Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

6
Material zur Diskussion in Vorbereitung der letzter Sitzung a) Der Fall der Sonnenblumen [S.2] Zusammenfassung einigen Artikel aus der „Zeit“ (1987-2012) b) Der Heilige Vincent [S.5] Zusammenfassung des Buches von Natalie Heinich „La gloire de Van Gogh“

description

Material zur Diskussion.Nach dem Referat, in Vorbereitung der letzer Sitzung des Seminares von Johannes Nathan "Aspekte des Kunstamrkts", veröffentliche ich dieses Dokument, das sich in zwei Sektionen aufteilt:- Zusammenfassung einiger Artikel aus der "Zeit" hinsichtlich des Falls der Sonnenblumen (Rekordpreis bei eine Auktion)- Zusammenfassung des Buchs von N. Heinich "La gloire de Van Gogh".

Transcript of Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

Page 1: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

Material zur Diskussion

in Vorbereitung der letzter Sitzung

a) Der Fall der Sonnenblumen [S.2]

Zusammenfassung einigen Artikel aus der

„Zeit“ (1987-2012)

b) Der Heilige Vincent [S.5]

Zusammenfassung des Buches von Natalie Heinich

„La gloire de Van Gogh“

Page 2: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

London: 30. März des 1987. An diesem Tag wäre Vincent Van Gogh 134 Jahre alt geworden. In diesem Jahr feiert das Yasuda, eine japanische Versicherungsgesellschaft, Ein-Jahrhundert-Jubiläum. Daher wird Herr Goto nach England gesendet, um ein angemessenes Geschenk der Firma bei Christie´s zu kaufen. Der Repräsentant der Versicherungsgesellschaft (heute: das Sompo Japan Insurance, Stifter des Sompo Japan Museum) ersteigerte zum damaligen Rekordpreis von 24,75 Millionen englische Pfund (umgerechnet rund 72 Millionen Mark1). Riedls Bericht der Auktion: „Irrwitzigflickerten am 30. März 1987 die Ziffern auf dem Moneymeter: Die Anzeigetafel im großen Saal von Christies war dem rasenden Tempo nicht mehr gewachsen; ganz offensichtlich sinnlos purzelten Pfund, Dollar- und Franken Beträge durcheinander. Die fünfzehn Sonnenblumen auf dem Gemälde, das hier versteigert wurde, verblaßten im Glanz von Geld und Gier“. Dieses Bild (JH1666) wurde am 2. Mai 1889 aus Arles von Vincent an Theo einfach gesendet, gegen vierlleicht das Geld für ein Stück Brot (Theo unterstützte Vincent regelmäßig wenigstens seit dem 1880). Im Jahr 1901 waren diese goldene Blumen in dem Magazin bei Vollard, welcher stellte sie erst im 1895 aus… umsonst. Doch im Jahr 1907 wurde das Bild in der Kunsthalle Mannheim für umgerechnet 12000 M. Eugene Druet vekauft. Danach kaufte Paul von Mendhelssohn-Bartholdy diesen inzwieschen teuer gewordenen Blumenstrauß für 28000 M und im Jahr 1934 erwarb ihn Edith Beatty vom Pariser Kunstahdler Paul Rosenberg für angeblich 63000 M. „ Beattys Erben können sich […] freuen, denn nach Abzug aller Kosten ergibt sich für die Investition von 63 000 Mark eine Verzinsung von

1 Andere Quelle rechnet mit 65,9 Millionen; Werner Pommerehne, Bruno Frey, Brotlose Kunst, 1987.

Page 3: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

jährlich 11,4 Prozent. Angesicht einer Inflationsrate des 6,7 Prozent – so die Professoner für Ökonomie, die den Artikel „Brotlose Kunst“ geschrieben haben Werner Pommerehne, Bruno Frey -, „die reale Rendite von jährlich 4,7 Prozent ist auch höher als der Ertrag aus den allermeisten sonstigen Geldanlageformen, selbst höher als bei Gold oder Wertpapieren“ (W. Pommerehne & B. Frey)“. Diese Autoren zommen zum Schluss, dass trotz spektakulärer Auktionsergebnisse rentiert es sich selten, in Gemälde zu investieren. Es ist in Grund genommen weniger lukrativ und viel riskanter als der Kauf von Wertpapieren. In Rahmen einer akademischen Kooperation war eine Untersuchung durchgeführt, aus welcher zwei Folgerungen zu ziehen sind:

• Die Preisentwicklung eines Bildes läßt sich nicht zuverlässig voraussagen. • Information und spezifische Kenntnisse über den Kunst- und Bildermarkt sind keine Garanten für eine höhere

Rendite. Trotz ihrer Sachkenntnisse und ihres überlegenen Wissens können Kunstexperten auf dem Gemäldemarkt also finanziell nicht erfolgreicher operieren als Laien. Kunst soll erwerben, wer Freude daran hat. Für Sammler aus Leidenschaft lohnt sich der Kauf von Bildern immer. Werner W. Pommerehne, Professor für Ökonomie des öffentlichen Sektors an der Freien Universität Berlin Bruno Frey, Professor für Theorie der Wirtschaftspolitik an den Universitäten Zürich und Basel. Der Rest der Geschichte ist bekannt, nichtsdestoweniger allerseits verständlich. Verschiedene Deutungsversuche lassen sich verzeichnen. Dementsprechend tauchten in „Die Zeit“ widersprüchliche Positionen auf. Als erster drückte sich Joachim Riedle aus. Riedl geht davon aus, dass Kunstobjekte zu Statussymbolen dienen… und diese Auktion die Legende wieder lebendig macht, dass der Besitz von Kunst den Besitzer adle. Um seine Überzeugung zu bekräftigen beruft sich der Kunsthistoriker vor allem an die „Theorie der feinen Leute“ von Thorstein Vebeln, dem amerikanischen Soziologe, der am Ende des XIX. Jhd schrieb: „Viele Dinge, die der Schmückung und Ausstattung dienen, leiten ihren Nutzen als Elemente der demonstrativen Vergeudung aus einem früheren Nutzen her, den sie als Objekt der Schönheit besaßen. […] Die menschliche Vorliebe für den Wettbewerb hat sich des Güterkonsum als eines Mittels zu neidvollen Vergleichen bemächtigt" Die Wettbewerbssituationen würden also einem Sammler die Möglichkeit bieten, sein Ego durch eine pathologische Rivalität zu stärken. Hierbei schließt sich Riedle an Robert Hughes an… der Kunstkritiker, der in dem Magazins Time über den selben Fall hat folgende Behauptung formuliert. „Es gibt keine rationalen Preise für Kunstwerke; diese Preise sind pathologische Symptome, Gradmesser der Begierde und nichts läßt sich leichter manipulieren als die Begierde - das leuchtet Auktionatoren ebenso ein wie Huren". Eine andere Meinung ist in dem Atikel „Buy America“ zwei Monate später vertreten. Die Handlung wird in einem geopolitischen Panorama kontextualisiert. Nach der Auktion erließ das japanische Finanzministerium eine offizielle Note: „Der Kauf ist höchst unwillkommen. Soviel Geld für ein Kunstwerk auszugeben kann nur der Kritik Auftrieb geben, daß einige Leute hier zu fette Gewinne machen.“ Darauf antwortet die Versicherungs-Konzerne, „aus reiner Liebe zur Kunst“ gehandelt zu haben. Der Journalist erstattet sich, diese Angabe zu bezweifeln und ein wahrscheinlicheres Grund zu hypnotisieren. Aufgrund des festen Kurs des Yen konnte sich Japan nicht nur Kunstschätzen leisten und in der Tat hatten japanische Firmen zu jenen Zeiten grossen Anteil an dem amerikanischen Immobilien-Markt. Es könnte kaum anders sein, da „»der Boden der USA noch weniger wert als der Dollar zu sein scheint«, nach Angabe der Tageszeitung Asahi Shimbun - Ein Hektar erstklassiges Weizenackerland koste in den USA nur 4400 Dollar, ermittelte das Blatt und staunt: »Solche Flächen und Preise sind für uns unvorstellbar. Die durchschnittliche Farmgröße im Tennoreich liegt bei gut einem Hektar, der in Stadtnähe umgerechnet gut und gerne 2,4 Millionen Dollar kosten würde«“. Die effektive Kaufkraft Japans erklärt aber nicht warum, die nipponische Firma nicht in einem guten Ackerland ihren Anlage investiert hat. Worin liegt der ökonomische Unterschied zwischen einem amerikanischen realen Ackerland und einer europäischen Weizenacker-Landschaft wie, zum Beispiel, diese? (JH2102).

Page 4: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

Diese Frage wird von Michael Hutter im Juni2 beantwortet. Der Professor für Theorie der Wirtschaft bietet eine überzeugende, wenngleich relative, Begründung für diesen aus seiner Sicht keineswegs verrückten Ankauf. Sener Meinung nach solch eine Ereignis war nicht nur in Ordnung, sondern man sollte sich auch erwarten, dass änliche Ergebnisse vorkommen sollten. Die Geschichte hat seine Behauptung bestätigt (vgl. Sotheby). Wie begründet er das Geschehen des März 1987? Zunächst Unternehmen können in Japan Kunstsammlungen als Kosten deklarieren und damit finanziert der Staat durch Steuerverzicht 52 Prozent des Kaufpreises. Zudem wirkten 3 grundsätzliche Faktoren zusammen:

• Die Nachfrager • das Angebot • das Zuteilungmechanismus

Die Nachfrager stammen nicht mehr ausschließlich aus den überlieferten Gruppen der europäischen und nordamerikanischen Museen oder Sammler. Für die neue Akteuren aus dem Fernost „ist der Markt für westliche Malkunst noch ungesättigt. Das bedeutet, daß vor allem Nachfrage nach Werken der höchsten Qualitätsstufe besteht – nach „alten Meistern“ und „Klassikern““. Nicht Individuen, sondern große Wirtschaftsunternehmen treten als Nachfrager auf. […] Banken und Versicherungen haben aufgrund der Abstraktheit ihrer Tätigkeit einen erhöhten Bedarf an Imagebildung. Allein aus diesem Grund hat sich der spektakuläre Kauf wohl schon gelohnt, denn keine erdenkliche Werbekampagne hätte den Namen Yasuda ähnlich blitzartig weltweit bekannt gemacht“. Die Besonderheit ist aber auch seitens des Angebots: das Interesse der japanischen Interessenten richtet sich nicht gleichmäßig auf sämtliche Stilrichtungen europäischer Kunst. Bilder im impressionistischen Stil werden eindeutig bevorzugt. „Das mag einerseits daran liegen, dass Van Gogh eine größte Hochachtung vor seinen japanischen Kollegen hatte und dass allgemein der Beginn der Moderne ist also auch der Beginn einer gemeinsamen, globalen Kulturtradition“. Die Knappheit der Meisterwerke spielt die größte Rolle bei dem Zuteilungmechanismus: Während der Kunstbetrieb arbeitet beständig daran, aus den Neuschöpfungen die künftigen Klassiker zu filtern, „werden anerkannte Meisterwerke von öffentlichen Institutionen angekauft und damit dem Markt entzogen“. Also, kein pathologischer, unvernünftiger Preis - betont Hutter in Kontrast zu Riedl – sondern die vernünftige Folge einer merkantilistischen Logik, die Christies tüchtig nuten konnte. Michael Hutter ist der Meinung, dass um den Fall der „Sonnenblumen“ erreicht worden war, und das ist auch davon beweist, dass erst in Absicht besonderer Gewinne Christie’s hat auf die übliche Maklergebühr verzichtet, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Mann muss ergänzend noch eine Kenntnis hinzufügen, die aus einem Interview mit dem Kunsthandler Gustav Delbanco3 heraus kommt. Mitte der fünfziger Jahr war die große Revolution des Auktionswesens aber Christie’s, im Gegenteil zu Sotheby’s lehnte die Logik der „Garantie“ ab: sie ging gegen das Ethos des Auktionators. Am 30. März 1987 wendete Christie’s das Blatt. Nicht nur – wie bei Christie’s offiziell zugegeben wird – aus „gute Beziehungen (Christie’s bestallt den ehemaligen Außenminister und Generalsekretär der Nato, Lord Carrington, als Vorstandsvorsitzenden) und „phantasievollerer Vorstellungen für die Promotion...“. Sie habe auch „ die höhere Garantie“ offeriert.

2 Michael Hutter Van Gogh muß teuer sein. Aus ökonomischer Sicht sind die Millionen für die Sonnenblumen in Ordnung, 19.06.1987 3 Reiner Luyken, Der Bildersturz, 1991.

Page 5: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

Der Heilige Vincent

Natalie Heinich4 nimmt eine anthropologische Analyse der Rezeptionsgeschichte (einer Art „Hagiografie“) Van Goghs vor. Ausgangspunkt ist die Unzufriedenheit gegenüber der Spaltung zwischen: den Kategorien des „artiste meconnu“ (des verkannten Künstlers) / des unwürdigen Publikums. Es gäben wenigstens quatre cercles de reconnaissance (vier Kreise der Anerkennung): die Peergruppe (Kollegen wie Gegner); die Kritikern; Kunsthändler und Sammler; „le grand public“. Von der Peergruppe zum großen Publikum / Am Anfang (ab 1880) nur Theo Van Gogh (sein Bruder und Kunsthandler) und wenige Künstler (wie Emile Bernard ab 1886) unterstützen seine Arbeit, vielleicht ohne die zu verstehen. Die Kritiker, wenn sie auch seine Arbeiten in Betracht überhaupt ziehen (ab 1888), bleiben neutral oder tendenziell abwertend. So lautet der erste Bericht:“M. Van Gogh brosse vigoureusement, sans un assez grand souci de la valeur et de l'exactitude de ses tons, de grands paysages. Vers une tapisserie s'oriente une multitude polychrome de livres; ce motif, bon pour une étude, ne peut être un prétexte à tableau” (Gustave Kahn, “Peinture: exposition des Indépendants” in La Revue indépendante, avril 1888, p. 63, auch in Heinich 1991: 223). Ab 1890 wenige Kritikern begrüßen das innovative Werk. Nur ab XX. Jhd. erfahrt Van Gogh die Anerkennung des Publikums… „l’éloignement dans l’espace social tendant á se meurer en retard temporel“5 (Heinich 1991:16). Die endgültige Anerkennung seitens der Kritik reift um das 1900 und kommt zu seine Höhepunkt (die Konsekration) in den 30er Jahre. Von Bio- zur Hagiographie / Heinich zufolge ergibt sich die bestimmende Wende erst als seitens der Fachleute die unübliche Verbundenheit der malerischen Tätigkeit mit dem einzigartigen Personalität des Malers eintritt. Die Kritiken fangen an, Van Gogh zu loben erst als sie sich auf seine Biographie beziehen und dabei sein Leben in das Leben eines Heiligen umgestalten. Diese Umgestaltung bringt eine dimension polémique (Heinich 1991:22) mit sich. Seit dem Artikel vom 1890 von Aurier verbindet sich die ästhetische und die soziale Kritik. Van Gogh wird als Prophet, als Modell einer ethischen, revolutionären Haltung benutzt (und ausgenutzt). Er wird so dargestellt, als ob er eine neue Wahrheit der Kunst verkörpert; Botschafter einer messianischen Mitteilung. Das Werk des Künstler ist fast eine Vorwand: der Kritiker stellt sich vielmehr als Verfechter der Modernität als unparteiischer „Kunst-Richter“ vor. Der Begriff der modernité1 setzt einen Bruch mit der Tradition voraus und Van Gogh wird als Symbol dieses Umbruch angewendet; wenigstens von Aurier ausgehend, welcher der Moderner Kunst „l´esprit bourgeois contemporain“ (Aurier in Heinich 1991: 26) entgegenstellt. Kritikern tragen dazu bei, dass ein Prozess der Partikularisation stattfindet, nach welchem erst möglich wird sein eigenes Änigma unendlich zu erörtern und seine eigene Authentizität vor seinen Bildern zu verlangen. „Ainsi opéré en quelques années dans le petit cercle des critiques spécialisés, la valorisation du singulier a transmuté la déviation en innovation stylistique“ (Heinich 1991: 52). Erst nachdem diese erste Phase abgeschlossen ist, wird es möglich, die ethischen Werte seines Lebens zu zeigen und in ökonomischen Werten umrechnen. In den 20er Jahren stimmt dieser Umbruch mit dem exponentiellen Wachstum der veröffentlichten Publikationen über Van Gogh und mit der Christianisierung seiner Biographie überein.

(Trend Trend der Publikationen über Van Gogh, nach Jahrzehnten aufgeteilt. Aus Heinich 1991: 60 nacharbeitet

4 Heinich, Nathalie: La gloire de Van Gogh. Essai d'anthropologie de l'admiration, Les Editions de Minuit, Paris 1991 5 Der soziale Abstand ist durch die Verzögerung messbar: je später kommt eine Klasse zum Verstehen VGs, desto niedriger ist sozial gestellt.

Page 6: Emanuele Sbardella - Der Heilige Vincent

Um das hermeneutische Zeugnis der Hagiographie zu rechtfertigen, bringt Heinch der Theologe Jaques de Voragine in Anwendung, welcher um das 1200 in seinem Légende dorée die vier Stufen des irdischen Leben eines Heiligen beschildert: „Tout le temps de la vie présente se divise en quatre parties: le temps de la déviation, de la rénovation ou du retour, de la réconciliation et du pèlerinage“ (in Heinich: 1991: 91). Deviation (déviation) Renovation (rénovation) Versöhnung (réconciliation) Wallfahrt (pèlerinage) Nachdem zu seinem Lebenszeit Van Gogh fast ausschließlich seine Deviation erlebt, erst seit den letzten Monaten seines Lebens erlebt er den Anfang einer Renovation, d.h. die regenerative Rehabilitation durch einige Kritiker (nämlich nur zwei). Während die Phase der Wallfahrt ist heutzutage erdrückend, die Versöhnung ist kontroverser.