Einen Haflingerbesitzer nach dem Grund befragt, warum er ... · 535 und deren Tochter Urbana H 857...

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Einen Haflingerbesitzer nach dem Grund befragt, warum er sich für diese Pferderasse ent- schieden hat: „Ganz einfach, bei einem Haflinger weiß man, was man hat! Der Haflinger muss eine Ausstrahlung haben wie Heidi Klum und ein Gemüt wie Mutter Theresa!“ Der, dem diese Worte über die Lippen gehen, ist Dr. Siegfried Sendig, Begründer und heutiger Seniorchef des Haflinger Gestüts Meura. Im südöstlichen Teil des Thüringer Schiefergebirges und vor den Toren des romantischen Schwarzatals liegt ziemlich versteckt das 537-Seelen-Dorf Meura. Der im vogtländischen Auerbach 1935 geborene Sendig kam 1964 nach dem Studium an der landwirtschaftlichen Fachschule in Zwickau und der Hochschule für Landwirtschaft in Bern- burg mit dem Abschluss als Diplomlandwirt nach Thüringen. Mit der Stute „ Senne“ und weite- ren Stuten war 1965/66 der Grundstock für eine der bedeutendsten Haflingerzuchtstätten Deutschlands gelegt. Keiner dachte am 2. Mai 1967, als das erste Haflingerfohlen das Licht der Welt erblickte daran, dass diesem bis ins Jahr 2005 über 3000 Fohlen folgen würden. Auch Dr. Sendig konnte zu jenem Zeitpunkt nicht ermessen, dass das Schicksal dieser Zucht- stätte sich einmal so eng mit seiner Person verknüpfen würde. 1993 kauften die Sendigs die seit 1966 bestehende Zuchtstätte für Haflinger, einen in der Liquidation befindlichen Betrieb, von der Treuhand. Die Zukunftsaussichten waren im ehemals Volkseigenen Gut Tierproduktion mit dem Einzug der Marktwirtschaft 1990 ein Kampf ums Überleben. Mit Schaudern erinnert sich Dr. Sendig, seit Kindesbeinen mit Pferden verbunden, an jene Zeit, steckte doch sein Lebensblut in dieser Zucht. Dass es nicht einfach werden würde, dieses Unternehmen als Familienbetrieb zu führen, wussten alle in seiner Familie. Für den Neubeginn 1993 mussten Banken vom betrieblichen Konzept überzeugt werden und Dr. Sendig als Motor des Ganzen war zu diesem Zeitpunkt schwer erkrankt. Selber um das eigene gesundheitliche Überleben ringend, ließ er sich dennoch von seiner Krankheit nicht unterkriegen und meisterte mit seiner Familie die ersten Anfangschwierigkeiten. Dank der Unterstützung der verbliebenen Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter und des Verbandes Thüringer Pferdezüchter, dem Sendig 1990 bis 2005 als Vorsitzender vorstand, konnte man das Wagnis Familienunternehmen Haflinger Gestüt Meura anpacken. Während Ehefrau Martina die Zügel auf dem Reiterhof und in der Cafeteria in die Hand nahm, setzte sich Tochter Anke als Betriebswirtin den wirtschaftlichen Hut im Gesamtkonzept auf. Und wie das bei einem Familienunternehmen nun mal so ist, alle Sendigs machen mit, sogar Siegfrieds Schwiegereltern, die Wochenende für Wochenende von Leipzig nach Meura pen- deln und dann für den hausgebackenen Kuchen zuständig sind. Auch der Sohn, der mittler- weile nach einem Landwirtschaftsstudium promovierte und heute als Geschäftsführer im thüringischen Nordhausen selbst ein Unternehmen zu leiten hat, steckt mit seiner Familie viele Stunden seiner Freizeit in die Entwicklung des Meuraer Gestütes. Mit ca. 330 Haflingern, 5 verschiedenen Produktionszweigen, insbesondere den touristischen und repräsentativen Aktivitäten, die Lehrausbildung nicht zuletzt, war der 300 ha Betrieb nicht immer einfach zu managen. Eingangs, neben dem Verwaltungsgebäude mit der Cafeteria, wo es nach frischgebackenem Kuchen duftet, steht eine Bronzeplastik, eine Stute mit Fohlen. Dies ist das Sinnbild des Meuraer Gestüt’s. In Meura wird nicht nur auf einen bedeutenden Hengst gesetzt, auch wenn dieser natürlich Leistungsträger der Zucht ist, so sind es hier im Gestüt die Stuten, die als Familien für den Zuchterfolg stehen. „Schau dir die Mutter und wenn möglich die Großmutter an, dann weißt du, wohin die Fuhre geht!“ empfiehlt Sendig mit einem Augenzwinkern.

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Einen Haflingerbesitzer nach dem Grund befragt, warum er sich für diese Pferderasse ent-schieden hat: „Ganz einfach, bei einem Haflinger weiß man, was man hat! Der Haflinger muss eine Ausstrahlung haben wie Heidi Klum und ein Gemüt wie Mutter Theresa!“ Der, dem diese Worte über die Lippen gehen, ist Dr. Siegfried Sendig, Begründer und heutiger Seniorchef des Haflinger Gestüts Meura. Im südöstlichen Teil des Thüringer Schiefergebirges und vor den Toren des romantischen Schwarzatals liegt ziemlich versteckt das 537-Seelen-Dorf Meura. Der im vogtländischen Auerbach 1935 geborene Sendig kam 1964 nach dem Studium an der landwirtschaftlichen Fachschule in Zwickau und der Hochschule für Landwirtschaft in Bern-burg mit dem Abschluss als Diplomlandwirt nach Thüringen. Mit der Stute „ Senne“ und weite-ren Stuten war 1965/66 der Grundstock für eine der bedeutendsten Haflingerzuchtstätten Deutschlands gelegt. Keiner dachte am 2. Mai 1967, als das erste Haflingerfohlen das Licht der Welt erblickte daran, dass diesem bis ins Jahr 2005 über 3000 Fohlen folgen würden. Auch Dr. Sendig konnte zu jenem Zeitpunkt nicht ermessen, dass das Schicksal dieser Zucht-stätte sich einmal so eng mit seiner Person verknüpfen würde. 1993 kauften die Sendigs die seit 1966 bestehende Zuchtstätte für Haflinger, einen in der Liquidation befindlichen Betrieb, von der Treuhand. Die Zukunftsaussichten waren im ehemals Volkseigenen Gut Tierproduktion mit dem Einzug der Marktwirtschaft 1990 ein Kampf ums Überleben. Mit Schaudern erinnert sich Dr. Sendig, seit Kindesbeinen mit Pferden verbunden, an jene Zeit, steckte doch sein Lebensblut in dieser Zucht. Dass es nicht einfach werden würde, dieses Unternehmen als Familienbetrieb zu führen, wussten alle in seiner Familie. Für den Neubeginn 1993 mussten Banken vom betrieblichen Konzept überzeugt werden und Dr. Sendig als Motor des Ganzen war zu diesem Zeitpunkt schwer erkrankt. Selber um das eigene gesundheitliche Überleben ringend, ließ er sich dennoch von seiner Krankheit nicht unterkriegen und meisterte mit seiner Familie die ersten Anfangschwierigkeiten. Dank der Unterstützung der verbliebenen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter und des Verbandes Thüringer Pferdezüchter, dem Sendig 1990 bis 2005 als Vorsitzender vorstand, konnte man das Wagnis Familienunternehmen Haflinger Gestüt Meura anpacken. Während Ehefrau Martina die Zügel auf dem Reiterhof und in der Cafeteria in die Hand nahm, setzte sich Tochter Anke als Betriebswirtin den wirtschaftlichen Hut im Gesamtkonzept auf. Und wie das bei einem Familienunternehmen nun mal so ist, alle Sendigs machen mit, sogar Siegfrieds Schwiegereltern, die Wochenende für Wochenende von Leipzig nach Meura pen-deln und dann für den hausgebackenen Kuchen zuständig sind. Auch der Sohn, der mittler-weile nach einem Landwirtschaftsstudium promovierte und heute als Geschäftsführer im thüringischen Nordhausen selbst ein Unternehmen zu leiten hat, steckt mit seiner Familie viele Stunden seiner Freizeit in die Entwicklung des Meuraer Gestütes. Mit ca. 330 Haflingern, 5 verschiedenen Produktionszweigen, insbesondere den touristischen und repräsentativen Aktivitäten, die Lehrausbildung nicht zuletzt, war der 300 ha Betrieb nicht immer einfach zu managen. Eingangs, neben dem Verwaltungsgebäude mit der Cafeteria, wo es nach frischgebackenem Kuchen duftet, steht eine Bronzeplastik, eine Stute mit Fohlen. Dies ist das Sinnbild des Meuraer Gestüt’s. In Meura wird nicht nur auf einen bedeutenden Hengst gesetzt, auch wenn dieser natürlich Leistungsträger der Zucht ist, so sind es hier im Gestüt die Stuten, die als Familien für den Zuchterfolg stehen. „Schau dir die Mutter und wenn möglich die Großmutter an, dann weißt du, wohin die Fuhre geht!“ empfiehlt Sendig mit einem Augenzwinkern.

Intakte Umwelt, Aufzucht, Haltung und Fütterung, sowie eine Zuchtstrategie, die Sachkennt-nis, Augenmaß und Zielstrebigkeit als Grundlage hat, sind seit nunmehr vier Jahrzehnten für den guten Ruf des Meuraer Haflingers Voraussetzung. Begann es 1966 mit den Bedeckun-gen von zugekauften Stuten, damals noch in der LPG „20. Jahrestag“ Reichmannsdorf/ Lichte, so wurden über weitere Zukäufe in den Jahren 1968/69 sowie 1976-80 und durch eigene Reproduktion ein Stutenbestand von annähernd 200 Stuten im späteren VEG Tierproduktion Meura (1977-1990) und ein Gesamtpferdebestand von 600 Tieren erreicht. Gegenwärtig verfügt das Gestüt über rund 120 Zuchtstuten, davon 42 Staatsprämienstuten. Die Tiroler Importstute Salerna H 2 aus der Senne, vom Strauß 1115 prägte die Zucht maßgeblich. Ihre 1971 geborene Tochter Saffa H 197 sollte zu jener Ehre kom-men, für die 1985 errichtete Bron-zestatue Modell zu stehen. Diese Statue zeigt Saffa mit ihrem Enkel Stesator 125. Allein 4 ihrer Töchter wurden Staatsprämienstu-ten und ein Sohn, der 1978 gebo-rene Gabriel 88 vom Gamet 49 wurde gekört. Saffas Vater, der Hengst Staps 29 von Stachus 13 konnte in seiner langjährigen Deckzeit von 1969 bis 1983 den Haflingerbestand des Gestüts am maßgeblichsten prägen. So wurde auch dessen 1971 geborene Tochter Urfe H 199 zu einer der bedeutendsten Mutterstuten des Gestüts. Über ihre Tochter Urma H 535 und deren Tochter Urbana H 857 von Gamet 49, einem Galib ben Afas ox-Sohn, ging 1987 vom Hengst Albertus 112 die Stute Urbita H 1425 hervor. Sie erhielt, wie Urma und Urbana, ebenfalls die Staatsprämie. Mit dieser wurde auch ihre 1991 geborene Tochter Urbia vom Stesator 125 ausgezeichnet. Mit zur Stutenfamilie der Importstute Ulli H 39 zählt eben-falls Urbias Halbschwester Ursel I von Wilder. Die Drittplatzierte des Thüringer Fohlencham-pionats 1993 verbuchte dreijährig im Jubiläumsjahr 1996 „40 Jahre Haflingerzucht in Thürin-gen und Sachsen“ einen Erfolg nach dem anderen und siegte auf zahlreichen Schauen. Die Leistung dieser Stutenfamilie zeigt sich auch durch den Erfolg der Familiensammlung auf der Europaschau der Haflinger 1997 in Aachen und bei der Bundeshaflingerschau 1999 in Ham-burg als Reservesieger. So steht Saffas Bronzestatue als sinnbildlich stabiles Fundament für den Erfolg des Meuraer Gestütes: „Vom ersten Tag an ist man, züchterischen Grundsätzen folgend, an den Aufbau von ausgeglichenen, vererbungssicheren Familienverbänden heran-gegangen.“ Mit der Geburt des Hengstes Folie 1874 begann die eigentliche Zucht der Haflinger Pferde-rasse. Folie, übrigens ein Goldfuchs mit Stern und Aalstrich, befand sich 20 Jahre (1878-1898) in der Zucht. Neben einer großen Anzahl Stuten lieferte er drei Hengste. Alle sieben heute bestehenden Hengstlinien gehen auf Folie zurück. Fünf dieser sieben Hengstlinien sind für die Meuraer Zucht von Bedeutung: Die Student- Linie, die über Staps 29, Stepper 38, Sallus 63, Stern 71, Stesator 125, Sterzinger, Silbermann und Steve, die Massimo-Linie über die Hengste Montanus 62 und Modell 84 und die Anselmo-Linie über den legendären Albertus 112. Durch den guten Einsatz des bayerischen Hengstes Nobel von Narius konnte mit seinem Sohn Novara sowie Enkel Novum die Nibbio-Linie entwickelt werden. Zukünftig gilt eine grö-ßere Aufmerksamkeit der Willi-Linie. Gerade diese Hengstlinie liegt Seniorchef Sendig beson-ders am Herzen. Tourte er doch im Sommer 1966 mehrmals mit dem DDR-Volkswagen Tra-bant und einem urzeitlichen Viehhänger, der heute jeden TÜV-Ingenieur zum Herzinfarkt brächte, über die Landstraßen Richtung Hildburghausen, wo mit dem in der dortigen LPG stehenden Moritzburger Deckhengst Wildfang 19 der Grundstock für die heutige Zucht der W - Linie gelegt wurde. Mittlerweile wirkten über 50 gekörte Zuchthengste seit 1966 in den Meuraer Zuchtpedigrees mit.

Der Stempelhengst des Gestütes aus der St-Linie ist Staps 29. In 14 Zuchtjahren brachte er bedeutende Stutenfamilienbegründe- rinnen wie „Saffa“ hervor. Mit dem Hengst Stepper 38 von Stark verfügte Meura über einen der leistungsstärksten Hengste der St-Linie. Ausgestattet mit bereits moderner Linie und sehr guter Bewegung gehörte er insbesondere im Rassetyp mit zu den Spitzenhengsten der ehemaligen DDR. Sein Sohn Stesator 125, Vererber, der diese Linie in Meura als Garant für frei raumgreifende Bewegungen etablierte. Das beweisen der Stesator-Sohn Sterzinger und sein Halbbruder Stülpner, der die Siegerschärpe zur 2. bundesdeutschen Haflinger-Hengstschau in Alsfeld errang. Ein Sohn des Sterzinger, der Wallach Strobel, ist unter seiner Reiterin Simone Weiß seit 2001 überaus erfolgreich im Dressursport (M – plat-ziert). In der Fortführung der Student-Linie setzt das Gestüt derzeit auf den 1996 geborenen Starost-Sohn Steve, Enkel des Stromboli, der Reservesieger der Weltausstellung 1990 in Ebbs war. Seine Nachkommen erzielen bei regionalen und überregionalen Championaten stets vordere Platzierungen In der N-Linie konnte erst mit der Wiedervereinigung entspre-chend qualitativ hochwertiges Blut erzielt wer-den. Dies gelang über den 1991 aus dem Bayerischen eingesetzten Hengst Nobel von Narius, mit dem 1992 geborenen Hengst Novara aus der Managua H 1563. 35 Hengste aus der Meuraer Zucht sind national zum Deckeinsatz gekommen.Zu einem bedeutenden Vererber entwickelte sich der 1978 geborene Montanus 62-Sohn Modell 84 aus der Marburg H 233. Dieser Hengst zeigte sich hinsichtlich des Rassetyps und seiner Substanz bedeutungsvoll für die Zucht. Rittigkeit und überragendes Gangvermögen zeichneten diesen Hengst aus. So stehen heute bedeutende Nachkommen dieses Hengstes in vielen Ställen der deutschen Haflingerzucht. Die wohl erfolgreichste Modell-Tochter ist die 1990 in der Tierzucht Jena GmbH gezogene Barbi, sie konnte 1997 zur Europastutenkönigin anlässlich der Europaschau in Aachen gekürt werden. Fast wie eine Ikone hängt ein Bild des Halbarabers Gamet 49 in den Wohnräumen der Familie Sendig. Mit Ehrfurcht und großer Achtung spricht man von diesem Hengst, der seinen Lebensabend 31-jährig im Meuraer Gestüt beendete. Gamet bereicherte den Stutenbestand während seines Deckeinsatzes ab 1977 mit großrahmigen, sich mit schwungvollen Gängen auszeichnenden Stuten, die sich ausnahmslos durch angenehmes Temperament und besten Charakter präsentierten. Er gab dem heutigen Haflingertyp Aufrichtung, Schwung, Takt und raumgreifende Bewegung. Gamet schied 1983 aus dem aktiven Deckeinsatz aus und verbrachte noch viele Jahre im Meuraer Gestüt. Am 11. Juli 2001 starb diese Pferdepersönlichkeit hier in Meura. Keinem der Mitarbeiter oder Familienangehörigen der Sendigs fielen die Tage und Wochen danach leicht.

Heute bewohnt der 1982 geborene Senior Albertus 112 die Box des Gamet, er stammt ab vom Albanus 64 aus der Sally H 409 vom Stepper und führt die Anselmo-Linie fort. Als Vier-jähriger konnte Albertus in Meura den Siegertitel als bester Zuchthengst der DDR anlässlich der Jubiläumsschau „30 Jahre Haflingerzucht“ erringen mit dem Kommentar „bei ihm stimme einfach alles“, so die Worte von Prof. Dr. Dr. H. J. Schwark. Albertus wurde zum Prämien-

hengst erhoben. Im Wettbewerb um das „Blaue Band von Oeynhausen“ 1993 konnte sich in der Konkurrenz mit sieben weiteren Stuten die Albertus-Tocher Usala diesen Preis sichern. Als Dreijährige erhält Usala zur Thüringer Elitestutenschau den 1a-Preis. Herausragend präsentierte sich diese Stute ebenfalls zur eurocheval 1992 in Offenburg. Durch ihre Schönheit, die Ausstrahlungskraft, aber auch durch ihre sehr guten Bewegungen und die damit verbundenen Reiteigenschaften (Ergebnis der Eigenleistungsprüfung 8,24) fand sie schnell Kaufinteressenten. Inzwi-schen konnte ihre Tochter Utina vom Nostra-

damus aus dem Stall von Wolfgang Abele, Ellwangen, Siegerstute bei der 2005 erstmals verliehenen Auszeichnung, dem Blauen Band von München, werden. Von 1981 bis 1983 wurde in Meura eine Pferdezuchtanlage mit drei Ställen zu je 100 Tierplät-zen und dazugehörigen Bergeräumen zur Lagerung der Futtermittel erbaut. Diese neuen Ställe wurden in Kaltbauweise errichtet. Bei genauerer Betrachtung wirkt sich dies natürlich positiv auf die Entwicklung des Haflingers aus. Gerade im Zuge der politischen Wende 1990 und heute durch das starke Informationsinteresse der Besucher bei den tägli-chen Gestütsführungen wird vielfach die Frage gestellt: Ob denn die Stuten und Fohlen gerade in der kalten Winterzeit nicht frieren?

„Trockene Kälte, sofern die Tiere daran gewöhnt sind, schadet nicht“ so Dr. Sendig „aber lauwarmer Mief macht die Pferde kaputt“. Nicht von ungefähr geht man im Sinne einer artgerechten Pferdehaltung zu einer derartigen Haltung über. Eine hohe Lebenserwartung der Stuten, hohe Fruchtbarkeit, fast 100%ige Aufzuchtergebnisse und geringe Tierarzt-kosten beweisen die Richtigkeit der praktizierten Haltung.

Vom dritten Monat an, nach der Geburt des Fohlens, werden die Stuten gemolken. Lediglich tiefgefroren bei –18° C, ansonsten unbehandelt, gilt die Stutenmilch schon seit dem Altertum als Labsal auch für Menschen. Der Verkauf von Stutenmilchprodukten trägt heute wesentlich zur Rentabilität des Gestüts bei. Durch wissenschaftliche Untersuchungen u. a. durch die Friedrich-Schiller-Universität in Jena ist dieses Naturprodukt und Lebensmittel mit guten Er-gebnissen zertifiziert worden. Jede Pferdezucht wird immer stärker an der Leistungsfähigkeit ihrer Pferde gemessen. Ziel der Ausbildung muss es sein, einen Haflinger am Markt anzubie-ten, der leicht handhabbar ist, gute Bewegungen in allen drei Grundgangarten zeigt, leichte Hindernisse überwinden kann, sowie im Fahren Zugfestigkeit und Straßensicherheit zeigt und über ein ruhiges Temperament verfügt. Auch Farbreinheit, Typtreue und Eleganz dürfen in der Zucht des modernen Haflingers keinesfalls zurückgestellt werden. Nur die geprüfte Leis-tungsveranlagung ist kalkulierbar, dabei kommt der Leistungsprüfung der Zuchtpferde, insbesondere der Hengstmütter, eine große Bedeutung zu.

So ist die Stationsprüfung eine entscheidende Selektionsmöglichkeit für die vielseitige Ver-wendung des Haflingers. Mit der 1991 in Meura aufgebauten Stutenleistungsprüfungsanstalt konnte das Gestüt einen weiteren wichtigen Eckpfeiler zur Profilierung und Popularisierung seiner Pferdezucht errei-chen. Bis Ende Juni 2006 wurden mittlerweile über 84 Prüfungsdurchgänge mit über 1700 Haflingerstuten sowohl aus Deutschland als auch aus einigen Nachbarländern durchgeführt. Eigens zur kontinuierlichen Trainings- und Ausbildungsarbeit wurde 1994 als größte Investiti-on des damals jungen Familienunternehmens eine moderne Reithalle mit internationalen Abmessungen errichtet. Martina Sendig führt eine Cafeteria und einen Reiterhof mit einer 35-Betten-Pension. Durch sein herzliches Engagement für jeden Gast hat sich der Reiterhof, mehrfach in Thüringen als Familienfreundlich ausgezeichnet, weit über seine Grenzen einen guten Ruf erarbeitet. .All dies hätte sich nicht zu dem entwickeln können, was heute als Inbe-griff „Gestüt Meura“ steht, wenn es nicht immer wieder passionierte Angestellte und Mitstreiter gegeben hätte, die sich mit ihrem Wissen und Können, ihrem Fleiß für die Entwicklung der Pferdezucht in der LPG, im Volksgut Meura oder jetzt im privaten Gestüt eingebracht haben. Stellvertretend für viele, die nicht mehr unter uns weilen stehen Namen wie Harry Rosenbusch (†), Wilhelm Stauch (†), Irene Wachsmut(†), Tilo Hörnlein (†), Karl – Heinz Hartmann (†), Otto Knüpfer (†), Paul Schwarz (†), Rudi Lautzschmann(†), die sich um das Gestüt verdient ge-macht haben. Dabei natürlich nicht zu vergessen jene Nestoren, die das Gestüt fachlich und züchterisch begleitet haben, wie Eberhard Walther (†), der sich seit 1972 als Zuchtleiter in der Pferdezuchtdirektion Süd Weimar und ab 1991 als Thüringer Pferdezuchtreferent, Zuchtleiter und Geschäftsführer des Verbandes Thüringer Pferdezüchter unermüdlich für die Entwicklung der Thüringer Pferdezucht und damit die des Gestütes in Meura einsetzte. Einen unersetzlichen Beitrag leistete Prof. Dr. Schwark beim Aufbau und der jahrzehntelangen wissenschaftlichen Begleitung der Gestütszucht in Meura. Dr.G. Scheidig und W. Schwarz-meier haben maßgeblich zur Entscheidung beigetragen, das Gestüt im Rahmen eines VEG weiterzuführen. So kann man die Reihe derer, die sich um das Gestüt verdient gemacht haben und sich auch weiter für die Belange des Betriebes einsetzen, beliebig fortführen. Heute ist unser Gestüt fest im Verband der Pferdezucht Sachsen und Thüringen integriert.

Zum 20jährigen Zuchtbestehen 1976 kamen Tausende ostdeut-sche Haflingerfreunde nach Lich-te-Lamprecht. Das Gestüt erhielt persönliche Briefe der Botschafter von England und Belgien in der der ehem. DDR, die begeistert die Schauveranstaltung „30 Jahre Haflingerzucht in der DDR“ mit 6000 anderen Zuschauern verfolg-ten. 1995 war Meura Ausrichter der Bundeshaflingerstutenschau. Im

Rund der damals besten Stuten Deutschlands erhielt Dr. Sendig von der FN die Gustav-Rau-Plakette und 2005 die Gustav Rau Medaille in Gold für die Verdienste um die Zucht des Haf-linger Pferdes. Heute arbeiten etwa 15 Angestellte, unterstützt von 9 Lehrlingen, von früh bis spät, Wochenenddienste eingeschlossen. Es ist ein harter Kern, eine eingeschworene Truppe, die nun unter der Leitung von Anke Sendig dafür Sorge trägt, dass sich das Gestüt Meura und die Pferdezucht weiter entwickeln werden. So sind es heute neben den vier Stationsprüfungen, den täglichen Reitausbildungsstunden für Gäste des Gestüts vor allem natürlich die Zuchtveranstaltungen, die begeistern. Groß ist der Zuspruch zur gestütseigenen Hengstpräsentation, dem öffentlichen Weideauftrieb, der haus-eigenen Fohlenschau und natürlich zu den traditionellen Gestütsparaden in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Reit- und Fahrverein, die derart publikumswirksam sind, dass sie sich neben dem fachlichen Erfolg auch immer mehr zu einem wahren Volksfest gestalten. Den jährlichen Abschluss bildet die Weihnachtsgala. Sendig wäre nicht Sendig, wenn er sich nach der Über-

gabe des Staffelstabes an Tochter Anke nur noch dem familieneigenen Kräutergarten widmen würde. Heute ist es die Wagenremise, die der Seniorchef zu seinem Refugium bestimmt hat. Er legt großen Wert darauf, das die Besucher nicht nur Pferdeställe und Reithalle besichtigen, sondern auch in dieses Heiligtum des Gestütes schauen. „Das was du ererbt von deinen Vätern, bewahre es um es zu erhalten!“ frei nach Goethe in seinem Faust, das heißt für Dr. Sendig heute Kutschen, Wagen und Geschirre. Anfangs sei es ein reines Sammeln gewesen, um z. B. diese alten Fahrzeuge unters Dach zu bringen, die in den 70er und 80er Jahren vielen Genossenschaften im Wege waren. Deren Erhalt sei nicht zuletzt unter dem Aspekt wichtig, dass sie auch vom Können der Handwerker hierzulande künden. Neben dem Kut-schensammler Sendig hat sich mittlerweile ein von ihm gegründeter Verein zur Brauchtums- und Traditionspflege im ländlichen Raum unter der besonderen Berücksichtigung des Pferdes etabliert. Familie Sendig bedankt sich bei allen Akteuren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn ohne deren Fachkenntnis und Engagement ist diese Einmaligkeit „Gestüt Meura“ nicht zu erhalten. Auch den politisch handelnden Personen, insbesondere unserem Landwirtschaftsminister Dr. Sklenar ist besonders zu danken. Weiterhin gilt der Dank allen Geschäftspartnern und Züchterkolleginnen und – kollegen, die mit uns das Haflingerpferd zu Ihren Herzensangelegenheit machen. Dank gilt auch den Kommunen und Vereinen unserer Region und den vielen Besuchern unse-rer Zuchtstätte für Ihr Interesse am Kameraden Pferd Meura August 2006.