-fragt und da geholfen - am Ende sind die Aufgaben fristgemäß fertig, ins Reine geschrieben und kopiert (den Kopierer hatte ich ja auch wieder in Schuss ge-bracht), mit Hilfe und Rat der anderen Lehrer.

Während der Examen muss ich schmunzeln. Wie anders doch alles ist verglichen zu dem, was ich kenne! So sitzen die Kinder im Staub des Bodens vor der Schule und blicken gespannt auf ihre Blätter, begin-nen, auf das am Boden liegende Papier zu schreiben. Zwischendurch wirbelt ein Windstoß Müll durch die Reihen, einmal galoppiert blökend ein Yak durch die Schülerschar.

Alles läuft gut über die Bühne, nachmit-tags wird neugierig kontrolliert, wie die Prüfungen gelaufen sind. Die Schüler sind alle nach Hause gegangen, sie ha-ben eine Woche Ferien. Die Lehrer haben nun die Zeit und Geduld beanspruchende Aufgabe, Zeugnisse zu verfassen und elendlange Zahlenreihen in Regist-rierbücher zu schreiben (ohne jegliche Fehler, sonst muss alles neu gemacht werden!). Mit dem Schullei-ter diskutiere ich, welche Schüler in meiner Klasse weiterkommen, welche nicht. Manchmal sind die Verhältnisse schwierig. Ein Mädchen hat die Punkt-zahl z.B. nicht ganz erreicht, müsste die Klasse aber schon zum zweiten Mal wiederholen. Ihr Vater lebt nicht mehr und sie muss den Haushalt für all ihre Ge-schwister schmeißen, weshalb sie sich einfach nicht zu Hause hinsetzt und lernt. Trotz allem hat sie sich verglichen zum vorherigen Jahr sehr verbessert. Wir lassen sie weiterkommen.

Ich frage mich schon, ob theoretisches Lernen dort manchmal der falsche Ansatz ist: Als ich der ersten Klasse z.B. in Science beibringen soll, dass sie nach rechts und links sehen sollen, bevor sie die Straße überqueren, oder dass sie sich nicht aus dem Bus lehnen dürfen. Beides finde ich tota-len Quatsch: Auf der Schotterstraße, die durch das Dorf führt, kommt zweimal am Tag ein Auto an (warum dann vor dem Überqueren nach rechts/links sehen?) und ich selbst bin schon zwei Stunden auf der offenen Ladefläche eines Treckers direkt am Abgrund entlang gefahren - hier gibt es einfach keine anderen Trans-portmöglichkeiten. Ampeln, die ich (laut Buch) auch erklären soll, gibt es noch nicht mal in Leh. Noch deut-licher bewusst wird mir der Unterschied zwischen meiner Realität und der der Ladakhis, als ich höre,

dass die meisten Mädchen im Dorf am liebsten entwe-der einen Taxifahrer oder Soldaten heiraten würden - beides Berufe, die in ihren Augen am meisten Geld einbringen (ein günstiger Nebeneffekt könnte sein, dass der Mann dann viel weg ist).

Nach einer Woche Ferien kommt der letzte Schultag vor den ganz großen Ferien, an dem sich Eltern und Schüler versammeln, um die Ergebnisse der Jahresno-

ten der Schüler zu er-fahren. Zu diesem An-lass muss ich, wie alle anderen Klassen-lehrer auch, vor versammelter Dorfgemeinschaft die Noten der Schüler ver-künden als auch den/die beste Schüler/in und d e n K l a s s e n -prozentsatz. Der einzi-ge Unterschied ist, dass ich nicht bei den Leh-rern sitzen darf, son-

dern einen „Ehrenplatz“ im Sessel auf der Bühne be-komme, in dem ich mich gerne verkriechen würde. Als weiteren Dank für meine Arbeit bekomme ich am En-de einen Katak. Abends wird noch ein wenig im Eß-saal der Schüler, der jetzt leer ist, gefeiert.

Der Winter drängt, am nächsten Morgen geht es los. Es ist ein wunderschöner Trek nach Darcha. Von dort aus fahren wir mit dem Bus nach Manali - und errei-chen es einen Tag, bevor der Pass für den Winter zu-schneit! Das Beeilen hat sich also gelohnt. Ich nehme die beste Dusche, die ich je hatte, nach 6 Wochen die erste. Jetzt beginnt für mich eine neue Phase.

Die Zeit in Jamyang Ling in Reru war eine sehr gute und erfahrungsreiche: Dass trotz all der widrigen Um-stände ein solches Schulprojekt überhaupt zustande gekommen ist, ist wunderbar. Die Schüler wollen wirklich lernen und etwas aus ihrer Zukunft machen, und ihnen dies zu geben ist ein großes Geschenk. Als

ich die achte Klasse nach Ichar zu ihren Abschlussexamen begleitete, konnte ich feststellen, wie gut unsere Schüler und Lehrer sind. Unsere Kandidaten der Prü-fungsklasse waren viel sicherer (so sicher, dass sie später aus den Heften mit dem Prüfungsstoff Flieger bauten und sie von der Brücke aus über den Zanskar-Fluss schickten, weil sie sicher waren, den Stoff nicht mehr zu brauchen). Auf dem Trek übernachtete ich immer in Fami-lien, deren Kinder Schüler von Jamyang

Ling waren und ich konnte mich noch bis kurz vor den Shingo-la Paß über bekannte Gesichter (meine Schüler!) freuen, die aus den Türen heraus-schauten, wenn ich vorbeikam. Und ich bin sehr dankbar, dass ich teilhaben konnte an dieser Kultur und diesem Projekt - und hoffentlich nicht zum letzten Mal.

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Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit: für uns vom Ver-ein Shambhala e.V. und auch für die Lungnak Youth Association in Zanskar Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, allen Verantwortlichen in Reru und insbesondere Stanzin Gyalik unseren tiefen Dank auszusprechen für all die Arbeit, die sie ehrenamt-lich die ganze Zeit geleistet haben. Am Anfang, Mitte der neunziger Jahre, war es sicherlich noch einfach, die anfallende Arbeit von 2 oder 3 Klassen nebenher zu

organisieren. Doch in der Zwischenzeit stehen drei stattliche Gebäude in Reru, 120 Kinder werden im Hos-tel betreut und verpflegt, zwölf Lehrer brauchen einen Ansprechpartner und nicht zuletzt sind es die Eltern der 225 Kinder von Jamyang Ling, die mit ihren Fragen und Anliegen zu Stanzin Gyalik kommen. Geht die Erntezeit zu Ende, freuen sich die Zanskaris auf die wohlverdiente, geruhsam lange Winterzeit. Nicht so Stanzin Gyalik. Ist die Schule in Zanskar ge-schlossen, alle Feldarbeit mit seiner Familie erledigt, rückt das Hostel in Jammu in den Vordergrund: eine Baustelle im wahrsten Sinn des Wortes. Seit 4 Jahren haben wir die Gebäude außerhalb Jammus in ländlicher Umgebung angemietet - den größeren Teil davon vor zwei Jahren gekauft. Und hier wartet Arbeit ohne Ende:

Viele der Zimmer sind schon lange nicht mehr gestri-chen worden, oftmals bröckelt Putz von Wänden und Decken. Er regnet herein im Monsun, die Schüler sitzen mit ihren Tellern irgendwo draußen, es gibt keinen Es-sensraum, keinen Aufenthaltsraum und nur sehr be-scheidene sanitäre Anlagen. Kommt eine weitere Klasse aus Zanskar im Februar, muß diese erstmal für Wochen im Treppenhaus übernachten, bis die 12. Klasse ihre Prüfungen im Mai abgeschlossen hat, das Hostel ver-lässt und somit wieder neu Platz geschaffen wird. Eine besondere Anerkennung bekam Shambhala e.V. im März dieses Jahres in Delhi. Die Deutsche Hockey Nationalmannschaft, vom Deutschen Botschafter Herrn Thomas Matussek eingeladen, überreichte ein Volley-ballnetz und diverse Bälle für unser Schulprojekt und auch die Botschaftsangehörigen hatten eine größere Geldsumme für die Schule gesammelt. Der geplante Besuch des Botschafters in Zanskar wurde leider durch die Unwetter im August verhindert. Es bleibt noch viel zu tun für das Management Commit-tee unter der Leitung von Stanzin Gyalik. Für all die geleistete Arbeit, für seinen unermüdlichen Einsatz für die Schule, ihm und allen anderen Helfern ein herzli-ches Dankeschön! Bernd Balaschus Vorstand Shambhala e.V.

Eine Danksagung an Stanzin Gyalik

Stanzin Gyalik in seinem Büro

Empfang in der Deutschen Botschaft in Delhi

Stanzin Gyalik

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Eindrücke vom Sommer 2010 in Reru

Als Mitglied von Shambhala e.V. besuchte Norbert Vehreschild Jamyang Ling im Sommer 2010

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© 2010 - Redaktion: Bernd Balaschus Nibelungenstr. 40, 72768 Reutlingen

fon: 07121 - 678 505 email: [email protected]

Zanskar Special

05. 08. - 04. 09. 2011 mit Bernd Balaschus

Auch für das Jahr 2011 haben wir einen mehrtägigen Aufenthalt in Reru im Rahmen eines Zanskar Special geplant. Wir werden am Leben der Dorfbevölkerung teilhaben und das Projekt Jamyang Ling durch Begeg-nungen mit Lehrern und Schülern kennenlernen. Wie die Jahre zuvor werden wir uns bemühen, Mönche aus Phuktal einzuladen, die uns in die Grundlagen der Mandalatechnik einweisen.

Wir werden oberhalb des Dorfes am See in komfor-tablen Zelten wohnen und auch immer wieder Zeit für persönliche Begegnungen oder für uns selbst haben.

Die Bergwelt dieses faszinierenden Teils des indi-schen Himalayas, oft auch „Klein-Tibet“ genannt, er-schließt sich uns nach unserem Aufenthalt in Reru durch ein 10-tägiges Trekking über den Shingo-La Pass (5.150 m) nach Darsha und mit dem Bus weiter nach Manali. Wir werden auch zwei Tage in Purne unser Camp aufschlagen und zu dem berühmten Felsenklos-ter Phukthal Gompa wandern.

� Shambhala Tours & Meditation hat einen

Newsletter, den wir Ihnen gern zusenden würden. Die-sen können Sie per E-Mail anfordern.

Der große Zanskar-Trek

08. 07. - 07. 08. 2011 mit Jan Dost und Tenzin Dawa 05. 08. - 04. 09. 2011 mit Jan Dost und Tenzin Dawa

Im Verlauf des Trekkings durch die imposante Berg-welt des Himalaya besuchen wir auch die Schule in Reru sowie die Klöster Shey, Thiksey, Hemis, Sankar, und Lamayuru in Ladakh sowie Mune und die Phuktal Gompa.

Alle drei Reisen je: 3.190,- Euro

Ausführliche Reisebeschreibungen bei:

Shambhala tours & meditation Evelyn Stierle, Bernd Balaschus

Nibelungenstrasse 40, D-72768 Reutlingen Tel: 07121 - 678 505 Fax: 07121 - 678 507

[email protected] http://www.shambhala.de

Das letzte Jahr war für unser Schulprojekt in vielerlei Hinsicht herausfordernd. Schüler wurden neu aufge-nommen, ganze vier Klassen sind in Jammu zu unter-richten und zu versorgen. Und das nicht nur mit Unter-richt, Nahrungsmitteln, täglichem Bustransport usw. Es gilt ja auch, den Herausforderungen zu begeg-nen, die die - inzwischen jungen Erwach-senen - zu bewältigen haben. Wir sind froh, in Rinchen jemanden ge-funden zu haben, der den Schülern in vielem zur Seite steht; denn unsere Schüler haben nicht nur schulische Leistungen zu erbringen - sie brau-chen ja auch Unterstützung darin, den Sprung von einer im Grunde archaischen Zeit in die Moderne zu vollziehen.

Die grosse Flutkatastrophe in Pakistan hat uns alle ge-schockt und unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen. Auch Leh und Umgebung traf es hart; selbst Zanskar blieb von Unwettern nicht verschont. Die starken Re-genfälle haben Spuren im Dach und den Wänden der Schule hinterlassen. Es gibt viel zu tun. Nach diesem Sommer noch mehr. Alles in Allem war es weiterhin ein erfolgreiches Jahr - dank der Unterstützung, die

das Schulprojekt so kontinuierlich erfährt. Sei es durch all die Spenden oder auch den ganz persönlichen Ein-satz vor Ort. So war dieses Jahr Norbert Vehreschild für Shambhala e.V. in Reru, hat mit gelebt und unter-richtet und ist eingetaucht in die Lebenswelt der Schu-le. Seine Erfahrungen sind wertvolle Grundlage für

weitere Planungen und Ideen. Ihm an dieser Stelle nochmals von Herzen Dan-ke!

Es ist die Kontinuität, auf die es an-kommt. Die Schule braucht die Präsenz von Menschen und nicht zuletzt den Mitteln, die ermöglichen, dass sie weiter-hin ihre Substanz behält, die sie hat. Und das nicht nur baulich, sondern in all ihren Dimensionen: sozial, kulturell, spirituell

und... menschlich. Deshalb wie immer an dieser Stelle die Bitte um Ihre Unterstützung! Und ein großes Dan-keschön für all die Hilfe, die von unseren Spendern und Mitgliedern so kontinuierlich fliesst und die die Schule weiterhin das sein lässt, was sie für viele Kinder aus dieser entlegenen und verarmten Himalayaregion ist: die große Chance auf eine persönliche Zukunft.

Herzlichst, Evelyn Stierle

Ein Besuch in Jamyang Ling

Jahresmitgliederversammlung 2011 am 19. November 2011 in der

Nibelungenstr. 40, 72768 Reutlingen

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!