Ein ungewöhnlicher Fang · Jesuitenpriester Athanasius Kirch-ner „eine kastenähnliche...

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Ein ungewöhnlicher Fang Konzept

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  • Ein ungewöhnlicher FangKonzept

  • Konzept und Entwurf für einen narrativen Animationsfilm –vom 3D-Modeling bis zum Rendering

    Ein ungEwöhnlichEr Fang

    BachelorarbeitManuel Preuß

    Matrikelnummer 723877

    Hochschule NiederrheinKommunikationsdesignSommersemester 2011

    Prof. Silvia BeckProf. Thorsten Kraus

  • inhalt

    59111727293337414449

    6365737477798387

    VorwortDefinitionHistorische Entwicklung des AnimationsfilmesAnimationsformenWarum CGI?Inspiration/MotivationTypologie des AnglersCharakterentwicklungStilistikDrehbuchVertices, Edges, Splines, Polygone und wie daraus Paulchen und Igor werdenLightingAnimationRenderingVertonungPostproduktionFazitLiteratur/QuellenverzeichnisSelbstständigkeitserklärung

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    Animationsfilm = Kinderkram. Mit diesem Vorurteil hatte der Ani-mationsfilm lange Zeit zu kämpfen. Selbst heute noch wird der Realfilm meistens als künstlerisch „wertvol-ler“ oder „erwachsener“ angesehen, obwohl erfolgreiche Animationsse-rien wie „Die Simpsons“ beweisen, dass Trickfilme mittlerweile auch in der Welt der Erwachsenen ange-kommen sind. Selbst zwanzig Jahre nach Beginn der erfolgreichen Serie um Homer, Bart, Marge und Lisa, ist immer noch kein Ende abzusehen. Dass eine Zeichnung anfängt sich zu bewegen, einen eigenen Charakter entwickelt mit dem man sich inden-tifizieren kann und dabei an keine physikalischen Gesetze gebunden ist, fasziniert Jung und Alt gleicherma-ßen. Vom einfachen Daumenkino

    bis hin zum aufwändig generierten, abendfüllenden 3D-Erlebnis bleibt das Prinzip doch immer dasselbe. Durch die schnelle Abfolge unzähli-ger Einzelbilder lernt die Zeichnung zu laufen und dem Betrachter wird suggeriert er sähe etwas Lebendinges.In dieser Arbeit beschäftige ich mich hauptsächlich mit einer jüngeren Gattung des Trickfilms. Mit Einzug des Computers wurde der Animati-onsfilm revolutioniert. Spätestens seit Pixars Toy Story 1995 erstmals veröf-fentlicht wurde, ist CGI (Computer Generated Images) in der Animation aus den Kinos nicht mehr wegzuden-ken. Dies hatte zur Folge, dass die klassischen Animationstechniken fast vollständig aus der kommerziellen Kinoproduktion verschwunden sind. Dabei beruht die 3D-Animation auf

    Vorwort„In erster Linie mache ich keine Filme für Kinder, sondern für das Kind in jedem von uns, egal ob wir sechs oder sechzig Jahre alt sind.“ (Walt Disney)

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    den gleichen Prinzipien wie die vielen Zeichentrickfilme von Walt Disney. Die Grundsätze der „Illusion of life“ gelten auch für aktuelle Filme, ge-nauso wie für Disneys ersten großen Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Um meinen eigenen 3D-Animationsfilm zu entwickeln war es deshalb unerlässlich die historische Entwicklung des Trickfilms zu ana-lysieren. Wie haben die Altmeister der Animation gearbeitet, welche Techniken wurden verwendet, und was lässt sich davon auf die heutige 3D-Technik übertragen? Wie hat der Computer umgekehrt die Animati-on allgemein beeinflusst? Um diese Antworten zu beantworten habe ich mich der Herausforderung gestellt einen computergenerierten Film selbst zu erstellen und dabei meine Erkenntnisse anzuwenden. In dieser Arbeit dokumentiere ich meinen Konzeptions-, Entwurfs- und Produktionsprozess in allen Schritten gemäß des Themas „Konzept und Entwurf eines narrativen Animationsfilmes – vom 3D-Modeling bis zum Rendering“.

    Walt Disney

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    Animation (von lat. animare, „zum Leben erwecken“; animus, „Geist, Seele“) ist im engeren Sinne jede Technik, bei der durch das Erstellen und Anzeigen von Einzelbildern für den Betrach-ter ein bewegtes Bild geschaffen wird. Die Einzelbilder können gezeichnet, im Computer berechnet, oder sie können fotografische Aufnahmen sein.

    dEFinition1

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    Die frühesten Ansätze Bilder zum Leben zu erwecken gehen bereits bis ins Jahr 1645 zurück. Lange vor Erfindung des Films erdachte der Jesuitenpriester Athanasius Kirch-ner „eine kastenähnliche Vorrich-tung, die auf Glas gepinselte Bilder mittels einer Lichtquelle an die Wand warf “1. Ein paar Jahrzehnte später wurde die Laterna Magica weiterentwickelt. Johannes Zahn montierte die Glasscheiben auf eine drehbare Scheibe, was die Illusion von Bewegung erzeugte. Um das Jahr 1824 erkannte der Brite Peter

    1 Basgier, Thomas: Pioniere des Animati-onsfilms. In: Filmgenres Animtionsfilm. Hg. Andreas Friedrich. Stuttgart: Reclam 2007. S.26

    Mark Roget das Prinzip der Illusion der Bewegung. Laut Roget sorgt die Trägheit der Netzhaut dafür, dass „ab einer bestimmten Frequenz nicht mehr die singulären statischen Bilder wahrgenommen werden, sondern der Eindruck eines kontinuierlichen dynamischen Bewegungsablaufs entsteht“2. Alle Apparaturen, die nach diesem Prinzip funktionierten, hatten eines gemeinsam. Sie arbeite-ten mit gezeichneten oder gemalten Darstellungen. Die Verwendung von Fotos zur Darstellung von Bewe-gungsabläufen etablierte erst 1873 Eadweard Muybridge.

    2 ebd.

    historischE Entwicklung dEs animationsFilmEs2

    2.1 ErstE schrittE

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    Weitere Entwicklungsstufen sind das Bioskop der Brüder Skladanowsky und das Praxinoskop kurz bevor die eigentliche Kinotechnik entsteht. Zu dieser Zeit verdrängen die foto-grafischen Aufnahmen mehr und mehr die gemalten Bilder.1895 entdeckt Alfred Clark, dass die Kurbel einer Filmkamera angehal-ten und später neu gestartet werden kann. In der Zwischenzeit kann das Bild vor der Linse beliebig mani-puliert werden, was später bei der Projektion ungewöhnliche Effekte erzeugt. Das war der Beginn jeglicher „Special Effects“ und zugleich die Grundlage des Stop-Motion-Verfah-rens. Dieser Begriff wird meistens bei der Darstellung von dreidimensio-nalen Objekten verwendet, während sich im 2-D-Bereich der Begriff „Frame by Frame“ durchgesetzt hat4. Kurz darauf enstand die erste Ani-mation für einen Werbespot. Darin ließ Georges Méliès die Buchstaben des Alphabets animeren. 1899 folgte der erste reine Animationsfilm mit

    4 siehe ebd., S.33

    dem Namen „Matches: An Appeal“ des Engländers Arthur Melbourne-Cooper. Dieser Film arbeitete mit Streichhölzern, die sich zu Figuren formten und sollte die Spenden-bereitschaft zur Unterstützung britischer Soldaten im Burenkrieg erhöhen5. Der erste deutsche Trickfilm ent-stand unter Guido Seeber im Jahr 1910 und hieß „Die geheimnisvolle Streichholzschachtel“.

    2.1 ExpErimEntiErfrEudE

    In den folgenden Jahren gab es viele verschiedene Experimente. Real- und Animationsfilm wurden kombiniert, echte Schauspieler auf der Bühne interagierten mit Charakteren auf der Leinwand, und die ersten „Clay-Filme“ (1897 wurde das Plastilin erfunden) wurden produziert. Willis O‘Brien (später verantwortlich für die Animation von King Kong) entwickelte ein Metallskelett um die Figuren zu stabilisieren.

    5 siehe ebd., S.37

    Im Laufe des 19. Jahrhunderts gibt es eine Reihe von weiteren Erfindungen und Verbesserungen zur Darstellung von Bewegung. 1826 entwickelt John Ayrton das sogenannte Thaumatrop. Dieses besteht aus einer runden Scheibe mit zwei unterschiedlichen Bildseiten. (z.B. ein Vogel und ein Käfig) Durch die Rotation der Schei-be gegen die eigene Achse verschmel-zen beide Bilder zu einem.

    Weitere Erfindungen sind das Phenakistoskop und das Daedalum. Dabei wird auch zum ersten Mal der Bildstreifen entwickelt, der beliebig ausgetauscht werden und in das Dae-dalum eingesetzt werden kann.1868 taucht das Daumenkino auf, damals Kineograph genannt.

    1888 realisiert Thomas Alva Edision das Mutoskop, im Prinzip ein riesiges Daumenkino. Die Bilder werden auf eine Rolle montiert, die von einer Kurbel angetrieben wird. Statt des Daumens wurde ein nadelförmiger Stopper verwendet, „der die Bildrolle auffächert und jede Einzelfotografie kurz arretiert“3.

    3 Basgier, Thomas: Pioniere des Animati-onsfilms. In: Filmgenres Animtionsfilm. Hg. Andreas Friedrich. Stuttgart: Reclam 2007. S.29

    2.1 tEchnischE

    WEitErEntWicklungEn

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    Ein weiterer Name, der für die Puppen- bzw. Figurenanimation bedeutend ist, ist Ladislaw Starewich. Der Naturwissenschaftler wollte ur-sprünglich nur die Lebensweise von Insekten abfilmen, was jedoch daran scheiterte, dass die Tiere unter der Hitze der Kameralampen eingingen. Deshalb modellierte er die Tierchen aus Plastillin nach und animiet-te sie Bild für Bild. Desweiteren konservierte er echte Insekten und stabilisierte sie mit Drähten. Aus der ursprünglich naturwissenschaftlichen Dokumentation entwickelten sich zwei völlig fiktionale Geschichten. In „The Beautiful Leukanida (1910) geht es um zwei männliche Käfer, die um die Gunst einer Käferdame

    kämpfen. In „The Cameraman´s Revenge“ (1912) geht es ebenfalls um ein Liebes- und Eifersuchtsdrama unter Käfern. Gleichzeitig reflektiert er über das Filmemachen ansich6. (Filmgenres, Animation, S.39)Durch die Experimentierfreudigkeit in dieser Zeit entwickelt sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Ani-mationsformen, die die Grundlage aller modernen Animationstechniken sind und im nächsten Kapitel vorgestellt werden.

    6 siehe ebd., S.39

    The Cameraman´s Revenge

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    PuppentrickfilmDie Puppen bestehen meistens aus Holz, Papiermaché, Hartgips oder Kunststoff. Um sie in verschiedene Posen zu bringen, werden sie durch ein Metallskelett mit Drehgelen-ken zusammengehalten. Alternativ werden auch Drahtskelette verwen-det. Um die Mimik der Figuren zu gewährleisten, müssen Augen- und Mundpartie austauschbar sein. In manchen Fällen wird einfach der gesamte Kopf ausgetauscht. Um die Standfestigkeit der Charaktere zu gewährleisten werden sie oft mit Schrauben auf dem Untergrund fixiert. Von jeder winzigen Verände-rung der Pose wird ein Foto gemacht, die hintereinander abgespielt eine flüssige Bewegung ergeben. Vorreiter dieser Animationsform ist

    Ladislaw Starewich. Der bekannteste Puppentrickfilm in Deutschland ist das DDR-Sandmännchen. Großen Erfolg hatte auch Tim Burton´s „Nightmare before Christmas“ von 1993. Nicht zu verwechseln ist Pup-pentrickfilm mit Marionettenfilmen, da diese in Realgeschwindigkeit und nicht per StopMotion aufgenommen werden.

    ClaymationKnetfigurentrickfilm funktioniert ähnlich wie der Puppentrickfilm, jedoch bestehen die Figuren aus-schließlich aus Plastilin oder ähnli-chen Materialien. Für jede Bewegung wird die Figur ansich verändert. Das hat den Vorteil, dass interessante Morphanimationen möglich werden. Ein großer Nachteil ist jedoch, dass bei einem Fehler in der Produktion die gesamte Szene neu animiert

    animationsFormEn33.1 ObjEktanimatiOn

    Das Sandmännchen

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    werden muss. Bis in die 1990er Jahre hinein wurde Claymation deshalb hauptsächlich in Kurzfilmen verwen-det. Bekannte Beispiel für Knetfi-gurenanimation sind „Wallace und Gromit“ und „Chicken Run“ von Nick Park.Häufig gibt es auch Mischformen von Puppentrick und Claymation um die Vorteile beider Formen zu kombinieren.

    ClaymationDer Begriff Pixilation wurde höchstwahrscheinlich von Norman McLaren geprägt. Reale Szenerien, Objekte oder Schauspieler werden per Foto aufgenommen und nicht gefilmt. Man kann Objekte ein- und ausblenden, sowie durch die Gegend fliegen lassen. Die Bewegungen der Schauspieler wirken durch die Auf-nahmetechnik leicht stockend und zappelig. Norman McLaren produ-zierte 1952 mit dieser Technik seinen Oscarprämierten Film „Neighbours“, der von zwei Nachbarn handelt, die sich um eine Blume auf der Grenze ihrer Grundstücke streiten. Der Streit

    eskaliert, bis beide tot sind.Heute wird die Pixilation häufiger in Musikvideos und Experimentalfil-men angewendet.

    BrickfilmBrickfilme (von engl.: Brick (Bau-stein)) werden mit Hilfe von Lego-bausteinen und Figuren hergestellt. Erste Filme wurden bereits 1980 erstellt. Mit Einführung des öffent-lichen Internets und Videoportalen wie Youtube hat sich eine lebendige Szene gebildet, die mit Hilfe von Lego-Studio-Sets Szenen aus be-rühmten Filmen nachspielt oder eigene Geschichten erfindet. Jährlich gibt es sogar ein Brickfilmfestival. Ein relativ bekannter Brickfilm ist „Die Helden von Bern“ von drei Of-fenburger Studenten, der 2002 bundesweit in ausge-wählten Kinos veröffentlicht wurde.

    Wallace and Gromit

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    Lege- und Scherenschnitt-animationBeim Legetrickfilm werden Formen aus Papier, Pappe o.ä. ausgeschnitten und „Frame by Frame“ zurechtgelegt. Die Scherenschnittanimation ist der Legeanimation sehr ähnlich. Bei ihr sind die Elemente jedoch nur als dunkle Silhouetten wie bei einem Schattenspiel zu sehen.

    Sand-auf-GlasanimationBei dieser Form der Animation wird auf einem Leuchttisch Sand verteilt. Dieser erscheint auf dem aufgenommenen Film schwarz. Mit den Händen oder anderen Werk-zeugen werden Bilder in den Sand gezeichnet. Mit dieser Technik lassen sich sehr gut Morphings realisieren. Bedingt durch den Sand entstehen sehr weiche Formen.

    Öl-auf-GlasanimtionHier wird mit Ölfarbe direkt auf das Glas eines Leuchttischs gemalt. Dadurch, dass die Farbe lange weich

    bleibt, kann diese immer wieder weg-gewischt, übermalt oder anderweitig bearbeitet werden.

    NadelbrettanimationWie der Name schon sagt wird ein Brett mit einer Vielzahl von Nadeln bestückt. Das Brett wird von der Seite mit einer Lampe beleuchtet. Durch die Verschiebung der ein-zelnen Nadeln entsteht durch die Schatten ein Bild, das mit der Kame-ra aufgenommen wird. Entwickelt wurde diese Technik von Alexandre Alexeieff.

    Zeichnen oder Kratzen auf FilmHierbei wird das Filmmaterial direkt bearbeitet. Mit Folienstift wird direkt auf den Film gezeichnet, alternativ auch mit einer Nadel hineingekratzt. Wie man sich vorstellen kann sind die Ergebnisse dieser Technik sehr grob.

    3.2 2d-animatiOn

    Die Abenteuer des Prinzen Achmed

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    RotoskopieUm den Zeichenaufwand kom-plizierter Bewegungsabläufe zu verringern und eine realistischere Darstellung zu erzeugen, entwickelte Max Fleischer das Rotoskopieverfah-ren. Hierbei werden die Filmszenen zuerst normal mit einer Filmkamera aufgenommen. Die Einzelbilder wer-den von hinten auf ein mattes Glas projiziert. Der Zeichner zeichnet jedes Bild einzeln ab (Durchpausen). Heute wird statt der Projektion meist der Computer zum Abzeichnen genutzt. Halbautomatische Verfahren erleichtern und beschleunigen den Zeichenprozess.

    ZeichentrickanimationDie Zeichentrickanimation ist wohl die bekannteste und lange Zeit verbreitetste Trickfilmtechnik. Jedes Bild wird von Hand einzeln gezeich-net und später auf Film kopiert. Kaum eine andere Animationform wurde im Laufe der Jahrzehnte so perfektioniert wie der Zeichentrick. Wegen des enormen Arbeitsaufwan-des war man bemüht den Arbeits-prozess möglichst zu vereinfachen

    und variabel zu halten. Unter Disney wurde die Arbeitsteilung im Zeichen-trick eingeführt und perfektioniert. Die Key-Animatoren sind nur für die Schlüsselbilder der Geschichte zuständig, während ein Heer von so-genannten „Inbetweenern“ die Zwi-schenframes einfügt. Andere Zeich-ner sind nur für die Hintergründe und Szenerien zuständig. Im Com-positing werden die verschiedenen Ebenen zusammengefügt und der Kameramann filmt die Zeichnungen nach genau vorgegebenen Plänen ab. Mit Hilfe der „Multi-Plan-Kamera“ ist es zudem möglich einen räumli-chen Eindruck der Szenerie zu erzeu-gen, indem die einzelnen Zeichnun-gen auf unterschiedlichen Ebenen angeordnet werden, wodurch sogar einfache Kamarafahrten realisiert werden können. Heute werden die Zeichnungen meist direkt am Com-puter mit Hilfe eines Grafiktablets produziert. Auch das Compositing wird heute von speziellen Program-men übernommen. Trotzdem bleibt die Zeichentrickanimation nach wie vor ein sehr handwerklicher Prozess, der unglaublich aufwändig ist.

    Das Dschungelbuch

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    Die computergenerierte Animation hat in den letzten zwei Jahrzenten enorm an Popularität gewonnen. Die Möglichkeiten der Computergrafik haben sich enorm weiterentwickelt, sodass sie dem Animator eine Viel-zahl von neuen Darstellungsformen der Animation bietet. Die Ästhetik des Filmes ist nicht mehr von der Animationstechnik abhängig. Mit Hilfe des Computers lassen sich Ani-mationsformen wie die des Scheren-schnitts genauso simulieren wie Knet-figuren- oder Puppentrickfilm. Selbst Animationen, die nach klassischem 2D-Zeichentrick aussehen, sind zum Teil in 3D-Animationsprogrammen erstellt worden. Viele Aufgaben, für die früher ein Heer von Inbetweenern nötig war, übernimmt jetzt der Rech-ner, sodass der Animator den eigentli-chen Schlüsselszenen der Animation mehr Aufmerksamkeit widmen kann. Die Computeranimation setzt aber keineswegs die Prinzipien der klas-sischen Animation außer Kraft. Sie greift im Gegenteil sogar viele klassi-sche Begriffe, die von den Pionieren

    der Animation entwickelt wurden, auf und entwickelt sie weiter. Viele Begriffe wie Keyframing, DopeSheet, Easing etc. wurden in den großen klassischen Trickfilmstudios wie Disney entwickelt und tauchen in den Motion Graphics Programmen von heute auf. 1982 wurden in dem Film „Tron“ erstmals längere computerge-nerierte Sequenzen in den Realfilm eingebettet. Da zu dieser Zeit aber die Rechenkapazität der Computer noch sehr begrenzt war, dauerte es noch über ein Jahrzent bis mit ToyStory der erste abendfüllende komplett compu-tergenerierte Animationsfilm in die Kinos kam. Seitdem haben die 3D-animerten Filme die anderen Anima-tionsformen weitgehend (zumindest aus der kommerziellen Animation) verdrängt. Animationsstudios wie Pixar, Dreamworks und Blue Sky liefern sich einen harten Wettstreit und übertrumpfen sich in puncto Animationsqualität und technischer Finessen ein ums andere mal1.

    1 Das Kapitel Animationsformen bezieht sich im Wesentlichen auf diese Quelle: www.de.wikipedia.org/wiki/Animation Stand: 28.6.2011

    3.3 cOmputEranimatiOn

  • -27--26-

    Für meinen Animationsfilm habe ich als Werkzeug die Compu-teranimation gewählt. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einem gibt der Computer die Möglichkeit mit relativ wenig Equipment eine große Szenerie aufzubauen, für die ich beispielsweise in einem Pup-pentrickfilm viel Platz und Material gebraucht hätte. Im 3-D-Programm verfüge ich dagegen über ein Arsenal an Kameras, Lichtern, Riggingtools etc., die sehr teuer und schwer zu beschaffen wären. Desweiteren lässt sich eine Animation meist in Echtzeit nachvollziehen (je nach Rechner-kapazität) und Timinganpassungen lassen sich durch einfaches Verschie-ben der entsprechenden Keyframes verwirklichen. Der Hauptgrund liegt

    für mich jedoch an der Faszination der 3D-Animationsfilme an sich. Mit ToyStory bekamen die Szenerien und Figuren plötzlich eine so große Tiefe und Plastizität wie man sie vorher vom Zeichentrick nicht kannte. Natürlich haben Puppen- und Knet-figurentrickfilme ebenfalls eine starke Dreidimensionalität, jedoch wirken deren Figuren in ihren Bewegungen etwas eingeschränkt. Im Zeichen-trick dagegen sind die Bewegungen unglaublich dynamisch, dafür wirken die Figuren relativ flach. Die 3D-Computeranimation vereint die Vorteile beider Animationsformen. Sie kann Tiefe und Plastizität perfekt darstellen und gleichzeitig Bewegun-gen sehr flüssig erscheinen lassen.

    warum cgi?4

    Toy Story

  • -29--28-

    Im Sommer 2010 habe ich eine 6-wöchige Wanderung/Trekkingtour entlang der Moldau und Elbe von Prag nach Cuxhaven unternom-men. Bedingt durch die langsame Reiseform schärft sich mit der Zeit das Bewusstsein für die unbedeuten-den Kleinigkeiten am Wegesrand, die im Alltag kaum auffallen bzw. denen man in den Städten gar nicht begegnet. Eine dieser Kleinigkeiten waren die vielen Angler, die in steter Regelmäßigkeit am Ufer der Elbe sa-ßen und sich den Tag vertrieben. Egal ob bei Regen oder Sonnenschein, saßen in erster Linie Männer in ihren Klappstühlen, mit der Rute vor sich und warteten. Dass mal ein Fisch genau in dem Moment anbiss, indem ich vorbeiwanderte, kam in den gan-zen sechs Wochen nicht einmal vor. Es kam mir seltsam vor warum sich ein Mann am frühen Samstagmorgen

    aus dem Bett quält, sein Equipment zusammenpackt, die Ködermaden aus dem Kühlschrank holt (obwohl seine Frau das höchstwahrscheinlich nicht allzu appetitlich findet) und zum Fluss fährt um dort die meiste Zeit mit Warten und Nichtstun zu verbringen. Zuerst konnte ich darü-ber nur den Kopf schütteln und mich wundern. Die stetige Wiederholung dieses Bildes von Anglern, mal mit mehr oder weniger aufwändigem Equipment und meist im mittleren Alter, verfestigte sich in meinem Kopf. Obwohl ich mich selber (trotz oder gerade wegen eines zaghaften und kläglich gescheiterten Angel-versuches in meiner Kindheit) nie für diesen „Sport“, wie es manche nennen, begeistern konnte, ließ mir das Thema keine Ruhe. Was treibt einen Menschen zu diesem Hobby, das manche als reine Tierquälerei

    inspiration/motiVation5

  • -31--30-

    betrachten? Warum müssen manche Angler immer „den Größten“ fangen? Und warum bringt man sich um den Schlaf, um nachts in der Kälte auf einem unbequemen Hocker stunden-lang am Fluss auszuharren?Mit der Zeit konnte ich unter den Anglern verschiedene Charaktere ausmachen. Da gab es diejenigen, die seelenruhig und dösend, mit auf dem Bauch verschränkten Händen in ih-rem Klappstuhl saßen und die Sonne genossen. Andere dagegen standen in ihren wasserdichten Hosen, mit dem Kescher in der Hand, bis zur Hüfte im Wasser ohne der schönen Landschaft um sich herum auch nur einen Augenblick zu schenken. Wieder andere tranken in der Grup-pe ihr Bier und die Lautstärke ihrer Unterhaltung musste schon jeden Fisch vertreiben, den sie nicht fangen wollten. Aus diesen Beobachtungen heraus entwickelte sich schon eine vage Geschichte von zwei gegen-sätzlichen Angelcharakteren, die in meiner Animation aufeinander- treffen sollten.

  • -33--32-

    In der Zeit nach der Wanderung, in der sich meine Füße von der Tor-tur erholten, wurde ich auf ein neu erschienenes Buch mit dem Namen „Das Glück am Haken“ von Chris-toph Schwennicke aufmerksam. Der renommierte Journalist, der meist über das aktuelle Politikgeschäft in Berlin schreibt, philosophiert in dem Buch über seine Passion, das Angeln. Dabei geht es ihm nicht um die besten Tricks wie man als Angler am erfolgreichsten wird, sondern vielmehr um eine selbstironisch phi-losophische Betrachtung des Anglers und des Angelns an sich. Dabei zieht er Parallelen zwischen dem Angeln und dem wahren Leben, und war-um Angler die besseren Menschen sind. Jeder Angler wartet immer auf

    den großen Fang, geht aber in den meisten Fällen leer aus - genau wie im richtigen Leben. „Aber nur weil wir meistens leer ausgehen, empfinden wir Momente tiefsten Glücks, wenn wir doch mal was erwischen.“ Angler sind die entspannteren Menschen, da sie sich für mehrere Stunden völlig aus dem hektischen Alltag ausklinken und in die Welt der Fische und ande-rer Wasserbewohner abtauchen.Schwennicke charakterisiert in seinem Buch eine Reihe von verschie-denen Angelcharakteren, ähnlich wie ich es schon auf meiner Reise beobachtet hatte. Als Insider kann er das natürlich noch viel detaillierter ausführen als ich bei meinen ober-flächlichen Beobachtungen vom Wegesrand aus.

    typologiE dEs anglErs6

  • -35--34-

    wie möglich in seinen meterlangen Setzkescher stopfen will,[...]“3.Wegen der puren Menge an Fischen, die er fängt, käme er nie auf den Gedanken einen davon zu essen. Stattdessen wirft er sie nach dem Wiegen wieder zurück in den Fluss. Er ist geprägt von äußerstem Ehr-geiz und misst sich regelmäßig in Wettkämpfen mit anderen Anglern. “Beim Wettkampf versucht [er] den Platz direkt hinter dem Kühlwasse-reinlauf des AKW zugeteilt zu be-kommen, weil das warme Wasser die großen Fische lockt. Sein ästhetisches Empfinden ist, sagen wir entwick-lungsfähig. Zu Hause bei ihm hängen keine Hechtköpfe an der Wand, es stehen Pokale der Wettkämpfe im Schrank“4. Selbstverständlich hat er immer die neueste und teuerste Tech-nik um noch erfolgreicher zu werden.

    3 ebd., S.43

    4 ebd., S.44

    6.3 WEitErE gattungEn

    Neben den beiden oben genannten Typen gibt es laut Schwennicke noch den industriellen Angler, den Groß-wildjäger, den Ästhet, den Pragma-tiker, den Materialfetischist und den Schwarzfischer. Zwischen allen Arten gibt es natürlich fließende Grenzen und Überschneidungen. So ist der Wettkampffischer oftmals auch Materialfetischist und Großwildjäger, genauso wie der Gelegenheitsangler auch ein Ästhet sein kann, dem das Naturerlebnis beim Angeln wichtiger ist als der Fangerfolg5.

    5 ebd., siehe S. 45 ff.

    „Beginnen wir mit der Urform, dem Archetypus des Anglers, dem Gelegenheitsangler. Er ist ein überaus liebenswerter Geselle. Der Gelegenheitsangler hat sich bei Lidl im Frühjahr mit Angelmaterial eingedeckt, weil es da an den Wühl-tischen lag und weil der nächstea Urlaub im Sommer endlich dazu genutzt werden soll, es einmal zu versuchen“1. Er hat vom Angeln an sich so gut wie keine Ahnung, macht dieses Unwissen jedoch durch seinen Elan wett. Für jeden noch so banalen Tipp ist er dankbar. Er geht jedoch nicht in erster Linie angeln um große Beute zu machen, sondern um einen gemütlichen Tag am See zu verbrin-gen. Sein Klappstuhl oder Hocker ist

    1 Schwennicke, Christoph: Das Glück am Haken. München: Droemer Verlag, 2010, S.42

    immer dabei und er lässt sich die But-terbrote, die ihm seine Frau gemacht hat schmecken. Er entspannt sich, hat Spaß und genießt die Natur. Laut Schwennicke ist er „der unverdor-bene Angler, in dem die Sehnsucht wohnt, der noch nicht gelangweilt ist von einem Vier-Pfund-Hecht und deshalb auf die Malediven oder nach Mexiko fahren muss.“ Er ist ein „durch und durch leidenschaftlicher Angler“2.

    Das komplette Gegenteil des Gele-genheitsanglers ist der Wettkampf-fischer. Ihn interessiert die schöne Landschaft „einen Dreck“. „Fische sind ihm nichts weiter als eine glitzernde Masse, von der er so viel

    2 ebd., S.43

    6.1 dEr gElEgEnhEits-

    anglEr

    6.2 dEr WEttkampf-

    fischEr

  • -37--36-

    Aus den vorangegangenen Erkennt-nissen habe ich zwei gegensätzliche Charaktere entwickelt. Dazu schie-nen mir am besten der Gelegenheits-angler und der Wettkampffischer geeignet. Was könnte passieren wenn die beiden aufeinandertreffen? Wie könnten sie aussehen? Welche Klei-dung tragen sie, und wie verhalten sie sich? Ist der Gelegenheitsangler sportlich oder doch eher der gemüt-liche Typ mit Bauchansatz? Welche Fortbewegungsmittel nutzen sie? Was macht Ehrgeiz und Verbissen-heit beim Wettkampffischer aus? Diese und ähnliche Fragen habe ich mir im Entwurfsprozess der beiden Charaktere gestellt. Entstanden sind dabei Paulchen und Igor. Paulchen ist im mittleren Alter und eher der gemütliche Typ. Ein gutes Essen wird er kaum verschmä-hen, was an seinem Bauch nicht zu übersehen ist. Am Wochenende geht er gerne an den See um mit seinem Boot rauszurudern. Von seiner Frau

    bekommt er immer ein Carepaket mit, das meistens schon leergegessen ist bevor er die Angel ausgewor-fen hat. Er ist etwas naiv, aber mit Spaß bei der Sache auch wenn seine Bemühungen meist nicht von Erfolg gekrönt sind.Igor dagegen ist ein drahtiger Typ mit markanten Gesichtsformen. Ihm kann man seinen Ehrgeiz förmlich ansehen. Er fährt, egal bei welchem Wetter, so oft es geht, an den See und hat sich dort auch schon die eine oder andere Nacht um die Ohren geschlagen. Er hat einen ganzen Hänger voll mit Ausrüstung. Ihm ist es eigentlich egal wie die Natur um ihn herum aussieht. Ihn interessieren nur die Fische. Es kommt allerdings nur selten vor, dass ein Fisch in der Bratpfanne landet. Die kleinen Fi-sche wirft Igor alle ins Wasser zurück, ihn interessieren nur die großen Fische. Dafür besorgt er sich die verlockendsten Köder.

    charaktErEntwicklung7

  • -39--38- igor paul

  • -41--40-

    stilistik8Vor den Zeiten der Computeranima-tion war die Stilistik eines Animati-onsfilmes zu einem großen Teil durch die verwendete Technik vorgegeben. Knetfigurenfilme wie „Wallace & Gromit“ haben den Charme des „Handgemachten“ Fast jede Ecke ist in Wirklichkeit rund, es gibt keine wirklichen Geraden, und ab und zu sieht man noch einen Fingerabdruck auf dem Plastilin. Beim Scheren-schnitt oder Legetrick wirkt dagegen alles sehr silhouettenhaft und flach. Räumliche Tiefe darzustellen ist nur bedingt möglich. Zeichentrick wirkt in Bezug auf die Figuren meist sehr stilisiert (zumindest bei Disney), weil der Aufwand der Produktion dazu zwingt, die Figuren auf das Wichtigste zu reduzieren. Die Com-puteranimation ist in der Hinsicht relativ frei. Mit ihrer Hilfe kann man andere Animationstechniken im Stil

    nachahmen, aber auch eine neue visuelle Sprache finden.Um für meinen Film eine eigene Stilistik zu finden, habe ich mich von Filmen Pixar´s inspirieren lassen. Die Protagonisten in den meisten Animationsfilmen von Pixar haben einen cartoonigen Charakter, ähnlich denen von Disney. Menschliche Fi-guren werden stilisiert und Tiere ver-menschlicht. Die Umgebung dagegen wirkt in den neuesten Produktionen schon fast naturalistisch. Allerdings werden Farb- und Lichtstimmungen zumeist übertrieben, sodass sich schon fast ein hyperrealer Eindruck ergibt. In Filmen wie „Oben“ ist der Himmel blauer als Blau, die Sonnen-untergänge extrem gesättigt und die Landschaften und Urwälder rund um die „Paradise Falls“ sehen perfekter aus als ihre realen Vorbilder. Es ist eine Art „Heile-Welt-Romantik“

    Pixar Collection

  • -43--42-

    die Pixar in seinen Bildern zeichnet. Selbst die Wohnungen der „Bösen“ wie in „Ich, einfach unverbesserlich“ haben ihren eigenen Charme. Diesen Stil greife ich in gewisser Weise auf, weil sie zur Geschichte passt. Paulchen der Gelegenheitsangler freut sich an der Natur, er entflieht dem Alltag und genießt. Er ist im Einklang mit der Natur. Deshalb ist das Gras und die Landschaft um ihn herum grüner als Grün, die Vögel zwitschern, Frösche quaken und im Wasser spiegelt sich der klare Sommertagshimmel. Ich greife aber bewusst nicht den Detailreichtum und die annähernd naturalistische Darstellung der Pixarszenerien auf, da der Fokus auf der Handlung der Charaktäre liegen soll. Die ganze Welt um den See wirkt ein wenig künstlich, fast schon wie in einer kleinen Miniaturwelt. Um diesen Effekt zu erreichen benutze ich eine

    geringe Tiefenschärfe wie es der Be-trachter von Nahaufnahmen kleiner Dinge gewohnt ist. Das verniedlicht die gesamte Szenerie. In dieser Welt der beiden Anlger gibt es äußerlich keine Spuren des Verfalls oder von sichtbaren Problemen. Ein Ungleich-gewicht liegt allein in der Figur Igors. Sein Ehrgeiz und die Gier nach dem großen Erfolg lassen ihn blind für die Umgebung werden und letztendlich scheitern.Ein weiteres Stilmittel ist der Einsatz einer leicht weitwinkligen Perspekti-ve. Die Ansicht entspricht nicht der eines menschlichen Auges, sondern verzerrt die Figuren und die Szene-rie leicht. Dadurch ergibt sich, dass insbesondere Paulchen noch „plum-per“ und naiver erscheint. Der Effekt ist jedoch nur dezent angewendet, damit es dem Zuschauer nicht direkt auffällt.

    Ich Einfach unverbesserlich

  • -45--44-

    AUSSEN-STEG-TAG

    Igor trifft am Steg ein und baut sein Equipment auf. Close-Up auf eine weib-liche Made, die als Köder fungiert. Die Made tanzt in ihrem Glas wie ein Go-Go-Girl.

    AUSSEN-IN DER LUFT ÜBER DEM SEE-TAG

    Beide Angler werfen ihre Köder aus (ohne voneinander zu wissen). Zwischen beiden Maden entwickelt sich eine Liebesgeschichte (Zeitlupe). Beide „pral-len“ mit einem lauten „Schmatzer“ zusammen und sind nicht mehr voneinan-der zu trennen.

    AUSSEN-STEG-BOOT-TAG

    Igor und Paulchen zerren an ihren Angeln. Paulchen versucht mit seinem Boot hektisch gegenzurudern. Ein Ruck von Igor an der Angel lässt das Boot kentern. Paulchen hängt jedoch noch an der Angel.

    AUSSEN-STEG-TAG

    Igors Kampf beginnt. Er zerrt und zerrt an der Angel. Der vermeintliche Fisch lässt sich nicht an Land ziehen. (Im Zeitraffer vergehen Tag und Nacht)

    drEhbuch/story9ROT = SZENEANWEISUNGEN

    AUSSEN-SEE-RUDERBOOT-TAG

    PAULCHEN sitzt in seinem Ruderboot mitten auf dem See und schenkt sich einen Tee ein. Nachdem er ihn getrunken hat, nimmt er eine (männliche) Made um sie an den Angelhaken zu hängen. Diese wehrt sich. Es entsteht ein kleiner Kampf aus dem Paulchen letztendlich als Sieger hervorgeht.

    AUSSEN-STRASSE-TAG

    Die Kamera fährt auf die andere Seite des Sees zu einer Zufahrtsstraße. IGOR kommt auf seinem Roller dahergefahren.

    AUSSEN-STRASSE-ROLLER-TAG

    Die Kamera verfolgt Igors rasendschnelle Fahrt. Igor ist verbissen, voll auf die Straße konzentriert. Er legt sich wie ein Rennfahrer in die Kurve. Alles an Roller und Hänger vibriert.

  • -47--46-

    AUSSEN-HÜGEL-TAG

    Über den Hügel kommt eine riesige Baumaschine mit einem extrem langen Rüssel gefahren. Darin sitzt Igor. Der Rüssel fährt aus und senkt sich in den See.

    INNEN-BAGGER-TAG

    Igor drückt einen roten Knopf. Der Pumpvorgang beginnt.

    AUSSEN-SEE-TAG

    Aus einer Querschnittansicht durch den See sieht man wie das Wasser ausge-pumpt wird. Plötzlich sieht man einen dicken Knubbel im Pumpschlauch. Der Knubbel wandert widerspenstig durch den Schlauch. Am Ende spuckt er Paul-chen aus. Aus seinem Kragen krabbeln die Maden, die mittlerweile Nachwuchs bekommen haben. Igor ist verdattert. Wütend donnert er seinen Kopf gegen den Bagger.

    TRAUMSEQUENZ

    Auf dem Steg sieht Igor eine Angelzeitschrift. Auf dem Cover sieht er sich mit dem größten jemals gefangenen Fisch in den Armen. Der Fisch wächst und wächst. Seine Arme werden immer länger.

    AUSSEN-STEG-TAG

    Igor wacht aus seinem Tagtraum auf und stellt erschreckt fest, dass er seine An-gel losgelassen hat. Panisch rennt er der in Zeitlupe durch die Luft fliegenden Angel hinterher und fällt ins Wasser.

    AUSSEN-STEG-TAG

    Missmutig kommt er mit der Angel aus dem Wasser. Er läuft an der Kamera vorbei. Man hört ein Hämmern und Werkeln. In der nächsten Einstellung sieht man eine seltsame Konstruktion aus Zahnrädern und Flaschenzügen über die das Angelsilk läuft. Das Ende der Schnur ist an der Hinterachse von Igors Mofa befestigt. Igor dreht den Motor auf. Das Mofa fängt an zu ächzen und zu qualmen und explodiert schließlich. Wutentbrannt schleudert Igor das Mofa durch die Gegend.

    AUSSEN-STEG-TAG

    Igor sitzt verzweifelt überlegend auf dem Boden. Plötzlich hat er eine Idee. Er läuft aus dem Bild.

  • -49-

    VErticEs, EdgEs, splinEs, polygonE und wiE daraus paulchEn und igor wErdEn

    10

    Die gezeichneten Figuren müssen im Modellierprozess in eine dreidi-mensionale, digitale Form übertragen werden. Dabei dient die Zeichnung als grober Anhaltspunkt für das spä-tere Aussehen des digitalen Abbildes. Die Arbeit eines Modellers gleicht in etwa der Arbeit eines Bildhauers. Stück für Stück arbeitet er die Figur aus einer Grundform heraus. Die virtuelle „Modelliermasse“ kann dabei sowohl abgebaut, als auch aufgebaut werden. Grundlage eines jeden dreidimen-sionalen, digitalen Modells ist das sogenannte „Mesh“. Es ähnelt einem Drahtgittermodell und ist aus einer Vielzahl von Dreiecken oder Vielecken aufgebaut. Diese Vielecke

    werden auch Polygone genannt und beschreiben eine Fläche im Raum, die durch ihre Eckpunkte (Vertices) begrenzt wird.Grundsätzlich gibt es zwei Herange-hensweisen beim Modellieren eines Objektes. Das „Boxmodelling“ geht von einem Grundkörper wie Quader, Zylinder, Prisma, Kugel etc. aus und modifiziert diesen durch Hinzufü-gen von Polygonen so lange bis die gewünschte Form erreicht ist. Diese Herangehensweise ist vor allem dann sinnvoll, wenn das zu modellierende Objekt ähnlich dem eines Grundob-jektes ist.Bei komplizierteren Formen kommt man um die „Poly by Poly-Methode“ nicht herum. Dabei wird jedes Poly-gon einzeln aufgebaut und mit dem benachbarten Polygon verbunden. Diese Methode ist aufwändiger, lässt

    9.1 EinE klEinE lEhr-

    stundE in 3d-mOdElling

  • -51--50-

    großen Einfluss auf die Lebendigkeit des Charakters hat. Das Gleiche gilt für die Hände. Bekleidet ist Paul-chen mit einer typischen, einfachen dunklen Anglerhose. Da Paulchen in mittlerem Alter ist trägt er ein kariertes, schlichtes Hemd. Die Kom-bination von Rot und Gelb lässt ihn freundlicher erscheinen und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Oberkörper und das Gesicht. Desweiteren bildet das Hemd einen hohen Kontrast zur dunklen Hose, sodass der für die Wahrnehmung unwichtige Unterleib von Paul zurücktritt. Dies ist wichtig, da Paulchen meist sitzend zu sehen ist und deshalb nichts vom Oberkör-per und Gesicht ablenken soll. Das Gesicht Paulchens hat einen leicht rosigen Ton, wie er bei korpulenteren Personen öfters zu sehen ist. Auch dieses Detail unterstützt den naiv, freundlichen Charakter. Besondere Aufmerksamkeit habe ich auf die

    Augen gelegt. Sie haben innerhalb des Gesichtes einen großen An-teil auf die Lebendigkeit. In vielen Renderings sieht man Augen, auf die nur eine Iris per Textur zugewiesen wurde. Das wirkt meist nicht sehr lebendig. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, Iris und Pupille auszumodellieren, sodass durch die Lichtbrechung immer ein gewisser Glanz in der Pupille entsteht und sich die Umgebung darin spiegelt. Auch wenn dieses Detail dem Be-trachter nie auffallen würde, trägt es unterbewusst zur Glaubhaftigkeit des Charakters bei. Als Accessoire trägt Paulchen eine Anglermütze. Diese Entscheidung ist hauptsächlich aus einem praktischen Grund gefallen. Haare sind im 3D-Bereich zwar mittlerweile möglich zu erzeugen, er-fordern aber einen hohen Rechenauf-wand, der nicht gerechtfertigt wäre.

    aber individuellere Formen zu.Um Figuren zu modellieren, die später animiert werden sollen, ist es desweiteren wichtig in „Loops“ zu denken. Körperpartien, die später deformiert werden, müssen in Ringen modelliert werden, da sich bei der Animation sonst ungewünschte Ver-formungen ergeben. Die Kunst dabei ist es, trotzdem keine Polygone zu produzieren, die mehr als vier Ecken haben, da sonst das „Smoothing“ (die glatte Darstellung von runden Ober-flächen) nicht korrekt dargestellt wird und auffällige Knicke und De-formationen in der Oberfläche ent-stehen. Da mehr Polygone auch eine höhere Renderzeit bedeuten und die Animation beeinträchtigen können, gilt es immer so viele Polygone wie nötig, aber so wenig wie möglich zu modellieren. Um die Figuren optimal für das spätere Rigging (Skelettierung für die animation) vorzubereiten, ist es weiterhin wichtig, sie in einer neu-tralen Pose zu modellieren. Meistens stehen die Figuren in einer aufrech-ten Haltung mit leicht gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen.

    Neben diesen technischen Herausfor-derungen habe ich mir tiefergehende Gedanken über das Aussehen der Figuren und der Szenerie gemacht. Aus dem analogen Entwurfsprozess durch Scribbles hatte ich schon eine grobe Vorstellung, die es galt weiterzuentwickeln. Durch welche äußerlichen Merkmale wird die Persönlichkeit der Protagonisten unterstützt? Da es nicht mein Ziel war eine möglichst realistische Darstellung zu erreichen, habe ich Körpermerkmale bewusst übertrie-ben oder vergrößert. Paulchen hat deshalb einen großen Bauch, der den plumpen, gemütlichen Charakter un-terstützt. Der gesamte Rumpf wirkt zum Rest der Körpers sehr massiv und träge. Insgesamt besteht Paul-chen hauptsächlich aus rundlichen Formen. Den Kopf habe ich bewusst sehr groß im Verhältnis zum Körper modelliert um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen, da die Animation des Gesichtes einen

    9.1 ÄsthEtik dEr

    mOdEllE

  • -53--52-

  • -55--54-

    Igor ist vom Charakter das genaue Gegenteil von Paulchen. Das spiegelt sich auch in seinem Aussehen wieder. Seinen Ehrgeiz habe ich versucht durch die kantigen Formen seines Gesichtes zu verdeutlichen. Sein vorstehendes Kinn, die ausgeprägte Nase und immer leicht angespannten Augenbrauen verdeutlichen seine Entschlossen- und Verbissenheit. Seine Figur ist schlank und drahtig, da er ein sehr beweglicher Typ ist, der nur schwer ruhig bleiben kann. Er ist in seiner ganzen Erscheinung dunkel und in Brauntönen gehalten, um einen Kontrast zu Paulchen zu bilden. Als Detail ist noch der un-rasierte Bart zu nennen, der ihm ein etwas ungepflegtes Äußeres gibt, da er kein Typ von Äußerlichkeiten ist. Ihn interressiert der reine Erfolg. Für seine Augen und die Mütze gelten die gleichen Beweggründe wie bei Paulchen. Das Gleiche gilt für die Proportionierung des Kopfes und der Hände zum Rest des Körpers.

  • -57--56-

  • -59--58-

    Nebendarsteller in der Geschichte sind zwei Maden, die sich ineinan-der verlieben. Die männliche Made ist sehr „speckig“ und bekommt durch die verdrehten Augen einen etwas beschränkten Charakter. Sein weibliches Pendant ist ebenfalls sehr speckig, dazu mit ausgeprägt weibli-chen Formen ausgestattet. Sie hat zusätzlich ein kurzes, enges Kleid an, das zu ihrer Rolle als Gogo-tänzerin passt.

    Als Szenerie für die Geschichte habe ich einen See in einer hügeligen Landschaft gewählt. Das Gras hat ein fast schon übertrieben frisches Grün, die Blumen blühen und es ist ein heller freundlicher, sonniger, perfekter Tag zum Angeln. Durch die Szene schlängelt sich eine Straße, die zum See führt. Der Steg, der Igors Stammplatz ist, ist schon etwas älter. Die Holzplanken hängen durch und sind abgenutzt.

    Insgesamt habe ich darauf geachtet, die Szenerie nicht mit zu vielen dekorierenden Objekten wie Bäu-men, Büschen und Blumenfeldern zu überladen, da diese von der eigent-lichen Handlung ablenken würden. Dadurch entsteht ein recht steriles, aber dennoch freundliches Bild der Umgebung. Neben der Szenerie gibt es verschiedene Gegenstände, mit denen die Protagonisten interagieren, wie Paulchens Boot, Igors Roller und Anhänger, Angelruten und weiteres Zubehör.

    10.3 nEbEndarstEllEr

    10.3 szEnEriE & prOps

  • -61--60-

    Seepanorama

  • -63-

    lighting12Da die Geschichte an einem sonni-gen Tag spielt, ist das Lichtsetup re-lativ einfach gehalten. Ich habe dazu ein Tageslichtsystem gewählt, das wie der Name schon verrät, realistisches Tageslicht simuliert. Die Farbe des Lichtes habe ich ein wenig angepasst, um die Szenerie in einem etwas wärmeren Licht erscheinen zu lassen. Der Effekt ist aber nur sehr dezent angewendet worden. Der Himmel wurde ebenfalls leicht angepasst um ein gesättigteres Blau zu erreichen. Da die beiden Charaktäre auf den beiden entgegengesetzten Seiten des

    Sees spielen, wurde die Sonne seitlich zu Ihnen platziert, damit sich nicht eine Person ständig im Schatten be-findet. Durch die seitliche Beleuch-tung wirken die Personen außerdem plastischer. Da die sonnenabgewande Seite der Gesichter jedoch leicht zu dunkel wirkt, gibt es mehrere Aufhelllichter in der Szene, die den zu starken Schatten kompensieren. Desweitern gibt es für die Augen der beiden Protagonisten jeweils High-lights, die eine Reflexion nur in den Augen erzeugen.

  • -65-

    animation13

    Die Animation entscheidet darüber wie eine Figur auf den Zuschauer wirkt. Der Animator muss sich vor-her Gedanken darüber machen wie er die Eigenschaften des Charakters visualisiert. Er muss gewissermaßen selber in die Rolle der Figur schlüp-fen. Wie würde Paulchen laufen? Wie ist seine Körpersprache im All-gemeinen? Da Paul der gemütliche Angler ist, sind seine Bewegungen relativ behäbig. Der dicke Bauch be-einträchtigt ihn in seiner Bewegung, sodass er am liebsten alles im Sitzen macht. Gleichtzeitig ist er aber mit vollem Herzen beim Angeln, weshalb die Gestik seiner Hände durchaus lebendig sein darf. Auch die Mimik seines Gesichtes spiegelt seine Freude am Angeln wieder.

    Igor dagegen, als leichter Hektiker, bewegt sich schneller und ist nicht so weich in seinen Bewegungen. Sein Schritt ist sehr männlich, ähnlich dem eines Westernhelden, breitbeinig und mit leicht nach vorne gebeugtem Köper. Seine Waffe ist jedoch nicht der Colt, sondern die Angelrute. Er wirkt immer leicht grimmig, selbst in entspanntem Zustand. Wenn er die Angel auswirft geschieht dies ruck-artig. Seine physische Kraft ist nur mittelmäßig, was er aber durch vollen Körpereinsatz wettmacht. Die Made hat zwei Wesenszüge. Zum einen ist sie dick und behäbig. Sie hängt träge an Paulchens Fingern. Wenn es jedoch um ihr Leben geht kann sie außerordentlich flink und sogar aggressiv werden. Die weibliche Made dagegen bewegt sich verführe-risch tanzend in ihrem Glas. Welcher Madenmann könnte da widerstehen?

    12.1 WiE stEllt man

    pErsönlichkEit dar?

  • -67--66-

    geführt wurden. Allein durch das Timing kann man die Persönlichkeit und den Gemütszustand einer Figur schon recht gut darstellen. Die unter-schiedliche, variierende Geschwin-digkeit der Bewegungen zeigt ob der Charakter aufgeregt, entspannt oder hektisch ist. Paulchens Bewegungen in der Einführungsszene sind zum Beispiel relativ langsam und weich. Längere „Moving Holds“ (Das Ver-

    harren in einer bestimmten Position) wie beim Trinken des Tees sorgen dafür, dass Paulchen sehr entspannt wirkt. Als dagegen die Made auf seinem Kopf herumspringt werden die Bewegungen seiner Arme schnell und hektisch.1

    1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 64 ff.siehe auch Williams Richard, The Animator´s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.297 ff.

    12.2 thE basic principlEs

    Of animatiOn

    Um die Animation von Charakteren glaubhaft wirken zu lassen gibt es zwölf grundlegende Prinzipien der Animation. Entwickelt wurden sie in den Disney Studios. Ollie Johnston und Frank Thomas, zwei Animatoren und Pioniere bei Disney veröffent-lichten 1981 ihre Erkenntnisse in dem Buch „The Illusion of Life.“ Von den insgesamt 12 Prinzipien möchte ich die Wichtigsten vorstellen, die

    ich auf die Animation der Angler anwenden konnte.

    Die zeitliche Einschätzung eines Bewegunsablaufes ist die Grundlage jeder Animation. Wenn das Timing nicht stimmt, wird die Animation nicht stimmig wirken, egal wie gut die anderen Arbeitsschritte aus-

    12.2.1 timing

  • -69--68-

    Fast alle Bewegungen von Menschen und Tieren orientieren sich entlang von Bögen. Wenn wir vorwärts gehen, bewegt sich die Hüfte, von der Seite gesehen, entlang einer imagi-nären Wellenlinie. Wenn wir mit der Hand auf etwas deuten, bewegt sie sich entlang eines Kreisbogens. Dies ist durch unseren Körperbau bedingt. Sämtliche Bewegungen des Menschen sind Rotationen einzelner Gliedmaßen um ihre Gelenke. Diese Erkenntnis führte bei den ersten Animationsstudios dazu, dass Bewe-gungen viel natürlicher erschienen, während vorhergehende Animatio-nen meist sehr mechanisch wirkten.Das Bewusstsein um die bogenför-migen Bewegungen ist gerade für die Computeranimation extrem wichtig und hat mir geholfen Paulchen und Igor viel glaubwürdiger zu animie-ren. Der Computer neigt dazu alle Zwischenbilder linear zu berechnen und nicht in Bögen zu denken, was die Figuren sehr roboterhaft erschei-

    12.2.3 arcs

    nen lässt. Als Animator muss ich deshalb darauf achten die Extrem-punkte so zu setzen, das der gesamte Bewegungsablauf entlang von Bögen verläuft.1

    1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 62 f.siehe auch Williams Richard, The Animator´s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.90 ff.

    12.2.2 anticipatiOn

    So gut wie jeder Bewegungsablauf einer Figur braucht eine Gegenbewe-gung, welche die eigentliche Hand-lung ankündigt, bevor sie überhaupt ausgeführt wird. Der Zuschauer erwartet diese vorbereitende Bewe-gung und ist irritiert wenn sie nicht angedeutet wird. Ein Baseballspieler oder Golfer deutet den Schlag mit dem vorhergehenden Ausholen des Schlägers an. Ein Boxer holt vor dem KO-Schlag aus um ihm mehr Wucht zu geben. Selbst beim Aufstehen von

    einem Stuhl führt der Mensch eine leichte Gegenbewegung nach hinten aus um „Schwung zu holen“. Die Antizipation lässt Bewegungen na-türlicher und lebendiger erscheinen. Ohne sie würden Figuren roboterhaft wirken. Bei Paulchen und Igor ist das deutlichste Beispiel, das Auswer-fen ihrer Angelruten. Aber selbst unscheinbare Bewegungen, wie das Bücken, den Kopf drehen oder die Hand heben, wirken durch ein wenig Anticipation wesentlich glaubhafter.1

    1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 51 ff.siehe auch Williams Richard, The Animator´s Survival Kit, New York: Faber and Faber, 2001, S.273 ff.

  • -71--70-

    12.2.4 straight ahEad &

    pOsE tO pOsE

    Es gibt zwei unterschiedliche Herange-hensweisen an eine Animation. Bei der Straight-Ahead-Animation hat der Anima-tor eine ungefähre Vorstellung wie die Ani-mation aussehen soll. Er arbeitet sich vom Anfang beginnend durch die verschiede-nen Bewegungen. Diese Methode ist sehr spontan und bringt öfters überraschende Animationen hervor, die der Animator vorher selbst nicht vorhergesehen hatte. Sie ist in diesem Sinne kreativer. Der große Nachteil ist jedoch die Unflexibilität dieser Methode. Ein Ergebnis wird erst sichtbar wenn die gesamte Animation inklusiv aller Inbetweens fertig animiert wurde. Wenn die Animation dann nur an wenigen Stel-len geändert werden soll muss der Anima-tor wieder bei Null anfangen. Die zweite Methode ist die Pose-to-Pose-Animation. Hier werden zunächst nur die Keyframes einer gesamten Szene festge-legt. Der Charakter wird in die unter-schiedlichen Posen gebracht, die für das Verständnis der Szene wichtig sind. Man kann bereits an dieser Stelle den ungefäh-ren Ablauf der Animation erkennen und

    gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Erst dann werden zunächst die „Extremes“ (Extrempunkte zwischen zwei Posen) festgelegt und danach die „Inbetweens“ (Zwischenbilder). Diese Vorgehensweise ist deshalb flexibler, was Korrekturen an-geht, und übersichtlicher. Nachteil ist die verlorene Spontaneität und Dynamik der Straight-Ahead-Methode. Pose-to-Pose kann etwas steifer wirken1. Im Idealfall kombiniert man beide Methoden um die Vorteile beider Methoden nutzen zu können.Diese vier Methoden haben mir am meisten geholfen, die Figuren meiner Geschichte lebendig werden zu lassen. Auch wenn sie mir anfangs sehr theore-tisch erschienen, helfen sie in der Praxis enorm um die Qualität der Animation zu verbessern und die visuelle Sprache der Figuren zu verdeutlichen. Daneben gibt es noch einige weitere Methoden der „Illusi-on of life“. Allen gemeinsam ist die genaue Beobachtung der Bewegungsabläufe von Lebewesen und Transformation auf die gezeichnete, bzw. modellierte Figur. Dabei sollte die Mimik und Gestik übertrieben werden, damit die Absicht der Animation im Film verstehbar wird.

    1 siehe Thomas, Frank und Johnston, Ollie, The Illusion of Life, Disney, 1981, S. 56 ff.

    Pose to Pose

  • -73--72-

    rEndEring14Das Rendering ist ein sehr tech-nischer Prozess, den ich nur kurz erläutern möchte. Der Computer errechnet aus den vorhanden Infor-mationen über Licht, Geometrie, Materialien und Animationen das finale Bild. Dieser Prozess ist sehr rechen- und zeitintensiv, sodass man immer einen Kompromiss zwischen Renderqualität, vorhandener Re-chenleistung und Zeitbudget finden muss. Um den Rechenaufwand zu verdeutlichen ein kurzes Rechen-

    beispiel. Mein Arbeitsrechner ren-dert für ein Bild durchschnittlich 15 Minuten. Bei einer Filmlänge von ca. 5 Minuten und damit 7500 Bildern (25 Frames pro Sekunde) ergibt sich eine Renderzeit von 112500 Mi-nuten oder 1875 Stunden oder 78 Tagen ununterbrochener Renderzeit. Darin nicht eingerechnet sind die vielen Testrenderings.Als Renderengine habe ich den in 3D Studio Max ingegrierten Mental Ray Renderer genutzt.

  • -75--74-

    Wasserplätschern, Windrauschen, Vogelgezwitscher, Froschquaken, Grillenzirpen, Hummelsummen usw. Die ATMO soll das Gefühl eines sonnigen Sommertages an einem Gewässer mit einer Brise Wind vermitteln2.

    Die Hintergrundmusik unterstützt die Atmospäre. Zudem richtet sie sich nach der Handlung und verstärkt die Dramaturgie. Am Anfang des Filmes unterstützt sie die entspannte Atmospäre des Intros. Im Laufe der Handlung wird sie dramatischer und schneller um den Kampf Igors auditiv zu untermalen3.

    Hierzu gehören alle Geräusche, die in direktem Zusammenhang mit den Aktionen der Charaktere stehen: Das Schlürfen, wenn Paulchen Tee trinkt,

    2 ebd.

    3 ebd.

    das Motorgeräusch des Rollers, das Klappern der Ausrüstung im An-hänger, das Stapfen im Matsch, das peitschende Geräusch beim Auswer-fen der Angeln4. Die vier oben genannten Soundspu-ren müssen zuletzt so zusammenge-mischt werden, dass sie aufeinander abgestimmt sind. Die Musik muss in bestimmten Moment leiser oder lau-ter werden oder verschwinden. Die ATMO-Sounds dürfen die Geräu-sche der Protagonisten nicht überla-gern und müssen gegebenenfalls auch in ihrer Lautstärke variiert werden5.

    4 ebd.

    5 ebd.

    14.2 musik

    14.3 gErÄuschE

    14.4 tOnmischung

    VErtonung15Ein wichtiger Teil eines Animations-filmes ist die Vertonung. Sie hat einen großen Einfluss auf die Stimmung, welche kommuniziert wird. Mit ihrer Hilfe lassen sich verschiede-ne Atmosphären schaffen, die die Handlung unterstützen oder sogar vorab ankündigen. Auch vermeint-lich nicht so wichtige Geräusche wie das Rascheln von Gras, klackernde Schuhe, Türquietschen oder Holz-knarzen fallen auf, wenn sie fehlen. Dabei kommt es nicht darauf an Geräusche realistisch aufzunehmen, sondern darauf zu achten, dass sie glaubwürdig klingen. Während bei Realfilmen viele Geräusche schon vor Ort aufgenommen werden können, muss ein Animationsfilm komplett nachvertont werden. Für meinen Film habe ich mich an den gängigen vier Gestaltungsebenen der Verto-nung orientiert.

    Der Film verzichtet weitestgehend auf Sprache, da die Handlung so angelegt ist, dass sie keinen Text braucht. Die Protagonisten treiben die Geschichte allein durch ihr Schauspiel voran. Paulchen und Igor reden nicht, aber sie ächzen, keuchen, schreien, seufzen etc.1.

    Jeder Ort auf der Welt hat seine eigene Geräuschkulisse. Die Geräu-sche der ATMO vermischen sich zu einem Geräuschteppich, der eine Art Fingerabdruck des Ortes bildet. Zum See, an dem beide Protagonis-ten angeln, gehören zum Beispiel

    1 siehe www.itmz.uni-rostock.de/up-loads/media/6_Tongestaltung.pdf, Stand 28.6.2011

    14.1 sprachE

    14.2 atmO (sphÄrE)

  • -77-

    postproduktion16Im letzten Schritt werden die gerenderten Bilder in einem Compositingpro-gramm wie After Effects zusammengefügt. Dort habe ich auch den finalen Look durch Farb- und Kontrastanpassungen, sowie die Tiefenschärfe erstellt und mit der Tonspur zusammengemischt. Zusätzliche Effekte wie Wolken, die im Compositingprogramm leichter umzusetzen sind, als im 3D-Programm werden, hinzugefügt.

  • -79-

    Fazit17Die Arbeit an diesem Projekt mit al-len seinen Phasen von der Recherche, über Konzeption und Kreation bis zum finalen Rendering hat mir viel Freude bereitet. Ich konnte meine Kenntnisse und Erfahrungen zum Workflow eines so umfangreichen Projektes vertiefen und viel Neues dazulernen. Durch den Vergleich mit frühen Animationsformen ist mir deutlich geworden, dass die Diskre-panz zwischen klassischer und com-putergenerierter Animation nicht so groß ist wie oft vermutet wird. Fast alle Prinzipien der Animation sind auf die heutige Computeranimation übertragbar. Ohne die Erkenntnisse der frühen Meister wäre Computer-animation sinnlos, da der Rechner das Animieren nicht übernehmen kann. Kein PC kann das Timing einer Bewegung einschätzen und den Ausdruck einer Figur bestimmen.

    In manchen Fällen ist der Computer sogar eher hinderlich. Während man in einer gemalten oder gezeichneten Animation die Möglichkeit hat, Materialien und Licht komplett frei bestimmen zu können, sorgt die realistische Berechnung des Compu-ters dafür, dass das Ergebnis anders aussieht als vielleicht gewünscht. Die Einstellung der Parameter und das erneute Rendering dauern dann unter Umständen wesentlich länger, als die Korrektur einer 2D-Animation mit ein paar Pinselstrichen.Der große Vorteil liegt in der frei wählbaren Perspektive und der Wiederwendung der Modelle. Im 2D-Bereich muss eine Figur mit je-dem Bild neu erstellt werden und die Perspektive vorher genau festgelegt werden. Dadurch, dass die Cha-raktere in einer dreidimensionalen Form vorliegen, kann die Perspektive

  • -81-

    beliebig gewählt, und die Modelle wiederverwendet werden. Auch für das Inbetweening ist der Computer eine große Hilfe, da er Zwischenbil-der automatisch berechnet. Aller-dings muss man diesen Vorgang als Animator immer überprüfen und korrigierend eingreifen, da sonst sehr hölzerne und unnatürliche Bewegun-gen entstehen. Eine weitere Erkenntnis ist, dass Ani-mationen nicht in erster Linie realis-tisch sein müssen. Wichtig ist, dass sie glaubwürdig sind. Die Animation muss zu dem jeweiligen Charakter passen. Der Zuschauer muss dem Charakter abnehmen, dass er sich so bewegt wie er es tut. Dazu ist oft eine Portion Übertreibung nötig. Die rein realistische Animation wirkt,

    übertragen auf einen Cartooncharak-ter, oft unglaubwürdig und seltsam künstlich. Auch wenn manche Posen der Figur realistisch gesehen gar nicht möglich wären, sind sie wichtig um ihr den richtigen Ausdruck zu verleihen. Die Stimmungen und Gefühle der virtuellen Schauspie-ler müssen sich auf den Zuschauer übertragen. Ansonsten bleibt jedes noch so schön gestaltete Modell ein virtueller „Polygonhaufen“, der durch eine Ansammlung von rechnerischen Transformationen durch die Gegend geschoben wird.Ich hoffe, dass mir dies in soweit gelungen ist, wie es im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit möglich ist.

  • -83-

    litEraturVErzEichnis

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  • -87-

    Hiermit erkläre ich, Manuel Preuß, die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet zu haben.

    __________________________________

    sElbstständigkEitsErklärung