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Seminar zur Vegetationsgeschichte Europas während des Quartärs WS 2001/02 Seminararbeit Riegler Dieter 9426061 Einleitung Mit dem Zerfall des Eisstromnetzes in den Alpen begann der Rückzug der Vegetation aus ihren Refugialräumen; der Alpenbogen stellte dabei ein wesentliches Hindernis dar. In dieser Seminararbeit wird die Einwanderung in die Alpentäler chronologisch und chorologisch behandelt. Bearbeitet wurde diese Fragestellung in den Nord- und Südtiroler Tälern, sowie in den Rheintälern, dem oberen Inntal und den Tessiner Alpen auf dem Schweizer Staatsgebiet. Die behandelte Zeitspanne beginnt in der Ältesten Tundrenzeit (Oldest Dryas) und endet mit dem Eingriff des Menschen. Diese anthropogene Beeinflussung der Vegetation setzte in allen Teilgebieten recht unterschiedlich ein und ist in Südtirol schon im Atlantikum und in Nordtirol erst im Subboreal erkennbar. Da die gesamte Thematik sehr umfangreich ist, wird zunächst die zeitliche Abfolge der Einwanderung der Holzpflanzen in die Alpentäler gezeigt. Dabei sollen folgende zwei Fragen beantwortet werden: Gab es Wanderungen über die Alpenpässe? Das Hauptaugenmerk liegt dabei bei folgenden Pässen (vgl. Abb.1): Tirol: 1-Brenner Pass (1370m), 2-Gerlos Pass (1507m), 3-Pass Thurn (1274m) Schweiz: 4-Lukmanier Pass (1916m), 5-San Bernhardino Pass (2065m), 6-Oberalp Pass (2044m), 7-Maloja Pass (1809m), 8-Albula Pass (2312m) Die Schweizer Pässe liegen weit über den Tiroler Alpenpässen, warum gerade sie bei diesem Thema so wichtig sind, wird sich im Folgenden zeigen. Gab es von manchen Baumarten bevorzugte Einwanderungshöhen? Beantwortet werden kann dies durch zwei oder mehr Mooren im annähernd gleichen Flussabschnitt, wie es im unteren Inntal in Zotensenk, Moor bei Krummsee und Lindenmoos der Fall ist (vgl. Abb.2). Die gesamte Arbeit beruht auf der Aufarbeitung der im Literaturverzeichnis genannten Texte. Dabei werden folgende Abkürzungen verwendet: PZ Pollenzone nach FIRBAS (nach BURGA (1979)) PS Pollensumme BP Baumpollen NBP Nichtbaumpollen EMW Eichen-Mischwald (Quercetum Mixtum) Seite 1

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EinleitungMit dem Zerfall des Eisstromnetzes in den Alpen begann der Rückzug der Vegetation ausihren Refugialräumen; der Alpenbogen stellte dabei ein wesentliches Hindernis dar. Indieser Seminararbeit wird die Einwanderung in die Alpentäler chronologisch undchorologisch behandelt. Bearbeitet wurde diese Fragestellung in den Nord- und SüdtirolerTälern, sowie in den Rheintälern, dem oberen Inntal und den Tessiner Alpen auf demSchweizer Staatsgebiet. Die behandelte Zeitspanne beginnt in der Ältesten Tundrenzeit(Oldest Dryas) und endet mit dem Eingriff des Menschen. Diese anthropogeneBeeinflussung der Vegetation setzte in allen Teilgebieten recht unterschiedlich ein und istin Südtirol schon im Atlantikum und in Nordtirol erst im Subboreal erkennbar.Da die gesamte Thematik sehr umfangreich ist, wird zunächst die zeitliche Abfolge derEinwanderung der Holzpflanzen in die Alpentäler gezeigt. Dabei sollen folgende zweiFragen beantwortet werden:

Gab es Wanderungen über die Alpenpässe?Das Hauptaugenmerk liegt dabei bei folgenden Pässen (vgl. Abb.1): Tirol: 1-Brenner Pass (1370m), 2-Gerlos Pass (1507m), 3-Pass Thurn (1274m) Schweiz: 4-Lukmanier Pass (1916m), 5-San Bernhardino Pass (2065m), 6-Oberalp

Pass (2044m), 7-Maloja Pass (1809m), 8-Albula Pass (2312m)Die Schweizer Pässe liegen weit über den Tiroler Alpenpässen, warum gerade sie beidiesem Thema so wichtig sind, wird sich im Folgenden zeigen.

Gab es von manchen Baumarten bevorzugte Einwanderungshöhen?Beantwortet werden kann dies durch zwei oder mehr Mooren im annähernd gleichenFlussabschnitt, wie es im unteren Inntal in Zotensenk, Moor bei Krummsee undLindenmoos der Fall ist (vgl. Abb.2).Die gesamte Arbeit beruht auf der Aufarbeitung der im Literaturverzeichnis genanntenTexte. Dabei werden folgende Abkürzungen verwendet:PZ Pollenzone nach FIRBAS (nach BURGA (1979))PS PollensummeBP BaumpollenNBP NichtbaumpollenEMW Eichen-Mischwald (Quercetum Mixtum)

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Abbildung 1: Übersicht – Untersuchungsgebiete

Kartographische Grundlage: Hölzel Ed. – Österreichischer Unterstufenatlas (1978)

Abbildung 2: Moore in Tirol

Kartographische Grundlage: Hölzel Ed. – Österreichischer Unterstufenatlas (1978)

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Vegetationsentwicklung in den UntersuchungsgebietenÄlteste TundrenzeitHier wurde in allen Tälern die erste Pioniervegetation festgestellt. Sie reichte im Inntal bisnach Innsbruck und bis auf den Gerlospass. In den oberen Seitentälern Ötztal und Silltalkonnte keine Vegetationsentwicklung festgestellt werden, da sie sich innerhalb desEgesenvorstosses befinden. Auch in der Gegend von Kitzbühl ist diese Phase in derÄltesten Dryas vorzufinden. Bei dem tiefgelegenen Moor „Sommersüss“ südlich desBrenner Passes bei Brixen ist ebenfalls schon die initiale Strauchphase feststellbar, in denhöhergelegenen Villandermooren (1780m Rinderplatz bis 2080m Dura-Moor) dagegennoch nicht.Für diese Apokraten kommen neben den Nunataker die Kältesteppen im Alpenvorland alsRefugialräume in Frage. Dabei handelt es sich meist um Gramineen-Cyperaceen-Artemisia-Gesellschaften mit Nebenvertretern wie Hippophae (Sanddorn), Juniperus(Wacholder) usw.. Die Summe der NBP beträgt meist über 75 bis max. 90%, die vereinzeltauftretenden BP werden als Fernflug oder Pollen von strauchartigem Gehölz (Betula nanaund humilis) interpretiert.Die Schweizer Zentralalpen wurden ebenfalls von der ersten Pioniervegetation besiedelt,dabei wurde die Südseite und Nordseite des San Bernhardino Passes eisfrei und dieorganische Sedimentation setzte ein. Der Pass selbst war noch längere Zeit von Eisbedeckt.

BöllingZu dieser Zeit begann die eigentliche Wiederbewaldung Tirols mit Pinus (Kiefer) undBetula (Birke). Vor dem explosionsartigem Ausbreiten der BP zeigt sich ein kurzer Anstiegvon Juniperus-, Salix- und Hippophae-Pollen. Die schon zuvor geringfügig auftretendenBetulapollen werden seltener und die baumförmigen Arten nehmen zu. Während dessenbeginnt der Anteil von Pinus langsam anzusteigen. Diese Initialphase derWiederbewaldung liegt ca. beim Übergang von der Ältesten Tundrenzeit zu Bölling. Nacheinem kurzen Betula-Gipfel (Südtirol 18%), markiert die Ausbreitung von Pinus den Beginndes Bölling-IS. Dieser Betula-Gipfel ist auch in den Schweizer Profilen nachweisbar (Bsp.:Crapteig 60%).Der Einzug zeigt sich bei den höher gelegenen Mooren etwas verspätet, wobei die

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Pinusexplosion erst gegen Ende des Bölling-IS ersichtlich ist (Gerlos, Kitzbühl). Die NBPspielen ab diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle.Wie schon erwähnt beginnt auch im untersuchten Schweizer Gebiet die Wiederbewaldungmit einem kurzen Betula-Anstieg. Jedoch konnten Pinus und Betula nur bis in das Gebietum Unterengadin vordringen, im Oberengadin herrscht zu dieser Zeit noch großteils diezuvor genannte Pinoniervegetation vor. Im Einzugsgebiet des Hinterrheins ist ein ähnlicherAblauf wie im Unterengadin ersichtlich, im Gebiet des Vorderrheins konnte bis zu diesemZeitpunkt nur die Birke bis zum Talschluss vordringen.

Ältere TundrenzeitIm Bereich des Gerlospasses zeichnet sich eine Zunahme der NBP ab. Im ProfilWasenmoss beginnt die Initialphase mit steigenden Werten der NBP (bis 80%) wieJuniperus ~17% und Artemisia ~20%.In allen anderen Profilen zeichnet sich die Ältere Tundrenzeit nicht sonderlich ab,WELTEN (1982) und BORTENSCHLAGER (1982) (nach BORTENSCHLAGER (1984))schlagen sogar eine Zusammenlegung von Ib und Ic vor, auch in der Schweiz konnte siebislang noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Dies liegt wohl daran, dass sieerstmals in Skandinavien festgestellt wurde und sich auf weiter südlich gelegene Moorenur unwesentlich ausgewirkt hat und so nur in den beiden hochgelegenen Passmoorendes Gerlospasses und des Pass Thurn nachweisbar ist.

AllerödPinus erreicht hier die größte Ausbreitung und zeigt auch in den einzelnen Profilen denhöchsten Anteil an der PS. Lokal kam es zu erhöhten NBP-Werten, da diese imUnterwuchs der lichten Kiefernwälder vorkamen. Die Waldgrenze hat sich nachBORTENSCHLAGER (1984) im Ötztal bis 1800m angehoben. Auch der Pass Thurn(1205m), wie auch der Gerlos Pass (1590m), sind nun mit einem Pinus-Betula-Waldbedeckt. Obwohl das Krotenweiher Moor unterhalb der Waldgrenze liegt (1300m) sindkeine Pollen auffindbar. Ein Grund dafür konnte aus der vorliegenden Literatur nichtermittelt werden.Zu dieser Zeit beginnt auch in den hochgelegenen Mooren (über 2000m) in Südtirol dasMoorwachstum. Es handelt sich um eine Initialphase mit Botrychium (Rautenfarne) undCichorium (Wegwarte).

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Die vorkommenden EMW-Pollen werden in allen Profilen als Fernflug bewertet. Dabeidürften nach SCHMIDT (1975) (nach SEIWALD (1980)) die ersten Vorposten schon bisnach Bozen vorgedrungen sein.Im Alleröd kommt es nun auch in der Schweiz zur Wiederbewaldung bis in Höhen von1500 bis 1700m, es spielt ebenfalls die Föhre die Hauptrolle, teilweise ist vermehrt dieBirke anzutreffen. Die Waldföhre (Pinus sylvestris) dominiert gegenüber der Bergföhre(Pinus cembra). Diese Phase tritt also in den meisten Schweizer Gebieten etwas späterein, die meisten Autoren sprechen von einer ausgedehnteren Juniperus-Phase in derSchweiz (BORTENSCHLAGER (1984)).

Jüngere TundrenzeitDer Anteil der NBP nimmt in den Profilen wieder zu. Eine starke Absenkung derWaldgrenze ist in den Profilen nicht direkt abzulesen, die Waldgrenze im Ötztal blieb bei1800m und im Gerlosgebiet lag sie bei 1500m. Eine Lichtung der Wälder durch dengerade genannten Anstieg der NBP kann jedoch angenommen werden. In den tieferenLagen ist ein Anstieg der Betula-Werte neben den erhöhten NBP festzustellen(Lindenmoos bis zu 50%).In Südtirol ist diese Klimadepression anhand des Anstiegs von Pinus cembra und demRückgang der Pinus sylvestris Pollen zu erklären, dies wurde mit dem C-14 Datum 10770±165 BP fixiert. In den Hochlagen ist ein Anstieg der Artemisia (Wermut) und Juniperus-Pollen (Wacholder) zu verzeichnen.Der genannte Wiederanstieg der NBP kommt auch in der Schweiz eindeutig zumAusdruck. Die BP sinken auf einen Anteil von 45 bis 55% der PS.

PräborealDas Präboreal beginnt mit dem vermehrten Auftreten der Pinus-Pollen und demHöhersteigen der Waldgrenze über 1800m. Zu Beginn waren die Pinus-Wälder mit Larixund Betula gemischt, gegen Ende des Präboreals handelt es sich beinahe um reineFöhrenwälder. In den tieferen Lagen wandert der EMW wieder ein, dies zeigt sich auch imAnstieg der EMW-Werte in den Hochlagen. In der Mitte des Präboreals beginnt dieWiederbewaldung der Hochlagen mit Pinus cembra (Zirbe) und Larix (Lärche), kurzdanach steigen auch die Werte von Betula und auch Alnus (Erle) in dieser Höhe.In den tiefen Lagen Nordtirols kommt es zum steilen Anstieg des EMW (Miesberg bis

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30%). Weiters sind die ersten Prozentwerte Alnus und Picea ersichtlich. Die gleicheEntwicklung zeigt sich auch im Bereich des Pass Thurn. Im Gerlos Pass Moor entwickeltesich ebenfalls der EMW, jedoch wird diese Phase von einem Präborealen Birkengipfel undeinem nachfolgenden kurzen Pinus-Anstieg eingeleitet. Der EMW dürfte nachBORTENSCHLAGER (1984) über den Brennerpass eingewandert sein. Dies lässt sichauch in den Pollendiagrammen ablesen, dabei beginnt der Anstieg des EMW Mitte desPräboreals im Moor Krotenweiher und im Lanser Moor erst gegen Ende des Präboreals.Parallel zum EMW-Einzug beginnt auch der Corylus (Hasel) Anstieg.Erstmals kommt es im Bereich Untergurgl Mitte des Präboreals zur organogenenSedimentation im Pillermoos, der Anteil der BP liegt dabei bei 80%. In dem liegendentonig-schluffigen Sediment reichten die NBP bis zu 30%. Dabei dürften die Hänge um dasMoor schon früher bewaldet gewesen sein, da der Gletscher das Tal nicht mehrvollständig ausfüllte. Im talabwärts liegenden Atemlöchermoos liegt der BP-Anteil sogarbei 90%. Zudem hatten sich auch die Gletscher der Stubaier Alpen so weitzurückgezogen, dass es im Moor bei der Franz Senn-Hütte ebenfalls zur organogenenSedimentation kam und sogar EMW als Fernflug nachgewiesen werden konnte. Es wurdeein Basisdatum von 9630 ±95 BP festgestellt.

In den Profilen des oberen Inntals und des Rheingebiets ist die starke Verbreitungder Kiefer (meist Pinus cembra) ersichtlich, der Einzug der Fichte und des EMW ist hiernoch nicht nachweisbar. Der EMW auf der Alpensüdseite ist teilweise in die TessinerAlpen eingezogen. Larix und Betula spielten eher eine Nebenrolle, die Hochlagen bis zu1600m wurden von den genannten Bäumen besiedelt. Gegen Mitte des Präboreals kommtes zu einer letzten kurzen Klimaverschlechterung, der sogenannte Piottino-Kaltphase.Nach ZOLLER (1964) könnte in den Tessiner Alpen auch erstmals die Tanne aufgetretensein.

BorealAm Beginn des Boreals zog sich das Eis weiter zurück und gab das Schönwies Moor inObergurgl zur Sedimentation frei (8960 ±140 BP). Dabei sind die einzelnen Werte denendes Pillermooses sehr ähnlich (80% Pinus cembra). Danach ist die Venedigerschwankungmit dem Anstieg der NBP (bis 40%) ersichtlich, die Waldgrenze dürfte unter das Moorabgesunken sein. Die tiefergelegenen Moore des Ötztals und das Krotenweiher Moor imSilltal weisen schon seit Beginn des Boreals die Einwanderung von Picea (Fichte) auf. Die

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Venedigerschwankung mit der NBP-Zunahme ist nur in den Profilen des Ötztals,Stubaitals und in dem des Gerlos Passes sichtbar, nicht im oberen Silltal, sie dauert in denüber 2000m liegenden Mooren bis in das Atlantikum (Schönwies 7880 ±170 BP).In den tieferen Lagen Nordtirols zeigt sich eine etwas verspätete Einwanderung der Fichte,BORTENSCHLAGER (1984) führt dies auf eine Einwanderung von oben zurück, wobeimeines Erachtens aber nicht der Einzug über die Alpenpässe gemeint ist, sondern eineHöhengliederung der Inntalvegetation. Dies wird auch durch die Datierungen mit 8860±170 BP (Lindenmoos, unteres Inntal) und 8605 ±85 BP (Krotenweiher, oberes Silltal)bestätigt. Die dominierende Vegetation des unteren Inntals und um Kitzbühl bildet derEMW (Miesberg 40%), Hauptanteil ist Fraximus (Esche) mit 10%. Im Wasenmoos amPass Thurn und im Krotenweiher Moor dominierte Corylus (Hasel) vor dem Picea-Anstieg.

Interessanterweise ist im tiefgelegenen Sommersüss Moor (870m) in Südtirol diesestarke Ausbreitung des EMW nicht nachweisbar, obwohl die Nordtiroler Moore großteilsweitaus höher liegen (bis ~1500m). Hier wird ein anfangs Pinus-dominiertes Areal, Mittedes Boreals von Picea durchsetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist auch ein Eindringen desMenschen in die Südtiroler Täler nachweisbar. In den höhergelegenen Mooren ist einekurze Klimaverschlechterung am Beginn des Boreals nachgewiesen. Danach kommt esauch in dieser Höhe zum Einzug der Fichte.Im Boreal steigt der Wald weiter bis zu ca. 2000m in die Höhe, dabei wandert auch derEMW in die Täler des Rheingebiets ein und gelangt in den Tessiner Alpen weiter nachNorden. Im fortgeschrittenen Boreal zieht die Fichte und die Tanne in die Rheintäler ein.Wobei die Fichte den beschwerlichen Weg über den San Bernhardino Pass nimmt um insMisox zu gelangen, für die Überquerung benötigte sie ca. 1000 Jahre. Im Misox konnte siesich jedoch auf Grund der schon weit verbreiteten Tanne nicht weiter vordringen.

AtlantikumDie Klimaverbesserung nach der Venedigerschwankung (im Stubaital auchFrosnitzschwankung) zeigt sich in den oberen Mooren des Ötztals mit dem Anstieg der BPund dem Auftreten von Abies (Tanne) und Fagus (Buche) als Fernflug. Der dominierendePollenspender dieser Höhe ist die Fichte. Auch am Gerlos Pass und in den ZillertalerAlpen wird die Fichte Mitte des Atlantikums immer dominanter (bis 75%), der EMW-Anteilnimmt immer weiter ab. Weiters kommt es in diesen Mooren zur sogenanntenRotmoosschwankung, sie wird in den Westalpen als Pioraschwankung (ZOLLER (1960))

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bezeichnet. In den Stubaier Alpen ist die Rotmoosschwankung nicht in allen Profilenfeststellbar.In den tieferen Abschnitten des Inntals und um Kitzbühl nimmt die Dominanz des EMWlangsam ab, Picea abies wird die dominierende Art. Gleichzeitig mit demDominanzwechsel treten Abies und Fagus erstmals auf. Die explosionsartige Ausbreitungvon Abies wurde mit 5580 ±60 BP datiert, dabei kann sich Picea nur noch kurz halten, dieBuche zieht ein. Auf dem Pass Thurn ist die gleiche Entwicklung mit etwas Verzögerungeingetreten.In den Südtiroler Tallagen ist im Älteren Atlantikum ein Betula-Anstieg auf Grund vonanthropogenen Einflüssen zu erwähnen, die Werte der Fichte schwanken zwischen 18und 26%. Zu Beginn des Jüngeren Atlantikums konnte Buche, Tanne und erstmals auchdie Hainbuche (Carpinus) nachgewiesen werden, die Kulturzeiger nahmen ebenfalls zu.Die Tanne breitet sich im Laufe der Zeit im Gegensatz zur Buche immer weiter aus.In den Hochlagen kommt es zur maximalen Fichtenausbreitung bis zum Ende des ÄlterenAtlantikum, danach wird sie von Pinus mugo (Latsche) und Alnus stärker bedrängt. DasEnde der Fichtenzeit zeichnet sich ab, gleichzeitig treten erstmals Kulturzeiger auf. Dabeiquert im Jüngeren Atlantikum die Erle den San Bernhardin Pass von Nord nach Süd.Picea erreicht nun das obere Inntal über den langen Weg quer durch Tirol und dieTessiner Alpen vom Hinterrheintal über den Berhardinpass. Abies nimmthöchstwahrscheinlich den Weg über den Lukmanierpass von Süden her, da sie in dieoberen Tessiner Täler schon weit fortgeschritten war. Eine Ausbreitung der Tanne in dasOberengadin kann heute noch nicht bestätigt werden, wird aber BORTENSCHLAGER(1984) als wahrscheinlich angesehen, da ihre Refugien auf der Apenninenhalbinsel lagen.Dagegen kann die Einwanderung der Buche von Osten in das Inntal als gesichertangesehen werden, ihre Refugialräume erstrecken sich vom Balkan bis zum SchwarzenMeer.

SubborealIm Inntal breitete sich der Buchen-Tannen-Wald aus, der EMW wird ganz aus dem Gebietverdrängt. Auch die ersten anthropogenen Einflüsse sind in den Profilen nachgewiesenworden. In den Hochlagen veränderte sich die Vegetation nur noch unwesentlich. ErsteKulturzeiger sind in der Schweiz im Profil „Affeier“ von MÜLLER (1971) imVorderrheingebiet erkennbar.

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ZusammenfassungGrundsätzlich kann man sagen, dass die Einwanderung der MitteleuropäischenHolzpflanzen in den tieferen Alpentälern am Beginn der PZ Ib (Bölling) einsetzte. Dienatürlichen Wanderbahnen, welche durch Konkurrenz der Pflanzen zueinander undKlimaschwankungen geprägt waren, endeten nach einer 7000-jährigen Geschichtezwischen Älterem Atlantikum in Südtirol, sowie Subboreal in Nordtirol und den SchweizerAlpen. Zusammenfassend werden nun kurz die Erkenntnisse zu den Wanderbahnendargestellt (vgl. Abb.3 und Abb.4): In den tieferen Lagen Nordtirols wurde

auf die etwas höhenmäßig gehobeneEinwanderung der Fichte verwiesen.Dies wird auch durch die Datierungenmit 8860 ±170 BP (Lindenmoos,unteres Inntal) und 8605 ±85 BP(Krotenweiher, oberes Silltal) bestätigt.Die Fichte schob sich bei derEinwanderung zwischen dieLaubwälder (EMW) der Tieflagen unddie Föhrenwäldern der Hochlagen undwanderte so aus dem Alpenvorlandnach Tirol ein. Da der Jungwuchs derFichte wesentlich mehr Licht als der derTanne benötigt, kann einePassüberquerung (Bsp.: Albula-Pass, Maloja-Pass) vom Inntal ausgehend auf Grundder großen Ausbreitung der Tanne in den Tessiner Alpen ausgeschlossen werden.

Bei der, an das Referat anschließenden Diskussion, wurde auf die Wanderung derHölzer durch die Täler selbst eingegangen. So sind die Bäume bei derWiederbesiedlung lokalen Kältezonen (Bsp.: vor den Zehrgebieten von Gletschern)ausgewichen und haben so teilweise höhere Bereiche eingenommen als die einzelnenProfilen zeigen (vgl. Präboreal – Pillermoos).

Das Rheintal durchwanderte Picea ebenfalls vom Alpenvorland her, jedoch gelang esihr den Lukmanier-Pass von Norden nach Süden zu queren. In den Tessin-Tälern

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Abbildung 3: Einwanderungshöhe Picea

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gelang ihr aber ebenfalls keine weitere Ausbreitung mehr, da, wie oben schon erwähnt,die Konkurrenz von Abies alba schon zu stark war.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Tanne von Südwesten über das Engadin in dasuntere Inntal einwanderte, da sie sich in Fichtenwäldern ausbreiten kann. Sieumwanderte den Alpenbogen auch von Osten her und trat im Boreal schon in NÖ auf.

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Abbildung 4: Übersicht – Wanderbahnen

Kartographische Grundlage: Hölzel Ed. – Österreichischer Unterstufenatlas (1978)

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Eine Einwanderung in das Inntal vom Alpenvorland ist aber auszuschließen, da sichihre weitere Ausbreitung über das Alpenvorland verzögerte.

Die Tanne querte den Lukmanierpass und breitete sich über das Vorderrheintal nachSchams im Hinterrheintal durch den vorhandenen Fichtenwald aus.

Die Buche wanderte von Osten nach Tirol ein, es gibt in der verwendeten Literaturkeine Anzeichen für eine Passquerung von Fagus silvatica.

LiteraturverzeichnisBortenschlager, I.: Beiträge zur Vegetationsgeschichte Tirols II: Kufstein-Kitzbühl-PaßThurn. in: Berichte Naturwissenschaftliche-medizinische Vereinigung Innsbruck 63, 105-137 (1976).Bortenschlager, S.: Beiträge zur Vegetationsgeschichte Tirols I: Inneres Ötztal und unteresInntal. in: Berichte Naturwissenschaftliche-medizinische Vereinigung Innsbruck 71, 19-56(1984).Burga, C. A.: Das alpine Spät- und Postglazial in Graubünden aufgrundgeomorphologischer und pollenanalytischer Untersuchungen. In: Vierteljahrsschrift derNaturforschenden Gesellschaft Zürich 132/1, 26-44 (1987).Burga, C. A.: Pollenanalytical research in the Grisons (Switzerland). In: Vegetatio 49, 173-186 (1982).Burga, C. A.: Pollenanalytische und geomorphologische Untersuchungen zurVegetationsgeschichte und Quartärgeologie des Schams und des San Bernardino-Passgebietes (Graubünden, Schweiz). Juris-Verlag (1979).Burga, C. A.: Swiss vegetation history during the last 18000 years. In: New Phytol 110,581-602 (1988).Hölzel, Ed.: Österreichischer Unterstufenatlas. Geographisches Institut Ed. HölzelGes.m.b.H. (1978).Müller, H. J.: Pollenanalytische Untersuchungen zum Eisrückzug und zurVegetationsgeschichte im Vorderrhein- und Lukmaniergebiet. In: Flora 161, 333-382(1972).Seiwald, A.: Beiträge zur Vegetationsgeschichte Tirols IV: Natzer Plateau-Villander Alm.In: Berichte Naturwissenschaftliche-medizinische Vereinigung Innsbruck 67, 31-72 (1980).Weirich J., Bortenschlager, S.: Beiträge zur Vegetationsgeschichte Tirols III: StubaierAlpen – Zillertaler Alpen. In: Berichte Naturwissenschaftliche-medizinische Vereinigung

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Innsbruck 67, 7-30 (1980).Zoller H.: Zur postglazialen Ausbreitungsgeschichte der Weißtanne (Abies alba Mill.) in derSchweiz. In: Separatadruck aus der <Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen> 11,681-700 (1964).

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