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161 Elmar Altvater Gramsci in der BRD: Eine Theorie wird gefiltert. * 1m geteilten Deutschland ist auch Gramsci geteilt worden: in der DDR wurde ihni der Re- spekt zuteil, der ihm als Antifaschisten, der im Gefagnis sterben mul3te, und als Fuhrer der KPI und als Personlichkeit der III. Internationale zukommt. Seine theoretischen und poli- tisch-strategischen Arbeiten hingegen blieben von geringerem Interesse, da ja mit dem »Marxismus- Leninismus« sowohl eine fertige Gesellschaftstheorie als auch deren philoso- phische Grundlegung voll ausgebildet und gegeben war, an der man auch mit Gramscis theoretischen Fragen und politischen Zweifeln nicht ruhren oder gar rutteln liel3. So fun- gierte Gramsci eher wie eine Nippes- Figur auf dem Regal fUr teure Andenken, denn als Be- standteil der Bibliothek notwendigen Wissens fUr denjenigen, der in der DDR »Diamat« zu studieren hatte. Ganz anders im westlichen Teil Deutschlands. Die erste Publikation einer Auswahl von Schriften Antonio Gramscis in der BRD erscheint 1967, eingeleitet von Wolfgang Abend- roth und herausgegeben von Christian Riechers. Abendroth betont denn auch das Neue der Edition: Gramsci sei zwar den linken Intellektuellen der BRD als Name langst gelau- fig, jedoch habe ihn kaum jemand zur Kenntnis nehmen konnen; die Italophilie der west- deutschen Linken, die dann auch zu einem explosionsartigen Anschwellen der Sprach- kompetenz fUhrte, begann schliel31ich erst in den 70er Jahren. Es ist daher kein Zufall, wenn Riechers in der Einleitung zu »Philosophie der Praxis. Eine Auswahl« Gramsci mit dem damals der Linken viel vertrauteren Mao Tse Tung vergleicht: als heterodoxen Mar- xisten, der den »Marxismus voluntaristisch« interpretiere, »die hervorragende Rolle der revolutionaren Praxis (betont), die aktivierende Rolle des -oberbaus (hervorhebt)«. Beide, der Chinese und der Italiener, so Riechers, vertraten eine »aufklarerische Grundposition einer permanenten Reform des Bewul3tseins der Volksmassen«. Der darin implizierte »Idealismus«-Vorwurf an die Adresse Gramscis wird von Riechers spater auf die gesamte Parteigeschichte der KPI ausgedehnt, und zwar von linkskommunistischer, bordighiani- scher Position aus. Der Blickwinkel, aus dem die Lekture Gramscis - wenn uberhaupt - erfolgte, war damit markiert. Die Auswahl von Texten (aus dem »Ordine Nuovo« und aus den »Quaderni del Carcere«) blieb lange Zeit die einzige deutschsprachige Quelle fUr diejenigen, die sich mit Gramsci be- schaftigen wollten. Allerdings folgte Anfang der 70er Jahre eine Sammlung von Aufsatzen Gramscis zur Frage der Rate; aktueller Anlal3 war die neu entfiammte Ratediskussion nach dem Pariser Mai (Rate von Saclay) und dem autunno caldo der Turiner Ratebewegung nach 1969. Auch hier wieder das Strukturmerkmal der Gramsci -Debatte in der BRD: selek- tiv werden bestimmte Texte aufgegriffen, die in eine gerade aktuelle und nicht mit langer Perspektive gefUhrte Diskussion passen. * aus: »Rinacita«-Sonderausgabe (Ende Januar 1987) zum 50. Todestag von A. Gramsci.

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Elmar Altvater Gramsci in der BRD: Eine Theorie wird gefiltert. *

1m geteilten Deutschland ist auch Gramsci geteilt worden: in der DDR wurde ihni der Re-spekt zuteil, der ihm als Antifaschisten, der im Gefagnis sterben mul3te, und als Fuhrer der KPI und als Personlichkeit der III. Internationale zukommt. Seine theoretischen und poli-tisch-strategischen Arbeiten hingegen blieben von geringerem Interesse, da ja mit dem »Marxismus-Leninismus« sowohl eine fertige Gesellschaftstheorie als auch deren philoso-phische Grundlegung voll ausgebildet und gegeben war, an der man auch mit Gramscis theoretischen Fragen und politischen Zweifeln nicht ruhren oder gar rutteln liel3. So fun-gierte Gramsci eher wie eine Nippes-Figur auf dem Regal fUr teure Andenken, denn als Be-standteil der Bibliothek notwendigen Wissens fUr denjenigen, der in der DDR »Diamat« zu studieren hatte. Ganz anders im westlichen Teil Deutschlands. Die erste Publikation einer Auswahl von Schriften Antonio Gramscis in der BRD erscheint 1967, eingeleitet von Wolfgang Abend-roth und herausgegeben von Christian Riechers. Abendroth betont denn auch das Neue der Edition: Gramsci sei zwar den linken Intellektuellen der BRD als Name langst gelau-fig, jedoch habe ihn kaum jemand zur Kenntnis nehmen konnen; die Italophilie der west-deutschen Linken, die dann auch zu einem explosionsartigen Anschwellen der Sprach-kompetenz fUhrte, begann schliel31ich erst in den 70er Jahren. Es ist daher kein Zufall, wenn Riechers in der Einleitung zu »Philosophie der Praxis. Eine Auswahl« Gramsci mit dem damals der Linken viel vertrauteren Mao Tse Tung vergleicht: als heterodoxen Mar-xisten, der den »Marxismus voluntaristisch« interpretiere, »die hervorragende Rolle der revolutionaren Praxis (betont), die aktivierende Rolle des -oberbaus (hervorhebt)«. Beide, der Chinese und der Italiener, so Riechers, vertraten eine »aufklarerische Grundposition einer permanenten Reform des Bewul3tseins der Volksmassen«. Der darin implizierte »Idealismus«-Vorwurf an die Adresse Gramscis wird von Riechers spater auf die gesamte Parteigeschichte der KPI ausgedehnt, und zwar von linkskommunistischer, bordighiani-scher Position aus. Der Blickwinkel, aus dem die Lekture Gramscis - wenn uberhaupt -erfolgte, war damit markiert. Die Auswahl von Texten (aus dem »Ordine Nuovo« und aus den »Quaderni del Carcere«) blieb lange Zeit die einzige deutschsprachige Quelle fUr diejenigen, die sich mit Gramsci be-schaftigen wollten. Allerdings folgte Anfang der 70er Jahre eine Sammlung von Aufsatzen Gramscis zur Frage der Rate; aktueller Anlal3 war die neu entfiammte Ratediskussion nach dem Pariser Mai (Rate von Saclay) und dem autunno caldo der Turiner Ratebewegung nach 1969. Auch hier wieder das Strukturmerkmal der Gramsci -Debatte in der BRD: selek-tiv werden bestimmte Texte aufgegriffen, die in eine gerade aktuelle und nicht mit langer Perspektive gefUhrte Diskussion passen.

* aus: »Rinacita«-Sonderausgabe (Ende Januar 1987) zum 50. Todestag von A. Gramsci.

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der

mus« und gegen die

Elmar Altvater

auf denen die Keze,t:,t1on wurde: Ich selbst erinnere mich an Diskussionen vor

mit Intellektuellen des die den Versuch

schen und der Formen von BewuBtsein und Ideologle waren die Kritiker selbst noch Kinder und

Mauern brechen zu frischen Marxismus versperrten, nach dem durch Reformaufbruch 60er Jahre zen uberschreitendes Bedurfnis vorhanden war. Doch bevor die »elgelll11!cne:« entstanden drei erste Filter war die anti-gramscianische enthusiastische, ja Aufnahme der »italienischen Klassenkampfe« zu Beginn der 70er Jahre durch die Brille der spontanen Klassenorganisationen von »Potere Operaio« bis zu »Lotta continua«. »Wir wollen alles« blieb in der perfektionistischen die ja auch ihre Linke einfarbte, keine Parole, sondern wurde in einer - zwar - aber verbreiteten Zeitung zur Propagierung der Klas-senkonfrontation. Auch die Theorien des »Operaismo« und des »Planstaats« (vor aHem die Schriften von Antonio Negri), die die Fabrik zum Zentrum des gesellschaftlichen Macht-konflikts erklarten, fanden mehr Interesse als der »Idealismus und Revisionismus« Grams-cis. Der Tronti wurde ubersetzt und breit rezipiert und sein spaterer theoretischer Schwenk hingegen wurde kaum zur Kenntnis genommen. Johannes Agnoli zog in »Die Politik des Kapitals« die aus diesem theoreti-schen Ansatz: gegen die und fur den gegen die und fUr die in der Fabrik. Fur viele wurde die Form der Militanz zu einem

"Pr'''''-'''''''''' ",PTn" ... ,.."'" daB Reflexionen uber die Inhalte und die Perspek-nach der Phase der Mili-

BU'"U."". etwas in Hinsicht "''''''''E,'HVU,",''d zu werden Mtte

Vermts bezich-

und Personen als auch die orthodoxen ML-Parteiaufbauer zu 15'""'iJ,",H0<wVLLv, Ein - und Niedertracht. Der zweite Filter war die »Rekonstruktion der Kritik der Politischen an die sich mit verbissener Leidenschaft Ende der 60er Jahre Teile der akademischen Lin-ken machten. »Das A'-"'iJ"<U" manchmal buchstabenorientiert ohne Blick

hinaus auf die triste Wirklich-

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Demokratie nach den ersten lahren des »Aufbruchs zu Reformen« unter der soziallibera-len Koalition verkehrte. Teilweise wurde die wie das

zur Erkenntnis def Welt wo die Reichweite der Marxschen lichen

einzuwenden! Aus dieser Debatte sind hel'vorgegaIlgen, die heute zu Unrecht vergessen oder sind. Doch war

def theoretische Horizont def Debatte auf die Formseite des Staates "4"'''v'', nicht auf seine von demokratischen Gesellschaften oder die stabilisierenden Mechanismen von Bewu13tseinsformen also auf die The-

die Gramscis Theorie batten erschlossen werden kanne. Verstandlichist dies alle-wenn man sich des Anlasses

von Muller Neusufl der die Debatte A?r;,Hn"b

des akonomischen Prozesses zur denen Krisen vermieden odeT gesteuert werden konnten. Der Aufsatz war beinahe eine U"'0JIIlIAlH'-' und erntete harte Kritiken die sich an:geg;ntten fUhlten. Immer noch ist dieser Aufsatz andere

taatsal)leJtul1lgscleb;atte mit Theorie sperrten.

Die hlstorische lIer westdeutschen Linken

Verstandlich ist diese aus def und dem Er-der westdeutschen Linken: Anders als in den meisten anderen westeuropa-

ischen Gesellschaften war die Linke teilweise die Kommunistische dammerte kaum

einer Theorie nicht der okonomischer son-Macht. Freilich ist zu ber'ucJlcsl(;h1Jlgelll,

mokratischen Theoretikern der 20er Jahre waren und als neuer theoretischer nicht viel taugten. Hinzu kommt daB die

theoretische Tradition in Deutschland durch die brutale der kritischen Nationalsozialismus in der im Fieber des

»Wirtschaftswunders« und durch die Ulbrichts etc. in der DDR 1r",nnlr()n'1L

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Selbst:geViIlUllelt des Wissenden betriebel1 ohne MaB das allein es

dieser Phase mit Max Weber umgegangen wurde: wie mit einem der Marxist

hussers. ist Gramsci in die westdeutsche Diskussion 1vU1lS"l\Al die

!-'VHU,O"",,, Theorie zu sein. Althussers Schrift tiber rHe,,,v.,v5''''

ebenso wie die Klassen- und Staatstheorie Poulantzas wurden so stellte Althusser Fortentwickllmgen der

von usw. hineindefinierte. DaB bei einem theoretische Feinheit Gramscis verloren nichtals te die immaterielle Existenz

zumal ein »Aha -Erleb-nis« damit zu war, zu dem Carrillo mit seinem Buch »Eurokommunis-mus und der Staat« verholfen hatte: es HeBen sich nun innerhalb der Sta.ats:ap]parate insbesondere nattirlich innerhalb der »weichel1« el1twickeln

Nach der im Endeffekt frustrierenden Revolutionsrhetorik der »Bewe-Ende der der 70er Jahre schien die gV(3fS]pre:chenI1en »neuen Reformismus« el1twickelbar zu

we:steuH)piillScher Ebene. Die nun anstehende Gramsci -Debatte war unauflosbar mit der tiber Reformismus Re-

mn.up<cm'0H.H..W und die »Dialektik« von Reform und Revolution Schriften zu-

hat

Das des

der auch die westdeutsche Linke 1973 nicht mehr als polltlsche RCll11c,."tt",.1cl!l

immer wieder au[ge:W()fn,n trum der Debatten der westdeutschen Linken. Und es war eine konkrete da mit dem »deutschen Herbst« 1977 len Sozialismus

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Tendenzenzu ohnedamit cialismo? mliBte ja mit Bobbio aufs zu setzen. In dieser Situation besann sich die Linke Westdeutschlands der theoretischen

Arbeitskreise ZUI Lekiure der »Gramsci -Debatte« - wobei sich der

ein Verdienst erworben hat - entstanden westeillf01pioiJlsctlen Arbeiterbe-

Fuhnml!SnJll(:« war in-zwischen blieben in Westdeutschland aus; ein Buch wie das von Christine Buci-Glucksmann tiber »Gramsci und der

einer neuen, auf die hat es nicht gegeben. Die mi"htiac''''l1

Gramscis stammen von Kramer und Karin waren sie die er-sten, die sich die italienischen Originale um nicht auf die zufalligen oder mit einseitiger zu bleiben.

DeT Skal1dal der nicht erscheinenden lJesaint2!Us:gatle der Werke Gramscis

das Werk Gramscis in einer von E. Mazzone betreuten Der Beginn

liegt inzwischen mehr als ein Jahrzehnt zurtick - und bis heute abwohl zum Teil nicht ein Band der erschienen.

es am Herausgeber, der mit dem Werk uberfordert ist? der Grund in der man-1st vielleicht auch das Desinteresse des

denn inzwischen sind die Rechte wohl vom an einen anderen nachdem das »Gramsci-Fieber« aU1S\;1\clU''5''·1l

bei der Lekture der Masse an U"H "'5"'''''''" gen und kunterbunt mit Gramscis

daB sie von Gramsci nichts mehr wissen wollen? '--"'''''0''5'"'''''5 daB auch 50 Jahre nach dem Tad des

Theoretikers und thearetischen Politikers sein Werk noch immer nicht in deutscher che sich zum Skandal. Dieser hat naturlich seine fatalen Denn spatesten seit 80er Jah-re mischen sich in die Gramsci -Debatte auf der einen Seite denen die Heterodo-xie vie! zu zumal wenn sich die Kritik an PO!lu:sCl1len '-!trQtp."ip,1'1 auch auf die Welt des realen Sozialismus und auf der anderen Seite die auf der Su-

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che nach der verlorenen Mehrheit dabra« - zu sein

mit denen - »l-Jleg1emomie-l'\braka-diese vielleicht doch wieder herbeizubeschworen.

In seinem Nachwort zur - gelciifzte:n Buci-Glueksmann bemiiht sich

»Gramsci und der Staat« von Sandkiihler urn eine der Reieh-

die im Verlauf der internationalen Gramsci -Debatte auch am »realen So-

indem er zum »Theoretiker einer amClSlam.lle!f1en zum Kritiker der Internationale und der

und daher £Ue'UH1HHAHE,O"U-

nismus-Kritik der nouveau in Frankreich. del" freilich nieht mehr zumal hier ein gene-

relles Theorie offenbar wird: Wie kann kritischer Stachel gestoBen werden und welche Zonen werden fUr ihn sozusagen zum Tabu erklart? 1st es """S""", politi:sctle Theorie zu ohne ihre auf ein "AI',t",,..hpo

zu beziehen und davon beeinflussen zu lassen? Die Theorie Gramscis ist nun einmal neu gelesen worden unter dem ein def Arbei-terbe'Tlfe!!UfJlg in demokratisch strukturierten

Und mit diesem Anspruch hort Theorie auf, bloB Theorie zu sein: sie transformiert sich in »Philosophie def offnet sich damit aber auch Diskur-sen, deren Medien nicht nur def Kategorienwelt des Theoretikers entnommen werden

sondern zur sein miissen. Materialistische Kri-tik hat dies immer schon daB Kritik durch die theoretisehen Formen hindurch die tatsachlichen Verhaltnsse treffen urn relevant zu sein. Ohne den tatsachlichen Verhaltnissen des letzten Viertels des 20. lahrhunderts die len und irrealen deren Kritik natlirlich nicht ausgespart werden

urn die theoretische def

hi\r""rl;,rh,>" wie am real-sozialistischen fur die westdeutsche theoretische wie Orthodoxie

am realen Sozialismus als lehnt er des »Eurokommunismus« ohne dies freilich offen auszudrucken.

Erst 1981, nach dem Putsch def Generale vom 13. in Italien in den Diskussionen

ten kommunistischen Partei wurde auch das

seiner Reaktion auf den wort und enifaltet

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Die SPD beschreitet den »dritten Weg«

In der Absicht, den »dritten W eg« zu beschreiten, trafen sich in der Bundesrepublik »Gramscianer« und diejenigen, die sich eher der austromarxistischen Tradition verpflich-tet fiihlten, also ein Teil des linken Fltigels in der SPD. Nach der konservativen »Wende«, also nach dem Verlust der sozialliberalen Regierungsmehrheit im Herbst 1982 und nach der Wahlniederlage der Sozialdemokratie yom Friihjahr 1983, stellte es sich sehr bald heraus, daB aus der Ara des »Machers« Schmidt nicht viel mehr hervorgegangen war als ein giib-nendes Loch dort, wo einstmals auch in der Sozialdemokratie theoretische Diskussionen und strategische Debatten stattgefunden hatten. In dem Loch tummelten sich die rechten Kanalarbeiter in dumpfer Wut tiber den Machtverlust, der flir viele materielle EinbuJ3en und Positionsverlust bedeutet hatte. Auf der Suche mlch der geeigneten Theorie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert entdeckte man nun auch in der Sozialdemokratie die anru-fende Kraft der Kategorien der politischen Theorie Gramscis. Der alerte Generalsekretiir Glotz, im Formulieren von eingangigen Texten erfolgreicher Ga, nachgerade durchtrieben) als bei der praktisch-politischen Umsetzung dessen, was sich zu Papier bringen laBt, iiber-nimmt in seinem 1985 veroffentlichten »Manifest fiir eine Neue Europaische Linke« skru-pellos,alle Begriffe, die bislang die OrientierungsgroBen der Linken waren, die von der So-zialdemokratie zum Teil wegen dieser Begriffe mit Berufsverbot bedacht worden sind: Urn »kulturelle Hegemonie«, urn »eine neue Stufe der Btindnisfahigkeit«, urn einen »neuen hi-storischen Block«, urn »soziale Demokratie« und »okologischen StrukturwandeI« geht es, urn ein politisches Projekt der strukturellen Reformen also. Es scheint, als ob von der west-deutschen Sozialdemokratie der Staffettenstab im Rennen urn ein linkes Projekt ftir West-europa yom »Eurokommunismus«, der Mitte der 80er Jahre ohne Pomp und Trauer zu Grabe getragen wird, iibernommen worden ware, den sie nun als »Eurolinke« - wegen des Scheiterns der selbstbewuBt-optimistischen eurokommunistischen Strategien - konkur-renzlos weitertragen kann.

Neue politische Subjekte - neue Theorieansatze

Doch anders als Mitte der 70er Jahre reizt weder dieses noch das politische Projekt der Grii-nen zu den ausufernden theoretischen Debatten, in deren Zentrum Gramscis politische Theorie stand. Der Grund konnte damit zu tun haben, daB die »politische Theorie einer Re-volution im Westen« Subjekte explizit voraussetzt, deren politische Kraft zur gesellschaftli-chen Transformation am Ende des 20. Jahrhunderts anders als in seinem ersten Drittel, in dem Gramsci seine Texte schrieb, bezweifelt wird: das Proletariat und die politische Partei. Das Konzept von Hegemonie und historischem Block bei Gramsci setzt ja die politische Zentripetalkraft der Arbeiterklasse voraus; und der Begriff der »direzione« macht nur auf die politische Partei der Arbeiterklasse angewandt einen Sinn. Das aktuell-politische Interesse an Gramscis Theorie hat sich in Respekt vor dem groBen Theoretiker verwandelt. Respekt regt nicht gerade zur intensivenAuseinandersetzung mit dem Respektierten an. Und daher ist es auch nicht verwunderlich, daB es der PROKLA, die

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sich Mitte def 70er Jahre an def Gramsci-Debatte und an den Diskussionen tiber eurokom-munistische

umeine es gar nicht nur urn die

Aufnahme und die W f.:itelrentwickll11ng die ihre Aktualitat auch heute nicht verloren haben.

K01TIP,etenten Autor zu

sondern urn die