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Einsatz der Infrarot-Thermographie im Bauwesen Seite 1 Prof. Dr. rer. nat. Hermann Heinrich, Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dahlem Universitt Kaiserslautern Einsatz der Infrarot-Thermographie im Bauwesen Autoren : Prof. Dr. rer. nat. Hermann Heinrich, Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dahlem Fachgebiet Bauphysik / Technische Gebudeausrüstung / Baulicher Brandschutz der Universitt Kaiserslautern 1 Einleitung Die Gesamtheit der Gebude in Deutschland stellt den grten Anteil des Volksvermgens dar. Diese Werte zu erhalten, Schden im Gebudebestand zu vermeiden bzw. aufgetretene Schden zu beseitigen ist eine notwendige und herausfordernde Aufgabe, die eine klare Analyse voraussetzt. Messungen und Qualittsprüfungen sind hierzu erforderlich. Auch der Betrieb von Gebuden, also ihre bestimmungsgeme Nutzung ist mit Aufwand und Kosten verbunden. Ein groer Teil der Betriebskosten mu für Energie, im wesentlichen für Raumwrme aufgewandt werden. Auch hier ist als Ansatz für Senkungen zunchst eine Analyse des Ist-Zustandes erforderlich um hieraus Handlungsmglichkeiten ableiten zu knnen. Für eine sachgerechte Analyse sind Messungen notwendig. Für beide Anwendungsbereiche stellt die Infrarotthermographie eine hervorragende Memglichkeit dar, die insbesondere zur qualitativen Analyse sehr gut geeignet ist. 2 Wrmebrücken Ein besonderer Schwerpunkt im Bauwesen, sowohl bei der Schadens- als auch bei der energetischen Analyse ist die Untersuchung von Wrmebrücken, die durch die Thermographie deutlich erleichtert wird. Wrmebrücken stellen eine rtlich begrenzte Stelle in einer Konstruktion dar, durch die ein grerer Wrmeflu als in den angrenzenden Bereichen stattfindet. Die Folge ist dann eine Erniedrigung der inneren Oberflchentemperatur. (vgl. Abb. 1)

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Einsatz der Infrarot-Thermographie im BauwesenAutoren : Prof. Dr. rer. nat. Hermann Heinrich, Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dahlem

Fachgebiet Bauphysik / Technische Gebäudeausrüstung / Baulicher Brandschutz der Universität Kaiserslautern

1 Einleitung

Die Gesamtheit der Gebäude in Deutschland stellt den größten Anteil desVolksvermögens dar. Diese Werte zu erhalten, Schäden im Gebäudebestand zuvermeiden bzw. aufgetretene Schäden zu beseitigen ist eine notwendige undherausfordernde Aufgabe, die eine klare Analyse voraussetzt. Messungen undQualitätsprüfungen sind hierzu erforderlich.

Auch der Betrieb von Gebäuden, also ihre bestimmungsgemäße Nutzung ist mitAufwand und Kosten verbunden. Ein großer Teil der Betriebskosten muß für Energie,im wesentlichen für Raumwärme aufgewandt werden. Auch hier ist als Ansatz fürSenkungen zunächst eine Analyse des Ist-Zustandes erforderlich um hierausHandlungsmöglichkeiten ableiten zu können. Für eine sachgerechte Analyse sindMessungen notwendig.

Für beide Anwendungsbereiche stellt die Infrarotthermographie eine hervorragendeMeßmöglichkeit dar, die insbesondere zur qualitativen Analyse sehr gut geeignet ist.

2 Wärmebrücken

Ein besonderer Schwerpunkt im Bauwesen, sowohl bei der Schadens- als auch bei derenergetischen Analyse ist die Untersuchung von Wärmebrücken, die durch dieThermographie deutlich erleichtert wird.

Wärmebrücken stellen eine örtlich begrenzte Stelle in einer Konstruktion dar, durchdie ein größerer Wärmefluß als in den angrenzenden Bereichen stattfindet. Die Folgeist dann eine Erniedrigung der inneren Oberflächentemperatur. (vgl. Abb. 1)

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Abb. 1: geometrische Wärmebrücke - Ecke und Temperaturverlauf im ungestörten Wandfeld

Man unterscheidet hierbei:

��geometrische

��konstruktive

��materialbedingte

��massestrombedingte und

��umgebungsbedingte

Wärmbrücken.

3 Grundbegriffe der Bauthermographie

Die Bauthermographie kann angewandt werden zur Untersuchung von:

��Gebäuden (Wohngebäude, Zweckbauten) sowie von

��Ingenieurbauten (Brücken, Dämme)

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Der Schwerpunkt liegt allerdings eindeutig auf der Untersuchung von Gebäuden,wobei sich die Thermographie an die unterschiedlichen Fachgebiete richtet, wie:

��Bauphysik

��Baukonstruktion

��Technische Gebäudeausrüstung (TGA) und

��Denkmalpflege.

Die Infrarot-Thermographie wird dabei zur

��Bestandsuntersuchung,

��Ausführungskontrolle,

��Schadensanalyse,

��Sondermessung und zur

��Quantitativen Thermographie

eingesetzt.

4 Funktionsprinzip der Infrarotthermographie

Jeder Körper, dessen Temperatur über dem absoluten Nullpunkt (-273°C) liegt, strahltWärme in Form von Wärmestrahlung ab. Diese Wärmestrahlung hängt sehr stark vonder Temperatur dieses Körper ab (genauer: Die Strahlung steigt mit der vierten Potenzder absoluten Temperatur, also: Strahlung ~ T4 ).

Diese Strahlung kann mit geeigneten Detektoren erfaßt und gemessen werden, ähnlichwie z.B. mittels einer Solarzelle die Intensität des sichtbaren Sonnenlichtes gemessenwerden kann. Bei Infrarot-Kameras wird nun mit einer geeigneten Abtastvorrichtungdie von Körpern ausgesandte Wärmestrahlung punktweise erfaßt und abgerastert(= scannen) und auf einen Detektor gelenkt, der ein entsprechendes elektrisches Signalauslöst (vgl. Abb. 2). Mit diesem Signal wird dann auf einem Bildschirm einentsprechendes Farb- oder Grautonbild erzeugt, das die empfangene Strahlungflächenhaft widerspiegelt (Eindetektorsystem). Dieses Wärmebild, das dieTemperaturverteilung auf der Oberfläche des beobachteten Körpers widerspiegelt,nennt man �Thermogramm�.

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Abb. 2: schematischer Aufbau einer IR-Kamera (Flir)

In der Regel muß dieser Detektor gekühlt werden (z.B. mit flüssiger Stickstoff mit-196°C) um ein gutes Signal zu liefern. Ebenfalls ist eine aufwendige und schnelleElektronik mit zugehöriger Bildverarbeitungssoftware notwendig, um auswertbarethermische Bilder mit hohem Informationsgehalt zu erzielen.

Seit einigen Jahren sind auch Infrarotkameras auf dem Markt, die nicht mit einemeinzelnen Detektor und einer aufwendigen Scanvorrichtung arbeiten, sondern die miteiner auf einem integrierten Schaltkreis aufgebrachten �Matrix� von Detektorenausgestattet sind. Diese Matrix besteht z.B. aus 256 x 256 = 65536 Detektoren undsomit besteht das Bild auf dem Monitor aus einer entsprechenden Anzahl vonBildpunkten. Mit solchen Kameras können sehr schnell ablaufende Vorgängebeobachtet werden. Sie sind jedoch für den im Bauwesen interessierendenTemperaturbereich (noch) nicht allzu genau. Deshalb werden hier hauptsächlich die�scannenden� Systeme eingesetzt.

Neben der Temperatur spielt aber auch noch die Oberflächenbeschaffenheit desKörpers, dessen Temperatur man erfassen und messen will, eine Rolle. Dies drücktsich in der physikalischen Größe des �Emissionsgrades ε� aus, der bei einemidealisierten Körper, einem sogenannten �schwarzen Strahler� genau den Wert �Eins�hat. Bei realen Körpern, liegt dieser Wert meistens bei etwa 0,85 bis 0,95, also nur

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unwesentlich unter 1. Lediglich bei Metallen mit blanker Oberfläche ist dieser Wertsehr klein. Solche Oberflächen (z.B. Aluminium, Edelstahl o.ä.) können dannthermographisch nicht mit ausreichender Genauigkeit betrachtet werden, da dannStöreinflüsse durch reflektierte Strahlung eine zu große Bedeutung erreichen.

5 Randbedingungen der Bauthermographie

In der Regel erfolgt eine Thermographie der Gebäudehülle, wenn ein Wärmestrom voninnen nach außen fließt, also in der kalten Jahreszeit. Die Temperaturdifferenz solltemindestens 10 K betragen. Dann stellen sich detektierbare Temperaturunterschiede aufder Oberfläche der Bauteile ein, die thermographisch erfaßt werden können. EineAusnahme stellt die Fachwerkthermographie dar. Sie kann sehr gut im Sommerdurchgeführt werden.

Die Thermographie kann grundsätzlich von außen (Außenthermographie) und voninnen (Innenthermographie) erfolgen. Vorteilhaft ist bei der Außenthermographie, daßsich schnell große Flächen untersuchen lassen. Ein Beispiel für eineAußenthermographie zeigt die Abb. 3 mit dem Thermogramm eines Einfamilienhausesaus der Gründerzeit.

Abb. 3: Thermogramm eines Einfamilienhauses

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Nachteilig bei der Außenthermographie ist allerdings, daß sich auf der Außenseite,wegen des im Vergleich zu innen geringeren Wärmeübergangswiderstandes, nurgeringere Temperaturdifferenzen ausbilden. Dieser Sachverhalt ist in der Abb. 4 fürzwei Wandaufbauten mit unterschiedlichen k-Werten graphisch dargestellt. Währendaußen nur eine Temperaturdifferenz von 1,2 K auftritt beträgt die Temperaturdifferenzinnen 4,3 K.

Abb. 4: Temperturverläufe zweier Wände mit unterschiedlichem k-Wert

Mit der Innenthermographie kann somit prinzipiell genauer gemessen werden. Dafürist der Zeitaufwand für die Untersuchung einzelner Räume, Entfernen von Möbelnusw. allerdings deutlich höher. Es ist deshalb in der Regel empfehlenswert, zunächsteine Außenthermographie durchzuführen, um sich einen Überblick zu verschaffen unddann mit einer Innenthermographie Details genauer zu untersuchen.

Bei hinterlüfteten Bauteilen, wie einer zweischaligen hinterlüfteten Außenwand, wiesie in Norddeutschland besonders häufig zu finden ist, ist eine Außenthermographieunergiebig. Man kann dann nur von einer Innenthermographie Erkenntnisse erwarten.

An die Durchführung der Thermographie werden weitere Anforderungen gestellt.Diese sind detailliert in der �Richtlinie Bauthermographie� aufgeführt. So soll beistarkem Regen bzw. durchfeuchteter Fassade nicht thermographiert werden, ebensonicht bei starkem Wind.

Um einen hohen thermischen Kontrast zu erzielen, soll das Gebäude gleichmäßig

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(Innentüren auf) und möglichst hoch erwärmt werdenund zwar etwa 12 bis 24 Stundenvor der Messung, abhängig davon, ob leichte oder schwere Bauweise vorliegt. DieThermographie, insbesondere die Außenthermographie soll bei Dunkelheitdurchgeführt werden, um Störeffekte durch Sonneneinstrahlung zu verhindern.

Prinzipiell können kurzwellige und langwellige Infrarotkameras verwendet werden,doch weisen langwellige Systeme deutliche Vorteile auf. In der Baupraxis liegt der zuuntersuchende Temperaturbereich typischerweise zwischen �10°C (Außenwand, imWinter) und etwa +100°C (Heizkessel). In diesem Temperaturbereich beträgt diethermische Auflösung der heute auf dem Markt befindlichen Infrarotkameras bis zu0,1 K oder sogar besser, was für die allermeisten Anwendungsfälle mehr alsausreichend ist.

Ein prinzipielles Problem stellt bei der Temperaturbestimmung mittelsInfrarotstrahlung, wie bereits erwähnt, der meist nicht genau bekannte Emissionsgrad εder Oberfläche des Infrarotstrahlers dar. Deswegen können Absoluttemperaturen in derPraxis nicht allzu genau bestimmt werden, wohl aber Temperaturdifferenzen, auf diees in der Regel aber auch im wesentlichen ankommt.

6 Bauthermographen

Angestoßen durch die Veröffentlichung einer kompletten Ausgabe der Fachzeitschrift�Applied Optics� in den USA im Jahr 1968, die nur der Infrarottechnik gewidmet warund eine Fülle von Anwendungsbeispielen aus dem Bereich der Thermographieenthielt, setzte alsbald eine verstärkte Anwendung der Thermographie ein, zunächst inUSA, später aber auch in Deutschland. Der erste selbständige �Thermograph� inDeutschland war Ende der Siebziger Jahre ein Architekt und Bauingenieur, der inNorddeutschland als Bausachverständiger tätig war und als Hilfsmittel und Meßgerätauch ein Infrarotkamerasystem einsetzte.

Wegen der relativ hohen Anschaffungskosten sind Thermographiesysteme beiallgemeinen Sachverständigenbüros (Bausachverständige) direkt nicht allzusehrverbreitet; viele Sachverständige stützen sich bei erforderlichen Messungen deshalbauf die Mitwirkung von Sonderfachleuten aus Thermographiebüros, die alsspezialisierte Meßdienstleister auf den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten der

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Infrarotthermographie tätig sind.

Im folgenden sollen einige wichtige Anwendungsbeispiel aus dem Gebiet derBauthermographie vorgestellt werden.

7 Anwendungsbeispiele der Bauthermographie

7.1 Wärmelecks

In der Gebäudehülle treten oftmals Schwachstellen auf, welche als Wärmelecksbezeichnet werden. Diese sind zum Teil unvermeidbare Wärmebrücken, zum Teiljedoch auch schlecht geplante oder ausgeführte Details. Einige typische werden hieretwas näher dargestellt.

Großfläche Wärmelecks treten da auf, wo beispielsweise unterschiedlicheWandmaterialien verwendet werden. Abb. 5 zeigt die Fassade einesMehrfamilienhauses, bei welchem der Kellerbereich aus Steinen mit hoherWärmeleitfähigkeit gegenüber den anderen Wänden errichtet wurde. Es sind deutlichdie hier auftretenden höheren Temperaturen zu erkennen was hier gleich zu setzen istmit höheren Wärmeverlusten.

Abb. 5: Thermogramm der Fassade eines Mehrfamilienhauses

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Eine weitere oft problematische Anschlußstelle ist die Bodenplatte. Abb. 6 zeigt denAnschlußbereich der Bodenplatte zur Außenwand eines neuen Gebäudes. Durchungeschickte Konstruktion war hier die Dämmebene unterbrochen. Es ist sehr deutlichdie erhöhte Temperatur zu sehen, welche auch hohe Wärmeverluste darstellt.

Abb. 6: Thermogramm Anschlußbereich Bodenplatte zur Außenwand

Ein weiteres Beispiel für Wärmelecks ist die Einbindung der Geschoßdecken in dieAußenwände (Abb. 7). Hier handelt es sich um eine typische geometrischeWärmebrücke, welche durch entsprechende Anbringung von Wärmedämmung imAußenbereich vermieden werden kann.

Abb. 7: Thermogramm der Giebelseite eines Mehrfamilienwohngebäudes

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Das letzte Beispiel, welches hier als Wärmebrücke und damit als Wärmeleck gezeigtwerden soll, ist der Anschluß einer Balkonplatte (Abb. 8). Wird diese einfach alsVerlängerung der Geschoßdecke ausgeführt, so treten hier große Wärmeströme auf.

Abb. 8: Thermogramm Anschluß Balkonplatte

7.2 Anwendungsbeispiel Tauwasserbildung und Schimmelpilz

Eine häufig bei Rechtsstreitigkeiten in Mietwohngebäuden auftauchende Frage ist dieUrsache von Feuchtigkeit und Schimmelpilzbildung auf der inneren Oberfläche vonAußenwänden. Bei der Ortsbesichtigung kann der Sachverständige durch dasvorliegende Schadensbild klären, daß z.B. oberflächliche Tauwasserbildung vorliegt,hervorgerufen durch die Wirkung der geometrischen Wärmebrücke in einemInneneckbereich. Das Thermogramm in Abb. 9 gibt einen solchen Sachverhalt wider.Der Isothermenverlauf gleicht oft auch direkt dem Schadensbild, wie z.B. derVerfärbung durch Schimmelpilzbildung. Auffällig sind bei diesem Mauerwerk aus denSechziger Jahren, daß sich die einzelnen Steine abzeichnen. Die eigentliche Ursachefür die Feuchteschäden, nämlich unzureichende Dämmeigenschaften der Wände oderfalsches Nutzerverhalten, wie unzureichendes Heizen oder Lüften, ist damit aber nochnicht geklärt.

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Abb. 9: Thermogramm einer Innenecke

Mit der Thermographie alleine, wie prinzipiell mit einer Temperaturmessung, könnenkeine Rückschlüsse auf den hier relevanten Wärmedurchlaßwiderstand 1/Λgeschlossen werden. Der Sachverständige kann jedoch zunächst feststellen, daß dashier vorgefundene Mauerwerk einen homogenen Aufbau aufweist und daß es sichnicht um Mischmauerwerk handelt.

Dies ist von entscheidender Bedeutung für die sichere Positionierung einerrepräsentativen Probeentnahme, um aufgrund dieser Materialbestimmung und derWandstärke den Wärmedurchlaßwiderstand rechnerisch ermitteln zu können. Damitkann dann ein Vergleich mit den Forderungen der DIN 4108 /1/ durchgeführt undfestgestellt werden, ob ein Baumangel vorliegt oder nicht. Steht keine Thermographiezur Verfügung, müßte eigentlich die Probeentnahme an einer Vielzahl von Stellenerfolgen, um sicher zu sein, daß repräsentativ untersucht wurde.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann, bei hinreichend stationären Temperatur-verhältnissen, mit Hilfe eines Wärmestrommessers der Wärmedurchgangskoeffizient keines Bauteils annähernd bestimmt werden. Bei einem nichttransparenten Bauteil kannmit Hilfe der Thermographie ein geeigneter Ort für die Plazierung des in der Regel janur wenige Quadratzentimeter großen Meßsensors ausgewählt werden. Ansonstenmüßte eine große Anzahl von Messungen an unterschiedlichen Stellen durchgeführtwerden (Mittelwertbildung), um eine sichere Aussage zu gewinnen.

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Andererseits können mit der Thermographie auch direkt konkrete Fehlstellennachgewiesen werden, wie das Thermogramm in Abb. 10 zeigt.

Abb. 10: Falscher Stein in einer Außenwand

In einem wenige Jahre alten Gebäude konnte in einer im Obergeschoß liegendenWohnung ein einzelner, falsch eingemauerter, unzureichend dämmender Stein alsUrsache für einen Tauwasserschaden im Bereich einer sonst ausreichend dämmendenWand aus Leichthochloch-Ziegeln entdeckt werden.

Über einen Vergleich der Oberflächentemperaturen des auffälligen Bereiches mit derungestörten Umgebung können, wenn die thermischen Eigenschaften des ungestörtenWandbereiches bekannt sind und da ja jeweils näherungsweise gleicheWärmeübergangswiderstände sowie Lufttemperaturen vorliegen, dann auchquantitative Abschätzungen vorgenommen werden.

In einem anderen Fall war das Dach einer hohen Werkhalle aus gedämmtenTrapezblechelementen gefertigt. Bald nach der Fertigstellung tratenFeuchtigkeitsprobleme auf, es tropfte vom Dach in die Halle. Der zunächst bestehendeVerdacht, daß aufgrund von Undichtigkeiten Wasser von außen eindringen könnte,

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wurde durch Beregnungsversuche nicht bestätigt. Daraufhin wurde einethermographische Untersuchung durchgeführt. Abb. 11 zeigt ein Thermogramm desDaches von der Innenseite aus. Eine Vielzahl von Punkten mit reduzierter Temperatursind zu erkennen. Es wurden hier offenbar ungeeignete Befestigungselemente ohnejegliche thermische Entkopplung verwendet, so daß dadurch Wärmebrücken erzeugtwurden.

Abb. 11: Thermogramm eines Hallendaches

7.3 Anwendungsbeispiel aufsteigender Feuchte

Oft hat der Sachverständige nicht nur die Ursache, sondern auch den Umfang vonSchäden zu ermitteln.

In einem Thermogramm kann sich z.B. das Ausmaß der Durchfeuchtung einer anErdreich grenzenden Wand zeigen. Bedingt durch die von außen eindringende Feuchteändert sich in diesem Bereich das Wärmeleitvermögen des Wandmaterials drastischund überlagert dort teilweise noch den Effekt der Wärmebrücke im Winkelbereichzwischen aufgehender Wand und Fußboden.

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7.4 Anwendungsbeispiel Fachwerkfreilegung

Die Außenthermographie im Sommer, nachdem die Gebäudehülle tagsüber durchSonneneinstrahlung aufgeheizt wurde, macht die Konstruktion von Fachwerk sichtbar.Hierbei wird das unterschiedliche Wärmespeichervermögen von Fachwerk undAusfachung ausgenutzt, was bei der Abkühlung zu Temperaturdifferenzen führt.

Abb. 12 zeigt das - noch unter Putz liegende - Fachwerk eines Anwesens aus demMittelalter, sichtbar gemacht mit der Thermographie.

Abb. 12: Thermogramm eines verputzten Fachwerks

Analog können so z.B. auch zugemauerte Fenster oder Türen entdeckt werden Dies istebenfalls ein typisches Anwendungsgebiet in der Denkmalpflege.

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7.5 Anwendungsbeispiel Schallschutz

Auch akustische Effekte können unter Umständen indirekt festgestellt werden. Sowurde bei Reihenhäusern, bei denen es Schallschutzprobleme gab, ein Haus starkbeheizt, aber das angrenzende Nachbarhaus nicht, um so ein ausreichendesTemperaturgefälle zu erzeugen. Dann konnte durch Thermographie derGebäudetrennwand festgestellt werden, daß offenbar beim Mauern Mörtelbatzengrößeren Ausmaßes in die Trennfuge geraten waren und jetzt Schallbrücken bildeten.

Der Nachweis gelang über die Tatsache, daß diese Schallbrücken im vorliegenden Fallzu Wärmebrücken umfunktioniert wurden.

7.6 Anwendungsbeispiel Luftleckagen

Besonders in älteren Gebäuden sind oft durch Undichtigkeiten an Fenstern und Türengroße Luftleckagen vorhanden. In diesen Bereichen kommt es dadurch zu erhöhtenLüftungswärmeverlusten und Zugerscheinungen. Im Winter können diese durch dieeindringende kalte Außenluft kälteren Bereiche mit Hilfe der Thermographie sichtbargemacht werden. Abb. 13 zeigt den unteren Bereich einer Wohnungseingangstür ineinem Mehrfamilienhaus.

Abb. 13: Thermogramm einer Wohnungseingangstür

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Neue Gebäude, die den Anforderungen eines Niedrigenergiehauses genügen sollen,sollten nach ihrer Fertigstellung besonders sorgfältig auf Luftdichtheit untersuchtwerden, um die Lüftungswärmeverluste gering zu halten. Als Methode der Wahl bietetsich der �Blower-Door�-Test an, bei dem über ein Gebläse eine Druckdifferenzzwischen dem Luftdruck im Gebäude und dem äußeren Luftdruck aufgebaut wird.

Hat der Sachverständige nun bei einer Bauabnahme festgestellt, daß offenbarunzulässig große Luftleckagen vorhanden sind, müssen diese zwecks Nachbesserunglokalisiert werden. Dafür kann sinnvollerweise die Thermographie eingesetzt werden.Man erzeugt mit der Blower-Door im Gebäude einen Unterdruck und die dann vonaußen nachströmende kühlere Außenluft kann thermographisch dadurch nachgewiesenwerden, daß man nun besonders abgekühlte Bauteile, z. B. Fensterrahmen, detektiert.

Auf die Blower-Door-Technik wurde bereits in einer früheren Ausgabe der BDBLandesnachrichten /2/ genauer eingegangen.

7.7 Anwendungsbeispiel Heiztechnik

Auch in der Heiztechnik kann die Thermographie für den Sachverständigenquantitative Ergebnisse liefern. Bei einem Neubau mit Fußbodenheizung wurdeneinige Räume nicht ausreichend warm. Die Fußbodenheizung in einem solchen Raumwurde deswegen in der Aufheizphase thermographiert.

Man thermographiert hier zweckmäßigerweise nicht im stationären Betriebszustand,weil dann durch die bei der Fußbodenheizung ja gerade gewollte �Verschmierung� derOberflächentemperaturen, z.B. über eingebrachte Wärmeleitbleche, eine genaueLokalisierung der einzelnen Heizschlangen nicht mehr möglich ist. So aber kann überdie Thermographie die Verlegeweise, die Dichte und die Länge der Leitung(en)nachträglich und zerstörungsfrei ermittelt werden (Abb. 14). Im Vergleich mit einerWärmebedarfsberechnung nach DIN 4701 /3/ kann dann festgestellt werden, obgegebenenfalls ein Mangel vorliegt.

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Abb. 14: Thermogramm einer Fußbodenheizung während der Aufheizphase

Auch eine Überprüfung und Feststellung der Leitungsverlegung, um bei eventuellenBohrungen die Leitungen nicht zu beschädigen, ist möglich. Dies kann beispielsweisebeim nachträglichen Einbau von Zwischenwänden sinnvoll sein.

8 Literaturverzeichnis

/1/ DIN 4108 -2: Wärmeschutz im Hochbau, Teil 2 : Wärmedämmung undWärmespeicherung; Anforderungen und Hinweise für Planung undAusführung, Berlin 1981

/2/ Heinrich, H./ Dahlem, K,-H.: Leckageortung bei der Luftdichtheitsmessungenmit der �Blower Door�, BDB Landesnachrichten, 3/98, S. 21-22

/3/ DIN 4701: DIN 4701 Teil 1 und 2, Regeln für die Berechnung des Wärmebedarfsvon Gebäuden, Ausgabe März 1983, Beuth-Verlag, Berlin