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29 29 Protokoll  EVA HIRSCHI Bild  PR I VAT Ein Tag im LEbEn für «Unberührbare» an. Das war eine ganz spezielle Erfahrung – es war nicht nur mein erstes Mal in High Heels, wir hatten auch ver- schiedene Workshops und befassten uns mit der Geschichte unserer Kaste. Es war sehr mo- tivierend und auauend. Am Ende habe ich den Wettbewerb sogar gewonnen und war sehr stolz! Ich finde, solche Projekte können helfen, die Gesellschaft zu sensibilisieren und zu zeigen, dass auch Frauen der unteren Kas- ten schön und erfolgreich sein können. Im Alltag erlebe ich heute eigentlich keine Diskriminierung mehr. Ich wohne in der Hauptstadt Kathmandu, hier sind die Leute viel offener als auf dem Land. Auch habe ich genügend Selbstvertrauen aufgebaut. Ich bin die einzige «Unberührbare» in der Klasse, aber niemand hat ein Problem damit, und ich verstehe mich mit allen gut. Nach den Vor- lesungen spielen wir oft Basketball oder Bad- minton. Langsam ändert sich die Gesell- schaft, wegen Projekten wie dem Schönheits- wettbewerb, aber auch dank Internetzugang und Social Media. Schöne Nachrichten, etwa eine Hochzeit von zwei Menschen aus ver- schiedenen Kasten, verbreiten sich schneller. Zwar gibt es auch Hasskommentare, aber die positiven Reaktionen sind häufiger. Dennoch hat das Kastensystem noch im- mer Einfluss auf unser Leben. Zum Beispiel war ich in einer Beziehung mit einem Nepali einer höheren Kaste. Er schämte sich nicht für mich, aber seine Familie hatte ein Problem mit mir – obwohl sie gebildete Menschen sind. Wenn er mich hätte heiraten wollen, hätte die Familie ihn verstossen, und weil er der einzige Sohn ist, hätten die Eltern niemanden gehabt, der sich im Alter um sie kümmert. Das wollte er ihnen nicht antun, und so hat er sich für die Familie entschieden. Zuerst war ich sehr trau- rig, inzwischen bin ich drüber hinweg. Trotz- dem denke ich, dass es einfacher ist, wenn ich jemanden aus meiner Kaste heiraten werde. In unserer WG gehören nur meine Schwester und ich der niedrigsten Kaste an, da wir aber alle im gleichen Obdachlosen- heim aufgewachsen sind, fühlen wir uns wie eine Familie. Wir machen alles gemeinsam. Um 16 Uhr komme ich nach Hause, dann ma- che ich Hausaufgaben, und gegen 19 Uhr ko- chen wir zusammen und lernen für die Uni oder erholen uns. Um 22 Uhr gehe ich ins Bett. Am Samstag habe ich keine Vorlesungen, dann gehe ich ins Obdachlosenheim und gebe den Jüngeren Workshops zu Handarbeit oder zur Menstruationshygiene, denn ich möchte dem Heim etwas zurückgeben. Ich lebe mit fünf jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren in einer Wohnung. Das ist unty- pisch für Nepal, in diesem Alter leben die meisten bei den Eltern – nur haben wir keine Eltern mehr, wir sind Waisen. Vor sieben Jah- ren kamen meine Schwester Nari und ich in ein Wohnheim in Kathmandu. Da wir jetzt aber studieren, haben wir eine eigene Woh- nung. Seit zwei Jahren wohnen auch noch an- dere Mädels aus dem Heim da. Weil alle ande- ren früh zur Uni müssen, meine Vorlesung aber erst um 11 Uhr beginnt, stehe ich jeweils mit den anderen um 7 Uhr auf und koche schon mal Essen für sie, denn wenn sie nach Hause kommen, sind sie müde und hungrig. Um 10 Uhr mache ich mich auch auf den Weg zur Uni. Ich studiere Gesundheitswesen, ich möchte Sozialarbeiterin werden und in einer NGO arbeiten, am liebsten zum Thema Kinder- oder Frauenrechte. Ich will mich für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzen. Ich selber gehöre der untersten Kaste Nepals an, den «Unberührbaren». Auch wenn in Ne- pal laut Gesetz Diskriminierung verboten ist, sah die Realität lange anders aus. Wenn mich eine Schulfreundin einer höheren Kaste zum Geburtstag einlud, erfand ich eine Ausrede, um nicht hinzugehen – denn ich wusste, dass ihre Familie abfällige Kommentare machen würde. Vor drei Jahren meldete mich meine Schwester für einen Schönheitswettbewerb CHET KUMARI BISHWOKARMA (25) gewann den Schönheitswett- bewerb unter den «Unberührbaren», der niedrigsten Kaste Nepals. «Das Magazin» ist die wöchentliche Beilage des «Tages-Anzeigers», der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung» und von «Der Bund». HERAUSGEBERIN Tamedia AG, Werdstrasse 21 8004 Zürich Verleger: Pietro Supino REDAKTION Das Magazin Werdstrasse 21, Postfach 8021 Zürich Telefon 044 248 45 01 E-Mail: [email protected] Chefredaktor: Finn Canonica, Bruno Ziauddin (Stv. Chefredaktor) Redaktion: Sven Behrisch, Mikael Krogerus, Anuschka Roshani, Paula Scheidt Artdirektion: Nathan Aebi Bildredaktion: Dorothea Fiedler Abschlussredaktion: Isolde Durchholz Redaktionelle Mitarbeit: Christof Gertsch, Hannes Grassegger, Max Küng, Trudy Müller-Bosshard, Christian Seiler, Jan Christoph Wiechmann Honorar: Claire Wolfer VERLAG Das Magazin Werdstrasse 21, Postfach, 8021 Zürich Telefon 044 248 41 11 Verlag: Marcel Tappeiner (Leitung), Louisa Gisler, Gabriela Wettstein Tamedia Advertising: Philipp Mankowski (Chief Sales Officer), Adriano Valeri (Head of Advertising), Jean-Claude Plüss (Head of Sales) Sales Administration Print: Gabriela Holenstein (Department Manager) Anzeigen: Tamedia AG Werdstrasse 21, Postfach, 8004 Zürich Telefon Deutschschweiz +41 44 248 42 30 [email protected], www.advertising.tamedia.ch Trägertitel: «Tages-Anzeiger», Werdstrasse 21 Postfach, 8021 Zürich, Tel. 044 404 64 64 [email protected]; «Berner Zeitung», Tel. 0844 844 466 [email protected]; «Basler Zeitung», Tel. 061 639 13 13 [email protected]; «Der Bund», Tel. 0844 385 144 [email protected]; Nachbestellung: [email protected] Ombudsmann der Tamedia AG: Ignaz Staub, Postfach 837, 6330 Cham 1 [email protected] Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen der Tamedia AG i.S.v. Art. 322 StGB: Actua Immobilier SA, Adagent AG, autoricardo AG, 20 minuti Ticino SA, Adextra AG, Basler Zeitung AG, Berner Oberland Medien AG BOM, BOOK A TIGER Switzerland AG, CIL Centre d’Impression Lausanne SA, DJ Digitale Medien GmbH, Doodle AG, Doodle Deutschland GmbH, dreifive AG, Konstanz, dreifive GmbH, Wien, dreifive (Switzerland) AG, DZB Druck- zentrum Bern AG, DZZ Druckzentrum Zürich AG, Edita S.A., Goldbach Audience Austria GmbH, Goldbach Audience (Switzerland) AG, Goldbach Austria GmbH, Goldbach Digital Services AG, Goldbach DooH (Germany) GmbH, Goldbach Germany GmbH, Goldbach Group AG, Goldbach Management AG, Goldbach Media Austria GmbH, Goldbach Media (Switzerland) AG, Goldbach SmartTV GmbH, Goldbach TV (Germany) GmbH, Goldbach Video GmbH, Homegate AG, ImmoStreet.ch S.A., Jaduda GmbH, JobCloud AG, Jobsuchmaschine AG, Jointvision E-Services GmbH, LZ Linth Zeitung AG, Meekan Solutions Ltd., MetroXpress Denmark A/S, Neo Advertising AG, Olmero AG, ricardo.ch AG, ricardo France Sàrl, Schaer Thun AG, Starticket AG, swiss radioworld AG, Tamedia Espace AG, Tamedia Publications romandes SA, Trendsales ApS, Verlag Finanz und Wirtschaft AG, Zürcher Oberland Medien AG, Zürcher Regionalzeitungen AG EINE MARKE VON TAMEDIA

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2929Protokoll  E VA H I R S C H IBild  PR I VAT

E i n Tag i m L E bE n

für «Unberührbare» an. Das war eine ganz spezielle Erfahrung – es war nicht nur mein erstes Mal in High Heels, wir hatten auch ver-schiedene Workshops und befassten uns mit der Geschichte unserer Kaste. Es war sehr mo-tivierend und aufbauend. Am Ende habe ich den Wettbewerb sogar gewonnen und war sehr stolz! Ich finde, solche Projekte können helfen, die Gesellschaft zu sensibilisieren und zu zeigen, dass auch Frauen der unteren Kas-ten schön und erfolgreich sein können.

Im Alltag erlebe ich heute eigentlich keine Diskriminierung mehr. Ich wohne in der Hauptstadt Kathmandu, hier sind die Leute viel offener als auf dem Land. Auch habe ich genügend Selbstvertrauen aufgebaut. Ich bin die einzige «Unberührbare» in der Klasse, aber niemand hat ein Problem damit, und ich verstehe mich mit allen gut. Nach den Vor-lesungen spielen wir oft Basketball oder Bad-minton. Langsam ändert sich die Gesell-schaft, wegen Projekten wie dem Schönheits-wettbewerb, aber auch dank Internetzugang und Social Media. Schöne Nachrichten, etwa eine Hochzeit von zwei Menschen aus ver-schiedenen Kasten, verbreiten sich schneller. Zwar gibt es auch Hasskommentare, aber die positiven Reaktionen sind häufiger.

Dennoch hat das Kastensystem noch im-mer Einfluss auf unser Leben. Zum Beispiel war ich in einer Beziehung mit einem Nepali einer höheren Kaste. Er schämte sich nicht für mich, aber seine Familie hatte ein Problem mit mir – obwohl sie gebildete Menschen sind. Wenn er mich hätte heiraten wollen, hätte die Familie ihn verstossen, und weil er der einzige Sohn ist, hätten die Eltern niemanden gehabt, der sich im Alter um sie kümmert. Das wollte er ihnen nicht antun, und so hat er sich für die Familie entschieden. Zuerst war ich sehr trau-rig, inzwischen bin ich drüber hinweg. Trotz-dem denke ich, dass es einfacher ist, wenn ich jemanden aus meiner Kaste heiraten werde.

In unserer WG gehören nur meine Schwester und ich der niedrigsten Kaste an, da wir aber alle im gleichen Obdachlosen-heim aufgewachsen sind, fühlen wir uns wie eine Familie. Wir machen alles gemeinsam. Um 16 Uhr komme ich nach Hause, dann ma-che ich Hausaufgaben, und gegen 19 Uhr ko-chen wir zusammen und lernen für die Uni oder erholen uns. Um 22 Uhr gehe ich ins Bett. Am Samstag habe ich keine Vorlesungen, dann gehe ich ins Obdachlosenheim und gebe den Jüngeren Workshops zu Handarbeit oder zur Menstruationshygiene, denn ich möchte dem Heim etwas zurückgeben.

Ich lebe mit fünf jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren in einer Wohnung. Das ist unty-pisch für Nepal, in diesem Alter leben die meisten bei den Eltern – nur haben wir keine Eltern mehr, wir sind Waisen. Vor sieben Jah-ren kamen meine Schwester Nari und ich in ein Wohnheim in Kathmandu. Da wir jetzt aber studieren, haben wir eine eigene Woh-nung. Seit zwei Jahren wohnen auch noch an-dere Mädels aus dem Heim da. Weil alle ande-ren früh zur Uni müssen, meine Vorlesung aber erst um 11 Uhr beginnt, stehe ich jeweils mit den anderen um 7 Uhr auf und koche schon mal Essen für sie, denn wenn sie nach Hause kommen, sind sie müde und hungrig.

Um 10 Uhr mache ich mich auch auf den Weg zur Uni. Ich studiere Gesundheitswesen, ich möchte Sozialarbeiterin werden und in einer NGO arbeiten, am liebsten zum Thema Kinder- oder Frauenrechte. Ich will mich für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzen. Ich selber gehöre der untersten Kaste Nepals an, den «Unberührbaren». Auch wenn in Ne-pal laut Gesetz Diskriminierung verboten ist, sah die Realität lange anders aus. Wenn mich eine Schulfreundin einer höheren Kaste zum Geburtstag einlud, erfand ich eine Ausrede, um nicht hinzugehen – denn ich wusste, dass ihre Familie abfällige Kommentare machen würde.

Vor drei Jahren meldete mich meine Schwester für einen Schönheitswettbewerb

C H ET K U M A R I BI SH WOK A R M A (25) gewann den Schönheitswett- bewerb unter den «Unberührbaren», der niedrigsten Kaste Nepals.

«Das Magazin» ist die wöchentliche Beilage des «Tages-Anzeigers», der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung» und von «Der Bund».

HERAUSGEBERINTamedia AG, Werdstrasse 21 8004 ZürichVerleger: Pietro Supino

REDAKTION Das MagazinWerdstrasse 21, Postfach8021 ZürichTelefon 044 248 45 01E-Mail: [email protected]

Chefredaktor: Finn Canonica, Bruno Ziauddin (Stv. Chefredaktor)Redaktion: Sven Behrisch, Mikael Krogerus, Anuschka Roshani, Paula ScheidtArtdirektion: Nathan AebiBildredaktion: Dorothea Fiedler Abschlussredaktion: Isolde DurchholzRedaktionelle Mitarbeit: Christof Gertsch, Hannes Grassegger, Max Küng, Trudy Müller-Bosshard, Christian Seiler, Jan Christoph WiechmannHonorar: Claire Wolfer

VERLAG Das MagazinWerdstrasse 21, Postfach, 8021 ZürichTelefon 044 248 41 11Verlag: Marcel Tappeiner (Leitung), Louisa Gisler, Gabriela WettsteinTamedia Advertising: Philipp Mankowski (Chief Sales Officer), Adriano Valeri (Head of Advertising), Jean-Claude Plüss (Head of Sales)Sales Administration Print: Gabriela Holenstein (Department Manager)Anzeigen: Tamedia AGWerdstrasse 21, Postfach, 8004 Zürich Telefon Deutschschweiz+41 44 248 42 [email protected], www.advertising.tamedia.chTrägertitel:«Tages-Anzeiger», Werdstrasse 21Postfach, 8021 Zürich, Tel. 044 404 64 [email protected];«Berner Zeitung», Tel. 0844 844 466 [email protected];«Basler Zeitung», Tel. 061 639 13 [email protected];«Der Bund», Tel. 0844 385 [email protected];Nachbestellung: [email protected]

Ombudsmann der Tamedia AG:Ignaz Staub, Postfach 837, 6330 Cham [email protected]

Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen der Tamedia AG i.S.v. Art. 322 StGB:Actua Immobilier SA, Adagent AG, autoricardo AG, 20 minuti Ticino SA, Adextra AG, Basler Zeitung AG, Berner Oberland Medien AG BOM, BOOK A TIGER Switzerland AG, CIL Centre d’Impression Lausanne SA, DJ Digitale Medien GmbH, Doodle AG, Doodle Deutschland GmbH, dreifive AG, Konstanz, dreifive GmbH, Wien, dreifive (Switzerland) AG, DZB Druck- zentrum Bern AG, DZZ Druckzentrum Zürich AG, Edita S.A., Goldbach Audience Austria GmbH, Goldbach Audience (Switzerland) AG, Goldbach Austria GmbH, Goldbach Digital Services AG, Goldbach DooH (Germany) GmbH, Goldbach Germany GmbH, Goldbach Group AG, Goldbach Management AG, Goldbach Media Austria GmbH, Goldbach Media (Switzerland) AG, Goldbach SmartTV GmbH, Goldbach TV (Germany) GmbH, Goldbach Video GmbH, Homegate AG, ImmoStreet.ch S.A., Jaduda GmbH, JobCloud AG, Jobsuchmaschine AG, Jointvision E-Services GmbH, LZ Linth Zeitung AG, Meekan Solutions Ltd., MetroXpress Denmark A/S, Neo Advertising AG, Olmero AG, ricardo.ch AG, ricardo France Sàrl, Schaer Thun AG, Starticket AG, swiss radioworld AG, Tamedia Espace AG, Tamedia Publications romandes SA, Trendsales ApS, Verlag Finanz und Wirtschaft AG, Zürcher Oberland Medien AG, Zürcher Regionalzeitungen AG

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