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Lehrstuhl Funktionswerkstoffe Einführung in die Funktionswerkstoffe Kapitel 4: thermische Formgedächtniswerkstoffe Prof. Dr. F. Mücklich, Dipl.-Ing. K. Trinh

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Lehrstuhl Funktionswerkstoffe

Einführung in die FunktionswerkstoffeKapitel 4: thermische Formgedächtniswerkstoffe

Prof. Dr. F. Mücklich, Dipl.-Ing. K. Trinh

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Lernziele Kapitel 4: thermische Formgedächtniswerkstoffe

• Welche Voraussetzungen müssen für den Formgedächtniseffekt erfüllt sein?

• Was genau passiert beim Einweg-/Zweiweg-Effekt?

• Was versteht man unter Superelastizität?

• Wie prägt man die verschiedenen Effekte auf? Wie trainiert man den Zweiweg-Effekt?

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FormgedächtniswerkstoffeWelche Voraussetzungen müssen für den Formgedächtniseffekt erfüllt sein?

1. Kompatibilität:

• neue Phase muss sich in Matrixphase bilden können d.h. ohne Mikrobrüche

• Gitterähnlichkeit muss vorhanden sein! Atomabstände, Symmetrie, Koordination z.B. krz-kfz, krz-hdp, kfz-hdp.

2. Geringe Diffusion:

• Umwandlungstemperatur T muss in einem T-Bereich liegen, in dem die Sprungzeit t0 für atomare Platzwechsel groß ist.

Hierbei ist t0 = b2/D mit D(T) = Diffusionskoeffizient in m2/s und b dem kleinsten Atomabstand!

Typischerweise: T 1/3 Tm

3. Reversibilität:

• Bei Erwärmung (- Umwandlung) muss die ursprüngliche -Struktur möglichst fehlerfrei wiederhergestellt werden können!

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Legierung Umwandlung Volumeneffekt

CuZn - 0

NiTi - 0

FeNi - + 0.03

FeMn - (hdp) - 0.01

MartensittransformationDie Rolle der Phasenumwandlung

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FormgedächtniswerkstoffeHistorie

Historisch:

• Entdeckung des „gummiartigen“ Effektes (Pseudoelastizität) an Au-47 at. % Cd

1932 durch Ölander et al.

• ~ 1950 Chang & Read entdecken Einwegeffekt an vorheriger Legierung.

• 1963 William Buehler: Memory-Effekt an NiTi (NITINOL-NiTiNaval Ordnance Lab)

Erzielbare Formänderungen liegen bei 6-8%!

Was genau passiert beim Einwegeffekt?

a) Ausgangspunkt ist ein austenitischer Einkristall.

b) Abkühlen unter Ms liefert Martensit mit bis zu 24 Varianten (Warum?)

c) Externe mechanische Spannung führt zum Wachstum günstig orientierter Martensitvarianten. Es entsteht schließlich ein martensitischer Einkristall!

d) Erwärmung über As überführt wieder die Martensitphase in die hochsymmetrische, kubische Austenitphase (Warum wandelt sich der Martensit nicht in einen Multivarianten-Austenit um?).

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FormgedächtniswerkstoffeEinwegeffekt

Schematische Darstellung

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FormgedächtniswerkstoffeEinwegeffekt

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FormgedächtniswerkstoffeEinwegeffekt

[Quelle: Kaack et al.]

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FormgedächtniswerkstoffeVerknüpfung Martensittransformation & Einwegeffekt

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FormgedächtniswerkstoffePseudoelastizität

[Quelle: Kaack et al.]

Video: Stent

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Formgedächtniswerkstoffe

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Formgedächtniseffekt

Superelastizität

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FormgedächtniswerkstoffeVergleich mit - Diagramm des Austenits

[Quelle: Thienhaus et al.]

- Diagramm des Austenits

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FormgedächtniswerkstoffeZweigeffekt

[Quelle: Kaack et al.]

Video: SMA-2way

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FormgedächtniswerkstoffeZweigeffekt

Wie trainiert man den Werkstoff?

• Durch Shape Memory Effect Training (SME-Training):

Die Formgedächtniswerkstoffe werden bei tiefer Temperatur verformt und anschließend über A f erwärmt. Diese Behandlung wird mehrfach durchgeführt, bis bei der Martensitbildung eine bevorzugte Variante entsteht.

•Durch Stress Induced Martensite Training (SIM-Training):

Mehrfache Verformung oberhalb Af. Dabei entsteht spannungsinduzierter Martensit mit einer bevorzugten Orientierung. Nach einigen Zyklen sind diese Varianten stabilisiert, so dass die Form im Niedertemperaturbereich ohne äußere Kraft eingenommen wird.

•Kombiniertes SIM + SME-Training:

Legierungen werden bei hoher Temperatur verformt und im eingespannten Zustand abgekühlt.

• Aufgrund von Ausscheidungen:

In Nickel-Legierungen mit ca. 50.5 at. % Ni scheiden sich bei thermischer Alterung oberhalb von 600 °C intermetallische Phasen Ni4Ti3 in linsenförmiger Gestalt aus. Bei Abkühlung entstehen elastische Spannungsfelder um diese Ausscheidungen, die das Wachstum bestimmter Martensitvarianten favorisieren.

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FormgedächtniswerkstoffeEinüben des Zweigeffekt

Shape Memory Effect Training (SME-Training)

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FormgedächtniswerkstoffeZweigeffekt

Wie trainiert man den Werkstoff?

• Durch Shape Memory Effect Training (SME-Training):

Die Formgedächtniswerkstoffe werden bei tiefer Temperatur verformt und anschließend über A f erwärmt. Diese Behandlung wird mehrfach durchgeführt, bis bei der Martensitbildung eine bevorzugte Variante entsteht.

•Durch Stress Induced Martensite Training (SIM-Training):

Mehrfache Verformung oberhalb Af. Dabei entsteht spannungsinduzierter Martensit mit einer bevorzugten Orientierung. Nach einigen Zyklen sind diese Varianten stabilisiert, so dass die Form im Niedertemperaturbereich ohne äußere Kraft eingenommen wird.

•Kombiniertes SIM + SME-Training:

Legierungen werden bei hoher Temperatur verformt und im eingespannten Zustand abgekühlt.

• Aufgrund von Ausscheidungen:

In Nickel-Legierungen mit ca. 50.5 at. % Ni scheiden sich bei thermischer Alterung oberhalb von 600 °C intermetallische Phasen Ni4Ti3 in linsenförmiger Gestalt aus. Bei Abkühlung entstehen elastische Spannungsfelder um diese Ausscheidungen, die das Wachstum bestimmter Martensitvarianten favorisieren.

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FormgedächtniswerkstoffeZweigeffekt

Wie trainiert man den Werkstoff?

• Durch Shape Memory Effect Training (SME-Training):

Die Formgedächtniswerkstoffe werden bei tiefer Temperatur verformt und anschließend über A f erwärmt. Diese Behandlung wird mehrfach durchgeführt, bis bei der Martensitbildung eine bevorzugte Variante entsteht.

•Durch Stress Induced Martensite Training (SIM-Training):

Mehrfache Verformung oberhalb Af. Dabei entsteht spannungsinduzierter Martensit mit einer bevorzugten Orientierung. Nach einigen Zyklen sind diese Varianten stabilisiert, so dass die Form im Niedertemperaturbereich ohne äußere Kraft eingenommen wird.

•Kombiniertes SIM + SME-Training:

Legierungen werden bei hoher Temperatur verformt und im eingespannten Zustand abgekühlt.

• Aufgrund von Ausscheidungen:

In Nickel-Legierungen mit ca. 50.5 at. % Ni scheiden sich bei thermischer Alterung oberhalb von 600 °C intermetallische Phasen Ni4Ti3 in linsenförmiger Gestalt aus. Bei Abkühlung entstehen elastische Spannungsfelder um diese Ausscheidungen, die das Wachstum bestimmter Martensitvarianten favorisieren.

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FormgedächtniswerkstoffeZweigeffekt

Erzeugung von Ausscheidungen

Ni4Ti3 Ausscheidungen haben eine rhomboedrische Struktur. Jeweils 8 Nickel und 6 Titan-Atome bilden eine Elementarzelle. Ausscheidungen entstehen als fein verteilte Plättchen in der Austenitmatrix. Große Spannungsfelder durch Schrumpfung um 2.7 % in [111]-Richtung und senkrecht dazu um 0.3 %. Ab einer Größe von 10 nm verlieren die Teilchen ihre Kohärenz zur Matrix [Kaack et al.].

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Thermische FormgedächtnislegierungenDas System NiTi

[Quelle: Kaack et al.]

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Thermische FormgedächtnislegierungenDas System NiTi

Die Abhängigkeit der Umwandlungstemperatur von der Zusammensetzung I

[Quelle: Kaack et al.] [Quelle: Thienhaus et al.]

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Weitere Legierungseinflüsse

• Substitution des Titans durch V, Cr, Mn und Al führt zu einer Absenkung der Transformationstemperaturen.

• Substitution des Nickels durch Co und Fe verringert ebenfalls die Umwandlungstemperaturen.

• Die Zugabe von Hf oder Pd erhöht die Transformationstemperaturen auf 300 bis 500 °C!

• Eine Variation der Hysteresebreite ist über die Zugabe von Nb möglich. T beträgt in diesem Fall bis zu 145 °C. Cu erniedrigt hingegen drastisch die Breite der Hysterese auf 4 °C.

Thermische FormgedächtnislegierungenDas System NiTi

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FormgedächtniswerkstoffeAnwendungen

Ventile für Hochgeschwindigkeitszüge (Bild: Shinkansen in Japan)Rohrkupplungen

GefäßstentsEndoskope

Roboter

Zahnspangen

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FormgedächtniswerkstoffeEigenschaften verschiedener Legierungen

[Quelle: Musolff et al. 2005]