eJustice-Bericht 2010 - Endfassung

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Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa eJustice-Bericht 2010 Wiesbaden, 22. September 2010

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Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

eJustice-Bericht 2010

Wiesbaden, 22. September 2010

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Inhaltsübersicht Seite

I. Einleitung 7

II. Die Rahmenbedingungen für eJustice 10

1. Justiz im Spannungsfeld der Gewaltenteilung 10

2. Struktur der Justiz-IT in der Bundesrepublik 11

a) Art. 91c Grundgesetz und der IT-Planungsrat 11

b) Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Jus-tiz

13

3. Blick nach Europa: EU-eJustice 15

4. Neue rechtliche Grundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte

18

a) Allgemeine Grundlagen 18

b) Zukunft der elektronischen Signatur 19

c) Erweiterung der „zugelassenen“ Verfahrensarten 20

aa) Elektronischer Rechtsverkehr im Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister

20

bb) Elektronischer Rechtverkehr in Insolvenzsachen 21

cc) FGG-Reformgesetz 21

dd) Elektronischer Rechtverkehr in Grundbuchsachen 22

5. Struktur der Justiz-IT in Hessen 23

a) Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa 23

b) Gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz 24

c) Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) 28

aa) Tätigkeitsfeld Beratung 29

bb) Tätigkeitsfeld Entwicklung 30

cc) Tätigkeitsfeld Betrieb 31

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6. Arbeitsplatzausstattung in der hessischen Justiz 32

a) Die Modernisierungsoffensive der Jahre 1999 bis 2006 32

b) Das Reinvestitionsprogramm 32

c) Neue Tendenzen in der Ausstattung von Arbeitsplätzen – Mobiles Arbeiten 33

7. Green-IT 34

III. Stand des eJustice in der hessischen Justiz 36

1. Elektronischer Rechtsverkehr in Hessen 36

a) Elektronischer Gerichtsbriefkasten 36

b) Elektronischer Rechtverkehr in Insolvenzsachen 38

c) eRechnung 40

d) ePayment 41

e) Elektronischer Rechtsverkehr mit den Sozialkassen des Baugewerbes 43

f) Elektronischer Rechtsverkehr mit dem VdK und der Versorgungsverwaltung 44

2. Elektronische Aktenführung in Hessen 45

a) Grundlagen elektronischer Aktenführung 45

b) Elektronische Akte in Ordnungswidrigkeitenverfahren (ERV OWi) 47

c) Elektronisches Grundbuch, elektronische Grundakte und Verlinkung auf Geo-Informationen

51

d) Elektronisches Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister 54

e) HeDok im Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa 56

f) Elektronische Gefangenenpersonalakte 58

g) Elektronische Geldstrafenvollstreckung (eGSV) 60

h) Elektronische Duplikatsakte (eDuplo) 61

3. Juristische Informationssysteme 64

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IV. Entwicklungsperspektiven des eJustice in Hessen 66

1. Zukunftsweisende Basisprojekte des eJustice 66

a) Entwicklung der neuen Justizfachanwendung NeFa 66

b) Das Infrastrukturprojekt ELEVATOR 70

c) Das Führungsinformationssystem Davin§y 72

d) Von der Mikroverfilmung zum elektronischen Titelarchiv 73

2. Rationalisierende Einzelansätze 76

a) Einsatz der Videokonferenztechnik 76

b) Zentrales Schuldnerverzeichnis mit Online-Einsicht 78

c) Justiz-Auktion 81

d) Elektronisches Sitzungssaalmanagement 82

e) Formularserverlösung im Vollzug 84

f) ePolizei 87

3. Länderübergreifende eJustice Entwicklungen 88

a) Justizportal des Bundes und der Länder 88

b) Gemeinsames Registerportal der Länder 89

c) Zwangsversteigerungsportal 91

d) Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank 93

e) Rechtsdienstleistungsregister 95

f) Online-Formulare 96

g) Elektronische Gerichtstafel 98

h) Zentrales Testamentsregister 98

4. Rechtliche Möglichkeiten zur Intensivierung des elektronischen Rechtsver-kehrs

99

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V. eJustice Ausblick für Hessen 101

1. Zusammenfassung 101

2. Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit 103

3. eJustice-Prioritäten und Strategie bis 2015 107

Anhang 112

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I. Einleitung

Dieser Bericht beschreibt die Aufgaben und Zielsetzungen, die sich im Bereich des eJustice in

den nächsten Jahren stellen werden. Dazu möchte er Antworten auf die Anforderungen an

modernes justizielles Arbeiten geben.

Diese Antworten basieren auf der Beschreibung aktueller Überlegungen im technischen und

rechtlichen Bereich sowie der Darstellung von konkreten Lösungsansätzen, die sich in Hessen

und ganz Deutschland bereits in der Umsetzung, bzw. in der Pilotierung befinden. Mitgewirkt

haben an dem Bericht neben Mitarbeitern des Ministeriums, der Gemeinsamen IT-Stelle der

hessischen Justiz (GIT) und der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) auch Ver-

treter aus der Wirtschaft und der Anwaltschaft. Die Ergebnisse sind dadurch mit den Interes-

sengruppen der Justiz abgestimmt, durch welche der Arbeitsablauf in der Justiz erheblich be-

einflusst wird und deren Arbeitsablauf die Justiz wechselseitig ebenso bestimmt. Der Bericht

macht Vorschläge für eine mittelfristige Strategie der hessischen Justiz.

eJustice: Justizielle Realität und Vision

Die Arbeit der Justiz befindet sich in einem Umbruch. Informationstechnik (IT) ist am Ar-

beitsplatz bei allen Berufsgruppen flächendeckend eingeführt, Fachsoftware steht in weiten

Teilen zur Verfügung. Zugleich sind die Bereiche des elektronischen Rechtsverkehrs und der

elektronischen Akte noch deutlich unterentwickelt. Die Justiz setzt die moderne IT noch ganz

überwiegend für die Aktenverwaltung und das Schreibwerk ein. Die elektronische Zusam-

menarbeit der in einem Gerichtsverfahren beteiligten Personengruppen (Anwälte, Sachver-

ständige, Richter, Servicemitarbeiter) findet erst ganz vereinzelt statt. Die Justiz ist trotz mo-

derner Technik in vielfacher Hinsicht leider noch bei den Arbeitsabläufen des vergangenen

Jahrhunderts stehengeblieben.

Diese Realität verhindert den Durchbruch des durchgängigen elektronischen Arbeitens, des

elektronischen Workflows, welcher geeignet ist, die Abläufe bei der Justiz und ihren „Kun-

den“ zu verbessern und dadurch Zeit und Geld einzusparen. Bereits heute werden nahezu alle

anwaltlichen Schriftsätze mit Hilfe der EDV erstellt. Diese werden dann ausgedruckt und

vervielfältigt, um sie an das Gericht und die Prozessparteien zu versenden. Bei Gericht aber

auch in einigen Anwaltsbüros werden diese Papierschriftsätze dann zum Teil wieder einges-

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cannt, damit eine Prozessakte elektronisch geführt und strukturiert und diese dann auch auf

einem Notebook mit in die mündliche Verhandlung genommen werden kann. Hieraus wird

deutlich, dass der Medienbruch nicht erst beim Einscannen des Papierschriftsatzes beginnt,

sondern bereits nach dem ersten Erstellen im PC beim Rechtsanwalt ein unnötiges Ausdru-

cken beginnt. Dies ist in Hessen für einen Rechtsanwalt entbehrlich, da Hessen bereits seit

2007 flächendeckend für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften den elektronischen Rechts-

verkehr mithilfe der kostenfreien bundeseinheitlichen Software EGVP (Elektronisches Ge-

richts- und Verwaltungspostfach) eröffnet hat.

Erst die flächendeckende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Anwälte und

Sachverständige wird die Justiz in die Lage versetzen, das nächste Ziel zu erreichen, die flä-

chendeckende sukzessive Einführung der elektronischen Akte. Die elektronische Akte ist be-

reits in einzelnen Teilbereichen wie dem elektronischen Ordnungswidrigkeitenverfahren bei

der Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Kassel Realität, doch für ihre flächendeckende

Einführung bedarf es organisatorischen Umdenkens und technischer Innovation. Die elektro-

nische Akte wird die Arbeit in der Justiz grundlegend verändern und dabei die gewohnten

Papierarbeitsweisen ablösen und neue Möglichkeiten für mobiles Arbeiten und effiziente

Zusammenarbeit zwischen den Verfahrensbeteiligten schaffen.

Eine erhebliche Innovation wird sich aus der wachsenden Mobilität des Arbeitsplatzes für

Rechtspfleger und Richter ergeben können. Dazu ist beabsichtigt, die Arbeitsplätze dieser

Berufsgruppen möglichst flächendeckend mit mobilen Arbeitsgeräten auszustatten, welche

perspektivisch vom heimischen Arbeitsplatz sicheren Zugriff auf die Gerichtsakten haben

sollen. Diese Mobilität unterstützt die unabhängige Arbeitsweise der Richter und bietet zu-

gleich für die Rechtspfleger neue Arbeitsperspektiven. Für diese Mobilität sind neue Fachan-

wendungen erforderlich, die eine elektronische Aktenanbindung und einen mobilen Zugriff

ermöglichen.

Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag vom 30. Januar 2009 der Aufgabe

angenommen, „die Modernisierung der Justiz mit Nachdruck voranzutreiben und den

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern moderne Informations- und Arbeitsmöglichkeiten

an die Hand zu geben.“ Dieser Auftrag soll in diesem eJustice Bericht in einer Momentauf-

nahme mit einer Perspektive für die kommenden Jahre konkretisiert werden und dabei die

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Themenfelder benannt werden, für welche die eJustice Mittel künftig eingesetzt werden sol-

len.

Der Bericht nimmt den Bericht der eJustice-Kommission aus dem Jahr 2006 zur Grundlage.

Die dort gefunden Ergebnisse und Zielsetzungen werden mit verarbeitet und finden sich in

den Projektbeschreibungen in der aktuellen Version wieder. Im Unterscheid zur damaligen

Kommission wurde dieser Bericht mit einzelnen Vertretern der justiziellen Praxis abge-

stimmt, die durch ihre Beiträge und Anregungen dazu beigetragen haben, die justizielle IT-

Strategie der hessischen Justiz für die nächsten Jahre zu formulieren. Ihre Mitarbeit ist

Ausdruck eines Grundprinzips der Entwicklung von eJustice-Verfahren. Diese Verfahren set-

zen eine gemeinschaftliche Abstimmung der Kommunikationspartner voraus. Eine elektroni-

sche Akteneinsicht erfordert gemeinsame Schnittstellen und Dateiformate. Der elektronische

Rechtsverkehr verlangt nach gemeinsamen Regeln und Standards. Diese Zusammenarbeit der

Justizpraktiker ermöglicht es der Justiz, im Dialog mit der Anwaltschaft und den Notaren ge-

meinschaftliche neue Arbeitsprozesse zu entwickeln, die geeignet sind, die Verfahrenslaufzei-

ten zu reduzieren und den Personaleinsatz im Unterstützungsbereich zu optimieren.

Eine qualitativ hochwertige und schnelle Justiz wird die Folge sein, wenn es gelingt, alle Ver-

fahrensbeteiligte in elektronische Prozesse einzubinden. Damit leisten eJustice-Projekte einen

wichtigen Beitrag zur erforderlichen Haushaltskonsolidierung: als Rationalisierungs-

und Kompensationsmaßnahmen zugleich.

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II. Die Rahmenbedingungen für eJustice

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eJustice haben sich in den vergangenen Jahren da-

hingehend weiterentwickelt, dass eine elektronische Bearbeitung in fast allen gerichtlichen

Aufgabenbereichen möglich ist. Aktuell erfolgt die Verankerung der IT im Grundgesetz und

die Übertragung der Regelung auf die Dritte Staatsgewalt.

1. Justiz im Spannungsfeld der Gewaltenteilung

Alle Bemühungen, moderne Justizgewährleistung unter Einsatz vernetzter Informationstech-

nologie zu erreichen, haben sich an der verfassungsrechtlichen Ausgangslage zu orientieren:

Der Justizminister, der sowohl im Grundgesetz als auch in der hessischen Verfassung im

Kontext der Richterberufung ausdrücklich Erwähnung findet (Art. 98 Abs. IV GG, Art. 127

Abs. 3 HV) und mithin als „geborenes“ Kabinettsmitglied anzusehen ist, hat die Aufgabe, die

organisatorischen, personellen und finanziellen Rahmenbedingungen der Rechtspre-

chung als Dritter Staatsgewalt, die den persönlich und sachlich unabhängigen Richtern

anvertraut ist, sicherzustellen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass sich der mehrschichtige

Begriff der „Justiz“ gerade nicht mit der „Rechtsprechung“ erschöpft. Die beamteten Staats-

anwälte arbeiten unter der Vorgabe der Pflicht, jedes möglicherweise strafbare Handeln straf-

prozessualen Ermittlungen zu unterziehen (Legalitätsprinzip), so dass das hierarchische Wei-

sungsrecht, dem der Beamte unterliegt, bundesgesetzlich drastisch zugunsten des Rechts-

staatsprinzips eingeschränkt ist. Gleiches gilt für die ebenfalls beamteten Rechtspfleger, de-

nen das Gesetz die Aufgaben der Freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Weisungsfreiheit, näm-

lich sachlicher Unabhängigkeit, zuweist. Abgesehen vom Justizvollzug, der den Weisungen

des Justizministers vollständig unterliegt, handelt es sich daher bei dem Aufgabenbereich des

Justizministers um ein in der Kabinettstruktur des Landes außergewöhnliches Ressort

mit Besonderheiten, die der Gewaltenteilung und dem Justizgewährleistungsanspruch

des Bürgers geschuldet sind.

Alle Bemühungen um IT-Standardisierung, Schaffung bundesweiter Behördennetze mit ein-

heitlichen Regeln und hierarchischen Entscheidungsstrukturen haben der verfassungsrechtli-

chen Ausgangslage des Justizressorts Rechnung zu tragen. Dies gilt für die Standardisierungs-

bemühungen des E-Government des Landes Hessen ebenso wie für die Arbeit des IT-

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Planungsrates [siehe Kapitel II Nr. 2a)], der sich überwiegend aus Vertretern der Innen- und

Finanzressorts zusammensetzt.

Besonderer Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme bedarf dabei die Frage der Gewährleistung

des Schutzes der Entscheidungsfreiheit der Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger. Die

Ausgestaltung der Netze, der Datenablagen und Fachanwendungen hat in einer Weise zu ge-

schehen, die es nach den aktuellen Möglichkeiten der Technik in vernünftiger Abwägung zu

den finanziell-organisatorischen Machbarkeiten ausschließt, Dokumente der Entschei-

dungsprozesse unbefugten Dritten zur Kenntnisnahme oder gar der Weitergabe zugänglich zu

machen. Dies erfordert es, Administratoren zentraler IT-Dienstleister technisch und vertrag-

lich auf die Vertraulichkeit zu verpflichten, der Weisung der Justizverwaltung zu unterwerfen,

nach den Regeln der Kunst an unbefugten Einsichtnahmen zu hindern und ihre Vorgehens-

weise nachvollziehbar zu dokumentieren. Der hessische Richterdienstgerichtshof hat am 20.

April 2010 entschieden, dass u.a. unter diesen Bedingungen der vernetzte IT-Betrieb in der

hessischen Justiz unter betrieblicher Leitung der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung

(HZD) zulässig ist, obwohl die HZD dem Ressort des Finanzministers angehört. Allerdings

fordert der Dienstgerichtshof die Schaffung einer Verwaltungsvorschrift zum Umgang mit

richterlichen Dokumenten sowie eines Gremiums unter Beteiligung gewählter Richtervertre-

ter, das die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift überwacht. Das Urteil ist nicht rechtskräf-

tig.

2. Struktur der Justiz-IT in der Bundesrepublik

a) Art. 91c Grundgesetz und der IT-Planungsrat

Mit Einfügung des Art. 91c in das Grundgesetz durch das Gesetz zur Änderung des Grundge-

setzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2248) hat die in der Justiz seit jeher gepflegte kooperati-

ve Bund-/Länder-Zusammenarbeit eine neue Qualität bekommen. Art. 91 c schreibt in seinem

Abs. 1 zunächst fest, was sich im Grunde von selbst versteht, dass nämlich Bund und Länder

bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten

informationstechnischen Systeme zusammenwirken können. Da es für eine derartige Zusam-

menarbeit indessen der Definition von Schnittstellen und Übertragungsprotokollen u.ä. be-

darf, sieht Abs. 2 vor, dass Bund und Länder auf Grund staatsvertraglicher Vereinbarungen

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die für die Kommunikation ihrer informationstechnischen Systeme notwendigen Standards

und Sicherheitsanforderungen festlegen können.

Dafür darüber hinaus sieht Abs. 4 vor, dass der Bund durch Gesetz mit Zustimmung des Bun-

desrates ein Verbindungsnetz für Bund und Länder errichtet.

Mit dem am 1. April 2010 in Kraft getretenen Staatsvertrag über die Errichtung des IT-

Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informations-

technologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern - Vertrag zur Ausführung von Art.

91c GG (IT-Staatsvertrag) vom 20. November 2009 (BGBl. 2010 I S. 663 ff), von Hessen

ratifiziert mit Gesetz vom 4. März 2010 (GVBl. I S. 65), haben sich Bund und Länder auf die

Einrichtung eines IT-Planungsrates verständigt, der sich aus den für die Informationstechnik

Verantwortlichen der Bundes- und der Landesregierungen zusammensetzt. Da diese soge-

nannten „Chief Information Officers“ (CIOs) regelmäßig den Innen- oder den Finanzressorts

angehören und eine spezifische Vertretung der Justiz nicht vorgesehen ist, kann es durch die

Normierung von Standards der Übertragung oder die technische Spezifikation des Verbin-

dungsnetzes zu Entscheidungen kommen, die den Auftrag der Justizminister, die organisatori-

schen, technischen und personellen Rahmenbedingungen der Rechtsprechung als dritter und

unabhängiger Staatsgewalt zu gewährleisten, nicht hinreichend berücksichtigen. Es ist daher

Aufgabe der für Justiz-IT Verantwortlichen, solche Problempunkte zu identifizieren und auf

die Tagesordnung zu bringen.

Die Landesjustizverwaltungen werden noch im Jahr 2010 ihre föderale Zusammenarbeit mi-

teinander und mit dem Bundesjustizministerium in einer Verwaltungsvereinbarung institutio-

nalisieren, die dem IT-Planungsrat einen E-Justice-Rat gegenüberstellt. Die Justiz in Hessen

wird durch den CIO des Landes Hessen als gemeinsamen Ressortvertreter im IT-Planungsrat

vertreten sein. Die Justizministerkonferenz ist allerdings der Auffassung, dass die Justiz auf-

grund ihrer verfassungsmäßigen Sonderstellung durch den eigenständigen E-Justice-Rat dem

IT-Planungsrat zuarbeitet und dieser Entscheidungen in justiziellen Fragen nur im Benehmen

mit diesem Steuerungsgremium trifft.

Sicher erscheint: Art. 91c GG wird die Eigenständigkeit der Justiz-IT eher schwächen und

Standardisierungen hervorbringen, die nicht nur auf ihre Kompatibilität mit der Gewaltentei-

lung zu beobachten sind, sondern vor allem Bindungswirkungen erzeugen werden, die auf die

weitere Entwicklung von eJustice Einfluss haben werden.

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b) Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz

Die Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz

(BLK) wurde im Auftrag der 37. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom

30. und 31. Mai 1969 ins Leben gerufen. Ihr gehören die Landesjustizverwaltungen und das

Bundesministerium der Justiz an. Darüber hinaus nehmen das Bundesministerium der Justiz

der Republik Österreich und das Bundesamt für Justiz der Schweiz als Beobachter an den

Sitzungen teil.

Die Mitglieder der BLK bestimmen einvernehmlich das Vorsitzland. Der Vorsitz soll alle drei

bis vier Jahre wechseln. Seit Januar 2006 übt die Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg

den Vorsitz aus. Die Sitzungen finden jeweils im Mai und im November eines Jahres statt.

Die BLK befasst sich mit folgenden Aufgabenschwerpunkten:

• Mitwirkung bei Rechtsetzungsvorhaben

• Koordinierung von hierzu geeigneten Projekten und Maßnahmen

• regelmäßige frühzeitige Unterrichtung über alle von den Mitgliedern beabsichtigten Vorhaben

• Erfahrungsaustausch über Planungen, Neuentwicklungen und laufende Projekte

• Mitwirkung in Organisationsangelegenheiten

• Überprüfung neuer technischer Entwicklungen auf ihre Nutzbarkeit für die Justiz

Im Zuge der zunehmenden Möglichkeiten elektronischer Kommunikation ist als Kernaufgabe

die Schaffung von Standardisierungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs definiert

worden. So sind organisatorisch-technische Leitlinien für den elektronischen Rechtsver-

kehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften (OT-Leit-ERV) erarbeitet worden, mit

denen u.a. technische Standards und Formate festgelegt worden sind, um eine erfolgreiche

Kommunikation mit der Justiz sicherzustellen.

Ein sensibles Thema ist die Sicherheit des Kommunikationswegs. Hierfür setzen Bund und

Länder vorrangig das Nachrichtenprotokoll OSCI-Transport ein. Dieses Nachrichtenaus-

tauschformat bietet im Gegensatz zu den üblichen Kommunikationsprotokollen, wie sie im

eMail-Verkehr eingesetzt werden, eine hohe Sicherheit. Während die eMail im Vergleich mit

der konventionellen Post eher einer offenen Postkarte entspricht, setzt OSCI-Transport das

„Einschreiben mit Rückschein“ um. Mit diesem Protokoll werden die klassischen Ziele

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Integrität, Authentizität, Vertraulichkeit und Nachvollziehbarkeit bei der Übermittlung von

Nachrichten gewährleistet. Die in XML beschriebene Datenstruktur bietet eine Trennung zwi-

schen Inhalts- und Nutzdaten. OSCI-Transport ist im Elektronischen Gerichts- und Verwal-

tungspostfach (EGVP) implementiert. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstech-

nologie (BSI) hat die Eignung von OSCI für die Anforderung des E-Government sowie für

die Erfüllung der einschlägigen europäischen Sicherheitsanforderungen bestätigt.

Einen zentralen Mehrwert des elektronischen Rechtsverkehrs stellt der strukturierte Daten-

austausch mit den an der elektronischen Kommunikation Beteiligten dar. Die BLK hat hierzu

den auf dem XML-Format basierenden Grunddatensatz Xjustiz entwickelt, der Bestandteil

der OT-Leit-ERV ist und in allen Geschäftsbereichen der Justiz Verwendung finden kann. Es

werden hierin in Form einer Datensatzbeschreibung Datenfelder definiert, die den Austausch

möglichst vieler verfahrensrelevanter Daten ermöglichen sollen. Auf dieser Grundlage kön-

nen nach Schaffung entsprechender Schnittstellen für die jeweiligen Fachverfahren sowohl

auf Seiten der Justiz als auch auf Seiten der Anwaltschaft alle übermittelten Daten gelesen

und weiterverarbeitet werden. In Ergänzung des Grunddatensatzes sind hinsichtlich darüber

hinaus benötigter Daten für die jeweiligen Fachverfahren entsprechende Fachmodule in der

steten Entwicklung.

Einen aktuellen Schwerpunkt der Tätigkeit der BLK stellt die Vereinheitlichung der Kommu-

nikationsinfrastruktur für den elektronischen Rechtsverkehr dar. In dem Deutschland-Online-

Projekt S.A.F.E (Secure Access to Federated e-Justice/e-Government) – sichere elektroni-

sche Identitäten in einem föderalen Umfeld – wird in einem ersten Schritt zur Ersetzung des

derzeitigen Registrierungsdienstes des EGVP ein zukunftsfähiger Registrierungsdienst als

zentrale Komponente für die Kommunikation im elektronischen Rechtsverkehr entwickelt,

mit dem Ziel, offene, interoperable Schnittstellen für den Umgang von Kommunikationsteil-

nehmern zu definieren, die grundsätzlich in allen Bereichen der Verwaltung wie auch der

Wirtschaft akzeptiert und genutzt werden können.

S.A.F.E. zielt auf die Entwicklung einer komplett offenen und übergreifend nutzbaren Lö-

sung, die sicherstellt, dass die technische Konzeption und Realisierung unter Berücksichti-

gung der E-Government-Standards erfolgt, um so eine breite Nutzungsmöglichkeit der Er-

gebnisse zu gewährleisten. Die Justiz ist aufgrund seiner sehr weitgehenden „Elektronifizie-

rung“ Vorreiter für andere Verwaltungsbereiche. Das S.A.F.E.-Konzept differenziert aus-

drücklich zwischen fachbereichsunabhängigen, generischen Anforderungen an ein Web-

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Service basiertes Identity Management und den eher spezifischen Anforderungen aus dem

Justiz-Umfeld.

Die beschriebenen Aufgaben und Ergebnisse zeigen es auf: Die BLK ist die treibende Kraft

für die Fortentwicklung der eJustice-Aktivitäten in der Bundesrepublik. Diese Runde der

IT-Verantwortlichen der Bundesländer hat bereits das erreicht, was dem IT-Planungsrat noch

gelingen muss, die gegenseitige Information über technischen Fortschritt und die Zusammen-

arbeit in gemeinsamen Projekten einzelner Bundesländer. Die Stärke des Gremiums besteht

darin, dass alle Bundesländer unabhängig von ihrer Finanzkraft am technischen Fortschritt

einzelner Bundesländer partizipieren können. Die Schwäche des Gremiums liegt darin, dass

aufgrund des nur beratenden Mandates die Geschwindigkeit der technischen Fortentwicklung

durch die „langsameren“ Bundesländer bestimmt wird. Nun ist geplant, die BLK zu reformie-

ren und sie unter Umbenennung zur „Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in

der Justiz“ zum Operativorgan des neu zu gründenden E-Justice-Rates umzufunktionieren. Es

ist zu erwarten, dass die grundlegende Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern

noch im Jahr 2010 zustande kommt.

3. Blick nach Europa – EU-eJustice

In den letzten Jahren haben sich die Entwicklungen im eJustice-Bereich auf europäischer

Ebene deutlich intensiviert und professionalisiert. Ziel ist es, in einem europäischen Raum der

Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit durchlässigen Grenzen und vielfältigen grenzüber-

schreitenden Aktivitäten den Zugang zur Justiz und deren Effektivität nicht unter divergieren-

den landesspezifischen Vorgaben für die IT-gestützte Kommunikation leiden zu lassen. Ins-

besondere auf der eJustice-Konferenz während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ers-

ten Halbjahr 2007, bei der das hessische Justizministerium Mitveranstalter war, wurden zahl-

reiche Weichenstellungen für eine gemeinsame europäische eJustice-Strategie getroffen.

Am 30. Mai 2008 legte die Europäische Kommission eine Mitteilung an den Rat, das Europä-

ische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss für „Eine europä-

ische Strategie für die eJustiz“ [ KOM/2008/0329 endg.] vor. Danach soll die Zusammenar-

beit der Justizbehörden auf nationaler und auf europäischer Ebene verbessert und der Zugang

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der Bürger zum Recht erleichtert werden. Im Hinblick auf einen erleichterten Zugang zu In-

formationen wurde ein im Sommer 2010 in den Echtbetrieb gegangenes europäisches eJusti-

ce-Portal geschaffen, das

• den Zugang zu Informationen über die Justizsysteme und -verfahren sowie zu praktischen In-formationen über zuständige Behörden und die Beantragung von Rechtshilfe bietet,

• einen Orientierungspunkt für den Zugang zu den Webseiten der europäischen Justizbehörden, Netzwerke und Register darstellt,

• direkten Zugang zu bestimmten europäischen Verfahren, die gegebenenfalls vollständig elekt-ronisch geführt werden können, bietet.

Zur Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit möchte die Kommission insbesondere

• die Strafregistervernetzung der Mitgliedstaaten fortführen,

• existierende Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Errichtung eines sicheren Netzwerks zum Austausch vertraulicher Informationen zwischen Justizbehörden weiterentwickeln,

• den Rückgriff auf Videokonferenzen in grenzüberschreitenden Zivil- oder Strafverfahren för-dern, indem sie auf einzelstaatlicher Ebene unternommene Anstrengungen unterstützt und gleichzeitig auf europäischer Ebene koordinierend tätig wird, um die Interoperabilität der Sys-teme zu gewährleisten,

• Übersetzungshilfe leisten durch die Entwicklung automatischer Übersetzungswerkzeuge, die Einrichtung einer Datenbank der Gerichtsübersetzer und -dolmetscher mit besonderer Qualifi-kation sowie durch die Entwicklung von standardisierten Online-Formularen für automatische Übersetzungen.

Der Rat hat auf Basis der Kommissionsmitteilung den „Mehrjährigen Aktionsplan 2009-2013

für die europäische E-Justiz“ beschlossen.

In rechtlicher Hinsicht wurden zwei grenzüberschreitende Verfahren geschaffen. Zum einen

wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates

vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ein Verfah-

ren zur Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender Verfahren im Zusammen-

hang mit unbestrittenen zivil- oder handelsrechtlichen Geldforderungen und zur Verringerung

der Verfahrenskosten eingeführt. Der Europäische Zahlungsbefehl wird in allen Mitglieds-

staaten mit Ausnahme Dänemarks anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckba-

rerklärung bedarf. Das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurch-

setzung und Zustellung vom 30. Oktober 2008 (BGBL. I S. 2122) enthält die erforderlichen

nationalen Durchführungsvorschriften für die vorgenannten EG-Verordnungen und trat am

12. Dezember 2008 in Kraft. Hiernach ist in Deutschland für die Bearbeitung von Anträgen

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im Europäischen Mahnverfahren allein das Amtsgericht Berlin-Wedding zuständig, soweit es

nicht um arbeitsrechtliche Ansprüche geht. Mit der Unterstützung aller Bundesländer wurde

zur Verfahrensbearbeitung eine Fachanwendung entwickelt, die auch in Österreich zum Ein-

satz kommt. Frankreich hat inzwischen entschieden, diese Fachanwendung ebenfalls einzu-

setzen. Gegenwärtig wird die Fachanwendung dahingehend weiterentwickelt, dass auch elekt-

ronische Einreichungen möglich sind. Zum anderen wurde mit der Verordnung (EG) Nr.

861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 das europäische

Verfahren für geringfügige Forderungen („small claims“) eingeführt, das heißt, Forderun-

gen, deren Höhe 2000 EUR nicht überschreitet. Es gilt für grenzüberschreitende Streitigkeiten

in Zivil- und Handelssachen. Das Verfahren ist seit 2009 in allen Mitgliedstaaten der Europä-

ischen Union mit Ausnahme Dänemarks anwendbar und steht den Bürgern als Alternative zu

den in den Mitgliedstaaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren zur Verfügung. Ein im

Rahmen dieses Verfahrens ergangenes Urteil wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt

und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf.

Hessen hat aufgrund der Ermächtigung in § 13a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) durch ein

Landesgesetz die Voraussetzungen geschaffen, diese Verfahren bei einem oder mehreren

Amts- bzw. Landgerichten konzentrieren zu können und wird von dieser Ermächtigung Ge-

brauch machen und die Verfahren dem Amts- bzw. Landgericht Frankfurt am Main zuweisen,

um eine effektive Verfahrensbearbeitung zu gewährleisten.

In technischer Hinsicht ist der mit dem Deutschland-Online-Projekt S.A.F.E (Secure Access

to Federated e-Justice/e-Government) in der Umsetzung befindliche Ansatz, ein komplett of-

fenes und übergreifend nutzbares Identity Management aufzubauen, auch auf europäischer

Ebene angekommen und dort gerade im Hinblick auf das europäische eJustice-Portal für un-

terstützungswürdig erachtet worden. Unter der Bezeichnung „Distributed Identity Mana-

gement (D.I.M)“ wird dieser Ansatz zwischenzeitlich auch aus Mitteln der Europäischen

Union gefördert, weil die dahinter stehende Idee auch bei der elektronischen Zusammenarbeit

der Mitgliedsstaaten neue Möglichkeiten eröffnet.

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4. Neue rechtliche Grundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte

a) Allgemeine Grundlagen

Vor allem das Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren

(ZustRG) vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206), das Gesetz zur Anpassung der Formvor-

schriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Geschäftsverkehr

(FormVorAnpG) vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) und das Gesetz über die Verwendung

elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG)

vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) waren eJustice-Meilensteine, mit denen die rechtlichen

Grundlagen für die Einreichung elektronischer Schriftsätze bei Gericht, elektronische Zustel-

lungen an einen bestimmten Personenkreis und die elektronische Aktenführung geschaffen

wurden.

Konzeptionell wurden in den Verfahrensordnungen Ermächtigungen für die Bundes-

/Landesregierungen eingeführt, durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt festzulegen, ab dem

elektronische Dokumente eingereicht sowie elektronische Akten geführt werden können und

die technischen Rahmenbedingungen zu bestimmen, wobei der elektronische Rechtsverkehr

und die elektronische Aktenführung regelmäßig auf einzelne Verfahren oder Gerichte be-

schränkt werden können.

Hessen hat von den Ermächtigungen im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs weitge-

hend Gebrauch gemacht. Sämtliche Gerichte und Staatsanwaltschaften sind elektronisch er-

reichbar. Erste Erfahrungen mit der Führung elektronischer Akten werden mit dem Verfahren

ERV OWi in Kassel gewonnen.

Nach dem Vorbild der genannten Gesetze wurden auch in den neu in Kraft getretenen Geset-

zen, insbesondere dem Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den An-

gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) vom 17. De-

zember 2008 (BGBl. I S. 2586) und dem Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechts-

verkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer

grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften (ERVGBG) vom 11. August 2009

(BGBl. I S.2713) Vorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische

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19

Aktenführung geschaffen, wobei teilweise Besonderheiten des Verfahrens umfangreichere

Regelungen erfordern, insbesondere im Grundbuchverfahren.

b) Zukunft der elektronischen Signatur

Der Gesetzgeber hat für eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation in § 126a Bür-

gerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform durch

die elektronische Form rechtswirksam ersetzt wird, wenn der Aussteller der Erklärung seinen

Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen

Signatur nach dem Signaturgesetz versehen hat. Eine qualifizierte elektronische Signatur

liegt nach der Begrifflichkeit des Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektronische Signa-

turen (Signaturgesetz – SigG) vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) vor, wenn die Signatur auf

einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen Zertifikat beruht und mit einer sicheren Signa-

turerstellungseinheit erzeugt wird (§ 2 Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 2 SigG). In den unter-

schiedlichsten Gesetzen und Verordnungen hat in der Folge die qualifizierte elektronische

Signatur als Unterschriftenersatz ihren Niederschlag gefunden.

Seit Beginn der rechtsverbindlichen elektronischen Kommunikation hat sich die qualifizierte

elektronische Signatur als notwendiges Äquivalent zur eigenhändigen Unterschrift allerdings

als Hemmschuh für den elektronischen Rechtsverkehr erwiesen. Der Verbreitungsgrad

lässt auch acht Jahre nach Inkrafttreten des Signaturgesetzes zu wünschen übrig. Sowohl auf

Seiten der Justiz aber auch auf Seiten der Notare, Anwälte und sonstigen Bürger wird der

Umgang mit der Chipkarte und dem qualifizierten Zertifikat als nicht trivial betrachtet.

In Hessen wurden bisher ca. 200 Signaturkarten für die Mitarbeiter der Justiz beschafft, der

Großteil für die Registergerichte. Dort werden sie für die Erzeugung und Versendung von

elektronischen amtlichen Registerausdrucken und allen weiteren Schreiben, die zu unter-

zeichnen sind, eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete ergeben sich bei den Landgerichten für die

Erstellung von elektronischen Notarvertreterbestellungsurkunden. Bei den Kunden besteht der

größte Nutzungsanteil gleichfalls in Registerverfahren für die dort notwendigen Beurkundun-

gen und Beglaubigungen. Die Akzeptanz für die elektronische Verfahrensweise ist noch zu

steigern.

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20

Mit einher geht die Frage nach der notwendigen Sicherheit hinsichtlich der Authentizität und

Integrität im elektronischen Rechtsverkehr. Für den weiteren Kreis der öffentlichen Verwal-

tung ist die qualifizierte elektronische Signatur als Ersatz für die handschriftliche Unterschrift

eine zu hohe Anforderung, zumal ein Großteil der Schriftstücke der Verwaltung bereits ohne

Unterschrift Wirksamkeit erlangen. Somit erscheint der Einsatz einer fortgeschrittenen elekt-

ronischen Signatur als Unterschriftenersatz als genügend. Die Zurechnung des Dokuments

zum Absender erfolgt über die Organisationseinheit. Das Bundesministerium für Wirtschaft

und Technologie prüft aktuell die Einführung einer Organisationssignatur bzw. eines elektro-

nischen Siegels. Der Ausbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs würde dies zu Gute

kommen.

c) Erweiterung der „zugelassenen“ Verfahrensarten

aa) Elektronischer Rechtsverkehr im Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister

Mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das

Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553) wurde das

deutsche Registerwesen umfassend reformiert. Erforderliche Unterlagen werden seit dem

1. Januar 2007 grundsätzlich elektronisch beim Registergericht eingereicht. Es kann dann

sofort entscheiden und die übermittelten Daten unmittelbar in das elektronisch geführte Re-

gister übernehmen. Über das von allen Ländern gemeinsam betriebene Registerportal

www.handelsregister.de sind alle deutschen Handels-, Genossenschafts- und Partnerschafts-

register sowie die meisten Vereinsregister, darunter die hessischen, online abrufbar. Für die

Suche ist keine Registrierung erforderlich. Einige Daten können kostenfrei eingesehen wer-

den. Für die Einsichtnahme in das Register und den Abruf des Registerausdrucks bzw. einzel-

ner Dokumente ist eine Registrierung bzw. Anmeldung erforderlich.

Die Eintragung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Handelsregister wurde

über das EHUG hinaus durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Be-

kämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) erheblich

beschleunigt und brachte weitere Änderungen für das Registerverfahren.

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21

bb) Elektronischer Rechtsverkehr in Insolvenzsachen

Der elektronische Rechtsverkehr in Insolvenzsachen ist über die in § 4 Insolvenzordnung

(InsO) enthaltene Verweisung auf § 130a Zivilprozessordnung (ZPO) eröffnet worden, so

dass an allen hessischen Insolvenzgerichten elektronische Dokumente eingereicht werden

können. Soweit die Frage einer Anwendbarkeit des § 130a ZPO überhaupt thematisiert wird,

bejaht das Schrifttum sie. Widersprechende Eigenarten des Insolvenzverfahrens stehen der

Geltung der ZPO nicht entgegen, vielmehr könnte die Einreichung elektronischer Dokumente

auch im Insolvenzverfahren Sinn machen und die Geschäftsstellen der Gerichte entlasten.

Durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 (BGBl. I S.

509) wurden die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmun-

gen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie

die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu

treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einrei-

chung machen. Hessen hat von diesen Ermächtigungen außer der Übertragung der Ermächti-

gung auf die Landesjustizverwaltung bisher keinen Gebrauch gemacht, da sich der entspre-

chende Prozess des Datenaustauschs mit den Insolvenzverwaltern in der gerichtlichen Praxis

bereits etabliert hat.

cc) FGG-Reformgesetz

Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilli-

gen Gerichtsbarkeit (FamFG) regelt das familiengerichtliche Verfahren sowie das FGG-

Verfahren von Grund auf neu. Der Allgemeine Teil des Gesetzes über die Angelegenheiten

der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird auf den Standard eines modernen Prozessgesetzes ge-

bracht. Dementsprechend regelt § 14 FamFG die rechtlichen Grundlagen für die Einreichung

elektronischer Schriftsätze und passt die Verfahrensordnung entsprechend der Voraussetzun-

gen des Justizkommunikationsgesetzes an die Erfordernisse einer elektronischen Aktenbear-

beitung an. Das gerichtliche elektronische Dokument wird als Äquivalent zur Papierform in

die Verfahrensordnung eingeführt und im Hinblick auf Signaturerfordernis und Beweiskraft

wie in den anderen Verfahrensordnungen ausgestaltet.

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Hessen will die in § 14 Abs. 3 FamFG enthaltenen Ermächtigungen nutzen und den elektro-

nischen Rechtsverkehr auch in diesem Bereich eröffnen.

Mit § 435 Abs. 1 S. 2 FamFG enthält das Gesetz auch weitere rationalisierende eJustice-

Ansätze. Nach der Vorschrift kann anstelle des Aushangs an der Gerichtstafel die öffentliche

Bekanntmachung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem erfol-

gen, das im Gericht öffentlich zugänglich ist. Damit werden elektronische Geschäftsprozesse

ermöglicht, die auch für andere Fälle, die einen Aushang an der Gerichtstafel vorsehen, An-

wendung finden können. Das arbeitsaufwändige Herstellen von Papieraushängen entfällt da-

mit.

dd) Elektronischer Rechtsverkehr in Grundbuchsachen

Mit dem Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen

Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kosten-

rechtlicher Vorschriften, das am 1. Oktober 2009 in Kraft getreten ist, wurden durch die Zu-

lassung elektronischer Kommunikationsformen die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Mo-

dernisierung des Grundbuchverfahrens geschaffen. Das Gesetz ermöglicht den Ländern die

Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Grundbuchverfahren sowie der

elektronischen Grundakte.

Über den elektronischen Rechtsverkehr sollen Grundbuchämter und Verfahrensbeteiligte,

insbesondere Notare und Kreditinstitute, mit dem gemeinsamen Ziel einer Effizienzsteigerung

zusammenarbeiten. Der elektronische Rechtsverkehr soll unwirtschaftliche Medienbrüche

vermeiden und elektronisch übermittelte Daten möglichst ohne erneute Aufbereitung durch

den Empfänger weiterverarbeitet werden können. Perspektivisches Ziel ist die Ablösung der

schriftlichen durch eine möglichst vollständig elektronische Kommunikation. Die Vorausset-

zungen für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr liegen bei den Notaren vor, die

nach der Bundesnotarordnung verpflichtet sind, die spezielle technische Ausstattung – u. a.

zur Erzeugung qualifizierter elektronischer Signaturen – vorzuhalten.

Mit dem Gesetz wurden die strengen Formerfordernisse des papiergebundenen Verfahrens in

Grundbuchangelegenheiten nahezu wirkungsgleich auf die Fälle des elektronischen Rechts-

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verkehrs übertragen, insbesondere um die Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr zu ge-

währleisten.

Die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs können nur bei einer durchgehend medien-

bruchfreien Vorgangsbearbeitung optimal zur Geltung gelangen. Daher sieht das Gesetz auch

die Möglichkeit vor, die Grundakte elektronisch zu führen. Um eine Hybridaktenführung zu

vermeiden, ist die elektronische Grundakte jedoch nicht auf neu eingehende elektronische

Dokumente beschränkt, sondern die künftig noch in Papierform eingehenden oder vom

Grundbuchamt selbst gefertigten Dokumente sowie der bereits vorhandene Grundaktenbe-

stand kann in die elektronische Form übertragen werden.

Entsprechend der Möglichkeiten im Handelsregister sieht das Gesetz für den Nutzerkreis, der

bereits nach derzeit geltendem Recht Daten aus dem elektronischen Grundbuch abrufen kann

(hierzu zählen insbesondere Notare), einen Onlinezugriff auf die in der elektronischen Grund-

akte gespeicherten Dokumente vor. Die Informationsbeschaffung wird dadurch erheblich fle-

xibilisiert und beschleunigt. Der im Gegenzug zu erwartende Rückgang der Zahl von Anträ-

gen auf Erteilung von Urkundsabschriften und von Grundakteneinsichten vor Ort trägt wiede-

rum zu einer Entlastung der Grundbuchämter bei.

5. Struktur der Justiz-IT in Hessen

a) Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa (HMdJIE) nimmt die zent-

rale Steuerungsfunktion für die Justiz-IT in Hessen wahr. Ihm obliegt die fachliche Steue-

rung aller IT- Vorhaben im Geschäftsbereich der Justiz, dem Justizvollzug und dem Ministe-

rium. Dies geschieht in der Organisationsform eines eigenen Großreferats, das einem Abtei-

lungsleiter unterstellt ist. Das Ministerium übt die Fachaufsicht über denjenigen Bereich der

HZD aus, welcher für den Betrieb der Justizdaten verantwortlich ist. Das Ministerium verwal-

tet zentral die IT-Projektmittel. Die Mittel für Investitionen und den Betrieb werden an die

einzelnen Mittelbehörden, sog. Buchungskreise, zur Bewirtschaftung unterverteilt. Hierdurch

wird erreicht, dass die Buchungskreise dezentrale Budgetverantwortung ausüben können und

gleichzeitig eine Steuerung der IT-Projekte nach einer ganzheitlichen Strategie möglich ist.

Das Ministerium stimmt sich beim Einsatz der zentralen Projektmittel in einer Runde der IT-

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Referenten mit den Buchungskreisen ab, wobei die Verantwortung beim Ministerium ver-

bleibt.

Bei der Wahrnehmung der Aufgaben sind die definierten „E-Government-Landesstandards“

des Landes Hessen als Rahmenbedingungen zu beachten. Dies sind derzeit:

• Meta-Verzeichnis; ein zentraler Verzeichnisdienst zur Konsolidierung und Synchronisierung von Benutzerinformationen und Benutzerkonten

• Active Directory (AD); Systeme für die Benutzerverwaltung und –anmeldung. Aus Sicherheits- und Rechtsgründen verfügt die Justiz wie die Polizei über eine selbständige AD-Domäne neben der allgemeinen Domäne IT-Service Hessen (WIE).

• Zentrales eMail-System mit standardisierten Funktionalitäten

• Public Key Infrastruktur (PKI) als Unterschriftersatz bei der elektronischen Kommunikati-on innerhalb der Landesverwaltung auf Basis einer fortgeschrittenen Signatur

Daneben führt das Land Hessen ein einheitliches Dokumentenmanagementsystem (DMS)

namens HeDok (Hessische eDokumentenverwaltung) sowie ein zentrales Archivsystem ein

und hat für die gesamte Landesverwaltung mit dem Hessenportal sowohl ein einheitliches

Mitarbeiterportal als auch einen einheitlichen Internetauftritt zur Verfügung.

Die verbindlichen E-Government-Ziele der Hessischen Landesregierung und die hessischen

IT-Standards sind strategische und technische Vorgaben für alle eJustice-Bemühungen, so-

weit ihre Vereinbarkeit mit den sachlichen Aufgaben und den verfassungsrechtlichen Beson-

derheiten der Rechtsprechung und Rechtspflege gegeben ist.

b) Gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz

Im Jahre 2007 sind die IT-Stellen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaf-

ten („GIT“ Bad Vilbel, gegründet 2005), der Fachgerichtsbarkeiten („GIT-Fach“, Kassel,

2007) und des Justizvollzugs (Weiterstadt, 2007) durch Verwaltungsvereinbarung unter dem

Dach der „Gemeinsamen IT-Stelle der hessischen Justiz“ („GIT-Justiz“) zur gemeinsamen

Förderung der eJustice-Angelegenheiten miteinander verbunden worden. Ihre jeweils eigen-

ständige Organisationsform blieb dabei gewahrt. Die Stammeinrichtung in Bad Vilbel verfügt

derzeit (Stand: März 2010) über 75 Mitarbeiter/innen (davon 5 Richter mit zusammen 2,9

Arbeitskraftanteilen (AKA), eine Oberstaatsanwältin mit 1 AKA, 69 Mitarbeiter/innen des

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25

mittleren und gehobenen Dienstes oder Angestellte, davon 6 in Teilzeitbeschäftigung mit zu-

sammen 4 AKA).

Die GIT-Fach ist projektbezogen organisiert; sie stützt sich projektspezifisch je nach den spe-

ziellen Anforderungen der Fachgerichtsbarkeiten oder der Beteiligung an justizweiten Projek-

ten auf individuell gebildete Mitarbeiterteams. Die Planung des Personaleinsatzes erfolgt im

vierteljährlichen Rhythmus durch den Projektrat der GIT-Fach, der sich aus dem Leiter und

derzeit fünf Mitgliedern aus den jeweiligen Fachgerichtsbarkeiten zusammensetzt. Die GIT-

Vollzug in Weiterstadt verfügt über 24 Mitarbeiter (davon drei des gehobenen Dienstes, 21

des mittleren bzw. einfachen Dienstes).

Rechtsträger der GIT-Justiz sind die Präsidenten der hessischen Obergerichte, der General-

staatsanwalt und der für den Justizvollzug zuständige Abteilungsleiter des Hessischen Minis-

teriums der Justiz. Sie bilden unter dem Vorsitz des Justizstaatssekretärs zugleich den Len-

kungskreis für die GIT-Justiz, die nunmehr für den gesamten Bereich der Justiz-IT in Hessen

geschäftsbereichsübergreifend zuständig ist. Koordinations- und Steuerungsgremium der

GIT-Justiz ist der aus den IT-Referenten der Geschäftsbereiche gebildete „Projektrat“.

Page 26: eJustice-Bericht 2010 - Endfassung

26

Die Begründung einer justizweit übergreifenden IT-Zuständigkeit auch auf operativer Ebene

stellt sich als konsequenter und notwendiger Schritt dar. Maßnahmen zur Konzentration der

mit der Entwicklung und Betreuung der Justiz-IT befassten Organisationseinheiten entspre-

chen einem bundesweiten Trend; sie tragen der Notwendigkeit zur Bündelung der Ressourcen

und der Standardisierung der technischen Verfahren, Systeme und Betreuungsstrukturen in

einer übergreifend zuständigen Gesamtstruktur Rechnung. Die justizweite technische Stan-

dardisierung der durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung bereitzustellenden

systemischen Basis, der Justizfachverfahren und aller Neuentwicklungen ist unter wirt-

schaftlichen und funktionalen Aspekten unabdingbar. Fachliche, organisatorische, wirt-

schaftliche, rechtliche und vor allem technische Fragen stellen immer höhere Anforderungen

an teils vertieft-spezialisiertes, aber auch an Überblickswissen. Nur dann ist eine realistische

Beurteilung der Bedarfssituation, der Möglichkeiten, des erzielbaren Nutzens möglich; das

gilt erst recht hinsichtlich der gebotenen Koordination aller Entwicklungs- und Projektaktivi-

täten hin zu einem gemeinsamen Standard. Ohne die umfassende Mitwirkung der Gemeinsa-

men IT-Stelle wären die in den letzten Jahren eingetretenen wesentlichen Fortschritte in der

IT-Unterstützung der hessischen Justiz so nicht erreichbar gewesen.

Angestammte Kernaufgabe der IT-Stelle(n) sind vorrangig die – regelmäßig in Entwicklungs-

verbünden länderübergreifend koordinierte – (Fort-) Entwicklung und fachliche Betreuung

auf die Bedürfnisse der Justiz zugeschnittener Fachanwendungen, die Organisation und

Durchführung von Migrationsprojekten, Anwenderschulungen und der Hardwarereinvesti-

tionsmaßnahmen. In den letzten Jahren ist das Zusammenwachsen der technischen Plattfor-

men mit Recht immer stärker in den Vordergrund getreten. Der elektronische Rechtsverkehr

via EGVP ist etabliert, digitale Diktatsysteme und Spracherkennung sind eingeführt, elektro-

nische Doppelakten im Rahmen des Projekts „eDuplo“ [siehe Kapitel III Nr. 2h)] in Einfüh-

rung begriffen. Praktisch kein Tätigkeitsbereich der Justiz kommt mehr ohne aktuelle IT-

Unterstützung aus. Aktuelle Projektschwerpunkte der GIT-Justiz tragen dem Anliegen einer

möglichst weitgehenden Standardisierung in besonderem Maße Rechnung. Das gilt etwa für

das niedersächsisch-hessische Gemeinschaftsprojekt „NeFa“ (Neue Fachanwendung) [siehe

Kapitel IV Nr. 1a)], das – in Justizeigenentwicklung unter Verwendung neuester Technolo-

gien – die Bereitstellung einer übergreifend nutzbaren Fachanwendungsbasis und spezialisier-

ten fachlichen Ausprägungen für die einzelnen Fachgebiete anstrebt und auf eine durchgängig

elektronische Bearbeitung vom Dokumenteneingang über die elektronische Aktenbearbeitung

und –speicherung bis hin zur elektronischen Archivierung zielt. Die Führung und Weiterlei-

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tung elektronischer Akten wird bereits seit einigen Jahren im Verfahren ERV OWi [siehe Ka-

pitel III Nr. 2b)] erfolgreich pilotiert. Die technische Standardisierung der elektronischen

Kommunikation innerhalb der Justiz, mit Behörden und externen Dritten ist Gegenstand des

GIT-Konzeptprojekts „ELEVATOR“ [siehe Kapitel IV Nr. 1b)]. Die erforderlichen fachli-

chen Kompetenzen betreffen ebenso auch rechtlich und organisatorisch so wichtige Bereiche

wie den Datenschutz und die IT-Sicherheit oder auch das Erscheinungsbild einer modernen

Justiz erheblich mitprägende IT-Verfahren wie die „e-Besucherservices“ (z.B. elektronische

Terminsanzeige, Infopoint-Terminals). Entsprechend weitet sich auch das Aufgaben- und

Zuständigkeitsgebiet der Gemeinsamen IT-Stelle spiegelbildlich aus. Sie muss deshalb unab-

hängig von dem Grad der Komplexität in der Lage sein, das Hessische Ministerium der Justiz,

für Integration und Europa oder die Gerichte und Justizbehörden der Geschäftsbereiche quali-

fiziert hinsichtlich allen Fragen des Einsatzes und der Fortentwicklung der Justiz-IT zu bera-

ten, Entwicklungs- und Einführungsprojekte erfolgreich und bei hoher Anwenderakzeptanz zu

planen und durchzuführen.

Die in diesem Bericht zusammengefasste strategische eJustice-Gesamtplanung der hessischen

Justiz wäre angesichts dessen mit einem nicht innovativen, allein oder vorwiegend auf die

operative Betriebsgewährleistung laufender Verfahren zielenden Grundverständnis auch der

Rolle der IT-Stelle nicht vereinbar. Der Erfolg aller Planungen hängt entscheidend auch von

der ausreichenden Verfügbarkeit qualifizierten und motivierten Personals und ebenso von

einem aktiv werbenden Eintreten kompetenter und in der Justiz angesehener Führungskräfte

und Mitarbeiter für die Ziele der Modernisierung ab.

Dabei ist die dauerhafte Mitwirkung auch richterlicher bzw. staatsanwaltschaftlicher Projekt-

leiter/innen gerade in den strategischen Kernprojekten von wesentlicher Bedeutung. Der Er-

folg aller Modernisierungsanstrengungen hängt letztlich immer auch von der Akzeptanz der

Entwicklungen in der Justiz ab; Neuerungen an den Justizarbeitsplätzen werden in erster Linie

dann auf Akzeptanz der Anwenderinnen und Anwender stoßen, wenn sie fühlbaren Nutzen

für deren Tätigkeit mit sich bringen; dieses Ziel lässt sich nur bei laufendem Praxisbezug und

hinreichender Transparenz der Aktivitäten erreichen. Wesentlich für den Erfolg ist aber auch

die Wahrnehmung der Gemeinsamen IT-Stelle als „eigener“ qualifizierter Justizinstitution.

Mit neuen Aufgaben und Zuständigkeiten steigt zugleich die Belastung der Mitarbeiter/innen

der Gemeinsamen IT-Stelle. Dabei werden die Grenzen des derzeit Möglichen sichtbar: Tref-

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fen absolut fristgebundene Aufgaben (z.B.: die Maßnahmen zur IT-bezogenen Umsetzung der

gesetzlichen Änderungen im Rahmen der FGG-Reform zum 1. September 2009 oder die IT-

Beratung für das neue Justizzentrum Wiesbaden in Abhängigkeit zum Bezugsdatum) und aus

strategischen Gründen hoch priorisierte Aufgaben (z.B.: Projekt „NeFa“ – Pilotierung des

ersten Moduls im Herbst 2011) zusammen, ist eine Rückstellung solcher Kernaufgaben

schlicht nicht darstellbar. Minderpriorisierungen in anderen Projektbereichen würden oftmals

die Träger speziellen Knowhows in den Kernbereichen nicht wirksam entlasten. Zugleich

stellt sich die Personalgewinnung für GIT-Aufgaben – auch und gerade im Bereich richterli-

cher Mitwirkung – zunehmend problematisch dar.

Angesichts der Bedeutung ihrer Tätigkeit für den Erfolg der Justizmodernisierung sollten dem

Anliegen einer dauerhaften und nachhaltigen Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Ge-

meinsamen IT-Stelle daher besonderes Augenmerk gewidmet werden. In erster Linie wird

dabei eine ausreichende Personalausstattung – überwiegend durch Justizmitarbeiter/innen,

darunter auch Richter/innen oder Staatsanwälten/-anwältinnen in Führungsverantwortung –

sicherzustellen sein. Neben zu erwägenden weiteren Maßnahmen zur Straffung und Perpe-

tuierung der Organisation erscheinen laufende Qualifikationsanstrengungen und die Ge-

währleistung laufender Praxisunterstützung – z.B. durch die Mitwirkung in Fachteams im

Umfeld von Entwicklungsprojekten, bei umfangreichen Rechtsänderungen mit entsprechen-

den Auswirkungen auf Textvorlagen o.ä. – wesentlich. Die Beratungs- und Informationstätig-

keit der Gemeinsamen IT-Stelle erscheint ebenso bedeutsam und sollte weiter intensiviert

werden.

c) Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD)

Im Jahre 1990 wurde in Hünfeld eine für die Justiz-IT zuständige Außenstelle der Hessischen

Zentrale für Datenverarbeitung gegründet. In Ergänzung zum Zentralen Mahngericht der hes-

sischen Justiz in Hünfeld ist in Zusammenarbeit HZD und Justiz der Druckbereich für die

zentralen Justizverfahren „AUMAV“ (Automatisiertes gerichtliches Mahnverfahren) und

„JUKOS“ (Verfahren zur Automation des Gerichtskosten- und -kassenwesens und der

Geldstrafenvollstreckung) entstanden. Mit Beginn des Modernisierungsprozesses der hes-

sischen Justiz in 2000 etablierte sich die Außenstelle Hünfeld dann als zentraler Dienst-

leister der hessischen Justiz. Durch die Modernisierungs- und die nachfolgenden Reinvesti-

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29

tionsprojekte entstand eine moderne IT-Infrastruktur (Justiznetz) mit einer gut funktionieren-

den Betreuungsstruktur für die Mitarbeiter in den einzelnen Justizbehörden.

Der flächendeckende dezentrale Einsatz der IT und die fortdauernde angespannte Situation

der öffentlichen Haushalte erfordert eine Neuausrichtung des Einsatzes der Technik und damit

auch der finanziellen Mittel. Innerhalb der nächsten fünf Jahre muss es gelingen, die IT-

Infrastruktur so zu optimieren, dass die Kosten für den Betrieb reduziert werden, ohne die

zukünftigen qualitativen Anforderungen an die Ausstattung, die Flexibilität und Mobilität der

Justizarbeitsplätze zu senken. Der konsequente Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs

und die Auswirkungen auf den Arbeitsablauf in den Gerichten und Justizbehörden erfordert

weitreichende Architekturüberlegungen. Dieser Anforderung hat die HZD Rechnung getragen

und in der Außenstelle einen Architekturbereich aufgebaut. Dort werden die vorhandenen

Erfahrungen bei der Weiterentwicklung der IT-Architektur der hessischen Justiz mit neuen

Vorstellungen der IT-Architekten und erweiterten technischen Möglichkeiten verbunden.

Diese Überlegungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Weiterentwicklung des elektroni-

schen Rechtsverkehrs, sondern beeinflussen auch die Optimierung der IT-Infrastruktur in

Richtung Zentralisierung der Datenhaltung sowie Virtualisierung und Mobilität der Justizar-

beitsplätze.

aa) Tätigkeitsfeld Beratung

Die neue Architekturstelle erweitert den Beratungsbereich der Außenstelle im Besonderen um

das im elektronischen Rechtsverkehr vereinbarte Ziel, die Arbeitsprozesse, die technische

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Ausgestaltung des Justiznetzes und der einzelnen Gerichte und Justizbehörden sowie der ein-

gesetzten Justizsoftware und Bürokommunikation durch technische Maßnahmen so zu gestal-

ten und zu verknüpfen, dass erhebliche Synergien und damit Kostenersparnisse gerade auch

durch Standardisierungen eintreten, ohne dabei Qualitätsverluste hinsichtlich der Arbeitser-

gebnisse und der Verarbeitungsprozesse hinnehmen zu müssen. Weitere wichtige Ziele sind

dabei die Zukunftssicherheit und die Nutzung der Architektur auch in länderübergreifenden

Projekten, weshalb eine zu starke Herstellerabhängigkeit unbedingt vermieden werden soll.

Parallel zu dieser nicht nur zukunftsorientierten sondern insbesondere aktuellen IT-

Ausrichtung der Justiz werden durch die Außenstelle seit Jahren erfolgreich Beratungen für

die IT-Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden sowie der Unterstützung bei der Einfüh-

rung von speziellen Verfahren durchgeführt.

Die Fortsetzung dieser etablierten Entwicklungen erweitert um das Ziel des Ausbaus des

elektronischen Rechtsverkehrs unter Betrachtung einheitlicher Techniken in einer den Justiz-

bedürfnissen genügenden souveränen IT-Umgebung soll absichern, dass die Justiz dauerhaft

die IT als unterstützende Maßnahme einsetzen kann. Eine wichtige Komponente wird dann

sein, dass alle Justizdaten vom Posteingang über die interne Verarbeitung (sowohl manuell als

auch durch Justizfachverfahren) und spätere Ablage elektronisch kontrolliert bewegt werden.

Eingebettet werden soll auch ein standardisierter Postausgang für alle Arbeitsplätze, an denen

der Bedarf besteht.

bb) Tätigkeitsfeld Entwicklung

Die bisherigen Entwicklungsaufgaben der Außenstelle konzentrierten sich auf die Konzeption

und Programmierung von Web-Entwicklungen wie z.B. der „Dolmetscher- und Übersetzerda-

tenbank“, auf die Entwicklung und Unterstützung der Web-Auftritte der Justiz, auf Weiter-

entwicklungen im Rahmen des Verfahrens JUKOS mit der Schnittstelle zu SAP und Entwick-

lungen im Rahmen des Verfahrensmanagements von weiteren Justizverfahren wie z. B. AU-

MAV. In diesen Bereichen ist eine weitergehende Zusammenarbeit und Unterstützung beim

Ausbau und der Weiterentwicklung der Justizfachanwendungen zielführend. Durch die Betei-

ligung der HZD-Entwickler werden das fachliche Spezialwissen und die vorhandenen Ent-

wicklerkapazitäten der Justiz sinnvoll erweitert und durch Projekterfahrung der HZD ergänzt.

Bewährt hat sich diese Zusammenarbeit bereits bei den Projekten eRechnung [siehe Kapitel

III Nr. 1c)] und ePayment [siehe Kapitel III Nr. 1d)]. Das in Kürze fertiggestellte Redesign

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der dezentralen JUKOS-Module ist flexibel – insbesondere für mehrere Bundesländer – kon-

figurierbar, und kann als Kostenmodul in Fachanwendungen wie NeFa [siehe Kapitel IV Nr.

1a)] eingebunden werden, so wie es heute bereits in dem staatsanwaltschaftlichen Fachverfah-

ren MESTA integriert ist.

cc) Tätigkeitsfeld Betrieb

Die zentralen Verfahren der hessischen Justiz werden in den Rechenzentren der HZD betrie-

ben. AUMAV und JUKOS nutzen den zentralen Großrechner in Wiesbaden, wohingegen

EGB (Elektronisches Grundbuch) und EHR (Elektronisches Handelsregister) auf eigenständi-

gen Systemen in den Rechnerräumen der Außenstelle Hünfeld angesiedelt sind.

Die dezentrale Informationstechnik aller Justizbehörden wird ebenfalls von Hünfeld aus be-

treut. Dies erfolgt durch ein in den Jahren 1999 und 2000 etabliertes Client- und Servermana-

gement. Im Rahmen der fortschreitenden Modernisierung der hessischen Justiz erfolgten hier

notwendige Anpassungen, um den stetig steigenden Anforderungen an die zeitlichen Vorga-

ben im Rahmen der Reinvestitionsprojekte und an die Ausgestaltung der Softwareverteilung

sowie der neu zu gestaltenden Mechanismen zur Datensicherung gerecht zu werden.

Dabei ist der Betrieb immer gefordert Abläufe zu definieren, die es ermöglichen die Betriebs-

kosten zu minimieren, gleichzeitig aber die steigende Zahl der zu betreuenden Verfahren

(zentral wie dezentral) bzw. die ebenfalls gestiegenen Anforderungen an den Arbeitsplatz

hinsichtlich der technischen Ausgestaltung und der Bearbeitung von elektronischen Daten zu

berücksichtigen. Hierbei spielt die Nutzung von Informationsquellen, die außerhalb der hessi-

schen Justiz vorhanden sind, ebenfalls eine wichtige Rolle.

Um das Ziel der Senkung von Betriebskosten erreichen zu können, werden seitens des Be-

triebs zwei der aktuell wichtigsten Themen der Informationstechnik, die Zentralisierung von

Technik und die Virtualisierungsmöglichkeiten in der IT, ausführlich betrachtet, wobei

die Anforderungen an den elektronischen Rechtverkehr ermöglichenden Justizarbeitsplatz mit

der künftigen IT-Architektur technisch und finanziell in Einklang gebracht werden.

Besonderes Augenmerk kommt in diesem Zusammenhang ebenfalls der stetig zunehmenden

Flexibilisierung des persönlichen Arbeitsumfeldes sowie der Mobilität heutiger Endgeräte zu.

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6. Arbeitsplatzausstattung in der hessischen Justiz

a) Die Modernisierungsoffensive der Jahre 1999 bis 2006

Die hessische Landesregierung erklärte 1999 eine umfassende „Modernisierungsoffensive der

hessischen Justiz“ zu einem wesentlichen Punkt ihres Regierungsprogramms.

Es wurde eine Kommission gegründet, die sich aus hochrangigen Vertretern der Wirtschaft

und Justiz zusammensetzte und den Auftrag erhielt eine umsetzbare Modernisierungsstrategie

zu entwickeln.

Diese entwickelte die bis heute gültige Umsetzungsstrategie der Binnenmodernisierung:

• Vollverkabelung aller Justizbehörden

• EDV-Vollausstattung (auch Laptops) und Einführung zukunftsfähiger Justizfachanwendungen

• Aufbau von Client/Server-Netzwerken mit moderner Kommunikationsmöglichkeit

• Flächendeckende Einrichtung von Serviceeinheiten

Das mit der IT-Strategie verfolgte EDV- und Kommunikationskonzept setzt auf standardisier-

te Systeme, lässt darüber hinaus aber auch Individualsoftware zu.

Bereits seit Juni 2004 können an allen Richter-, Staatsanwalts- und Rechtspflegerarbeitsplät-

zen Internetzugänge mittels einer sicheren und vom hessischen Datenschutzbeauftragten ge-

prüften Terminalserverlösung genutzt werden.

b) Das Reinvestitionsprogramm

Um auch künftig den Anforderungen an eine moderne und leistungsfähige Justiz gerecht wer-

den zu können, bedeutete das Ende der Binnenmodernisierung im Jahr 2006 nicht auch das

Ende der Fortentwicklung: Bereits 2005 wurde – entsprechend der Vorgabe des Regierungs-

programms – damit begonnen, die in den Jahren 2000 und 2001 modernisierten Justizstandor-

te gezielt durch die Einrichtung von entsprechenden Neuausstattungsprojekten den perma-

nent weiterentwickelten EDV-Standards anzupassen, EDV-Hardware nach einer Laufzeit von

rund vier Jahren turnusmäßig auszutauschen und letztlich die erforderliche Kontinuität der

Modernisierungsstandards zu gewährleisten, um an der technischen Entwicklung im erforder-

lichen Maß zu partizipieren. Es ist somit sichergestellt, dass die Ausstattung der hessischen

Justiz der technischen Weiterentwicklung stets sinnvoll angepasst wird.

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33

c) Neue Tendenzen in der Ausstattung von Arbeitsplätzen – Mobiles Arbeiten

Bisher wurden in den Reinvestitionszyklen durchgängig jeweils sogenannte „Fat-Clients“,

d.h. Standard-PCs, die in aller Regel unter dem Schreibtisch Platz finden, beschafft. Nur in

wenigen, begründeten Ausnahmefällen (z.B. bei Betreuungsrichtern, die häufiger Auswärts-

termine wahrnehmen) wurden Laptops eingesetzt.

Von den derzeit im Einsatz befindlichen rund 13.140 PCs in der hessischen Justiz sind daher

12.852 Fat-Clients und nur 288 Notebooks.

Neue Fachanwendungen und die sich abzeichnende Einführung von elektronischen Akten

zumindest in Teilbereichen des justiziellen Arbeitens sowie die bereits jetzt eröffnete Mög-

lichkeit, über gesicherte Datenverbindungen auch außerhalb des Gerichts auf den vollen Da-

tenbestand desselben zugreifen zu können, lassen es sinnvoll erscheinen, bereits jetzt die not-

wendigen technischen Grundlagen zu legen, um innerhalb des Reinvestitionszyklusses auf die

sich dann eröffnenden Möglichkeiten technisch gerüstet zu sein. Insbesondere ist hierbei die

künftig angedachte Möglichkeit, Arbeit mobiler zu gestalten, zu berücksichtigen.

Die für diese Form der Arbeit vorgesehene Ausstattung würde ein Net- oder Notebook mit

UMTS-Verbindungsmöglichkeit, eine Docking-Station (zum bequemen Anschluss der Peri-

pheriegeräte), einen Flachbildschirm sowie den Anschluss an einen Standarddrucker der HZD

umfassen.

Da der Wunsch, mobil arbeiten zu können, nicht durchgängig vorauszusetzen ist und die

durch die Nutzung von Net- oder Notebooks statt Fat-Clients sich erhöhenden Reinvestitions-

kosten im Blick zu behalten sind, wird zunächst durch eine Abfrage bei den Richtern, Staats-

anwälten und Rechtspflegern der konkrete Wunsch auf mobile Arbeitsmöglichkeiten erhoben.

Hierbei auch die Ausstattung der Rechtspfleger einzubeziehen, ist zumindest dann angezeigt,

wenn den Rechtspflegern ein Arbeitszeitmodell – vergleichbar der Vertrauensarbeitszeit – als

Kompensationsmaßnahme für zu realisierende Sparmaßnahmen angeboten werden soll.

Die Richter und Staatsanwälte, die sich trotz der Zukunftsfähigkeit eines Net- oder Notebook-

Einsatzes gegen dieses Modell entscheiden und lieber wie bisher einen Standard-PC wün-

schen, sollen weiterhin mit dem Standard-PC arbeiten.

Page 34: eJustice-Bericht 2010 - Endfassung

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Durch die Gerichtsleitungen soll die Net- oder Notebook-Nutzung beworben werden, um eine

möglichst hohe Flexibilität für neue Arbeitsmodelle zu schaffen. Auch würde eine Entschei-

dung gegen ein Net- oder Notebook bei einem möglichen Dezernatswechsel den neu in das

Dezernat eintretenden Richter oder Rechtspfleger von den zukünftigen Möglichkeiten eines

mobilen Arbeitens bis zum nächsten Investitionszyklus ausschließen.

7. Green-IT

Berechnungen des Borderstep-Instituts (Energieverbrauch und Energiekosten von Servern

und Rechenzentren in Deutschland, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit

gemeinnützige GmbH, Berlin, Oktober 2008, Seite 2) haben ergeben, dass der Stromver-

brauch von Servern und Rechenzentren 2008 in Deutschland 10,1 Terrawattstunden betrug.

Das entspricht ca. 1,8 Prozent des Gesamtstromverbrauchs. Die damit verbundenen Kosten

beliefen sich auf rund 1,1 Milliarden Euro. Eine lineare Fortschreibung der Server-Einsatz-

Praxis würde laut dieser Studie den Energieverbrauch bis 2013 um weitere 50 Prozent stei-

gern. Die Nutzung von PCs und anderen IT-Geräten wurde hierbei nicht einmal berücksich-

tigt. Es ist somit nicht verwunderlich, dass sich die IT-Branche dieses Themas angenommen

hat.

Die Verwendung dieses Begriffs ist vielfältig, je nach Interessenslage des Verwenders. So

reichen die Erklärungen für den Begriff „Green-IT“ vom reduzierten Energieverbrauch bei

Servern und PCs über Abwärme-Regeneration in Rechenzentren und Server-based-

Computing (SBC) bis hin zu integrativen Ansätzen, die allgemein in IT-Konzepten Ressour-

cen schonende und nachhaltige Ideen anmahnen. Die zuletzt genannte Erklärung des Begriffs

vereint alle isolierten Erklärungsversuche und stellt einen der Basisgedanken für die IT-

Strategieüberlegungen der hessischen Justiz dar.

So wird bei der Einrichtung von Servern beim Justiz-Dienstleister HZD und vereinzelt auch

in den Dienststellen der hessischen Justiz schon seit einiger Zeit Virtualisierungssoftware

eingesetzt. Mit einer Virtualisierungssoftware werden mehrere virtuelle Maschinen (PC, Ser-

ver) auf Betriebssystemebene zur Verfügung gestellt. So werden auf einem physikalisch vor-

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handenen Server mehrere virtuelle Server nachgebildet, womit Energie- und Investitionskos-

ten gespart werden können. Darüber hinaus ist die Portierbarkeit virtualisierter Server auf

neue, energieeffizientere Systeme deutlich erleichtert.

Doch nicht nur Server können virtualisiert werden. Mittelbar ist – nach intensiver Prüfung der

Machbarkeit – beabsichtigt, im Rahmen der Rollout-Zyklen die Virtualisierung des User-

Desktops durchzuführen. Die „Desktop-Virtualisierung“ ist durch die verstärkte Zentralisie-

rung der Server-Hardware und deren Administration und dem Einsatz von „Low Budget-

Systemen“ mit geringerem Energieverbrauch am Arbeitsplatz sowohl ökologisch wie auch

ökonomisch hoch effizient.

Ein Gesamtkonzept zum ökologischen und ökonomischen IT-Einsatz in der hessischen Justiz

wird derzeit erarbeitet. Der Umstieg auf serverbasierte, virtualisierte Anwendungen wird erst-

mals ab Oktober dieses Jahres bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof pilotiert.

Bei erwartet positivem Verlauf soll mit der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit dann Be-

ginn des Jahres 2011 die erste hessische Gerichtsbarkeit die Möglichkeit erhalten, die Fach-

anwendung Eureka-Fach über eine hochverfügbar aufgebaute Serverfarm bei der Hessischen

Zentrale für Datenverarbeitung virtualisiert zur Verfügung gestellt zu bekommen. Durch die

Virtualisierung wird es möglich sein, statt der bisher bekannten Arbeitsplatzrechner soge-

nannte Thin- oder auch Zero-Clients zum Einsatz zu bringen. Die erwarteten Einsparungen

durch die Virtualisierung werden derzeit auf ca. 200.000 € jährlich geschätzt.

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36

III. Stand des eJustice in der hessischen Justiz

Die eJustice-Projekte des Landes Hessen haben aktuell ihre Schwerpunkte auf den Themen-

feldern „Elektronischer Rechtsverkehr“ und „Elektronische Akte“. Dort liegen große Rationa-

lisierungspotenziale für die weitere Entwicklung der Justiz.

1. Elektronischer Rechtsverkehr in Hessen

a) Elektronischer Gerichtsbriefkasten

Die hessische Justiz hat als erstes Flächenland den elektronischen Zugang zu allen Gerich-

ten und Staatsanwaltschaften eröffnet. Damit kann der rechtswirksame Posteingang bei

allen hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften elektronisch erfolgen.

Durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den hessischen Gerichten

und Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBl. 2007 S. 699) ist die Einreichung

elektronischer Dokumente in allen Verfahren nach der Zivilprozessordnung, der Verwal-

tungsgerichtsordnung, dem Arbeitsgerichtsgesetz, dem Sozialgerichtsgesetz, der Finanzge-

richtsordnung, der Strafprozessordnung sowie dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten hes-

senweit ermöglicht worden. Elektronische Dokumente können auch in Beschwerdeverfahren

nach der Grundbuchordnung und nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen

Gerichtsbarkeit eingereicht werden.

Hessen hat darüber hinaus als erstes Bundesland von der vom Bundesgesetzgeber vorgesehe-

nen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Beteiligten zu verpflichten, Schriftsätze in den Mus-

terverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ausschließlich elektronisch

einzureichen.

Schon seit Inkrafttreten des neuen § 12 des Handelsgesetzbuchs in Folge des Gesetzes über

elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister

(EHUG) am 1. Januar 2007 sind die Anmeldungen zur Eintragung in das Handels-, Genos-

senschafts- und Partnerschaftsregister und weitere Dokumente zwingend elektronisch in öf-

fentlich beglaubigter Form einzureichen.

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Die hessische Justiz setzt für den elektronischen Rechtsverkehrs das für Bund und Länder

entwickelte Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) ein.

Während im Jahr 2007 insgesamt ca. 86.000 Eingänge zu verzeichnen waren, konnten in 2008

schon rund 117.000 Eingänge registriert werden. Im Jahr 2009 sind über 177.000 Nachrichten

eingegangen. Die Tendenz ist steigend.

Dem gegenüber stehen bereits der elektronische Postausgang im Mahnverfahren sowie elekt-

ronische Ausgänge in Registerverfahren (Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregis-

ter). Seit dem 1. September 2008 erfolgt in Registersachen der Versand von Dokumenten an

die im elektronischen Rechtsverkehr teilnehmenden Adressaten, insbesondere an die Notare

sowie Industrie- und Handwerkskammern. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Ein-

tragungsnachrichten, Zwischenverfügungen sowie einfache und beglaubigte Ausdrucke aus

dem Handelsregister.

Insgesamt sind in 2008 über 100.000 Nachrichten versandt worden. In 2009 sind mit annä-

hernd 177.000 Nachrichten nahezu genauso viele Ausgänge wie Eingänge zu verzeichnen.

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Schrittweise werden einzelne geeignete Teilprozesse auch für den elektronischen Versand

vorbereitet. Seit Beginn dieses Jahres erfolgt der Versand der Schuldnerverzeichnismitteilun-

gen durch die hessischen Amtsgerichte an berechtigte Empfänger auf elektronischem Wege

ausschließlich per EGVP. Gleichfalls ist die elektronische Notarvertreterbestellung für alle

Vertretungsfälle eröffnet, nachdem im Jahre 2009 am Landgericht Frankfurt am Main die

Übermittlung der Bestellungsurkunden zum Notarvertreter per EGVP als elektronisches Do-

kument pilotiert worden ist. Als weitere geeignete Kommunikationspartner erscheinen auch

die Gerichtsvollzieher, deren Beauftragung auch elektronisch erfolgen könnte.

Auch im Zahlungsverkehr der hessischen Justiz wird auf elektronischen Rechnungsversand

umgestellt [siehe Kapitel III Nr. 1c)]. Der erfolgreich eingeschlagene Weg wird weiter be-

schritten und ausgebaut werden.

b) Elektronischer Rechtsverkehr in Insolvenzsachen

Die für die Bearbeitung von Insolvenzverfahren zum Einsatz kommende Fachanwendung

EUREKA WINSOLVENZ stellt in ihrer aktuellen Version eine Schnittstelle zum Elektroni-

schen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) und damit eine unmittelbare Anbindung an

den elektronischen Rechtsverkehr zur Verfügung. Diese Schnittstelle wird im laufenden Jahr

2010 landesweit produktiv zum Einsatz kommen und dient zunächst insbesondere in der

Kommunikation mit den Insolvenzverwaltern zum Einlesen der von diesen elektronisch zur

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39

Verfügung gestellten Tabellen (§ 175 InsO) mit den angemeldeten Forderungen der Gläubi-

ger. Diese Daten stehen dann unmittelbar für eine weitere Nutzung in der Fachanwendung

EUREKA WINSOLVENZ insbesondere zur Vorbereitung und Durchführung des Vertei-

lungstermins zur Verfügung.

Die Verteilung der für die Insolvenzabteilung bestimmten EGVP-Nachrichten erfolgt, solange

eine Software zu deren automatischer Verteilung [siehe Projekt ELEVATOR Kapitel IV Nr.

1b)] noch nicht zur Verfügung steht, zunächst durch Sichtung des Inhaltes in der Poststelle

und nachfolgende elektronische Weiterleitung an die Insolvenzabteilung.

Die Fachanwendung EUREKA WINSOLVENZ baut aus den gerichtlichen und den auf elekt-

ronischem Wege eingegangenen Dokumenten eine Dokumentenliste auf, die als elektroni-

scher Aktenauszug auch zur inhaltlichen Bearbeitung neben der zunächst nach wie vor ver-

bindlichen Papierakte genutzt werden kann.

Weiterhin stellt EUREKA WINSOLVENZ auch Funktionen zur Verfügung, die den elektro-

nischen Versand von gerichtlichen Dokumenten unmittelbar über EGVP ermöglichen. Im

Sommer 2010 ist ein Pilotprojekt beim Amtsgericht Frankfurt am Main gestartet, bei dem der

vollständige elektronische Rechtsverkehr zumindest mit Insolvenzverwaltern als den

hauptsächlichen Kommunikationspartnern in diesem Verfahren umgesetzt werden soll.

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40

c) eRechnung

Im Rahmen des Projekts „Elektronische Kostenrechnung“ (eRechnung) werden derzeit in den

Landgerichtsbezirken Gießen, Limburg a.d. Lahn und Marburg die Vorschusskostenrechnun-

gen in Zivilsachen mit der Fachsoftware JUKOS elektronisch erstellt und versandt. Die JU-

KOS-Datei wurde hierzu im Adressfeld um die eindeutige Postfachkennung – die sogenannte

Govello-ID – für den Rechnungsempfänger erweitert. Um den Automatisierungsgrad noch zu

verbessern, wird als nächster Schritt für die elektronische Versendung ein entsprechender

Dienst – technisch Webservice – entwickelt, der den Rechnungsempfänger der Govello-ID

automatisch zuordnet.

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Die jetzige Ausbaustufe sieht die Versendung aller Vorschusskostenrechnungen an auf elekt-

ronischem Wege per Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) erreichbaren

Anwälte bzw. Kostenschuldner vor.

Die Versendung selbst erfolgt ohne jegliche Signatur. Der Prozess läuft automatisiert ohne

Einbeziehung des EGVP-Clients ausschließlich unter Nutzung der Fachsoftware JUKOS ab

und kann insoweit als Musterprozess für den elektronischen Postausgang angesehen werden.

Durch die abschließende Aktion des Anwenders in dem Fachsoftware-Modul werden zeit-

gleich vier Aktionen angestoßen:

• Absenden der elektronischen Rechnung

• Verarbeitung der Rechnungsstellung in der Fachsoftware JUKOS

• Ausdruck einer Versendebestätigung der Rechnung für die Verfahrensakte

• Freischaltung der ePayment-Plattform für die angeforderte Zahlung

Bis zum Ende des Jahres wird die hessenweite Ausweitung der eRechnung erfolgen. Die

elektronische Versendung der Schlusskostenrechnung ist in Vorbereitung.

d) ePayment

Die Bezahlung über das Internet wird üblicherweise als ePayment bezeichnet. Hierunter ver-

steht man den Transfer eines Geldbetrages, zu dessen Abwicklung alle für die Übertragung

notwendigen Informationen, z.B. Name und Kontoinformationen, über das Internet übertra-

gen werden. Dieses Zahlungsverfahren wird in der Wirtschaft bereits von mehr als 2/3 der

sogenannten E-Commerce-Unternehmen für ihre Zahlungsabwicklung eingesetzt. Diese Un-

ternehmen wollen ihren Kunden die Möglichkeit geben, nicht nur online zu bestellen, sondern

auch online zu bezahlen.

Das Land Hessen strebt an, auch für die Online-Angebote im Hessenportal elektronische Be-

zahlmöglichkeiten anzubieten. Hierzu soll eine für alle Behörden der Landesverwaltung zu-

gängliche ePayment-Plattform entwickelt werden. Der erste praktische Anwendungsfall er-

folgte im Rahmen eines Pilotverfahrens bei dem Landgericht Limburg a.d. Lahn. Zwischen-

zeitlich ist eine Ausweitung auf die Amts- und Landgerichte in drei mittelgroßen Landge-

richtsbezirken erfolgt.

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Die Zahlungen können unter Verwendung eines auf der elektronischen Rechnung hin-

terlegten Links über die ePayment-Plattform mittels Einbindung eines integrierten

ePayment-Service-Providers durch den Rechnungsempfänger online vorgenommen

werden.

Die Zahlungen können dabei auch durch Aufruf der Bezahlplattform im Internet unter Anga-

be des Kassenzeichens erfolgen. Als Zahlungsvarianten stehen Kreditkarten (VISA und Mas-

terCard), giropay und ein elektronisches Lastschriftverfahren zur Auswahl.

Der ePayment-Service-Provider bildet hierbei die Schnittstelle zwischen Justiz und Karten-

dienstleister. Unmittelbar nach Auslösung des Zahlungsvorgangs veranlasst er bereits im Vor-

feld die Versendung der Zahlungsbestätigung an das Gericht. Er stellt die Payment-Software

zur Abwicklung der Zahlungen und kümmert sich im Hintergrund um den Zahlungsausgleich,

indem er den Rechnungsbetrag (in voller Höhe) einzieht und an die Gerichtskasse weiterleitet.

Die elektronische Lastschrift bietet den Vorteil der Zahlungsfiktion, so dass justizseitig das

Verfahren sofort weiterbetrieben werden kann. Derzeit ist die Lastschrifteinzugsermächtigung

bei jedem Verfahren gesondert zu erteilen, eine generelle Ermächtigung für alle Verfahren –

auf Basis einer gesetzlichen Grundlage – wird angestrebt.

Das bereits zuvor näher beschriebene Projekt eRechnung ist die erste Anwendung, die diese

moderne Zahlungsform nutzt.

Page 43: eJustice-Bericht 2010 - Endfassung

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Die nächste Ausbaustufe des ePayment-Services, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein

wird, schafft die Voraussetzungen, dass alle Gerichtskostenrechnungen der hessischen Ge-

richte bequem über die ePayment-Plattform des Landes Hessen im Hessenportal beglichen

werden können.

e) Elektronischer Rechtsverkehr mit den Sozialkassen des Baugewerbes

Im September 2008 begann die Umstellung der hessischen Arbeitsgerichte von der bisher

eingesetzten Fachanwendung AROSA, einer hessischen Eigenentwicklung auf die in elf Bun-

desländern eingesetzte Lösung für alle Fachgerichtsbarkeiten – EUREKA-Fach. Bisher wur-

den elf von 13 Arbeitsgerichte inklusive des Hessischen Landesarbeitsgerichts erfolgreich

umgestellt. Den Abschluss wird im Laufe des Jahres das Arbeitsgericht Wiesbaden bilden, bei

dem wegen der Besonderheiten der Massenverfahren der Sozialkassen des Baugewerbes zu-

sätzliche Funktionalitäten in EUREKA-Fach abgebildet werden müssen. Bei diesem Arbeits-

gericht wurden im Rahmen des Projekts „Elektronischer Rechtsverkehr mit den Sozialkassen

des Baugewerbes“ bereits mehrere tausend Klagen elektronisch per EGVP eingereicht. Auch

beim Arbeitsgericht Kassel gingen von einer dort angesiedelten Sozialkasse Massenklagen

ein.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden ist zuständig für alle ehemals westlichen Bundesländer in

Auskunfts- und Zahlungsklage- und Mahnverfahren der Sozialkassen des Baugewerbes gegen

ihre Mitgliedsfirmen. Diese rund 20.000 Klage- und 30.000 Mahnverfahren jährlich erfordern

eine besonders rationelle Bearbeitung durch ein EDV-Verfahren. Der dabei durch AROSA

gesetzte Standard kann mit EUREKA-Fach noch verbessert werden, wenn das Programm

nicht nur Funktionalitäten wie massenweise Terminierung / Ladung pp. bereitstellt, sondern

im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs auch die elektronische Kommunikation und

eine weitgehende Führung elektronischer Akten unter Verzicht auf das Anlegen einer Papier-

akte ermöglicht.

Hierzu sind sowohl die Kooperation mit den Masseneinreichern (in erster Linie der ZVK Bau

mit geschätzten 70 % der Eingänge) notwendig als auch das Einhalten technischer Spezifika-

tionen in der elektronischen Kommunikation mit EGVP. Eine Herausforderung in diesem

Projekt stellt die Signierung der massenhaften Klage- und Mahnbescheidsanträge nebst der

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Verifizierung auf Seiten des Gerichts dar. Dies ist ein Prüfstein für die bestehende Infrastruk-

tur des elektronischen Rechtsverkehrs in einem Massenverfahren.

f) Elektronischer Rechtsverkehr mit dem VdK und der Versorgungsverwaltung

Anfang 2009 wurde im Rahmen eines gemeinsamen Projektes des Hessischen Landessozial-

gerichts mit dem VdK Hessen-Thüringen sowie den beim Regierungspräsidium Gießen ange-

siedelten Behörden der Versorgungsverwaltung die zukünftige verstärkte Nutzung des EGVP

im sozialgerichtlichen Verfahren sowie im vorgeschalteten Verwaltungsverfahren durch die

Beteiligten beschlossen. Hierbei verständigte man sich zunächst auf eine längerfristige Erpro-

bung in dem räumlich beschränkten Rahmen eines Pilotprojektes im Zuständigkeitsbereich

des Sozialgerichts Darmstadt.

Für die Bearbeitung des hierbei in verstärktem Umfang anfallenden „digitalen Schriftwech-

sels“ war es erforderlich, eine Anbindung der in der Sozialgerichtsbarkeit im Einsatz befindli-

chen Fachanwendung EUREKA-Fach an das EGVP einzurichten. Dabei war sowohl eine

Übermittlung der im EGVP eingegangenen Schriftsätze an die betreffenden Arbeitsplätze in

den Serviceeinheiten und die dortige Aufnahme der Eingänge in die EUREKA-Fach-

Dokumentenliste als auch der direkte Versand von Schriftsätzen des Gerichts durch die Servi-

ceeinheiten unmittelbar vom Arbeitsplatz aus an Verfahrensbeteiligte über den EGVP-

Postausgang zu ermöglichen.

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45

Um die elektronisch eingehenden Dokumente auch im richterlichen Dezernat nutzbar machen

zu können, erfolgte am Sozialgericht Darmstadt parallel hierzu die Pilotierung der sog. eDup-

lo-Akte [siehe Kapitel III Nr. 2h)].

Seitens des VdK Hessen-Thüringen erfolgte im Laufe des Jahres 2009 der Umstieg auf

EGVP zunächst in einem ersten Schritt im Bereich eines Dezernats der Geschäftsstelle Darm-

stadt. Die Anbindung des im Bereich der Versorgungsverwaltung zuständigen Regierungsprä-

sidiums Gießen ist in 2010 erfolgt.

Dieses Projekt ist ein erster Schritt Richtung elektronischen Rechtsverkehrs mit anderen Stel-

len der Landesverwaltung. Mittlerweile haben auch das Regierungspräsidium Darmstadt so-

wie die ersten Landkreise Interesse an der elektronischen Kommunikation per EGVP bekun-

det.

2. Elektronische Aktenführung in Hessen

a) Grundlagen elektronischer Aktenführung

Elektronischer Rechtsverkehr, also die elektronische Kommunikation der Justiz nach außen,

setzt für effiziente interne Arbeitsabläufe die elektronische Bearbeitung und Erzeugung von

Dokumenten und weiteren Daten auch innerhalb der Justiz voraus. Denn der Transfer elektro-

nischer Eingänge in Papierform durch Ausdruck erzeugt ebenso zusätzlichen Aufwand, wie

die Umsetzung von Dokumenten einer Papierakte für den elektronischen Versand durch

Scannen. Um effiziente medienbruchfreie Arbeitsabläufe sicherzustellen, ist mittelfristig der

Einsatz verbindlicher elektronischer Akten als Ersatz der Papierakte zwingend erforder-

lich.

In der hessischen Justiz ist im Landgerichtsbezirk Kassel bereits seit Januar 2008 eine ver-

bindliche elektronische Akte für Einspruchsverfahren gegen Bußgeldbescheide wegen Stra-

ßenverkehrsordnungswidrigkeiten im Einsatz, die sich für Verfahrensakten vergleichsweise

geringen Umfangs bewährt hat. Damit stehen erprobte technische Komponenten zur Verfü-

gung, die eine Basis für eine Weiterentwicklung für die Führung elektronischer Akten auch in

Rechtssachen größeren Umfangs und höherer Komplexität darstellen.

Page 46: eJustice-Bericht 2010 - Endfassung

46

Das Grundbuch und das Handelsregister werden landesweit bereits seit Jahren erfolgreich

elektronisch geführt. Dabei werden die Grundbuchblätter bzw. die Registereinträge als elekt-

ronische Vorgänge innerhalb spezifischer in Länderverbünden entwickelter Fachverfahren

(SolumSTAR und RegisSTAR) verwaltet. Beide Systeme ermöglichen bereits die Speiche-

rung von einzelnen Dokumenten zu den jeweiligen Vorgängen. Diese Dokumentensammlun-

gen können die Basis für den Ausbau zu elektronischen Grund- bzw. Registerakten darstellen,

wobei eine Anbindung an eine Speicherlösung (Dokumentenmanagementsystem oder Archiv-

system) über aktuell in der Standardisierung als Industriestandard befindliche Schnittstellen

wie CMIS (Content Management Interoperability Services) erfolgen kann. Daneben erfolgt in

einem Projekt aller Bundesländer derzeit die Planung zur Fortentwicklung des dokumentba-

sierten elektronischen Grundbuchs zu einem Datenbankgrundbuch mit dem Vorteil wesent-

lich erweiterter Such- und Zugriffsmöglichkeiten.

Aus den bisherigen Projekten ergibt sich die Erfahrung, dass bei der Einführung elektroni-

scher Akten das Augenmerk auf einer justizförmigen Ausgestaltung der Systeme liegen muss.

Davon sind ganz wesentlich der Nutzen bei der Erfüllung der justiziellen Aufgaben und damit

auch die Akzeptanz bei den Nutzern abhängig. Standardsysteme zur Dokumentenverwaltung

orientieren sich in der Regel an den Abläufen der Verwaltung, die sich nur in geringen Teilen

auf die Justiz übertragen lassen. Während in der Verwaltung der Vorgang bis zur Erstellung

eines schließlich zur Akte zu nehmenden Dokuments im Vordergrund der Betrachtung steht,

stellt für die Justiz die Akte in ihrer Gesamtheit die wesentliche Arbeitsgrundlage dar, deren

inhaltliche Erschließung unterstützt werden muss.

Elektronische Aktenführung bedingt die elektronische Archivierung der gerichtlichen Akten

mit dem Vorteil der Einsparung der bislang zur Lagerung der Papierbestände dienenden

Räumlichkeiten. Mit der Hybridarchivierung von Papierakten in Form von Mikrofilmen und

gescannten Dokumenten sind bereits die Voraussetzungen für eine spätere Archivierung auch

elektronischer Akten gelegt.

Wie bei den Rechtssachen ist es auch im Bereich der Justizverwaltung mit zunehmender

elektronischer Außenkommunikation eine Führung elektronischer Akten sinnvoll. Im Bereich

der Abteilung I des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa erfolgt

bereits der Einsatz elektronischer Akten unter Nutzung des Dokumentenmanagementsystems

nach dem Landesstandard (HeDok). Dabei kann anders als bei Rechtssachen das auf die An-

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forderungen einer Verwaltung ausgelegte System ohne spezifische Anpassungen verwendet

werden. Auch im Justizvollzug wird eine elektronische Akte bereits auf Basis eines Doku-

mentenmanagementsystems geführt.

Unabhängig von der Führung rechtlich verbindlicher elektronischer Akten in Rechtssachen

erfordern Verfahren mit großen Aktenumfängen (sog. Umfangsverfahren) eine umfangreiche

inhaltliche Strukturierung, die effizient nur mit elektronischer Unterstützung erfolgen kann.

Dafür bietet sich die Herstellung einer elektronischen Doppelakte an, die ein vollständiges

Abbild der zunächst noch verbindlichen Papierakte darstellt. Die notwendigen Werkzeuge

dafür stehen einsatzbereit zur Verfügung und sind bereits in der Pilotierung. Im Regelfall

werden von Umfangsakten Papierkopien erstellt, die zur Akteneinsicht oder zur zeitlich paral-

lelen Bearbeitung an verschiedenen Stellen innerhalb der Justiz genutzt werden. Beim Einsatz

multifunktionaler Kopierer bzw. Scanner entstehen elektronische Doppelakten als Nebenpro-

dukt ohne weiteren Zusatzaufwand. Diese elektronischen Doppelakten können dann, wie im

Projekt „Elektronische Duplikatsakte“ [siehe Kapitel III Nr. 2h)] erfolgreich pilotiert, unter

Einsatz spezieller juristischer Fachsoftware zur fachlich-inhaltlichen Strukturierung des Ak-

teninhaltes dienen.

b) Elektronische Akte in Ordnungswidrigkeitenverfahren (ERV OWi)

Im Projekt „Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeiten“ (ERV OWi) wird bun-

desweit erstmalig und derzeit immer noch einmalig eine verbindliche elektronische Akte in

Rechtssachen erfolgreich eingesetzt. Seit dem 1. Januar 2008 werden alle Einspruchsverfah-

ren gegen Bußgeldbescheide wegen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten von der Verwal-

tungsbehörde, der Zentralen Bußgeldstelle beim Regierungspräsidium Kassel, über die

Staatsanwaltschaft bis zum Amtsgericht Kassel vollständig elektronisch geführt und bearbei-

tet. Wegen der hohen Anzahl von Verfahren einerseits und der weitgehend einheitlich struktu-

rierten Akten geringen Umfangs andererseits haben sich diese Verfahren als besonders geeig-

net für den Einstieg in eine elektronische Bearbeitung angeboten.

Bisher sind rund 8.000 dieser Ordnungswidrigkeitenverfahren bei der Staatsanwaltschaft und

dem Amtsgericht vollelektronisch bearbeitet worden (Stand: 30. April 2010). Seit 1. Oktober

2009 sind diese Ordnungswidrigkeitenverfahren der Bezirksamtsgerichte des Landgerichtsbe-

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48

zirks Kassel beim Amtsgericht Kassel konzentriert und konnten trotz signifikanter Erhöhung

der Eingangszahlen mit dem gleichen Personalstamm bearbeitet werden.

Die angestrebten und im Pilotbetrieb erreichten Ziele waren insbesondere eine Einsparung

von Zeit und Aufwand für Aktentransporte, der Entfall einer Mehrfacherfassung von Daten

zum Verfahren und den Beteiligten sowie die Erprobung von Basiskomponenten für die Füh-

rung und den Austausch der elektronischen Akten.

Das verwendete Dokumentenmanagementsystem (DMS) gemäß Landesstandard hat sich

als geeignete technische Basis für eine rechtssichere Speicherung der elektronischen Akten

erwiesen. Benutzeroberfläche und Funktionalität des DMS wurden in mehreren Schritten in

enger Abstimmung mit den Anwendern bei Staatsanwaltschaft und Gericht den spezifischen

Anforderungen der Justiz und insbesondere des Ordnungswidrigkeitenverfahrens angepasst.

Insbesondere wurde eine zusätzliche justizförmige Sicht auf die elektronische Akte in Form

einer sogenannte PDF-Sammelakte geschaffen. Diese stellt den gesamten aus einzelnen

elektronischen Dokumenten bestehenden Akteninhalt in einer Datei im PDF-Format ergänzt

um Gliederungselemente wie z. B. eine fortlaufende Paginierung und automatisch generierte

Sprungmarken dar.

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Für die inhaltliche Bearbeitung elektronischer Gerichtsakten hat sich eine fachlich orientierte

Ansicht der Gesamtakte als erforderlich herausgestellt. Für Akten von dem in Einspruchsver-

fahren gegen Bußgeldbescheide üblichen Umfang hat sich die beschriebene PDF-Sammelakte

bewährt. Dieses PDF-Dokument wird zugleich zur Akteneinsicht via EGVP an Verteidiger

versandt. Diese Sammelakte stellt für künftigen Einsatz elektronischer Akten neben einem

Strukturierungswerkzeug [siehe Projekt „Elektronische Duplikatsakte“ Kapitel III Nr. 2h)] die

Basis für ein durch Weiterentwicklung und Integration zu schaffendes Standardwerkzeug zum

fachlichen Umgang mit elektronischen Justizakten dar.

Der Zugriff auf die Akte erfolgt über eine auf die spezifischen Belange der Justiz angepasste

modifizierte Benutzeroberfläche des DMS, in der auch im Fachverfahren erfasste Daten

zum Verfahren und den Beteiligten angezeigt werden können. Bis moderne Fachverfahren

[siehe Projekt „NeFa“ Kapitel IV Nr. 1a)] zur Verfügung stehen, die eine unmittelbare Integ-

ration elektronischer Akten – als elektronische Doppelakte oder als verbindliche elektronische

Akte – ermöglichen, sollte diese Oberfläche weiter gepflegt und ggf. angepasst an sachge-

bietsspezifische Anforderungen als justizförmige Oberfläche zum Zugriff auf das DMS ge-

nutzt werden.

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Zwischen den beteiligten Systemen der Justiz, also den Fachverfahren MESTA und EUREKA

sowie dem DMS, erfolgt die interne Kommunikation über eine Integrationsplattform, eine

sogenannte Middleware. Eine solche Middleware stellt eine Zwischenschicht zwischen An-

wendungen zur Verfügung, die keine unmittelbar kompatiblen Schnittstellen aufweisen. Die

Steuerung der Abläufe in der Middleware erfolgt ausschließlich über Datensätze im standar-

disierten Format XJustiz. Der Einsatz dieser Middleware zur Weiterleitung und Verteilung

von fachlich geprägten Daten, wie elektronischen Akten und Dokumenten sowie beschrei-

benden Daten zu Verfahren, Beteiligten und Dokumenten (sog. Metadaten), ist protypisch und

standardprägend für elektronische Kommunikationsflüsse innerhalb der Justiz, [z. B. Projekt

ELEVATOR Kapitel IV Nr. 1b)].

Eine Ausweitung und Weiterentwicklung des Verfahrens und der dabei zum Einsatz kom-

menden technischen Komponenten sollte in verschiedene Richtungen erfolgen. Der Einsatz

sollte für den Anwendungsfall der Einspruchsverfahren gegen Bußgeldbescheide wegen Stra-

ßenverkehrsordnungswidrigkeiten auf weitere größere Standorte ausgedehnt werden. Hier

bietet sich die Stadt Frankfurt am Main an, die in Frankfurt am Main selbst als Verwaltungs-

behörde für die Verfolgung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten zuständig ist und mitt-

lerweile auch über einen vollständig elektronischen Datenbestand verfügt.

Weiterhin sollten neben den Einspruchsverfahren auch andere Anträge in den Verfahren we-

gen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten elektronisch durchgeführt werden, insbesondere

die Anträge auf Erzwingungshaft und auf gerichtliche Entscheidung, wofür weitere Kommu-

nikationsprozesse in das Verfahren zu integrieren sind.

Daneben sollte ein Einsatz auch in Bereichen erfolgen, in denen Umfang und inhaltliche

Komplexität der Akten mit den Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten vergleichbar sind.

Hierfür kommen Sonderordnungswidrigkeiten in Betracht, bei denen eine Verwaltungsbehör-

de eine Vielzahl gleichartiger Verfahren an eine Staatsanwaltschaft und diese weiter an ein

Gericht abgibt. Dies trifft bei den Fahrpersonalsachen (Einspruchsverfahren gegen Bußgeld-

bescheide wegen Lenkzeitüberschreitungen) zu. Es handelt sich dabei um derzeit etwa 1.500

Einspruchsverfahren jährlich, die von der Zentralen Ahndungstelle Hadamar des Regierungs-

präsidiums Gießen verfolgt werden und für die auf gerichtlicher Seite das Amtsgericht Lim-

burg, Zweigstelle Hadamar, für ganz Hessen zuständig ist. Ein Einsatz für diese Verfahren

wird derzeit vorbereitet. Von besonderem Interesse ist dabei die Integration der elektroni-

schen Aufzeichnungen der Lenk- und Ruhezeiten in die elektronische Akte mit der Möglich-

keit einer unmittelbaren Visualisierung dieser Daten.

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Mit dem Projekt ERV OWi sind Grundlagen für eJustice geschaffen worden. Für eine Nut-

zung in anderen Anwendungsbereichen der Justiz kommen neben dem Dokumentenmanage-

mentsystem insbesondere die eingesetzte Middleware, das Konzept der PDF-Sammelakte und

für einen Übergangszeitraum auch die genutzte angepasste Benutzeroberfläche in Betracht.

c) Elektronisches Grundbuch, elektronische Grundakte und Verlinkung auf Geo-Informationen

Alle hessischen Grundbücher sind bis 2004 elektronisch erfasst und in ein EDV-Grundbuch

überführt worden. Die Grundbuchämter setzen dabei die Fachanwendung SolumSTAR ein,

die von der überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer eingesetzt und weiterentwickelt wird.

Das elektronische Grundbuch ermöglicht einem hierfür zugelassenen Nutzerkreis den direk-

ten Online-Zugriff auf die Grundbuchdaten, den Hessen als eines der ersten Bundesländer

mit einem ISDN-Abrufverfahren eröffnete. Inzwischen wurde dieses durch das neue Grund-

buchabrufverfahren SolumWEB abgelöst, mit dem Hessen seine eJustice-Anwendungen kon-

sequent weiter ausgebaut hat. Mit dem Programm SolumWEB können sich die Nutzer ein-

fach, schnell und komfortabel über das Internet informieren. Die hohen Sicherheitsstandards

werden durch die neuentwickelte Sicherheitsarchitektur beibehalten. Das neue Verfahren, das

auch Funktionalitätserweiterungen gegenüber dem älteren ISDN-Abrufverfahren enthält, ist

seit dem 1. September 2008 über das Hessenportal www.hessen.de und damit von jedem be-

liebigen Arbeitsplatz mit Internetanschluss aus erreichbar. Damit wird der für Entscheidungen

aller Art wichtige Zugriff auf die Grundbuchdaten insbesondere durch Notare und Banken

erheblich erleichtert und beschleunigt.

Im Jahre 2009 erweiterte Hessen das Grundbuchabrufverfahren SolumWEB durch eine Ver-

linkung der Grundbuchdaten mit dem Hessenviewer. Beim Abruf der Grundbuchinformatio-

nen können über einen Link einzelne Geoinformationen des jeweiligen Flurstücks im Hessen-

viewer aufgerufen werden. Der Hessenviewer, ein Baustein der Geodateninfrastruktur (GDI)

Hessen, erlaubt es, Karten und Luftbilder, die mittels standardisierter Kartendienste bereit

gestellt werden, anzuzeigen. Über einen parametrisierten Aufruf aus den Fachanwendungen

wird im Hessenviewer der anzuzeigende Kartenausschnitt angezeigt. Durch dieses Zusam-

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menwirken von eJustice und E-Government konnte eine größere Bürgerfreundlichkeit erreicht

werden.

Mit Inkrafttreten des ERVGBG im Herbst 2009 ist für uneingeschränkte Teilnehmer die An-

melde- und Einrichtungsgebühr entfallen. Zugleich hat das Gesetz ein attraktives Gebühren-

modell geschaffen, das in Hessen für die derzeit ca. 2.600 Nutzer des elektronischen Grund-

buchabrufverfahrens Anwendung findet. Allerdings gelten bisher die Voraussetzungen des §

133 Grundbuchordnung (GBO), der eine Berechtigung für die Zulassung zum Abrufverfahren

fordert, unverändert fort. Berechtigte im Sinne des § 133 GBO sind z.B. Gerichte, Behörden,

Notare, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure sowie an dem Grundstück dinglich Be-

rechtigte.

Die elektronische Zusammenarbeit zwischen den Ämtern für Bodenmanagement (AfB) und

den Grundbuchämtern begann bereits 2005. Veränderungsnachweise der AfB konnten über

eine Schnittstelle elektronisch an das Grundbuchamt übergeben und dort medienbruchfrei und

automatisiert übernommen werden (erste Stufe, unidirektionaler elektronischer Datenaus-

tausch). Die zweite Stufe des elektronischen Datenaustauschs, bei der auch die Veränderungs-

listen der Grundbuchämter elektronisch an die AfB übermittelt und dort automatisiert über-

nommen werden (bidirektionaler elektronischer Datenaustausch), wird realisiert, sobald von

Seiten des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung die für

das Jahr 2010 avisierte ALKIS-Umstellung bei den AfB flächendeckend erfolgt ist. Dann

wird bei den AfB durch den Wegfall des „Abschreibens“ der Veränderungslisten erhebliches

Einsparpotential – nach Erhebungen aus 2005 werden ca. 340.000 Veränderungslisten pro

Jahr bearbeitet – und eine höhere Aktualität und Qualität des ALKIS-Datenbestandes erreicht.

Weiterhin wurden die rechtlichen Voraussetzungen für den Verzicht auf Beglaubigungen für

maschinell erstellte Auszüge aus dem Liegenschaftskataster, die den Grundbuchämtern vorzu-

legen sind, geschaffen. Der Beglaubigungsverzicht bedeutet auf Seiten der Katasterverwal-

tung eine erhebliche Arbeitserleichterung, da bei den maschinell erstellten Auszügen kein

manueller Eingriff mehr erforderlich ist. Durch diese Optimierungen sind die möglichen Po-

tenziale aus der Zusammenarbeit zwischen Grundbuchämtern und AfB weitestgehend reali-

siert.

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Durch das auch im hessischen Koalitionsvertrag genannte Projekt der Entwicklung eines

bundesweiten Systems zur Führung eines voll strukturierten Datenbankgrundbuchs soll

bis 2015 eine bundesweit einheitliche, effiziente Grundbuchbearbeitung und flexible Beaus-

kunftung geschaffen werden. Das neue System soll die bisher in den Ländern eingesetzten

Systeme ablösen und durch ein einheitliches System ersetzen. Das voll strukturierte Daten-

bankgrundbuch soll eine vollständige elektronische Bearbeitung durch Übernahme und Ver-

sand von elektronischen Dokumenten im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs und im

Rahmen einer elektronischen Aktenführung ermöglichen. Die Teilnehmer am Abrufverfahren

sollen über das Grundbuchportal bundesweit recherchieren können.

Hessen plant, den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Aktenführung im

Grundbuch schon mit der bestehenden Fachanwendung SolumSTAR zunächst im Rahmen

eines Pilotprojektes, das im Jahr 2011 beginnen soll, bei einem hessischen Amtsgericht zu

erproben. Die Gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz erarbeitet gegenwärtig in Zusam-

menarbeit mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung eine Machbarkeitsstudie. Im

Rahmen des Pilotprojekts soll auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Notare

zu einer elektronischen Einreichung zu verpflichten. Eine enge Zusammenarbeit mit den No-

tarkammern wird angestrebt.

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d) Elektronisches Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister

In Hessen werden die Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister

flächendeckend elektronisch geführt. Gleichzeitig hat sich der elektronische Rechtsverkehr

hessenweit etabliert.

Mit dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen EHUG, das ausnahmslos die elektronische

Registerführung und die Einreichung von Anmeldungen zum Handels-, Genossenschafts- und

Partnerschaftsregister obligatorisch in elektronischer Form vorschreibt, wurde in den Regis-

tergerichten der elektronische Rechtsverkehr bezüglich Posteingang und Postausgang über

das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach als auch elektronische Aktenführung

eröffnet.

Anmeldungen zur Eintragung in das Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister

sowie Dokumente sind elektronisch einzureichen. Sie werden per EGVP übermittelt und in

die Fachanwendung RegisSTAR automatisiert übernommen. Darüber hinaus eröffnet § 14

Abs. 4 S. 1 FamFG die Möglichkeit, elektronische Anmeldungen im Vereinsregister zuzulas-

sen. Hessen beabsichtigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Die hessischen Registergerichte versenden seit 2008 elektronische Nachrichten über das

EGVP. Dies umfasst den Versand von Registerausdrucken, elektronischen Dokumenten, Ein-

tragungsmitteilungen an die Industrie- und Handelskammern, Eintragungsmitteilungen an die

Notare, Beschlüssen und Zwischenverfügungen. Beschlüsse und Zwischenverfügungen, die

zugestellt werden, werden elektronisch signiert versandt. Der Versand der Registerausdrucke

und der Eintragungsmitteilungen nicht nur in statischer Form sondern auch im strukturierten

Datensatzformat XJustiz zur direkten Weiterverwendung auch in der notariellen Software

wäre der nächste Schritt.

Industrie- und Handelskammern kommunizieren mit den Registergerichten auch bei der Ein-

holung und Übermittlung von Gutachten nach § 23 Handelsregisterverordnung (HRV) elekt-

ronisch. Die Registergerichte können bei Sitzverlegungen die vorhandenen elektronischen

Dokumente untereinander über das EGVP übermitteln.

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Die zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister eingereichten und der unbe-

schränkten Einsicht unterliegenden Dokumente werden elektronisch im Registerordner ge-

führt (§ 9 HRV). Die Registerakte (Hauptband) wird weiterhin noch in Papierform geführt.

Eine Weiterentwicklung der elektronischen Aktenführung auch in Richtung elektronische

Registerakte ist im Länderverbund für die nächsten Jahre geplant. Darüber hinaus bestehen

Überlegungen für eine elektronische Aktenführung im Vereinsregister.

Die Einsichtnahme in die Register sowie in die zu den Registern eingereichten Dokumente als

auch der Abruf der Daten ist

• jedem zu Informationszwecken möglich über das gemeinsame Registerportal der Länder unter www.handelsregister.de, das als das elektronische Informations- und Kommunikationssystem von den Landesjustizverwaltungen bestimmt wurde (§ 9 HGB),

• auf der Geschäftsstelle des Registergerichts während der Dienststunden über ein Datensichtge-rät möglich (§ 10 HRV),

• für die Mitarbeiter/innen des Landes Hessen über das Mitarbeiterportal möglich.

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Die Eintragungen in das Handels-, Genossenschafts- und Partnerschafts- und Vereinsregister

werden elektronisch bekanntgemacht und sind sowohl unter www.handelsregister-

bekanntmachungen.de bzw. www.vereinsregisterbekanntmachungen.de als auch über das Re-

gisterportal der Länder, das als das elektronische Informations- und Kommunikationssys-

tem von den Landesjustizverwaltungen bestimmt wurde (§ 10 HGB, § 66 BGB) einsehbar.

e) HeDok im Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2003 hat der Kabinettsausschuss „Verwaltungsreform und

Verwaltungsinformatik“ die stufenweise Einführung eines elektronischen Dokumenten-

managementsystems (DMS) in der hessischen Landesverwaltung beschlossen.

Die Pilotierung des DMS hat in dem Großreferat I/A im April 2007 begonnen. Seit Mitte Ja-

nuar 2010 werden alle Akten der Abteilung I ausschließlich in elektronischer Form geführt.

Die nächsten Maßnahmen für die Einführung des DMS im gesamten Haus werden mit dem

Ziel geplant, die vollständige Einführung für alle Mitarbeiter des HMdJIE zu realisieren.

Bei der Einführung der verbindlichen elektronischen Verwaltungsakte handelt es sich somit

um ein E-Government-Projekt des Landes Hessen, das vom Hessischen Ministerium des In-

nern und für Sport als Zentralprojekt gesteuert wird. Insoweit stellt die Einführung der elekt-

ronischen Akte im Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa nur einen

Teilbereich dar.

Die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen für die Umstellung von der bisherigen physi-

schen auf eine rechtsverbindliche elektronische Aktenführung sind gegeben. Die gesetzlichen

Rahmenbedingungen für den Einsatz von DMS liegen vor (Signaturgesetz, Verwaltungsver-

fahrensgesetz, Verwaltungszustellungsgesetz u. a. Normen). Die elektronische Aktenführung

ist in dem Erlass zur Aktenführung in den Dienststellen des Landes Hessen (Aktenführungser-

lass –AfE) vom 16. Mai 2007, veröffentlicht im Staatsanzeiger für Hessen (StAnz. S. 1123),

und der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien des Landes Hessen (GGO) vom 14.

Juli 1998 (StAnz. S. 2498) geregelt.

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Für die Führung und Archivierung der Verwaltungsakten wird ein Dokumentenmanagement-

system entsprechend des hessischen Landesstandards als „Hessische eDokumentenverwal-

tung (HeDok)“ eingesetzt. Die Archivierung erfolgt derzeit noch im DMS selbst, das eine

rechtssichere Speicherung sicherstellt. Eine Anbindung an ein Archivsystem entsprechend des

hessischen Landesstandards ist in Planung. Zurzeit wird hierfür durch das federführende Hes-

sische Ministerium des Innern und für Sport das Konzept einer zentralen Archivierungsplatt-

form (ZAP) entwickelt.

Vordergründig handelt es sich bei der Einführung des DMS zwar um ein IT-Projekt, im Er-

gebnis sind es allerdings die anzupassenden Organisationsabläufe, die es zu einer äußerst

anspruchsvollen Aufgabe machen. Für die Umstellung sind im Wesentlichen als Argumente

die klassischen immer wieder zitierten Vorteile bei der Nutzung eines DMS ins Feld zu füh-

ren.

Dies ist zum einen die bessere Verfügbarkeit der Dokumente und Akten, die permanent für

alle Zugriffsberechtigten – unabhängig von Ort und Zeit – zur Verfügung stehen. Die Suche

nach Dokumenten entfällt weitestgehend. Transport- und Liegezeiten gibt es nicht mehr.

Zeitgemäße Suchfunktionen ermöglichen es, Dokumente, Vorgänge und Akten sofort zu fin-

den. Mehrere Mitarbeiter können Dokumente gemeinsam – auch parallel – bearbeiten. Weil

alle Informationen permanent verfügbar sind, ist jederzeit die Möglichkeit gegeben, Auskunft

über den Sachstand eines Vorgangs zu geben.

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Das DMS stellt zudem durch das obligatorische Rollenkonzept sicher, dass nur jene Mitarbei-

ter ein Dokument ansehen und bearbeiten, die dazu berechtigt sind. Es schützt Akten und Do-

kumente vor unberechtigtem Zugriff und Manipulationen.

Lagerfläche in den Registraturen können eingespart werden. Die Nutzung der vorhandenen

Prozesssteuerung beschleunigt den Bearbeitungsprozess.

Bei der Einführung eines DMS handelt es sich um einen tiefgreifenden Veränderungsprozess,

der starke Veränderung im täglichen Geschäftsablauf mit sich bringt. Die daraus resultieren-

den Ängste der Betroffenen sind beträchtlich und können die Erfolgsaussichten solcher Pro-

jekte stark beeinträchtigen. Zudem führen derartige Projekte erfahrungsgemäß zu intensiven

Diskussionen und möglicherweise anhaltenden Vorbehalten gegenüber der Veränderung. Die

veränderte Arbeitsweise erfordert zudem in der Anfangsphase einen erhöhten Schulungs- und

Betreuungsaufwand. Ein aktives Veränderungsmanagement ist daher unentbehrlich, um die

Akzeptanz für die zukünftigen Abläufe zu fördern und Vorbehalte zu minimieren. Es ist

unabdingbar, dass die Leitungsebene derartige Projekte positiv begleitet und mit „gutem Bei-

spiel voran geht“.

f) Elektronische Gefangenenpersonalakte

Mit der flächendeckenden Einführung eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) im hes-

sischen Justizvollzug wurde die Infrastruktur geschaffen, die wesentlichen Elemente eines

solchen Systems einer verfahrensübergreifenden Nutzung zuzuführen und in ein Fachverfah-

ren zu integrieren. Die Landesjustizverwaltung hat die „elektronische Gefangenenpersonalak-

te“ (eGPA) entwickelt, die derzeit im Jugendvollzug pilotiert wird. Nach Vorliegen der

Rechtsgrundlagen ist eine Erweiterung auch für den Erwachsenenvollzug geplant. Wegen der

Komplexität des Pilotprojektes ist jedoch von einer langfristigen Planung und Umsetzung

auszugehen. Als wesentliche Anforderungen an die eGPA wurden folgende Kriterien defi-

niert:

• zukunftssichere Schnittstellenlösungen durch Anbindung der Verfahren über das Xjustiz-Datensatzformat,

• parallele Bearbeitung von allen Zugriffsberechtigten möglich,

• Zeitersparnis durch direkten Zugriff auf alle relevanten Informationen,

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• Verfügbarkeit der Akten „rund um die Uhr“,

• erleichterte Bearbeitung durch anwenderfreundliche Masken- und Prozessgestaltung,

• Gewährleistung des aktuellen und immer vollständigen Aktenbestandes (keine unsortierten Vorgänge in den Ablagekörben der Vollzugsgeschäftsstellen).

Mit jeder Aufnahme der Gefangenendaten in das Fachverfahren des Justizvollzugs, BASIS-

Web, wird in dem DMS eine elektronische Akte generiert, die in ihrem logischen Aufbau den

Vorgaben über die Gefangenenaktenführung der Vollzugsgeschäftsstellenordnung (Heftnadel

I-III) entspricht. Festgelegte Merkblätter werden automatisch in der entsprechenden Unte-

rordnung angelegt. Die grundlegenden Personaldaten werden nur in dem erforderlichen Um-

fang und jeweils in der aktuellsten Fassung dynamisch in der eGPA dargestellt, aber nicht

gespeichert. Aus BASIS-Web werden aktenrelevante Dokumente bei Datenänderung automa-

tisch in der eGPA versionisiert abgelegt. Dies gewährleistet eine Rekapitulation des Akten-

standes zu jedem gewünschten Zeitpunkt.

Rechtlich relevante Dokumente können digital signiert ausgetauscht werden. Somit wird jede

Manipulation oder Verfälschung an den Originaldaten für den Empfänger sofort erkennbar.

Der Versand der Akte ist nach Klärung der rechtlichen Voraussetzungen auch zu anderen

Stellen innerhalb der hessischen Justiz vorgesehen.

Im Ergebnis führt dies zu einer starken Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeits-

prozesse und Verwaltungsabläufe innerhalb des Justizvollzugs.

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g) Elektronische Geldstrafenvollstreckung (eGSV)

Das Projekt "Elektronische Geldstrafenvollstreckung (eGSV) wird seit Februar 2009 bei der

Amtsanwaltschaft Frankfurt pilotiert. Es unterstützt die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger

bei den standardisierten Arbeitsabläufen der Vollstreckung von Geldstrafen in der staatsan-

waltschaftlichen Fachanwendung MESTA ("Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation").

Die elektronische Geldstrafenvollstreckung basiert auf dem gemeinsam mit den Verbundlän-

dern Nordrhein-Westfalen und Hamburg entwickelten MEStA-Modul "eGSV" und dem staat-

sanwaltschaftlichen Schreibwerk und ermöglicht im Zusammenspiel mit der Word-basierten

Vordrucksammlung "HVTS" (Hessische Vordruck- und Textbausteinsammlung) und der Da-

tenübernahme aus MESTA eine vollständig elektronische Sachbearbeitung bei der

Geldstrafenvollstreckung.

Nachdem die Papierakten vom Gericht zurück zur Staatsanwaltschaft zur Vollstreckung eines

Urteils oder Strafbefehls gesandt werden, wird die Entscheidung des Gerichts in MESTA er-

fasst und das Urteil eingescannt. Die Urteilsdaten stehen zu den bereits vorhandenen Daten in

MESTA dann für die weitere Vollstreckung zur Verfügung und können in Vordrucke automa-

tisch übernommen werden. Durch ein Post- und Fristenfach stehen Daten und Dokumente,

insb. aus JUKOS, tagesaktuell zur Verfügung und sind für jeden Sachbearbeiter – auch im

Vertretungsfall – sofort verwertbar. So können ohne zeitraubende Aktensuche Auskünfte er-

teilt und Schreiben jederzeit schnell gefertigt werden.

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Die als eine Eigenentwicklung des Fachbereichs Staatsanwaltschaften der GIT betreute Vor-

drucksammlung HVTS verfügt daneben zusätzlich über eine Reinschriftfunktionalität, die die

Vordrucke dann in entsprechende Reinschriften versandfertig umwandelt. Zudem verfügt das

eGSV-Modul über eine Verfahrenshistorie, die einen Überblick über die gefertigten Doku-

mente pro Vorgang bietet und in welcher auch Kurzvermerke abgelegt werden können.

In diesen Vollstreckungsverfahren wird ein papiernes Vollstreckungsheft nicht mehr geführt.

Die erzeugten Dokumente liegen ausschließlich elektronisch in chronologischer Reihenfolge

vor; die eingescannten Papierdokumente werden bis zum Abschluss des Verfahrens vorgehal-

ten. Zukünftig geplant ist eine elektronische Aktenführung des Vollstreckungsheftes mittels

eines Dokumentenmanangementsystems.

h) Elektronische Duplikatsakte (eDuplo)

Das Projekt eDuplo stellt einen bedeutsamen Baustein in der Unterstützung der juristischen

Entscheider bei ihrer sachlichen Arbeit dar. Bislang stand bei diesen in erster Linie die Infor-

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mationsrecherche im Vordergrund. Mit der im Rahmen des Projekts zum Einsatz kommenden

Strukturierungssoftware Normfall Manager können die Anwender nunmehr fachgebietsunab-

hängig den gesamten Rechts- bzw. Entscheidungsfindungsprozess unter Einbeziehung der

Rechercheergebnisse einer übersichtlichen, beliebig konfigurierbaren Struktur zuführen.

Ausgangspunkt war das Ziel, den hessischen Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern ein

geeignetes Arbeitsmittel in Form einer zusätzlichen elektronischen (PDF-)Akte, einer Dupli-

katsakte, nebst Strukturierungssoftware zur Sitzungsvorbereitung und bei der Abfassung von

Entscheidungen neben der papiernen Originalakte zur Verfügung zu stellen. Im Vordergrund

steht somit die Unterstützung des Sachbearbeiters bei der strukturierten inhaltlichen

Aufbereitung komplexer und damit einhergehend häufig sehr umfangreicher Akten.

Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass sich gerade umfangreiche Streitstoffe in elektronischer

Form weit besser erschließen, strukturieren und zielführend bearbeiten lassen, als dies mit

herkömmlichen Papierakten möglich ist. Darüber hinaus kann die elektronische Verfügbarkeit

der Dokumente in den Gerichtsverhandlungen zur beschleunigten Verhandlungsführung in

der Form genutzt werden, dass die entscheidungserheblichen Dokumente durch das Gericht

mittels des Einsatzes von Beamern der Öffentlichkeit und dem Gericht schnell und zielgerich-

tet visualisiert werden. Zugleich kann diese Datei die Akteneinsicht durch die Anwaltschaft

erheblich erleichtern. Auch Sachverständige, z.B. der Industrie- und Handelskammern oder

medizinische Gutachter, können bei der Erstellung von Gutachten von der in dieser Form

übersandten Akte profitieren. Die IT-Unterstützung der inhaltlichen Arbeit von juristischen

Entscheidern ist damit ein wichtiger neuer Baustein für die Entwicklung zur elektronischen

Justiz.

Bei der hierfür eingesetzten Normfall-Software handelt es sich in erster Linie um ein multi-

dimensionales Strukturierungsprogramm mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, das, zunächst

vor allem für die Anwaltschaft entwickelt, im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit

der hessischen Justiz gezielt für die Anforderungen bei justizinternem Einsatz weiterent-

wickelt wurde.

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Das Strukturierungsprogramm ermöglicht eine hierarchische Gliederung in einer vertikalen,

explorerähnlichen Baumstruktur, mit dem Verweise auf einzelne Seiten bzw. Textstellen ver-

waltet werden können und das für Textauszüge aus Schriftsätzen sowie eigene Anmerkungen

um einen Texteditor ergänzt wird. Speziell für die Bedürfnisse der Justiz wurde die Anwen-

dung ferner um ein sogenanntes Relationsmodul erweitert, um zusätzlich eine horizontale

Gegenüberstellung von Textauszügen aus Schriftsätzen und recherchierten Entscheidungen

sowie eigener Entscheidungsentwürfe in Spaltenform zu ermöglichen.

Da sich das PDF-Format als Standarddateiformat insbesondere für eingescannte Dokumente

durchgesetzt hat, wurde als Ergänzung ein spezieller PDF-Viewer entwickelt. Dieser ermög-

licht ein besonders ergonomisches Arbeiten mit PDF-Akten, insbesondere ein komfortables

dateiübergreifendes Blättern und eine schnelle Erstellung von Querverweisen auf einzelne

Textstellen. Struktur (Manager) und Dokument (PDF-Viewer, Word etc.) werden dabei ideal-

erweise auf zwei Monitoren parallel angezeigt.

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Wie der Projektname bereits ausdrückt, stellt „eDuplo“ keine rechtsverbindliche elektroni-

sche Akte zur Verfügung, es trägt allerdings gerade im Bereich der juristischen Entscheider

zu einer stärkeren Akzeptanz des eJustice bei. Nicht verhehlen darf man allerdings, dass

dies nur einen Schritt auf dem Weg zur „echten“ elektronischen Akte darstellt und in diesem

Stadium nicht verweilt werden darf.

3. Juristische Informationssysteme

Für die tägliche Arbeit im Geschäftsbereich ist entscheidend, dass schnell und zuverlässig auf

juristische Informationen zugegriffen werden kann. Dass der früher häufig erforderliche Gang

zur Bibliothek wegfallen und der Bearbeiter ohne großen Aufwand an seinem Arbeitsplatz die

notwendigen Fachinformationen erhalten kann, trägt wesentlich zur Akzeptanz elektronischer

Medien in den Gerichten und Staatsanwaltschaften bei.

Die EDV-Ausstattung ermöglicht den schnellen und zuverlässigen Zugriff auf juristische In-

formationen. So steht neben kleineren Angeboten sowohl das umfangreiche Informationsan-

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gebot von „beck-Online“ als auch die Entscheidungssammlung „juris“ zur Recherche zur Ver-

fügung. Letzteres hat neuerdings auch ein Gesetzesportal, mit dem sich die Entstehungsge-

schichte von Gesetzen nachvollziehen lässt, sowie für Rechtshilfe im strafrechtlichen Bereich

das Modul „Rechtshilfe Online“ (REO) im Portfolio.

„beck-Online“ und „juris“ können auch zusätzlich am häuslichen Arbeitsplatz verwendet

werden. Hinzu kommt die Asylfaktendatenbank – eine Eigenentwicklung der hessischen

Verwaltungsgerichtsbarkeit –, die außer von der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Sozialge-

richtsbarkeit und der Generalstaatsanwaltschaft auch von einigen anderen Bundesländern ge-

nutzt wird.

Über die Mitarbeiter der Justiz hinaus steht mittlerweile auch allen Mitarbeitern der Landes-

verwaltung ein „juris“-Angebot zur Verfügung, das neben den hessischen Rechtsvorschriften

auch die hessischen Verwaltungsvorschriften und die Landesrechtsprechung umfasst.

Für den Bürger ist die Sammlung der aktuell geltenden hessischen Gesetze und Rechtsverord-

nungen sowie der Rechtsprechung der hessischen Gerichte, das sogenannte Hessenrecht in

Zusammenarbeit mit juris vollständig überarbeitet worden. Dem Bürger stehen über das Lan-

desportal das neue Hessenrecht mit seinen beiden Bausteinen, den Rechts- und Verwaltungs-

vorschriften auf der einen Seite und der Landesrechtsprechungsdatenbank auf der anderen

Seite, zur Verfügung.

Über die Landesrechtsprechungsdatenbank lassen sich rund 18.000 Entscheidungen hessi-

scher Gerichte mit den „juris“-Recherchemöglichkeiten abrufen.

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IV. Entwicklungsperspektiven des eJustice in Hessen

Die Zukunft des eJustice wird neben der Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs so-

wie der Einführung der elektronischen Akte als zentraler Komponente der justiziellen Bear-

beitung geprägt sein von der Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur, die grundsätzlich die

Basis für alle weiteren eJustice-Projekte darstellen wird. Die Zusammenführung wird auch

zur Senkung von Betriebs- und Supportkosten beitragen.

Daneben werden weiterhin auch erfolgversprechende Einzelansätze, die Rationalisierungspo-

tential beinhalten, vorangetrieben werden wie auch im Verbund mit Bund und Ländern ge-

meinsame Entwicklungen ausgebaut und auch neu aufgesetzt werden, um gemeinsame Inter-

essen noch kostengünstiger umzusetzen.

1. Zukunftsweisende Basisprojekte des eJustice

a) Entwicklung der neuen Justizfachanwendung NeFa

Den Justizfachanwendungen wird künftig als eJustice-Anwendungen eine zentrale Funktion

innerhalb der fortschreitend elektronisch basierten Arbeitsabläufe in der Justiz zukommen.

Die im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolgreich eingesetzten Programme der

EUREKA-Produktfamilie, die vorrangig der Unterstützung der Serviceeinheiten dienen, ba-

sieren auf über zehn Jahre alten technischen Konzepten, die eine Integration in vollständig

elektronische Abläufe nicht vorsehen.

Mit dem Projekt „NeFa – Entwicklung einer zukunftsfähigen Justizsoftware auf Basis von

Standardtechnologien“ hat sich die hessische Justiz daher gemeinsam mit Niedersachsen zur

Entwicklung einer zeitgemäßen modularen Justizfachanwendung entschlossen, die in

allen Bereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und grundsätzlich auch in den Fach-

gerichtsbarkeiten einsetzbar ist.

Für die Arbeitsplätze der Richterinnen und Richter sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfle-

ger soll „NeFa“ erstmals eine Oberfläche zur Verfügung stellen, die alle zur fachlichen Fall-

bearbeitung notwendigen Informationen und Funktionen integriert zur Verfügung stellt. Um

den Einarbeitungsaufwand möglichst gering zu halten, sind alle Funktionen in die Oberfläche

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des Textverarbeitungssystems eingebunden, da der Nutzungsgrad dieser Anwendung im rich-

terlichen Bereich am höchsten ist. Zur Verfügung gestellt wird am richterlichen Arbeitsplatz

dabei u. a. eine elektronische Bildschirmverfügung, die die vertraute Verfügungstechnik in

möglichst naher Analogie zur Arbeitsweise in Papierform abbildet, dabei aber zusätzlichen

Nutzen durch Vereinfachung der Abläufe sowohl individuell als auch in der Gesamtsicht

schafft. Ein Beispiel für einen solchen Zusatznutzen ist die auf Wunsch automatisch erfolgen-

de Speicherung eines verfügten Termins im elektronischen Kalender des Richters. Hoher

Wert wird dabei auf die flexible Unterstützung unterschiedlicher Arbeitsweisen gelegt.

Bei der Entwicklung von „NeFa“ wird das bei der Erstellung der EUREKA-Anwendungen

bewährte Konzept der Entwicklung durch ein justizeigenes Team beibehalten und weiter

fortentwickelt. Durch die Mitwirkung von aktiven Justizpraktikern aller Dienste unmittelbar

im Team in der Funktion der sog. Produktmanager stehen den Entwicklern ständig fachlich

versierte Ansprechpartner zur Verfügung. Der Aufwand für die Darstellung der fachlichen

Anforderungen wird gegenüber einer externen Entwicklung so wesentlich reduziert. Die Pro-

duktmanager werden unterstützt durch ein Fachteam von etwa 30 weiteren Praktikern, das

sich einmal monatlich trifft, fachliche Anforderungen definiert und die Ergebnisse der Ent-

wicklung begutachtet. In einem sogenannten agilen Entwicklungsprozess erfolgt auf diese

Weise eine ständige Rückkopplung von Entwicklungsergebnissen mit den Anforderungen der

gerichtlichen Praxis. Zu einem späteren Zeitpunkt nur aufwändig zu korrigierende Fehlent-

wicklungen werden so von vornherein vermieden und die Entwicklung gegenüber einer ex-

ternen Umsetzung wesentlich effizienter gestaltet.

Das Potenzial, das sich aus der grundsätzlichen Entscheidung für eine auf Microsoft-

Produkten basierende IT-Infrastruktur ergibt, wird bei der Entwicklung konsequent genutzt.

Von der Infrastruktur zur Verfügung gestellte Basisdienste werden in die Anwendung integ-

riert und für die Benutzeroberfläche die Funktionen insbesondere der Office-Anwendungen

konsequent eingesetzt. Die eigentliche Entwicklung durch technisch hoch qualifizierte Perso-

nen kann sich auf die Umsetzung der justizspezifischen Anforderungen konzentrieren. Ent-

wicklungs-, und später Betriebs- und Wartungsaufwand werden damit deutlich reduziert.

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Der technische Fortschritt ermöglicht verglichen mit den bisherigen Fachanwendungen ein

wesentlich höheres Maß an Modularität in fachlicher und in technisch-funktionaler Hinsicht.

Damit wird eine wesentlich größere Flexibilität bei sich ändernden Anforderungen erreicht.

So wird eine wieder verwendbare Anwendungsbasis erstellt, die grundlegende sachgebiets-

übergreifend nutzbare Funktionen enthält. Die Entwicklung sachgebietsspezifischer Ausprä-

gungen von „NeFa“ wird durch die wiederholte Nutzung bereits vorhandener Basisfunktiona-

lität vereinfacht und beschleunigt. Weiterhin ermöglicht der modulare Aufbau der Anwen-

dung auch technisch-funktional im Sinne einer sogenannten Mehrschichtenarchitektur, dass in

den nicht innovationsrelevanten Bereichen Komponenten vorhandener Fachverfahren zu-

nächst weiterverwendet werden können. Dabei handelt es sich insbesondere um die die für die

Erfassung von Stamm-, Verfahrens- und Beteiligtendaten eingesetzten Werkzeuge, die flexi-

bel mit den innovativen Komponenten von „NeFa“ genutzt werden können und diese schnell

mit großer Breitenwirkung verfügbar machen.

Der Fokus der Entwicklung von „NeFa“ liegt unter Nutzung des vorgehend dargestellten

Architekturansatzes in einer ersten Stufe auf den Bereichen mit dem größten Innovationspo-

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tenzial, nämlich der Erstellung flexibel einsetzbarer Module zur Anbindung des elektroni-

schen Rechtsverkehrs, zur Einbindung elektronischer Akten und zur integrierten Unterstüt-

zung an den richterlichen Arbeitsplätzen einschließlich einer Bildschirmverfügung sowie ei-

ner Textanwendung für die Serviceeinheiten zur Umsetzung der elektronischen Verfügungen.

In dieser ersten Stufe werden die Datenerfassung und die Datenbank von EUREKA zunächst

noch weitergenutzt.

Zur Anbindung an den elektronischen Rechtsverkehr werden die Schnittstellen der im

Projekt ELEVATOR [siehe Kapitel IV Nr. 1b)] entwickelten Infrastruktur genutzt, die über

das EGVP eingehende Dokumente unmittelbar den sachgebietsspezifischen Fachanwendun-

gen zur Verfügung stellen, ohne dass ein weiteres Programm zur Sichtung und Bearbeitung

der EGVP-Eingänge genutzt werden müsste. In gleicher Weise wird „NeFa“ einen unmittel-

baren Versand von elektronischen Dokumenten aus der Fachanwendung unter Nutzung der

entsprechenden Infrastrukturdienste ermöglichen.

„NeFa“ wird mit CMIS (Content Management Interoperability Services) eine sich aktuell als

Industriestandard etablierende Schnittstelle zur Anbindung beliebiger heutiger und künftiger

Systeme zur langfristigen und sicheren Speicherung von Dokumenten unterstützen. Über die-

se Schnittstelle können sowohl Dokumentenmanagementsysteme, Archivsysteme als auch

andere heutige und zukünftige Speichersysteme flexibel angebunden werden.

Aus der „NeFa“-Oberfläche können im Kontext des dort jeweils bearbeiteten Verfahrens auch

die im Projekt „Elektronische Duplikatsakte“ [siehe Kapitel III Nr. 2h)] entwickelten Werk-

zeuge zur Strukturierung elektronischer Akten aufgerufen werden, und zwar unabhängig da-

von, ob es sich noch um elektronische Duplo-Akten oder bereits um verbindliche elektroni-

sche Akten handelt.

In der ersten Stufe wird bis Herbst 2011 die Anwendung für den landgerichtlichen Zivilpro-

zess zur Pilotierungsreife entwickelt. Die vom Personaleinsatz bedeutendsten Bereiche der

amts- und landgerichtlichen Strafsachen (Sommer 2012), amtsgerichtlichen Zivilsachen

(Sommer 2013), Familiensachen und Betreuungssachen (Herbst 2014) werden folgen. Dabei

wird die Anwendung für die amtsgerichtlichen Zivilsachen erstmals als vollständige „NeFa“-

Anwendung einschließlich Datenerfassungsmodul und Datenbank erstellt werden. Bis zum

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70

Jahre 2017 soll die ordentliche Gerichtsbarkeit vollständig mit „NeFa“-Modulen ausgestattet

werden.

b) Das Infrastrukturprojekt ELEVATOR

Das Projekt ELEVATOR (Elektronische Nachrichten Empfangen, Verteilen, Austauschen,

Transformieren, Organisieren) verfolgt das Ziel, die Infrastruktur der Projekte der hessischen

Justiz, die derzeit schon in ihrer Architektur den elektronischen Rechtsverkehr berücksichti-

gen, zusammenzuführen und zu konsolidieren.

In der hessischen Justiz befassen sich die drei zentralen Projekte Elektronisches Gerichts- und

Verwaltungspostfach (EGVP), Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeitenverfah-

ren (ERV OWi) und Elektronische Kostenrechnung (eRechnung) mit der Automatisierung

des elektronischen Rechtsverkehrs. Die Erkenntnisse aus diesen Projekten hinsichtlich der

elektronischen Kommunikation werden in dem Projekt ELEVATOR mit dem Ziel zusam-

mengeführt, eine Muster-Architektur für den elektronischen Rechtsverkehr zu erarbeiten.

In einer ersten Phase wurden hierbei der elektronische Posteingang und seine Bearbeitung

bzw. die Verteilung bis zum Sachbearbeiter betrachtet. Die Analyse der vorhandenen Post-

eingangsprozesse hat aufgezeigt, dass eine Bündelung und Vereinheitlichung der Kommuni-

kationsprozesse nicht nur erstrebenswert, sondern auch notwendig ist, um die Weiterentwick-

lung des elektronischen Rechtsverkehrs konsolidiert voranzutreiben und etwaigen Zersplitte-

rungen vorzubeugen. Auch der papierne Eingangsprozess ist in diese Architektur zwingend

einzubinden.

In dem neu aufgelegten Projekt wird eine weitestgehend einheitliche Vorgehensweise für alle

Sachgebiete der Gerichte und Staatsanwaltschaften für den elektronischen Posteingang samt

Verteilung der Eingänge entwickelt. Es handelt sich damit um das zentrale Integrationsprojekt

für einen gesteuerten Posteingang mit dem Ziel, einen „universellen Nachrichtenverteiler“ für

alle Sachgebiete in der Justiz zu schaffen, der die eingehenden Nachrichten automatisiert –

soweit wie möglich – weiterleitet und bei allen hessischen Gerichten und auch Staatsanwalt-

schaften ohne weitere Anpassung einsetzbar ist (umfassende Mandantenfähigkeit).

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71

Die Zusammenführung und Konsolidierung zielt darüber hinaus auch darauf ab, die in den

verschiedenen Projekten eingesetzten Technologien unter Wirtschaftlichkeitserwägungen

kritisch zu betrachten. Der gegenwärtige Zustand, dass ERV OWi und eRechnung zwei unter-

schiedliche Produkte als Integrationsplattform bzw. Middleware nutzen, die keinerlei Über-

schneidungen im realisierten Funktionsumfang haben, jedoch eine strategische Konkurrenz

darstellen, ist nicht zukunftsfähig. Aufgabe des Projekts ist es daher auch, die wesentlichen

Prozesse der oben genannten Projekte auf einer Middleware zusammenzuführen.

Für die Überführung der per Papier eingehenden Schriftstücke in die elektronische Form sind

zentrale Scanmöglichkeiten für alle Gerichte und Staatsanwaltschaften zumindest bei Einfüh-

rung elektronischer Akten eine nicht nur wirtschaftlich sinnvolle Option.

Die zu entwickelnde Zielarchitektur soll sowohl die bereits laufenden Projekte und als auch

die kommenden Projekte in möglichst einheitlicher und wirtschaftlicher Form unterstützen.

Architekturskizze:

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72

Anbindungen weiterer elektronischer Eingangskanäle wie DE-Mail – die sichere Datenüber-

tragung per verschlüsselter eMail nach dem im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Bür-

gerportalgesetz – und der ePostbrief der Deutschen Post AG werden möglich sein. Inwieweit

der elektronische Rechtsverkehr mit diesen wiederum möglich sein wird und zugelassen wer-

den kann, wird derzeit von einer Arbeitsgruppe der BLK geprüft.

c) Das Führungsinformationssystem Davin§y

In der hessischen Justiz existieren derzeit eine Vielzahl von statistischen Daten aus unter-

schiedlichen Datenquellen (Geschäftsanfallstatistiken, Quartalsstatistik, Personalübersichten,

Geschäftsübersichten, Personalbedarfsberechnung, SAP). Eine Verknüpfung und Auswertung

dieser unterschiedlichen Daten ist bisher nur manuell möglich.

Das Daten-Visualisierungs-Justiz-Informations-System (Davin§y) ermöglicht es, die grundle-

genden statistischen Daten (z.B. Eingänge, Erledigungen, Bestände, Verfahrensdauer) und

bestimmte Kennzahlen (z.B. Eingänge pro Arbeitskraftanteil) in einer Datenbank zusammen-

zuführen. In Davin§y können vorhandene Daten neu präsentiert und verknüpft werden

und somit ein möglichst aktuelles „Lebensbild“ der Gerichte und Staatsanwaltschaften

mit Vergleichszahlen (Vorjahre, Bundes- und Landesvergleich) abbilden. Adressaten

sind insbesondere die Leitungsebenen der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Über das Arbeiten mit Kennzahlen, Transparenz und „Wettbewerb“ soll der Nutzen für die

hessische Justiz erhöht und gleichzeitig der durch das NVS-Controlling bedingte Aufwand

auch im Geschäftsbereich reduziert werden, damit Bedienstete wieder dem Kerngeschäft zu-

geführt werden können.

Den Grunddatenbestand von Davin§y bilden die Daten, die in aggregierter Weise vom Statis-

tischen Landesamt dem HMdJIE zur Verfügung gestellt werden. Die Daten werden quartals-

weise aktualisiert. Da die Daten des Statistischen Landesamtes zum Teil nicht zeitnah zum

Quartalsende vorliegen, sollen im nächsten Schritt Daten direkt aus den Geschäftsstellenau-

tomationsprogrammen (z.B. EUREKA, MESTA) entnommen werden.

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73

Weitere Ausbaustufen sind die Aufnahme von Haushaltskennzahlen aus SAP und eine web-

basierte Erfassung von Personalübersichts- und Geschäftsübersichtszahlen (d.h. über die Le-

seberechtigung hinaus auch eine Schreibberechtigung vor Ort).

In Davin§y soll es grundsätzlich zwei Berichtssichten geben: den Cockpitbericht, der die

wichtigsten Zahlen des einzelnen Gerichts bzw. der einzelnen Behörde anzeigt, und den Ver-

gleichsbericht, der alle entsprechenden Behörden im Vergleich zeigt.

Es wird damit erstmals möglich, die eigene Behörde zu verorten und auf einen Blick zu er-

kennen, wie sie im Vergleich zu den anderen Gerichten im Land aber auch auf Bundesebene

steht. Das bietet hinreichenden Diskussionsstoff für alle Beteiligten und zugleich für ein ge-

zieltes Controlling vielfältige Anknüpfungspunkte.

In der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird Davin§y seit Ende 2009 beim Oberlandesgericht

Frankfurt am Main pilotiert. Im Laufe des Jahres soll die Grundversion für jede Gerichtsbar-

keit und für die Staatsanwaltschaften vorliegen.

d) Von der Mikroverfilmung zum elektronischen Titelarchiv

Die hessische Justiz hat ihre fünf Mikrofilmstellen in einem Projekt von reiner Mikroverfil-

mung auf Hybridarchivierung umgestellt. Das bedeutet die parallele Erstellung eines Mikro-

films und die Speicherung auf einem digitalen Langzeitspeicher. Dabei dient die Ablage der

Akten auf Mikrofilmen zur gesetzeskonformen Langzeitspeicherung nach § 299a ZPO. Das

Medium Mikrofilm wurde wegen seiner langen und garantierten Haltbarkeit gewählt und ent-

spricht den gesetzlichen Anforderungen. Mit Blick auf die elektronische Akte ist es aber nicht

als zukunftsträchtig zu bezeichnen und sollte durch ein revisionssicheres modernes und aus-

schließlich digitales Archivsystem ersetzt werden.

Aktuell stehen die digitalen Akten als Arbeitskopien zur Verfügung und tragen somit zur Be-

schleunigung des Arbeitsprozesses bei. Berechtigte Nutzer der Justiz können auf die digitalen

Repräsentationen der Akten direkt vom Arbeitsplatz aus zugreifen. Die Zugriffe sind zu be-

gründen und werden protokolliert.

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74

Die fünf Mikrofilmstellen teilen die Arbeitsprozesse auf. Während alle Stellen Akten scannen

und vom Mikrofilm rückdigitalisieren, schreiben nur die Mikrofilmstellen Hünfeld und Kas-

sel Mikrofilme. So bilden alle Mikrofilmstellen eine große virtuelle Mikrofilmstelle und ar-

beiten die Prozesse zur Erfassung, zum Scannen, zur Qualitätssicherung, zum Schreiben der

Mikrofilme und zum Vernichten der verarbeiteten Akten ab.

Die Vorteile der Hybridarchivierung liegen auf der Hand:

• sofortige, kontrollierte Verfügbarkeit aller Akten im Online-Zugriff und somit keine Wartezei-ten für Mikrofilm-Rückdigitalisierung,

• absolut sichere und gerichtsfeste Archivierung durch die doppelte Speicherung der Gerichts-akten sowohl digital als auch analog auf Mikrofilm.

Die Hybridarchivierung bildet in ihrem aktuellen Entwicklungsstand bereits eine zuverlässige

und hocheffiziente technische Plattform für die elektronische Archivierung gerichtlicher Ent-

scheidungen (Urteile und Beschlüsse) einschließlich der technischen Komponenten für die

elektronische Einsichtnahme Berechtigter. Die damit eröffneten Potentiale gehen allerdings

noch deutlich weiter; ein solches „Titelregister“ könnte – nach Schaffung der rechtlichen

Grundlagen – durchaus zu einem „elektronischen Vollstreckungsregister“ entwickelt wer-

den.

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Die Abwicklung der Zwangsvollstreckungsverfahren erfolgt gemäß den seit langem etablier-

ten verfahrensrechtlichen Regelungen nach wie vor „papiergebunden“. Der Vollstreckungs-

gläubiger erwirkt eine „vollstreckbare Ausfertigung“ der im Original ja in der Gerichtsakte

verbleibenden gerichtlichen Entscheidung, erteilt sodann einen Vollstreckungsauftrag und

lässt die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner förmlich zustellen. Nur wenn die Forma-

lien des Vollstreckungsverfahrens gewahrt sind, darf die Vollstreckung durchgeführt werden.

Teilleistungen des Schuldners werden auf dem Vollstreckungstitel selbst vermerkt, nach voll-

ständiger Erfüllung wird dem Vollstreckungsschuldner der „verbrauchte“ Titel nebst einer

Quittung ausgehändigt. So können „Zuvielforderungen“ vermieden werden.

Mit der Verfügbarkeit eines elektronischen Titelarchivs und unter den Gegebenheiten des

modernen elektronischen Rechtsverkehrs ließe sich die Situation grundlegend neu darstellen.

Dann bestünde die Möglichkeit, im Wege elektronischer Datenübermittlung von jedem Ort

und zu jeder Zeit ohne nennenswerte Verzögerung unmittelbar dort auf das (elektronisch ver-

fügbare) „Original“ des Vollstreckungstitels Zugriff zu nehmen, wo es als Datei physikalisch

auf einem Datenträger gespeichert wäre. Berechtigte könnten ihnen obliegende Nachweise

statt durch die förmliche Zustellung entsprechender Papierausfertigungen durch elektroni-

schen Verweis („Link“) auf hierfür erforderliche elektronisch archivierte Titel führen,

vollstreckungsrelevante Vermerke z.B. über geleistete Zahlungen unmittelbar hierzu gespei-

chert werden. Elektronische „Kopien“ der als Datensatz vorhandenen Titel im Besitz des

Betroffenen bzw. des durch ihn beauftragten Gerichtsvollziehers wären nicht mehr erforder-

lich; die Vorhaltung des – immer nur für jeweils Berechtigte einsehbaren – Originaldoku-

ments auf einem zentralen, über Datennetz erreichbaren Servers in der Obhut der Justiz reich-

te aus.

An ein solches Titelarchiv würden sich erhebliche Vorteile knüpfen. Mit der Verfügbarkeit

des elektronischen Titels wäre ein sicherer und unmittelbarer Zugriff auf das „Originaldoku-

ment“ ohne Zeitverzug möglich. Die unbefugte weitere Verwendung inhaltlich überholter

Titel wäre zuverlässig ausgeschlossen, da die Einsichtnahme stets den aktuellen Stand der

Vollstreckung wiedergäbe.

Ein derartiges elektronisches Titelarchiv würde das Vollstreckungsverfahren beschleunigen

und die notwendige Sicherheit gleichwohl gewährleisten. Es darf keine Vision bleiben: Es

gilt, die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen.

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2. Rationalisierende Einzelansätze

a) Einsatz der Videokonferenztechnik

Folgende Standorte der Justiz in Hessen verfügen über eine Videokonferenzanlage:

Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa, das Oberlandesgericht

Frankfurt am Main, die gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz in Bad Vilbel, das Hessi-

sches Finanzgericht, alle neun Landgerichte in Hessen, die Amtsgerichte Friedberg (Hessen)

und Bad Hersfeld, das Verwaltungsgericht Darmstadt sowie die Justizvollzugsanstalten Butz-

bach, Darmstadt – Fritz-Bauer-Haus –, Frankfurt am Main III, Hünfeld, Kassel I und II,

Schwalmstadt und Weiterstadt.

Darüber hinaus wurden zwei Videokonferenzanlagen im Wege der Leihe den Rechtsanwalts-

kammern in Frankfurt am Main und Kassel zur Verfügung gestellt.

Die Entwicklung der Nutzung in Hessen stellt sich wie folgt dar:

Damit haben sich die Nutzungszahlen sehr erfreulich entwickelt. Aber: In der gerichtlichen

Praxis hat sich der Einsatz von Videokonferenztechnik noch nicht entscheidend durchgesetzt.

Dies beruht zum einen auf der meist noch fehlenden technischen Ausstattung der Gerichte,

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77

Justizbehörden und Anwaltskanzleien, zum anderen aber auch an der Anknüpfung der Ver-

fahrensordnungen an das Einverständnis der Beteiligten zum Einsatz von Videokonferenz-

technik.

Die starre Anknüpfung der Verfahrensordnungen an eben dieses Einverständnis der Beteilig-

ten soll durch eine Gesetzesinitiative, die auf der hessischen Bundesratsinitiative zur Inten-

sivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltli-

chen Verfahren fußt, aufgehoben und der Einsatz von Videokonferenztechnik weitgehend in

das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gelegt werden. Dies wird durch eine Änderung des

§ 128 a ZPO und über die Verweisungsnormen in den Verfahrensordnungen der Fachge-

richtsbarkeiten auch für diese Gerichtszweige erreicht. Daneben werden im Gerichtsverfas-

sungsgesetz für die Dolmetscher und im strafprozessualen Verfahren die Regelungen über die

Vernehmung von Sachverständigen, Beschuldigten, des Vorstands der Rechtsanwaltskammer,

des Angeklagten bei der Vernehmung über die Anklage und die Vernehmung von Zeugen

unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit neu geregelt. Der Bundesrat hat dem Entwurf

zugestimmt, der jetzt dem Bundestag vorliegt. Die Gesetzesinitiative richtet sämtliche Verfah-

rensordnungen umfassend auf die qualitativ hochwertigen technischen Möglichkeiten der Ge-

genwart aus und stellt zugleich normativ die Weichen für die Zukunft.

Die Vorteile der verstärkten Nutzung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtli-

chen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren liegen auf der Hand:

Durch die Bereitstellung dieser Technik durch die Justizverwaltung wird vor allem der An-

waltschaft, aber auch anderen Verfahrensbeteiligten, in geeigneten Fällen die Gelegenheit

geboten, an gerichtlichen Verfahren ohne Reisetätigkeit aus der eigenen Kanzlei heraus oder

von seitens der Justizverwaltungen bereitgestellten Videokonferenzanlagen aus teilzunehmen.

Der geringere zeitliche Aufwand für alle Beteiligten und das Gericht erleichtert die Terminie-

rung von mündlichen Verhandlungen und Erörterungsterminen und trägt damit zu einer Ver-

fahrensbeschleunigung und einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, nicht zuletzt bei den pro-

fessionellen Rechtsvertretern, bei.

Bei Einvernahmen, Anhörungen, Verhandlungen und Vernehmungen spielt der Aspekt der

zeitlichen Verfügbarkeit für die zügige Abwicklung des Verfahrens und des wirtschaftliche-

ren Einsatzes prozessualer Beteiligter eine erhebliche Rolle. Durch eingesparte Reisekosten

und reduzierte Zeitaufwände wird der Prozess insgesamt kostengünstiger werden.

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78

Ein weiterer positiver Aspekt ist in der möglichen Reduzierung von Gefangenentransporten

zu sehen: Das Risiko von Entweichungen Gefangener kann durch Nutzung von Videoübertra-

gungstechnik minimiert werden, Transport- und Bewachungsaufwände entfallen weitgehend.

Durch die Umressortierung der Europaangelegenheiten hat sich eine weitere Möglichkeit

ergeben, den Einsatz von Videokonferenztechnik zu fördern. Durch die Europaabteilung und

die dort bestehenden Kontakte zu Repräsentanten anderer europäischer Staaten wird verstärkt

für den Einsatz der entsprechenden Technik in gerichtlichen Verfahren geworben.

Ein entsprechender Vorstoß ist auch stimmig, da die Europäische Kommission anlässlich des

Zusammentreffens in der Slowenischen Präsidentschaft den Einsatz von Videokonferenztech-

nik als einen entscheidenden Eckpfeiler der eJustice-Bemühungen in Europa eingestuft hat.

b) Zentrales Schuldnerverzeichnis mit Online-Einsicht

Bei jedem hessischen Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) wird ein Schuldnerverzeichnis ge-

führt. Erfasst werden die Namen und Anschriften der Schuldner, die nach ZPO oder Abga-

benordnung vor einem Gerichtsvollzieher bzw. Vollstreckungsbeamten eine Offenbarung

ihrer Vermögenswerte unter Eid erstellt haben oder gegen die zur Erzwingung dieser Anga-

ben die Haft angeordnet wurde. Auch Personen, gegen die gemäß § 26 InsO ein Insolvenzver-

fahren mangels Masse eingestellt wurde, werden hier geführt.

Das Schuldnerverzeichnis ist ein öffentliches Register, d.h. aus ihm kann jedermann Auskunft

erteilt werden, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt (z.B. für Zwecke der Zwangs-

vollstreckung, um gesetzliche Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zu

erfüllen, um die Voraussetzung für die Gewährung von öffentlichen Leistungen zu prüfen, zur

Verfolgung von Straftaten).

Eintragungen im Schuldnerverzeichnis haben für die Dauer von drei Jahren Bestand (bei In-

solvenzverfahren fünf Jahre), danach werden sie automatisch gelöscht und nicht mehr beaus-

kunftet. Eine vorzeitige Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis kann nur durch eine ent-

sprechende Erklärung des Gläubigers erfolgen.

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79

Die Führung des Schuldnerverzeichnisses (d.h. Eintragungen und Löschungen) sowie die Er-

teilung von Auskünften aus dem Schuldnerverzeichnis erfolgt ausschließlich durch das

Vollstreckungsgericht.

Die Umstellung dieser früher in Karteikartenform geführten Schuldnerverzeichnisse in elekt-

ronische Form stellte die erste landesweit durchgeführte DV-Anwendung der hessischen Jus-

tiz dar. Seither wird mit der Fachanwendung EUREKA-Vollstreckung sowohl die Aktenre-

gistrierung als auch die Führung und Beauskunftung der Schuldnerverzeichnisse erledigt.

Mit Einführung der elektronisch geführten Schuldnerverzeichnisse entstand der Wunsch, auf

ein zentrales Schuldnerverzeichnis zugreifen zu können, in dem zentral die Schuldnernamen

aller hessischen Schuldnerverzeichnisse zusammengefasst sind. Schuldner führen oftmals ein

reges Nomadendasein und der Umzug des Schuldners in einen nur wenige Kilometer entfern-

ten Nachbarort änderte oft die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts.

Mit Verordnung vom 30. November 2007 wurde die gesetzliche Grundlage für die Einrich-

tung und Führung eines zentralen Schuldnerverzeichnisses zur Erteilung von Auskünften

(GVBl. 2007, S. 828) geschaffen. Zuständig für das zentrale Schuldnerverzeichnis ist hier-

nach das zentrale Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht Hünfeld.

Technisch wird das zentrale Schuldnerverzeichnis dadurch erreicht, dass einmal täglich der

komplette Schuldnerverzeichnisbestand aller 46 Amtsgerichte zu einer einheitlichen Daten-

bank zusammengefasst wird.

HZD

HünfeldDomäne: JUSTIZ

Vollstreckungsgerichte

Gerichtsvollzieher

ORACLE-DB-Server

ZSV

HCN 2000

Ext. Öffentliche Stellen

VPN

IIS6-Web-Server

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80

Auf diese zentrale Datenbank haben dann alle berechtigten Mitarbeiter der Amtsgerichte so-

wie die Gerichtsvollzieher einen direkten lesenden Zugriff über das Landesnetz.

Mit der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 2. Juni 2010 (GVBl. I S. 157)

wurde der Kreis der zum Abruf der Daten Berechtigten auf die Finanz- und Vollstreckungs-

behörden zum Zwecke der Zwangsvollstreckung und die Staatsanwaltschaften zum Zwecke

der Strafverfolgung erweitert.

Mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli

2009 (BGBl. I S. 2258) hat der Bundesgesetzgeber die Systematik der Mobiliarzwangs-

vollstreckung vollkommen geändert: Das bisher am Ende der Vollstreckung stehende Verfah-

ren der Vermögensauskunft wird nach dem Willen des Gesetzgebers das Eingangsverfahren

in die Zwangsvollstreckung und löst den – bisher die Vollstreckung oft eröffnenden und er-

folglosen – Pfändungsversuch ab. Zentraler Bestandteil des Gesetzes ist daneben die obligato-

rische Einführung zentraler Schuldnerverzeichnisse in allen Bundesländern, die über ein bun-

desweites Vollstreckungsportal miteinander zu verbinden sind. Auskünfte aus dem Schuld-

nerverzeichnis werden dann bundesweit erfolgen. Die ZPO-Änderungen treten zum 1. Januar

2013 in Kraft.

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c) Justiz-Auktion

Auf Initiative der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in

der Justiz (BLK) wurde eine Internetplattform „Justiz-Auktion.de“ eingerichtet, für welche

die Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfahlen (NRW) den Betrieb und die bundesweite

Koordination übernommen hat. Die Verwertungen im Rahmen hergebrachter, öffentlicher

Versteigerungen durch Gerichtsvollzieher soll durch eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung

beweglicher Sachen im Wege einer Online-Auktion ergänzt werden.

Beachtlich in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass bei den derzeitigen Versteigerun-

gen häufig ein nur eingeschränkter Personenkreis auftritt. Der Schritt heraus aus dem „Insi-

der“-Interessentenkreis in eine breite Öffentlichkeit wird neben höheren Erlösen auch diese

durchaus als problematisch zu bezeichnende Situation beenden helfen.

Bisher konnten vornehmlich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) be-

schlagnahmte oder gepfändete Gegenstände und nach dem Strafgesetzbuch (StGB) eingezo-

gene bzw. für verfallen erklärte Gegenstände sowie Fundsachen versteigert werden.

Hessen ist als erstes Bundesland pilothaft dem durch die Landesjustizverwaltung Nordrhein-

Westfahlen aufgebauten Portalbetrieb beigetreten. Die in Hessen in dem Pilotbetrieb in Frank-

furt am Main gewonnenen Erfahrungen waren durchweg positiv.

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Das Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung und zur Änderung an-

derer Gesetze (IntVerstZVG) vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2474) nimmt diese Idee auf und

lässt nunmehr über den vorbeschriebenen Rahmen hinaus zu, die in der Zwangsvollstreckung

durch die Gerichtsvollzieher beschlagnahmten Gegenstände (§§ 814 ff ZPO) zur Verwertung

über das Internet anzubieten.

Hessen hat die den Ländern in dem Gesetz eingeräumte Ermächtigung zum Erlass einer

Rechtsverordnung dahingehend genutzt, dass die Plattform www.justiz-auktion.de zum zu

nutzenden Medium bestimmt wurde (Verordnung über die Internetversteigerung in der

Zwangsvollstreckung vom 10. Juni 2010, GVBl. I S. 172).

Durch diese Verordnung wird der bisher begrenzte Umfang von eingestelltem Versteige-

rungsgut sprunghaft erhöht werden; die Zahl der Bietinteressenten wird sich ebenfalls stei-

gern. Das Portal dürfte sich perspektivisch vor www.zoll-auktion.de, der Plattform der Fi-

nanz- und Zollverwaltung, in dem vornehmlich PKW und Nutzfahrzeuge verwertet werden,

als Marktführer etablieren, da das Pfandgut der Gerichtsvollzieher eine weit größere Palette

an Gegenständen enthalten wird.

Die Erlöse – somit die Befreiung der Schuldner von Verbindlichkeiten und die bessere Be-

friedigung der Gläubiger – werden durch die weitaus bessere Publizität erheblich steigen.

d) Elektronisches Sitzungsaalmanagement

Das elektronische Sitzungssaalmanagement dient der computergesteuerten Anzeige der

Verhandlungstermine eines Gerichts.

Die Grundkonzeption des elektronischen Sitzungssaalmanagements sieht vor, dass sich Pro-

zessbeteiligte oder Besucher bereits im Eingangsbereich der Gerichte an großen Übersichts-

displays Informationen über alle am Verhandlungstag terminierten Sitzungen beschaffen kön-

nen. Soweit mehrere Gerichte gemeinsam in einem Gebäude untergebracht sind, steht für je-

des Gericht ein eigenes Übersichtsdisplay zur Verfügung.

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Auf den Einzeldisplays vor jedem Sitzungssaal erhalten Prozessbeteiligte und Besucher so-

dann detaillierte Informationen über die terminierten Verfahren, so z. B. über den Beginn und

die zu erwartende Dauer der Sitzung, die Prozessbeteiligten sowie den Verfahrensgegenstand.

Auch enthält das Display Hinweise auf eventuell geladene Zeugen und die Kennzeichnung,

ob öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt wird. Für die Arbeitsgerichtsbarkeit werden

aufgrund der oft hohen Zahl von an einem Tag zu verhandelnden Verfahren größere Displays

zum Einsatz gebracht, um Übersichtlichkeit und Lesbarkeit sicher zu stellen.

Die Datenquelle für die Sitzungssaalanzeige ist die jeweilige EUREKA-Fachanwendung, die

den Bediensteten für ihre tägliche Arbeit zur Verfügung steht. Entsprechend werden die auf

den Displays angezeigten Verfahrensinformationen auf Veranlassung der jeweils zuständigen

Serviceeinheit eingestellt. Dadurch ist eine Änderung der Daten, wie z.B. die Verlegung einer

Sitzung in einen anderen Sitzungssaal oder eine zeitliche Verschiebung eines Sitzungsbe-

ginns, auch kurzfristig möglich.

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Neben dem Wiesbadener Justizzentrum ist die Einrichtung eines elektronischen Sitzungs-

saalmanagement in den Justizzentren Darmstadt, Offenbach sowie im fachgerichtlichen Jus-

tizzentrum Kassel geplant. Es wird angestrebt, anlässlich größerer Sanierungs-, Umbau- oder

Neubaumaßnahmen sukzessive alle größeren Gerichte mit elektronischem Sitzungssaalmana-

gement auszustatten. Langfristig sollen zudem alle Gerichte mit Übersichtsdisplays im Ein-

gangsbereich ausgestattet werden, um die Bürger- und Serviceorientierung der hessischen

Gerichte weiter zu verdeutlichen.

e) Formularserverlösung im Vollzug

Der hessische Justizvollzug hat ein Formularserverprojekt gestartet, das sowohl den Daten-

austausch mit Gerichten und Staatsanwaltschaften ermöglicht, als auch interne Betriebsabläu-

fe transparent und medienbruchfrei abbildet. Ermöglicht wird dies u.a. durch die nahtlose

Verbindung zwischen jeweiliger Fachanwendung und Formularserver. Hierbei wird stringent

darauf geachtet, dass keinerlei redundante Datenhaltung nötig ist.

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Exemplarisch werden die Beantragung von Dienstreisen, die Übermittlung einer aktuellen

Vollstreckungsübersicht und das interne Fahndungsdatenblatt dargestellt:

Die Formulare zur Beantragung und Abrechnung von Dienstreisen zeigen die strukturierte

Kommunikation zwischen unterschiedlichsten Beteiligten eines Verwaltungsprozesses.

Damit wird die Voraussetzung für seine effiziente Abwicklung geschaffen: Unterschiedliche

Benutzer können unabhängig von ihrem Standort in die Bearbeitung eingebunden werden, die

Daten stehen allen Berechtigten eindeutig und aktuell zur Verfügung, Rückfragen werden

vermieden, der Gesamtprozess wird schneller und transparenter.

Über einen Webbrowser werden Daten in intuitiv zu bedienende, interaktive Formulare ein-

gegeben. Die Qualität der eingegebenen Daten wird durch integrierte Plausibilitätsprüfungen

und Online-Berechnungen schon bei der Eingabe enorm verbessert.

Die Ablauflogik liegt ebenso wie die Formulare selbst an einer Stelle im System vor. Dadurch

wird gewährleistet, dass keine veralteten Versionen und keine unkontrollierbaren Kopien des-

selben Vorgangs im Umlauf sind. Komplexe Verwaltungsabläufe werden ohne Medienbrü-

che, auch über Standortgrenzen hinweg, vollständig elektronisch abgewickelt.

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Zur schnellen Kommunikation zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften mit den

Justizvollzugsanstalten (JVA) wird derzeit eine elektronische Abfrage an die JVA pilotiert.

Musterbeispiel für das Projekt ist die elektronische Einholung einer Vollstreckungsüber-

sicht. Den Richtern und Staatsanwälten wird ein Webformular zur Verfügung gestellt, über

das sich vom eigenen Arbeitsplatz-PC aus Strafzeitberechnungen zu den in hessischen Voll-

zugsanstalten einsitzenden Gefangenen anfordern lassen. Diese Berechnungen werden von

der Fachanwendung der JVA in einem automatisierten Verfahren erstellt und erscheinen un-

mittelbar im Anschluss daran als Antwort auf dem Bildschirm. Der Anfragende kann die

Kontaktaufnahme durch eine eigene Webformulareingabe auslösen, mit der beim Empfänger

ein automatisierter Weiterverarbeitungsprozess angestoßen wird. Das Formular hat das glei-

che Erscheinungsbild wie die Vollstreckungsübersicht in Papierform und wird mit den Daten

aus der Anwendung des Justizvollzugs gefüllt.

Die direkte Anbindung des Formularservers an ein Fachverfahren wird mit dem Modul

„Fahndungsdatenblatt“ erreicht. Berechtigte Personen können über eine einfache Auswahl-

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87

funktion Fahnungsdatenblätter erstellen, welche z.B. bei Transporten von Gefangenen mitge-

führt werden müssen. Diese Datenblätter enthalten erkennungsdienstliche Daten, welche über

eine entsprechende Schnittstelle aus dem Fachverfahren BASIS-Web übermittelt werden.

Durch die automatisierte Bereitstellung tagesaktueller Fahndungsdatenblätter werden die

Vollzugsgeschäftsstellen und die Transportabteilungen der Vollzugseinrichtungen erheblich

entlastet.

f) ePolizei

Unter dem Arbeitstitel "ePolizei" wird der Dokumentenversand zwischen den Staatsan-

waltschaften und der Polizei, hier über MESTA, dort über das polizeiliche Vorgangssystem

ComVor ("Computergestütze Vorgangsverwaltung"), konzipiert. Es soll in mehreren Stufen

eine elektronische Übersendung von Dokumenten zwischen den Behörden über die Kopfstelle

bei der HZD mittels einer Integrationsplattform ermöglicht werden, nachdem der Datenaus-

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88

tausch mittels XJustiz schon seit längerem erfolgreich funktioniert. Dabei werden Planungen

zur Führung elektronischer Hilfsakten miteinbezogen.

In der ersten Stufe sollen die sog. EU-Haftbefehle zur internationalen Ausschreibung an das

Hessische Landeskriminalamt übersandt werden, da dieses eine ausschließlich elektronische

Weiterleitung an das Bundeskriminalamt zur internationalen Fahndung anstößt. Zum Versand

der Dokumente waren Anpassungen in MESTA vorzunehmen. Derzeit werden bei der GIT

die Anpassungen getestet; mit einer Pilotierung ist im Herbst 2010 zu rechnen.

Eine zweite Stufe befasst sich mit dem Versand von Haftbefehlsunterlagen an alle hessischen

Polizeibehörden. In weiteren Ausbaustufen ist beabsichtigt, Dokumente von der Polizei ent-

gegenzunehmen, um diese elektronisch bei der Staatsanwaltschaft verfügbar zu halten. So

könnten diese Dokumente dann mit der Software "Normfall Manager" strukturiert werden; ein

Einscannen entfällt.

3. Länderübergreifende eJustice-Entwicklungen

a) Justizportal des Bundes und der Länder

Die Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz baut

das gemeinsam entwickelte bundesweite Justizportal sukzessive aus. Die universelle Ein-

stiegs-, Informations- und Leitseite zur deutschen Justiz in Bund und Ländern umfasst

neben der Verlinkung auf das Internetangebot des Bundesministeriums der Justiz und der

Landesjustizverwaltungen sowie deren Broschürenangebot und Formulare alle Fachportale

(Registerportal, Internet-Grundbucheinsicht, Veröffentlichung von Zwangsversteigerungster-

minen, Insolvenzbekanntmachungen, Handelsregisterbekanntmachungen, Online-Mahn-

antrag). Weitere „Online-Dienste“ sind mit einer elektronischen Gerichtstafel [siehe Kapitel

IV Nr. 3g)] sowie den Online-Formularen [siehe Kapitel IV Nr. 3f)] geplant. Auch steht dort

ein Rechtsdienstleistungsregister zur Veröffentlichung von Bekanntmachungen im Bereich

der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen sowie eine Dolmetscher- und Übersetzerdaten-

bank zur Einsicht bereit.

Außerdem ist es möglich, das Justizportal als Einstiegsplattform zu den Texten von Bundes-

und Landesrecht sowie zu den Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen im Internet zu

nutzen.

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Das Justizportal ist unter der Internetadresse www.justiz.de erreichbar.

Durch die gemeinsame Entwicklung von Portalen und Bekanntmachungsplattformen konnten

die auf die einzelnen Länder entfallenden Entwicklungs- und Betriebskosten, die nach dem

Königsteiner Schlüssel auf die Länder umgelegt werden, gering gehalten werden. Sie betra-

gen nur einen Bruchteil der Kosten, die bei der Erstellung von dezentralen, in den Ländern zu

betreibenden Lösungen angefallen wären.

b) Gemeinsames Registerportal der Länder

Zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und zur Förderung der registerrechtli-

chen Publizität der Register betreiben die Länder gemeinsam unter der Internetadresse

www.handelsregister.de ein Internetportal (Registerportal). Das Registerportal eröffnet den

Zugriff auf die automatisierten Registerabrufsysteme der Länder und dient der Bekann-

tmachung der Eintragungen der Registergerichte. Die rechtliche Grundlage für eine län-

derübergreifende Zusammenarbeit zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes und zur Kos-

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tensenkung bilden Staatsverträge, die die einzelnen Länder mit dem Land Nordrhein-

Westfalen abgeschlossen haben.

Das auch über das gemeinsame Justizportal des Bundes und der Länder aufrufbare Register-

portal der Länder ermöglicht es, über das Internet jederzeit Einsicht in die Handelsregister

aller Bundesländer zu nehmen. Neben dem Handelsregister werden auch Daten aus den Ge-

nossenschafts- und Partnerschaftsregistern sowie für Hessen aus dem Vereinsregister angebo-

ten. Durch komfortable und leicht zu bedienende Suchmöglichkeiten lassen sich die Register

recherchieren. Der Registerinhalt wird in verschiedenen Darstellungsformen als PDF-

Dokument zur Verfügung gestellt und kann gespeichert sowie ausgedruckt werden.

Angeboten werden insbesondere:

• der aktuelle Ausdruck mit einem Überblick über alle derzeit gültigen Eintragungen,

• der chronologische Ausdruck mit allen Daten ab Umstellung auf elektronische Registerfüh-rung,

• der historische Ausdruck mit allen Daten, die bis zur Umstellung auf die elektronische Regis-terführung gültig waren.

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91

Daneben ermöglicht das Registerportal den Abruf von Dokumenten, die auf elektronischem

Wege dem Registergericht zugesandt wurden und zum sogenannten Registerordner gehören,

wie z. B. Anmeldungen zum Register, Gesellschafterlisten und Satzungen von Kapitalgesell-

schaften.

Über diese Informationen hinaus können aktuelle Registerbekanntmachungen recherchiert

werden. Das Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und

anderer vereinsrechtlicher Änderungen (VereinRÄndG) vom 24. September 2009 (BGBl. I S.

3145) schreibt verbindlich eine Veröffentlichung von Vereinsregisterbekanntmachungen im

Internet vor. Veröffentlichungen von Vereinsregisterbekanntmachungen in den Zeitungen und

im Staatsanzeiger entfallen damit.

c) Zwangsversteigerungsportal

Ab dem Jahr 2008 veröffentlichen alle 46 hessischen Amtsgerichte ihre Zwangsversteige-

rungstermine und, soweit datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegenstehen, die zugehö-

rigen Wertgutachten, gegebenenfalls auch Fotos der Versteigerungsobjekte, im Internet.

Die hessische Justiz hat somit als eines der ersten Bundesländer die Veröffentlichung von

Zwangsversteigerungsterminen und Wertgutachten über das gemeinsame Portal der Bundes-

länder im Internet zu Verfügung gestellt.

Ziel der Veröffentlichung der Zwangsversteigerungstermine im Internet ist, durch die höhere

Publizität des Internets den Interessentenkreis zu erweitern und hierdurch eine bessere und

schnellere Befriedigung der Gläubiger, aber zugleich auch eine erfolgreichere Entschul-

dung zu erreichen. Das Portal hat in der Folge auch zu zielgerichteteren Anfragen sowie einer

Verringerung von Terminverlegungen beigetragen.

Die Internetseite ist über das Justizportal des Bundes und der Länder www.justiz.de oder di-

rekt über www.zvg-portal.de zu erreichen.

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92

Parallel dazu wurde die Anbindung an das hessische Geoinformationssystem (GIS) verwirk-

licht. Neben dem GIS ist in Hessen die Visualisierung der zu versteigernden Liegenschaft

auch über den kommerziellen Viewer Google Maps möglich.

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93

Google Maps hat sich in der Handhabung als schneller und einfacher erwiesen, der Hessen-

viewer des GIS hält jedoch sehr viel detailliertere Informationen über einen Versteigerungs-

gegenstand bereit und ist somit für Profinutzer von Interesse.

d) Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank

Die allgemeine Beeidigung, öffentliche Bestellung bzw. allgemeine Ermächtigung von Dol-

metscherinnen und Dolmetschern sowie Übersetzerinnen und Übersetzern richtet sich nach

dem Recht der einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland und unterliegt daher län-

derspezifischen Anforderungen. Wegen der Änderung des § 189 Gerichtsverfassungsgesetz

(GVG), der die Berufung auf den in einem Land geleisteten Eid für die Zulassung vor Gerich-

ten in einem anderen Land zulässt, sowie die für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie

Übersetzerinnen und Übersetzer maßgebliche Richtlinie 2006/123/EG des europäischen Par-

laments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (EU-

Dienstleistungsrichtlinie – Amtsblatt der Europäischen Union vom 27. Dezember 2006) ha-

ben sich die Länder auf die Entwicklung einer bundeseinheitlichen Dolmetscher- und

Übersetzerdatenbank geeinigt, die in das gemeinsame Justizportal des Bundes und der Län-

der integriert wurde. Diese Entscheidung ist besonders für die Länder, die bisher noch keine

landeseigene Datenbank entwickelt hatten, von großem Nutzen.

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94

Die Entwicklung wurde unter hessischer Federführung auf Basis der hessischen Dolmetscher-

und Übersetzerdatenbank und unter Berücksichtigung der zusätzlichen Anforderungen der

anderen Länder durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) in Hünfeld reali-

siert. Die Anwendungsarchitektur wurde so aufgebaut, dass die Datenspeicherung sowie Be-

trieb und Pflege der Anwendung in Hessen durchgeführt werden, die in den anderen Ländern

zuständigen Behörden die in ihrer Verantwortung liegenden Daten aber selbständig pflegen

können. Die Datenpflege erfolgt nicht über das Internet, sondern das hochsichere DOI-Netz

(ehemals TESTA-Netz).

Die gelungene Einbindung der Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank in das gemeinsame

Justizportal des Bundes- und der Länder unterstreicht die Zielsetzung des modularen Charak-

ters dieses Portals. Zukünftig ist geplant, die Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank mittels

Web-Services in das europäische Justizportal einzubinden.

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e) Rechtsdienstleistungsregister

Das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz –

RDG) vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) ist am 1. Juli 2008 in vollem Umfang in

Kraft getreten und hat das 1935 erlassene Rechtsberatungsgesetz (RberG) abgelöst. Ziel der

gesetzlichen Neuregelung sind der Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechts-

dienstleistungen und die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, einhergehend mit

Deregulierung und Entbürokratisierung.

Rechtsdienstleistungen dürfen in den Bereichen Inkassowesen, Rentenberatung und in

einem ausländischen Recht nur aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden, wobei die

Anbieter im Rahmen eines Registrierungsverfahrens ihre persönliche und fachliche Eignung

sowie den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen haben (§§ 10ff.

RDG) und in einer im Internet öffentlich zugänglichen länderübergreifenden Bekanntma-

chungsplattform (www.rechtsdienstleistungsregister.de), die in das Justizportal des Bundes

und der Länder integriert wurde, eingetragen werden (§ 16 RDG). Daneben sind dort Perso-

nen oder Vereinigungen nach §§ 6, 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 RDG zu veröffentli-

chen, welchen die Erbringung von Rechtsdienstleistungen z.B. wegen dauerhaft unqualifizier-

ten Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtssuchenden untersagt wurde. Die öffentli-

che Bekanntmachung oder Löschung von Bekanntmachungen erfolgt mehrmals täglich durch

die in den Ländern jeweils zuständigen Registrierungsbehörden, wobei die Zugriffe über das

hochsichere DOI-Netz erfolgen.

Bei der Fassung des Gesetzes arbeitete das Bundesministerium der Justiz mit den IT-

Referaten der Landesjustizverwaltungen der Länder unter Federführung Hessens zusammen,

um eine länderübergreifende Bekanntmachungsplattform zu schaffen.

Ende 2009 ist eine Anpassung der Internetseite an die Anforderungen der EU-

Dienstleistungsrichtlinie erfolgt.

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f) Online-Formulare

Im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der

Justiz wird ein Konzept für die Erstellung von Online-Formularen zur rechtsverbindli-

chen Antragstellung zu entwickeln. Hiervon sind nicht nur die bundeseinheitlichen sondern

auch länderspezifische Formulare umfasst. Die inhaltliche Erarbeitung des Konzepts ist einer

einberufenen Unterarbeitsgruppe unter Federführung Hessens übertragen worden.

Die Formulare werden über das Justizportal angeboten. Hierbei sind drei Sichtweisen für un-

terschiedliche Zielgruppen vorgesehen:

• Gliederung nach Lebenslagen

• Gliederung in alphabetischer Reihenfolge

• Gliederung nach Rechtsgebieten für professionelle Nutzer

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Das Formularangebot ist so zu gestalten, dass auch existierende Länderspezifika soweit erfor-

derlich aufrechterhalten werden können.

Erklärtes Ziel ist neben der Übersendung der reinen Dokumente die Übermittlung von struk-

turierten Daten unter Verwendung des XJustiz-Datensatzes. Die bereits vom Antragssteller

erfassten Daten können direkt bzw. nach entsprechender Sichtung in die justiziellen Fachver-

fahren übernommen werden. Die Auswahl des zuständigen Gerichts soll durch die im Justiz-

portal bereits angebotene Orts- und Gerichtsdatei unterstützt werden.

Die zentrale Anforderung an ein Online-Formular ist, dass die Antragstellung rechtsverbind-

lich erfolgen kann. Dies bedeutet in den Fällen der gesetzlich vorgeschriebenen schriftlichen

Form, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach

dem Signaturgesetz zu versehen ist (§ 126a BGB).

Einen Hemmschuh für eine rasche Umsetzung stellt der in einigen Sachgebieten normierte

Formularzwang dar, der den möglichen Mehrwert eines ressourcenschonenderen Einsatzes

von elektronischen Formularen behindert. Hier ist eine Ausnahmeregelung zu entwickeln.

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g) Elektronische Gerichtstafel

In das Justizportal soll ein elektronisches Informations- und Kommunikationssystem für

öffentliche Zustellungen und öffentlichen Bekanntmachungen, die sogenannte elektroni-

sche Gerichtstafel, integriert werden. Diese soll die herkömmliche Gerichtstafel ersetzen kön-

nen und im Gericht über einen „Auskunfts-PC“ zur Einsicht angeboten werden.

Gegenwärtig unterscheiden sich die Regelungen über die öffentliche Zustellung und öffentli-

che Bekanntmachung in Details. Sinn und Zweck dieser Reglungen ist es insbesondere, dem

Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Zustellung oder der Bekanntmachung

zu eröffnen. De lege ferenda sollte aus technischer Sicht eine Vereinheitlichung der einzelnen

Vorschriften angestrebt werden.

Im Auftrag der BLK wird aktuell ein Konzept erarbeitet. Dieses sieht vor, dass die Aushänge

aus den Justizbehörden der Länder über ein Webformular im hochsicheren DOI-Netz erfasst

und in einer Datenbank gespeichert werden, auf die per Webbrowser zugegriffen werden kann

(vgl. Insolvenzbekanntmachungen und Veröffentlichung der Zwangsversteigerungstermine).

In einer Ausbaustufe soll auch die Möglichkeit bestehen, Datensätze aus einem Fachverfahren

zu generieren, die im XJustiz-Format zum Portal übertragen werden.

h) Zentrales Testamentsregister

Mit dem Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Benachrichtigungswesens in Nach-

lasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer

haben sich Bund und Länder zur Errichtung eines zentralen Testamentsregisters für Deutsch-

land entschlossen. Das Testamentsregister soll den Hinterlegungsort der verwahrten erbfolge-

relevanten Urkunden (vor allem Testamente, Erbverträge) elektronisch registrieren und das

vorhandene papierne Registrierungssystem bei den Standesämtern ablösen. Es informiert die

Nachlassgerichte beim Sterbefall von vorliegenden erbfolgerelevanten Urkunden. Hierdurch

können künftig Nachlassverfahren schneller und effizienter durchgeführt werden und die

Durchsetzung des Erblasserwillens sicherer und nutzbringender erfolgen. Eine elektronische

Archivierung der erbfolgerelevanten Urkunden ist bisher nicht vorgesehen.

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Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Bundesnotarkammer das Zentrale Testamentsregister

aufbaut und – wie bereits das zentrale Vorsorgeregister – betreibt.

4. Rechtliche Möglichkeiten zur Intensivierung des elektronischen Rechtsverkehrs

Neben den fortschreitenden technischen Möglichkeiten kann aber auch rechtliche Innovati-

onskraft zur Intensivierung des elektronischen Rechtsverkehrs beitragen.

Im Rahmen einer Prüfung für eine Bundesratsinitiative sind einige Themenfelder aufgedeckt

worden, die bei entsprechender Gesetzgebung den elektronischen Rechtsverkehr entscheidend

fördern können, wobei sicherlich – soweit möglich – Öffnungs- und Zulassungsoptionen ein-

zuräumen sind, die es den Ländern ermöglichen, Projekt- und Finanzaufwände selbst nach

Maßgabe der eigenen Ressourcen zu steuern.

Folgende Ideen gilt es weiterzuverfolgen:

• Vereinfachung der Signaturanforderungen im elektronischen Rechtsverkehr: Einführung einer Organisationssignatur für Gerichte und Behörden [siehe Kapitel II Nr. 4b)] sowie Möglichkeit der Zulassung „anderer sicherer Verfahren“ wie z.B. ggf. der DE-Mail

• Einführung eines obligatorischen elektronischen Postfachs für Rechtsanwälte (mit Ausnahme-klausel für Härtefälle analog zur Kanzleipflicht)

• Einführung obligatorischen elektronischen Rechtsverkehrs für Vergütungsanträge der Rechts-anwälte nach RVG (mit dem Ziel der zügigeren Bearbeitung gerade im Sinne der Rechtsan-wälte)

• Länderoption zur Einführung zwingenden elektronischen Rechtsverkehrs in Anwaltsprozessen

• Einführung einer Zustellfiktion bei elektronischer Eingangsbestätigung (=Verzicht auf das Empfangsbekenntnis; das EGVP ermöglicht es bereits)

• Schaffung der Möglichkeit der Zulassung des Internetabrufs gerichtlicher Dokumente oder Verfahrensergebnisse (zur raschen Parteiinformation über Urteile und zur Vermeidung nach-fragender Telefonate)

• Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs mit Übersetzern

• Zulassung der Akteneinsicht durch Übermittlung elektronischer Duploakten oder Aktenauszü-ge

• Zulassung eines über die bereits verabschiedete Reform zur Sachaufklärung der Zwangs-vollstreckung hinausgehenden vereinfachten Zwangsvollstreckungsverfahrens ohne Pflicht zur Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung mit Option zur Einführung obligatorischen elektro-nischen Rechtsverkehrs für derartige Anträge von Rechtsanwälten und Rechtsdienstleistern (=Revolution in der Zwangsvollstreckung)

• Option zur Einführung rein elektronischer Durchsuchungsanträge in Zwangsvoll-streckungsverfahren

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• Ersetzung sämtlicher (noch nicht ersetzter) Veröffentlichungen und Bekanntmachungen ein-schließlich der öffentlichen Zustellung durch Internetveröffentlichung (Option für die Länder)

• Schaffung eines von Rechtsanwälten und Gerichten verpflichtend zu nutzenden gesetzlichen elektronischen Schutzschriftenregisters

• generelle Zulassung gerichtlicher Dokumente ohne Dienstsiegel und Unterschrift mit aufge-drucktem Dienstsiegel

• Eröffnung der Möglichkeit elektronischer Archivierung nicht nur ganzer Akten, sondern ein-zelner Aktenbestandteile: Möglichkeit der Schaffung eines Titelarchivs einschließlich Aus-dehnungsoption auf Ermittlungs- und Strafakten [siehe Kapitel IV Nr. 1d)]

Die Möglichkeiten zur Verbreitung des elektronischen Rechtsverkehrs sind vielfältig. Hierin

liegt auch nicht geringes Potenzial verborgen, um die justiziellen Geschäftsprozesse zu ver-

schlanken und mithin zu beschleunigen.

Die Länder Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-

Holstein sowie beobachtend das Bundesministerium der Justiz haben sich auf Initiative von

Baden-Württemberg und Hessen zu einer Arbeitsgruppe zusammengefunden, die sich zum

Ziel gesetzt hat, bis Anfang des kommenden Jahres einen Gesetzgebungsvorschlag zu erarbei-

ten, der dann über den Bundesrat in den Bundestag eingebracht werden soll.

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V. eJustice Ausblick für Hessen

eJustice bedeutet Gegenwart und Zukunft. Sowohl der Arbeitsplatz als auch die Kommunika-

tion und mithin die justiziellen Dienstleistungen werden zunehmend „elektronifiziert“. Die

Entwicklung der Gesellschaft macht auch vor der Justiz nicht halt und ist ebenso wie in ande-

ren staatlichen Bereichen nicht zum Nulltarif zu erreichen.

1. Zusammenfassung

Die hessische Justiz hat in den vergangenen 10 Jahren den Sprung in die aktuelle Technik

der modernen, vernetzten Arbeitswelt vollzogen. Das „verstaubte“ rein papierne Büro gibt

es nicht mehr. Vor dem Jahr 2000 gab es in der Justiz bereits Einzelplatz-PCs oder Großrech-

nersysteme, an denen einige Rechner angeschlossen waren, aber erst mit der Modernisie-

rungsoffensive der Jahre 2000 – 2006 sind sukzessive IT-Strukturen in der hessischen Justiz

entstanden. Die Vollverkabelung aller Justizbehörden, die EDV-Vollausstattung der Arbeits-

plätze sowie der Aufbau von Client/Server-Netzwerken mit moderner Kommunikationsmög-

lichkeit wie eMail sind Errungenschaften, die die Basis gelegt haben für den im Jahr 2005

gegangenen Schritt zum elektronischen Rechtsverkehr. Vier- bis fünfjährige Hardware-

Reinvestitionszyklen sorgen dafür, dass der erreichte Ausstattungsstandard in Gerichten und

Justizbehörden systematisch an den technischen Fortschritt angepasst und damit nicht nur

gehalten, sondern weiterentwickelt wird.

Die ersten Portale zur Recherche justizieller Daten wie das Registerportal oder die Insol-

venzbekanntmachungen sind seit Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts bereits „li-

ve“ geschaltet, auch gab es schon online ein zunehmendes Informationsangebot an Gesetzes-

texten und Rechtsprechung. Die Welt des Internets ist am justiziellen Arbeitsplatz angekom-

men.

Auch die justizielle Fachsoftware hat bereits einen Weg zurückgelegt, der von trivialen

Fachanwendungen zur Automationsunterstützung von Geschäftsprozessen in einzelnen

Rechtsgebieten insbesondere zur Verrichtung des Schreibwerks und zur Erstellung der Statis-

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tiken über die vollständige „hausinterne“ Verfahrensabwicklung bis hin zur Aufbereitung von

Daten für Fachportale und den elektronischen Rechtsverkehr führt.

Seit der letzten Bestandsaufnahme mit dem Bericht der eJustice-Kommission der hessischen

Justiz aus dem Jahr 2006 lässt sich konstatieren, dass die hessische Justiz mehr als einen

Schritt nach vorne getan hat:

• Der elektronische Briefkasten ist auf der Basis des Elektronischen Gerichts- und Verwal-tungspostfachs (EGVP) bei allen hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften einge-führt. Damit ist ein zentraler Baustein für den elektronischen Rechtsverkehr geschaffen worden. Dank des Gesetzgebers ist mit den Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsre-gisterverfahren auch bereits ein Rechtsgebiet auf nahezu vollständige elektronische Kommu-nikation umgestellt worden. Hinzu kommen einige singuläre Geschäftsprozesse wie die elekt-ronische Kostenrechnung, die den ersten initiativen elektronischen Postversand der Jus-tiz darstellt und nebenbei auch noch den elektronischen Zahlungsverkehr mit der hessischen Justiz befördert. Weitere Projekte wie der elektronische Rechtsverkehr in Insolvenzverfahren sind in der Vorbereitung.

• Die elektronische Akte ist zwar noch in den Kinderschuhen, aber sie existiert und sie funk-tioniert auch: Sowohl im elektronischen Ordnungswidrigkeitenverfahren (ERV OWi) als auch im Justizvollzug und in der Abteilung I des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integrati-on und Europa ist die elektronische Aktenführung verbindlich eingeführt. Sicher ist noch Op-timierungspotenzial für die tägliche Bearbeitung vorhanden und wünschenswert, aber der An-fang ist gemacht. Auch in weiteren Bereichen wie dem elektronischen Grundbuch und den elektronischen Registern sind bestimmte Datenbestände elektronisch vorhanden, die zur Be-auskunftung bereitgestellt werden. Die elektronische Akte beinhaltet sicherlich die größte Zukunftsperspektive.

• Die derzeitigen justiziellen Fachanwendungen sind in der Summe noch nicht reif für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte. Hier sind die entsprechenden An-passungen erforderlich. Wesentliches Kriterium für eine erfolgreiche Entwicklung und Einsatz einer für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte tauglichen Fach-anwendung ist die Nutzerakzeptanz. Die Lösung hat den Arbeitsnamen „NeFa“: Gemeinsam mit dem Partnerland Niedersachsen und den EUREKA-Verbund-Ländern entwickelt Hessen eine für alle Geschäftsbereiche und Sachgebiete angedachte „Neue Fachanwendung“, die die-se Anforderungen und darüber hinaus höchste Ansprüche an ergonomische Nutzbarkeit und Unterstützung des Entscheider-Arbeitsplatzes erfüllen soll. Die Pilotierung einer ersten Versi-on ist für Ende 2011 geplant.

• Das Zusammenspiel von justiziellen Fachanwendungen, elektronischer Eingangs- und –ausgangspost (also elektronischem Rechtsverkehr) und der elektronischen Akte ist mit einer einheitlichen Basisinfrastruktur zu steuern. Das Projekt „ELEVATOR“ stellt sich dieser Aufgabe. Es führt die vorhandenen Projekte zum elektronischen Rechtsverkehr zusammen und schafft eine Muster-Architektur, auf dem alle künftigen Projekte, die die rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zum Ziel haben, aufsetzen können werden.

• Die Justiz ist im Informationszeitalter angekommen. Neben dem Angebot der Online-der Re-cherche von Gesetzestexten und Rechtsprechung und dem Internetzugang am Arbeitsplatz sind statistische Auswertungen für Führungskräfte auch nur noch wenige Mausklicks entfernt – dank des Führungsinformationssystems „DAVIN§Y“.

• Eine elektronische Akte ist früher oder später auch entsprechend elektronisch zu archivieren. Bisher erfolgte die Archivierung von Akten per Mikroverfilmung, mittlerweile auch hybrid

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digital. Damit ist die Basis für ein elektronisches Titelarchiv geschaffen, dessen Vorteile in der Zukunft gerade auch bei der Vollstreckung zu nutzen sein sollten.

• Weitere „moderne“ Einzelansätze wie den Einsatz von Videokonferenztechnik, die Einrich-tung eines zentralen Schuldnerverzeichnisses mit der Möglichkeit für zugelassene Institutio-nen, online Einsicht zu nehmen, sowie auch die Möglichkeit, im Internet Pfandgut zu verstei-gern (Justiz-Auktion), haben die Arbeitsabläufe in der Justiz entscheidend verändert. Diese Maßnahmen tragen ihren Teil zur Beschleunigung aber auch Qualitätssteigerung der Verfah-ren bei.

• Auch in der Gemeinschaft mit Bund und Ländern wächst das Angebot der bundesdeutschen Justiz. Das bundesweite Justizportal ist um weitere Fachportale wie die Internet-Grundbucheinsicht, die Veröffentlichung der Zwangsversteigerungstermine, das sogenannte Rechtsdienstleistungsregister oder eine Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank erweitert wor-den. Weitere Angebote wie die Online-Formulare sind in Vorbereitung. Die Außendarstellung der Justiz hin zum Bürger wird dadurch vereinheitlicht, die Angebote gebündelt.

2. Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit

Nach § 7 der Hessischen Landeshaushaltsordnung (LHO) in der Fassung vom 15. März 1999

sind bei Aufstellung und Ausführung des Landeshaushaltsplans die Grundsätze der Wirt-

schaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind

nach dieser Vorschrift angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Für

die naturgemäß kostenintensiven Projekte der Informationstechnik haben die Rechnungshöfe

des Bundes und der Länder Mindestanforderungen zum Einsatz der Informations- und Kom-

munikationstechnik – Leitlinien und gemeinsame Maßstäbe für IuK-Prüfungen – erarbeitet

(StAnz für das Land Hessen 2010, Seite 544). Diese Mindestanforderungen stellen eine Krite-

riensammlung für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dar, die davon ausgeht, vor Durchfüh-

rung eines IT-Projektes Ausgangslage und Handlungsbedarf zu analysieren, die Risiken fest-

zustellen und zu berücksichtigen, die möglichen Varianten zu untersuchen, die geeignete Me-

thode der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auszuwählen, die Kosten im Betrachtungszeitraum

festzustellen und eine monetäre Betrachtung in den Vordergrund zu stellen, die ein positives

Ergebnis auch haushaltswirksam zumindest mittelfristig erreichen soll.

Diese Grundanforderungen führen die Mindestanforderungen der Rechnungshöfe sodann in

einer Anzahl von Vorschriften aus, die sich mit der Planung, der Beschaffung, der Entwick-

lung und Pflege, dem Test und der Freigabe, der Einführung und Anwenderschulung sowie

dem Betrieb einer Anwendung befassen.

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Schon die Anzahl der genannten Kriterien zeigt das praktische Problem: Komplexe Anforde-

rungen der aufgezeigten Art sind von professionellen Softwareentwicklern unter Einpreisung

in die Projektsumme einzuhalten und nachprüfbar zu dokumentieren. Im Bereich eher praxis-

orientierter Entwicklungen, die gezielt auf Fach-Know-how setzen, stehen allzu eng gefasste

Anforderungen im Gegensatz zu den eher niedrig anzusetzenden monetären Aufwänden. Es

gilt mithin, die Norm des § 7 Abs. 2 LHO sinnvoll auszulegen: Es sind angemessene Wirt-

schaftlichkeitsüberlegungen anzustellen und zu dokumentieren. Die Anforderungen zu

überspannen, hieße die Entwicklung zu behindern.

Das Land Hessen, namentlich das für die Umsetzung der E-Government-Ansätze der Landes-

regierung verantwortliche Ministerium des Inneren und für Sport entwickelt derzeit in Zu-

sammenarbeit mit den Ressorts der Landesregierung einen Leitfaden für die Wirtschaft-

lichkeitsuntersuchung für IT-Projekte im Land Hessen, der den hohen Anforderungen der

Rechnungshöfe durch Zurverfügungstellung einer methodischen und nachvollziehbaren Vor-

gehensweise für eine angemessene Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Rechnung tragen soll. Ob

diese Hinweise indessen praxisgerecht ausfallen werden oder weitere ausschließlich betriebs-

wirtschaftlich orientierte Hürden errichtet werden, muss einer späteren Beurteilung vorbehal-

ten bleiben. Es erscheint jedenfalls in diesem Stadium der Überlegungen nicht sinnvoll, aus-

schließlich justiz-eigene Systematiken zu entwickeln.

Einen anderen Ansatz zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bietet die so-

genannte WiBe, die Empfehlung zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in

der Bundesverwaltung, insbesondere beim Einsatz der IT, herausgegeben von der Koordinie-

rungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesver-

waltung (KBSt), Stand Januar 2007. Diese methodische Anleitung, die knapp 100 Seiten um-

fasst, stellt neben den Entwicklungskosten, den Betriebskosten und dem Betriebsnutzen sowie

den externen Effekte einer IT-Maßnahme vor allem die Ermittlung qualitativ-strategischer

Kriterien in den Vordergrund. Dabei kommt dem Kriterium "Bedeutung innerhalb des IT-

Rahmenkonzeptes“ besondere Bedeutung zu: Hat ein Projekt eine Schlüsselstellung inner-

halb des IT-Rahmenkonzeptes, kommt ihm höchste Bedeutung zu, so dass die Maßnahme

grundsätzlich, ungeachtet der weiteren Wirtschaftlichkeitskriterien, durchzuführen ist. Dane-

ben stellt die Methode der KBSt den Pilot-Charakter einer Maßnahme in den Vordergrund:

Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die erstmalige Entwicklung eines innovativen Ver-

fahrens ebenso wie sein Einsatz im Praxisbetrieb für die investierende Stelle im Sinne der

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strengen Wirtschaftlichkeitskriterien monetär unwirtschaftlich sein kann. Gleichwohl kann

ein solches Verfahren den späteren Einsatz anderer IT-Verfahren erst ermöglichen, die dann

zu konkreten Einsparungen von Entwicklungskosten, Betriebskosten oder Personalkosten

führen können. Auch ein solches Projekt – für die Justiz ist in erster Linie an die Einführung

des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) und die damit einhergehen-

den einzelnen Projekte zu denken – hat höchste Umsetzungspriorität, ohne dass es auf die

weiteren Wirtschaftlichkeitskriterien ankommen könnte.

Daneben sieht die Methodik der KBSt auch Effekte der Qualitätsverbesserung bei der Auf-

gabenabwicklung der öffentlichen Hand, der Beschleunigung von Arbeitsabläufen und Ge-

schäftsprozessen sowie Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns als

prioritär an.

Darüber hinaus – und dies erscheint ebenso wichtig im Gegensatz zur „brutalen“ Wirtschaft-

lichkeitsbetrachtung im klassisch-monetären Sinne – stellt diese Methode auch Maßnahmen

der Imageverbesserung in den Vordergrund. Soweit IT-Maßnahmen zur Verbesserung des

Ansehens der Verwaltung und des Staates beitragen können, ist auch dieser Effekt hoch ein-

zuschätzen. Dies gilt z.B. in besonderem Maße für Informationsangebote im Internet wie

Webseiten der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Vollzugsanstalten, die kaum jemals einen

vernünftig messbaren und nachvollziehbaren Spareffekt haben dürften.

Aus der Auflistung der zu betrachtenden Kriterien ist abzuleiten, dass es für die Beurteilung

der Wirtschaftlichkeit von IT -und eJustice-Projekten kaum überzeugend ausschließlich dar-

auf ankommen kann, aus jedem Projekt konkret und unmittelbar abschöpfbare Spareffek-

te abzuleiten. Es ist vielmehr Aufgabe des Staates, eine funktionierende und zeitgemäße

technische Infrastruktur für den Betrieb der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie

Vollzugsanstalten als auch für die angemessene Kommunikation und Interaktion mit

den Bürgern und antragstellenden Institutionen und Personen zur Verfügung zu stellen.

Eine lineare „Abschöpfung“, wie sie von Kameralisten gerne eingefordert wird, verkennt Be-

deutung und Wesen der Kommunikations- und Informationstechnik: Die Erarbeitung und

Umsetzung von IT-Projekten erfordert zunächst erheblichen Mittelaufwand, bevor ein mögli-

cherweise zunächst schwierig abzuschätzender Rationalisierungseffekt abgeschöpft werden

kann. Daneben ist zu konzedieren, dass nicht jedes IT-Projekt die ursprünglichen Erwartun-

gen zu erfüllen vermag, „nur“ als Erfahrungswert zu dienen vermag, und die Kosten als

„Lehrgeld“ abzuschreiben sind. Dies gilt für Wirtschaft und öffentliche Hand in gleichem

Maße.

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Wenn in der Vergangenheit der Konnex zwischen IT-Projekten und Einsparungen eher kurso-

risch betrachtet wurde und die Erzielung von Effekten der Qualitätssteigerung in den Ge-

schäftsabläufen im Vordergrund gestanden hatte, so wird in der Zukunft sehr viel stärker Wert

darauf zu legen sein, dass konkrete Einsparpotenziale berechnet und abgeschöpft werden. Die

Modernisierungsprojekte der vergangenen 10 Jahre dienten in erster Linie dazu, einen Mo-

dernisierungsrückstau in der hessischen Justiz aufzuholen und mit der modernen Arbeitswelt

aufzuschließen. Bei der Realisierung von Einsparpotenzialen darf allerdings nicht aus dem

Blick verloren werden, dass dem Justizgewährleistungsanspruch Rechnung tragende

Dienstleistungen der Justiz mit kleiner werdenden Personalkörpern nur dann zu erbringen sein

werden, wenn erhebliche Verbesserungen in den Arbeits- und Geschäftsabläufen durch

den durchaus kostenintensiven Einsatz von Informationstechnik erzielt werden können.

Ein weiterer Aspekt darf bei aller Notwendigkeit, Einspareffekte zu erzielen, nicht aus dem

Blick verloren werden: Die Entwicklung der Computertechnik hat im privaten wie im ge-

schäftlichen und behördlichen Bereich in den letzten 15 Jahren derart rasant stattgefunden,

dass der Einsatz von Informationstechnik zur geradezu unentbehrlichen Kulturtechnik ge-

worden ist. Bürger und Rechtsuchender, Geschäftswelt und Rechtsberufe erwarten vom Staat

und damit von der hessischen Justiz zunehmend Dienstleistungsangebote im Internet. Bei

der Umsetzung dieser Erwartungen liegt die Bundesrepublik Deutschland derzeit allenfalls im

Mittelfeld der Europäischen Staaten, so dass bei allen Modernisierungserfolgen in diesem

Bereich ganz erhebliche weitere Anstrengungen erforderlich sein werden, wenn Deutschland

und in ihm Hessen eine führende Rolle als moderne Geschäfts- und Lebensbereiche spielen

wollen.

Daneben darf nicht verkannt werden, dass es nicht ausschließlich Aufgabe ist, Modernisie-

rung im Namen der Haushaltskonsolidierung zu betreiben, sondern Qualitätsverbesserungen

und Einspareffekte aus staatlichen E-Government- und eJustice-Angeboten auch bei

den Bürgern, der Wirtschaft und natürlich bei den Rechtsuchenden sowie den Rechts-

berufen zu erzielen sind, die volkswirtschaftlich sinnvoll, politisch wünschenswert, aber mo-

netär kaum erfassbar sind und sich auf die öffentlichen Haushalte nicht auswirken. Der Staat

ist nicht Selbstzweck, sondern gesellschaftlicher Dienstleister.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es nicht sinnvoll, die zu erwartenden Aufwände für die

Fortsetzung des erfolgreichen eJustice-Einführungsprozesses präzise beziffern zu wollen und

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Erwartungen zu wecken, die möglicherweise nicht erfüllt werden können. Hingegen ist es

unabdingbar, den eingeschlagenen Weg unter Bereitstellung nicht unerheblicher Finanz-

mittel weiterzugehen. Dabei kommt es selbstverständlich auch darauf an, Betriebskosten und

Kosten für die Hardware-Erneuerung zu senken und die erzielten Einsparungen erneut in

den Ausbau der eJustice-Angebote zu investieren.

Letztlich hängen die Möglichkeiten der Schaffung einer „eJustice-Zukunft“ davon ab, wel-

che Finanzspielräume auch unter den Bedingungen der notwendigen Haushaltskonsolidie-

rung verbleiben werden.

3. eJustice-Prioritäten und Strategie bis 2015

Hessen hat sich in den vergangenen fünf Jahren zu einem führenden Land im Bereich des

eJustice entwickelt. Der eingeschlagene Weg ist in den folgenden Jahren fortzusetzen. Dabei

wird es ganz entscheidend darauf ankommen, dass es gelingt, zwei Themenfelder mit Erfolg

zu bearbeiten: Die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und die signifikante

Erweiterung der Posteingangs- und ausgangszahlen des elektronischen Rechtsverkehrs.

Hierbei sind die Arbeitsabläufe in der Justiz effizienter und ökonomischer zu gestalten, wobei

den Belangen der Unabhängigkeit der Dritten Staatsgewalt Rechnung zu tragen ist.

Die Prioritäten für eine erfolgreiche Zukunft des eJustice in Hessen sind:

Der Elektronische Rechtsverkehr zwischen Anwaltschaft und Justiz muss durch geeignete

Projekte ausgebaut werden, um auch in dieser Kommunikationsbeziehung verstärkt durchge-

hend elektronische Abläufe und mithin eine medienbruchfreie Übergabe elektronischer Daten

zu erreichen. Dabei muss insbesondere der Postausgang durch die Justiz an die Anwaltschaft

durch geeignete Geschäftsprozesse, wie z.B. Kostenrechnungen, Vergütungsanträge, Aus-

künfte, Akteneinsichten, forciert werden. Aber auch von Seiten der Anwaltssoftware ist die

elektronische Kommunikation mit der Justiz zu unterstützen. Hierzu ist sicherlich auch das

Marketing für den elektronischen Rechtsverkehr auszubauen. Ziel ist es, dass jeder Rechts-

anwalt in Hessen über den elektronischen Rechtsverkehr erreichbar ist.

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Die elektronische Akte muss als rechtlich führende Akte in ausgewählten Geschäftspro-

zessen in die juristische Praxis gebracht werden. Hierzu sollen erfolgreiche Projekte wie das

Elektronische Ordnungswidrigkeitenverfahren (ERV OWi) sukzessive hessenweit ausgerollt

werden. Hinzu kommen sollten auch elektronische Akten in Grundbuch-, Insolvenz- und wei-

teren Verfahren, bei denen elektronische Dokumente bereits heute zur Bearbeitung vorliegen.

Über diese aktuell bereits in Planung befindlichen Geschäftsprozesse hinaus ist im Projekt der

Erstellung der Neuen Fachanwendung „NeFa“ eine vollelektronische Aktenbearbeitung im

zivilrechtlichen Verfahren zu testen.

Die technologische Basis für eJustice Anwendungen ist auszubauen. Die technischen Vor-

aussetzungen für die Erweiterung des elektronischen Rechtsverkehrs und der Einführung

elektronischer Akten müssen geschaffen werden. Hierzu sind Investitionen in das hessische

IT-Netz und die Infrastruktur im „Justiz“-Rechenzentrum der HZD Hünfeld erforder-

lich. Effizienter elektronischer Rechtsverkehr benötigt „schnelle“ Netze, die durch aktuelle

Technik aufgerüstet werden müssen. Die Führung zentraler elektronischer Akten fordert eben-

falls eine hohe Bandbreite, damit Daten schnell übertragen werden. Für die Speicherung

elektronischer Akten benötigt das Rechenzentrum ein leistungsfähiges Dokumentenmana-

gementsystem und zur Steuerung der elektronischen Geschäftsprozesse eine einheitliche

effiziente Integrationsplattform (Middleware). Diese Investitionen sind durch die Justiz in

den nächsten Jahren zu leisten.

Die Hardwareausstattung innerhalb der Justiz soll ein mobiles Arbeiten künftig besser un-

terstützen. Hierzu sind Konzepte mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung im Hinb-

lick auf Datenschutz und Datensicherheit zu erarbeiten, die auch unter zunehmenden Einspar-

zwängen finanzierbar sind. Der Einsatz von Notebooks und Thin-Clients sollte bei künftigen

Hardwarereinvestitionen verstärkt werden. Die Nutzbarkeit sogenannter „boot-sticks“ für Te-

learbeit ist intensiv zu prüfen. Neue Fachanwendungen sollten eine mobile Nutzung mit vor-

sehen.

Für eine effiziente Weiterentwicklung des eJustice sollte die Gemeinsame IT-Stelle der hes-

sischen Justiz aus den Geschäftsbereichen der hessischen Justiz personell verstärkt und

in ihrer Struktur neu aufgestellt werden. Die Gemeinsame IT-Stelle ist die Schnittstelle zwi-

schen gerichtlicher und staatsanwaltschaftlicher Praxis und dem Ministerium. Sie ist für die

Realisierung der eJustice-Projekte inhaltlich verantwortlich und muss zugleich die Akzeptenz

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dieser Projekte vor Ort sicherstellen. Die Aufgaben sind in den letzten Jahren gewachsen und

werden durch Projekte zur Einführung der elektronischen Akte weiter ansteigen. Diese Auf-

gaben kann die Gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz nur erfolgreich meistern, wenn

sie mit ausreichend juristischen Praktikern aller Professionen aus den Geschäftsbereichen

personell ausgestattet ist. Organisatorisch wird eine Verselbständigung angestrebt. Die ak-

tuelle Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahr 2007 hat sich für die Gründung bewährt, doch

ist sie ungeeignet für eine Weiterentwicklung. Die Zuständigkeit aller Gerichtsbarkeiten, der

Generalstaatsanwaltschaft und des Ministeriums für wesentliche Entscheidungen hemmt die

Arbeit eher und machen die Personalgewinnung wenig zukunftsfähig.

Bei der Weiterentwicklung der Fachanwendungen sind die Entscheider im Verfahren, Richter,

Staatsanwälte und Rechtspfleger stärker als Zielgruppe zu bedenken. Effizienzvorteile bei

Arbeitsabläufen können nur erzielt werden, wenn Richter, Staatsanwälte und Rechts-

pfleger für die elektronische Bearbeitung der Fälle gewonnen werden können. Hierzu

müssen ihnen die Fachanwendungen konkreten Zusatznutzen bieten, welche die aktuelle Pa-

pierbearbeitung nicht bietet. Dieser Zusatznutzen kann in der Vereinfachung von Standardab-

läufen wie z.B. Terminverfügungen liegen, aber auch in der Führung elektronischer Kalender

und der Möglichkeit, Akten elektronisch zu strukturieren und mobil zu bearbeiten. Dieser

Nutzen sollte durch Praktiker vermittelt werden, die den Arbeitsablauf kennen und die ge-

wohnten Abläufe kritisch betrachten.

Der Bereich des Akzeptanzmanagements für elektronische Arbeitsweisen sollte verstärkt

werden. Bereits heute sind eine Vielzahl von elektronischen Anwendungen in der juristischen

Praxis verfügbar, die von den Nutzern aus Unkenntnis nicht optimal genutzt werden. Beispie-

le hierfür sind elektronische Melderegisteranfragen und Fachfunktionalitäten in den EURE-

KA-Programmen. Die Einführung neuer Anwendungen sollte stärker zwischen GIT und den

Organisationsreferaten der Gerichtsbarkeiten und der Staatsanwaltschaften vernetzt und dabei

Kommunikationskonzepte erarbeitet werden, die eine Durchdringung der Geschäftsbereiche

mit Multiplikatoren aus den einzelnen Behörden ermöglichen.

Die Möglichkeiten der elektronischen Informationsrecherche sollten ausgeweitet werden.

Im Dialog mit der Praxis sollten die vorhandenen Möglichkeiten, auf umfangreiche Recht-

sprechung und juristische Kommentare online zugreifen zu können, weiter bekannt gemacht

und erweitert werden. Durch die Nutzung der „Bibliothek am Arbeitsplatz“ wird die Akzep-

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tanz der IT-Nutzung gesteigert. Zudem sollte durch geeignete Fachsysteme wie Davin§y die

Möglichkeit geschaffen werden, die statistischen Zahlen zu Erledigungen und Bestand von

Vorgängen innerhalb der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie zwischen diesen transpa-

rent zu machen. Dies kann ein Element sein, die Binnengerechtigkeit der Belastungsvertei-

lung innerhalb der Justiz zu fördern.

Neuentwicklungen haben in der Regel in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern zu

erfolgen, in gemeinsamen Verbünden zur Pflege und Entwicklung der Fachverfahren. Inso-

fern bietet es sich soweit möglich an, auch gemeinschaftliche Zukunftsprojekte zu betreiben.

Wenngleich der föderale Wettbewerb gewiss Kreativpotenziale zu erschließen vermag, sollte

ein Ziel der Weiterentwicklung stets die weitgehende bundesweite Einheitlichkeit der Jus-

tiz sein. Darüber hinaus minimieren gemeinsame Projekte auch die Kosten jedes einzelnen

Landes ganz erheblich.

Um eJustice den Prioritäten gemäß auszubauen, ist trotz der unbestritten erforderlichen Haus-

haltskonsolidierung darauf zu achten, dass das IT-Budget der hessischen Justiz angemessen

ausgestattet ist. Der aktuelle IT-Haushalt ist an die Grenzen geraten, die über den reinen Be-

trieb hinaus die Gestaltung von Zukunftsfähigkeit gestatten. Dies ist letztlich Ausdruck des

Erfolges der IT-Projekte der vergangenen Jahre: Die dortigen Projekte im Bereich des elekt-

ronischen Grundbuchs, des elektronischen Handelsregisters und viele weitere haben mittler-

weile den Status des Projektes verlassen und sind regelmäßige Anwendungen, die betrieben

werden. Diese erzeugen im Betrieb jedoch weiter Kosten, die vom IT-Haushalt finanziert

werden müssen. Je mehr erfolgreiche Projekte in den Regelbetrieb überführt werden,

umso höher werden die Betriebskosten.

Der aktuelle IT-Haushalt ist durch den Regelbetrieb nahezu vollständig verplant. Projekte der

elektronischen Aktenführung und die Umsetzung des bundesweiten Projekts der Neugestal-

tung des elektronischen Grundbuchs werden ohne Mittelerhöhung nur dann finanzierbar sein,

wenn es gelingt, Einsparpotenziale zu identifizieren und umzusetzen oder, wo möglich, die

Einnahmenseite durch Mehrnutzung Externer zu erhöhen.

Die hessische Justiz befindet sich aktuell im Übergang von der ersten Stufe des eJustice,

der Information und Kommunikation zur zweiten Stufe, der Transaktion und Interakti-

on. Während die Voraussetzungen für die elektronische Informationsvermittlung bzw. Onli-

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ne-Recherche und rechtsverbindlicher elektronischer Kommunikation mittlerweile geschaffen

sind, wird nun die nächste Stufe in Angriff genommen und die Grundlagen für die vollständi-

ge Interaktion und Transaktion mit der hessischen Justiz werden gelegt.

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Anhang

Unter Mitarbeit von:

Bernd Ache, Rechtsanwalt, Wetzlar

Dr. Matthias Büger, MdL, Wiesbaden

Alfred Gass, Rechtsanwalt, Europäische EDV-Akademie des Rechts gGmbH, Merzig

Dr. Thomas Hilb, Rechtsanwalt und Notar, Limburg a.d. Lahn

Joachim Hoeder, BearingPoint GmbH, Düsseldorf

Andreas Hornberger LL.M., Rechtsanwalt, TARGOBANK AG & Co. KGaA, Düsseldorf

Dr. Wolfgang Jäger, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main

Hermann-Josef Lamberti, Deutsche Bank AG, Eschborn

Jutta Nitschke, Ass. jur., Industrie- und Handelskammer Wiesbaden

Ronny Plass, Notarkammer Frankfurt am Main

Gerhard Rohm, Rechtsanwalt, Rechtsanwaltskammer Kassel

Peter Schirmer, Rechtsanwalt und Notar, Wiesbaden

Iris Stellwag, Rechtsanwältin, Städtische Sparkasse Offenbach am Main

Dr. Christian Strunz, Rechtsanwalt, Notarkammer Frankfurt am Main

Dr. Ulrich Wanner-Laufer, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main

Roland Zappek, Rechtsanwalt und Notar, Notarkammer Kassel