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Abstract / Zusammenfassung der Lerneinheit
In dieser Lerneinheit stellen wir Ihnen die wesentlichsten Aspekte der
Gebäudetechnik vor. Beginnend mit der historischen Entwicklung wird das Gebäude
als System erklärt, der bauklimatische Planungsprozess dargestellt sowie das
strukturierte Vorgehen im Rahmen einer bauklimatischen Planung erläutert.
Lernziele
Nach dieser Lerneinheit können Sie
- die historische Entwicklung der Gebäudetechnik darstellen
- das „System Gebäude“ erklären
- das Vorgehen bei der Planung erläutern und die wichtigsten Schritte benennen
und begründen
Inhalt
Einführung in die Gebäudetechnik ............................................................................................. 1
Abstract / Zusammenfassung der Lerneinheit .............................................................................. 2
Lernziele ......................................................................................................................................... 2
1. Einleitung .............................................................................................................................. 3
2. Historische Entwicklung der Gebäudetechnik ....................................................................... 3
3. Aktuelle Entwicklungen und Strategien ................................................................................ 7
4. Das Gebäude als System: Bauklimatik ................................................................................. 10
5. Ein strukturiertes Vorgehen ................................................................................................ 12
6. Quellen ................................................................................................................................ 16
1. Impressum ........................................................................................................................... 16
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1. Einleitung
Gebäude bilden einen Grossteil des Lebensumfeldes des Menschen. Einerseits wird rund
40% des Endenergieeinsatzes in Europa für das Heizen und Kühlen sowie für die
Errichtung von Gebäuden und die Warmwasseraufbereitung aufgewendet (Seerig, A.:
2008). Andererseits bestimmt das Innenraumklima wesentlich unsere Lebensqualität und
Leistungsfähigkeit, da wir einen Grossteil unseres Lebens innerhalb von Gebäuden
verbringen.
Die Gebäudetechnik ist einer der beiden Teilgebiete der Versorgungstechnik, die Gebäude
im Fokus hat. Unter Versorgungstechnik fasst man heute alle technischen Massnahmen
zusammen, die in Räumen und Gebäuden, aber auch Betriebsstätten und Einrichtungen,
die keine Gebäude sind, der energetischen Versorgung (d. h. beispielsweise Beheizung
und Beleuchtung) sowie der stofflichen Versorgung (Wasser, Luft) und der Entsorgung
aller Abfallprodukte (Abwasser, Müll) dienen (Wikipedia).
Die Teilgebiete der Versorgungstechnik sind die Technische Gebäudeausrüstung (TGA)
bzw. die Gebäudetechnik. Diese Begriffe werden teilweise auch synonym verwendet.
Versorgungstechnik schliesst dabei alle Gebäudetypen sowie auch Anlagen mit ein, die
keine Gebäude sind, während sich die Gebäudetechnik mit allen Gebäuden, so auch
Nichtwohngebäuden und Industrieanlagen, beschäftigt.
Der Zweck ist jeweils, das Gebäude für die Bewohner und Nutzer „benutzbar“ zu machen
und verschiedene Sicherheitsaufgaben zu erfüllen. Einerseits sind damit üblicherweise
notwendige Ausstattungsmerkmale wie Kanalisation, Stromversorgung oder Beleuchtung
gemeint. Andererseits umfasst der Begriff aber auch alle zusätzlichen Anlagen, die z. B.
zur Automatisierung von Arbeitsvorgängen in Gebäuden eingesetzt werden.
2. Historische Entwicklung der Gebäudetechnik
Die Geschichte der Gebäudetechnik ist die Geschichte des Heizens: Seitdem der Mensch
gelernt hatte, selbst Feuer zu machen, diente ihm das offene Lagerfeuer über
Jahrtausende bis ins Mittelalter hinein als einzige Form der künstlichen Heizung. Der
grosse Nachteil offener Feuer bestand darin, dass sie nur so lange wärmten, wie sie
brannten und sich die Wärme schnell in alle Richtungen verflüchtigte. So machten sich die
Menschen Gedanken und die ersten „Energiekonzepte“ entstanden.
Das erste umgesetzte System entstand vor mehr als 2000 Jahren: der römische Kaufmann
Gaius Sergius Orata entwickelte ein Heizsystem, das als frühe Form einer Fussboden-
Zentralheizung gelten kann und das vor allem in öffentlichen Thermen Verwendung fand:
die sogenannte Hypokausten-Heizung Abb. 1). Dabei wurde Luft in einem zentralen
Brennofen erhitzt und in einen Zwischenraum unterhalb des Fussbodens geleitet, von wo
sie die Bodenplatte erwärmte. Die Energieeffizienz war allerdings gering und der
Brennstoffverbrauch entsprechend hoch (RWE, o. J.).
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Abbildung 1: Feuerstelle der Hypokausten-Heizung der rekonstruierten Thermen von Carnuntum, Gemeinde Petronell-Carnuntum, Niederösterreich. By Wolfgang Glock - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17108833
Ab dem 8. Jahrhundert wurde die offene Feuerstelle zunehmend durch gemauerte
Kamine ersetzt und von der Raummitte in eine Wandnische verlegt. Neben der höheren
Brandsicherheit bot der Kamin durch seine Fähigkeit Wärme zu speichern, eine höhere
Effizienz. Allerdings ging noch immer ein Grossteil der Wärme verloren, da der warme
Rauch über einen Rauchfang und Schornstein direkt nach draussen geleitet wurde.
Abbildung 2: Original-Wohnung aus dem Mittelalter (Schauwohnung): Küche (links Ofenherd, hier erfolgt auch die Befeuerung für den Kamin im Wohnzimmer) By User:Mattes - Own work, CC BY 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25855658
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Systematische Überlegungen zur technischen Versorgung von Bauwerken, die ein
Gebäude von seinen natürlichen Randbedingungen zunehmend entkoppelt – was in der
heutigen Zeit selbstverständlich ist – nahmen ihren Ursprung allerdings erst um das 18.
Jahrhundert. Eines der ersten Dokumente hierzu stammt von einem deutschen Pfarrer,
der 1720 eine Abhandlung zur „Wärmebedarfsberechnung von Gebäuden“ schrieb.
1716 entwickelte der Schwede Marten Trifvald die weltweit erste Warmwasser-
Zentralheizung, um damit ein Gewächshaus im englischen Newcastle zu beheizen. Sie
bestand aus einem Dampferzeuger und einem Rohrleitungssystem, in dem der heisse
Dampf unter hohem Druck zirkulierte.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schuf schliesslich der deutsche Ingenieur Hermann
Rietschel durch seine zahlreichen praktischen Arbeiten die Grundlagen für die heutige
Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden und erarbeitete das erste Hand- und
Lehrbuch für Heizungsingenieure. Nachdem über viele Jahrhunderte Holz und Kohle als
einzige Brennstoffe gedient hatten, kamen Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Öl-
und Gaskessel auf den Markt.
Pioniere im Heizungsbau waren damals die Brüder Buderus, die 1920 die ersten Pumpen-
Warmwasserheizungen produzierten und damit die Etagenheizung in die Mietshäuser
brachten. Bis sich diese allgemein durchsetzte, dauerte es allerdings. Erst seit den 1970er-
Jahren gehört die zentrale Wärmeversorgung in Neubauten zum Standard (Lenz, B.;
Schreiber, J.; Stark, T, 2010).
Abbildung 3: Zentrale Heizanlage der Miami University, 1907. By Snyder, Frank R.Flickr: Miami U. Libraries - Digital Collections - https://www.flickr.com/photos/muohio_digital_collections/3199625939/, No restrictions, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38841111
Inzwischen hatten sich auch Architekten dieser Thematik angenommen: Im Jahre 1926
veröffentlichte der deutsche Architekturprofessor Richard Schachner das „erste
umfassende Buch für Baufachleute über das Gebiet der Haustechnik“. Im Jahre 1940 fand
die Thematik dann auch nachhaltigen Eingang in die Ausbildung von Architekten, indem
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das Fach „Technischer Ausbau“ zur Pflichtveranstaltung im Grundstudium der
Architekturhochschulen entwickelt wurde.
Der „Ölpreisschock“ brachte Mitte der 1970er-Jahre das Thema Energieeffizienz auf die
Tagesordnung und führte zu einer rasanten Entwicklung der Heizungstechnik. Ergebnisse
sind unter anderem die moderne Brennwerttechnik sowie Wärmepumpen. Letztere
brauchen nur einen Bruchteil der Energie herkömmlicher Heizungen und können im
Niedrigenergiehaus optimal in Kombination mit einer Fussbodenheizung betrieben
werden.
Abbildung 4: Moderne Fussbodenheizung. Von H. Raab (User:Vesta) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=882183m
Schliesslich weckte im 20. Jahrhundert der hohe Energieverbrauch eine weitere
Motivation für die Betrachtung des Wärmeschutzes, zunächst allerdings aus Gründen der
Kosteneinsparung. In den Fachbüchern der 60er- und 70er-Jahre finden sich keine
Hinweise auf eine ökologische Motivation zu verbrauchsmindernden Massnahmen. Diese
entstand erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Zunehmend wurden technische Elemente
in die Gebäudehülle integriert, z.B. Photovoltaik in die Fassade (Abb. 5).
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Abbildung 5: PV Fassade am Power Tower der Energie AG (österreich). By Petrolli - Own work, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5355452
3. Aktuelle Entwicklungen und Strategien
In der Europäischen Union müssen alle Mitgliedsstaaten mit der Neufassung der Richtlinie
zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EU-Gebäuderichtlinie) bis zum Jahr 2020
sicherstellen, dass alle neu gebauten Gebäude so viel Energie erzeugen, wie sie selbst
verbrauchen. Für öffentliche Bauten gilt diese Massgabe bereits ab 2018.
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Vergleichsbeispiel Kirgisistan
Im Jahr 1998 wurden in Kirgisistan das Gesetz «Gesetz zur Energieeinsparung» eingeführt.
In 2009 wurde die kirgisische Baunorm SNIP KR 23-01:2009 aktualisiert. Seit Februar 2012
ist das «Gesetz über den Energieverbrauch von Gebäuden» in Kraft getretenen. Damit hat
die Regierung von Kirgisistan, Neubau und auch Renovierung von Gebäuden stärker am
Ziel der Einsparung von Heizenergie ausgerichtet.
Mit der Einführung moderner Energieverordnungen wurde der Bilanzraum vom
Nutzenergieverbrauch (früher) über den Endenergieverbrauch (aktuell) bis hin auf den
Primärenergieverbrauch (künftig) erweitert (Abb. 6). Zudem werden bei
Nichtwohngebäuden neben der Energie für Raumheizung und Trinkwassererwärmung
auch die Aufwendungen für Lüftung, Kühlung und Beleuchtung bilanziert. Damit werden
in einem Gebäude alle Energien – ausser dem nutzerspezifischen Verbrauch – während
der Nutzungszeit erfasst.
Abbildung 6: Primärenergieverbrauch
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Primärenergie Endenergie Nutzenergie
Thermische Energie, die dem
Verbraucher unmittelbar zur Verfügung
steht, z.B. als Wärme im Raum, als dem
Raum entzogene Wärme (Kühlung) oder
als Warmwasser an der Entnahmestelle.
Energie, die dem
Verbraucher zugeführt
und in Nutzenergie
umgewandelt wird. Dazu
zählen die Energie, die
von der letzten Stufe des
Handels (inkl.
nachbarliche Netze)
geliefert wird, und die am
Standort gewonnene und
benutzte Energie (z.B.
Photovoltaik). Die
Endenergie wird nach
Energieträger separat
ausgewiesen. Der
Energieinhalt von Brenn-
und Treibstoffen bemisst
sich nach dem Brennwert
(oberer Heizwert).
Form der Rohenergie,
die noch keiner
technischen
Umsetzung oder
Umwandlung und
keinem Transport
unterworfen worden
ist, z.B. Rohöl, Erdgas,
Uran oder Kohle in
der Erde, Holz im
Stand,
Solarstrahlung,
potentielle Energie
des Wassers,
kinetische Energie des
Windes.
Einflussgrössen
Raumtemperatur
Aussentemperatur
Temperaturen der angrenzenden Räume
opake Bauteile
transparente Bauteile
Personenbelegung
Betriebseinrichtungen
Regelung
Anlageneffizienz
Leitungsführung
Systemtemperaturen
Betriebsarten
Energiequelle
Gewichtung
Tabelle 1: Energiearten
Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung werden die Fragen der
ressourcenschonenden Energieerzeugung, einer effizienten Energieverwendung und die
Einführung einer Kreislaufwirtschaft zur existenziellen Notwendigkeit. Die am
Planungsprozess beteiligten Architekten und Ingenieure können hierzu einen
wesentlichen Beitrag leisten. Während im Bereich der Energieeinsparung und der
effizienten Energienutzung in den vergangenen Jahren zum Teil wesentliche
Entwicklungen eingeleitet wurden, bedarf es bei der Reduktion des
Emissionsaufkommens bei der Herstellung und beim Betrieb von Gebäuden (graue
Energie) noch grosser Anstrengungen. Hinsichtlich der Einführung einer
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Kreislaufwirtschaft für Baustoffe und Bauteile steht das Bauwesen noch weitgehend am
Anfang.
Als Grundlagen für ein vollkommenes Recycling der gebauten Umwelt können folgende
Ziele definiert werden:
Null-Energieverbrauch (Gebäude bauen, die in der Jahressumme keine Energie benötigen)
Null Emissionen (Gebäude bauen, die keine schädlichen Emissionen abgeben)
Null Rückstände (Gebäude bauen, die vollkommen recycelbar sind).
Diese Forderung einer dreifachen Null und ihre konsequente Durchsetzung wird künftig
der Massstab für die Entwicklung von Gebäuden werden.
Eine der grossen Herausforderungen dabei ist es, genau diese Standards auch in den
Städten zu erreichen.
Nur zwei Prozent der Erdoberfläche nehmen Städte ein, in denen 50% der
Weltbevölkerung leben und die 75% des Weltenergieverbrauchs ausmachen.
4. Das Gebäude als System: Bauklimatik
Bedingt durch den historisch gewachsenen gewerkeorientierten Ansatz wird in der
Planung häufig so vorgegangen, dass der durch die Architektur gegebene Baukörper mit
den ihm eigenen bau- physikalischen Randbedingungen losgelöst von der Technik
betrachtet wird. Die Architektur dominiert dabei während des gesamten
Planungsprozesses horizontal, die Fachplanung erfolgt vertikal (Abb. 7).
Abbildung 7: Konventioneller Planungsprozess
Die vielfältiger und komplexer werdenden Anforderungen an Form und Funktion eines
Gebäudes können im Rahmen einer derart voneinander unabhängigen Fachplanung der
Gewerke oft nur unzureichend berücksichtigt werden. Obwohl die einzelnen Gewerke in
sich optimiert werden, entstehen vielfach Gebäude mit einem hohen Technikanteil, die
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gekennzeichnet sind durch:
Geringe individuelle Einflussmöglichkeit des Nutzers.
Wenig Behaglichkeit und hohe Kosten.
Hohen Energieverbrauch und hohe Emissionen.
Eine standardisierte Lösung für diese Probleme zu finden, fällt einerseits auf Grund der
Nutzungs- und Formenvielfalt schwer und ist andererseits vielfach nicht sinnvoll.
Zur qualitativen und quantitativen Entwicklung von massgeschneiderten, miteinander
harmonierenden Lösungen aus Architektur, Bauphysik, Gebäudetechnik, Tageslicht,
Akustik und Brandschutz bietet sich ein ganzheitlicher Optimierungsansatz: Der integrale
Planungsansatz der Bauklimatik.
Bauklimatik ist interdisziplinäre Energie-, Behaglichkeits- und Sicherheitsplanung.
Sie betrachtet das Gebäude als Gesamtsystem, berücksichtigt die komplexen
Wechselwirkungen zwischen Fassade, Gebäudestruktur und technischer
Gebäudeausrüstung und verfolgt damit einen ganzheitlichen Planungsansatz:
Es geht um maximales Ausschöpfen der natürlichen Ressourcen, um maximalen
Aussenbezug des Nutzers durch weitgehend natürliche Klimatisierung, Belüftung und
Beleuchtung. Die Behaglichkeit – definiert als umfassendes Wohlbefinden des Menschen
im Gebäude – rückt mit Bauklimatik in den Mittelpunkt des Planungsinteresses
(Hausladen, G.: 2005).
Das Ziel der Bauklimatik sind energieeffiziente Gebäude mit einer an die jeweilige
Nutzung angepassten hohen Behaglichkeit. Das Gebäude wird als Ganzes betrachtet – ein
komplexes Gesamtsystem, dass es zu optimieren gilt (Abb. 8).
Abbildung 8: Bauklimatischer Planungsprozess
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Bauklimatik ist damit kein neues Fachgebiet, Bauklimatik führt im Rahmen des
Planungsprozesses die gewerkespezifisch erarbeiteten Einzellösungen zu einem
gewerkeübergreifenden Gesamtoptimum.
Als systemischer Ansatz bedient sich die Bauklimatik in starkem Masse dynamischer
Simulationen wie Gebäude- und Anlagensimulationen, CFD-Simulationen (Computational
Fluid Dynamics = Strömungssimulation, Brandsimulation) und Tageslichtsimulationen.
Das Werkzeug Simulation erlaubt es, virtuell am Computer zu „experimentieren“ und
nicht erst am Gebäude und den Anlagen. Vielfältige Varianten werden zunächst intensiv
getestet. Deren Auswirkungen – ob sofort oder über mehrere Jahre – werden für jede
Stunde des Jahres berechnet, bewertet und optimiert. Bauklimatisch Planen heisst aber
auch zu berücksichtigen, dass jedes (grössere) Gebäude ein Unikat ist.
Anders als im Automobilbau können Gebäude nicht umfangreichen Testreihen
unterzogen werden und die optimierten Prototypen dann vervielfältigt werden. An
Gebäude wird der hohe Anspruch gestellt, sofort nach Fertigstellung funktionieren zu
müssen. Dies erfordert eine gewisse Einfachheit und Robustheit. Nur durch Einfachheit
und Robustheit ist es aber auch im späteren Betrieb beherrschbar. Und dies bei
vertretbaren Unterhaltskosten, also Energie-, Wartungs-, Reinigungs- und
Instandhaltungskosten. Einfachheit ermöglicht schlussendlich auch viel eher den Umbau,
die Umnutzung und das Recycling eines Gebäudes.
5. Ein strukturiertes Vorgehen
Die Fragen, die im Rahmen der bauklimatischen Planung auftreten, sind vielfältig.
Einige typische, immer wiederkehrende Fragen sind:
Wie muss die Fassade gestaltet werden, um die solare Einstrahlung optimal zu nutzen (solare Gewinne im Winter vs. Überhitzungen im Sommer, Tageslichtnutzung)?
Wie kann man die natürliche Lüftung optimal einsetzen?
Wie kann man die Speichermassen optimal nutzen?
Welche Massnahmen führen zu welchem Raumklima?
Was sind die klimasensiblen Elemente der Planung?
Welcher Technikeinsatz ist erforderlich?
Welche Versorgungsmöglichkeiten sind möglich?
Für strukturierte Antworten auf diese Fragen ist ein strukturiertes Vorgehen notwendig.
Dies bedeutet, dass nach einer genauen Definition der Anforderungen und
Randbedingungen zuerst das Gebäude an sich so optimiert wird, dass es möglichst
geringe Investitions- und Betriebskosten aufweist (Energie, Reinigung, Wartung). Dies
wird erreicht z. B. durch
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eine günstige Kubatur,
eine Wärmedämmung, die neben winterlichem Wärmeschutz auch die sommerlichen Überhitzungen berücksichtigt,
angemessene Fensterflächen sowie
ausreichende Speichermassen.
Als nächster Schritt wird die Gebäudetechnik zur Abdeckung der verbleibenden Heiz- und
Kühllasten möglichst einfach und kostengünstig hinsichtlich Investition und
Wartungsaufwand geplant. Zuletzt wird die Frage der Energieversorgung entschieden. Je
früher die Bauklimatik einbezogen wird desto höher ist das Potenzial (Einsparungen,
Verbesserungen in der Behaglichkeit etc.) und desto geringer ist der Aufwand.
Schritt 1: Ziele und Prioritäten klären
Am Anfang jedes Projektes stehen eine Vielzahl von Wünschen des Kunden, Architekten
und Planers: Behaglichkeit, Betriebskosten, Investitionskosten, Ästhetik,
Tageslichtnutzung, Versorgungssicherheit, Feuchteschutz, Zugfreiheit, CO2-Reduktion,
Umweltverträglichkeit, Haltbarkeit, technische Sicherheit. Nicht alle sind zielführend und
gleich wichtig. Daher ist es im ersten Schritt überaus wichtig, gemeinsam mit allen
Beteiligten Ziele und Prioritäten festzulegen (Abb. 9).
Abbildung 9: Entscheidung über Ziele und Prioritäten
In der Schweiz beispielsweise ist dieses Vorgehen mit der Empfehlung 112/1 des
Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) als Zielvereinbarungsmodell
bereits normiert (Zielvereinbarungsmodell SIA). Aus dieser Festlegung heraus – die ein
gemeinsames und verbindliches Commitment sein sollte – folgen alle weiteren Schritte.
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Schritt 2: Randbedingungen definieren
Vor der eigentlichen Phase der Konzeptentwicklung und Optimierung steht bei einer
bauklimatischen Planung die Klärung der Annahmen und der im Projekt noch möglichen
Optionen. Gerade hier herrscht grosse Unsicherheit, da einerseits Randbedingungen nicht
oder nicht genau definiert werden. Andererseits wird vielfach nicht diskutiert, welche
Konsequenzen gewisse Annahmen nach sich ziehen können. Erwartungshaltungen
werden häufig enttäuscht, da Optionen nicht oder nur eingeschränkt vorhanden oder
gewollt sind.
Schritt 2.1: Randbedingungen diskutieren
Nutzungstyp (Büro, Besprechung, Aufenthalt etc.)
innere Lasten (Personen, Geräte, Beleuchtung)
Raumklima (ideal, noch zulässig, stundenweise tolerierbar)
energetische Anforderungen und Konsequenzen
Schritt 2.2: Mögliche Optionen diskutieren
Gebäudestruktur (Form, Orientierung)
Gebäudehülle (Verglasung, Verschattung)
bauliche Massnahmen (aktivierbare Speichermassen)
Gebäudetechnik (Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung)
Versorgung (Gas, Öl, Fernwärme, Strom, Erneuerbare Energie)
Schritt 3: Konzepte erarbeiten
In der konzeptionellen Phase geht es um die nachhaltige, energie- und kosteneffiziente
Umsetzung der definierten Ziele und Prioritäten. Es werden die Planungswerkzeuge
festgelegt (rechnerische oder messtechnische Verfahren, statische oder dynamische
Berechnungen, ein- oder mehrdimensionale Simulationen). In frühen konzeptionellen
Phasen (Vorprojekt) sollte das Planen noch in Varianten erfolgen: Intuition, Erfahrung,
Parameterstudien. Hier entstehen die Grobkonzepte, aus denen die Vorgaben für Bau,
Technik und Betrieb abgeleitet werden. Die Ergebnisse sollten frühzeitig mit dem
Bauherren und dem Architekten diskutiert und im Verlaufe des Projektfortschrittes
kontinuierlich eingeengt werden. In späteren Phasen (Bauprojekt) erfolgt die
Verfeinerung und Optimierung der Grobkonzepte und die Erstellung von Feinkonzepten.
Hier sind eine vertiefte Diskussion und eine iterative Optimierung mit den Fachplanern
notwendig.
Am Schluss der Bauprojektphase ist „Weniger Mehr“: Intelligente Gebäude statt
intelligenter Technik.
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Schritt 3.1: Bauliche Massnahmen
Ziel: Minimierung des Energiebedarfs an sich
Gebäudestruktur (Form, Orientierung)
Gebäudehülle (Verglasung, Verschattung)
bauliche Massnahmen (aktivierbare Speichermassen)
Schritt 3.2: Technische Massnahmen
Ziel: Optimale Deckung des Restenergiebedarfs
Gebäudetechnik (Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung)
Versorgung (Gas, Öl, Fernwärme, Strom, Erneuerbare Energie)
Schritt 3.3: Organisatorische Massnahmen
Ziel: Energie- und kostenminimaler Betrieb
Betriebsführung
Betriebsmonitoring
Energiebeschaffung
Weitere Schritte
Qualitätssicherung in der Ausschreibung, Justierung der Konzepte in der Phase der
Realisierung und Überwachung der richtigen Ausführung und schlussendlich ein aktives
Betriebsmonitoring sind zentrale Faktoren, dass die bauklimatischen Konzepte nicht nur
Theorie bleiben.
Ein wesentlicher Punkt der Qualitätssicherung stellt dabei eine klare Definition der
Prüfungen dar, die vor der Inbetriebnahme des Gebäudes durchgeführt werden (z. B.
Blower-Door, Thermografie, Funktionsprüfungen von Sicherheitskonzepten, integrale
Abnahmen etc.).
Konsequente Bauklimatik bedeutet: Dabei bleiben.
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6. Quellen
Seerig, A.: Bauklimatik – Planung nach Mass für energieeffiziente und behagliche
Gebäude. HLK, Wien, 8-9 / 08 (2008), Teil 1 + HLK 9-10 / 08 (2008), Teil 2.
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Versorgungstechnik
RWE – Die Geschichte des Heizens.
http://www.rwe.de/web/cms/de/1106912/rwe-magazin/rwe-magazin-archiv/archiv-
2011/ausgabe-3/geschichte-des-heizens/
Lenz, B.; Schreiber, J.; Stark, T.: Nachhaltige Gebäudetechnik.
Institut für Internationale Architektur-Dokumentation. München (2010).
EU-Gebäuderichtlinie http://eur-
lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:001:0065:0071:DE:PDF
Hausladen, G.: ClimaDesign. Lösungen für Gebäude, die mit weniger Technik mehr
können. Callwey, München (2005)
Zielvereinbarungsmodell SIA 112/1
http://www.eco-bau.ch/resources/uploads/SIA_112-1_2005_d-Auszug.pdf
Impressum
Herausgeber:
e-genius - Initiative offene Bildung in Technik und Naturwissenschaften
Postfach 16 1082 Wien Österreich
E-Mail: info(at)e-genius.at
Leitung: Dr. Katharina Zwiauer E-Mail: katharina.zwiauer(at)e-genius.at
Autor: Prof. Dr. Axel Seerig (Hochschule Luzern, Technik & Architektur, Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE) https://www.hslu.ch/de-ch/
Dezember 2017
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Bearbeitung finanziert durch:
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