Einführung in die Literaturwissenschaft

25
Einführung in die Literaturwissenschaft

description

Einführung in die Literaturwissenschaft. Themenübersicht. Literarizität : Was unterscheidet literarische Texte von anderen sprachlichen Äußerungen? Zeichen und Referenz : Wie stellen literarische Texte den Bezug sprachlicher Äußerungen auf ›Wirklichkeit‹ dar? - PowerPoint PPT Presentation

Transcript of Einführung in die Literaturwissenschaft

Page 1: Einführung in die Literaturwissenschaft

Einführung in die Literaturwissenschaft

Page 2: Einführung in die Literaturwissenschaft

Themenübersicht

• Literarizität: Was unterscheidet literarische Texte von anderen sprachlichen Äußerungen?

• Zeichen und Referenz: Wie stellen literarische Texte den Bezug sprachlicher Äußerungen auf ›Wirklichkeit‹ dar?

• Rhetorik: Was sind ›sprachliche Mittel‹?• Narration: Wie entstehen Geschichten?• Autorschaft und sprachliches Handeln: Wie greift

Schreiben in Wirklichkeit ein?• Intertextualität und Intermedialität: Wie beziehen sich

literarische Texte auf andere Texte / andere Medien?

Page 3: Einführung in die Literaturwissenschaft

Prüfungsleistung

Klausur, eineinhalbstündig

bestehend aus:

4 Fragen, von denen 3 beantwortet werden müssen

(Ort, Zeit: 1.2.2010, 16-18h, Audimax)

Voraussetzung: regelmäßige Teilnahme (Anwesenheitsliste!)

Page 4: Einführung in die Literaturwissenschaft

Literarizität

• Verfahren• Automatisierung/Entautomatisierung• Verfremdung• referentielle Funktion• poetische Funktion• emotive Funktion• phatische Funktion• konative Funktion• metasprachliche Funktion• Selektion/Kombination• Projektion des Prinzips der Äquivalenz von der Achse der Selektion

auf die Achse der Kombination• Verhältnis von Metasprache und Dichtung nach Jakobson

Page 5: Einführung in die Literaturwissenschaft

Zeichen und Referenz

• langue/parole• Synchronie/Diachronie• Saussures Kritik am

Sprachmodell der ›Nomenklatur‹

• Einheit des sprachlichen Zeichens

• Vorstellung/LautbildBezeichnetes/Bezeichnendessignifié/signifiantSignifikat/Signifikant

• Referenzobjekt/Referent• Arbitrarität des Zeichens

• Linearität des sprachlichen Zeichens

• ikonisches Zeichen• indexikalisches Zeichen• symbolisches Zeichen• die Kette der Zeichen nach

Peirce• ›Realismus‹ nach Barthes• Wirklichkeitseffekt• ›referentielle Illusion‹ nach

Barthes• Ekphrasis• Hypotypose• Wahrscheinlichkeit

Page 6: Einführung in die Literaturwissenschaft

Rhetorik

• drei Redegattungen: Lobrede / Beratungsrede / Gerichtsrede• vier Frageweisen: Vermutungsfrage / Definitionsfrage /

Rechtsfrage / Verfahrensfrage• drei Aufgaben des Redners: 1. belehren (docere); 2. erfreuen

(delectare); 3. bewegen (movere)• res und verbum• fünf Bearbeitungsphasen: inventio / dispositio / memoria / elocutio /

pronuntiatio• Rhetorik der Anti-Rhetorik• Tropen• Figuren• Metapher und Katachrese nach Quintilian• absolute Metapher

Page 7: Einführung in die Literaturwissenschaft

Narration

• Einfache Formen• Legende• Sage• Mythe• Memorabile• Roman• Erzählung (discours) – Geschichte (histoire) – Narration • drei erzählanalytische Kategorien: Zeit / Modus / Stimme• Prolepse / Analepse• Dauer (Erzählzeit / erzählte Zeit)• Frequenz: singulatives, repetitives, iteratives Erzählen• Erzählung von Ereignissen / Erzählung von Worten• berichtete Rede (direkte Rede, innerer Monolog)• narrativisierte oder erzählte Rede• transponierte Rede (indirekte Rede, erlebte Rede)• Fokalisierung (Nullfokalisierung, interne Fokalisierung, externe F.)• Polyphonie

Page 8: Einführung in die Literaturwissenschaft

Themenübersicht

• Literarizität: Was unterscheidet literarische Texte von anderen sprachlichen Äußerungen?

• Zeichen und Referenz: Wie stellen literarische Texte den Bezug sprachlicher Äußerungen auf ›Wirklichkeit‹ dar?

• Rhetorik: Was sind ›sprachliche Mittel‹?• Narration: Wie entstehen Geschichten?• Autorschaft und sprachliches Handeln: Wie greift

Schreiben in Wirklichkeit ein?• Intertextualität und Intermedialität: Wie beziehen sich

literarische Texte auf andere Texte / andere Medien?

Page 9: Einführung in die Literaturwissenschaft

Edgar Lee Masters: »Spoon River Anthology«  (1916)

Photograph Penniwit

Ich verlor meine Kundschaft in Spoon River,Weil ich der Kamera meine Geist aufzwingen wollte,Um die Seele meiner Modelle einzufangen.Das beste Bild, das ich jemals gemacht habe,War das des Rechtsanwalts Somers.Er saß sehr aufrecht da und bat mich zu warten,Bis er aufgehört habe zu schielen.Und als er soweit war, sagte er: »Jetzt!«Und ich rief: »Die Klage wird abgewiesen!« Darauf verdrehte er

wieder die Augen,Und ich kriegte ihn so, wie er immer aussah,Wenn er sagte: »Ich erhebe Einspruch!«

Page 10: Einführung in die Literaturwissenschaft

›Stimme‹ als Erzählkategorie: Sprechen als Handeln

Edgar Lee Masters’ »Spoon River Anthology« läßt nicht nur ein ›Ich‹ zu Worte kommen, sondern viele. Die Frage Wer spricht? ist für jedes seiner Gedichte anders zu beantworten. Dabei bildet der Name des jeweiligen Ich zugleich den Titel des Gedichts – hier: »Photograph Penniwit«. In einem Anhang zum Gedichtzyklus findet sich ein alphabetischer Index aller Namen, den man nutzen kann wie ein Telefonbuch, um zu erfahren, wie man die einzelnen Stimmen erreichen kann. Jede dieser Stimmen handelt, indem sie spricht.

Im vorliegenden Fall werden die Wirkungen der Worte »Die Klage wird abgewiesen!« auf der Photographie festgehalten. Es wird geradezu sichtbar gemacht, daß das Sprechen hier als Handeln fungiert.

Dabei zitiert das Gedicht Verhaltensweisen vor Gericht. Ein Gerichtsverfahren besteht im wesentlichen aus sprachlichen Handlungen: anklagen, verteidigen, Einspruch erheben, bezeugen, urteilen...

Page 11: Einführung in die Literaturwissenschaft

John L. Austin: »How to do things with words«

Der Philosoph John L. Austin (1911-1960) ist der Begründer der sogenannten Sprechakttheorie.

Austin geht von der Beobachtung aus, daß sprachliche Äußerungen nicht in jedem Fall ›Aussagen‹ oder ›Feststellungen‹ sind, sondern daß sie zu einer anderen Kategorie von Sätzen gehören können, bei der es darum geht, mit Worten Handlungen zu vollziehen.

Entsprechend unterscheidet Austin zwischen konstativen und performativen Äußerungen (von to perform, vollziehen).

Page 12: Einführung in die Literaturwissenschaft

Austin: »How to do things with words«

Als Beispiele für performative Äußerungen führt Austin an (S. 28f.):

a. »Ja (sc. ich nehme die hier anwesende XY zur Frau)« als Äußerung im Laufe der standesamtlichen Trauung.

b. »Ich taufe dieses Schiff auf den Namen ›Queen Elizabeth‹« als Äußerung beim Wurf der Flasche gegen den Schiffsrumpf.

c. »Ich vermache meine Uhr meinem Bruder« als Teil eines Testamentes.

d. »Ich wette einen Fünfziger, daß es morgen regnet.«

Page 13: Einführung in die Literaturwissenschaft

Austin: »How to do things with words«

»Jeder würde sagen, daß ich mit diesen Äußerungen etwas Bestimmtes tue (natürlich nur unter passenden Umständen); dabei ist klar, daß ich mit ihnen nicht beschreibe, was ich tue, oder feststelle, daß ich es tue; den Satz äußern heißt: es tun. Keine der angeführten Äußerungen ist wahr oder falsch; ich stelle das als offenkundig fest und begründe es nicht. Eine Begründung ist genauso unnötig wie dafür, daß ›verflixt‹ weder wahr noch falsch ist. Möglicherweise dient die Äußerung jemandem zur Information; aber das ist etwas ganz anderes. Das Schiff taufen heißt (unter passenden Umständen) die Worte ›Ich taufe‹ usw. äußern. Wenn ich vor dem Standesbeamten oder am Altar sage ›Ja‹, dann berichte ich nicht, daß ich die Ehe schließe; ich schließe sie.« (S. 29)

Page 14: Einführung in die Literaturwissenschaft

Bedingungen von Sprechakten

Immer wieder betont Austin, daß der Vollzug von Sprechakten von bestimmten Begleitumständen abhängig ist:

»Das Äußern der Worte ist gewöhnlich [...] ein entscheidendes oder sogar das entscheidende Ereignis im Vollzug der Handlung, um die es in der Äußerung geht (des Wettens zum Beispiel); aber es ist [...] immer nötig, daß die Umstände, unter denen die Worte geäußert werden, in bestimmter Hinsicht oder in mehreren Hinsichten passen, und es ist sehr häufig nötig, daß der Sprecher oder andere Personen zusätzlich gewisse weitere Handlungen vollziehen – ob nun körperliche oder geistige Handlungen oder einfach die, gewisse andere Worte zu äußern. Wenn ich ein Schiff taufen will, ist es zum Beispiel wesentlich, daß ich dazu bestimmt bin. Wenn ich (christlich) heiraten will, ist es wesentlich, daß ich nicht bereits mit einer noch lebenden Frau verheiratet bin, [...] und so weiter.« (S. 31)

Page 15: Einführung in die Literaturwissenschaft

Spielregeln der Performanz

(A.1) Es muß ein übliches konventionales Verfahren mit einem bestimmtenkonventionalen Ergebnis geben; zu dem Verfahren gehört, daß be-stimmte Personen unter bestimmten Umständen bestimmte Worte äußern.

(A.2) Die betroffenen Personen und Umstände müssen im gegebenen Fall für die Berufung auf das besondere Verfahren passen, auf

welches man sich beruft.

(B.1) Alle Beteiligten müssen das Verfahren korrekt(B.2) und vollständig durchführen.

(.1) Wenn [...] das Verfahren für Leute gedacht ist, die bestimmte Meinun-gen oder Gefühle haben, oder wenn es der Festlegung eines der Teil-nehmer auf ein bestimmtes späteres Verhalten dient, dann muß, wer am Verfahren teilnimmt und sich so darauf beruft, diese Meinungen und Gefühle wirklich haben, und die Teilnehmer müssen die Absicht haben, sich so und nicht anders zu verhalten,

(.2) und sie müssen sich dann auch so verhalten. (Austin, S. 37)

Page 16: Einführung in die Literaturwissenschaft

›Verunglücktes‹ sprachliches Handeln(A.1)

»Fehlberufungen«

Ich beleidige dich.(leere Berufung auf eine Konvention)

(A.2) Ich verspreche Dir, um fünf dazusein (ge-sagt zu jemand Abwesendem: Fehlanwen-dung einer Konvention).

(B.1)

»Fehlausführungen«

Ich sage nicht nein (Antwort des Diplomaten an den Standesbeamten: Trübung der Prozedur).

(B.2) Ich berichtige meine Behauptung, daß der Anteil 5% ausmacht (Lücke in der Prozedur)

(.1)

»Mißbräuche«

Ich verspreche zu kommen (gesagt von je-mandem, der nicht vorhat zu kommen: Unredlichkeit)

(.2) Ich verspreche zu kommen (gesagt von je-mandem, der dann doch nicht kommt: In-konsequenz)

Page 17: Einführung in die Literaturwissenschaft

Georg Christoph Lichtenberg: Aphorismus

»Wie geht’s«, sagt der Blinde zum Lahmen. »Wie Sie sehen«, sagt der Lahme zum Blinden.

Im Lichte der Sprechakttheorie sind (mindestens) drei Lesarten möglich:

1. Der Sprechakt verunglückt. Es geht um die Konvention des Grüßens. Der Blinde gebraucht eine Grußformel. Diese wird jedoch falsch verwendet (A.2).

2. Der Sprechakt gelingt. Der Blinde äußert sich ironisch; er macht einen Witz. Die Antwort des Lahmen zeigt, daß er ihn verstanden hat.

3. Der Sprechakt gelingt. Es handelt sich um die literarische Konvention des Aphorismus. Er reflektiert die wechselseitigen Verfehlungen, durch die Kommunikationsprozesse gekennzeichnet sind.

Performative Äußerungen, die mißglücken, sind nicht einfach wirkungslos. Sie können in einem anderen Sinne sehr wohl gelungen sein.

Page 18: Einführung in die Literaturwissenschaft

Über Wiederaufstieg und schnellen Untergang des Grillparzer-Preises

»Wie jede Nation hat auch Österreich seine umworbenen Literaten: Handke, Jelinek, Roth und wie sie auch alle heißen mögen. Und für diese eigentlich auch eine Ehrung, den Grillparzer-Literaturpreis. Nachdem seit 1973 dessen Verleihung durch die österreichische Akademie der Wissenschaften in Wien mangels Geldern eingeschlafen war, kam es 1990 anläßlich des bevorstehenden 200sten Geburtsjubiläums von Grillparzer zu einer von Beginn an umstrittenen Wiederbelebung. Die Stiftung des Hamburger Mäzens und Ehrensenators Alfred Toepfer stellte 210 000 Schilling für eine jährliche Dotierung bereit. Weder die braune Vergangenheit des Ehrensenators, noch die Tatsache, daß die Gründung seiner Stiftung damals von Nazipropagandaminister Goebbels mitbetrieben worden war, stellte für das Grillparzer-Kuratorium ein Hindernis dar. Über diesen Vorgang setzten heftige Diskussionen ein [...]. Schließlich bildete sich eine Vereinigung von Preiskritikern, die seit 1992 unter dem Label ›Anonyme Aktionisten‹ firmierte.«

Page 19: Einführung in die Literaturwissenschaft

Über Wiederaufstieg und schnellen Untergang des Grillparzer-Preises

»Kurz vor dem Zusammentreten der offiziellen Jury zur Nominierung eines Preisträgers für 1993 erhielten mehrere Tageszeitungen sowie der ORF ein Fax, das adressatenspezifisch einen jeweils unterschiedlichen prominenten Literaten zum Auserwählten erhob und eine kurze Würdigung seines Werkes enthielt. Es war in offiziösem Stil gehalten und mit dem Briefkopf des an der Preisvergabe beteiligten Rektors der Wiener Universität versehen. Gleichzeitig erhielten viele Autoren und Dichter entsprechende Telegramme, die die Bitte um umgehende Bestätigung der Preisannahme enthielten. [...] In den Kulturrubriken fast aller angeschriebenen Zeitungen erschienen entsprechende Meldungen. Jede Region hatte ihren eigenen Preisträger. Aufgrund der Vielzahl der Nominierten, der Bestätigungen einer Preisannahme bzw. der öffentlichen Ablehnung des Preises durch mehrere Autoren, kam es zu einer Vertagung der Preisverleihung. [...] Fortan legte sich ein Mantel des Schweigens um den österreichischen Grillparzer-Preis. Die für Januar geplante Festveranstaltung fiel aus, und nur eine Strafanzeige gegen Unbekannt blieb übrig.«(Aus: Luther Blissett/Sonja Brünzels: Handbuch der Kommunikationsguerilla. Berlin, Hamburg, Göttingen 2001, S. 212-216)

Page 20: Einführung in die Literaturwissenschaft

›Verunglückte‹ Preisverleihung

(A.1)

»Fehlberufungen«

(leere Berufung auf eine Konvention): trifft hier nicht zu, den es gibt die Konvention der Preisverleihung tatsächlich

(A.2) Die Preisvergabe wird von Leuten vorgenommen, die dazu nicht berechtigt sind (Fehlanwendung einer Konvention).

(B.1)

»Fehlausführungen«

Der Preis wird mehreren Leuten gleichzeitig zugesprochen (Trübung der Prozedur).

(B.2) Es wurde keine entsprechende Jury-Entscheidung herbeigeführt (Lücke in der Prozedur).

(.1)

»Mißbräuche«

Es werden Preisträger genannt, die gar nicht geehrt werden sollen (Unredlichkeit).

(.2) Die genannten Preisträger erhalten die Auszeichnung nicht (Inkonsequenz).

Page 21: Einführung in die Literaturwissenschaft

›Verunglücktes‹ sprachliches Handeln – ein Akt der Subversion

Das Beispiel zeigt, daß verunglückte sprachliche Handlungen dennoch Wirkungen zeigen können, daß sie dennoch Handlungen sein können.

Was Austin als verunglückte performative Äußerungen bezeichnet, kann sogar als ein planvolles Zuwiderhandeln fungieren, in dem mit Absicht gegen geltende Regeln verstoßen und damit eine bestimmte Wirkung erzielt wird – hier die Verhinderung des Grillparzer-Preises.

Mit solchen ›unernsten‹, ›uneigentlichen‹ Formen sprachlichen Handelns tut sich Austin im Rahmen seiner Theorie sehr schwer.

Page 22: Einführung in die Literaturwissenschaft

Sprachliches Handeln und Literatur

Austin schließt bestimmte sprachliche Äußerungsformen aus seinen theoretischen Überlegungen aus:

»[P]erformative[] Äußerungen [sind] als Äußerungen gewissen [...] Übeln ausgesetzt, die alle Äußerungen befallen können. [...] Ich meine zum Beispiel folgendes: In einer ganz besonderen Weise sind performative Äußerungen unernst oder nichtig, wenn ein Schauspieler sie auf der Bühne tut oder wenn sie in einem Gedicht vorkommen oder wenn jemand sie zu sich selbst sagt. Jede Äußerung kann diesen Szenenwechsel in gleicher Weise erleben. Unter solchen Umständen wird die Sprache auf ganz bestimmte, dabei verständliche und durchschaubare Weise unernst gebraucht, und zwar wird der gewöhnliche Gebrauch parasitär ausgenutzt. Das gehört zur Lehre von der Auszehrung [etiolation] der Sprache. All das schließen wir aus unserer Betrachtung aus. Ganz gleich, ob unsere performativen Äußerungen glücken oder nicht, sie sollen immer unter normalen Umständen getan sein.« (S. 43f.)

Page 23: Einführung in die Literaturwissenschaft

Sprachliches Handeln und LiteraturMit seinem Ausschluß ›unernster‹ Formen, mit denen er sich nicht befassen will, impliziert Austin im Grunde eine Theorie der Literatur.

Einerseits ist literarische Rede ohne Zweifel eine performative Äußerung: auf der Bühne wird etwas ›vollzogen‹.

Andererseits ist dieser ›Vollzug‹ seltsam ›unernst‹, uneigentlich. Die literarische Rede funktioniert weniger als sprachliches Handeln denn als Vorführung sprachlichen Handelns. Sie macht die Bedingungen dieses Handelns, seines Glückens und seines Verunglückens, sichtbar.

Diese Sichtbarmachung findet sich beispielhaft in dem Photographen-Gedicht von Masters. Der Photograph ruft unernst: »Die Klage wird abgewiesen!« und der Jurist verzieht wie üblich sein Gesicht, das der Photograph dann ablichtet.

Page 24: Einführung in die Literaturwissenschaft

Wie greift Schreiben in Wirklichkeit ein?

Eine erste Antwort auf diese Frage kann lauten, daß Schreiben insofern in Wirklichkeit eingreift, als sprachlichen Äußerungen generell eine Handlungsdimension innewohnt.

Literarisches Schreiben scheint sich dabei aber durch besondere Eigenschaften auszuzeichnen. Literatur vollzieht nicht nur sprachliche Handlungen, sondern sie kann zugleich auf die Bedingungen und die Beschaffenheit von Handlungen aufmerksam machen. Literatur stellt sprachliches Handeln gleichsam zur Betrachtung auf der Bühne aus - »Szenenwechsel« nennt Austin das.

Damit läßt Literatur das sprachliche Handeln in gewissem Maße uneindeutig oder sogar unwirksam werden, es lenkt das Handeln um, ›zehrt es aus‹ (Austin).

Literatur stellt sich aus dieser Perspektive als eine ihrer eindeutigen Handlungszusammenhänge beraubte, dekontextualisierte sprachliche Äußerung dar.

Page 25: Einführung in die Literaturwissenschaft

Texte und Folien im Netz unter:

www.uni-erfurt.de/literaturwissenschaft/

Paßwort für die Texte: