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ADFC RADWELT 5.15 28 EINBLICK FAHRRADGRIFFE D ie Stellenbeschreibung eines Fahrradgriffs ist umfangreich: Er muss sicherstellen, dass Radfah- rer durch ihn den Lenker und damit das Fahrrad unter Kontrolle haben, er soll Stöße dämpfen, die Hände in eine gesunde Stellung bringen und natürlich noch gut aussehen – ganz schön viele Aufgaben für ein biss- chen Gummi. Material. Kunststoff wurde zur Pionierzeit des Fahr- rads noch nicht verwendet. Griffe für Hochräder wurden aus Büffelhorn, Eben- oder Rosenholz und gelegentlich sogar aus Elfenbein gefertigt. Die bauchige Form sollte für gute Kontrolle sorgen, manchmal wurden die Griffe auch mit Leder überzogen. Als Kunststoffe günstig zu produzieren waren, nutz- ten Hersteller auch Bakelit und Zelluloid, die ähnlich hart waren wie die Naturmaterialien. Schließlich setzte sich FAHRRADGRIFFE. Kleines Teil mit großer Wirkung: Die Griffe bestimmen den Komfort und die Sicherheit auf dem Fahrrad wesentlich mit. Kein Wunder, dass es eine große Vielfalt an Formen und Materialien gibt, die Radfahrern helfen sollen, alles im Griff zu behalten. Fotos: Hersteller Be griff lichkeiten jedoch weicheres Material durch, weil es Stöße besser dämpft, bei Feuchtigkeit besseren Halt bietet und sich angenehm greift. Mittlerweile werden sogar unter- schiedliche Gummimischungen kombiniert, um beson- ders gute Eigenschaften zu erreichen. So werden stabi- lere Kunststoffe als formstabiler Kern eingesetzt, wäh- rend weichere Oberflächen für Stoßdämpfung und guten Halt sorgen. Zudem werden hochwertige Griffe nicht mehr nur auf den Lenker geschoben, sondern angeschraubt. Mit- hilfe einer harten Kunststoff-Hülse im Innern rutscht der Griff leicht auf den Lenker und wird dann mit einer Schraubklemmung fixiert. Das erleichtert sowohl das Montieren als auch das Demontieren, und die Griffe ver- drehen sich nicht. Beliebt sind nach wie vor auch Griffe und Überzüge aus Schaumgummi, weil diese sich sehr komfortabel

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EINBLICKF A H R R A D G R I F F E

Die Stellenbeschreibung eines Fahrradgriffs ist umfangreich: Er muss sicherstellen, dass Radfah-rer durch ihn den Lenker und damit das Fahrrad

unter Kontrolle haben, er soll Stöße dämpfen, die Hände in eine gesunde Stellung bringen und natürlich noch gut aussehen – ganz schön viele Aufgaben für ein biss-chen Gummi.

Material. Kunststoff wurde zur Pionierzeit des Fahr-rads noch nicht verwendet. Griffe für Hochräder wurden aus Büffelhorn, Eben- oder Rosenholz und gelegentlich sogar aus Elfenbein gefertigt. Die bauchige Form sollte für gute Kontrolle sorgen, manchmal wurden die Griffe auch mit Leder überzogen.

Als Kunststoffe günstig zu produzieren waren, nutz-ten Hersteller auch Bakelit und Zelluloid, die ähnlich hart waren wie die Naturmaterialien. Schließlich setzte sich

FAHRRADGRIFFE. Kleines Teil mit großer Wirkung: Die Griffe bestimmen den Komfort und die Sicherheit auf dem Fahrrad wesentlich mit. Kein Wunder, dass es eine große Vielfalt an Formen und Materialien gibt, die Radfahrern helfen sollen, alles im Griff zu behalten.

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Begrifflichkeitenjedoch weicheres Material durch, weil es Stöße besser dämpft, bei Feuchtigkeit besseren Halt bietet und sich angenehm greift. Mittlerweile werden sogar unter-schiedliche Gummimischungen kombiniert, um beson-ders gute Eigenschaften zu erreichen. So werden stabi-lere Kunststoffe als formstabiler Kern eingesetzt, wäh-rend weichere Oberflächen für Stoßdämpfung und guten Halt sorgen.

Zudem werden hochwertige Griffe nicht mehr nur auf den Lenker geschoben, sondern angeschraubt. Mit-hilfe einer harten Kunststoff-Hülse im Innern rutscht der Griff leicht auf den Lenker und wird dann mit einer Schraubklemmung fixiert. Das erleichtert sowohl das Montieren als auch das Demontieren, und die Griffe ver-drehen sich nicht.

Beliebt sind nach wie vor auch Griffe und Überzüge aus Schaumgummi, weil diese sich sehr komfortabel

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anfühlen und sehr gute Dämpfungseigenschaften besitzen. Allerdings ist das Material anfällig für Schäden, und bei Nässe saugt es sich schnell mit Wasser voll oder wird sehr glitschig.

In den letzten Jahren ist das Naturmaterial Kork bei Griffen populär geworden, nachdem es vorher fast nur bei Lenkerband für Rennräder zum Einsatz gekommen war. Meist wird es mit Kunststoff gemischt, um es leich-ter formbar und bei Nässe rutschfester zu machen. Auch Holz kommt gelegentlich wieder zum Einsatz, jedoch nicht im großen Stil. Die vielseitigen Eigenschaften und die geringen Kosten moderner Kunststoffe machen das Material quasi konkurrenzlos.

Viele Griffgummis haben aber Probleme mit Hitze und Schweiß. Hitze weicht das Material auf, sodass es sich schneller abnutzt, Schweiß greift das Gummi an und beschleunigt den Verschleiß ebenfalls. Das daraus resultierende Gefühl, sich die Handflächen zu gummie-ren, ist unangenehm, davon abgesehen sind die Inhalts-stoffe der Griffe nicht immer unproblematisch. Einige Hersteller haben aufwändige Forschung betrieben, um schweißresistente Gummimischungen zu finden.

Ergonomie. Simple Griffe vergrößern den Umfang des Lenkers so, dass er sich komfortabel und sicher grei-fen lässt. Sie korrigieren aber die Stellung der Hand nicht, was fast immer nötig wäre. Um den Lenker zu grei-fen, muss das Handgelenk seitlich um einige Grad abge-knickt werden. Meist knickt das Gelenk auch nach unten ein, weil wenige Radfahrer so kräftige Unterarme haben, dass sie eine gesunde Handhaltung ohne Komfortein-bußen halten können.

Diese Handhaltung hat zur Folge, dass zwei Nerven für Unwohlsein sorgen können: Der Ulnar- und der Mediannerv verlaufen vom Unterarm bis in die Hand-wurzeln. Bei seitlich abgeknickten Händen muss der Kleinfinger-Handballen viel Druck ertragen. Der Ulnar-nerv wird dabei gequetscht, was auf Dauer zu Taub-heitsgefühlen führen kann.

Wird die Hand nach oben angewinkelt, kann es dage-gen zum Karpaltunnelsyndrom kommen: Der Knick im Handgelenk quetscht den Karpaltunnel mit dem darin verlaufenden Mediannerv. Mögliche Folge sind dauer-hafte Taubheitsgefühle, Schmerzen, Greifschwäche und andere Symptome. Die Störung muss unter Umständen sogar operativ behandelt werden. Wer nur kurze Stre-cken fährt, spürt davon meist nichts, aber unter Lang-strecken-Radfahrern sind das bekannte Probleme. Und damit nicht genug: Die Schmerzen können sich bis in die Schultern und den Rücken fortsetzen.

Die Überlastung der Nervenstränge lässt sich jedoch verhindern. Es hilft, häufiger die Handstellung zu wech-seln, um das Handgelenk zu entlasten. Das allein ist aber eine unbefriedigende Lösung – die am meisten genutzte Griffposition sollte passen, sonst ist die Wahr-scheinlichkeit hoch, dass es über kurz oder lang doch zu Problemen kommt.

Ergonomische Griffe sind dabei die einfachste Lösung. Sie haben die Form eines Flügels und bieten damit, sofern sie richtig montiert sind, dem Handballen

Bei einfachen Griffen kann viel Druck auf dem Ulnarnerv lasten. Ergonomische Flügelgriffe entlasten diesen Druckpunkt.

Verbesserte Druckverteilung

GIFT IM GRIFF? Auf www.adfc.de/ 13327 und www.bund.net/giftfrage gibt es mehr Infos.

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durch die zweite Griffposition Entspannung schaffen – auch ohne Probleme mit Ulnar- und Mediannerv kann es angenehm sein, die Haltung variieren zu können. Hand-schuhe erleichtern das Radfahrerleben zusätzlich. Durch geschickte Polsterung werden die in der Hand verlau-fenden Nerven geschont, und auch bei verschwitzten Händen im Sommer bleibt der Griff fest in der Hand.

Weitere Einflüsse. Die Griffe sind aber nur ein Rad im Getriebe der Fahrradergonomie. Auch die Lenker-form beeinflusst die Handhaltung stark. Gekröpfte Lenker bringen Hände und Arme in eine entspanntere Position. Gerade Lenker wie an Mountainbikes bringen mehr Kontrolle über das Rad und sind im Gelände un-verzichtbar, knicken aber die Handgelenke stark ab. Hier können ergonomische Griffe helfen, bringen aber auch Nachteile mit sich. Durch ihr großes Volumen ist es schwieriger, den Lenker komplett mit der Hand zu umschließen. Daher gibt es für Mountainbikes Griffe, die lediglich etwas bauchiger ausfallen und damit zumin-dest ansatzweise die Handstellung korrigieren, ohne einen Sicherheitsverlust zu verursachen. Durch die häufig wechselnde Position auf dem Rad treten spür-bare Probleme ohnehin seltener auf.

Auch die Haltung auf dem Rad insgesamt bestimmt, ob und wie starke Probleme beim Radfahren auftreten. Eine unpassende Rahmenhöhe kann auch ein guter Griff nicht wettmachen.

René Filippek

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eine Fläche zum Aufstützen, und bringen das Hand-gelenk in die richtige Position. Das schont die Nerven-stränge und macht die komplette Sitzposition oft spür-bar entspannter.

Welches Modell am besten passt, muss individuell entschieden werden. Grundsätzlich sind hochwertige Schraubgriffe mit großem Flügel zu empfehlen, die aus-reichend Platz für den Handballen bieten. Einfachere, nicht geschraubte Griffe haben nur kleinere Flügel, da sonst die Hebelwirkung zu groß wäre und der Griff am Lenker verrutschen könnte. Solche Griffe können zwar auch schon Linderung bringen, sind aber meist nicht so komfortabel wie Modelle mit großem Flügel.

Es gibt auch Griffe mit integrierten Lenkerhörnchen. Sie sind besonders für Vielfahrer interessant, weil sie eine windschnittigere Sitzhaltung ermöglichen und

Tipps zur Montage

• Alte Griffe entfernt man vom Lenker, indem man einen Schraubenzieher zwischen Griff und Lenker schiebt, anhebt und etwas Haarspray oder Wasser in den Zwischenraum sprüht. Dann lassen sie sich meist leicht abziehen.

• Bei der Montage hilft ebenfalls Haarspray: Es lässt die Griffe leicht auf den Lenker gleiten, getrocknet fixiert es den Griff.

• Griffe mit Schraubklemmung sind manchmal breiter als normale Modelle. Die Brems- und Schalthebel müssen dann etwas nach innen versetzt werden.

• Die Flügel von ergonomischen Griffen müssen bei den meisten Rädern etwas nach oben gerichtet sein, um die Hände in die richtige Position zu bringen.

• Die Drehmomente an Schraubgriffen müssen beachtet werden, sonst nehmen die Klemmungen oder Lenker schnell Schaden.

• Die Bremshebel sollen im gleichen Winkel wie die Griffflügel montiert sein. Wenn zwei Finger auf dem Hebel liegen, sollen der Unterarm, die Hand und die Finger eine möglichst gerade Linie ergeben.

• Die Schalthebel sollen ebenfalls zu bedienen sein, ohne dass die Hand ab-knicken muss.

Bei normalen Griffen kann die Hand zu stark abknicken und Probleme mit dem Mediannerv zur Folge haben. Richtig montierte, ergonomische Griffe können Erleichterung bringen: Sie müssen leicht nach oben gerichtet sein, damit die Hand gerade aufliegen kann.

Korrektur der Handstellung

WELCHE FAHR-RADGRIFFE BEVORZUGEN SIE? Schreiben Sie uns per E-Mail an: [email protected].

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