"Elisabeth": ein Musical backstage

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I musical I 48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. 49 Sissis Mörder erzählt die Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Tod. Eine Perspektive, die das Innere der Kaiserin offen- bart. event. blickte noch tiefer: hinter die Musical-Kulissen. Die Rampe, genannt «Feile», senkt sich von oben auf die Bühne, die wiederum selbst drehbar ist. 150 handgeknüpfte Echthaarperücken müs- sen die Maskenbildner täglich pflegen und fri- sieren, alle drei Tage mit Shampoo waschen und im Ofen trocknen. Dann in der richtigen «Blackbox» platzieren, dem rollenden Klei- Elisabeth – Die wahre Geschichte der Sissi Unter dem Korsett derschrank, den es für jeden Schauspieler gibt. Flexible Elemente, die je nach Besetzung zusammengeschoben werden und backstage das enge Garderoben-Labyrinth bilden. Das ist das Zuhause der sieben Dresser, die dafür sorgen, dass die benötigten Kostüme tadel- los bereithängen. «Der Zeitplan ist so eng, dass er teilweise nur mit dem Zwiebelprinzip eingehalten werden kann, wo mehrere Schichten übereinandergetragen werden», erklärt Gewandmeister Antal Büki. Kein Kos- tüm, keine Perücke wird mit einem anderen Schauspieler geteilt – und viele sind soge- nannte Swings, besetzen mehrere Rollen, was die Menge der Ausstattung noch vervielfacht. Einsame Leere unter Hülle und Fülle Betrachtet man die Stoff- und Haarmassen, wie sie backstage unbelebt dahängen, wird unweigerlich bewusst, dass auch noch so prachtvolle Kostüme in Wahrheit nur tote ELISABETH 18.1.–5.2. Musical Theater Basel Die Dresserin Kim Röber beginnt zwei Stunden vor der Vorstellung, Sissis Roben für die 16 Wechsel exakt vorzubereiten. Insgesamt sind 290 Kostüme auf der Bühne zu sehen, das sind etwa 100 Meter Kleiderstange! Hüllen sind. So wenig helfen sie auch, eine in- nere Leere auszufüllen und vermögen nicht mehr, als diese zu überdecken. Mehr und mehr wird die pompöse Aufmachung, die am Hof hochgehalten wird, ironischerweise zum Schutzschild, den Sissi um sich herum auf- baut, um das höfische Leben überhaupt aus- zuhalten. Einst ein kleiner Wildfang vom Lande, fühlt sie sich eingepfercht in den strik- ten Gepflogenheiten, die darin gipfeln, dass man ihr die Erziehung der Kinder entreisst. «Für uns Frauen heute ist es logisch, wie sie reagiert, zu finden, sie habe keinen Bock dar- auf», erklärt Hauptdarstellerin Annemieke van Dam. «Ich finde, man kann Sissi gut mit Lady Di vergleichen. Und auch bei ihr würde ich immer gern noch wissen wollen, wie es denn ihr so ging.» Unverklärt schaut das Mu- sical ins Herz der Kaiserin. Und zeigt schon mit der Titulierung «Elisabeth», dass hier eine erwachsene Frau und nicht ein Prinzesschen im Mittelpunkt steht. Doch so empanzipiert sie auch fühlte, dachte, sprach – sie war ihrer Zeit voraus. Sissis vergeblicher Kampf nach Freiheit endete in einer Depression, aus der ein Schönheitswahn erwuchs, was heute «Sissi-Syndrom» genannt wird. «Anfangs, wenn ich im Stress vor der Vorstellung ver- gessen hatte zu essen und backstage über Hunger klagte, musste ich gleichzeitig lachen, weil Sissi ja auch nie gegessen hatte und da konnte ich diesen Hunger gleich mitnehmen Der Tod tanzt mit Sissi. Noch möchte sie nicht nachgeben, kann sich aber auch nicht von ihm lösen. Franz Josef in der Maske bei Spyros Prosoparis.

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event. - Das Veranstaltungs- und Freizeitmagazin - Dezember 2011

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I musical I

48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event. 49

Sissis Mörder erzählt die Liebesgeschichte zwischen ihr unddem Tod. Eine Perspektive, die das Innere der Kaiserin offen-bart. event. blickte noch tiefer: hinter die Musical-Kulissen.

Die Rampe, genannt «Feile», senkt sich von oben auf die Bühne, die wiederum selbst drehbar ist.

150 handgeknüpfte Echthaarperücken müs-sen die Maskenbildner täglich pflegen und fri-sieren, alle drei Tage mit Shampoo waschenund im Ofen trocknen. Dann in der richtigen«Blackbox» platzieren, dem rollenden Klei-

Elisabeth – Die wahre Geschichte der Sissi

Unter dem Korsett

derschrank, den es für jeden Schauspielergibt. Flexible Elemente, die je nach Besetzungzusammengeschoben werden und backstagedas enge Garderoben-Labyrinth bilden. Dasist das Zuhause der sieben Dresser, die dafür

sorgen, dass die benötigten Kostüme tadel-los bereithängen. «Der Zeitplan ist so eng,dass er teilweise nur mit dem Zwiebelprinzipeingehalten werden kann, wo mehrereSchichten übereinandergetragen werden»,erklärt Gewandmeister Antal Büki. Kein Kos-tüm, keine Perücke wird mit einem anderenSchauspieler geteilt – und viele sind soge-nannte Swings, besetzen mehrere Rollen, wasdie Menge der Ausstattung noch vervielfacht.

Einsame Leere unter Hülle und FülleBetrachtet man die Stoff- und Haarmassen,wie sie backstage unbelebt dahängen, wirdunweigerlich bewusst, dass auch noch soprachtvolle Kostüme in Wahrheit nur tote

ELISABETH

18.1.–5.2.

Musical The

ater

Basel

Die Dresserin Kim Röber beginnt zwei Stunden vor der Vorstellung, Sissis Roben für die 16 Wechsel exakt vorzubereiten. Insgesamt sind 290 Kostüme auf der Bühne zu sehen, das sind etwa 100 Meter Kleiderstange!

Hüllen sind. So wenig helfen sie auch, eine in-nere Leere auszufüllen und vermögen nichtmehr, als diese zu überdecken. Mehr undmehr wird die pompöse Aufmachung, die amHof hochgehalten wird, ironischerweise zumSchutzschild, den Sissi um sich herum auf-baut, um das höfische Leben überhaupt aus-zuhalten. Einst ein kleiner Wildfang vomLande, fühlt sie sich eingepfercht in den strik-ten Gepflogenheiten, die darin gipfeln, dassman ihr die Erziehung der Kinder entreisst.«Für uns Frauen heute ist es logisch, wie siereagiert, zu finden, sie habe keinen Bock dar-auf», erklärt Hauptdarstellerin Annemiekevan Dam. «Ich finde, man kann Sissi gut mitLady Di vergleichen. Und auch bei ihr würde

ich immer gern noch wissen wollen, wie esdenn ihr so ging.» Unverklärt schaut das Mu-sical ins Herz der Kaiserin. Und zeigt schonmit der Titulierung «Elisabeth», dass hier eineerwachsene Frau und nicht ein Prinzesschenim Mittelpunkt steht. Doch so empanzipiertsie auch fühlte, dachte, sprach – sie war ihrerZeit voraus. Sissis vergeblicher Kampf nachFreiheit endete in einer Depression, aus derein Schönheitswahn erwuchs, was heute«Sissi-Syndrom» genannt wird. «Anfangs,wenn ich im Stress vor der Vorstellung ver-gessen hatte zu essen und backstage überHunger klagte, musste ich gleichzeitig lachen,weil Sissi ja auch nie gegessen hatte und dakonnte ich diesen Hunger gleich mitnehmen

Der Tod tanzt mit Sissi. Noch möchte sie nicht nachgeben, kann sich aber auch nicht von ihm lösen.

Franz Josef in der Maske bei Spyros Prosoparis.

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50 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE event.

präsentiertE 11

0900 800 800CHF 1.19/min., Festnetztarif

www.goodnews.ch

Sonntag, 19. Februar 2012, 19.00Kongresshaus Zürich

Montag, 19. März 2012, 20.00X-TRA Zürich

Montag, 5. März 2012, 20.00Hallenstadion Zurich

Freitag, 27. Januar 2012, 19.30Sportcenter Huttwil

Dienstag, 6. März 2012, 20.00Volkshaus Zürich

Freitag, 23. März 2012, 20.00Hallenstadion Zürich

Samstag, 24. März 2012, 20.00Volkshaus Zürich

Donnerstag, 29. März 2012, 20.00Sportcenter Huttwil

Freitag, 30. März 2012, 20.00Hallenstadion Zürich

Freitag, 9. März 2012, 20.00Hallenstadion Zürich

Freitag, 16. März 2012, 20.00Komplex 457 Zürich

Mittwoch, 21. März 2012, 20.00Hallenstadion Zürich

Sonntag, 4. März 2012, 18.00Hallenstadion Zürich

Mit Maite Kelly | Wencke MyhreStefan Mross | Margot Hellwig

Nockalm QuintettDeutsches Fernsehballett des MDR

mutter Sophie noch gegen ihren Mann FranzJosef, sondern gegen den Tod.

Machtkampf und LiebesspielAlles beginnt in Sissis idyllischem Elternhaus.Sie entsetzt alle mit einer Zirkusnummer, beider sie vom Seil stürzt. Der Tod betritt dieBühne. Alles steht still. Er wird dargestellt voneinem schönen, verführerischen Mann. Sissifühlt sich in seiner Nähe frei und geborgen.Danach sehnt sie sich später im höfischenLeben und hat es darum schwer, ihm fortanzu widerstehen. In ihren schweren Zeiten willer sie zu sich holen, sie wird krank, doch siewehrt sich immer wieder gegen ihn. «Der Todsoll nicht nur als etwas Gefährliches, Angst-einflössendes dargestellt werden, sondernauch eine verführerische, befreiende Seitehaben», erklärt Mark Seibert, der den Tod inder Erstbesetzung spielt. Mancher Zuschauerfühlt sich dazu hingerissen, zu denken, sie solldoch mit ihm gehen. Doch dann wird mansich wieder bewusst, dass das nicht ein netterMann ist, sondern der Tod. «Für ihn ist allesnur ein Spiel», so Mark Seibert. «Der Todmacht Sissi klar: ‹Ich bin der Chef. Du han-delst, wie ich will.› Und um seine Macht zudemonstrieren, nimmt er ihr zwei Kinder.»Eine düstere, dramatische Geschichte erzähltdas Musical «Elisabeth», das sich bewusst vonden Broadway-Shows abgrenzt, ohne auf dieMittel des Musiktheaters zu verzichten. Dasbedeutet: geniale Live-Musik wie Bühnen-technik sowie Kostüme und Frisu-ren, für die kein Aufwand ge-scheut wird. Text: Selina Müller

“ Nach den Sissi-Filmen

möchten alle Mädchen eine

Prinzessin sein. Nach diesem

Musical auf keinen Fall. ’’Mona Kern, Company Managerin

Annemieke van Dam als Sissi mit der Perrücke, welche die Kaiserin privat und «unfrisiert» darstellt. Annemieke van Dams Haar wird «geschneckelt».

Der Strumpf verhindert, dass sich Stränen lösen.

21 Echthaarperücken allein für die Sissi-Rolle.

auf die Bühne», erzählt Annemieke van Dam.«Dagegen habe ich meiner Dresserin Kimauch schon was vorgejammert, wenn ich zuviel gegessen habe. Dann passt man sofortnicht mehr richtig in die Kostüme. Und miteingezogenem Bauch kann man wieder nichtsingen», erklärt die Schauspielerin. Als Profikann sie aber sogar eine dadurch entste-hende innere Genervtheit für die Vorstellunggewinnend umsetzen, in den Szenen, wo Sissiwütend ist und sich hilflos gefangen fühlt.

Backstage ist mehr als LogistikMit dem kleinen Rudolf hat Annemieke vanDam keine direkte Szene. Aber hinter derBühne kommen die Buben, die in jeder Tour-nee-Stadt neu gecastet werden, gerne zu ihr.«Es ist entzückend, wie sie mir Zeichnungenbringen und mich bewundern, wenn ich fer-tig kostümiert bin», erzählt die 29-jährigeHolländerin, die selbst noch keine Kinder hat.«So kann ich mir vorstellen, was das Mutter-gefühl bedeutet und wie es wäre, darumkämpfen zu müssen, meine Kinder sehen zudürfen.» Den hauptsächlichen Kampf führtElisabeth aber weder gegen ihre Schwieger- PAPERBOY

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