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Thomas Becker

Einf�hrungin die Phonetik und Phonologiedes Deutschen

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

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Einbandgestaltung: Peter Lohse, B�ttelborn

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet �berhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich gesch�tzt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzul�ssig.Das gilt insbesondere f�r Vervielf�ltigungen,�bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

i 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe dieses Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG erm�glicht.Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, HemsbachEinbandgestaltung: schreiberVIS, BickenbachPrinted in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24949-7

Elektronisch sind folgende Ausgaben erh�ltlich:eBook (PDF): 978-3-534-72763-6eBook (epub): 978-3-534-72764-3

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Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2. Phonetik und Phonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3. Das Lautinventar des Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.1. Konsonanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.1.1. Die Artikulationsparameter Artikulationsstelle,Artikulationsart und Stimmton . . . . . . . . . . . . . . . 20

3.1.2. Die Lautschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.1.3. Die Artikulation der Konsonanten . . . . . . . . . . . . . 253.1.4. Merkmale und nat�rliche Klassen . . . . . . . . . . . . . 29

3.2. Vokale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.2.1. Die Artikulationsparameter der Vokale . . . . . . . . . . 303.2.2. Die Lautschriftzeichen f�r Vokale . . . . . . . . . . . . . 313.2.3. Die Artikulation der Vokale . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.2.4. Die Diphthonge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.2.5. Das tats�chliche Problem der Gespanntheit und

das Scheinproblem des /[‰/ . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.6. Schwa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.2.7. Die ich-Laut/ach-Laut-Verteilung . . . . . . . . . . . . . 39

�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4. Akustische Phonetik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.1. Die Akustik der Vokale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.2. Die Akustik der Konsonanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

5. Die Silbenstruktur und Lautgrammatik des Deutschen . . . . . . . . 565.1. Die innere Struktur der Silbe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575.2. Silbenbezogene Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.3. Das Sonorit�tsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615.4. Pr�ferenzgesetze der Silbenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 625.5. Weitere Elemente der Lautgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . 685.6. Gibt es im Deutschen Affrikaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

6. Der deutsche Wortakzent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736.1. Phonetische Korrelate des Akzents . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

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6.2. Akzenttypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746.3. Akzentregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776.4. Normalit�tsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.5. Der deutsche Akzenttyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826.6. Morphologische Akzentregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83�bung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

7. Die Opposition von Kurz- und Langvokal im Deutschen . . . . . . 857.1. Silbenschnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857.2. Keine Vokalopposition in unbetonten Silben . . . . . . . . . . 897.3. Ambisyllabizit�t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917.4. Die phonetischen und phonologischen Korrelate

des Silbenschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957.5. Das Vokalsystem des Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

8. Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008.1. Zur Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008.2. Die Phonem-Graphem-Korrespondenzen . . . . . . . . . . . . 1018.3. Das silbische Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

8.3.1. Markierung des sanften Schnitts:Dehnungsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

8.3.2. Markierung des scharfen Schnitts:Sch�rfungsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

8.3.3. Weitere Indikatoren f�r die Silbenstruktur . . . . . . . . 1078.4. Das morphologische Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1088.5. Das historische Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113�bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116Lekt�re zur Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Antworten zu den �bungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Verzeichnis der Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

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1. Einleitung

Dieses Buch soll in knapper und kompakter Form das wichtigste Grundwis-sen �ber die Lautstruktur deutscher W�rter vermitteln. Es setzt nur minimaleKenntnisse der Sprachwissenschaft voraus und kann daher nach einem Ein-f�hrungskurs in die Sprachwissenschaft oder auch parallel dazu gelesenwerden.

Adressaten und Anliegen dieses Buchs: Es ist in erster Linie f�r Studieren-de der Germanistik in Bachelor- oder Lehramtsstudieng�ngen geschriebenworden, die sich schnell, aber gr�ndlich in die Phonologie des Deutscheneinarbeiten wollen und sich nicht unbedingt zu Sprachwissenschaftlernoder Phonologen ausbilden lassen wollen. Aber auch f�r diese ist es geeig-net, denn sogar die guten Lehrb�cher der Sprachwissenschaft behandelndie Phonologie des Deutschen stiefm�tterlich oder stellen sie unn�tig kom-pliziert dar. Ein wichtiges Anliegen dieses Buchs ist, zu zeigen, dass dieLautstrukturen des Deutschen einfacher sind, als sie �blicherweise gesehenund dargestellt werden. Dazu soll auch eine Vielzahl von Graphiken die-nen, die manche Strukturen leichter verst�ndlich machen als ein Text. Einweiteres Anliegen ist, die Leser f�r die Sichtweise dieses Buchs zu gewinnenund gegen m�gliche Alternativen zu argumentieren. Es soll versucht wer-den, ein m�glichst einfaches, aber koh�rentes Bild der deutschen Lautgram-matik zu zeichnen, die bis ins Detail auch erkl�rt werden kann, und zwardurch die Phonetik. Formale „Erkl�rungen“, etwa durch die Eleganz derDarstellung oder durch besonders raffinierte formale Repr�sentationen derLautstrukturen, erkl�ren in Wirklichkeit nichts; somit weicht die Darstellungdieses Buchs in einigen Punkten von den �blichen Darstellungen ab. Daherwird es wohl auch Dozenten der Sprachwissenschaft geben, die diesesBuch mit Gewinn lesen k�nnten.

Der Nutzen der Phonologie: Gr�ndliche Kenntnisse der Phonologiebraucht man z.B., wenn man die Schreibung der deutschen Sprache verste-hen will und vielleicht dieses Verst�ndnis an Sch�ler weitervermitteln will.Die Schrift hat in wesentlichen Z�gen eine Grundlage in der Lautstruktur,die man kennen sollte, aber in manchen Details eben auch nicht; dann pro-voziert die Lautstruktur Schreibfehler. Umgekehrt haben wir so gut wie kei-ne Intuitionen �ber die Lautstruktur, die nicht von der Schrift beeinflusstwerden. Da sich die Schrift doch immer wieder von der Lautstruktur ent-fernt, sind unsere Intuitionen oft falsch. So gibt es vielleicht immer nochLehrer, die ihren Sch�lern weismachen wollen, dass man den Unterschiedzwischen das und dass h�ren kann, und dass man seine Ohren aufmachensoll, um es richtig zu schreiben. Auch zwischen Rad und Rat oder zwischenFelle und F�lle besteht kein Unterschied in der Aussprache, jedenfalls nichtin der Standardsprache. Eine Grundschullehrerin sollte aber auch nicht nurdas Schreiben unterrichten, sondern auch imstande sein, zu erkennen, obein Sch�ler einen Sprachfehler hat oder einfach nur eine andere Mutterspra-che spricht oder einen anderen Dialekt.

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1. Einleitung

Die Phonologie ist aber nicht nur f�r das Grundschullehramt wichtig,sondern auch f�r die Sekundarstufen, denn die Metrik, die Lautsymbolikund die k�nstlerische Gestaltung der Sprache im Allgemeinen versteht mannur, wenn man ihre Lautstruktur kennt. Auch f�r Fremdsprachenlehrer undLehrer des Deutschen als Fremdsprache ist es wichtig, die Lautstrukturender Ausgangs- und der Zielsprache zu kennen. Wer die W�rter einer Fremd-sprache in seine eigene Phonologie presst, kann diese bis zur Unkenntlich-keit verst�mmeln. Daher ist dieses Buch auch f�r Anglisten, Romanistenoder Philologen anderer F�cher geeignet.

Die Phonologie ist aber auch f�r eine Vielzahl anderer Wissenschaftenwichtig, die nichts mit dem Schulunterricht zu tun haben, z.B. f�r die Pho-netik und Computerlinguistik, also Disziplinen, die den Ingenieuren zuar-beiten. Einem Fahrkartenautomaten oder einem Computer kann man dasSprechen beibringen, aber auch das Erkennen von Sprache, so dass er sie ingeschriebenen Text umsetzt oder Befehle befolgen kann. Theoretisch kannman einem Computer auch beibringen, an der Spracheingabe zu erkennen,ob sein Benutzer genervt ist oder nicht, woraufhin er gegebenenfalls aufeinen leichteren Bedienungsmodus umschalten kann. Dazu muss man wis-sen, welche Eigenschaften des akustischen Sprachsignals wie zu interpretie-ren sind.

Was in diesem Buch nicht zu finden ist: In diesem Buch geht es um dasabstrakte Lautsystem der deutschen Standardsprache. Die Dialekte desDeutschen werden so gut wie nicht ber�cksichtigt (vgl. dazu Niebaum/Ma-cha 2006), ebensowenig die Regionalsprachen (Schmidt/Herrgen 2011)bzw. die regionale Variation der deutschen Standardaussprache (K�nig1989). Ebenfalls nicht ber�cksichtigt wird das Deutsch, das außerhalbDeutschlands gesprochen wird (Ammon 1996), etwa in �sterreich (Muhr2008, http://www.aussprache.at/) oder der Schweiz (Hove 2002).

Die deutsche Standardaussprache wird durch Aussprachew�rterb�cherkodifiziert. Ein solches sollte jeder besitzen und h�ufig benutzen, und sei esnur, um die Fremdw�rter und fremden Eigennamen richtig auszusprechenund zu betonen. Heißt Chamisso „Scham�sso“, „Schamiss�“, oder „Kam�s-so“? Den Namen Chopin spricht man franz�sisch aus, kann man ihn auchpolnisch aussprechen, schließlich ist er ja in Polen geboren? Solche Fragenbeantwortet ein Aussprachew�rterbuch, z.B. Krech et al. 2009 oder (be-zahlbar) Duden 6.

Es gibt auch ein phonologisches W�rterbuch (Muthmann 1996), in demdie W�rter in einer Lautschrift angeordnet sind, so dass alle W�rter, die mit„sch“ anlauten, nebeneinanderstehen, auch wenn sie ganz unterschiedlichgeschrieben werden. Manchmal braucht man das, wenn auch nicht geradeoft, man sollte aber wissen, dass es auch so etwas gibt. Es gibt nahezu f�rjeden erdenklichen Zweck ein W�rterbuch, wor�ber Hausmann et al.1989–1991 Auskunft gibt.

In dem vorliegenden Buch wird die Phonologie weitgehend unabh�ngigvon der Morphologie behandelt (d.h. der Flexion und Wortbildung). Ganzohne Morphologie geht es nicht: Das Wort Holzapfel wird so ausgespro-chen, dass es kein unzusammengesetztes Wort sein kann. Aber es gen�gt,die Grenze zwischen den Teilen Holz und Apfel, die „Junktur“, zu ber�ck-sichtigen. Was die Phonologie nicht leisten muss, ist die Beziehung von Ap-

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1. Einleitung

fel und �pfel zu beschreiben, denn das geh�rt zur Morphologie. Es wurdeimmer wieder versucht, die Arbeit der Morphologie zu erleichtern, indemman die phonologischen Strukturen so raffiniert konstruiert, dass die Mor-phologie nur noch St�mme und Affixe nebeneinanderstellt und die lautlicheAngleichung (etwa der Umlaut von �pfel) dann von selbst geschieht. Nahe-gelegt wurde dieser Beschreibungsansatz von einem Klassiker der Phonolo-gie, einem ohne Zweifel genialen Werk, n�mlich Chomsky/Halle 1968. Al-lerdings hat dieses Werk in der Wissenschaft den Blick auf die eigentlichePhonologie f�r Jahrzehnte verstellt, so dass man es auch durchaus f�r sch�d-lich ansehen kann. In dem vorliegenden Buch wird die „Morphophonolo-gie“ der Morphologie �berantwortet und nicht behandelt. Eine deutlich an-dere Auffassung von Phonologie wird in Wiese 1996 vertreten.

Ein weiterer Bereich, der durchaus zur Phonologie geh�rt, wird ebenfallsnicht behandelt: die Satzphonologie (vgl. Kap. 2). Das ist die Phonologiegr�ßerer Einheiten, wie die von S�tzen oder Teils�tzen, etwa der Verlauf derTonh�he im Satz, die „Satzmelodie“. Die Satzphonologie muss in engemZusammenhang mit der Syntax (d.h. der „Grammatik“ im landl�ufigen Sin-ne) behandelt werden und kann auch nicht ohne Ber�cksichtigung der regi-onalen Variation gesehen werden, denn gerade die Satzmelodie ist ein si-cheres Merkmal, an dem die Herkunft eines Sprechers erkennbar ist, weilsie am schwersten durch die Sprecher zu kontrollieren ist (dazu Gilles 2005und Ulbrich 2005).

Ein weiterer interessanter Bereich, der in diesem Buch nicht behandeltwird, ist der Erwerb der Lautstrukturen durch Kinder oder Lerner des Deut-schen als Fremdsprache (dazu Klann-Delius 2008, Bruner 2002, Butz-kamm/Butzkamm 2008, Dieling/Hirschfeld 2000 f�r den Fremdsprachenun-terricht) oder die Probleme dabei, mit denen sich Logop�den befassen(Schnitzler 2008, Storch 2002), oder das Erlernen der Schreibung (Kirsch-hock 2004). Zur Psycholinguistik im Allgemeinen vgl. Rickheit et al. 2003;ein Lehrbuch ist Rickheit et al. 2002. Die Soziolinguistik untersucht, wiesich einzelne gesellschaftliche Gruppen wie Jugendliche durch ihre Aus-sprache voneinander abgrenzen (Pompino-Marschall 2004, Hamann/Zygis2004, K�gler et al. 2009, ein Lehrbuch ist Barbour/Stevenson 1998).

Die Phonologie anderer Sprachen hat prima facie in einem germanisti-schen Lehrbuch nichts zu suchen. Trotzdem werden an verschiedenen Stel-len andere Sprachen zum Vergleich herangezogen, wo sie f�r die Erl�ute-rung von Erscheinungen der deutschen Phonologie nutzbar gemachtwerden k�nnen. Streng genommen kann aber das Deutsche nur im Zusam-menhang mit den anderen Sprachen der Welt wirklich verstanden werden,nicht nur, was die Phonologie betrifft. Ein Lehrbuch der allgemeinen Phono-logie muss daher komplexer und anspruchsvoller sein. Empfehlenswert isthier Hall 2011, ein Lehrbuch, das dar�ber hinaus auch in neuere phonolo-gische Theorien einf�hrt. �ber die Lautsysteme in den Sprachen der Weltkann man sich informieren bei Ladefoged/Ferrari Disner 2012, Ladefoged/Maddieson 1995; ferner durch den „World Atlas of Language Structures“,der im Internet zug�nglich ist: http://wals.info.

Ein sehr bedeutender Bereich der Phonologie, der f�r das Verst�ndnis desLautsystems der deutschen Gegenwartssprache und f�r das Verst�ndnis derSchrift wichtig ist, ist die historische Phonologie und die Schriftgeschichte,

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1. Einleitung

die aber meistens von der Phonologie der Gegenwartssprache abgetrennt inB�chern und Seminaren behandelt wird. Dieser Bereich wird in dem vorlie-genden Buch nur dort punktuell abgehandelt, wo er unbedingt herangezo-gen werden muss. Ver�nderungen in der Sprache geben verl�sslichere Hin-weise auf das menschliche Sprachverm�gen als die gegenwartssprachlichenStrukturen selbst, da Lautwandel meist eine Anpassung schwieriger Struktu-ren an f�r die menschliche Kognition einfachere ist, w�hrend die gegen-wartssprachlichen Strukturen auch durch andere Faktoren, z.B. morphologi-schen Wandel, unnat�rlich geworden sein k�nnen. Lautwandel passt�berlieferte Strukturen dem menschlichen Gehirn an. Eine sehr materialrei-che Darstellung ist Paul 2007, eine knappe Einf�hrung ist Bergmann et al.2011, immer noch gut ist Penzl 1975. Sehr empfehlenswert ist Stricker et al.2012, ein Arbeitsbuch, das gegenwartssprachliche Strukturen historischerkl�rt.

Dieses Buch behandelt auch nicht die Geschichte der Phonologiefor-schung. Zur �lteren Forschung informieren sehr gut Fischer-Jørgensen 1975und Anderson 1985. Wichtige Klassiker, die man irgendwann gelesen ha-ben sollte, sind Sievers 1901, de Saussure 1916, Jakobson 1941, Jakobson/Waugh 1986, Chomsky/Halle 1968 und vor allem Trubetzkoy 1939.

Was in diesem Buch dann doch zu finden ist: Dieses Buch konzentriertsich, wie bereits gesagt, auf das Lautsystem der deutschen Gegenwartsspra-che. Im 2. Kapitel werden die Begriffe Phonetik und Phonologie voneinan-der abgegrenzt und erl�utert sowie ihre einzelnen Teildisziplinen kurz skiz-ziert. Im 3. Kapitel wird das Lautinventar des Deutschen dargestellt, dabeiwerden auch die Probleme der Systematisierung des Lautsystems angespro-chen. Das Vokalsystem kann nur in einer vorl�ufigen Version pr�sentiertwerden, da f�r die pr�zisierte Fassung in Kapitel 7 erst die Silbenstruktur er-l�utert werden muss. Im 4. Kapitel wird die Akustik der Vokale und Konso-nanten erl�utert. Ohne die akustische Phonetik kann man nicht verstehen,worin die Unterschiede zwischen den einzelnen Vokalen bestehen, da manja alle beliebig laut und mit beliebiger Tonh�he aussprechen kann. Ein an-deres R�tsel ist, wie man die Laute p, t und k unterscheiden kann, obwohlsie tats�chlich „stumm“ sind, d.h., obwohl man wirklich nichts h�rt, wennsie gebildet werden. In Kapitel 5 wird die Silbenstruktur erl�utert, und dieLautgrammatik, d.h. die Kombinierbarkeit der Laute zu W�rtern. Die Laut-grammatik des Deutschen l�sst sich auf wenige Prinzipien reduzieren. Kapi-tel 6 behandelt den Akzent. Der Akzent im Deutschen ist offenbar nicht be-liebig, trotzdem sucht man seit Jahrzehnten – wie ich meine vergeblich –nach Akzentregeln. Trotzdem kann man zum deutschen Wortakzent Aussa-gen machen. Das 7. Kapitel behandelt den Unterschied von Lang- undKurzvokal im Deutschen, der in den meisten Darstellungen der deutschenPhonologie sehr ungeschickt behandelt wird. Er wird in der Silbenstrukturgesehen. Erst in diesem Kapitel wird das Vokalsystem des Deutschen darge-stellt, das in Kap. 3 noch vorl�ufig bleibt. Das 8. Kapitel behandelt die Ver-schriftlichung des deutschen Lautsystems, das durch unterschiedliche Prin-zipien gesteuert wird, von denen einige das grundlegende phonologischePrinzip der Schreibung durchbrechen.

Jedes Kapitel wird mit �bungen abgerundet, die dazu anleiten sollen,den Text nicht passiv aufzunehmen, sondern mit ihm zu arbeiten. Nur bei

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1. Einleitung

einer aktiven Auseinandersetzung mit einem solchen Text kann man den In-halt optimal auffassen. Beim Lesen sollte man immer wieder den Bleistift indie Hand nehmen und etwas schreiben. Das Gelesene in irgendeiner Formschriftlich zu fixieren, ist eine erstaunlich schwierige Aufgabe, aber nurwenn einem das gelingt, kann man sich sicher sein, es verstanden zu haben.Begriffe, die man nicht versteht, sollte man erst im Index nachschlagen undsehen, ob sie nicht an anderer Stelle erl�utert worden sind. Nicht allelinguistischen Begriffe werden in diesem Buch erkl�rt. Es wird aber auf einGlossar verzichtet, weil bei der Einarbeitung in die Sprachwissenschaft dasArbeiten mit der Terminologie eine der wichtigsten Aufgaben ist. Dazu istein terminologisches W�rterbuch unerl�sslich (empfehlenswert ist Gl�ck2010).

Am Ende eines jeden Kapitels finden sich Empfehlungen f�r die vertiefen-de Lekt�re. Die dort genannte Literatur f�hrt durch eigene Verweise weiter,so dass man jedes Thema beliebig vertiefen kann.

F�r wertvolle Hinweise, die zur Verbesserung der ersten Version diesesBuchs viel beigetragen haben, danke ich Stefanie Stricker, f�r dies und dieHilfe bei der Manuskriptgestaltung Martina Osterrieder, Vincenz Schwab,Jan Henning Schulze sowie Frau Jasmine Stern f�r die Betreuung durch dieWissenschaftliche Buchgesellschaft – und zwar sehr herzlich!

Besonderer Dank geb�hrt meinem Doktorvater Theo Vennemann, der dieWeichen f�r die Entwicklung der hier dargestellten Auffassungen gestellthat, nat�rlich ohne f�r die dabei entstandenen Irrt�mer verantwortlich zusein.

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Dank

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2. Phonetik und Phonologie

Wozu Phonetik, wozu Phonologie? Wenn man vor dem Problem steht,einem franz�sischen Kommilitonen Unterricht in Deutsch zu geben unddieser Schwierigkeiten mit dem deutschen ch hat, z.B. im Wort ich, da eretwa immer „isch“ oder etwas hnliches ausspricht, so ist es sicher hilf-reich, wenn man ihm zeigen k�nnte, dass er den Laut nicht nur aussprechenkann, sondern es h�ufig auch tut. Er k�nnte ja zu den Franzosen geh�ren,die das Wort f�r ,ja‘, oui, manchmal nicht wie „wi“ sondern wie „wich“aussprechen – da ist unser ch: als Teil des Vokals i.

Was hat nun das ch mit dem i zu tun, und warum weiß man normaler-weise nicht, dass hier in einem Vokal ein Konsonant vorkommen kann?Die erste Frage beantwortet die Phonetik, die zweite die Phonologie.Wenn man ein i ausspricht, hebt man die Zunge im Vergleich zum asehr weit nach oben, so dass sie fast den Gaumen ber�hrt (man kann dassp�ren, wenn man abwechselnd ein a und ein i ausspricht). Wenn mandie Zunge nun noch etwas weiter hebt, wird der Abstand von Zunge undGaumen so eng, dass die durchstr�mende Luft Turbulenzen bildet, dieman als ein Rauschen h�rt: Wenn dann auch noch der Stimmton des Vo-kals wie beim Fl�stern wegf�llt, haben wir das ch. Im Franz�sischen wirdbeim i die Zunge etwas weiter gehoben als im Deutschen, daher hat dasfranz�sische i eine st�rkere Neigung, das ch zu entwickeln als das deut-sche.

Warum weiß man das normalerweise nicht? Diese Frage beantwortet diePhonologie. Das im i versteckte ch wird zwar ausgesprochen wie der deut-sche Konsonant, ist aber im Franz�sischen kein Konsonant. Ein Laut ist nurdann ein Sprachlaut (oder Phonem) einer bestimmten Sprache, wenn er indieser Sprache eine bestimmte Funktion erf�llt, n�mlich die Funktion, W�r-ter zu unterscheiden. Das ch unterscheidet im Deutschen z.B. die W�rterreich und reif; wenn wir diesen Laut im Deutschen nicht schreiben w�rden,k�nnten wir die W�rter Bleie und Bleiche nicht mehr unterscheiden. ImFranz�sischen gibt es solche Wortpaare nicht, man braucht den Laut nichtzu schreiben, denn das ch tritt nur an ganz bestimmten, vorhersagbarenStellen auf und unter bestimmten Bedingungen.

Das Deutsche hat ebenfalls einen solchen Konsonanten, den keiner kenntund den man nicht schreiben muss: Es ist der „Konsonant“, mit dem dasWort Apfel anlautet. Hier k�nnte man nat�rlich einwenden, dass das WortApfel doch mit einem Vokal anlautet – das ist auch richtig, denn der „Kon-sonant“ ist eben keiner, jedenfalls nicht im Deutschen. Dieser Laut wird ge-bildet wie ein p, nur an anderer Stelle: Ein p bildet man, indem man dieLippen verschließt, im Inneren des Mundes Luftdruck aufbaut und damitden Verschluss sprengt. Das Gleiche kann man auch mit den Stimmlippenim Kehlkopf, den Stimmb�ndern machen, dabei entsteht ein Konsonant,den man in der internationalen Lautschrift mit „%“ bezeichnet; er heißt„glottaler Plosiv“.

SprachlautPhonemFunktion

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2. Phonetik und Phonologie

Im klassischen Arabisch ist das ein ganz normaler Konsonant, der aucham Wortende vorkommt (in maa%, ,Wasser‘) oder auch verdoppelt im Inne-ren des Worts (tasa%%ala, ,betteln‘). Im Deutschen tritt er nur am Anfangeines Wortstamms vor Vokal auf und bei manchen Sprechern auch im Wort-inneren vor einer betonten Silbe, wenn diese auf Vokal anlautet, wie inThe%�ter (Theater). Wir schreiben diesen Laut nicht und haben damit trotz-dem keine Probleme beim Lesen. Die wichtigste Funktion dieses Lauts istdie eines Grenzsignals: Die ordentlichen Deutschen legen Wert darauf,Wortgrenzen (und auch im Wortinneren: Wortstammgrenzen) mit Silben-grenzen zur Deckung zu bringen, w�hrend in fast allen anderen Sprachendarauf verzichtet wird: Wie bei dem frz. „enchanement consonantique“wird auch im Englischen „gebunden“: Man sagt nicht %an %apple, sonderna napple.

Hier k�nnte man einwenden: Warum soll ich das wissen, ich kann dochDeutsch! Man muss das wissen, um ordentlich Englisch lernen zu k�nnen.Die Verwendung des glottalen Plosivs ist normalerweise unbewusst und da-her schwer kontrollierbar, daher muss man ihn durchschaut haben, um ihnim Englischen zu vermeiden. Wenn man in England auf einem Markt einenApfel kaufen will und ihn mit %an %apple bestellt, wird die Marktfrau er-schrecken, weil sie glaubt, man sei sehr ver�rgert. Oder sie sagt sich, das istbestimmt ein Deutscher, und die Deutschen sind ja immer schlecht gelaunt.Das will doch keiner.

Das ch im Deutschen und Franz�sischen auf der einen Seite und der glot-tale Plosiv im Deutschen und Arabischen auf der anderen sind jeweils pho-netisch mehr oder weniger gleich, weil sie gleich gebildet werden. Phono-logisch gesehen sind sie in den Sprachen verschieden, weil sie entwedereine wortunterscheidende Funktion haben oder nicht.

Phonetik vs. PhonologieDie Phonologie beschreibt die abstrakten Lautstrukturen sprachlicherußerungen, die Sprachlaute in ihrer Funktion im Sprachsystem zurUnterscheidung von W�rtern („bedeutungsunterscheidende Funk-tion“), ihr Vorkommen in den einzelnen Sprachen und die Kombinier-barkeit der Laute, kurz, die „Lautgrammatik“.Die Phonetik dagegen beschreibt die materielle Seite der Laute sprach-licher ußerungen, die Abl�ufe der Sprachproduktion und -wahrneh-mung durch die Sprecher, einschließlich der kognitiven oder neurona-len Aspekte, mit naturwissenschaftlichen Methoden, etwa mitExperimenten oder Messungen, ohne unmittelbare Ber�cksichtigungdes Sprachsystems.Die beiden Disziplinen sind nat�rlich nicht scharf getrennt, sondern�berlappen sich.

Die Einheiten der Lautgrammatik (Sprachlaute, Silben etc.) haben selbst kei-ne Bedeutung, sondern nur bedeutungsunterscheidende Funktion. DasWort Ei hat eine Bedeutung, nicht jedoch die Silbe ei, die in Eimer vor-kommt, und auch nicht der Diphthong ei, der in der ersten Silbe meis desWorts Meister vorkommt. Der Diphthong ei unterscheidet aber die W�rterschreiben und schrauben.

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In der Phonetik unterscheidet man drei Teildisziplinen:* Die artikulatorische Phonetik untersucht die Produktion durch den Spre-

cher,* die akustische Phonetik die physikalischen Eigenschaften des Schalls,* die auditive Phonetik die Wahrnehmung durch den H�rer.

Die ersten beiden Teildisziplinen werden in diesem Buch ansatzweise er-l�utert, die dritte nicht. Sie ist aber auch wichtig, weil wir die akustischenSignale nicht so wahrnehmen, wie sie sind; die menschliche Wahrnehmungist keine getreue Abbildung der Realit�t; wir h�ren z.B. nur T�ne zwischenca. 16 und 20.000 Hz. Unsere Wahrnehmung f�r Lautst�rkenunterschiedeist im leisen Bereich viel genauer als im lauten (was in der logarithmischenDezibel-Skala f�r Lautst�rke zum Ausdruck gebracht wird), etc.

Es gibt sogar so etwas wie akustische T�uschungen; ein sprachbezogenesBeispiel daf�r h�ngt mit der unterschiedlichen „intrinsischen Tonh�he“ derVokale zusammen: Im Durchschnitt hat das i einen h�heren Ton als das e.Dieser Unterschied wird durch die Wahrnehmung ausgeglichen. Wennman nun ein i und ein e mit physikalisch gleicher Tonh�he h�rt, wirkt das eh�her als das i, ein wahrgenommener Unterschied, der physikalisch nichtvorhanden ist.

Ein zweites Beispiel f�r die Relevanz der auditiven Phonetik: Wenn mandas Wort bibbern ins Mikrophon seines Laptops spricht und dann das i he-rausschneidet und f�r das i in Kiste einsetzt (es gibt Schneideprogramme,die einem das erm�glichen), und sich dann das neue Wort anh�rt, h�rt mannicht Kiste sondern K�ste. Das b links und rechts von dem i hat die Klang-qualit�t stark ver�ndert. Diese Ver�nderung korrigieren wir bereits in derWahrnehmung und machen sie gewissermaßen r�ckg�ngig, weil wir intui-tiv wissen, dass die Vokale durch ihre Umgebung beeinflusst werden. Wenndas i nun in einer anderen Umgebung auftritt, wird die Ver�nderung nichtr�ckg�ngig gemacht. Diese Erscheinung geh�rt zu den Konstanzph�nome-nen, die f�r die Wahrnehmung sehr wichtig sind. Wenn wir einen Bleistiftaus 50 cm Entfernung sehen, ist das Netzhautbild von ihm gr�ßer, als wenner einen Meter entfernt ist, trotzdem nehmen wir ihn als gleich groß wahr(Gr�ßenkonstanz); ein weißes Blatt Papier nehmen wir auch unter r�tlichemLicht als weiß wahr, obwohl das Netzhautbild r�tlich ist. Das Blatt w�rdeuns r�tlich erscheinen, wenn wir es wie bei dem Laut i durch einen entspre-chenden Trick in weiß beleuchteter Umgebung erscheinen lassen. DieseWahrnehmungskonstanz erm�glicht es dem Menschen, ver�nderliche Ein-dr�cke mit ein und demselben Objekt zu identifizieren und es so invariantwahrzunehmen. Ein Sprachlaut ist, wie wir noch sehen werden, ein h�chstabwechslungsreiches Ding, das wir auf wundersame Weise als ein Objektbegreifen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Phonetik und Phonologieliegt darin, dass die Einheiten der Phonetik kontinuierlich sind, die derPhonologie diskret. Keine zwei konkreten ußerungen z.B. des Worts Ap-fel sind artikulatorisch oder akustisch identisch, phonologisch gibt es abernur ein einziges Wort Apfel. Auch die Sprachlaute gehen (durch Koartiku-lation) in einander �ber, so dass man nicht genau bestimmen kann, wo einSprachlaut aufh�rt und ein anderer beginnt; das gilt vor allem f�r die Arti-

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kontinuierlichdiskret

Koartikulation