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Einfuhrung in die Dynamische Fiskalpolitik:
Modell mit unendlich-lebenden Agenten
Tim Mennel
Zentrum fur Europaische Wirtschaftsforschung (ZEW)
26/1/2008
Modell mit unendlich-lebenden Agenten
Die Erweiterung des Modellrahmens auf einen unendlichen Zeithori-zont hat zwei Motivationen:
• auf Haushaltsebene dient es der Analyse des Konsums von Dy-nastien (vgl. Teil 3)
• auf gesamtwirtschaftlicher Ebene dient es der Analyse von Spar-/Investitionsentscheidungen in Volkswirtschaften
Letztere Analyse folgt einer Arbeit von Frank Ramsey (1928), die denRahmen fur die Analyse von Spar-/Investitionsmodellen bildet.
Im Prinzip konnen wir das T -Perioden-Lebenszyklus Modell aus Kapi-
tel 1 auf unendlich viele Perioden erweitern. Wir benotigen aber ein
Aquivalent zu der Endbedingung
sT ≥ 0,
ansonsten konnten Haushalte oder Volkswirtschaften die Zukunft un-
endlich beleihen (’Ponzi-Spiel’).
Diese Bedingung heisst ’No-Ponzi’-Bedingung und hat die Form
limT→∞
(1 + r)−T sT ≥ 0.
Grundmodell nach Ramsey
Zur Analyse des (optimalen) Spar-/Investitionsverhaltens von Volk-
swirtschaften mussen wir den Einkommensprozess spezifizieren. Dazu
nehmen wir nun an, dass die Ersparnis in einen Kapitalstock investiert
wird, mit dessen Hilfe das Einkommen erzeugt wird:
yt = f(kt),
mit einer Produktionsfunktion f(.), die stetig diffbar, streng m. wach-
send und konkav ist. Der Einfachheit halber gelte vollstandige Kapita-
labschreibung, also ct = f(kt)−kt+1. Wie zuvor sei die Nutzenfunktion
u(.) stetig diffbar, streng monoton wachsend, streng konkav.
Formalisierung des Grundmodells
Das Ramsey Modell ist also ein Ein-Sektor-Wachstumsmodell mit
Konsumgut ct, Kapitalgut kt und vollstandiger Kapitalabschreibung
max(ct)∞t=1
∞∑t=0
βtu(ct)
s.t. ct + kt+1 = f(kt) t = 1,2, ...
ct ≥ 0, kt ≥ 0
Losungsansatz wie zuvor
Ersetze ct in der Zielfunktion durch ct = f(kt)−kt+1 und bilde Bedin-
gungen erster Ordnung bezuglich der Variablen kt+1:
0 = −βtu′(f(kt)− kt+1) + βt+1f ′(kt+1)u′(f(kt+1)− kt+2)
Mit ct und ct+1 ergibt sich die Euler-Gleichung
1 = βu′(ct+1)
u′(ct)f ′(kt+1).
Definiere nun die indirekte Nutzenfunktion
V0(k0) := max(kt+1)
∞t=0
∞∑t=0
βtu(f(kt)− kt+1)
Entsprechend kann man V1(k1), V2(k2), ... definieren.
Dann kann man das Maximierungsproblem folgendermassen umschreiben:
V0(k0) = maxk1
u(f(k0)− k1) + max(kt+1)
∞t=1
∞∑t=1
βtu(f(kt)− kt+1)
= maxk1
u(f(k0)− k1) + βV1(k1)
Bemerkung 1 Fur die indirekten Nutzenfunktionen gilt
V0(.) ≡ V1(.) ≡ V2(.) ≡ ...
Aus den bisherigen Uberlegungen folgt die Bellman-Gleichung zu un-
serem Beispiel
V (k0) = maxk1
u(f(k0)− k1) + βV (k1),
oder -in der zeitunabhangigen Form-
V (k) = maxk′
u(f(k)− k′) + βV (k′).
Allgemeine Herleitung der Bellman-Gleichung
Allgemein definieren wir das folgende Sequenzproblem (SP):
max(ut)∞t=0
∞∑t=0
βtr(xt, ut),
s.t. xt+1 = g(xt, ut)
ut ∈ Γ(xt)
wobei r(., .) eine konkave Funktion und Γ(.) eine stetige, konvexeKorrespondenz ist. Der Wert von x0 ist (exogen) gegeben.
Die xt ∈ Rn nennt man Zustandsvariablen und die ut ∈ Rm Kontroll-variablen.
Zunachst unabhangig formuliert man folgende Funktionalgleichung(FG) (dies ist die Bellman-Gleichung):
V (x) = maxu∈Γ(x) r(x, u) + βV (x′)s.t. x′ = g(x, u)
mit der Politikfunktion
h(x) = argmaxu∈Γ(x)r(x, u) + βV (g(x, u)).
Man zeigt (siehe spater), dass diese Gleichung (bei den gegebenenAnnahmen an g(., .) und Γ(.)) eine eindeutige Losung (V (x), h(x))besitzt.
Satz 2 Es sei (x∗t , u∗t )∞t=0 Losung von SP zu gegebenem x0. Dann ist
die Funktion
V (x0) =∞∑
t=0
βtr(x∗t , u∗t )
zusammen mit der Abbildung h : Rn → Rm mit u∗t = h(x∗t ) eine Losung
von FG. Umgekehrt sei (V (x), h(x)) eine Losung von FG. Dann ist
ut = h(xt)
xt+1 = g(xt, ut)
eine Losung von SP.
Beweis. Vgl. Stokey, Lucas mit Prescott, Kapitel 4
Funktionale sind Abbildungen zwischen Funktionenraumen.
Definiere das Funktional
T : C∞(Rn) → C∞(Rn)
T (W )(x) := maxu∈Γ(x) r(x, u) + βW (g(x, u))
Dann konnen wir FG als eine Fixpunktgleichung schreiben:
V (x) = T (V )(x)
Wann existiert eine Losung? Wie kann man sie berechnen?
Definition 3 (Kontrahierende Abbildung) Eine Abbildung T eines
normierten Raumes (S, ‖.‖) auf sich selbst heisst kontrahierend, wenn
es einen Faktor β mit 0 < β < 1 gibt, so dass fur alle x, y ∈ S gilt
‖T (x)− T (y)‖ < β‖x− y‖.
Satz 4 (Banachscher Fixpunktsatz) Es sei T eine kontrahierende
Abbildung eines metrischen Raumes (S, ‖.‖). Dann gibt es genau einen
Fixpunkt v ∈ S von T und es gilt fur alle v0 ∈ S
‖Tn(v0)− v‖ < βn‖v0 − v‖.
Satz 5 (Blackwell) Es sei X ⊂ Rn, B(X) der Raum der beschranktenFunktionen von X nach R mit der Maximumsnorm und T : B(X) →B(X) ein Operator mit den Eigenschaften
1. (Monotonie) fur f, g ∈ B(X ) und f(x) ≤ g(x) fur alle x folgt
(Tf)(x) ≤ (Tg)(x) ∀x ∈ X,
2. (Diskontierung) es gibt einen Faktor β mit 0 < β < 1 so dass
[T (f + a)](x) ≤ (Tf)(x) + βa ∀f ∈ B(X), a ≥ 0, x ∈ X.
Dann ist der Operator T kontrahierend mit Kontraktionsfaktor β.
T : C∞(Rn) → C∞(Rn)
T (W )(x) := maxu∈Γ(x) r(x, u) + βW (g(x, u))
aus der Formulierung der Bellman-Gleichung als Fixpunktgleichung
• ist kontrahierend (aufgrund der Blackwell-Bedingungen),
• bildet beschr. st. Funktionen auf beschr. st. Funktionen ab,
• bildet konkave Funktionen auf konkave Funktionen ab.
Beweis. Vgl. Stokey, Lucas mit Prescott, Kapitel 4
Die Euler-Gleichung lasst sich aus der Bellman-Gleichung herleiten.
V (x) = maxu∈Γ(x)
r(x, u) + βV (g(x, u))
hat die folgende Bedingung erster Ordnung
0 = ∂2r(x, h(x)) + β∂2g(x, h(x))V ′(g(x, h(x))).
Die Benveniste-Scheikman-Formel besagt
V ′(x) = ∂1r(x, h(x)) + β∂1g(x, h(x))V ′(g(x, h(x)))
Fur den Fall ∂1g(x, u) ≡ 0 vereinfacht sich die Formel zu
V ′(x) = ∂1r(x, h(x))
und wir gelangen zur Euler-Gleichung des Grundproblems:
0 = ∂2r(x, u) + β∂2g(x, u)∂1r(g(x, u), u′)
Die Herleitung gilt nur fur innere Losungen des
Maximierungsproblems in der Bellman-Gleichung!
Zusammenfassung dynamische Modelle
Zur Losung des (deterministischen) Sequenzproblems
max(ut)∞t=0
∞∑t=0
βtr(xt, ut),
s.t. xt+1 = g(xt, ut)
ut ∈ Γ(xt)
gibt es zwei Losungsansatze.
Erster Losungsansatz: Bellman-Gleichung
V (x) = maxu∈Γ(x) r(x, u) + βV (x′)s.t. x′ = g(x, u)
Zweiter Losungsansatz: Euler-Gleichung
0 = ∂2r(x, u) + β∂2g(x, u)∂1r(g(x, u), u′)
(Die Formel gilt nur bei innerer Losung und ∂1g(x, u) ≡ 0. Die allge-
meine Form der Eulergleichung ist 0 = F (x, u, u′).)
Das Ziel der Losung ist die analytische oder numerische Darstellung
der Dynamik des Systems durch die Politikfunktion
ut = h(xt),
die Bewegungsgleichung der Zustandsvariablen
xt+1 = g(xt, ut)
und die Spezifizierung der Anfangsbedingung x0. Man nennt dies ein
rekursives Gleichgewicht.
Steady-State Gleichgewicht
Ein Steady-State-Gleichgewicht (SS) (u, x) liegt vor, wenn Zustands-
und Kontrollvariablen sich nicht (mehr) uber die Zeit verandern, also
u = h(x) x = g(x, u).
Je nach okonomischem Modell konnen kein, ein oder mehrere SS
existieren. Zur Veranschaulichung kann man ein Phasendiagramm
benutzen.
Ein Steady-State (u, x) mit x ∈ V heisst stabil in einer Region V, wenn
fur alle x0 ∈ V die Sequenz
xt+1 = g(xt, h(xt))
gegen den Steady State konvergiert, also
limt→∞
xt = x.
Eine hinreichende Bedinung hierfur ist∣∣∣∣dxt+1
dxt
∣∣∣∣ < 1.
Sparen und Steady States
(Blanchard/Fischer)
Dynamische Anpassung
(Blanchard/Fischer)
Noch einmal das Ramsey-Grundmodell
Formuliere das Ramsey-Modell mit der Substitution ct = f(kt)−kt+1.
• Zustandsvariable: k Kapital heute
• Kontrollvariable: k′ Kapital morgen (zugleich Update von k)
• Zielfunktion r(k, k′) : u(f(k)− k′)
• Transformationsgleichung k′ = g(k, k′) : k′ = k′
Dies ergibt wie zuvor die Bellman-Gleichung:
V (k) = maxk
u(f(k)− k) + βV (k)
mit Bedingung erster Ordnung
−u′(f(k)− k) + βV ′(k) = 0.
Die Benveniste-Scheikman-Formel nimmt folgende Form an:
V ′(k) = u′(f(k)− k)f ′(k)
Dies ergibt die Eulergleichung
u′(f(k)− k′) = βu′(f(k′)− k′′)f ′(k′).
Hier bezeichnet k′′ die um eine Periode vorgeschobene Kontrollvari-
able bzw. die um zwei Perioden vorgeschobenen Zustandsvariable.
Resubstitution ergibt wie zuvor
1 = βu′(ct+1)
u′(ct)f ′(kt+1).
Beispiel: Ramsey-Modell mit Log-Nutzenfunktion
Es seien f(k) = Akα und u(c) = ln(c). Dann leitet man her:
k′ = h(k) = βαAkα
V (k) = E + F ln(k),
mit E = (1−β)−1[ln(A(1−αβ))+ βα1−βα ln(Aβα)] und F = α/(1−βα).
Die Eulergleichung lautet
1 = βαAk(α−1) c
c′.
Im Ergebnis konnen wir also folgendes festhalten:
Ist der Kapitalstock zum Zeitpunkt t gleich kt, lauten der Konsum
ct = (1− βα)Akαt
und der neue Kapitalstock
kt+1 = βαAkαt .
Beispiel: Ramsey-Modell mit CRRA-Nutzenfunktion
Es seien nun f(k) = Akα und u(c) = c1−σ
1−σ . Wir erhalten nun die
Eulergleichung
1 = βαAk(α−1)(c/c′)σ
und die Differenzengleichung
k′′ = A(k′)α − (βαA(k′)α−1)1/σ[Akα − k′].
Fur V (k) und h(k) gibt es keine geschlossene Form
⇒ numerische Approximation
Fur den Steady-State berechnet man
k = (βαA)1/(1−α)
und
c = Akα − k
= A(βαA)α/(1−α) − (βαA)1/(1−α).
Das Modell von Ramsey-Cass-Koopmans
... ist eine Erweiterung des Ramsey Grundmodells um Akkumulation
des Kapitalstocks, Arbeit und Bevolkerungswachstum.
Das Modell entspricht dem von Ramsey (1928) (mit Erweiterungen
von Cass (1965) und Koopmans (1965)) in diskreter Zeit (in den
Lehrbuchern typischerweise mit kontinuierlicher Zeit modelliert).
• Bevolkerung wachst konstant mit n, d.h. Nt = (1 + n)tN0
• Arbeitsangebot inelastisch, d.h. gleich Nt
• Gesamtproduktion Y = F (K, N) mit konstanten Skalenertragen
• pro-Kopf-Konsum c = CN , -Kapital k = K
N , -Produktion y = f(k)
• Nutzen nur aus Konsum (also wie vorher)
• Kapitalabschreibung null, d.h. Ntst = It = Kt+1−Kt (s Ersparnis)
Problem des Haushalts
Der reprasentative Haushalt maximiert seinen totalen Lebensnutzen
und nimmt dabei das Bevolkerungswachstum (sozusagen sein eige-
nens Wachstum), Lohn und Kapitalzins als gegeben an.
U = max(Ct)∞t=0
∞∑t=0
βtu
(Ct
Nt
)
s.t. Ct + It = wtNt + rtKt
It = Kt+1 −Kt
Problem der Firma
Vollstandiger Wettbewerb: d. h. der Lohn ist gleich dem Grenzpro-
dukt der Arbeit
wt = FN(Kt, Nt) (1)
und der Zins gleich dem Grenzprodukt des Kapitals
rt = FK(Kt, Nt). (2)
Die Anfangsbedingung ist der gegebene Kapitalstock K0.
Als Endbedingung legen wir die Transversalitatsbedingung
limt→∞
t∏l=0
(1
1 + rl
)Kt = 0
fest.
Man kann den Lohn auch in Termen des pro-Kopf-Kapitalstocks kt
ausdrucken:
wt = f(kt)− ktf(kt) (3)
und ebenso den Kapitalzins
rt = f ′(kt). (4)
Die Konsumspar-Entscheidung fuhrt zur Eulergleichung des Haushalts:
1 =β
1 + n[FK(Kt, Nt) + 1]
u′(Ct/Nt)
u′(Ct−1/Nt−1)
Zusammen mit der Kapitalakkumulationsgleichung
Kt+1 = Kt + It
= Kt + wtNt + rtKt − Ct
und der Anfangsspezifikation von K0 sowie der Transversalitatsbedingung
ist die Dynamik des Systems damit bestimmt.
Wir sind nun interessiert an der Berechnung des Steady-State. Dadie Bevolkerung konstant mit n wachst, und damit auch die eingeset-zte Arbeit, ist das Konzept eines Steady-State, in dem der gesamteKonsum Ct uber die Zeit gleich bleibt, offensichtlich ungeeignet.
Anstattdessen suchen wir nach einem konstanten Wachstumspfad derOkonomik, d.h.
ct+1 = ct = c kt+1 = kt = k,
so dass
Ct = (1 + n)tN0c Kt = (1 + n)tN0k.
Man setzt nun typischerweise β = 11+R, und erhalt aus der Euler-
gleichung mit c und k im Steady-State so
1 =1
(1 + n)(1 + R)[f ′(k) + 1].
Daraus ergibt sich approximativ die Gleichung
f ′(k) ≈ R + n.
Diese nennt man die Goldene Regel fur den Kapitalstock.
Aus der Goldenen Regel und der Akkumulationsgleichung kann man
auch die Gleichung fur den Konsum im Steady State
c = f(k)− nk
und die dazugehorige Ersparnisregel
s = nk
herleiten.
Problem des Sozialen Planers
Der soziale Planer maximiert die Wohlfahrt des unendlich lebenden
Agenten, fallt fur ihn die Konsumsparentscheidung und setzt die Pro-
duktionsmittel in optimaler Weise ein.
U = max(Ct)∞t=0
∞∑t=0
βtu
(Ct
Nt
)
s.t. Ct + It = F (Kt, Nt)
It = Kt+1 −Kt
Erneut leitet man die Eulergleichung
1 =β
1 + n[FK(Kt, Nt) + 1]
u′(Ct/Nt)
u′(Ct−1/Nt−1)
und die Kapitalakkumulationsgleichung
Kt+1 = Kt + It
= Kt + F (Kt, Nt)− Ct
her. Die dynamische Ressourcenallokation ist also exakt dieselbe wie
im Marktgleichgewicht.
Aus der Losung des sozialen Planer-Problems konnen wir folgendes
ableiten: In dem Modell von Ramsey-Cass-Koopmans gelten die bei-
den Hauptsatze der Wohlfahrtsokonomik.
Theorem 6 Wenn die Markte fur Guter, Arbeit und Kapital vollstandig
sind, dann ist jedes kompetitive Gleichgewicht Pareto-optimal.
Theorem 7 Wenn die Praferenzen der Haushalte und die Produk-
tionsmengen der Firmen konvex sind, dann ist jede Pareto-optimale
Allokation als ein kompetitives Gleichgewicht dezentralisierbar.
(vgl. Mas-Collel et al. 1995)
Ricardianische Aquivalenz
Der britische Okonom David Ricardo (1772-1823) stellte 1820 die
Frage, wie die Regierung einen Krieg finanzieren sollte, der im Jahr
U.S.$ 20 Millionen kostet:
• durch Steuererhebung von $ 20 Millionen Dollar pro Jahr
• oder durch Staatsanleihen mit unendlicher Maturitat und Zin-
szahlungen von $ 1 Millionen?
Ricardos Antwort:
”...in the point of the economy, there is no real difference in either
of the modes; for twenty millions in one payment [or] one million per
annum for ever ... are precisely of the same value...”
(aus ”Funding System”, zitiert nach Kruger 2005)
Ricardo selbst war skeptisch, was die empirische Validitat seines Ar-
guments betrifft:
”...but the people who pay the taxes never so estimate them, and
therefore do not manage their affairs accordingly. We are too apt to
think, that the war is burdensome only in proportion to what we are
at the moment called to pay for it in taxes, without reecting on the
probable duration of such taxes. It would be dicult to convince a man
possessed of $ 20.000, or any other sum, that a perpetual payment
of $ 50 per annum was equally burdensome with a single tax of $
1.000.”
Formale Herleitung im 2-Perioden-Lebenszyklus-Modell
• zwei Perioden, Krieg in erster Periode
• Staatsausgaben G1 (zweite Periode G2 = 0)
• Kopf-Steuern (Lump-Sum) T1 und T2
• Staatsanleihen B1 (zweite Periode B2 = 0)
• Budgetrestriktion der Regierung
G1 = T1 + B1
(1 + r)B1 = T2
• Erste Politik: Direkte Besteuerung, d.h. G1 = T1 und B1 = 0 undT2 = 0
• Zweite Politik: Staatsverschuldung, d.h. T1 = 0, B1 = G1 undT2 = (1 + r)B1 = (1 + r)G1
• Beide Politiken erfullen Budgetbeschrankung der Regierung.
Haushalte maximieren ihren Lebensnutzen
maxc1,c2
u(c1) + βu(c2)
mit der intertemporalen Budgetrestriktion
c1 +c2
1 + r= y1 +
y2
1 + r+ A,
wobei y1 und y2 das Nettoeinkommen der Haushalte ist.
Die Nettoeinkommen haben die Form (mit ei Bruttoeinkommen)
yi = ei − Ti.
Die Budgetrestriktion des Haushalts unter der ersten Politik lautet
c1 +c2
1 + r= e1 − T1 +
e21 + r
+ A,
unter der zweiten
c1 + B1 +c2
1 + r= e1 +
e2 − T2
1 + r+
(1 + r)B1
1 + r+ A.
Einsetzen der Werte fur T1, T2 und B1 ergibt beide Male
c1 +c2
1 + r= e1 +
e21 + r
+ A−G1 = I(r).
Die Aussage der ”ricardianischen Aquivalenz” folgt nun, da der Kon-
sumpfad durch die Eulergleichung
1 = β(1 + r)u′(c2)
u′(c1)
und durch die Budgetrestriktion
c1 +c2
1 + r= I(r)
vollstandig bestimmt ist.
Lebenszyklus-Modell mit T Perioden
Die Budgetgleichungen des Staates lauten
Gt + (1 + r)Bt−1 = Tt + Bt,
die des Haushalts
ct + Bt = yt − Tt + Bt−1(1 + r).
Das Auflosen der Gleichungen nach Bt und Einsetzen ergibt die in-
tertemporalen Budgetgleichungen
G1 +G2
1 + r+ ... +
GT
(1 + r)T= T1 +
T2
1 + r+ ... +
TT
(1 + r)T+
BT
(1 + r)T
und
c1+c2
1 + r+ ...+
cT
(1 + r)T= y1−T1+
y2 − T2
1 + r+ ...+
yT − TT
(1 + r)T−
BT
(1 + r)T.
In der letzten Periode darf der Staat keine Schulden hinterlassen, also
BT = 0.
Damit erhalten wir
T∑t=1
1
(1 + r)tct =
T∑t=1
1
(1 + r)tyt −
T∑t=1
1
(1 + r)tGt = I(r).
Wie im Falle von zwei Perioden folgt die Ricardianische Aquivalenz
aus Eulergleichung und Budgetrestriktion.
Ricardianische Aquivalenz im Ramsey-Kass-Koopmans-Modell
Wir erweitern das Modell von Ramsey-Kass-Koopmans um Staatskon-
sum Gt, Steuern Tt und Staatsanleihen Bt, die jeweils in der Folgepe-
riode ausgezahlt werden. Dann andert sich die Budgetgleichung des
Haushalts:
Ct + It + Bt = Ntwt + Ktrt + Bt−1(1 + rt)− Tt
Die Budgetgleichung des Staates lauten:
Gt + (1 + rt)Bt−1 = Tt + Bt
Wir konnen die Budgetgleichungen auflosen nach Haushaltskonsum
Ct = Ntwt + Kt(1 + rt)−Kt+1 + Bt−1(1 + rt)−Bt − Tt
und Staatskonsum
Gt = Tt + Bt −Bt−1(1 + rt).
Bilden wir die abdiskontierte Summe des Regierungskonsums, so er-
halten wir
∞∑t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)Gt =
∞∑t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)[Tt + Bt − (1 + rt)Bt−1]
=∞∑
t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)Tt + lim
t→∞
t∏l=0
(1
1 + rl
)Bt
=∞∑
t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)Tt,
mit der ”No-Ponzi”-Bedingung limt→∞∏t
l=0
(1
1+rl
)Bt = 0.
Genauso bilden wir die abdiskontierte Summe des Haushaltskonsums,setzen die Summe des Regierungskonsums ein und nutzen ”No-Ponzi”-und Transversalitatsbedingung:
∞∑t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)Ct
=∞∑
t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)[Ntwt + Kt(1 + rt)−Kt+1 + Bt−1(1 + rt)−Bt − Tt]
=∞∑
t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)[Ntwt − Tt] + K0 + lim
t→∞
t∏l=0
(1
1 + rl
)[Kt+1 + Bt+1]
=∞∑
t=0
t∏l=0
(1
1 + rl
)[Ntwt −Gt] + K0
Ahnlich wie im Lebenszyklusmodell kann man die intertemporalen
Budgetrestriktionen des Haushalts durch die obige globale Budgetre-
striktion ersetzen und sein Optimierungsproblem losen.
Aus diesen Uberlegungen folgert man den Satz uber Ricardianische
Aquivalenz:
Theorem 8 Im Modell von Ramsey-Cass-Koopmans hat eine fiskalis-
che Reform, die den abdiskontierten Gesamtwert des Staatskonsums
nicht verandert, sondern nur die zeitliche Abfolge der Besteuerung,
keine Auswirkungen auf den aggregierten Konsum.
Kritische Modellannahmen
• Haushalte haben unendlichen Konsumsparhorizont
• (Kredit)markte sind perfekt, Haushalte sind nicht kreditbeschrankt
• Besteuerung erfolgt ohne Wohlfahrtsverzerrung
• Regierung beachtet ”No-Ponzi” Bedingung
Ist Ricardianische Aquivalenz realistisch?
1. Barro (1974): Konsumenten verhalten sich wie Dynastien, d.h.sie planen Vererbung von Vermogen in Konsumsparplanen ein
2. Poterba & Summers (1987): Ricardianische Aquivalenz gilt ap-proximativ
3. Barsky, Mankiw, Zeldes (1986): Progressive Steuern und Einkom-mensunsicherheit fuhren zu einer Konsumerhohung bei Steuersenkun-gen
4. Auerbach (1997): U.S. Bundeshaushalt ist im Ungleichgewicht
Literatur
• Auerbach, A. (1997) ’Quantifying the Current U.S. Fiscal Imbalance’, NationalTax Journal 50 (6)
• Barro, R. (1974) ’Are Government Bonds Net Wealth?’, Journal of PoliticalEconomy 82 (6)
• Barsky, R., Mankiw, G., and S. Zeldes (1986) ’Ricardian Consumers withKeynesian Propensities’, American Economic Review 85 (3)
• Poterba, J. M. and L. Summers (1987) ’Finite Lifetimes and the Effects ofBudget Deficits on National Saving’, Journal of Monetary Economics 20 (9)
• Ramsey, F. (1928) ’A Mathematical Theory of Saving’, Economic Journal 38