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SPOR10 $U41 Hogrefe Verlag Ð SPO 04/2010 Ð 1. Bel. Ð 21-09-10 16:49:47 Ð 19.00 Zeitschrift für Sportpsychologie, 17 (4), 1Ð13 Hogrefe Verlag, Göttingen 2010 Die Fähigkeiten von Athleten verändert deren Handlungs- wahrnehmung von Handlungen „Embodiment“ der visuellen Wahrnehmung von menschlichen Bewegungen Maggie Shiffrar 1 und Thomas Heinen 2 1 Rutgers University, Department of Psychology, Newark, New Jersey 2 Deutsche Sportschule Köln, Psychologisches Institut, Köln Zusammenfassung. Wie nimmt das menschliche visuelle System Handlungen wahr? Ð Traditionelle Modelle der visuellen Wahr- nehmung nehmen an, dass bei allen Beobachtern die gleichen visuellen Prozesse der Analyse von visuellen Stimuli unterschiedli- cher Arten zu Grunde liegen. Dieser theoretische Ansatz sagt vorher, dass unterschiedliche Personen Gegenstände und Handlungen in gleicher Art und Weise wahrnehmen, unabhängig davon, ob sich ihr Bewegungssystem beispielsweise durch krankheitsbedingte Veränderungen oder Trainingsanpassungen unterscheidet. Demgegenüber nehmen Theorien der embodied perception an, dass indi- viduelle Fähigkeiten des Beobachters die visuelle Wahrnehmung beeinflussen. Ausgehend von diesem Ansatz ist: Was man sieht, ist dadurch bestimmt, was man physisch tun (kann). Menschliche Bewegung wird dabei als eine spezielle Kategorie von visuellen Bewegungsreizen angesehen, da es die einzige Bewegungsart ist, welche der Mensch ausführen und wahrnehmen kann. Der vorlie- gende Artikel gibt einen Überblick über aktuelle neuro- und verhaltenswissenschaftliche Befunde zur visuellen Wahrnehmung menschlicher Bewegung unter besonderer Berücksichtigung der Rolle des motorischen Systems. Dabei wird auf die Wahrnehmung von Athleten eingegangen, da diese Personengruppe über spezifische motorische und visuelle Fähigkeiten verfügt, welche den Erklärungswert traditioneller Theorien der visuellen Wahrnehmung kritisch hinterfragen. Schlüsselwörter: Motorische Erfahrung, menschliche Bewegungen, Objektbewegungen Athletic ability changes action perception: Embodiment in the visual perception of human movement. Abstract. How does the human visual system detect and interpret human actions? Traditional models of the visual system suggest that the same set of visual processes is used by all observers to analyze all classes of visual images. This theoretical framework predicts that observers, whether paralyzed or athletic, analyze and perceive objects and actions similarly. Embod- ied theories of perception assert that visual processes are constrained by an observer’s motor abilities. According to this approach, what one sees is determined by what one can physically do. Furthermore, human movement represents a special category of visual motion stimuli because it is the only type of motion that humans can both produce and perceive. This article reviews recent behavioral and neurophysiological research on the visual perception of human movement and focuses on the role of the motor system in this process. Action perception by athletes is emphasized because their special motor and visual abilities provide a particularly important challenge to traditional theories of vision. Key words: motor expertise, biological motion, non-biological motion Die Erstautorin dankt der National Science Foundation (NSF) für finanzielle Unterstützung ihrer Forschungen (Förder- kennzeichen: EXP-SA 0730985). DOI: 10.1026/1612-5010/a000018 Herausragende Wahrnehmungs- leistungen bei Athleten und traditionelle Sichtweisen der visuellen Wahrnehmung In traditionellen Perspektiven wird das visuelle Sy- stem als universeller Prozessor verstanden, welcher unkorrigierter Abzug

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Zeitschrift für Sportpsychologie, 17 (4), 1Ð13 ” Hogrefe Verlag, Göttingen 2010

Die Fähigkeiten von Athletenverändert deren Handlungs-

wahrnehmung von Handlungen„Embodiment“ der visuellen Wahrnehmung

von menschlichen Bewegungen

Maggie Shiffrar1 und Thomas Heinen2

1Rutgers University, Department of Psychology, Newark, New Jersey2Deutsche Sportschule Köln, Psychologisches Institut, Köln

Zusammenfassung. Wie nimmt das menschliche visuelle System Handlungen wahr? Ð Traditionelle Modelle der visuellen Wahr-nehmung nehmen an, dass bei allen Beobachtern die gleichen visuellen Prozesse der Analyse von visuellen Stimuli unterschiedli-cher Arten zu Grunde liegen. Dieser theoretische Ansatz sagt vorher, dass unterschiedliche Personen Gegenstände und Handlungenin gleicher Art und Weise wahrnehmen, unabhängig davon, ob sich ihr Bewegungssystem beispielsweise durch krankheitsbedingteVeränderungen oder Trainingsanpassungen unterscheidet. Demgegenüber nehmen Theorien der embodied perception an, dass indi-viduelle Fähigkeiten des Beobachters die visuelle Wahrnehmung beeinflussen. Ausgehend von diesem Ansatz ist: Was man sieht,ist dadurch bestimmt, was man physisch tun (kann). Menschliche Bewegung wird dabei als eine spezielle Kategorie von visuellenBewegungsreizen angesehen, da es die einzige Bewegungsart ist, welche der Mensch ausführen und wahrnehmen kann. Der vorlie-gende Artikel gibt einen Überblick über aktuelle neuro- und verhaltenswissenschaftliche Befunde zur visuellen Wahrnehmungmenschlicher Bewegung unter besonderer Berücksichtigung der Rolle des motorischen Systems. Dabei wird auf die Wahrnehmungvon Athleten eingegangen, da diese Personengruppe über spezifische motorische und visuelle Fähigkeiten verfügt, welche denErklärungswert traditioneller Theorien der visuellen Wahrnehmung kritisch hinterfragen.Schlüsselwörter: Motorische Erfahrung, menschliche Bewegungen, Objektbewegungen

Athletic ability changes action perception: Embodiment in the visual perception of human movement.

Abstract. How does the human visual system detect and interpret human actions? Traditional models of the visual systemsuggest that the same set of visual processes is used by all observers to analyze all classes of visual images. This theoreticalframework predicts that observers, whether paralyzed or athletic, analyze and perceive objects and actions similarly. Embod-ied theories of perception assert that visual processes are constrained by an observer’s motor abilities. According to thisapproach, what one sees is determined by what one can physically do. Furthermore, human movement represents a specialcategory of visual motion stimuli because it is the only type of motion that humans can both produce and perceive. Thisarticle reviews recent behavioral and neurophysiological research on the visual perception of human movement and focuseson the role of the motor system in this process. Action perception by athletes is emphasized because their special motorand visual abilities provide a particularly important challenge to traditional theories of vision.Key words: motor expertise, biological motion, non-biological motion

Die Erstautorin dankt der National Science Foundation(NSF) für finanzielle Unterstützung ihrer Forschungen (Förder-kennzeichen: EXP-SA 0730985).

DOI: 10.1026/1612-5010/a000018

Herausragende Wahrnehmungs-leistungen bei Athletenund traditionelle Sichtweisender visuellen WahrnehmungIn traditionellen Perspektiven wird das visuelle Sy-stem als universeller Prozessor verstanden, welcher

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alle Kategorien von visuellen Stimuli in der gleichenArt und Weise verarbeitet (Marr, 1982). Beobachternutzen nach dieser Sichtweise die gleichen visuellenProzesse, unabhängig davon, ob es sich dabei zumBeispiel um bewegte oder nicht bewegte Gegenständeoder Menschen handelt, um unterschiedliche Artenvon visuellen Stimuli zu verarbeiten, So argumentiertbeispielsweise auch Roger N. Shepard (1984) in demer ausführt: „There evidently is little or no effect ofthe particular object presented. The motion we invo-luntarily experience when a picture of an object ispresented first in one place and then in another, whe-ther the picture is of a leaf or of a cat, is neither afluttering drift nor a pounce, it is, in both cases, thesame simplest rigid displacement (p. 426) [Das ge-zeigte Objekt hat offensichtlich keinen bzw. nur einengeringen Effekt. Die unwillkürliche Bewegung, diewir im Zusammenhang mit der Präsentation einesBildes von einem Objekt vernehmen, welches zu-nächst an der einen und dann an einer anderen Stellegezeigt wird, ist in beiden Fällen eine einfache undsimple Verlagerung und daher weder eine flatterndeVerschiebung noch ein Sprung, unabhängig davon obes sich beispielsweise um ein Blatt oder eine Katzehandelt (S. 426).]“ Das Modell eines universellenProzessors kann mit der Idee zusammengebracht wer-den, dass das visuelle System modularen Charakteraufweist und in sich selbst „eingekapselt“ ist (Fo-dor & Pylyshyn, 1981). Aus dieser Perspektive wirdangenommen, dass die visuelle Wahrnehmung gegenEinflussfaktoren robust ist, welche außerhalb des vi-suellen Systems liegen (Fodor, 1983).

Bereits John Donne (1572Ð1631) zweifelte an derIdee, dass Menschen unabhängige Entitäten sind.Seine Formulierung „No man is an island, entire ofitself . . .“, kann stellvertretend für aktuelle For-schungsbemühungen verstanden werden, nach wel-chen die Hypothese angezweifelt wird, dass das vi-suelle System eine isolierte Einheit ist. Interessanter-weise bieten Athleten, bzw. deren Wahrnehmungslei-stungen den besten Beleg zur Unterstützung dieserIdee, nach welcher die visuelle Wahrnehmung aufmehr beruht als der Registrierung von Lichtmusterndurch die Photorezeptoren der Retina.

Eine Reihe von Studien zeigt, dass Athleten mitsehr hoher Expertise überragende Wahrnehmungsfä-higkeiten aufweisen (z. B. Abernethy, 1990; Kiou-mourtzoglou et al., 1998; Williams & Davids, 1998).Dabei wird davon ausgegangen, dass zumindest einTeil dieser perzeptuellen Expertise vorangegangenes,perzeptuelles Lernen abbildet. Darunter fällt die ge-steigerte Sensitivität bei der Wahrnehmung eines Be-wegungsmusters, wenn dieses Muster in der Vergan-genheit wiederholt beobachtet wurde (Gibson, 1969;Fahle & Poggio, 2002). Perzeptuelles Lernen alleinkann die überragenden Wahrnehmungsleitungen von

Topathleten jedoch nicht erklären. Vielmehr werdenandere Faktoren vermutet, welche hier eine Rollespielen. Dabei wird insbesondere die motorische Ex-pertise als wesentlicher Einflussfaktor auf die visuelleSensitivität vermutet. Gerade weil Athleten Expertenfür die Bewegung ihres eigenen Körpers sind, stel-len sie eine bedeutsame Herausforderung für traditio-nell modulare Theorien der visuellen Wahrnehmungdar.

Das Ziel dieses Artikels ist es einen Überblicküber diese Herausforderung zu geben. Zunächst wirddas Konzept der embodied perception erläutert undtheoretische Ausgangspunkte dazu diskutiert. Unterembodied perception wird hierbei verstanden, dassdie motorische Expertise eines Beobachters seine vi-suelle Sensitivität und damit seine visuelle Wahrneh-mung beeinflusst. In einem zweiten Schritt wird derEinfluss von motorischen Prozessen auf Unterschiedein der visuellen Wahrnehmung menschlicher Bewe-gung und der visuellen Wahrnehmung von Objektbe-wegung diskutiert. In einem anschließenden Schrittwird die Sensitivität der visuellen Wahrnehmung beiAthleten Schwerpunkt der Ausführungen sein. DieErgebnisse von neuro- und verhaltenswissenschaft-lichen Studien deuten darauf hin, dass Athleten eineerhöhte Sensitivität in ihrer visuellen Wahrnehmunghinsichtlich der motorischen Handlungen anderer Per-sonen aufweisen und dass dieser Aspekt unter ande-rem der motorischen Erfahrung und motorischen Ex-pertise zugeschrieben werden kann.

Was versteht man unter„embodied perception“?

In den 1970er Jahren und auch später noch gab esgroße Forschungsbemühungen, um Computer zu kon-struieren, die „sehen“ konnten (z.B. Haken & Haken-Krell, 1994). Dabei wurde angenommen, dass Wahr-nehmung umfassend verstanden werden kann, wennpsychologische Wahrnehmungsphänomene durch ma-thematische Formeln in abstrakte Computerprogrammeübersetzt werden und so schließlich ein Computer er-folgreich Objekte visuell identifizieren könnte. Com-putationale Modellierung ist ohne Frage ein leistungs-starkes Werkzeug zur Entwicklung und zur Testungvon neuronalen und behavioralen Prinzipien. Compu-ter unterscheiden sich allerdings vom Menschen ineiner Reihe von fundamentalen Aspekten. Einer dergrößten Unterschiede zwischen Menschen und Com-putern ist, dass Menschen ein visuelles System besit-zen, welches eingebettet in einen Kopf an einen Kör-per gebunden ist. Theorien der embodied perceptiongehen davon aus, dass das visuelle System nicht als

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Prozessor abstrakter Symbole verstanden werdenkann, sondern vielmehr als physikalisches, kontextab-hängiges System. Dieses System ist an der Kontrolledes Körpers beteiligt und wird von eben jenem Kör-per kontrolliert. Der Körper interagiert dabei in Echt-zeit mit einer physikalischen Umgebung. Die zentraleAnnahme ist dabei, dass spezifische Faktoren wiekörperliche Zustände und/oder Handlungsmöglich-keiten einer Person die visuelle Wahrnehmung deter-minieren.

Ausgehend vom Ansatz der embodied perceptionwurde in unterschiedlichen Bereichen wie zum Bei-spiel der Sprach-, Distanz-, Zeit-, und Bewegungs-wahrnehmung eine Reihe von interessanten neuenBefunden vorgelegt (für einen Überblick siehe bei-spielsweise Klatzky, MacWhinney & Behrmann,2008; Wachsmuth, Lenzen & Knoblich, 2008).

Margaret Wilson, eine Professorin für Psychologiean der University of California in Santa Cruz hat bei-spielsweise eine elegante theoretische Plattform fürden Ansatz der embodied perception entwickelt (z. B.Wilson, 2008; Wilson, 2002; Wilson & Knoblich,2005). Sie konnte darin nachweisen, dass psychologi-sche Phänomene wie Sprache oder die Kapazität desArbeitsgedächtnisses durch die sensomotorischenGrenzen des menschlichen Körpers definiert werden(z.B. Wilson & Fox, 2007). Dennis Proffitt von derUniversity of Virginia zeigte in einer umfangreichenSerie von psychophysiologischen Experimenten, dassdie visuelle Wahrnehmung von fundamentalen physi-kalischen Merkmalen (z. B. Distanz, Höhe, Steigung)vom Bewegungszustand und der Bewegungsfähigkeitdes Beobachters abhängen. Profitt und Kollegenkonnten beispielsweise nachweisen, dass Beobachtereinen Berg steiler wahrnehmen, wenn sie sich aufdessen Spitze befinden, als wenn sie sich an dessenFuß befinden (Proffitt et al., 1995). Eine Erklärungwird dabei darin gesehen, dass es aus biomechani-scher Sicht einfacher für den menschlichen Körperist, einen steilen Berg hinauf zu gehen, als diesenBerg hinunter zu gehen. Ausgehend von seinen Er-gebnissen hat Proffitt (2006) die These aufgestellt,dass die visuelle Wahrnehmung der Steigung einesBergs die physische Anstrengung von Personen re-flektiert, welche nötig wäre den Berg zu besteigen;Berge erscheinen einem Beobachter zumeist auchdann steiler, wenn dieser nach einem ausdauerndenLauf ermüdet ist (Proffitt et al., 1995). Ältere oderunsportliche Beobachter schätzen die Steigung einesBerges ebenfalls steiler ein, als jüngere oder athleti-sche Beobachter (Bhalla & Proffitt, 1999). Die Beob-achtungen von Proffitt und anderen Autoren könnenals Unterstützung für unseren Ausgangspunkt angese-hen werden, nach die visuelle Wahrnehmung eng andie motorischen Fähigkeiten eines Beobachters ge-knüpft ist.

Embodied visual perceptionbei sich bewegenden KörpernDie bereits genannten Studien deuten darauf hin, dassProzesse des motorischen Systems im allgemeinenWahrnehmungsprozesse beeinflussen. Weitere For-schungsarbeiten haben sich mit der visuellen Wahr-nehmung von bewegten menschlichen Körpern be-schäftigt. Dies macht gerade deshalb Sinn, da menschli-chen Handlungen aus verschiedenen Gründen als einespezielle Kategorie von Wahrnehmungsstimuli ange-sehen werden können.

Menschen sind soziale Lebewesen und tendierendazu sich in bevölkerten Umwelten aufzuhalten.Demzufolge ist menschliche Bewegung zumeist die-jenige Bewegungsart welche Menschen in ihrem All-tag am häufigsten wahrnehmen bzw. beobachten. Be-reits in einem sehr jungen Alter richten Beobachterihre visuelle Aufmerksamkeit auf sich bewegendeMenschen (Klin, Lin, Gorrindo, Ramsay & Jones,2009), und Säuglinge und Kleinkinder sind für ihrÜberleben auf die Handlungen von Erwachsenen an-gewiesen. Aus diesem Grund kann angenommen wer-den, dass menschliche Handlungen aus psychologi-scher Sicht die bedeutsamste und lebensveränderndeArt von dynamischen Ereignissen in menschlichenUmwelten bzw. Kontexten ist. Dabei deuten zu-nehmende empirische Belege darauf hin, dass einesehr enge Verknüpfung zwischen der Wahrnehmungmenschlicher Bewegungen und den motorischen Fä-higkeiten und Fertigkeiten einen Beobachters existiert(Blake & Shiffrar, 2007)

Forschungsbemühungen zur Fragestellung wie Be-obachter menschliche Bewegung wahrnehmen, kön-nen auf die 1970er Jahre zurückdatiert werden, alsGunnar Johansson sogenannte Point-Light Displayskonstruierte, die menschliche Bewegungen abbild-eten. Er bediente sich dazu einer Technik, die vonEtienne Jules Marey (1895) entwickelt wurde. Jo-hansson befestigte kleine Lichtquellen an den großenGelenken eines sich bewegenden Menschen undfilmte die Bewegungen dieses Akteurs so, dass nurdie Lichtquellen an den Gelenken sichtbar waren(Abbildung 1). Wenn naive Beobachter diese Point-Light Filmsequenzen betrachteten, konnten sie die ge-zeigte Bewegung in weniger als 200 Millisekundenkorrekt identifizieren (Johansson, 1973). Während esJohanssons primäres Ziel war, ein allgemeines Mo-dell zur visuellen Bewegungswahrnehmung zu ent-wickeln (Johansson, 1976), so bemerkte er in seinenVersuchen, dass Wahrnehmungen von menschlichenBewegungen den Beobachtern klarer erschienen alsWahrnehmungen von Bewegungen von anderen Arten(Johansson, 1973).

Seit den pionierhaften Arbeiten von Johansson ha-ben eine Reihe von Wissenschaftlern untersucht, wie

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Abbildung 1. (A) Drei Bildausschnitte zur Veran-schaulichung der Markerplatzierung bei einer gehen-den Person zur Vorbereitung von Point-Light Sequen-zen. (B) Beispiel eines so genannten Point-Light Wal-ker, welcher lediglich aus Punkten besteht. Beim Be-trachten der statischen Bilder fällt es Personen meistschwerer zu erkennen um was für eine Bewegungs-form es sich handelt. Sobald die Bilder als Sequenzpräsentiert werden, können Personen die dargestellteBewegungsform in der Regel unmittelbar erkennen.

Beobachter die Bewegungen anderer Menschen vi-suell analysieren. Dazu wurde häufig das gleichemethodische Vorgehen und die gleiche theoretischeGrundlegung verwendet (für einen Überblick sieheShiffrar, Kaiser & Chouchourelou, 2010). Folgt manJohanssons Beobachtungen und nimmt dabei die Per-spektive der embodied perception ein, wird schnelldeutlich, dass sich die visuelle Wahrnehmung vonMenschen von der Wahrnehmung bewegter Objekteunterscheidet. Wird dabei angenommen, dass die vi-suelle Wahrnehmung anderer Personen in ähnlicherArt und Weise wie die Wahrnehmung von Distanzenund Steigungen vom eigenen motorischen System be-einflusst wird, dann ergeben sich eine Reihe grundle-gender Implikationen für die visuelle Bewegungs-wahrnehmung.

Auf der einen Seite besitzen menschliche Beob-achter ein motorisches System, welches prinzipiell inder Lage ist, die Bewegungen von anderen Personenzu reproduzieren und zu imitieren. Auf der anderenSeite ist das menschlichen Bewegungssystem nichtin der Lage, nichthumane Bewegungsarten wie bei-spielsweise brechende Ozeanwellen, Tornados odersich im Wind beugende Bäume zu reproduzieren. DieFähigkeit von Menschen die Bewegungen andererEntitäten zu imitieren hängt damit offensichtlich vonder strukturellen Ähnlichkeit zwischen Menschen undder zu imitierenden Entität ab. Einige Forscher argu-mentieren in diesem Zusammenhang, dass die Fähig-keit spezifische, wahrgenommene Bewegungen zuimitieren die menschliche Wahrnehmungsbildung be-einflusst (Wilson, 2001). Visuelle Wahrnehmungenverändern sich dabei als Funktion des Grades inwie-weit das motorische System eines Beobachters einebeobachtete Bewegung repräsentieren und reprodu-zieren kann. Ferner wird dadurch die mögliche Ambi-guität von Stimuli reduziert (z.B. Loula et al., 2005).

Theorien der embodied perception sagen dahervoraus, dass Informationen aus dem motorischen Sy-stem eines Beobachters die visuelle Wahrnehmungund Analyse von Stimuli, welche ein Beobachter phy-sikalisch imitieren kann (z. B. andere, gehende Perso-nen) in anderer Art beeinflussen als die Wahrneh-mung und Analyse von Stimuli, welche ein Beobach-ter nicht imitieren kann (z.B. einen fliegenden Vogel).Diese Differenzierung in der visuellen Wahrnehmungist dabei eher graduell als dichotom (Cohen, 2002).

Neurophysiologische Befunde

Neuro- und verhaltenswissenschaftliche Studien ha-ben eine Reihe von Ergebnissen generiert, welchesich gut mit den Theorien der embodied perceptionzusammenbringen lassen. Forschungsbemühungen mitbildgebenden Verfahren deuten beispielsweise daraufhin, dass die neuronale Aktivität in spezifischen Arealendes motorischen Systems (z. B. prämotorischer Kor-tex) dann steigt, wenn Beobachter Point-Light Se-quenzen von menschlichen Bewegungen sehen (Say-gin, Wilson, Hagler, Bates & Sereno, 2004). Fernerkann gezeigt werden, dass Läsionen im prämotori-schen Kortex häufig dazu führen, dass Beobachter ei-nen Großteil ihrer visuellen Sensitivität hinsichtlichder Wahrnehmung von menschlichen Bewegungenverlieren (Saygin, 2007).

Die Existenz so genannter Spiegelneurone unter-stützt ferner die Hypothese einer engen Verknüpfungdes visuellen und motorischen Systems bei der Wahr-nehmung von menschlichen und menschenähnlichenBewegungen. Im prämotorischen Kortex von Affenfeuern Neurone des Spiegelsystems beispielsweisedann, wenn ein Affe eine spezifische Bewegung aus-führt und ferner, wenn er einen weiteren Affen sieht,der die gleiche Bewegung ausführt (Rizzolatti, Fo-gassi & Gallese, 2001). Interessanterweise feuerndiese Neurone nur dann, wenn es sich um Bewegun-gen von Primaten handelt und nicht, wenn die gleicheBewegung von einer mechanischen Apparatur gezeigtwird (Rizzolatti et al., 2001). Ein systemisches Korre-lat dieses Spiegelsystems konnte auch beim Men-schen untersucht werden, und es konnte gezeigt wer-den, dass es stärker auf beobachtete Handlungen ant-wortet, wenn diese Handlungen vom Beobachter aus-geführt werden können im Gegensatz zu Handlungen,welche ein Beobachter nicht ausführen kann (Buccinoet al., 2004).

Ein weiteres Hirnareal, welches in die visuelleAnalyse von Bewegungen anderer Personen involviertist, ist der posteriore Bereich des superioren Tempo-ralsulcus (STSp; Grossman et al, 2000; Puce & Per-rett, 2003). Dieser Bereich besitzt selbst keine moto-

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rische Eigenschaften, ist aber mit dem Spiegelsystemverbunden (Rizzolatti & Craighero, 2004). Der STSpreagiert dann stärker, wenn menschliche Bewegungenwahrgenommen werden als wenn Objektbewegungenwahrgenommen werden (e.g., Beauchamp, Lee, Hax-by & Martin, 2003). Neuronale Aktivitätsmuster beider Wahrnehmung von menschlichen Bewegungenkönnen von Aktivitätsmustern bei der Wahrnehmungvon Objektbewegungen etwa 200 Millisekunden nachStimulus Onset deutlich voneinander unterschiedenwerden (Virji-Babul, Cheung, Weeks, Kerns & Shif-frar, 2007).

Divergente neuronale Aktivität in der Wahrneh-mung von menschlicher Bewegung und von Objekt-bewegung könnte eine fundamentale Unterscheidungin der visuellen Analyse von Handlungen, welche einBeobachter reproduzieren kann, und Handlungen,welche ein Beobachter nicht reproduzieren kann, be-deuten. Stevens, Fonlupt, Shiffraf und Decety (2000)gingen dieser Vermutung nach. Die Autoren analy-sierten die Gehirnaktivität von Personen, welche phy-sikalisch mögliche menschliche Bewegungen, physi-kalisch unmögliche menschliche Bewegungen undphysikalisch unmögliche Objektbewegungen beob-achteten. Als visuelle Stimuli wurden in allen dreiBedingungen Scheinbewegungen benutzt. Die Wahr-nehmung von Scheinbewegungen entsteht dann, wennder Beobachter mehrere statische Bilder kurz nach-einander präsentiert bekommt. Wird die zeitliche Dif-ferenz zwischen zwei oder mehreren statischen Bil-dern entsprechend angepasst, erscheint es dem Beob-achter so, als würde er eine Bewegung anstelle vonmehreren statischen Bildern wahrnehmen. Perzepte,welche aufgrund von Scheinbewegungen entstehen,folgen in der Regel dem kürzesten physikalisch mög-lichen Pfad, welcher die Inhalte auf zwei stationärenBildern verbindet. Dieses Phänomen wird besondersdann deutlich, wenn Personen gebeten werden zweistationäre Bilder von Posen einer sich bewegendenPerson zu beobachten. Man nimmt selbst dann denphysikalisch kürzesten Bewegungspfad wahr, wenn essich dabei um physikalisch unmögliche Bewegungenhandelt (siehe Abbildung 2). Dieses Phänomen istkonsistent mit dem Konzept des shortest-path con-straint bei der Wahrnehmung von Scheinbewegungenund kann bei Stimuli von Menschen und Objektennachgewiesen werden (Shiffrar & Freyd, 1990). Wirdbei der Präsentation von stationären Bildern jedochdie Bildwechselfrequenz reduziert, so dass die Bewe-gungszeit der wahrgenommenenen Scheinbewegungder Bewegungszeit einer „normalen“ menschlichenBewegung entspricht, dann nehmen Beobachter zu-meist Bewegungspfade wahr, welche sich an den bio-mechanischen Einschränkungen bei der Produktionder jeweiligen auf den Stimuli gezeigten Bewegungenorientieren (Shiffrar & Freyd 1990; 1993). Demge-

Abbildung 2. Beispiel eines apparent-motion Dis-plays. Wenn die Fotographien mit hoher Bildwechsel-frequenz präsentiert werden, erscheint es dem Beob-achter so, als würde sich der Arm der Frau durchderen Kopf bewegen. Wird die Bildwechselfrequenzerniedrigt, dann erscheint es so, als würde sich derArm auf einem physikalisch möglichen Pfad um denKopf herum bewegen.

genüber wird jedoch der kürzeste Bewegungspfadwahrgenommen, wenn den Beobachtern Objektbewe-gungen präsentiert werden. Die Ergebnisse solcherStudien zeigen dass in der visuellen Wahrnehmungmenschlicher Handlungen Prozesse eine Rolle spie-len, welche über einen relativ großen Wahrnehmungs-zeitraum die biomechanischen Gegebenheiten der Be-wegungssteuerung berücksichtigen (Shiffrar & Pinto,2002).

Die Analyse der neuronalen Aktivität (z.B. mittelsPET Scans) bei der Betrachtung von Scheinbewegun-gen unterstützt ferner den Ansatz der embodied per-ception. Wurde Personen beispielsweise Bildpaareunterschiedlicher Posen des menschlichen Körpers inlangsamer Abfolge präsentiert, dann zeigten PET Scanseine signifikante bilaterale Aktivität im Bereich desprimären motorischen Kortex sowie im Kleinhirn unddie Beobachter nahmen biomechanisch plausible Be-wegungspfade wahr. Wurde bei den gleichen Stimulidie Bildwechseldauer verkürzt, nahmen die Personenbiomechanisch unmögliche Bewegungspfade wahrund die zuvor gefundene kortikale Aktivität in moto-rischen Arealen konnte nicht mehr nachgewiesenwerden (Stevens et al., 2000). Bei der Präsentationvon Objektbewegungen bei hohen oder niedrigenBildwechselraten konnte ferner keine bedeutsame Akti-vierung des motorischen Systems gefunden werden.Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Akti-vität des motorischen Systems dann erhöht ist, wennbiomechanisch mögliche Bewegungen wahrgenom-men werden.

Hinsichtlich der Wahrnehmung von biomecha-nisch möglichen Bewegungen wird die Aktivität desmotorischen Systems ferner durch den Grad an moto-rischer Vorerfahrung mit spezifischen, den Stimulientsprechenden Bewegungen, moduliert. In einer wei-teren Studie wurde die Gehirnaktivität bei drei Artenvon Beobachtern untersucht: Ballettexperten, Capoe-iraexperten und Personen mit keiner spezifischen

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Vorerfahrung im Tanzen. Alle Personen beobachtetenVideos von anderen Personen, welche Bewegungenaus dem Ballett oder dem Capoeira ausführten. Mit-tels funktioneller Magnetresonanztomographie erho-bene Daten zeigten, dass eine erhöhte Aktivierungdes motorischen Systems bei Ballettänzern und Ca-poeiratänzern dann auftrat, wenn diese Personen Vi-deos des Tanzstils beobachteten, in welchem sieselbst trainiert waren (Calvo-Merino, Glaser, Grezes,Passingham & Haggard, 2005). Motorische Vorerfah-rung ist häufig mit visueller Vorerfahrung konfun-diert. In einer weiteren Studie wurden die beiden ge-nannten Faktoren dadurch kontrolliert, dass männli-che und weibliche Ballettexperten untersucht wurden.Beide Personengruppen führen geschlechtsspezifischeund geschlechtsneutrale Bewegungen in ihrem Trai-ning aus. In dieser Studie konnte nachgewiesen wer-den, dass eine erhöhte Aktivierung des motorischenSystems dann resultierte, wenn Beobachter Bewegun-gen aus dem Ballett sahen, die in ihrem eigenen Be-wegungsrepertoire vorhanden waren (Calvo-Merino,Grezes, Glaser, Passingham & Haggard, 2006). Sozeigten Frauen beispielsweise eine höhere Aktivie-rung, wenn sie frauentypische Ballettbewegungen be-obachteten als bei der Beobachtung von männertypi-schen Ballettbewegungen, obwohl sie über visuelleExpertise für beide Bewegungsgruppen verfügten.Dieser Effekt trat auch dann auf, wenn Frauen eineumfangreiche visuelle Vorerfahrung mit männertypi-schen Ballettbewegungen besaßen. Das umgekehrteErgebnismuster wurde für die männlichen Ballettex-perten gefunden. Die Ergebnisse der genannten Un-tersuchungen deuten stark darauf hin, dass die Aktivi-tät des motorischen Systems mit dem Grad an motori-scher Vorerfahrung mit einer spezifischen, beobachte-ten Bewegung korreliert.

Befunde aus der Wahrnehmungs-und Verhaltensforschung

Ergebnisse aus Untersuchungen mit bildgebendenVerfahren zeigen, dass das motorische System wäh-rend der Wahrnehmung menschlicher Bewegungenaktiviert ist. Daten aus verhaltenswissenschaftlichenExperimenten sind notwendig um festzustellen, obwillkürliche motorische Aktivität die visuelle Sensiti-vität von Beobachtern in Relation zu anderen Bewe-gungsarten verändert. Fundamentale Unterschiede inder visuellen Analyse von Menschen- und Objektbe-wegungen sind in psychophysiologischen Studien desFeldausschnittproblems („aperture problem“) doku-mentiert worden.

Das visuelle System analysiert Bewegung überRezeptoren mit räumlich begrenzten rezeptiven Fel-dern. Bewegungsinformationen welche außerhalb ei-

nes rezeptiven Feldes liegen, können in eben diesemFeld nicht mehr analysiert werden. Dadurch entstehenmehrdeutige Bewegungsmessungen über die rezept-iven Felder hinweg. Eine Integration dieser mehrdeu-tigen Bewegungsinformationen über verschiedeneräumliche Bereiche kann dieses Problem prinzipielllösen (Hildreth, 1984). Diese Integration ist notwen-dig für die Abschätzung der Bewegung eines Objek-tes. Sie muss jedoch differenziert gesehen werden,sofern mehrere bewegte Objekte wahrgenommen wer-den (Shiffrar & Lorenceau, 1996). Das visuelle Sy-stem muss eine Balance zwischen Bewegungsintegra-tion und Bewegungssegmentierung leisten, wenn esmehrere bewegte Objekte analysiert. Diese Balancescheint jedoch verschieden, je nachdem, ob Bewegun-gen von Menschen oder von Objekten beobachtetwerden. Wenn Personen jedoch beispielsweise einegehende Person durch eine Reihe von Fenstern oderBlenden wahrnehmen, werden zusammenhängendeWahrnehmungen gebildet, welche darauf hinweisen,dass die Bewegung über unverbundene räumliche Re-gionen integriert wurde. Wenn Personen demgegen-über komplexe Objekte, wie beispielsweise Scherenoder Autos durch Blenden wahrnehmen, dann werdenzumeist nicht zusammenhängende Wahrnehmungengebildet, was auf das Fehlen solch einer Integrationhindeutet (Shiffrar, Lichtey & Heptulla-Chatterjee,1997). Im Einklang mit dem Ansatz der embodiedperception findet eine Integration von räumlich aus-gedehnter Bewegung zumeist nur dann statt, wennphysikalisch mögliche, menschliche Bewegungenwahrgenommen werden (Shiffrar et al., 1997).

Ein weiterer wichtiger Aspekt der visuellen Wahr-nehmung menschlicher Bewegungen ist, dass sie aufden Gesetzmäßigkeiten der Bewegungskontrolle be-ruht. Die Produktion einer einfachen Hand- und Arm-bewegung in einer Ebene folgt dem 2/3 Power Law,welches eine Kovariation der momentanen Bewe-gungsgeschwindigkeit und dem Krümmungsradiusder Trajektorie beschreibt (z. B. Viviani & Stucchi,1992). Visuelle Wahrnehmungen solch einer Bewe-gung sind dann verzerrt, wenn ein dynamischer Sti-mulus eben solch einer Bewegung so gestaltet wurde,dass er gegen diese grundlegende Gesetzmäßigkeitder motorischen Kontrolle verstößt (Viviani, 2002). Indiesem Zusammenhang argumentiert Viviani (2002),dass die genannte Effekte gerade deshalb auftreten,weil das menschliche visuelle System für die Analysemenschlicher Bewegung optimiert ist.

Eine weitere grundlegende Gesetzmäßigkeit istdas so genannte Fitts’sche Gesetz, welches den Zu-sammenhang zwischen der Bewegungszeit, der Weiteund der Genauigkeit einfacher Zielbewegungen be-schreibt (Magill, 2007). Visuelle Perzepte vonScheinbewegungen zwischen zwei Zielbereichen sindkonsistent mit dem Fitts’schen Gesetz (Grosjean,

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7Embodied Perception

Shiffrar & Knoblich, 2007). Motorische Prozesseschränken demgemäß systematisch die visuelle Wahr-nehmung ein.

Vergleich der Wahrnehmung vonmenschlicher und tierischer Bewegung

Die visuelle Wahrnehmung von menschlichen Bewe-gungen und Objektbewegungen unterscheidet sich.Dies kann unter anderem darauf zurück geführt wer-den, dass sich Menschen und andere bewegte Objektein einer Vielzahl von Aspekten unterscheiden. Ausdiesem Grund wurde in einer Reihe von Untersu-chungen die visuelle Wahrnehmung von menschlicherund tierischer Bewegung untersucht. Prinzipiell sindnaive Beobachter in der Lage, tierische Bewegungs-muster zu identifizieren und zu klassifizieren, wenndiese als Point-Light Sequenzen dargestellt werden(e.g., Mather & West, 1993; Pavlova & Sokolov,2001). Weitere empirische Evidenz deutet jedoch aufeine differenzierte visuelle Analyse von menschlichenund tierischen Bewegungen hin. Wenn Säuglinge bei-spielsweise Point-Light Sequenzen von menschlichenund tierischen Bewegungen beobachten, dann verän-dert sich im Laufe ihrer Entwicklung ihre Fähigkeit,phasenverschobene von nicht phasenverschobenenSegmentbewegungen zu identifizieren (Pinto, 2006).In einem Alter von etwa 3 Monaten sind Kleinkinderin der Lage Phasenunterschiede in den Segmentbewe-gungen von menschlichen und tierischen Bewegun-gen zu identifizieren. Ab etwa 5 Monaten reduziertsich diese Sensitivität auf Phasenverschiebungen beiaufrechten menschlichen Bewegungen. Die Ergeb-nisse solcher Studien deuten darauf hin, dass sich dasvisuelle System von Kleinkindern im Verlauf derenEntwicklung auf die Entdeckung von regulärer mensch-licher Bewegung spezialisiert (Pinto, 2006). Die An-nahme dieser Spezialisierung wird auch durch neuro-physiologische Befunde gestützt, nach welchen Akti-vität im STSp mit zunehmendem Alter von Kindernstärker auf die Wahrnehmung menschlicher Bewe-gung abgestimmt wird (Carter & Pelphrey, 2006).Diese wahrnehmungsbasierte und neuronale Abstim-mung für die Wahrnehmung menschlicher Bewegungbehalten Menschen bis in das Erwachsenenalter hin-ein bei. Erwachsene Menschen zeigen beispielsweiseeine höhere visuelle Sensitivität hinsichtlich mensch-licher Bewegungen, als zu den Bewegungen von vier-beinigen Tieren wie beispielsweise Pferden (Pinto &Shiffrar, 2009) oder Hunden (Cohen, 2002).

Visuelle Wahrnehmungen von menschlicher undtierischer Bewegung scheinen sich in einer Reihe vonfundamentalen Aspekten zu unterscheiden. Untersu-chungen mit dem Verfahren der Elektroenzephalogra-fie deuten darauf hin, dass die visuelle Wahrnehmung

von menschlichen Bewegungen das motorische Sy-stem von Beobachtern aktiviert, wohingegen dieseAktivierung bei der Beobachtung von tierischen Be-wegungen nicht auftritt (Martineau & Cochin, 2003).Ergebnisse aus Untersuchungen mit bildgebendenVerfahren deuten ferner darauf hin, dass die Aktivitätim STSp bei der Wahrnehmung menschlicher Bewe-gungen höher ist als bei der Wahrnehmung von tie-rähnlichen Bewegungen (Pyles, Garcia, Hoffman &Grossman, 2007). In der Zusammenschau stützen diebisher skizzierten Untersuchungsergebnisse die Per-spektive der embodied perception nach der Beobach-ter ihr eigenes motorisches System zur Unterstützungder visuellen Analyse von menschlichen Handlungennutzen.

Sehe ich mich selbst in anderenPersonen?

Die bereits dargestellten Untersuchungsergebnissedeuten darauf hin, dass die Aktivität des motorischenSystems und die visuelle Sensitivität eines Beobach-ters dann größer ist, wenn Bewegungen beobachtetwerden, welche den Bewegungsmöglichkeiten einesBeobachters entsprechen. Denkt man diese Hypo-these logisch weiter, dann könnte vorhergesagt wer-den, dass Beobachter die größte visuelle Sensitivitäthinsichtlich ihrer eigenen Bewegungen aufweisenmüssten. Eine Reihe von Untersuchungsergebnissenunterstützt diese Hypothese. In einer Untersuchungvon Knoblich und Flach (2001) wurden Versuchsper-sonen gebeten, Pfeile auf ein Dartboard zu werfen.Ihre Bewegungsausführung wurde dabei auf Videoaufgezeichnet. Einige Tage später wurde den Ver-suchspersonen Videosequenzen von ihren eigenenWürfen und von den Würfen fremder Personen prä-sentiert. Die Personen sollten dabei einschätzen, wodie geworfenen Pfeile das Dartboard treffen. Die Ein-schätzungen von Versuchspersonen war dann besser,wenn sie ihre eigenen Bewegungen einschätzten.

In einer weiteren Untersuchung wurden Versuchs-personen bei der Ausführung unterschiedlicher Hand-lungen, wie zum Beispiel Springen auf der Stelle oderBoxen, gefilmt. Diese Videosequenzen wurden an-schließend in Point-Light Sequenzen umgewandelt.Über zwei Monate später wurden den Versuchsperso-nen die erstellten Point-Light Sequenzen in Paarenpräsentiert. Dabei musste entschieden werden, ob essich bei den Sequenzpaaren jeweils um die gleichePerson oder um unterschiedliche Personen handelte.Versuchspersonen trafen die meisten korrekten Ent-scheidungen, wenn sie Point-Light Sequenzen ihrereigenen Handlungen einschätzen mussten (Loula etal., 2005). Folgestudien konnten in diesem Zusam-

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menhang ausschließen, dass die erhöhte visuelle Sen-sitivität hinsichtlich selbsterzeugter Bewegungen vonder visuellen Vorerfahrung mit diesen Bewegungenabhängt (Prasad & Shiffrar, 2009).

Beobachter könnten ihre visuelle Sensitivität auchgegenüber unüblichen Bewegungen verändern, wennsie diese Bewegungen in Abwesenheit von visuellenEindrücken (z.B. durch verbundene Augen) ausfüh-ren oder üben (Casile & Giese, 2006). Das visuelleSystem von Menschen scheint für die Wahrnehmungvon eigenen Bewegungen optimiert zu sein. Verfahrenmit bildgebenden Verfahren könnten hier in Zukunftwichtige Hinweise liefern nach denen vermutet wer-den müsste, dass auch die neuronale Aktivität im mo-torischen Systems eines Beobachters höher seinmüsste, wenn Beobachter eigene im Vergleich zufremden Bewegungen beobachten.

Was nehmen Athleten anderswahr?

In Einklang mit aktuellen Theorien zum Thema Em-bodiment und Wahrnehmung, legen die oben zusam-mengefassten Studien nahe, dass Beobachter mitHilfe ihres motorischen Systems, die visuelle Wahr-nehmung eigener und fremder Bewegungen unterstüt-zen. Sportler, insbesondere Leistungssportler, besit-zen motorische Systeme, welche spezifischer adap-tiert sind, als die von Nicht-Sportlern. Dies legt nahe,dass visuelle Sensitivität menschlicher Bewegungenvon den sportlichen Fähigkeiten des Beobachters ab-hängig sein müsste. Die im Folgenden besprochenenStudien beschreiben einige Unterschiede in der vi-suellen Sensitivität hinsichtlich menschlichen Bewe-gungen zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern.

Sportler analysieren die Bewegungen ihrer Mit-und Gegenspieler häufig mit dem Ziel der Optimie-rung der eigenen Bewegungskoordination. DieserProzess verlangt vom bewegten Beobachter, seine ei-genen Bewegungen mit denen anderer Personen zuvergleichen. Forschungsarbeiten aus dem Bereich derPsychophysiologie legen nahe, dass Bewegungen aufSeiten des Beobachters die visuelle Wahrnehmungvon Bewegungen und Körperhaltungen anderer Per-sonen verändert. In einer Reihe von Studien sahenBeobachter Paare verschiedener menschlicher Kör-perhaltungen während eigener körperlicher Bewe-gung (z. B. Reed & Farah, 1995; Reed & McGoldrick,2007). Die eine Hälfte der Stimulipaare war identisch.In der anderen Hälfte unterschieden sich die Körper-haltungen in veränderten Bein- oder Armpositionen.Die Beobachter sahen jedes Stimulipaar, während siegleichzeitig ihre Arme oder Beine bewegten. Sie soll-ten entscheiden ob das gesehene Paar identisch war

oder nicht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Unter-scheidung von Körperhaltungen von den Bewegungendes Beobachters beeinflusst wird und gliedmaßenspe-zifisch ist. Mit anderen Worten: Die visuelle Sensiti-vität in Bezug auf Haltungsänderungen in bestimmtenGliedmaßen wird beeinflusst, wenn der Beobachtereine Körperhaltung bewertet und gleichzeitig die ent-sprechenden Gliedmaßen bewegt (Reed & McGol-drick, 2007).

Weitere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dassBewegungen auf Seiten des Beobachters auch dessenWahrnehmung von Bewegungen anderer Personenverändert. Eine dieser Studien hat die visuelle Sensiti-vität bezüglich unterschiedlicher Gehgeschwindigkei-ten untersucht, wobei der Beobachter auf einem Lauf-band ging, auf einem Laufband stand, oder auf einemFahrradergometer fuhr (Jacobs & Shiffrar, 2005). Diegehenden Beobachter zeigten einen systematischenAbfall in der visuellen Sensitivität in Abhängigkeitder Gehgeschwindigkeit der beobachteten Personen.Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die gleichzeitigeDurchführung und Wahrnehmung einer Bewegungdie visuelle Sensitivität bezüglich dieser Bewegungvermindert. In einer ähnlichen Untersuchung wurdedas Einschätzen von Gewichten beim Beobachten ei-ner Hebebewegung untersucht. Hier konnte gezeigtwerden, dass die Einschätzung des Gewichts beimBeobachten der Hebebewegung abhängig von demGewicht ist, welches simultan vom Beobachter selbstangehoben wird (Hamilton, Wolpert & Frith, 2004).Ein Gewicht, welches von einer anderen Person ange-hoben wird erscheint zumeist dann leichter, wenn derBeobachter gleichzeitig ein schweres Gewicht anhebt.Umgekehrt erscheint das Gewicht der beobachtetenBewegung zumeist dann schwerer, wenn der Beob-achter ein leichtes Gewicht anhebt (Hamilton et al.,2004).

Eine selektive Interferenz zwischen Handlungs-durchführung und Handlungswahrnehmung scheintkonkurrierende Anforderungen an visuell-motorischeRepräsentationen zu stellen, die sowohl Handlungs-steuerung als auch Handlungswahrnehmung kodieren(z.B. Prinz, 1997). Dies gilt sowohl für die Durchfüh-rung als auch für die Wahrnehmung einer gleichenHandlung. Während die gerade besprochenen Studiendarauf hinweisen, dass Handlungsausführung dieHandlungswahrnehmung beeinflussen, so scheintauch eine umgekehrte Beeinflussung stattzufinden.So nimmt beispielsweise die Variabilität von sinusför-migen Armbewegungen dann zu, wenn Personen an-dere Personen beobachten, welche ebenfalls sinus-förmige Armbewegungen in tangentialer Richtungausführen (Kilner, Paulignan & Blakemore, 2003).Demgegenüber verändert sich die Ausführung einerBewegung nicht, wenn Personen ähnliche Bewegun-gen beobachten, welche von einem Roboterarm aus-

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geführt werden (Kilner et al., 2003). Konsistent mitder Biologizität der Geschwindigkeitsprofile einerBewegung (z. B. Viviani, 2002) scheint dieser Interfe-renzeffekt stark von der Ähnlichkeit in den Ge-schwindigkeitsprofilen der ausgeführten und beob-achteten Handlungen abzuhängen (Kilner, Hamil-ton & Blakemore, 2007).

Die visuelle Sensitivität zu Handlungen andererPersonen hängt auch von den konditionellen Fähig-keiten eines Beobachters ab. Personen, welche sichstärker anstrengen (z.B. beim Gehen auf einemschräg gestelltem Laufband), nehmen die Gehge-schwindigkeit anderer Personen anders wahr als wennsie sich beim Gehen auf einem flach gestellten Lauf-band weniger anstrengen (Jacobs & Shiffrar, 2005).In ähnlicher Art und Weise schätzen physisch fittePersonen beim Gehen auf einem Laufband die Geh-geschwindigkeit von anderen Personen anders ein alsphysisch unfitte Personen. Unfitte Personen schätzeneine bestimmte Gehgeschwindigkeit als eher schnellein, während fitte Personen die gleiche Geschwindig-keit als eher langsam wahrnehmen (Jacobs & Shiffrar,2005).

Diese enge Verknüpfung zwischen Handlungs-wahrnehmung und Handlungsausführung scheintdurch deren Funktionalität moduliert zu sein. Damitist gemeint, ob ein Beobachter seine Handlungen mitden Handlungen einer beobachteten Person koordi-nieren kann. Sofern solch eine Koordination zustandekommen kann (z. B. dann, wenn ein Beobachter in diegleiche Richtung geht wie eine beobachtete Person),dann reflektiert die relative Gehgeschwindigkeit diemotorischen Fähigkeiten des Beobachters. Sofernsolch eine Koordination jedoch nicht zustande kommt(z.B. wenn der Beobachter von einer beobachtetenPerson weggeht), dann ist die visuelle Sensitivität hin-sichtlich der relativen Gehgeschwindigkeit unabhän-gig von den motorischen Fähigkeiten des Beobachters(Jacobs & Shiffrar, 2005).

Die Ergebnisse der genannten Studien besitzeneine Reihe von Implikationen für Athleten und Trai-ner, insbesondere in Mannschaftssportarten. Im Fuß-ball sind beispielsweise eine Reihe von Spielern einerMannschaft auf dem Feld, während andere Spieler aufder Bank sitzen. Beide Gruppen sowie auch die Zu-schauer versuchen die Bewegungen der Spieler bzw.Gegner auf dem Feld wahrzunehmen und zu analysie-ren. Die Spieler auf dem Feld führen dabei häufig diegleiche Aktion (Laufen) wie die Mitspieler und Geg-ner aus, während die Spieler auf der Bank die anderenSpieler der Mannschaft und die Gegner laufen sehenund dabei selber aber sitzen oder stehen. Diese einfa-che Unterscheidung macht Ð hinsichtlich unsere bis-herigen Diskussion Ð deutlich, dass Spieler auf demFeld die Handlungen anderer Spieler unterschiedlich

wahrnehmen müssten, wie Spieler auf der Bank.Diese Unterscheidung könnte beispielsweise erklärenwarum Spieler, Trainer oder Zuschauer manchmal dieHandlungen von Gegnern unterschiedlich wahrneh-men und interpretieren.

Wahrnehmung von Täuschungenim Sport

Eine fundamentale Fähigkeit in vielen Sportarten istes, die Intention von Gegnern wahrzunehmen. WennTorhüter beispielsweise einen geschossenen Ball hal-ten, dann versuchen sie häufig die Flugrichtung desBalles aus der Bewegung des Schützen zu antizipie-ren. Sportpsychologische Studien deuten dabei daraufhin, dass erfahrene Athleten besser das Ergebnis einerbeobachteten Handlung vorhersagen können als uner-fahrene Athleten (z. B. Abernethy, 1989; Muller,Abernethy & Farrow, 2006).

Eine Studie an Rugbyspielern konnte beispiels-weise nachweisen, dass Experten besser Täuschungenidentifizieren können als Novizen (Jackson, War-ren & Abernethy, 2006). Die Ergebnisse deuten dar-auf hin, dass visuelle und/oder motorische Expertisein einer bestimmten Domäne die Fähigkeit einesBeobachters verbessert, die Intentionen von anderenPersonen zu erkennen. Täuschungen im Sinne derVeränderungen in der Laufrichtung sind zumeistdeutlich sichtbare Ereignisse. Die Wichtigkeit deut-lich sichtbarer Ereignisse beim Erkennen der Inten-tion einer beobachteten Person wird aus Untersuchun-gen zur Vorhersage der Flugbahnen von Tennisbällendeutlich. Die Ergebnisse solcher Untersuchungendeuten darauf hin, dass Tennisexperten und Tennisno-vizen auf eine eher globale Analyse der Ganzkörper-bewegungen des Gegners angewiesen sind, wenn siekorrekte Vorhersagen treffen sollen. Dies tritt auchdann auf, wenn genügend lokale Informationen vor-liegen (Huys, Canal-Bruland, Hagemann, Beek, Smee-ton & Williams, 2009). In einer Studie von Sebanzund Shiffrar (2009) wurden beispielsweise die Vor-hersagefähigkeiten von Athleten bei Täuschungen imBasketball untersucht. Basketballexperten und Novi-zen wurden Ganzkörpervideos, Point-Light Sequen-zen und statische Bilder eines Basketballspielers prä-sentiert, welcher Täuschungswürfe und normale Pass-würfe ausführte. Alle Videosequenzen stoppten un-mittelbar bevor der Ball die Hände des Spielersverlassen hätte (normale Passwürfe) oder es den An-schein hatte dass der Ball die Hände verlassen würde(Täuschungswurf). Basketballexperten waren besserin der Identifizierung von Täuschungen als Novizen.Dieser Effekt fand sich jedoch nur in den Bedingun-gen mit dynamischen Stimuli, was darauf hindeutet,

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dass Experten bei der Wahrnehmung von Täuschun-gen auf bewegungsbezogene Hinweisreize angewie-sen sind.

Eine psychophysiologische Untersuchung anHandballexperten und Novizen wirft eine Reihe vonFragen hinsichtlich der Größe des Einflusses von vi-sueller und/oder motorischer Expertise hinsichtlichder Wahrnehmung von Täuschungen (Canal-Bruland &Schmidt, 2009) auf. Weder motorische noch visuelleErfahrung kann die Varianz in Verhaltensmaßen beider Wahrnehmung von Täuschungen vollständig er-klären (Canal-Bruland, van der Kamp & van Keste-ren, 2010). Neuere Ergebnisse mit bildgebenden Ver-fahren zeigen jedoch beispielsweise, dass Badminton-experten bei der Vorhersage von Schlagrichtungeneine höhere neuronale Aktivität in Arealen zeigen,welche mit der Handlungsausführung assoziiert sind(Wright, Bishop, Jackson & Abernethy, 2010). Inso-fern die Wahrnehmung von Täuschungen auf derAntizipation von Handlungsergebnissen beruhen, un-terstützen die genannten Ergebnisse die Hypothese,dass motorische Prozesse die visuelle Sensitivität beider Wahrnehmung eben dieser Täuschungen erhöhen.

In einer aufeinander aufbauenden Reihe von Stu-dien in welchen psychophysiologische Maße erfasstwurden und zudem das Verfahren der transkraniellenMagnetstimulation eingesetzt wurde, konnten dieneuronalen Korrelate bei der Antizipation von Hand-lungen erfasst werden. Dabei wurden professionelleBasketballspieler, professionelle Basketballtrainer undprofessionelle Sportjournalisten untersucht (Aglioti,Cesari, Romani & Urgesi, 2008). Die Auswahl derVersuchspersonen war dadurch motiviert, dass Bas-ketballspieler umfangreiche visuelle und motorischeVorerfahrung mit basketballtypischen Bewegungenaufweisen, während Trainer und Journalisten zumeistnur über umfangreiche visuelle Vorerfahrung verfü-gen. Die Personen in allen drei Gruppen sahen kurzeVideosequenzen von einem Basketballspieler derFreiwürfe ausführte. In der Hälfte der Videos landeteder Ball dabei im Korb. Die Personen sahen den Aus-gang der Würfe jedoch nicht, sondern wurden gebe-ten einzuschätzen ob der Ball im Korb landete odernicht. Basketballspieler waren in der Lage die Wur-fergebnisse eher und genauer vorherzusagen als Trai-ner oder Journalisten. Dieses Ergebnis stützt die Hy-pothese, dass motorische Expertise offenbar selektivdie visuelle Sensitivität auf bestimmte Handlungenerhöht (Aglioti et al., 2008). Die transkranielle Ma-gnetstimulation wurde genutzt, um die kortikospinaleErregbarkeit der Versuchspersonen zu bestimmen,während sie Freiwürfe im Basketball und Fußball-schüsse beobachteten. Professionelle Basketballspie-ler und Journalisten zeigten eine spezifische Aktivie-rung des motorischen Systems, wenn sie Freiwürfebeobachteten. Basketballspieler wiesen jedoch eine

klarer differenzierte Aktivierung auf als Journalisten,was darauf hindeutet, dass motorische Erfahrung we-sentlich an der korrekten Antizipation von Hand-lungsergebnissen beteiligt ist.

Handlungswahrnehmung beiverletzten und motorischeingeschränkten Athleten

Falls die Bewegungsfähigkeiten eines Beobachters dieSensitivität seiner visuellen Wahrnehmung beeinflusst,dann sollten sich entsprechende Veränderungen in dervisuellen Wahrnehmung bei verletzten Athleten nach-weisen lassen, wenn sie aufgrund der Verletzung nichtin der Lage sind bestimmte Bewegungen auszuführen.Während diese Frage bislang noch nicht hinreichenduntersucht wurde, deutet jüngste empirische Evidenzdarauf hin, dass Verletzungen oder Einschränkungendie Sensitivität der visuellen Wahrnehmung signifi-kant einschränken kann (Serino, Casavecchia, De Fil-lippo, Coccia, Shiffrar & Ladavas, 2010). In der Stu-die von Serino et al. (2010) wurde die visuelle Sensi-tivität zu Point-Light Sequenzen von einfachenmenschlichen Bewegungen bei 10 gesunden Beob-achtern und 10 halbseitig gelähmten Probanden un-tersucht. Die gelähmten Probanden waren nicht in derLage, einen ihrer Arme zu bewegen. Die Point-LightSequenzen wurden von einfachen, mit dem gesundenArm ausgeführten, aufgezeichneten Handlungen (z.B.sich selber bekreuzigen, eine Kusshand machen, eineZigarette rauchen) der gelähmten Patienten erstellt.Den Probanden wurden diese Sequenzen in normalerAnsicht und in horizontal gespiegelter Ansicht prä-sentiert und sie sollten die jeweilige Handlung korrektidentifizieren. Wenn die Sequenzen in gespiegelterAnsicht präsentiert wurden, sah es für die halbseitiggelähmten Beobachter so aus, als wären die Bewe-gungen der Sequenzen mit dem gelähmten Arm aus-geführt worden. Die gelähmten Probanden zeigteneine größere visuelle Sensitivität zu den normalenPoint-Light Sequenzen als zu den spiegelverkehrt prä-sentierten Sequenzen. Gesunde Probanden zeigtenkeinen Unterschied hinsichtlich der beiden Bedingun-gen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass physischeEinschränkungen (z.B. durch akute Verletzungen oderaufgrund von Chronifizierungsprozessen) die Wahr-nehmungsleistung des visuellen Systems hinsichtlichBewegungen, welche jemand aufgrund einer Läh-mung nicht mehr ausführen kann, signifikant beein-flusst.

Natürlich besitzen nicht alle leistungsmäßig täti-gen Athleten einen voll funktionsfähigen Körper. Sokann beispielsweise beobachtet werden, dass Athletenmit einfachen oder mehrfachen Amputationen sogar

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Wettkämpfe wie den Ironman Triathlon bestreiten. Indiesem Zusammenhang stellt sich aus Sichtweise derembodied perception unmittelbar die Frage wie Perso-nen, welchen ein oder mehr Körperteile fehlen, Bewe-gungen wahrnehmen, die mit den amputierten Kör-perteilen ausgeführt würden? Die Ergebnisse einerStudie zur visuellen Wahrnehmung von Armdrehun-gen an Probanden, welche bereits ohne Arme geborenworden sind, deuten darauf hin, dass motorische Pro-zesse in dem Grad die visuelle Wahrnehmung menschli-cher Bewegung beeinflussen, in dem eine Korrespon-denz zwischen der beobachteten Bewegung und derinternen (Körper-)Repräsentation des Beobachtersbesteht (Funk et al., 2005). Insofern diese Korrespon-denz nicht besteht, ist es wahrscheinlich, dass Hand-lungen als Objekte visuell prozessiert werden undkein Einfluss motorischer Prozesse stattfindet. WennPersonen allerdings neuronale Repräsentationen vonKörperteilen besitzen, welche sie niemals gehabt ha-ben, dann unterscheiden sich ihre visuellen Wahrneh-mungen nicht von denen, welche bei gesunden Beob-achtern bei der Beobachtung von menschlichen Be-wegungen bestehen (Funk et al., 2005).

Schlussfolgerungen

Theorien der embodied perception nehmen an, dassvisuelle Wahrnehmungsprozesse durch die Tatsachebeeinflusst werden, dass das visuelle System in einemKörper integriert ist, welcher mit einer dynamischenUmwelt interagiert. Empirische Ergebnisse deuten indiesem Kontext darauf hin, dass die Wahrnehmungs-bildung der physikalischen und sozialen Umwelt da-von abhängt, inwieweit sich der Körper von Beobach-tern in dieser Umwelt bewegen kann (Bewegungsmö-glichkeiten), sich bereits bewegt hat (Bewegungser-fahrung), sich aktuell bewegt (Bewegungszustand)und sein Bewegungssystem repräsentiert (Körper-schema). Leistungssportler können ihre Körper zu-meist auf bestimmte Arten und Weisen bewegen, wel-chen Freizeitsportlern oder Nichtsportlern vorenthal-ten bleibt. Diese motorische Expertise wird zu einemGroßteil für Veränderungen in der neuronalen Aktivi-tät verantwortlich gemacht, welche der visuellen Sen-sitivität bei der Wahrnehmung von Handlungen zuGrunde liegt. Athleten mit hoher motorischer Exper-tise weisen demzufolge nicht nur entsprechend ausge-bildete motorische Systeme auf, sondern auch ent-sprechend ausgebildete visuelle Systeme, welche op-timal auf die Wahrnehmung von (menschlichen) Be-wegungen angepasst sind. Die Ergebnisse die solchenSchlussfolgerungen zu Grunde liegen stellen eineklare Herausforderung für klassische Theorien der vi-suellen Wahrnehmung dar, welche vorhersagen, dassdas visuelle System unabhängig von seiner Einbet-

tung bei allen Personen immer in der gleichen Artund Weise funktionieren sollte. Stattdessen deuten dieWahrnehmungsfähigkeiten von trainierten Personendarauf hin, dass das visuelle System Informationen inder Art und Weise verarbeitet, welche das Bewe-gungssystem reflektiert, in welchem das visuelle Sy-stem eingebettet ist.

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Page 13: „Embodiment“ der visuellen Wahrnehmung von ... · Perzeptuelles Lernen allein kann die überragenden Wahrnehmungsleitungen von Topathleten jedoch nicht erklären. ... Beispiel

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13Embodied Perception

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Thomas Heinen

Deutsche Sporthochschule KölnPsychologisches InstitutAm Sportpark Müngersdorf 650933 KölnE-Mail: [email protected]

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