Eine vielseitig verwendbare Thermowaage hoher Genauigkeit

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Eine vielseitig verwendbare Thermowaage hoher GenauigkeiQ') Von HOI~ST PETERS und HANS-GEORG WIEDEMAKN Mit 6 Abbildungen Inhaltsubersicht Es wird uber eine Thermowaage berichtet, die in beliebiger, nicht aggressiver At- mosphare und im Vakuum arbeitet und Temperaturen bis 1200" C erreichen laat. Ferner wird der EinfluD der Gasatmosphare auf den Nullpunkt und der temperaturabhangige Auftrieb von Substanz, Tiegel und Tiegeltrager untersucht. Unter Beriicksichtigung dieser Falitoren ist im zugangliohen Temperaturbereich mit der beschriebenen Waage bei einer maximalen Belastbarkeit von etwa 10 g eine Wagegenauigkeit von + 0,08 mg zu erreichen. Summary A thermobalance is described, which works in any non-corrosive atmosphere and in vacuum up t.o 1200" C. Besides the influence of the atmosphere on the zero position and the buoyancy of the substance, the crucible, and the crucible bearer, which strongly depends on the temperature has been cxamincd. Regarding these factors the describcd balance permits an wcighing accuracy of 0.08 mg up to 1200" C, with a maximum load- carrying capacity of 10 g. Im Verlauf einer Untersuchung der Reduktion von Oxyden durch eine Gasphase versuchten wir, fur diesen speziellen Zweck eine Thermo- waage zu verwenden, da sie es gestattet, an einer einzigen Probe den Ablauf der Reaktion, die mit einer Gewichtsanderung der Substanz verkniipft ist, in Abhangigkeit von der Temperatur und der Zusammen- setzung der reduzierenden Atmosphare zu verfolgen. Wir entwiclreltcn eine vielseitig vcrwendhare, sehr genau arbeitende Thermowaage. Hier wird berichtet iiber ihren dem Problem angepal3ten Aufbau und einige wichtige Effekte, die stets bei thermogravimetrischen Arbeiteri auf- treten, aber rielfach noch nicht genugend beachtct wcrdcn. In eincr an- schliel3cndcn Veroffentlichung wird gezeigt werden, daf3 sich unter sorg- faltiger Reriicksichtigung aller nioglicherweise storenden Faktoren hei thermogravimetrischen Zersetzungen die Genauigkeit guter analytischw Waagen erreichen 1Ut. _-__ 1) Teil der Diplomarbeit H. G. WIHDEMAN~, Rostock 1955.

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Eine vielseitig verwendbare Thermowaage hoher GenauigkeiQ')

Von HOI~ST PETERS und HANS-GEORG WIEDEMAKN

Mit 6 Abbildungen

Inhaltsubersicht Es wird uber eine Thermowaage berichtet, die in beliebiger, nicht aggressiver At-

mosphare und im Vakuum arbeitet und Temperaturen bis 1200" C erreichen laat. Ferner wird der EinfluD der Gasatmosphare auf den Nullpunkt und der temperaturabhangige Auftrieb von Substanz, Tiegel und Tiegeltrager untersucht. Unter Beriicksichtigung dieser Falitoren ist im zugangliohen Temperaturbereich mit der beschriebenen Waage bei einer maximalen Belastbarkeit von etwa 10 g eine Wagegenauigkeit von + 0,08 mg zu erreichen.

Summary A thermobalance is described, which works in any non-corrosive atmosphere and

in vacuum up t.o 1200" C. Besides the influence of the atmosphere on the zero position and the buoyancy of the substance, the crucible, and the crucible bearer, which strongly depends on the temperature has been cxamincd. Regarding these factors the describcd balance permits an wcighing accuracy of 0.08 mg up to 1200" C, with a maximum load- carrying capacity of 10 g.

Im Verlauf einer Untersuchung der Reduktion von Oxyden durch eine Gasphase versuchten wir, fur diesen speziellen Zweck eine Thermo- waage zu verwenden, da sie es gestattet, an einer einzigen Probe den Ablauf der Reaktion, die mit einer Gewichtsanderung der Substanz verkniipft ist, in Abhangigkeit von der Temperatur und der Zusammen- setzung der reduzierenden Atmosphare zu verfolgen. Wir entwiclreltcn eine vielseitig vcrwendhare, sehr genau arbeitende Thermowaage. Hier wird berichtet iiber ihren dem Problem angepal3ten Aufbau und einige wichtige Effekte, die stets bei thermogravimetrischen Arbeiteri auf- treten, aber rielfach noch nicht genugend beachtct wcrdcn. In eincr an- schliel3cndcn Veroffentlichung wird gezeigt werden, daf3 sich unter sorg- faltiger Reriicksichtigung aller nioglicherweise storenden Faktoren hei thermogravimetrischen Zersetzungen die Genauigkeit guter analytischw Waagen erreichen 1 U t . _-__

1) Teil der Diplomarbeit H. G . WIHDEMAN~, Rostock 1955.

PETERS u. WIEDEMANN, Vielseitig verwendbare Thermowaage hoher Genauigkeit 203

Allgemeiner Aufbau der Waage Der allgemeine Aufbau der Waage ergab sich aus den durch das

zu untersuchendc Problem gestellten Anforderungen. Da dic mit dcr Reaktion verbiindcnen relativen Gewichtsanderungen der Substanz klein sind, ist eine hohe Empfindlichkeit bei gleichzeitig gro13erer Be-

?" lastbarkeit erforder- lich. Diese Bedingung erfullen Federwaagen, die verhaltnismafiig einfach herzustellcn sind, nicht, so daB man unter diesen Um- standen eine Balken- waageverwenden muB. h i d e r haben diese aul3er ihrem kompli- zierteren Aufbau den Nachteil, bei langerer Versuchsdauer ihren Nullpunkt und in ge- ringerem Mal3c auch ihre Empfindlichkeit zu verandern. Diese Storung ist nach unse- ren Erfahrungen auf

Abb. 1. Schematische Darstellung der Waage; B Waa- gebalken ; S Spiegel ; M Skale ; F Fernrohr ; U Tiegel ; T Tiegeltrager; R Aluminiumrahmen ; D Dampfungsglocke;

W Waagschale; P Prisma

den EinfluIJ des Metallzeigers zuriickzufuhren und wird vollig ver- mieden, wenn man ihn entfernt und den Ausschlag der Waage nach Abb. 1 mittels eines am Waagebalken befestigten Spiegels mit Skala und Fernrohr beobachtet. Auf einc automatische Kompensation der Gewichtsanderungen oder Registrierung des Ausschlags wurde zunlehst wegen des damit verbundenen Aufwands verzichtet. Von besonderer Bedentung fiir das einwandfrcie Funktionieren einer Thermowange ist, wie schon CHEVENARD~ feststellte, die Anordnung des Ofens, in dem die Substanz erhitzt werden soll.

Befindet er sich unterhalb der Waagc, so tritt, da dcr Ofen zur Durchfuhrung dcs Drahtes, an dern die Probe hangt, nach oben offen sein mu13, eine starke Konvektion der heirJen Gasp auf. Die dadurch auf den irn Ofen befindlichen Tiegel einwirkenden, rasch schwankrndcn Kriifte verursachcn (sine Unruhe dcr Waagc,, die nur durch cine starke Dampfung beseitigt werden kann. Viele der bisher beschriebenen Thermowaagen be-

2, P. CHEVENARD, X. WACHE u. R. DE LA TULLAYE, Metaux et Corrosion 18, 121 (1943).

14*

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sitzen aus diesem Grunde eine ~ldiirripfung 3) , die aber eine Verringerung der Wage- gcnauigkeit zur Folge hat. Ein woitercr Nachtcil dieser Ofenanordnung liegt darin, daS die Moglichkeit einer einseitigcri Erwiirmung des Waagebalkens bestcht, die sich in einer langsarnen Nullpuriktsverschiebung urid einer Andcrung des Waagearmverliiilt- nisses wBhrend des Betriebes bemerkhar macht.

Bei der von uns konstruierteri Waage *) befindct sich der nach unten offene Metallblock-Ofen oberhalb des Waagegehauses, wodiirch allerdirigs ein besonderes Gestell, auf dem der Tiegel mit der Subst,anz ruht, not'- wendig wird. Die Konvekt.ion im Ofenraim ist bei dieser Anordnung so klein, daB eine einfache Luftdampfung, wie sit? bei Analysenwaagen ublicli ist, vollig ausreicht. Die schematische Abb. 1 zeigt aiif der rechten Seite des Waagehdkens 33 das Gehiingc fiir den nach oben iu den Ofen ragenden diinnen Tiegeltxiiger T aus Quarzglas (1,6 mm Durch- rnesser), der oben einen Ring zur Aufnahme des Tiegels U hesit'zt.

Das Gehange besteht aus einem leiehtern, reehteckigen Alurniniunirahmen R, der unten an eiiiem Metallstab die Diirnpfiingsglocke n aus Aluminium tragt. I m Innern dieser Glocke befindet sich ein kloinos Stahilisierungsgewicht, dns die Anordnung, dio in das normale Stringchange der Waage eingchangt ist, sctikrccht hiilt. Etwa. auftretcnde Pendelsclr~~ingunger1 der Einrichtung werdeii ebenfalls durch die Glocke D wirksani gcdampft .

Da. die Rcdulitiorisvcrsutihe in cincm CO-CO,-Gemisch gcmaii be- kannt,cr Zusamniensetzung durchgefuhrt werderi miissen, ist ein vollig gasdichter VerschluB der Apparatur nach aul3en erforderlich. Hierzu wurde die eigentliche Waage nebst, Waagscha.le JV und Dampfungsejn- richtung in einem dickwandigen, evalwierbarcn MessinggehLuse, das an der Vorderseite rnit einer Plexiglasscheihe verschlossen ist, unter- gebracht,: wodurch g1eic:Iizeitig fur eine gleichmiiaige Tcrnperatm- vcrtcilung gesorgt, ist.

Besehreibung der Waage Da thrrrrio,oraviiiic:t,rische Cntersu chungen sich itri allgemeinen uber mehrero Stunden

rrstrecken, wurde bci der Konstruktioii auf groBe Stabilitat Wert gelegt. Einc schwcrc, niit drci Schrauben (1 3, Abb. 2) horixontierbare Grundplatte (12) tragt drei Saulen aus Eisenrohr, von deiien die bciden liingertvi in ihrem oberen Teil mit Schienen versehcn sind, zwischen denen der Ofcn (li) auf drri Rollen sicher auf und ah laufen kann. &in Gewicht wird von zwei Rleigewichtcn (1 5), die von diinncn Drahten gefiihrt werden, nahezu kom- pensiert. Der Ofeii bestoht aus einer starkwandigen, oben geschlossenen Rdelstahlhaube, die einr bifilare, bis 1200" C: vcmvondbare Heizwicklung tragt, die zur Isolation in einc keraniischc Masse eingebettet wurdc. Dureh dic bifilare Wicklung wcrden magnetische Einwirkungen auf die Waage oder die Snbstanz vermiederi. Es wurde ferner dafur Sorgt: getragen, dafl die Tcmperatur i r r i Ofen von unten nach oben etwas tlnsteigt, wodurch

3 , K. HONDA, Sci. R P ~ . TBhoku Imp. IJn iv . 4, 7 (1915); M. G W I C H A R ~ , Bull. Soc. chirri. France 37. 62, 251, 381 (1925).

H. PETERS u. H. G. WIEDEMANN, Chem. T e c h . H, 689 (1956).

PETERS u. W i m E M A N s, VieIscLitig verwriidbare Tlierniowange holier Genauiglceit 205

I

9

8 I

14

I f 1 Waagcngt:- c 2 Prisma fur hallsc

Fernrohrable- sung

3 Gewichtsauf-

4 Arretierung 5 Dampfungs-

einrichtung 6 Waagscliale

hdlse mit Kiihlscliliff

8 Tiegel init Tiegel trager

9 Tkierinoele- mrn t

tungsscliliff

70 lage:

a - 7 i Quarz ~ Oien-

76 10 Gaseinl(4-

11 Waagebalken

des Gvstells 13 verstellbare

Fiik 14 SaulPn

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Konvektion verhindert wird. Auf eincr dunneren Aluminiumplatte (16), die auf drei an den Saulen festgeklemmten Ringen ruht,, steht in dern dickwandigen Messinggehause (11, das mittels dcr Dosenlibelle (18) und dreier Stellschrauben waagerecht ausgerichtet werden kann, die eigentliche Waage. An der Unterseite des Gchauses befinden sich zwei durch die Platte (16) nach unten hindurchtretendc abschraubbare Aluminiumhulsen, von denen die linke die Waagschale (6) und die rechte die Dampfungsglocke (5) bcherbergt. Diesc Hiilscn waren zunachst aus Plexiglas gefertigt wordcn, das sich jedoch wcgen der bci jeder Beruhrung auftretenden, sehr storenden elektrostatischcn Aufladung als unge- eigrietes Material erwies. ober den1 rechten Gehange der Waage, das bereits oben be- schriebeii wurde, ist ein weiter &fctallseliliff in das Gehause eingelotet, durch den der Tiegeltrager nach oben in den Ofen ragt. Inncrhalb dicsrs Schliffes befindet sich ein Satz blanker Reflexionsbleche aus Nickel, die die Warmestrahlung dcs gluhenden Ofens vom Waageninrieren fernhaltcn. Da die Waage gasdicht abgeschlosen sein muS, ist uber Tiegel (8) und Tiegeltrager eine weik Quarzhulse gestulpt, die Schliffe fur den diirchzu- leitenden Gasstrom besitzt. Ein am unteren Ende angeschinolzener Kuhlschliff (7) wird walircnd dcs Betriebs der Waage von einem Hoppr.ER-Thermostrtten temperiert. Es hat sich im Verlauf der Untcrsuchungen, wie spater ausfuhrlich behandelt werden soll, als unumganglich erwicsen, die Waagc wihrend der Messung auf konstanter Temperatur zu halten. In einem Einzug am oberen halbrunden Ende der Quarzhulse steckt das Thcrmo- element (9), dessen Lotstelle so in die unmittelbarc Umgebuug der untersuchten Sub- stanz kommt. Die eigentliche Waage mit der Arretierung, die yon unten durch den mit einem Schliff abgcdichtetcn Zapfen (4) betatigt wird, ist auf eine Platte montiert, die von vorn in das Gehause (1) eingeschoben wird. Diese Teile sowie die Steingehange stammen von einer alten BuNaE-Analysen~~aagc. Da sich der Schwerpunkt des Waagebalkens durch den bereits oben begrundeten Fortfall des Zeigers so weit nach oben verlagerte, da8 durch Verstellen der Justiergewichte ein stabiles Gleichgcwicht nicht mehr zu erreichen war, muBtc das die Oberkante des Balkens bildende, jetzt uberflussige Reitcrlineal ent- fernt werden. Um die Empfindlichkeit der Waage voll ausnutzen zu konnen, wurde nocli eine von auBen zu betatigende Gewiclitsauflage (3) angebracht. Der dam erforderliche Mechanismus besteht aus zwei ineinander sitzenden konischcn Schliffen, die gasdieht in die linlie Gchauscwand eingesetzt Bind. Der innere Schliff verschiebt beim Drehen Inittels eines Zahnrades eine kleine Zahnstange, die an ihrem vorderen Ende einen Finger tragt, mit dem es moglich ist, von einem im Gehiiuse befindlichen Gestell Reiter auf einen am linken Gehange der Waage angebrachten Bugel zu setzen. Die Zahnstange lauft in einer Fuhrung, die am LuBeren der beiden Schliffe befestigt ist, so daB durch Drehen dieses Schliffcs die Richtung der Zahnstange geandert werden lrann. Fur den Finger resultiert, damit eine zweidimensionalc Beweglichkeit. Mit vier Reitern von 10, 20, 40 und 80 mg konnen unter Ausnutzung einer Empfindlichkeit von 10 mg fur den VollausschIag VOIU

linken zum rechtcn Ende der Skala Gewichtsanderungen bis 160 mg ausgeglichen werden. AuBer der Gewichtsauflage befindet sich in der linken Gehausewand noch eine SchIiff- offnung (lo), durch die die Waage evakuiert (erreichbares Vakuum 1 0 P Torr) oder ein lcichter Gasstrom geschiclrt werden kann, der bei der Zersetzung der untersuchten Sub- stanz eventuell auftrctende aggressivo Gasn oder Irondensierbare Stoffe von der dgent- lichen Waage fernhiilt.

EinfluB yon Auftriebseffekten auf die Wagung Bei einer normalen analytischen Waage ist die Nullage nur geringen,

unregelmal3igen Schwankungen unterworfen. Anders bei einer Thermo-

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waage, deren Gehause evakuiert, oder mit Gasen wechselnden Druckes oder Zusammensetzung gefiillt werden kann. Ihr Aufbau ist, abgesehen von Differential-Thcrmowaagen, stets unsymmetrisch, und die Teile der Waage, die auf dem linken und dem rechten Stein des Balkens ruhen, haben unterschiedliche Volumina bei gleichem Gewicht. Eine Anderung der Gasdichte, wie sie durch eine Anderung der Zusammensetzung oder der Temperatur der Atmosphare her-

unterschiedlichc Bnderung dcs Auf- triebs dieser Waagenteile und eine Verschiebung des Nullpunktes xur Folge. Die hier beschriebene Waage zeigte, wenn die Luft im Gehause durch Wasserstoff ersetzt wurde, einen Ausschlag, der einer einsejti- gen Mehrbelastung von etwa 12 mg entsprach. Wie die Abb.3 zeigt, ist die Verschiebung der Gasdichte pro- portional. Es ist zweckmafiig, diesen Effekt von vornherein beim Ein- 0 QS I 15 bringen der Substanz und der Ein-

Hand einer ein fur allemal zu be- stimmenden Eichkurve zu beruck- sichtigen, da es sonst vorkommen kann, daB nach dem Einleiten des Gases, in dem die Untersuchung vorgenommen werden soll, der Ausgangs- punkt auf einer ungunstigen Stelle oder gar auhrhalb der Skala liegt.

AFb. 3 lafit auch erkennen, welche Bedeutung die Temperatur- konstanz des Waagengehauses wahrend des Versuches fur die Nullage hat.

Eine Dichteanderung der Gasphase um 1/300, - dies entspricht bei 2 7 ” C einer Tem- peraturanderung urn 1 O, - bewirkte bei der beschriebenen Waage eine Verschiebung des Nullpunkts urn 0,04 mg. Die Tempcratur dcs Messingsgchauses wurde daher stets kon- trolliert und eventuell durch Anderung der Temperatur des durch den Kiihlschliff (7) (Abb. 2) stromenden Wassers konstant gehaltcn. AuDerdern wurde, um die bei hohen Ofentcrnperaturcn schr storende Warmestrahlung unschadlich zu machen, ein in Abb. 2 nicht gezeichnetes, spiegelndes Nickelblech zwischen Gehause und Ofen angebracht. Ohne diese Vorsichtsrriafiregeln erhoht sich die Ternpcratur der Waage wlhrend eines niehrstundigen Versuchs leicht urn 5 bis 10 Grad, was einer Nullpunktsverschiebung von 2 bis 4 mg entspricht. Hierdurch wird aber die Wagegenauigkeit, die sonst 0,08 mg brtriigt, wesentlich erniedrigt.

Wie eine einfache Rechnung zeigt, ist die Gasdichte p nicht nur fur die Nullage, sondern auch fur die Empfindlichkeit, der Waage ma&

vorgerufen wird, hat damit eine HZ Luft 4

+”

XOmm

6osditbte C - regulierung des Ausgangspunkks an Abb. 3. Abhan&igkeit der Nullage van

der Gasdichte (Dichte der Luft unter Normalbedingungen = 1)

208 Zeitschrift fur anorganischc und allgeineine Chemie. Rand 298. 19 59

gebend. Dies folgt daraus, da13 im allgemeinen der Volurnschwcrpunkt und der Massenschwerpurikt des W-aagebalkens nicht mit dem Dreh- punkt der Mittelsehneide zusammenfallcn.

1st E div Empfindliehkeit der Waage i n g 1, r dic Ldnge eincs Waagarmes in cm, V, das Volumeri dcs Balkcns, V,, das Volumen der Tcile, die auf drm iiufirren Steinen ruhen, d der vertikale Abstand dce Volurnschlyerpunktes drs Balhens von dw Mittcl- schneide und a der Abstand der Mittelschncidr von der Verh indun~sg~rader i d ~ r kulieren Steinr, so crgibt sich:

Abb. 4 zcigt den an der Waage beobachtcten Effekt, der so groB ist, daB es sich empfiehlt, bci Beginn jedes Versuches die Empfindlich- lieit der Waage in der benutzten Atmosphare gesondert zu hestimincn.

0 05 7 l5

Abb. 4. Bnderung der Empfindlichkeit der Waage mit der Gasdichte

Oushflre e-

Nach der angegeberien Cleichung sollte allerdings dic Anderung yon E mit e uin inehr als eine Zehnerpotenz geringer sein, wenn die bekanii ten Werte fur E, r, V,, V, und sinnvolle Schatzwerte fur a iind d eingesetzt werden. Bisher gelang es nirht, diesen Widerspruch zu klaren.

Normakrweise wird bci analyti- schen Wagungen die Reduktion tles Ergebnisses auf den luftleeren Raurn 5, riicht vorgenommen. Die Fehlcr,

die durch diese Vernachl%ssjgung auftreten, konnen aber arrch k i den in der analytischen Chemie iiblichen Bestimmungen von Gewiehts- verhiiltnissen groSer sls 1 Promillc sein. Bei thcrmograviinctrischrn Arbeiten dagegen mu13 auf jcdcn Fall der Gasauftrjeh der Gnbstanz iud der Teile der mTaage. die sich auf hoherer, von der des Waagegehauses abweichender Tcmperatur hefinden, bcriicksichtigt wcrden. Mit zu- nehmender Temperatur riimmt die Dichte der Gasphase starh ab. Rei 300" C ist dic Dichtc und damit dcr Auftrieb nur iioch halb so groO wie bei 25" C. In Luft ergjbt sich hieraus pro cm3 eine scheinbare Gc- wichtsandcrung voii 0.6 mg.

Bei Aiinaliinc des idcalvn Gasgesetzes ist die -4nderuag dca Auftriebs fur cinrn Korpcsr dcr &lase M und dcr Dichte d brim Erhitzcvi voii tlvr Trniperatur T (Zimnier- bxw. WaagPn- temperatur) auf die Ofenteinperatur 'l':

5 ) A. v. LDPXE, -4ngew. Cheiii. 68, 51 5 ( I Y M ) .

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Hier bedeiitet e, die wahrend des Versiiehs lionstante Dichte dor Gasatrnosphare im Waagegchause bei dcr Toniperatur T .

In Abb. 5 ist das fur einen kleineri Quarztiegel voii 3,8553 g er- rechnet,e AA (Luft) gegen die Temperatur aufgetragen.

Fur Tiegel und Substanz ist cine rein rechnerische Ermittlung von i l A moglich, da sie sich ja wahrend des Versuchs auf konstanter Temperatur befintien, nicht aber fur den Tiegeltragnr. Urn fur ihn AA zii erhalten, iniinte das Tcmperaturgcfiille zrvischen Ofen und Waagcgchiiuse, das auch rioch von der Wirmeleitfahigkeit des Gascs abhlngig ist, gcnau bekaririt sein.

In Abb. 6 ist der experimentell gefundene Auftrieb fiir eiiien Tiegel und den Tiegel- trager in verschiedenen Gasen gezeichnet,. Wenn das Terriperatiirgefalle langs des Tiegel- tragers in allen drni Fallen (Wasserstoff, Luft, Kohlendioxyd) gleieh ware, sollten bei jedcr Tcmperatur die Abstande der Kurvcri von der Nullinie sich wie die Molgewichte bzw. dic Dichtcn pz der Gase verhalten. Wahreiid dies fur Luft und GO, auch zutrifft, treten besonders bei hijheren Temperaturen in Wasscrst,off starke Abweichungen auf.

Es ist daher zweckmalliger, fur den Tiegeltriiger die Bnderung des Anft,riebs im benut zten Gas durch einen Rlindversuch zu bestimmen. Die unterste Kurve in Abb. 5 zeigt das Ergcbnis eines Blindversuchs fur eincn Ticgcltragcr aus Quarz- glas von 1,5 mm Durchmes- ser und 32 cm Lange. Durch Addition der WertefiirTiegel- tragcr und Tiegel crhalt man die zweitoberste Kixrv(>, die mit der oberslen, die direkt durch einen Blindversuch rn i t Tiegeltrgger und einge- setztem leeren Tiegel erhal- ten wurde, iibcrcinst,imrnt. Remtrkenswcrt ist in der Ab- bildung der rasche Anstieg aller Nurven hei niedrigcn Temperaturen, der wieder die Bedeutung einer kon- stanten Waagentemperatur erkennen 1aBt. Eine kleine

Abb. 5. Bnderung des Auftriebs eines Tiegels und cines Tiegeltragers mit der Temperatur

(in Luft)

Anderung vori t hat eine verhaltnismafiig grol3e Bnderung von 4 A xur Folge. Das am rechten Endc der ohrsten Kurve (AA fur Tiegel und Tiegcltrzger) erkcnnbnre Absinken i s t auf eine gegen Ende des Versuchs aufgetretene geringe Erhohung der Waagentemperntur durch die Strahlung des Ofens zuruckzufuhren.

210 Zeitschrift fur snorganischc und allgenleine Chemie. Band 298. 1959

Navh diesen Ausfuhrungen sind thermogravimetrische Zersetzungs- kurven, die durch langsames Erhitzen der Substanz und Registrieren

der gl eic hzei tigen Gewic htsver- anderung erhalten werden, in folgender Weise auszuwerten :

100 200 300 WO 504 EM Iylo em goo I000"C

Zunachst ist von der crhalte- nen Kurve der zu den entsprechen- den Temperaturen gehorende d A- Wert fur den Tiegel und den Tie- geltrager abzuziehen. ALIS der so korrigierten Kurve ist jetzt zu be- stimmen, ob und wclche definier- ten Zersetzungsprodukte entstan- den sind. Mit den fur diese Sub-

stanzen bekannten, oder, falls diese fehlen, geschatzten Dichten ist deren Auftrieb

Abb. 6. Anderung des Auftriebs einrs Tie- gels mit Tiegeltrager mit der Temperatur

in vcrschiedmen Casen

M z . d * T

A; - .@ -

zii berechnen und ebenfalls zu subtrahieren.

Bei der Anwendung dieses Korrekturverfahrens sind die benutzten Gewiehtsstiieke nicht mit ihrem Massenwert m, sondcrn mit ihrern ,,Luft"-Gewicht m+ einzusetzen.

Zur Ermittlung dcs Auftriebs der Substanz und der Zersetzungsprodukte geniigt es, in die oben angegebene Gleichung fur M an Stellc dcr Massen die ,,Luft"-Gewichte einzu- setzen.

Wird der Einflul3 des Auftriebs bei thermogravimetrischen Unter- suchungen nicht beriicksichtigt, so sind, wie sich aus der Literatur nach- weisen lafit, Fchldeutungen der Ergebnisse moglich. Zum Beispiel ist aus der durch die Abnahme dcs Auftriebs A mit zunehmender Tem- peratur vorgetauschten Gewichtszunahme mehrfach auf cine Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft durch in Wirklichkeit vollig inerte Sub- stanzen geschlossen worden. Diese Irrtiimer treten dann besonders leioht auf, wenn Tiegel und Tiegeltraiger verhaltnismaBig groB und schwer sind. Die hier besprochenen Auftriebseffekte sind nicht nur fur Waagen vom hier beschricbenen Typ von Bedeutung, sondern auch fur alle anderen Thermowaagen. Ist, bei einer Waage der Ofenraum mit einem anderen Gas als Luft zu bespulen, so tritt stets eine Nullpunkts- vcrschiebung auf, so nuch bei der hcknnnt,cn, von DLJVAL hcnutzten CHEVEKARDSchen Waage.

Pwms u. WIEDEMANN, Vielseitig verwendbare Thermowaage hoher Genauigkeit 211

Die Genauigkeit der hier beschriebenen Waage ist sehr hoch; sie ist jedoch nur unter Bcriicksichtigung der oben behandelten Faktoren voll auszunutzen. Im Retrieb ergab sich eine Konstanz des Nullpunkts uher mehrere Tage hinweg von 5 0,03 mg. Der mittlere Fehler einer Einzelwagung ist, wie in langeren MeIJreihen festgestellt wurde, etwa f 0,05 mg. Bei thermogravimetrischen Untersuchungcn wird der Fehler diirch die oben besprochenen Korrekturen etwa groger, bleibt aber in der Regel unter & 0,08 mg.

I n der anschliel3enden Veroffentlichung wird als Bcispiel fur die Genauigkeit der Waage die thermische Zersetzung des Calciumcarbonats und des Calciumoxalats und an Hand der erhaltenen Zersetzungskurven die Auswertung mitgeteilt werden.

Rostock, Imtitut jiir Ph ysikalische Chemie der Universitiit.

Bei der Redaktion ringegangm itin 31. Juli 1958.