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Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft Sommersemester 2007 EINSTIEG Planung: 1. Einstieg 2. Allgemeines 3. Überblick Methoden I 4. Überblick Methoden II 5. Überblick Methoden III 6. Überblick Methoden IV 7. Forschungsprojekte in der Linguistik 8. Gemeinsames Entwickeln eines Forschungsdesign - Gruppenarbeit 9. Kritische Begutachtung unseres Forschungsdesigns und Methodenauswahl 10. Entwickeln eines Fragebogens/Beobachtungsleitfadens/DCTs usw. 11. Gruppen-/Partner-/Einzelarbeit: Konzeption eines eigenen empirischen Forschungsdesigns 12. Fortsetzung: empirisches Forschungsdesign 13. Posterpräsentation Forschungsdesign (in Anlehnung an Posterpräsentationen bei Tagungen) 14. (Statistische) Auswertung Einstieg: Was ist Forschung? Sicht der Studierenden: „Der gesunde Menschenverstand ist vage und unzuverlässig, die soziale Welt können wir nur durch sorgfältige Forschung kennen lernen.“ (Emile Durkheim)

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Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft Sommersemester 2007 EINSTIEG Planung:

1. Einstieg 2. Allgemeines 3. Überblick Methoden I 4. Überblick Methoden II 5. Überblick Methoden III 6. Überblick Methoden IV 7. Forschungsprojekte in der Linguistik 8. Gemeinsames Entwickeln eines Forschungsdesign - Gruppenarbeit 9. Kritische Begutachtung unseres Forschungsdesigns und Methodenauswahl 10. Entwickeln eines Fragebogens/Beobachtungsleitfadens/DCTs usw. 11. Gruppen-/Partner-/Einzelarbeit: Konzeption eines eigenen empirischen

Forschungsdesigns 12. Fortsetzung: empirisches Forschungsdesign 13. Posterpräsentation Forschungsdesign (in Anlehnung an

Posterpräsentationen bei Tagungen) 14. (Statistische) Auswertung

Einstieg: Was ist Forschung?

Sicht der Studierenden:

„Der gesunde Menschenverstand ist vage und unzuverlässig, die

soziale Welt können wir nur durch sorgfältige Forschung kennen

lernen.“ (Emile Durkheim)

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Definition aus Wikipedia: Als Forschung wird die systematische, oft auch zufällige Suche nach neuen Erkenntnissen bezeichnet und in der Regel in wissenschaftlichen Disziplinen betrieben. Die Forschung trägt zur Erweiterung menschlichen Wissens bei und stützt sich dabei auf Altbekanntes oder versucht, bisherige Systeme, Regeln, Theorien zu widerlegen, um ein neues Verständnis von den Phänomenen und unserer Umwelt zu erlangen. Forschung wird im Allgemeinen unterschieden in Grundlagenforschung („reine“ Forschung) und Angewandte Forschung (Zweckforschung) Wikipedia I. Grundsätzliche Fragen: » Warum soll überhaupt etwas beobachtet werden? Ermöglicht Aussagen über die Wirklichkeit, die man bestrebt ist zu erforschen (Nachvollziehbarkeit, Reproduzierbarkeit, Verbesserung der Gegebenheiten, Vermeidung von gemachten Fehlern, Spekulation über zukünftige Ereignisse, Bestreben Neues zu erfassen)

» Was soll erfahren bzw. beobachtet werden? » Wie sollte etwas beobachtet werden?

Ca. 15 Minuten Was könnte man denn im Bereich der Linguistik erforschen? Setzen Sie sich in kleinen Gruppen zusammen. Überlegen Sie, welche Seminare Sie im Bereich der Linguistik besucht haben und überlegen Sie dann, was man denn konkret untersuchen könnte. Sammlung der von Ihnen vorgeschlagenen Forschungsfragen: Diese lassen wir zunächst einmal so stehen, um sie später genauer zu klassifizieren.

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II. Was kann man erforschen? Beschreibung: Was ist der Fall? -> Deskriptive Aussagen z.B. „in Tonga beherrschen 70% der Menschen die englische Sprache“ oder „in Deutschland benutzen noch x% der Menschen trotz mit dem Genitiv“ Erklärung: Warum ist etwas der Fall? -> Nomologische Aussagen z.B. „bei frühem Kontakt mit einer Fremdsprache ist die Aussprache sehr viel besser“ oder „Menschen, die bilingual aufwachsen, lernen eine dritte Sprache leichter“ Weitere Tatbestände -> oft Beschreibung + Erklärung z.B. „Eine Aufforderung gegenüber dem Dekan der Uni wird anders formuliert als gegenüber der eigenen Mutter“ -> Wie + Warum? Sprachbeschreibungen/Grammatiken – von den ca. 6000 Sprachen – nur ca. 600 Grammatiken vorhanden -> Feldforschung mit dem Ziel eine Grammatik zu erstellen. Kognitionsforschung: Sprache und Wahrnehmung beeinflussen sich -> Beispiel: Raumwahrnehmung Spracherwerb: Sprachlehrforschung, z.B. Phonemsystemerwerb, Syntaxerwerb L1 vs. L2 Auswahl des Untersuchungsgegenstandes hängt vom Erkenntnisinteresse ab, das insbesondere zwischen den einzelnen Disziplinen variieren kann

Operationalisierungsproblem: Abstrakte Untersuchungsgegenstände müssen messbar gemacht werden (Operationalisieren werden wir in den Folgewochen üben!) III. Beispiele für konkrete Forschungsfragen: Warum sterben Sprachen aus? Wie wird Plural in Sprachen dargestellt, die keine Pluralmarkierung haben? Haben numerusindifferente Sprachen immer ein Numeralklassifikatorensystem? Sprachen die nicht über Modalverben verfügen, haben andere Mittel zur Markierung von Höflichkeit Welchen Einfluss hat soziale Distanz auf den Sprechakt der Begrüßung? Übergeneralisierungen sprechen für das Vorhandensein des von Chomsky postulierten LAD IV. Typen von Untersuchungszielen (nicht immer klar voneinander zu trennen!) (a) Explorative Untersuchungen Was passiert, wenn eine erneute Schriftreform unsinnige Regeln vorschreibt? (b) Deskriptive Untersuchungen Wie sehen die Mittel zur Markierung von Höflichkeit im Chinesischen aus?

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(c) Prüfung von Hypothesen und Theorien Je größer die soziale Distanz, desto wahrscheinlicher wird eine morphologisch längere Begrüßungsform gewählt (2 Variablen: soziale Distanz – Länge der Begrüßung) (d) Evaluationsstudien Erhöht der frühe Kontakt mit fremden Phonemsystemen die Aussprachekompetenz? Um nun Sachaussagen treffen zu können, also um unsere Fragen beantworten zu können, müssen wir (a) Daten sammeln und (b) die Daten interpretieren Problem: Die Beobachtung der Wirklichkeit wird oft verzerrt:

- Selektionsproblematik: was genau wollen wir als Grundlage nehmen? Was erforschen?

- Stichprobenproblematik: Wen beobachten wir? Wie viele Menschen müssen wir beobachten? (Kohorte: gleiches Alter z.B.)

- Wahrnehmungsselektion: Mit einem Ziel vor Augen interpretieren wir manche Dinge gerne so, wie wir sie gerne hätten (Vorurteile und Erwartungen = hypothesengesteuerte Wahrnehmung)

Diese Verzerrungen sollen nun vermieden bzw. eher minimiert werden, indem man sich festgelegter Methoden bedient, die wir in den kommenden Wochen kennen- und anwenden lernen wollen. Auch die Interpretation der Daten ist oft verzerrt, so dass auch für die Datenauswertung genaue Methoden vorhanden sind. Diese werden wir lediglich theoretisch, nicht praktisch behandeln (sinnvoll: SPSS-Kurse). Ein paar (Standard)Beispiele für Fehlinterpretationen (nicht aus dem Bereich der Linguistik) SPIEGEL: 50% der verunglückten Skifahrer in Chur in der Schweiz sind Deutsche -> Rückschluss: Die Deutschen sind schlechte Skifahrer -> wenn 90% der Skifahrer Deutsche sind und nur 10% Schweizer, aber auch 50% Schweizer verunglückt sind, dann wären die Deutschen sehr viel bessere Skifahrer als die Schweizer -> ein wichtiges Kriterium blieb also unberücksichtigt Ähnlich: ADAC: Bei hohen Geschwindigkeiten ereignen sich weniger Unfälle als bei niedrigen“ -> keine Tempolimits einführen -> auf den ersten Blick richtig -> aber nicht prozentual berücksichtigt, dass wesentlich mehr Menschen mit Tempo 140 fahren als mit 200 und daher hier mehr Unfälle passieren müssen. Emil Durkheim: Verheiratete Männer begehen häufiger Selbstmord als ledige -> Hypothese: Frauen machen Männer fertig (Scheinkorrelation) -> Vergessene Variable: Alter

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Betrachten wir nun noch einmal Ihre Forschungsfragen und versuchen sie näher zu klassifizieren.

Klassifizieren Sie Ihre eigenen Forschungsfragen Exkurs: Radikaler Empirismus Im herkömmlichen Sinn gibt es eine strikte Trennung zwischen Empirikern und Theoretikern. Auch im Bereich der Linguistik gibt es Forscher, die reine Empiristen sind, d.h. sie gehen davon aus, dass man NIE mit einer vorgefassten Hypothese forschen sollte. Man sammelt Daten ohne Hypothese/Vermutung und erst bei der Datenauswertung formuliert man dann Zusammenhänge/ Kor-relationen.

Der Empiriker argumentiert, dass man nur

genügend Einzelbeobachtungen

zusammentragen muss, um das komplexe

Beziehungsgefüge zwischen diesen isolierten

Informationen erkennen zu können. Der

Empiriker lehnt die Vorwegnahme dieser

Beziehungen ab und steht so im Gegensatz zum

Theoretiker, der von einem Bezugssystem

ausgeht und sich in seinen Forschungen von den

daraus abgeleiteten Implikationen führen lässt

(Argument der Ökonomie!)

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Der Empiriker verfährt induktiv, d.h., er bewegt sich von den Fakten zur

Formulierung von Gesetzesaussagen, die die Fakten beschreiben.

Der Theoretiker verfährt deduktiv, d.h., er geht von einem allgemeinen

Grundsatz oder einer "dumpfen Ahnung" aus und sucht nach Evidenz, die den

Grundsatz bekräftigen soll.

Der Theoretiker gibt dabei jedoch auch vor, empirisch zu arbeiten. Seine Form

der Empirie wird jedoch von der ‚reinen’ Empiristen entweder ganz abgelehnt

oder aber zumindest bezweifelt. Wir nehmen hier zunächst die in den Sozial- und

Wirtschaftswissenschaften übliche ‚theoretische’ Position ein.

Literatur Diekmann, Andreas (2004): Empirische Sozialforschung. 11. Auflage. Reinbek: Rowohlt. Kromery, Helmut (2000): Empirische Sozialforschung. 9. Auflage. Verlag Leske + Budrich, Opladen. Schnell, Rainer; Hill, Paul und Esser, Elke (1999): Methoden der empirischen Sozialforschung. 6. Auflage. München: Oldenbourg.

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Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft II Sommersemester 2007 Allgemeines Der lange Weg der empirischen Forschung:

Wissenschaftstheorie Die Elemente des Forschungsprozesses sind

• Variablen • Hypothesen • Theorien und Erklärung

Ausblick: Wissenschaftstheoretische Probleme und Alternativpositionen Popper (1973): Wissenschaft ist ein evolutionärer Prozess, der aus drei Komponenten besteht: Problem Theorie Empirie [neue Probleme] Meist gehen in der empirischen Forschung (vgl. Methodenstreit) Theorien der Empirie voraus. Die Empirie wird dann dazu verwendet, die Theorien zu überprüfen.

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Annäherung an den Begriff der Theorie Woraus bestehen Theorien?

-> Variablen als „kleinste Einheit“ Wie ist eine Theorie aufgebaut?

-> Hypothesen als „Grundstruktur“ Wozu brauche ich Theorien?

-> Suche nach Kausalität und Erklärung Was sind Variablen? Sie erinnern sich an die 1. Sitzung!?

Man unterscheidet:

• Variable • Ausprägungen einer Variable (Merkmalsausprägung) • Merkmalsträger

Einfache Variable: Geschlecht -> Hat die zwei Ausprägungen weiblich u. männlich (dichotome Variable) -> Merkmalsträger sind Individuen (Menschen, Tiere) Werden die Ausprägungen codiert, dann spricht man von Variablenwerten, z.B. 1 und 2

(10 Minuten) Wie sieht es bei folgenden Variablen aus?

- Genus - Numerus - Haarfarbe - Phonetik - Schulabschluss

Variabeln feiner differenziert: qualitative oder kategoriale Variablen: Ausprägungen bezeichnen Qualitäten, Zustände (höflich, freundlich, erfolgversprechend)

Variable bezeichnet ein Merkmal oder Eigenschaft von Personen, Gruppen, Organisationen, Gegenständen, Gesellschaften, Sprachen, etc.

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quantitative Variablen: Ausprägungen bezeichnen Ausmaße, Quantitäten (80%, 23 Jahre, 3987 Euro) absolute Variablen: Beispiele sind Geschlecht, Bildung, Alter relationale Variablen: Diese werden durch die Beziehung zu anderen Personen bestimmt, Beispiel: Statusdifferenz zwischen zwei Personen (hierarchisch über- oder untergeordnet) Diese können wiederum differenziert werden nach sog. manifesten bzw. beobachtbare Variablen: z.B. Körpergröße, Geschlecht, Augenfarbe, Alter und latenten bzw. nicht direkt beobachtbare Variablen: z.B. Intelligenz, sozio-ökonomischer Status, subjektives Empfinden, Selbstzufriedenheit). Latente Variablen beruhen oft auf einem Satz von manifesten Variablen (z.B. Items in einem Fragebogen, Sozialindikatoren für Herkunft) Konstruktionsregeln von Variablen Konstruktionsregeln Bezeichnung von Variablen (Name) und Festlegung der Ausprägung ist eine Definitionsfrage, aber Variablenausprägungen sollten disjunkt (keine Überschneidungen) und erschöpfend (alle Möglichkeiten enthaltend) sein. Nicht Disjunkt wäre: Mann Frau Mädchen Frau und Mädchen überschneiden sich (bezügl. Geschlecht, nicht bezügl. Alter) Nicht erschöpfend wäre bei Genus (im Dt.): Maskulina + Feminina Neutrum fehlt Eigenschaften der Ausprägungen: diskret (dichotom oder polytom (drei oder mehr Ausprägungen), aber endliche Anzahl von Ausprägungen) oder kontinuierlich bzw. stetig (z.B. Einkommen; prinzipiell nicht abzählbare Anzahl von Ausprägungen) sein. Eigenschaften der Merkmalsträger Es kann sich um Individualmerkmale (Geschlecht, Bildung einer Person, Anzahl der beherrschten Sprachen) oder Kollektivmerkmale handeln. Kollektivmerkmale sind Merkmale einer Menge von Elementen, wobei die Elemente selbst wiederum Mengen von Elementen einer tieferliegenden Stufe repräsentieren können. Kollektivmerkmale z.B.: Schüler und Schülerinnen -> gehören zu einer Schulklasse -> gehören zu einer Schule -> gehören zu einer Gemeinde -> gehören zu einem Bundesland etc. Kollektivmerkmale detaillierter:

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- analytische Kollektivmerkmale: Merkmalsausprägung setzt sich aus Aggregation von absoluten Individualmerkmalen zusammen (% Frauen, die Französisch sprechen)

- strukturelle Kollektivmerkmale: setzt sich aus dem Aggregat von

relationalen Individualmerkmalen zusammen.

- globale Kollektivmerkmale: genuine Eigenschaft eines Kollektivs, z.B. Raumwahrnehmung, Sitten und Gebräuche, z.B. Handschlag vs. Verbeugung

Beispiel: Variable: Frauenquote an deutschen Universitäten Merkmalsausprägungen: Anteil in %, kann eine Anzahl im Intervall von 0 und 100 annehmen (also quantitativ (nicht qualitativ), relational (wird durch die Beziehung zu Männern an deutschen Universitäten bestimmt). Ferner analytisch kollektiv -> absolutes Individualmerkmal: Geschlecht Merkmalsträger: die deutschen Universitäten Aussageformen

Wenn eine Sprache einen Dual hat, dann hat sie auch einen Plural. Wenn eine Sprache einen Plural hat, dann hat sie auch einen Singular.

Wenn-dann-Aussagen (wenn a, dann b) – deterministische Hypothesen Wenn-Komponente = (unabhängige Variable), Dann-Komponente (abhängige Variable) Implikation: Wenn A, dann B; falls ¬A, dann B oder ¬B Wenn Dual, dann Plural Wenn kein Dual, dann entweder Plural oder kein Plural (stimmt!) Oder: (Äquivalenzbeziehung) Wenn A und nur wenn A dann B Wenn Dual, und nur wenn Dual, dann auch Plural (stimmt nicht!) viele Sprachen haben nur Plural + Singular oder aber auch nur Singular Wenn ¬A, dann ¬B Wenn kein Dual, dann auch kein Plural (s.o. stimmt nicht)

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Nehmen wir ein nicht-linguistisches Beispiel:

Wenn ich eine (jede) psychisch kranke Frau küsse, dann wird sie gesund.

Wenn ich eine (jede) psychisch kranke Frau küsse, dann dann wird sie in 99,9% aller

Fälle gesund.

Diese werden kodiert als: Wenn A, dann p (B) > p (¬B) Wenn A (also wenn ich die psychisch kranke Frau küsse), dann ist B = gesund werden wahrscheinlicher als ¬B = nicht gesund werden. Je-Desto-Hypothesen: Probabilistische Hypothesen Je-desto-Hypothesen Zusammenhänge bei kontinuierlichen Variablen, z.B. „Je wichtiger Höflichkeit in einer Kultur ist, desto mehr sprachliche Höflichkeitsformen weist sie auf“ (monoton steigende Kurve -> mindestens zwei Sprachen müssen analysiert werden.) Zu unterscheiden hier: ungerichtete und gerichtete Je-desto-Hypothesen: ungerichtete Hypothese: Hypothesen, die keine spezifische Richtung der Beziehung postulieren. »Wenn a eintritt, verändert sich b.« (Wenn eine Sprache dauerhaften Kontakt zu einer anderen Sprache hat, verändert sie sich) nicht-linguistisch: Es existiert eine Relation zwischen Geschlecht und Gesundheit. gerichtete Hypothese: Hypothesen, die eine spezifische Richtung der Beziehung postulieren. »Wenn a eintritt, verbessert sich b.« (Wenn eine Sprache dauerhaften Kontakt zu einer anderen Sprache hat, vergrößert sich ihr Lexikon (durch Lehnwörter) nicht-linguistisch: Frauen werden älter als Männer (mehr Gesundheit).

(15 Minuten) Definieren Sie anhand der bisher gemachten Daten die folgende Hypothese: „Frauen verwenden mehr hedges als Männer“. Was sind die Variablen? Welche Form von Variablen?

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Welche Form von Hypothese? Wo liegen die Probleme?

(15 Minuten) Überlegen Sie, wie Sie diese Hypothese überprüfen könnten. Wie würden Sie vorgehen? Vorgriff auf die Methoden und die Operationalisierung von Variablen Ablauf einer empirischen Untersuchung -> eingangs als Grafik (A) Formulierung des Forschungsvorhabens (Hypothese) Begründung: Warum erscheint es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen? (B) Planung der Untersuchung: Operationalisierung der Variablen

Wahl des Erhebungsinstruments, Pretest -> Überarbeiten des Erhebungsinstruments

(C) Datenerhebung (D) Datenauswertung (E) Forschungsbericht (A) Bleiben wir bei der Hypothese „Frauen verwenden mehr hedges als Männer“.

Warum sinnvoll? (Diskussion Plenum) (B) Planung der Untersuchung Operationalsierung der Variablen Variablen: Operationalisierung (def.=): hinreichend genaue Anweisungen, wie die in einem theoretischen Begriff spezifizierten Eigenschaften, beobachtbaren Sachverhalten zugeordnet werden sollen. (1) Geschlecht: weiblich -> absolute Variable; kategorial: Qualität weiblich; manifest: Geschlecht erkennbar; diskret: dichotom: weiblich vs. männlich; Individualmerkmal

Mann 0 Frau 1

- disjunkt

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- erschöpfend: es gibt nur Mann und Frau -> daher erschöpfend (Problem: Zwitter?)

(2) Verwendung von hedges -> quantitative Variable (mehr als); relational: mehr als – Vergleich mit Männern, manifest: sind zählbar, ebenfalls diskret: endliche Zahl von Ausprägungen in einer Sprache hedges: in Zahlen festzuhalten

-> disjunkt + erschöpfend z.B.

keine hedges 0 0-10 hedges 1 11-20 hedges 2 21-30 hedges 3 usw.

Aussageform: Möglichkeit (a) Wenn Frau, dann mehr hedges -> Wenn A und nur wenn A (+weiblich), dann B (mehr hedges) -> Wenn A (+weiblich), dann p (B) (Verwendung von hedges) > (mehr, wahrscheinlicher) als p (¬B) (Verwendung von weniger hedges) -> Vergleichsgröße: Verwendung von hedges bei Männern Möglichkeit (b) Je mehr hedges verwendet werden, desto eher handelt es sich bei dem Sprecher um eine Frau. Vorteil: kontinuierliche Variable Anzahl von hedges Gerichtete Hypothese (ungerichtet: Es gibt eine Relation zw. Geschlecht und Verwendung von hedges) Während die Variable Geschlecht (konstante V.) einfach zu definieren (oder operationalsieren) ist, muss die Variable hedge sehr genau bestimmt – operationalisiert werden. Es folgt also eine genauere Betrachtung des Begriffs hedge: Sprachliche hedges werden hier unter der Perspektive von Diskursanalyse und

Sprechakttheorie verstanden.

Any linguistic device by which a speaker avoids being compromised by a

statement that turns out to be wrong, a request that is not acceptable, and so on.

Thus, instead of saying ‘This argument is convincing’, one might use a hedge and

say ‘As far as I can see this argument is convincing’; instead of simply giving an

order ‘Carry it into the kitchen!’ one might use an interrogative as a hedge and

say ‘Could you perhaps carry it into the kitchen?’ (MATTHEWS 1997: 160)

Mit hedging bezeichnet man also das sprachliche Phänomen, sich in Bezug auf

eine Aussage mit bestimmten Wörtern oder Formulierungen gegen potentielle

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Vorwürfe abzusichern oder sich vor Anschuldigungen zu schützen. Der Sprecher

bzw. Textproduzent legt sich nicht absolut fest sondern relativiert und modifiziert

seine Aussage durch hedges. Man kann hedges nur im kommunikations-

relevanten Ganzen erkennen. Einzelne Wörter oder Wendungen zu isolieren,

erweist sich als schwierig. Erkennen kann man sie lediglich im Zusammenhang

mit dem gesamten sprachlichen Komplex.

Beispiele:

Es scheint, ich glaube, ich denke, möglicherweise, vielleicht, scheinbar,

irgendwie, eigentlich -> zu erkennen, ob hedge oder nicht NUR im Kontext.

Um nun aber Ihre empirische Forschung durchführen zu können, müssen Sie

genau darlegen, was sie als hedge zählen werden – mit dem Hinweis, dass Sie

dabei den Kontext jeweils berücksichtigen. Sie müssen also quasi eine isolierte

lexikalische Liste entwerfen. Ihre sprachwissenschaftliche Betrachtung des

Begriffs müsste hier in der Realität ca. 10 Seiten umfassen.

Operationalisierung hedge Möglichkeit

- Performative Verben (ich schlage vor)

- Modalwörter (ich denke, es scheint)

- Modalverben (könnte, müsste, sollte, würde)

- Modalpartikeln (doch, mal, wohl, schon, bloß, eigentlich, irgendwie)

- Adjektive, Adverbien (möglicherweise, rötlich)

bestimmte Personalpronomen (Vermeidung/man)

Passivkonstruktionen (Der Kuchen soll gegessen werden)

unpersönliche und indirekte Wendungen (es ist sehr wahrscheinlich, es

gibt eigentlich keinen Grund, es nicht ...)

parenthetische Konstruktionen (Dies ist – so meine unbedeutende Meinung

– schwerlich zu realisieren).

- Konjunktiv und Konditionalgefüge (Wenn es möglich wäre, würde ich)

- negierende Formulierungen (Ich würde nicht so weit gehen und es

rundwegs ablehnen, aber)

- Approximatoren (ungefähr, so ca., gegen).

Sie können nun alle Indikatoren wählen, einige auswählen – und begründen,

warum sie diese wählen, und müssen diese dann noch genauer spezifizieren als

hier. Wählen wir lediglich 3 Indikatoren aus und fassen sie zur Kategorie

Modalität zusammen -> wiederum ca. 3-5 Seiten über die Problematik der

Abgrenzung zwischen Modalwörtern, -verben und –partikeln.

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Wir berücksichtigen in unserer Analyse die folgenden sprachlichen Formen:

ich denke, es scheint, vermutlich, sicherlich, bekanntlich, allerdings, freilich,

offenbar, anscheinend, angeblich, schwerlich, glücklicherweise, hoffentlich,

leider, bedauerlicherweise, könnte, müsste, sollte, würde, doch, mal, wohl,

schon, bloß, eigentlich, irgendwie, wahrscheinlich, vielleicht

Vgl. Sommerfeldt/Starke: Einführung in die Grammatik der deutschen Gegenwarts-

sprache, S. 162f.

Indikatoren Männer Frauen

allerdings

angeblich

anscheinend

bedauerlicherweise

bekanntlich

bloß

doch

eigentlich

es scheint

freilich

glücklicherweise

hoffentlich

ich denke

irgendwie

könnte

leider

mal

müsste

offenbar

schon

schwerlich

sicherlich

sollte

vermutlich

vielleicht

wahrscheinlich

wohl

würde

(2) b Wahl des Erhebungsinstruments bzw. Festlegung der Untersuchungsform

Untersuchungseinheit: Individuen Erhebungseinheit: sprachliche Mittel

Falls Zeit: Überlegen Sie schon einmal, wie man die Daten erheben könnte? (Diskussion, Plenum)

Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft III Sommersemester 2007 Überblick Methoden I (A) √ Formulierung des Forschungsvorhabens (Hypothese) Begründung: Warum erscheint es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen? (B) Planung der Untersuchung: Operationalisierung der Variablen

Wahl des Erhebungsinstruments, Pretest -> Überarbeiten des Erhebungsinstruments

(C) Datenerhebung (D) Datenauswertung (E) Forschungsbericht Wahl des Erhebungsinstruments bzw. Festlegung der Untersuchungsform Untersuchungseinheit: Individuen Erhebungseinheit: sprachliche Mittel

1. Frage: Wer soll untersucht werden?

Definition der Population z.B. deutsche Frauen/Männer im Alter von xy Art der Stichprobenziehung z.B. Studierende, wiss. Angestellte, keine

Vorgabe Umfang der Stichprobe je x Frauen und x Männer

2. Zeit- und Kostenplan

Wie jedes wirtschaftliche Projekt müssen auch wissenschaftliche Projekte ein Zeit- und Kostenmanagement besitzen

Kosten: hier Zeit der ‚ForscherInnen’, event. Kopiergeld, Telefonkosten – je nach Erhebungsinstrument – wenn Videomitschnitte: TECHNIK

Zeitplan und Zeitbedarf: wie viel Zeit habe ich für Konzeption des Erhebungsinstruments (Beobachtung, Fragebogen, DCT etc.)? wie lange brauche ich, um die erforderlichen Daten zu sammeln? Wie lange brauche ich, um sie auszuwerten? Wie lange brauche ich für die abschließende Dokumentation?

3. Pretest des Instruments (wir werden die einzelnen Instrumente behandeln, Fragebogen, Interview, Gesprächsaufzeichnung, DCT, Beobachtung)

Erhebungsformen allgemein o Befragung (persönlich: face-to-face, telefonisch, schriftlich: Fragebogen) o Beobachtung (teilnehmend oder nicht teilnehmend, mit/ohne Aufzeichnung) o Inhaltsanalyse (Textdokumente, Fernsehreportagen) o Tagebuchstudien (Selbstbeobachtung) o Diskursergänzungsverfahren

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Wenn möglich: Einsatz mehrerer Formen Wahl des Erhebungsinstruments – Allgemeines Wie komme ich zu einem „guten Messinstrument“? Welche Erhebungsform eignet sich am besten? Wie soll etwas erfasst (gemessen) werden? Messungen (allgemeines) Welche Informationen erhalte ich mit einer Messung? (Skalenniveau) Wie kann ich Informationen durch die Messung erhöhen? (Skalierung) Wie „gut“ ist meine Messung? Gütekriterien: Objektivität, Reliabilität und Validität Messungen Direkte Messung Direkt beobachtbarer Merkmale (Gewicht, Körpergröße, Alter, etc.) Indirekte Messung Nicht direkt beobachtbarer Größen, d.h. theoretische Konstrukte (Intelligenz, Leistungsbereitschaft, Umweltbewusstsein, Lebensqualität in einer Stadt) Die Messung direkt beobachtbarer Merkmale ist relativ unproblematisch. Für die Messung nicht unmittelbar beobachtbarer Merkmale werden (multiple) Indikatoren benötigt in unserem Fall die genaue Aufschlüsselung von hedges. Wissenschaftliche Definition Messung: Zuordnung von Zahlen zu Objekten nach bestimmten Regeln (Spezialfall von Operationalisierung) genauer: Durch die Messung wird eine Menge von Objekten, die eine bestimmte empirische Relation zueinander aufweisen (Empirisches Relativ) eine Menge von Zahlen zugeordnet, so dass die empirische Relation durch die numerische Relation abgebildet wird. Skalenniveaus Den betreffenden empirischen Relationen können nun entsprechende Skalenniveaus zugeordnet werden

• Nominalskala • Ordinalskala • Intervallskala • Ratioskala • Absolutskala

Für uns relevant: (weitere siehe Statistikbücher) Nominalskala: Objekte oder Merkmale können klassifiziert bzw. unterschieden werden, Rangfolge nicht möglich; Beispiel Geschlecht, Nationalität, Religionszugehörigkeit usw. Interpretation: gleich oder verschieden

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Ordinalskala: Objekte oder Merkmale lassen sich in eine Rangfolge ordnen; Beispiel: Schulnoten, einfache Zustimmungsskala (1-5) Interpretation: größer, kleiner oder gleich Intervallskala Objekte oder Merkmale können in eine Rangfolge gebracht werden und Interpretation der Abstände ist möglich. Beispiel: Temperatur: Limburg 10 Grad, Wiesbaden 15 Grad und in Mainz 20 Grad, dann ist der Abstand zw. Limburg und Wiesbaden genauso groß wie zw. Wiesbaden und Mainz. Interpretation: Vergleichbarkeit von Differenzen Es existiert eine Vielzahl von Skalierungsmodellen in den Sozialwissenschaften Die Bekanntesten sind Likert-Skala, Guttman-Skalierung, Polaritätsprofil Datengewinnung zuweilen jedoch auch über Lückentexte, die später skaliert werden. Beispiel.

-> sehr häufig in Sprach(lehr)forschung Likert-Skala

Bei den Skalen statt Text auch Emoticons/Icons möglich:

Nachteil hier: 5 Kategorien, besser gerade Anzahl

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Guttman-Skalierung Es wird die Häufigkeit der Zustimmung oder Ablehnung von Items gemessen. Die Items sind nach Schwierigkeit geordnet, so dass im Idealfall z.B. die Zustimmung zu einem Item, die Zustimmung zu allen vorgeordneten Items impliziert. Kopie aus Univ. Erfurt FB Psychologie

Einführung in die Methoden der Psychologie, Tilmann Betsch Universität Erfurt, FR Psychologie 14

Messen(12) Guttman-Skalierung, Beispiel: Körpergröße

(1) Ich bin größer als 140 cm ja ( ) nein ( )(2) Ich bin größer als 150 cm ja ( ) nein ( )(3) Ich bin größer als 160 cm ja ( ) nein ( )(4) Ich bin größer als 170 cm ja ( ) nein ( )(5) Ich bin größer als 180 cm ja ( ) nein ( )(6) Ich bin größer als 190 cm ja ( ) nein ( )(7) Ich bin größer als 200 cm ja ( ) nein ( )

Zählen der Anzahl der „ja“ Antworten. Skala:klein 0—1—2—3—4—5—6—7 groß

Einführung in die Methoden der Psychologie, Tilmann Betsch Universität Erfurt, FR Psychologie 15

Messen(13) Guttman-Skalierung

Beispiel: Einstellung zu Schwaben (S)

(1) Ich würde mit S in der gleichen Gegend wohnen. ja ( ) nein ( )(2) Ich würde mit S im gleichen Haus wohnen. ja ( ) nein ( )(3) Ich würde S in meiner WG wohnen lassen. ja ( ) nein ( )(4) Ich würde mit S auch mal abends ausgehen. ja ( ) nein ( )(5) Ich würde einem S auch mal Geld leihen. ja ( ) nein ( )(6) Ich würde auch Freundschaften mit S haben können.ja ( ) nein ( )(7) Ich würde auch mit S ins Bett gehen. ja ( ) nein ( )(8) Ich würde auch einen / eine S heiraten. ja ( ) nein ( )

Einstellung zu Schwaben negativ 0—1—2—3—4—5—6—7—8 positiv

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Polaritätsprofil

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Im Bereich Sprachwissenschaft: Da es um Sprachdaten geht: Ballontest (leitet über zu Diskursergänzungsverfahren)

Gütekriterien einer Messung Wie „gut“ ist meine Messung? Messungen sollten objektiv (unabhängig von der messenden Person, wiederholbar), zuverlässig (= reliabel) (gleiche Ergebnisse bei Messwiederholung) und gültig (= valide) sein (das messen, was sie vorgeben zu messen). Die drei Gütekriterien sind also

• Objektivität • Reliabilität (Zuverlässigkeit) • Validität (Gültigkeit)

Objektivität: Wenn eine andere Person das gleiche Projekt durchführt, muss sie zu den gleichen Ergebnissen kommen können. Reliabilität: Bei Wiederholung (Re-Test) oder anderem Testverfahren (Paralleltestverfahren, Testhalbierung) kommt man zu den gleichen Ergebnissen. Validität Die Validität eines Tests gibt den Grad der Genauigkeit an, mit dem dieser Test dasjenige Persönlichkeitsmerkmal oder diejenige Verhaltensweise tatsächlich misst, das (die) er messen soll oder zu messen vorgibt.

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Quer- oder Längsschnittstudie Frage: Ist-Zustand oder Veränderung? Querschnittserhebung: Zustand zu einem festen Zeitpunkt/Zeitrahmen Längsschnittstudie/Longitudinalstudie: Veränderung über einen festgelegten Zeitraum Erhebungsinstrumente

• Das Experiment

• Die Beobachtung

• Der psychologische Test

• Soziometrie

• Inhaltsanalyse

• Das Interview

• Der Fragebogen

• Narratives Interview

• Einzelfallforschung

• Handlungsforschung

• Tagebuchstudien

• DCT

• Feldforschung

Experiment

Beispiel: Raumwahrnehmung

Zur sprachlichen Realisierung der Ortsbezeichnung werden zunächst drei Bezugs-

systeme (frames of reference) differenziert.

• Intrinsisches Bezugssystem (object-centered)

• Extrinsisches Bezugssystem (environment-centered)

• Deiktisches Bezugssystem (observer-centered)

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Zur Einstimmung ein Beispiel:

deiktisch: (1) Der Baum ist (direkt) vor mir. Relatum: Sprecher (2) Die Katze ist hinter dem Baum. Relatum: Baum – aus Sicht des Sprechers intrinsisch: (intrinsische Eigenschaften) (3) Die Katze ist vor dem Baum (inhärente Orientierung am Baum, s.B. Auto) Relatum: Baum

extrinsisch:

(4) Die Katze ist im Norden des Baums

Relatum: Baum

Egozentrische Systeme (Deutsch, Englisch)

Tandem-Strategie Vis-a-vis-Strategie

egozentrisch, relativ

absolut

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Vor/hinter ist im Deutschen folglich nicht eindeutig ist. Wo würden Sie einparken?

Sie kommen von hier und Ihr Partner sagt „Park doch VOR dem grünen Auto“.

Wo liegt der Stift? Wo befindet sich die Katze? Im Deutschen behaupten die meisten Befragten in beiden Fällen, dass sich das Objekt hinter dem Origo (Bezugspunkt) befindet. Es herrscht aber keine Eindeutigkeit vor. Der Stift liegt hinter der Schere Die Katze ist hinter dem Baum

Tandem-Strategie Referenzpunkt

grünes Auto

vis-a-vis-

Strategie

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Im Haussa z.B. kommt es zu einem obligatorischen Strategiewechsel je nachdem, ob das zu identifizierende Objekt verdeckt oder nicht verdeckt ist:

Der Stift ist vor der Schere Die Katze ist hinter dem Baum

gaba da: bei Vorderseite baya da: bei der Rückseite

Wie würden Sie Känguru, Bär und Frau lokalisieren, wenn das Origo das Auto ist? relativ: Känguru ist links vom Auto intrinsisch: Känguru ist vor dem Auto Wo sind die Katzen?

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Erklärungen

Im Deutschen wird nun die figure durch Lokalangaben wie ‚vor’ oder ‚hinter’ des ‚ground’ bestimmt. Wie wir gesehen haben sind diese Angaben jedoch nicht immer eindeutig. Der Blickwinkel ist stets egozentrisch, d.h. er bestimmt sich durch die Position des Sprechers. Noch in den 80er Jahren des letzen Jahrhunderts ging man davon aus, dass Raum stets egozentrisch wahrgenommen wird.

In zahlreichen Sprachen arbeitet man jedoch nicht mit den o.a. vertikalen und horizontalen Achsen, sondern mit der Orientierung an Hand des Referenzobjektes (ground) an sich. Bekanntes Beispiel ist das Tzeltal. Zur Bestimmung der Relation von zwei Objekten zueinander wird zunächst das Bezugsobjekt (Origo, ground) genauer klassifiziert. Wörter für ‚links’, ‚rechts’, ‚vor’ und ‚hinter’ sind nicht existent. Dies interagiert im Tzeltal mit der Orientierung an Bergen (s.u.) (5) Die Schere liegt am Bauch des Stifts. Stift ist das Referenzobjekt (ground). Im Tzeltal wird dieses nun genauer bestimmt: Kopf, Nase, Rücken, Bauch, Bein eines Objekts Die Angaben sind darüber hinaus nicht länger egozentrisch, sondern absolut, in dem man sich an Bergen orientiert (s.u.).

Wo ist die Schere? ground figure

Sprecher: ‚Schere ist rechts vom Stift’

Sprecher: ‚Schere ist hinter dem Stift’

Sprecher: ‚Die Schere ist vor dem Stift’

Sprecher: ‚Die Schere ist links vom Stift’

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(6) waxal ta y-ajk’ol xila te limite

stehen bei bergaufwärts Stuhl die Flasche

‚Die Flasche steht bergaufwärts vom Stuhl.’ Extrinsische oder geozentrische (absolute) Bezugssysteme Sehr viel eindeutiger sind extrinsische Bezugssysteme (geozentrisch/absolut: Guugu Yimidhirr1, Dyirbal, Tzeltal2, Totzil etc.).

Sie sind durch das Fehlen von Wörtern wie ‚links’, ‚rechts’, ‚vor’, ‚hinter’ gekenn-

zeichnet. Man orientiert sich absolut und nicht egozentrisch.

EXPERIMENTE -> Aufbau

1 Australische Aboriginee Sprache (Queensland) 2 Maya-Volk im mexikanischen Hochland

Zimmer 1

Zimmer 2

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Angenommen Sie befinden sich in Raum 1 und sollen sich die Reihenfolge der drei Lebewesen merken, um sie in Raum 2 wieder zu erkennen.

Sie speichern: Kuh links, Schwein in der Mitte, Mensch rechts Sie betreten Raum 2:

Mit diesem Experiment kann man testen, ob die Raumwahrnehmung

egozentrisch oder absolut ist.

Entwickeln Sie einen Experimentaufbau (gerne anhand der hier vorgegebenen Bilder, mit dem sie entweder (a) relativ-intrinsisch oder (b) Tandem vs. Vis-a-vis-Strategie testen. Nutzen Sie einen Fragebogen. Zeichnen Sie die Ergebnisse von 10 Personen auf.

29

Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft IV Sommersemester 2007 Überblick Methoden II (A) √ Formulierung des Forschungsvorhabens (Hypothese) Begründung: Warum erscheint es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen? (B) Planung der Untersuchung: Operationalisierung der Variablen

Wahl des Erhebungsinstruments, Pretest -> Überarbeiten des Erhebungsinstruments

(C) Datenerhebung (D) Datenauswertung (E) Forschungsbericht Erhebungsinstrumente

• Das Experiment √

• Die Beobachtung

• [Der psychologische Test (Intelligenztest, Persönlichkeitstest,

Leistungstest)]

• [Soziometrie: emotionales Beziehungsgeflecht errechnen]

• Inhaltsanalyse

• Das Interview

• Der Fragebogen

• Narratives Interview

• Einzelfallforschung

• Handlungsforschung

• Tagebuchstudien

• DCT

• Feldforschung

Die Beobachtung Direkte Beobachtung menschlicher Handlungen, sprachlicher Äußerungen, nonverbaler Reaktionen (Mimik, Gestik, Körpersprache) und anderer sozialer Merkmale (Kleidung, Symbole, Gebräuche, Wohnformen etc.) Vorüberlegung: Population – Stichprobengröße Hypothese: „Je größer die soziale Distanz, desto länger die Begrüßungsfloskel“

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(15 Minuten mit Nachbarn) - Was sind unsere Variablen? - Welche Aussageform? - Wie würden Sie die Variablen (kurz) operationalisieren? - Definition der Population: - Art der Stichprobenziehung: - Umfang der Stichprobe:

Population: Ideal: z.B. alle Deutschen nicht realistisch -> wen wähle ich dann für die Stichprobe aus? (Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Situation: öffentlich vs. Privat, etc.) Grundgesamtheit (Population): Menge aller Erhebungseinheiten (z.B. alle (stimmberechtigten, erwerbstätigen, etc.) Personen, die zum Untersuchungszeitpunkt in Deutschland wohnhaft sind) Stichprobe (sample) -> Auswahl aus der Grundgesamtheit Stichprobenverfahren: Regel, die angibt, wie die Auswahl aus der Grundgesamtheit vorgenommen wird -> Stichprobenumfang N Möglichkeiten: Wahrscheinlichkeitsauswahl (Zufallsauswahl): Zufallsstichproben; dann erforderlich wenn von Stichprobenparametern auf die Grundgesamtheit geschlossen werden soll. bewusste Auswahl: Quotenstichproben -> Einschränkung z.B. bezüglich Schulabschluss, Alter, Anzahl der Fremdsprachen, Beruf, etc. willkürliche Auswahl: Nicht-kontrollierte Auswahl, Passantenbefragungen, Rekrutierung von Versuchspersonen, Freiwillige Zu unterscheiden ist zunächst zwischen der Beobachtung

– künstlich hergestellter Situationen (z.B. arrangierte Gruppendiskussionen,

deren Verlauf analysiert wird) und derjenigen

– natürlicher Situationen (Analyse z.B. bei einer Vorlesung, am Arbeitsplatz,

etc.), die nicht spezifisch auf den Forschungszweck hin arrangiert worden

sind.

Beobachtungsverfahren lassen sich weiter unterscheiden nach dem Grad der

Standardisierung, dem die Protokollierung der Beobachtungen unterworfen ist

(vgl. Fragebogen).

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Sowohl bei der künstlichen als auch der natürlichen Beobachtungssituation

müssen sie ein mehr oder weniger stark standardisiertes, detailliertes und

spezialisierte Codierschemata entwickeln. Es muss also vor der Untersuchung

festgelegt werden, was beobachtet werden soll, d.h. was im Hinblick auf die

Forschungsfragestellung wichtig erscheint (Kategorisierung).

Weiterhin wird unterschieden, ob von vornherein nur bestimmte Phänomene

(Verhaltensweisen, Eigenschaften etc.) erhoben werden sollen, oder ob der

Anspruch besteht, alle Verhaltensweisen nach einen bestimmten Schema zu

klassifizieren.

Eine weitere Unterscheidung betrifft den Grad der Einbindung des Forschers oder

der Forscherin in das Untersuchungsfeld. Man spricht von nicht-teilnehmender

Beobachtung, wenn die ForscherInnen selbst nicht aktiver Bestandteil des

Beobachtungsfeldes sind. Oft - gerade im Bereich der offenen Beobachtung in

natürlichen Settings - ist Beobachtung aber nur durch eine mehr oder weniger

aktive Teilnahme im Untersuchungsfeld möglich (teilnehmende Beobachtung).

Ein besonderes moralisch-ethisches (aber auch methodisches) Problem ergibt

sich ferner dadurch, dass entschieden und verantwortet werden muss, ob eine

Beobachtung offen, d.h. mit Wissen und Zustimmung der Beobachteten, oder

aber verdeckt, d.h. ohne deren Wissen erfolgt. Haupteinsatzfeld der

teilnehmenden Beobachtung sind ethnologische oder ethnographische Analysen

besonderer sozialer Gruppen oder Situationen. ( Beobachterparadoxon folgt)

(30 Minuten) „Je größer die soziale Distanz, desto länger die

Begrüßungsfloskel“. Beobachtungsaufbau: welche Form wählen Sie? Wen

beobachten Sie? Wie sieht ihr Codierschema aus? Wie erfassen Sie die Daten?

(Notieren, Video, Sprachaufzeichnung)

Beispiel für einen Beobachtungsleitfaden

Beobachtungsleitfaden im Unterricht: Rückmeldungen über die

Unterrichtsgestaltung

Struktur:

Gab es einen Ablaufplan und wurde er eingehalten?

War der Ablaufplan eng oder großzügig?

War genug Zeit für die einzelnen Punkte?

Blieb genug Zeit für das Feedback?

War der Raum gut vorbereitet?

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Inhalt:

War die Information sachlich richtig?

War der Inhalt gut strukturiert?

War die Vermittlung anschaulich?

Wurde ein Theorie-Praxis-Transfer angeleitet?

Sind noch inhaltliche Fragen offen geblieben? Welche?

Präsentation:

Welche Medien wurden eingesetzt?

Wurden die Medien sinnvoll eingesetzt? Hat der Medieneinsatz die

Verständlichkeit und Anschaulichkeit gefördert oder eher gestört/verwirrt: War

die Schrift groß genug? War die Information gut strukturiert? Gab es zu

wenig/genug/zuviel Animation oder Wechsel der Medien?

War die Gestaltung der Medien gelungen?

Kommunikation:

Wurden die Schüler/Mitschüler/Seminarteilnehmer einbezogen?

Waren die Anweisungen angemessen, klar und deutlich?

-> Problem: Die Ergebnisse müssen vereinheitlicht werden, damit man sie

kodieren und dann auswerten kann.

-> sinnvoll, einen Codierungsplan gleich von Anfang an zu integrieren

Beispiel

Struktur:

- Gab es einen Ablaufplan ja nein

- War der Ablaufplan eng oder großzügig?

großzügig recht großzügig recht eng eng

- Wurde er eingehalten?

ja vorwiegend eingeschränkt nein

- War genug Zeit für die einzelnen Punkte?

ja vorwiegend eingeschränkt nein

- Blieb genug Zeit für das Feedback?

ja vorwiegend eingeschränkt nein

- War der Raum gut vorbereitet?

ja vorwiegend eingeschränkt nein

Inhaltsanalyse

Mittels der Methode der Inhaltsanalyse werden Texte und Bilder, aber auch TV-

und Radiosendungen einer Analyse unterzogen. Insbesondere werden

Gruppendiskussionen (Talkshows, politische Diskussionen) zum Gegenstand von

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Inhaltsanalysen. Hier könnte man auch unserer Forschungsfrage nach Einsatz

von hedges und Frauen nachgehen (s.u.).

Welche Prämissen wären dann jedoch notwendig?

Bei der Inhaltsanalyse werden Kommunikationsinhalte jeder Art nach

festgelegten Regeln in Kategorien klassifiziert, z.B. Hörerreaktionen

Geschlecht – Hörerreaktion -> Hörerreaktion operationalisieren ->

Kodierungsplan erstellen -> Analyse

Inhaltsanalysen finden sich häufig bei geschriebenen Texten Akten, Protokolle,

Nachrichten, Tagebücher, Zeitschriftenartikel, Anzeigen, z.B. Länge von Sätzen,

Anzahl von subordinierten Sätzen, Passivkonstruktionen etc.

Vorteil: für Längsschnittstudien sinnvoll: z.B. Vergleich von Kontaktanzeigen

im Jahr 1980 und 2007.

Verschiedene Formen der Analyse

• Die Frequenzanalyse besteht darin, in den Untersuchungseinheiten die

Häufigkeit des Auftretens bestimmter Merkmale festzustellen.

• In der Valenzanalyse soll zusätzlich auch erfasst werden, welche

Bewertungen mit den betreffenden Untersuchungsgegenständen verbunden

werden, ob also z.B. im untersuchten Material bestimmte Personen, Themen

usw. eher positiv, neutral oder negativ beurteilt werden.

• Die Intensitätsanalyse zählt im Unterschied zu einer Frequenzanalyse nicht

nur das Vorkommen von Begriffen, Themen oder anderen interessierenden

Merkmalen gezählt, sondern es wird auch erfasst, wie stark im

Analysematerial Wertungen zum Ausdruck kommen. Im Unterschied zu

einer Valenzanalyse werden diese Wertungen also nicht nur nach ihrer

Richtung (z.B. positiv oder negativ), sondern nach ihrer Intensität beurteilt.

So enthält die Aussage "Ab und zu mag ich Opern ganz gerne" eine

schwächere Wertung als die Aussage "Oper ist für mich das einfach das

Größte".

• Bei der Kontingenzanalyse wird erfasst, welche Merkmale zusammen im

Ausgangsmaterial auftreten. Dabei interessiert man sich vor allem dafür, ob

bestimmte Merkmale häufiger gemeinsam auftreten, als es zufällig zu

erwarten wäre.

Inhaltsanalysen – allerdings eher in Form von Textanalysen – werden jedoch auch im Bereich der Forensischen Linguistik eingesetzt, z.B. bei der Textanalyse, die klären soll, ob z.B. Verfasser von Drohbriefen Deutsch als Muttersprache haben, ob man ihre Sprache einer bestimmten Region eindeutig zuordnen kann, ob sprachliche Strukturen und Wörter auf Sprachbeherrschung schließen lassen, wie alt der Verfasser ist, sein Bildungsstand usw. Ziel einer empirischen Forschung kann es folglich sein anhand von vorhandenen Texten

34

Kriterienkataloge z.B. für Jugendsprache zu entwickeln, die dann bei der Täterüberführung genutzt werden können. Hier aber ein paar Beispiele von authentischen Erpresserbriefen:

Besitzt der Autor die muttersprachliche Kompetenz des Deutschen?

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Exkurs Analyse des Beispiels

Plakate -> Plagade kotzen -> gotzen größte -> gröste lange Vokale kurz realisiert: sieht -> sit nieder -> nider Regierung -> Regirung Orthographische Fehler bei Getrennt-/ Zusammenschreibung, Klein-/Großschreibung Totengräber -> Toten gräber Schweinehund -> Schweine Hund wir wählen -> wir Wählen - sprachliches Ausdrucksvermögen Um diese Kriterien jedoch zu erhalten, muss man zunächst bei bekannten Autoren Analysen vornehmen, um dann solche Analysen anfertigen zu können.

(Rest der Stunde) Wir erinnern uns an unsere gerichtete Hypothese:

Je mehr hedges verwendet werden, desto eher handelt es sich bei dem Sprecher um eine Frau. Dichotome Variable: Geschlecht Operationalisierte Variable: hedge mit vorgegebenen Indikatoren

Indikatoren Männer Frauen

allerdings

angeblich

anscheinend

bedauerlicherweise

bekanntlich

bloß

doch

eigentlich

es scheint

freilich

glücklicherweise

hoffentlich

ich denke

irgendwie

könnte

leider

mal

müsste

offenbar

schon

schwerlich

sicherlich

sollte

vermutlich

vielleicht

eher ostdeutsche Dialekte

niedriger Bildungsstand

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wahrscheinlich

wohl

würde

Sie haben sich für eine Inhaltsanalyse als Instrument entschieden. Wie gehen Sie weiter vor?

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Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft V Sommersemester 2007 Überblick Methoden III (A) √ Formulierung des Forschungsvorhabens (Hypothese) Begründung: Warum erscheint es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen? (B) Planung der Untersuchung: Operationalisierung der Variablen

Wahl des Erhebungsinstruments, Pretest -> Überarbeiten des Erhebungsinstruments

(C) Datenerhebung (D) Datenauswertung (E) Forschungsbericht Erhebungsinstrumente

• Das Experiment √

• Die Beobachtung √

• [Der psychologische Test (Intelligenztest, Persönlichkeitstest,

Leistungstest)]

• [Soziometrie: emotionales Beziehungsgeflecht errechnen]

• Inhaltsanalyse √

• Das Interview

• Narratives Interview

• Der Fragebogen

• Einzelfallforschung

• Handlungsforschung

• Tagebuchstudien

• DCT

• Feldforschung

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Das Interview (qualitative Forschung)

Das Wort Interview kommt aus dem Anglo-Amerikanischen und konnte

sich im 20. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum durchsetzen. Es

stammt eigentlich von französischen "entrevue" ab und bedeutet

"verabredete Zusammenkunft" bzw. sich "kurz begegnen".

Alltagssprachlich ist der Begriff Interview besonders im Journalismus

geläufig. Dort ist ein Interview ein "Gespräch eines Journalisten mit einer

Person zum Zwecke der publizistischen Verwertung.

Diese Definition entspricht noch nicht einer sozialwissenschaftlichen Definition, aber ihr Vorstellungsinhalte sind bereits enthalten: das Interview ist nämlich eine Gesprächssituation, die bewusst und gezielt von den Beteiligten hergestellt wird, damit der eine Fragen stellt, die vom anderen beantwortet werden. Diese Asymmetrie in der Frage-Anwort-Zuweisung ist auch für viele Formen des qualitativen Interviews bestimmend. Einteilungsgesichtspunkte

• Intention des Interviews: Was möchte ich bezwecken?

• Standardisierung: Welchen Grad der Standardisierung wähle ich? s.u.

• Struktur der zu Befragenden: Einzel- oder Gruppeninterview?

• Form der Kommunikation: mündlich (Abgrenzung zum Fragebogen)

• Stil der Kommunikation: weiches oder hartes Interview? s.u.

Grad der Standardisierung Charakteristisch für standardisierte Interviews ist, dass die Formulierung der

Fragen, ihre Reihenfolge, sowie die Antwortmöglichkeiten und das

Interviewerverhalten genau festgelegt sind. Durch die Standardisierung wird eine

Bedeutungsäquivalenz der Interviews geschaffen, die es ermöglicht, die Daten

miteinander zu vergleichen. Allerdings kann der Interviewer dabei nicht auf

Nachfragen des Interviewten eingehen und so können eventuell wichtige

Zusatzinformationen verloren gehen. Vorteil ist, dass Daten sehr schnell und

einheitlich auswertbar sind.

Halbstandardisierte Interviews

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Bei dieser Vorgehensweise gibt es nur mehr einen Fragenkatalog bzw.

Gesprächsleitfaden, der eine Struktur in das Gespräch bringen soll. An vorher

festgelegten Stellen ist es dem Interviewer erlaubt, den Wortlaut der Fragen zu

verändern, Zusatzfragen zu stellen oder nachzuhaken, wenn etwas nicht

verstanden wurde. Dem Interviewten wird so mehr Raum für eigene

Formulierungen gegeben. Problem ist jedoch die Vergleichbarkeit.

Das unstrukturierte Interview/Tiefeninterview

Die unstrukturierte Befragung zielt darauf ab, sehr in die Breite und die Tiefe zu

gehen, daher wird sie auch als Tiefen- oder Intensivinterview bezeichnet. Dabei

steht dem Interviewer methodisch - wenn überhaupt - nur mehr ein

Gesprächsleitfaden zur Verfügung, in dem das Interviewziel, einige

Themengruppen und eventuell ad hoc formulierte Fragen festgehalten sind. Es ist

meist ein sehr freier aber dennoch gesteuerter Gesprächsverlauf, daher ähnelt

seine Form am ehesten einem Alltagsgespräch.

Was sind die Vorteile?

Was sind die Nachteile?

Form der Kommunikation

Beim Interview erfolgen die Fragen in der Regel mündlich und die Antworten

werden vom Interviewer aufgezeichnet (Stichworte, Aufzeichnen). Bei sog.

biographischen Ansätzen kann es jedoch auch die schriftliche Form des

Interviews geben. Dies sind aber Ausnahmefälle.

Mit Hilfe eines halbstandardisierten oder unstrukturierten Fragebogen

(standardisiert eignet sich meiner Meinung nach weniger) könnte man z.B. (wohl

zusätzlich zur Beobachtung) kulturell geprägte nonverbale Gesten erfragen.

z.B. italienische Wangenschraube: dreht ein Italiener seinen Zeigefinger in die

Wange, meint er damit buono, also gut. Macht dies dagegen ein Spanier,

verweist er auf Homosexualität.

Legt der Italiener die Fingerspitzen seiner Hand zusammen, will er damit fragen,

was sein Gegenüber von ihm will, bedient sich dagegen der Franzose dieser

Geste, demonstriert er Angst.

-> Forschungsgebiet von Reimann, Daniel (Univ. Tübingen)

Nach einer Kategorisierung häufiger Gesten könnte man per Interview nach

deren Bedeutung in ausgewählten Kulturen fragen. Ergänzend sollte jedoch hier

auch die Beobachtung eingesetzt werden.

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Methodisches (gilt für alle Formen des Interviews/Fragebögen) Ziel ist es ja nun, möglichst authentische Informationen zu erhalten. Dafür muss eine möglichst natürliche Interviewsituation herbeigeführt werden. Je formaler der Ort, desto gezwungener ist die Atmosphäre. Es bietet sich also an, das Interview in den Räumlichkeiten des zu Interviewenden zu führen. Ferner spielt der Interviewer selbst eine wichtige Rolle: wie schafft er ein vertrauensvolles Verhältnis? Eine freundliche Atmosphäre? Experimente haben gezeigt, dass das Antwortverhalten sehr stark vom Interviewer abhängt. Das selbe Interview durchgeführt von einem streng dreinblickenden Interviewer im Anzug, der wenig sympathisch wirkte, führten zu ganz anderen Antworten als das einer jungen hübschen und attraktiv gekleideten Frau, die auf Anhieb sympathisch wirkte. Bei dem unsympathischen Mann waren die Interviewten nach einer Weile gereizt und antworteten recht negativ, der Frau wollten viele (besonders Männer) gefallen und antworteten wohl positiver als es ihrer Meinung entsprach. Wen wählt man also als Interviewer? Einzelne Prinzipien: Prinzip der Relevanzsysteme der Betroffenen: Nicht die Interessen des Forschers, sondern der Befragte soll mit seinen Wirklichkeitsdefinitionen das Interview gestalten. Prinzip der Kommunikativität: der Interviewer soll sich dem Kommunikationsstil des zu Befragenden anzupassen. Prinzip der Offenheit: während des Gesprächs darf auch auf unerwartete Aspekte eingegangen werden. Prinzip der Flexibilität: der Forscher soll auf individuelle Bedürfnisse des zu Befragenden eingehen, sofern diese einen Gewinn für das Forschungsergebnis darstellen. Prinzip der Prozesshaftigkeit: Vorgehen ist schrittweise, um so zu den hinter den Aussagen stehenden, Handlungs- und Deutungsmustern der Befragten zu gelangen. Prinzip der datenbasierten Theorie: mit qualitativen Interviews werden eher neue Theorien aufgestellt, als bestehende geprüft. Prinzip ist der Explikation: besagt, dass die im Interview gemachten Aussagen interpretiert werden müssen, und so zur Typenbildung der Theorie beitragen. Das verleiht dem qualitativen Interview Explikationscharakter.

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Narratives Interview (oft biografisch)

Reales Beispiel:

Der Chemnitzer Sprachwissenschaftler Stephan Habscheid erforschte 2004 gemeinsam mit Jannis Androutsopoulos (Hannover) die Kommunikation rund um das "Splash!"-Festival (HipHop-Szene). Gemeinsam widmeten sich die beiden Linguisten insbesondere der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der "Splash!"-Organisatoren (Inhaltsanalysen!). Sie analysierten unter anderem Werbeplakate, Radio-Spots und Festivalguides. Daneben führten sie jedoch auch Interviews mit Besuchern des Festivals durch (HipHop-Sprache). Auszug aus einem HipHop-Interview zur Sprache -> über Sprache + Sprachanalyse möglich! Der Düsseldorfer HipHop-Partisan Koljah

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LEO: Welche Rolle spielt Deiner Meinung nach die Sprache im Rap?

Koljah: Sprache ist Hauptmerkmal und Hauptstilmittel von Rapmusik. Keine

andere Musikrichtung hat einen so großen Textanteil. Sicherlich regen Rap-Tracks

zur Kommunikation an bzw. sind selbst Teil dieser Kommunikation

LEO: Wie kommunizierst Du mit deinen ZuhörerInnen?

Koljah: Ich kommuniziere in erster Linie durch meine Texte mit meinen

ZuhörerInnen. Ansonsten halt durch direkte Gespräche, bei Auftritten mit

Ansagen usw. Reaktionen bekomme ich ebenfalls in Form von direkten

Gesprächen, oder durch E-Mails, … wat weiß ich.

LEO: Wenn Du vor allem durch Deine Texte kommunizierst, welche

Besonderheiten setzt Du beim Texten ein?

Koljah: Ich benutze alle möglichen Arten von sprachlichen Stilmitteln:

Metaphern, Vergleiche, Alliterationen und so weiter. Nehmen wir ein Beispiel:

„...denn, Typ, du kannst mir nichts erzählen /

du hörst zwar, was ich sag, doch kannst mich nicht verstehn /

du kannst nichts mehr sehn – denn ich bin Dorn im Auge /

du kannst nur rückwärts gehen – trotz deinem Fortschrittsglaube“

Dieser 4-Zeiler hat eine klare inhaltliche Aussage, die ich in den letzten 3 Zeilen in

ein paar nette Wortspiele verpackt habe, in welchen ich mit Gegensätzen arbeite.

Außerdem habe ich zunächst einen 3-silbrigen Doppelreim benutzt, der anfänglich

immer mit dem gleichen Wort beginnt und letztlich recht unrein wird. Jedoch

schwenkt das Ganze nach 2 Zeilen zusätzlich noch in einen Kreuzreim um . “Dorn

im Auge / Fortschrittsglaube” ist im Übrigen ein sehr geiler, 4-silbriger Reim,

hehe.

LEO: Wie verortet sich das Projekt „HipHop-Partisan” in der HipHop-

Szene bezüglich Sprache und Kommunikation?

Koljah: HipHop-Partisan hat schon auch das Anliegen, eine Diskussion und

Auseinandersetzung zu bislang kaum besprochenen Problematiken und Tendenzen

in der HipHop-Szene loszutreten. Kommunikation erscheint uns als sehr wichtig

und notwendig für ein respektvolles und bewusstes Zusammenleben. Die

zahlreichen MC’s von HipHop-Partisan beschäftigen sich darüber hinaus natürlich

tagtäglich in ihren Raps mit Sprache.

LEO: Welche Tendenzen meinst Du?

Koljah: RapmusikerInnen sind Teil der Gesellschaft und somit spiegelt Rapmusik

natürlich gesellschaftliche Verhältnisse wieder. Ich nehme halt wahr, wie der

herrschende Status Quo sich auf Rapmusik auswirkt. In den meisten Fällen

kritisiere ich es, da ein Großteil der Entwicklungen, die übernommen werden,

bedenklich und nicht zu tolerieren ist – sei es platter Antiamerikanismus in so

genannten Anti-Kriegs-Songs, Sexismus in Musikvideos oder homophobe Battle-

Texte.

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(20 Minuten) Entwickeln Sie in Gruppen Interviewfragen zu einem der folgenden Fragestellungen. Überlegen Sie, wenn Sie interviewen wollen? Wo das Interview durchgeführt wird?

(a) Einstellung zur Schriftreform (neue Rechtschreibung) (b) Sprachliche Probleme in interkulturellen Gesprächssituationen (c) Einstellung zu Dialekt (vs. Hochsprache)

Der Fragebogen

Im Bereich der quantitativen Forschung wird sehr oft mit Fragebögen gearbeitet. Wir werden gemeinsam die Grundlagen zur Erstellung von Fragebögen erarbeiten. Zunächst (Reihenfolge ist dabei nicht zwingend vorgegeben) ist die Form des Fragebogens festzulegen.

1. Entscheidung: Fragen oder Feststellung (statements) Sollten Kinder (fremde) ältere Menschen grundsätzlich erst einmal siezen? Kinder sollten (fremde) ältere Menschen grundsätzlich erst einmal siezen!

2. Grammatikalische Form Ich würde meinen Chef nur ungern siezen. Man sollte seinen Chef nicht unbedingt siezen Antwortkategorien -> Sie erinnern sich an die Skalen der ersten Sitzungen! Einfachste Antwortkategorie: ja – nein bzw. stimme zu – stimme nicht zu Mehr Antworttypen mit Rating-Skalen:

44

Wie zuvor bereits erwähnt ist eine mittlere Antwortkategorie (also ungerade

Zahl) immer schlecht. Sie wird sehr häufig aus folgenden Gründen gewählt:

• eine mittlere Antwortposition ist nie falsch

• entspricht einer "Weiß nicht"-Antwort

• eine "Irrelevanz"-Antwort (z.B. jemand hält die Frage für nicht besonders

wichtig usw.)

• eine "Protest"-Antwort (z.B. jemand hat etwas gegen die Frage

einzuwenden und drückt seine Unmut oder Widerstand gegen die Frage

durch das Ankreuzen der mittleren Kategorie aus)

Die Berücksichtigung der neutralen Antwortkategorie kann sinnvoll sein, wenn

man aus der Häufigkeit des Ankreuzens dieser mittleren Position auf so etwas

wie Interesse bzw. Desinteresse bei der Beantwortung des Fragebogens

schließen will u.ä.

Der Fragebogen muss auf alle Fälle einen Pilottest unterlaufen. Die sprachliche

Formulierung einer Frage soll den Befragten zu einer Antwort motivieren und

muss auch richtig verstanden werden. Dies wird mit Hilfe des Pilottests

überprüft. Bereits nach Edwards et al.3 gelten folgende Regeln:

• Man vermeide Feststellungen, die sich auf Vergangenheit oder Gegenwart

beziehen.

• Man vermeide Feststellungen, die sich auf Tatsächliches beziehen oder so

interpretiert werden könnten.

3 Edwards, Griffith/ Hensman, Celia/ Hawker, Ann/ Williamson, Valerie: Alcoholics Anonymous: The Anatomy of a Self Help Group. In: Social Psychiatry Vol. 1:4 (1967), SS 195-204

45

• Man vermeide Feststellungen, die sich auf mehr als eine Weise interpretieren

lassen.

• Man vermeide Feststellungen, die entweder von fast jedem oder fast

niemandem bejaht werden können.

• Man wähle eine einfache, klare, direkte Sprache.

• Feststellungen sollten kurz sein und nur selten mehr als zwanzig Wörter

enthalten.

• Jede Feststellung sollte nur einen einzigen vollständigen Gedanken enthalten.

• Man vermeide Wörter, die von den beantwortenden Personen nicht verstanden

werden,

• Man vermeide den Gebrauch doppelter Verneinung.

Bei der Überarbeitung (=Item-Revision) sollte auch die Reihenfolge der

Darbietung der Items festgelegt werden. Von einer Zufallsreihenfolge, wie sie oft

postuliert wird, ist nicht viel zu halten, vielmehr sollte der Fragebogen inhaltlich

strukturiert und für die Versuchspersonen in dieser Struktur erkennbar sein.

Weitere Strategien

Wenn ein Interview sensible Themen behandelt (Stellenwert Hochsprache –

Dialekt bei reinen Dialektsprechern z.B.), muss man die Fragen so formulieren,

dass mögliche Abwehrmechanismen auf ein Minimum beschränkt werden. Im

wesentlichen besteht das Problem darin, den Befragten nicht fühlen zu lassen,

dass bestimmte Antworten einen Prestigeverlust bedeuten würden. Dies kann

dadurch erreicht werden, dass man die Antworten, die der Befragte geben

könnte, "salonfähig" erscheinen lässt (Fachleute).

Oft werden auch sog. projektive Fragen eingesetzt: Damit bezeichnet man jene

Fragemethode, bei der Fragen nach anderen Personen gestellt werden, wobei

vermutet wird, dass der Befragte sich selbst an die Stelle des anderen setzen

wird, so dass die Beantwortung in Wahrheit seine eigene Einstellung wiedergeben

wird. (Frau xy spricht ja nun eigentlich nur ihren wohlklingenden Dialekt und

vermeidet das Hochdeutsche, denken Sie, dass sie des Hochdeutschen nicht

mächtig ist?)

-> Problem der Gültigkeit

Begleittext

Zentral vor allem bei postalischen Befragungen ist die Abfassung eines

entsprechenden Begleit- bzw. Instruktionstextes. Er soll die Motivation der

Versuchspersonen zum Ausfüllen des Fragebogens heben, den Kontext der

Untersuchung transparent machen und Kenntnisse für das richtige Ausfüllen des

Erhebungsinstrumentes vermitteln. Die übliche Instruktion für die Beantwortung

von Fragebögen weist auf u.a. auf folgende Punkte hin:

• Vollständigkeit der Antworten beachten

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• Aufrichtig zu antworten - Anonymität wird garantiert

• Möglichst zügig zu antworten

Da Versuchspersonen in der Regel Fragebögen mit "Intelligenz- oder

Leistungstest" verknüpfen, kann man im Instruktionstest diesem Eindruck

entgegenwirken, indem man ausdrücklich darauf hinweist,

• das es bei dieser Art von Untersuchung keine richtigen oder falschen

Antworten gibt, dass also jede persönliche Antwort richtig sei, da es sich

nicht um einen Leistungstest handelt.

In bestimmten Fällen, in denen es notwendig erscheint, kann es auch günstig

sein darauf hinzuweisen,

• dass die Untersuchung lediglich zu Forschungszwecken ausgeführt wird

und nicht der Bestimmung individueller Diagnosen mit Konsequenzen für

die Versuchsperson dient, sondern dass man sich nur für eine

gruppenstatistische Auswertung interessiert sowie,

• dass ausreichender Datenschutz gewährleistet ist.

Das Bearbeiten eines Fragebogens sollte nie länger als 20 Minuten in Anspruch nehmen. Bei einer längeren Dauer werden die Befragten ungeduldig und tendieren dazu, die Fragen nicht mehr gewissenhaft zu beantworten. Die Standardisierung entspricht der beim Interview.

Welche Formen wurden dort unterschieden? Beispiele: Namensforschung (Universität Augsburg) online-Fragebogen Umfrage zu Bootsnamen Liebe Seglerinnen und Segler, wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit für

unsere Umfrage zu Bootsnamen nehmen könnten.

Das Projekt ist am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft der Universität

Augsburg entstanden. Von besonderem Interesse ist für uns die Frage, auf

welche Weise Ihr Bootsname zustande gekommen ist, welche „Geschichte"

sich also hinter Ihrer Namengebung verbirgt.

Wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihren Beitrag zur "Bootsnamenforschung"!

J. C. Freienstein

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Was für eine Segelyacht besitzen Sie?

Größe:

bis 7 m 10 - 12 m

7 - 10 m über 12 m

Typ/ Werft

Baujahr:

Haben Sie bereits zuvor (eine) Segelyacht(en) besessen?

ja nein

Falls ja, welche?

Welche Aktivitäten unternehmen Sie mit Ihrer Yacht?

Wochenendtörns:

bis 5 Wochenenden/Jahr gar nicht

über 5 Wochenenden/Jahr

Fahrtensegeln:

1 - 2 Wochen/Jahr über 4 Wochen/Jahr

2 - 4 Wochen/Jahr gar nicht Regattasegeln:

1 - 2 Regatten/Jahr über 5 Regatten/Jahr

2 - 5 Regatten/Jahr gar nicht

Welchen Namen trägt Ihre Segelyacht?

Wie lautet der Name Ihrer Segelyacht?

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Wann ist die Namengebung erfolgt?

Ist mit dem Namen eine Nummerierung verbunden?

ja nein

Falls ja, nach welchem Nummerierungsformat?

römisch arabisch

Haben Sie denselben Namen für verschiedene Segelyachten verwendet?

ja nein

Wie ist der Yachtname zustande gekommen?

Ist mit der Namengebung eine "Geschichte" verbunden?

ja nein

Falls ja, welche?

Spielten seemannschaftliche Bräuche eine Rolle?

ja nein

Falls ja: An welchem Brauch haben Sie sich orientiert?

Worauf beruht Ihr Wissen über diese Bräuche?

"Hörensagen" andere Quelle

Literatur

Würden Sie eine Segelyacht, die bereits einen Namen trägt, "umtaufen"?

ja nein

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Haben Sie ein Taufritual vollzogen?

ja nein

Falls ja: Welches Taufritual?

Zur Person

Alter:

Segler/in seit

(früherer) Beruf

Wohnort

Bundesland

Baden-Württemberg Niedersachsen

Bayern Nordrhein-Westfalen

Berlin Rheinland-Pfalz

Brandenburg Saarland

Bremen Sachsen

Hamburg Sachsen-Anhalt

Hessen Schleswig-Holstein

Mecklenburg-Vorpommern Thüringen

Revier

50

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Vielen Dank für Ihre Angaben!

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Um welche Form des Fragebogens handelt es sich? Weiteres Beispiel: Fragebogen Etymologie (Universität Eichstätt, Lehrstuhl für Englische und Vergleichende Sprachwissenschaft; Bereich: Lexikologie) Begleittext Liebe Teilnehmerin, lieber Teilnehmer, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, an meiner Umfrage teilzunehmen und so maßgeblich zum Erfolg meiner Arbeit beizutragen. Die Daten zum Bildungsstand, Geschlecht und Alter der Teilnehmer zu Beginn der Befragung dient lediglich der statistischen Auswertung der Ergebnisse im Zuge meiner Arbeit. Eine weitergehende Speicherung oder Verwendung der Daten findet nicht statt. Sämtliche gemachten Angaben werden nur als statistischer Mittelwert in die Arbeit eingehen, sodass eine nachträgliche Verknüpfung der Antworten mit Ihrer Person durch Dritte nicht möglich ist. Abgesehen davon habe auch ich weder Zeit noch Interesse, Nachforschungen zu Ihrer Person anzustellen. Der Ihnen vorliegende Fragebogen beinhaltet 26 Fragen, jeweils 13 als offene Frage und 13 mit Multiple Choice. Die Beantwortung dauert in etwa 15-30 Minuten. Füllen Sie bitte sowohl das Feld „Was bedeutet das Sprichwort“ als auch das Feld „Woher kommt das Sprichwort“ aus. Zu den offenen Fragen ist ein Beispiel gegeben. Im Zweiten Teil kreuzen Sie bitte jeweils die Ihnen am wahrscheinlichsten erscheinende Möglichkeit an. Es ist immer nur eine Möglichkeit richtig. Sie sollten sich zwar bemühen, eine richtige Antwort zu geben, aber ich möchte Sie inständig bitten, die Antworten nicht im Wörterbuch oder bei Google nachzuschlagen. Jede auf diese Art erzielte richtige Antwort wirkt sich negativ auf die Gültigkeit der von mir erhobenen Daten aus. Den fertig ausgefüllten Fragebogen senden Sie bitte an die unten genannte Email-Adresse. Sollten Sie Fragen zur Ausfüllung des Fragebogens haben, können Sie mich unter xxx erreichen. Vielen Dank nochmals, dass Sie mir bei meiner Arbeit helfen. Mit freundlichen Grüßen, xxx

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Fragebogen Statistische Angaben - Geschlecht: [ ] männlich [ ] weiblich - Alter: [ ] bis 25 [ ] 26-40 [ ] 40-60 [ ] über 60 - Schulabschluss: [ ] keiner [ ] Quali [ ] mittlere Reife

[ ] Abitur [ ] Hochschulabschluss - Fremdsprachen: [ ] Englisch [ ] Französisch [ ] Spanisch

[ ] Italienisch [ ] Latein [ ] andere falls andere, welche? ____________________________ - Studieren Sie eine Sprache, oder haben sie eine Sprache studiert? (z.B. Anglistik)

[ ] Ja [ ] Nein falls „ja“, welche? ___________________________ - Auf einer Skala von 1-6 mit 1=sehr wenig, wie sehr interessieren Sie sich für Sprache?

[ ] 1 [ ] 2 [ ] 3 [ ] 4 [ ] 5 [ ] 6 Offene Fragen Nr. Sprichwort Was bedeutet das

Sprichwort Woher kommt es?

Bsp. „von der Muse geküsst sein“

Künstlerische Inspiration haben.

Die Musen waren die griechischen Schutzgöttinnen der Künste.

1. Die neuen Hartz Gesetze bedeuten einen gewaltigen Aderlass für alle Arbeitslosen.

2. Jemandem ein X für ein U vormachen

3. Etwas auf dem Kerbholz haben

4. Das geht auf keine Kuhhaut!

5. Ich fühl mich wie gerädert.

6. Der Run auf die Lottoannahmestelle zum Riesenjackpot war wie der Tanz um das Goldene Kalb.

7. Es geht zu wie in Sodom und Gomorrha.

8. Wissen, wie der Hase läuft

9. Seine Hand für jemanden ins Feuer legen

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10. Eulen nach Athen tragen

11. Toleranz ist das A und O im erfolgreichen Zusammenleben der Völker.

12. Die Achillesferse der Nationalmannschaft ist die Abwehr.

13. Eine weiße Weste haben

Multiple Choice (Auszug) Nr. Sprichwort Was bedeutet das

Sprichwort Woher kommt es?

1. Auf dem Holzweg sein [ ] Holzweg billiger als gepflasterter Weg; wandeln auf Holz führt nicht zum richtigen Ziel [ ] Holzweg ist Weg im Wald zum Abtransport von Holz, führt Wanderer nicht ans Ziel [ ] Eigentlicher Ursprung: „Hohlweg“; sinnleerer Weg

2. An ihm ist Hopfen und Malz verloren

[ ] jemand, der sogar zu dumm ist, das Grundnahrungsmittel Bier zu brauen, an dem ist ~ [ ] jemand ist so schwächlich, dass sogar ~ ihn nicht mehr päppeln können [ ] jemand trinkt zu viel, das Bier ist verloren und er ist durch den Alkoholkonsum zu nichts mehr zu Gebrauchen.

3. Auf den Hund kommen [ ] man hatte einen bissigen Hund auf den Boden seiner Geldkassette gemalt, um vor Dieben und Verschwendung zu schützen, ist das Geld weg, ist man ~ [ ] jemand, der dem Hund auf den Schwanz tritt wird gebissen, darum geht es ihm schlecht [ ] ein Bauer, der in finanzieller Not sein Vieh verkauft hat, hat nur noch den Hund.

4. Die Kirche im Dorf lassen [ ] Kirche hatte ihren Platz in Mitten des Dorfes; man soll mit Meinungen und Forderungen auch „mittig“, gemäßigt bleiben [ ] die Kirche diente dem Schutz der Bürger, baut man die Kirche vors Dorf, macht man sich angreifbar [ ] die Kirche ist für den einfachen Mann da, man soll sie mit überzogenen Forderungen

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nicht unerreichbar machen.

Exkurs: Zur Auswertung und Bearbeitung des Fragebogens -> Details siehe http://www.etymologie-der-sprichwoerter.de/ (März 2007) Die Hypothese: Ausgangspunkt der Untersuchung war die Hypothese, dass es bei der Anzahl der im Fragebogen richtig erklärten Etymologien Unterschiede gibt, die sich aus der Anzahl der gesprochenen Sprachen, einem Sprachstudium, dem Alter, dem Geschlecht, dem Interesse an der Sprache und dem erreichten Bildungsab-schlusses erklären lassen. Kommentare zum Fragebogen Die 26 Sprichwörter wurden von mir aus den Büchern Lauter blühender Unsinn und Sprichwörtliche Redensarten ausgewählt. Die Auswahl erfolgte nach meinem subjektiven Empfinden zum Bekanntheitsgrad des Sprichwortes, der von mir erwarteten Schwierigkeit der Antwortsfindung, Eindeutigkeit der Herkunft und Feld, aus dem das Sprichwort stammt. Da eine sinnvolle statistische Auswertung nur möglich ist, wenn ein gewisser Grad an falschen Antworten gegeben wird, befanden sich auch Items im Fragebogen, auf die ich kaum richtige Antworten erwartet habe. Im Multiple Choice Teil war immer nur eine der drei Antwortmöglichkeiten richtig. Die falschen Antworten wurden von mir frei erfunden. Dabei habe ich darauf geachtet, dass die falschen Alternativen plausibel klingen, zum Kulturkreis der deutschen Sprache passen oder aus dem allgemeinen Weltwissen heraus erklärt werden könnten. Des Weiteren habe ich versucht zu verhindern, dass eine eventuell im passiven Wissen vorhandene richtige Antwort durch die Alternativen gestört wird. Aus diesem Grund habe ich auch bewusst keine Alternative „Weiß ich nicht“ gegeben. Die Teilnehmer: Der Fragebogen wurde von 58 Personen ausgefüllt, die sich freiwillig auf ein entsprechendes Post in Internetforen hin gemeldet hatten, sowie einigen Teilnehmern des Seminars Lexicology und persönlichen Bekannten. Unter den Teilnehmern befinden sich 18 Männer und 40 Frauen, 15 Sprach-studenten und 43 ohne ein sprachliches Studium. Die Häufigkeiten der restlichen statistischen Angaben lässt sich folgender Tabelle entnehmen:

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Hinsichtlich der gesprochenen Sprachen und des Studienfaches bei den Sprach-studenten wurden die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen Angaben gemacht.

Die Bewertung der Antworten: Für jede Frage im offenen Fragenteil wurden zwischen 0 und 2 Punkten ver-geben. Dabei erhielt zwei Punkte, wer den Herkunftsbereich sowie die konkreten Umstände der Entstehung nennen konnte. Bei der Frage nach der Achillesferse zum Beispiel musste „Griechische Mythologie“ und „durch Tauchen unverwundbar gemacht“ vorkommen. War eine Versuchsperson mit ihrer Antwort auf dem richtigen Weg und hätte diese auf Grund ihrer Ideen die richtige Antwort aus zwei falschen wie im Multiple Choice-Teil herausfiltern können, so erhielt sie einen Punkt. Null Punkte gab es sowohl für falsche als auch für fehlende Antworten. Im Multiple Choice-Teil gab es für jede richtige Antwort einen Punkt. Die Auswertung Die statistische Auswertung der Fragebögen erfolgte mit Blick auf die Hypothesen im Programm SPSS. Die Hypothese, dass das Geschlecht einen Einfluss auf die Richtigkeit der Antworten auswirkt, konnte widerlegt werden. Ebenso wenig Einfluss hat das

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Interesse an der Sprache. Der Einfluss der Schulbildung kann bestätigt werden. Zwar unterscheiden sich die Abiturienten mit Z=-1,014 und p=0,158 nicht von den Hochschulabsolventen, aber die Gruppe derer, die maximal die Mittlere Reife haben setzte sich hoch signifikant mit Z=-3,495 und p=0,00 vom Rest ab. Damit ist erwiesen, dass mit steigender Schulbildung die Anzahl der richtigen Antworten zunimmt. Bezüglich des Alters der Teilnehmer ergab sich, dass die Altersgruppe der 26-40 jährigen mit t=2,290 und p=0,035 am Besten abschnitten. Es war aber kein weiterer Trend zu beobachten, weshalb dieses Ergebnis eventuell auf die zufällige Auswahl der Teilnehmer zurückzuführen ist, da sich in dieser Altersgruppe ausschließlich Abiturienten und Hochschulabsolventen befanden, die ja besonders gut abschnitten. Deshalb muss der Einfluss des Alters solange verneint werden, bis man eine für diese Fragestellung besser geeignete Stichprobe untersucht hat. Innerhalb der Gruppe der Abiturienten und Hochschulabsolventen konnten sich die Sprachstudenten mit Z=-1,092 und p=0,275 nicht signifikant absetzten. Das im Vergleich zur gesamten Stichprobe signifikant bessere Ergebnis der Sprachstudenten (t=-2,274, p=0,03) lässt sich wieder auf die Variable „Schulbildung“ zurückführen. Im Gegensatz dazu kann die Hypothese, dass die Anzahl der gesprochenen Sprachen einen Einfluss hat, bestätigt werden (Chi²=15,200; p=0,019). Problematisch ist allerdings auch dabei der Zusammenhang zwischen Schul-bildung und gesprochener Sprache, da in der Gruppe derer ohne Abitur oder Hochschulabschluss auch nicht mehr als zwei Sprachen beobachtet werden konnten. Das Ergebnis, dass der Bildungsabschluss den größten Einfluss auf die Anzahl der richtigen Antworten hat, ergibt sich auch aus der Untersuchung der einzelnen Fragen im offenen Teil. Im Schnitt wurde erhielt jede Person 1,0942 Punkte. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Wissen um die Herkunft der Sprichwörter mehr mit Allgemeinbildung als mit sprachwissenschaftlichem Fachwissen verbunden ist. Wie bereits oben angeregt, müsste in einem weiteren Test näher auf den Einfluss der Vielsprachigkeit und das Alter der Teilnehmer eingegangen werden. Ein weiterer Faktor, auf den ich in meiner Umfrage nicht eingegangen bin, auf den ich aber von ein paar Versuchspersonen hingewiesen wurde, ist, wie viel Einfluss Sendungen wie „Gallileo“ haben. Diese beliebten Wissenssendungen beschäftigen sich hin und wieder auch mit der Etymologie von Sprichwörtern und könnten so auch einen Einfluss auf das Wissen der breiten Bevölkerung haben, unabhängig von anderen Variablen. Letztes Beispiel zu Passivkonstruktionen im Schweizerdeutsch (aus http://www.linguistik-online.de/24_05/bucheli.html März 2007) Im Bereich der Sprachwissenschaft erforscht man mittels Fragebogen oft die Akzeptabilität von Sätzen. Hier lediglich eine Frage aus dem Fragebogen: Hanna und ihr Mann Fredy gehen beim Sonntagsspaziergang an der alten Villa vorbei, die

schon einige Zeit leer gestanden ist, weil sich lange kein Käufer gefunden hatte. Hanna

meint, die Villa stehe immer noch zum Verkauf.

Fredy aber informiert sie:

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Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen ("ja"), welche sind

nicht möglich ("nein")?

ja nein 1) Nei, si isch grad verchauft worde. 2) Nei, si isch grad verchaufti worde. 3) Nei, si isch grad verchauft cho. 4) Nei, si isch grad verchaufti cho. 5) Nei, si isch grad verchauft gange. 6) Nei, si isch grad verchaufti gange.

Welche Variante ist für Sie die natürlichste?

Nr. ___

Würden Sie den Satz normalerweise in einer Form sagen, die nicht aufgeführt ist?

ja nein

Wenn "ja": Bitte notieren Sie hier den Satz so, wie Sie ihn normalerweise sagen

würden:

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Empirische Forschungsmethoden in der Sprachwissenschaft VI Sommersemester 2007 Überblick Methoden IV (A) √ Formulierung des Forschungsvorhabens (Hypothese) Begründung: Warum erscheint es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen? (B) Planung der Untersuchung: Operationalisierung der Variablen

Wahl des Erhebungsinstruments, Pretest -> Überarbeiten des Erhebungsinstruments

(C) Datenerhebung (D) Datenauswertung (E) Forschungsbericht Erhebungsinstrumente

• Das Experiment √

• Die Beobachtung √

• [Der psychologische Test (Intelligenztest, Persönlichkeitstest,

Leistungstest)]

• [Soziometrie: emotionales Beziehungsgeflecht errechnen]

• Inhaltsanalyse √

• Das Interview √

• Narratives Interview √

• Der Fragebogen √

• Einzelfallforschung

• Handlungsforschung

• Tagebuchstudien

• DCT

• Feldforschung

Einzelfallforschung Unter dem Begriff der Einzelfallstudie wird jener Bereich verstanden, der ein einzelnes Element ("Untersuchungseinheit") zum Gegenstand der Analyse macht. Ausgangspunkt einer Einzelfallstudie bildet somit jeweils eine Untersuchungs-einheit, wobei folgenden Bereiche als Einheit angesehen werden können: a) Personen b) Gruppen, Kulturen

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Die Bedeutung von Einzelfalluntersuchungen im context of discovery (REICHENBACH) wird heute nicht mehr ernstlich bestritten.

Einzelfallstudie (engl. case study): Untersuchungsform, die in der detaillierten Analyse einzelner Untersuchungseinheiten (Individuen, Gruppen, Institutionen u.a.) besteht. Das Ziel der E. ist, genaueren Einblick in das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren (etwa in die Biographien von Kriminellen) zu erhalten, wobei sie meist auf das Auffinden und Herausarbeiten typischer Vorgänge gerichtet ist. Eine E. wird häufig zur Vorbereitung oder als Ergänzung größerer Untersuchungen eingesetzt (Lexikon der Soziologie).

Beispiel: Spracherwerb -> ein Kind erwirbt unter ganz spezifischen Bedingungen eine Sprache und anhand dieses einen Kindes wird eine Einzeluntersuchung durchgeführt. Handlungsforschung Hier steht im Vordergrund, dass die empirische Forschung etwas bewirken/ verändern möchte. Forschungskonzepte sind dabei noch nicht vollständig konzipiert. Die grundlegende sind:

• Die Problemauswahl und -definition geschieht nicht vorrangig aus dem

Kontext wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern entsprechend konkreten

gesellschaftlichen Bedürfnissen.

• Das Forschungsziel besteht nicht ausschließlich darin, theoretische

Aussagen zu überprüfen oder zu gewinnen, sondern darin, gleichzeitig

praktisch verändernd in gesellschaftliche Zusammenhänge einzugreifen.

• Die als Problem aufgenommene soziale Situation wird als Gesamtheit - als

soziales Feld - angesehen, aus der nicht aufgrund forschungsimmanenter

Überlegungen einzelne Variablen isoliert werden können.

• Die praktischen und theoretischen Ansprüche des action research

verlangen vom Forscher eine zumindest vorübergehende Aufgabe der

grundsätzlichen Distanz zum Forschungsobjekt zugunsten einer bewusst

einzunehmenden Haltung, die von teilnehmender Beobachtung bis zur

aktiven Interaktion mit den Beteiligten reicht.

• entsprechend soll sich auch die Rolle der Befragten und Beobachteten

verändern und ihr momentanes Selbstverständnis so festgelegt werden,

dass sie zu Subjekten im Gesamtprozess werden.

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Tagebuchstudien/Ereignis- und Zeitstichprobe Ereignisstichprobe: Erfassung der Häufigkeit von Ereignissen

besonders geeignet zur Dokumentation bestimmter Verhaltensweisen Zeitstichprobe: Beschreibung des Geschehens in vorher festgelegten Zeitabständen

besonders geeignet zur Beschreibung des gesamten Geschehens z.B. beim Erfassen des Spracherwerbs des eigenen Kindes. Es werden alle Vorkommnisse aufgeschrieben -> bekannt: die Tagebuchstudie von Stern & Stern Alternativ können jedoch – besonders als Pilotstudien – ausgewählte Personen gebeten werden, ihr sprachliches Verhalten in vorgegebenen Situationen aufzuzeichnen. Beispiel Leitfaden

Protokoll über meine Begrüßungsformen Ort: _________________ Situation: _____________ Person: bitte kreuzen Sie an

Partner guter Freud Freund Bekannter Verwandter: ____________ Chef Untergebener Fremder ________ _____________

Möglichst genauer Wortlaut des Sie Begrüßenden: ____________________________________________________ Möglichst genauer Wortlaut Ihrer Erwiderung: ____________________________________________________ Kommentar: (z.B. über Gestik, Mimik, besondere Situation) ____________________________________________________

Derart können Daten gewonnen werden, die dann der Konzeption eines anderen Forschungsdesigns dienen. In den USA werden Diskursergänzungsverfahren häufig von einer Ereignisstichprobe eingeleitet, um so an Datenmaterial und authentische Situationen zu gelangen.

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Diskursergänzungsverfahren/Discourse Completion Test: Vorteile:

Rasche Durchführbarkeit Gute Vergleichbarkeit Gut geeignet für interkulturelle und Sprachvergleiche -> Sprechakt- und

Pragmatikforschung Systematische Variationsmöglichkeit von Situation und Kontext

Nachteile:

Nicht 100% authentisch → gegebene Äußerungen eventuell „realitäts-fremd“ -> zusätzliche Studien notwendig

Zwang zur schriftlichen Produktion Nonverbale Elemente wie Mimik, Gestik, Körperhaltung sowie verbale

Elemente wie Intonation werden nicht aufgezeichnet Diskursergänzungsverfahren werden vor allem im Bereich der Pragmatik verwendet. Dabei geht es um sprachliche Realisationen und ihre Abhängigkeit vom Kontext. Den Probanden werden verschiedene Szenen vorgegeben und sie sollen einen möglichst authentischen Dialog erstellen. Nach vorgegebenen Kriterien werden dann Merkmale des Gesprächs analysiert. Beispiele: Situation: Du gibt’s eine Partie für 12 Personen und stellst fest, dass die Salatschüsseln, die du im Schrank hast nicht ausreichend groß sind. Du entscheidest dich, deine Nachbarin Karin zu fragen, ob sie dir eine Schüssel leihen kann. Du machst dich auf den Weg zu ihr und triffst sie direkt vor ihrer Tür an, sie ist gerade dabei das Haus zu betreten. Beziehung: Ihr kennt euch recht gut und bleibt immer für ein kurzes Gespräch stehen, wenn ihr euch trefft. Ihr seid ungefähr im gleichen Alter. Ihr habt euch schon öfter gegenseitig geholfen. Ihr habt aber ansonsten keinen Kontakt zueinander. Wie würde eure Unterhaltung wohl aussehen? Du:

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Karin:

[Du]:

Situation: Du gibt’s eine Partie für 12 Personen und stellst fest, dass die Salatschüsseln, die du im Schrank hast nicht ausreichend groß sind. Leider ist offensichtlich nur der ältere grummelige Professor im 2. Stock zuhause. Da es eilig ist, entschließt du dich, ihn zu fragen. Du klingelst an seiner Tür. Beziehung: Sie treffen sich nur sporadisch im Treppenhaus. Er grüßt zwar, macht aber ansonsten einen abweisenden Eindruck. Sie haben noch nie bei ihm geklingelt. Wie würde eure Unterhaltung wohl aussehen? Du:

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Professor:

[Du]:

Situation: Du gibt’s eine Partie für 12 Personen und stellst fest, dass die Salatschüsseln, die du im Schrank hast nicht ausreichend groß sind. Du entscheidest dich, schnell deine Mutter anzurufen und sie zu bitten, dir eine große Schüssel vorbeizubringen. Beziehung: Ihr habt ein gutes Verhältnis zueinander und geht einmal in der Woche zusammen bummeln. Deine Mutter wohnt nur ca. 10 Autominuten entfernt. Wie würde eure Unterhaltung wohl aussehen? Du:

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Deine Mutter:

[Du]:

Diskursergänzungsverfahren werden sehr häufig auch im Bereich der Sprachlehrforschung eingesetzt. Man möchte damit herausfinden, ob Lerner ähnliche Strukturen (und Wörter) verwenden wie Muttersprachler. Auf diese Art und Weise kann man Erkenntnisse für die Konzeption von Sprachlehrwerken gewinnen. Für eine interessante Studie siehe z.B. http://www.lcc.gatech.edu/~fischer/communication-final.pdf Hier wird die Direktheit/Indirektheit von Direktiven (Aufforderungen) von Flugkapitänen in Abhängigkeit von der Situation mit Hilfe eines DCTs aufgezeigt. Bekannt geworden sind DCTs bei sprachvergleichenden Studien: Auszug aus Böttger, Claudia/Bührig, Kristin. (2003). „Une pièce de résistance: Übersetzt, verdeckt, untergründig“. In: Baumgarten, Nicole/Böttger, Claudia/Motz, Markus/Probst, Julia (Hrsg.) Übersetzen, Interkulturelle Kommunikation, Spracherwerb und Sprachvermittlung - das Leben mit mehreren Sprachen. Festschrift für Juliane House zum 60. Geburtstag. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 8(2/3). 1-9. S. 3: „Innerhalb der sog. ‚Interlanguage Pragmatics’ (für einen Überblick siehe etwa Blum-Kulka, House & Kasper 1989) wird das Realisieren einzelner Sprechakte in einer Sprechsituation sprachvergleichend untersucht. Im Rahmen des CCSARP (Cross Cultural Speech Act Realization Patterns) Projektes (vgl. etwa Blum-Kulka & Olshtain 1984; Blum-Kulka, House & Kasper 1989) wird die sprachliche Variation von zwei Sprechakten, nämlich ‚Entschuldigungen‛ und ‚Aufforderungen‛, sprach- und kulturvergleichend untersucht, wobei sowohl lerner- als auch muttersprachliche Daten berücksichtigt werden. Konkret werden im CCSARP Projekt drei Fragenstellungen verfolgt: Zum einen ist von Interesse, die Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Realisierung von

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Sprechakten in unterschiedlichen Sprachen, aber unter gleichbleibenden sozialen Bedingungen zu untersuchen. Zum anderen wird der Effekt sozialer Variablen auf die Realisierung von Sprechakten innerhalb bestimmter Sprachgemeinschaften untersucht (vgl. a.a.O.: 12). Schließlich werden bei konstant gehalten sozialen Variablen Ähnlichkeiten und Unterschiede in der mutter- und lernersprachlichen Realisierung von Sprechakten verglichen (vgl. a.a.O.: 12-13). Die jeweiligen Daten werden mittels eines „Discourse Completion Test“ (DCT) (vgl. Blum-Kulka 1982) erhoben. Dieser Test enthält niedergeschriebene, von Versuchspersonen zu komplettierende Dialoge, die jeweils nach sozialen Variablen differenzierte Situationen repräsentieren. Dabei geht jedem Dialog eine Situationsbeschreibung voran, die Informationen zum setting und zur sozialen Distanz bzw. zur sozialen Beziehung der Gesprächspartner zueinander enthält. Innerhalb der Durchführung des Tests werden die Probandinnen und Probanden darum gebeten, die unvollständigen Dialoge zu ergänzen, nachdem sie darüber in Kenntnis gesetzt wurden, welcher Sprechakt von ihnen in der Komplettierung zu realisieren sei. Der Einsatz dieses Elizitierungsverfahrens verfolgt das Ziel, vergleichbare und möglichst prototypische Daten zu erhalten, um auf dieser Basis zu überprüfen, ob es eine kulturspezifische Realisierung vergleichbarer Sprechakte gibt.

(20 Minuten) Verfassen Sie für einen der Sprechakte ein mögliches Diskursergänzungsverfahren. (a) Entschuldigung (b) Kritik (c) Lob (d) Ablehnung Feldforschung Als Feldforschung bezeichnet man eine empirische Forschungsmethode zur Erhebung empirischer Daten mittels Beobachtung, Interviews, Experimenten im sog. „natürlichen Kontext“, d.h. man reist in ein meist noch sprachlich unerforschtes oder unzureichend erforschtes Land, um Daten zu sammeln. Meist beobachtet man das Alltagsleben, versucht die Sprache zu erlernen, sucht geeignete Informanten, denen man gezielte Fragen stellt (Interviews) und versucht, durch teilnehmende Beobachtungen zusätzliche Daten zu erlangen. Grundsätzlich muss der Forscher versuchen, sich seines Eurozentrismus bewusst zu sein und zunächst ohne Wertung an Daten heranzugehen. Vorgehensweise

1. Vorlaufzeit: Themenwahl und Mittelbeantragung 2. Vorbereitungen und Abreise 3. Eingewöhnen in die Familie, Kennen lernen des Lebens vor Ort,

Einpassung 4. Suche nach Informanten 5. Wahl des Feldforschungsgebiets 6. Befragung, Experimente, Beobachtungen -> Datenaufzeichnung 7. Auswertung der Daten -> neue Fragestellungen 8. Zweiter Feldforschungsaufenthalt

Um die Sprach erforschen zu können, muss man sehr genau beobachten, welches zentrale Themen und Aufgaben des Volkes sind. Wie ist der

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hierarchische Aufbau? Welche Rolle spielen die Geschlechter? Welche Rolle wird Kindern zugewiesen? Was gilt in der Kultur als höflich? Wie ist der Umgang miteinander? Von was leben die Menschen? Welchen Stellenwert hat die Natur, Religion, Glaubensgrundsätze etc.? Welche Sprachen werden gesprochen? Gibt es Informanten, die Englisch sprechen? Integration in die Familie: meist vom Fremden zum Familienmitglied -> oft zunächst die Rolle eines Kindes (Svenja Völkel) Sinnvoll: Führen eines Tagebuches, in dem auch Emotionen notiert werden! S. Völkel -> Forschung in Tonga

- zunächst Position eines Kindes - kein Kontakt zu männlichen Wesen ohne Begleitung möglich - keine festen Termine üblich -> Herumwandern durch den Ort und

Interviewpartner finden J. Crass: Verfassen von Grammatiken (Kaabena) Probleme und Ansätze Wir haben nun die wichtigsten Methoden und Ansätze der empirischen Forschung kennen gelernt. Wie in vielen Bereichen der Wissenschaft herrscht jedoch auch hier zwischen den einzelnen Forschergruppen keine Einigkeit darüber, welche Forschungsmethoden wann anzuwenden sind. Betrachten wir einige wissenschaftstheoretischen Ansätze bzw. ihre Entwicklung. Die ursprüngliche Differenzierung liegt in der unterschiedlichen Sicht der Welt bzw. der Frage, wie man Erkenntnisse oder die Wahrheit erlangt. Zunächst standen sich Rationalismus (Erkenntnis beruht auf Vernunft) und Empirismus (Erkenntnis beruht auf Wahrnehmung bzw. Erfahrung) gegenüber. In der sog. Erkenntnistheorie werden also zwei Quellen der Erkenntnis unterschieden: Erkenntnis aus der Erfahrung (Empirismus) und Erkenntnis aus dem Verstand (Rationalismus). Es sind zwei grundsätzlich verschiedene Erkenntnisweisen und lange Zeit standen sie sich gegenüber; entweder war man ein Anhänger des Rationalismus oder eben des Empirismus. Ein heute vertretene Mischform ist bspw. der Kritische Rationalismus, der von Sir Karl R. Popper (geb. 28.07.1902, gest. 17.09.1994) begründet wurde. Auch die Empiristen gehen jedoch inzwischen davon aus, dass unsere Wahrnehmung uns täuschen kann. Beobachtung allein kann also zu falschen Schlüssen führen.

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Rauf oder runter? Höher oder tiefer?

Welcher Strich ist länger?

Drehen Sie mal das Bild!

Parallel zu den unterschiedlichen Erkenntnistheorien haben wir es nun mit verschiedenen Ansätzen zu tun, die fragen, wie man nun an gesicherte Daten für Forschung kommen kann. Zu Beginn haben wir bereits die Differenzierung in induktive und deduktive Ansätze beobachten können. Induktiv: vom Speziellen aufs Allgemeine schließen: Ich beobachte, dass man ältere unbekannte Menschen siezt, ich beobachte das immer wieder und komme so zu meiner Theorie; ‚ältere, unbekannte Menschen werden gesiezt’. Diese Schlüsse können jedoch immer auch fehlgeleitet sein: bekanntes Beispiel: Ausländer und Kriminalität in Deutschland – weil in den Medien Straftaten von Deutschen ohne Nennung von Nationalität aufgeführt werden, Straftaten von Ausländern aber immer unter Nennung der Nationalität, kommt man zu dem Fehlschluss, dass in Deutschland die meisten Straftaten von Ausländern begangen werden. Unsere Beobachtung täuscht uns. Deduktiv: Man schließt vom Allgemeinen auf das Spezielle. Formal; Alle Menschen (A) sind sterblich (B). Angela Merkel (C) ist ein Mensch (A). -> Schlussfolgerung: Angela Merkel (C) ist sterblich (B) A = B + C = A dann C = B.

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Abduktiv/Abduktion: Kombination aus induktiv und deduktiv. Beispiel aus dem realen? Leben:

Homer Simpson geht am Wochenende mit seinen Freunden Pilze sammeln. Natürlich haben alle keinen blassen Schimmer, welche Pilze essbar, genießbar, ungenießbar oder eben giftig sind. Deshalb stopfen sie auch jeden Pilz, den sie finden, in ihre Körbe. Immerhin haben sie das Glück, dass Lisa vor dem Kochen der Pilze diese anhand eines entsprechenden Buches überprüfen will. Ihre Aufgabe ist es also, die Pilze in vier Haufen zu sortieren: essbar, genießbar, ungenießbar und giftig.

Diese Zuordnung nimmt man anhand von Kriterien vor, bspw. Form, Farbe, Geruch etc.; sie wird als Abduktion bezeichnet. Ziel ist es, bestimmte Dinge oder Ereignisse in einem Typ oder einer Klasse von Dingen und Ereignissen zuzuordnen. An dem Beispiel werden dabei die Schwierigkeiten der Abduktion deutlich, denn viele Pilzsorten sehen sich ähnlich und sind schwer zu

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unterscheiden. Oft könnte es sein, dass ein Pilz durchaus zu verschiedenen Pilzsorten gehören könnte, aber man eine definitive Zuordnung erst dann treffen kann, wenn man ihn isst – was ja gerade gefährlich sein kann. Kurz: Ein abduktiver Schluss ist nicht zwingend logisch, sondern allenfalls plausibel oder wahrscheinlich. Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt die Abduktion wichtig, denn sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft stehen wir oft vor dem Problem, einzelne Ereignisse oder Dinge in Klassen einzuordnen. Die Induktion wird in der Regel mit dem Empirismus, die Deduktion mit dem Rationalismus in Verbindung gesetzt. Von beiden Forschungslogiken erhoffte man sich, dass sie sicheres Wissen generieren könnten. Wie wir jedoch gesehen haben, trügt diese Hoffnung. Die Abduktion ist ebenso mit Problemen behaftet, insbesondere wenn die Stichproben klein sind. Deshalb liegt die Idee nahe, dass vielleicht gemischte Ansätze, die Deduktion und Induktion verbinden, hier Abhilfe schaffen könnten. Bei beiden Richtungen sprechen die Forscher jedoch davon, dass sie empirisch forschen, so dass der Begriff Empirismus doppelt besetzt ist. D.h.: Heute stehen sich zwei alternative Konzeptionen gegenüber: die Empirismus-Konzeption1 (= theorienlose Akkumulation von Daten) und die Empirismus-Konzeption2 (= theoriengeleitete empirische Forschung) gegenüber. Zahlreiche Forscher sind der Ansicht, dass es möglich sei, Forschung so zu betreiben, dass man nicht mit vorgefassten Meinungen oder Theorien an den Untersuchungsgegenstand herangeht, sondern erst die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand dazu führt, dass Begriffe geprägt und Theorien entwickelt werden. Beispiele ließen sich im Bereich der Anthropologie, Linguistik und Ethnologie finden, wenn die Methode der Untersuchung die teilnehmende Beobachtung ist. In gewisser Weise kann man dies durchaus als induktive Forschungsmethodologie ansehen. Allerdings ist die Forderung nach einer theoriefreien Forschung durchaus begründet, sofern man sich ihrer Grenzen bewusst ist. Wissenschaftler sollten aufgeschlossen sein gegenüber dem Neuen. Insbesondere im Bereich der Sozialwissenschaften, die ja immer in irgendeiner Weise mit Menschen zu tun haben, ist die Forderung nach Aufgeschlossenheit wichtig, weil hier – ob wir das wollen oder nicht – oftmals unsere eigenen Vorurteile den Blick auf wichtige Aspekte der sozialen Welt verstellen können. Damit sind wir bei der Hermeneutik angelangt. Der hermeneutische Zirkel, also die Deutung sozialer Phänomene mithilfe bereits vorhandener Begriffe und Deutungsmuster und der daran anschließenden Modifikation eben jener Begriffe und Muster kann man als gemischte Forschungslogik ansehen, da hier sowohl induktive, deduktive und abduktive Momente eine Rolle spielen. Allerdings hat das hermeneutische Vorgehen den wesentlichen Nachteil, dass sie keine formalisierte Forschungslogik darstellt. Letztlich bleibt die hermeneutische

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Deutung sozialer Phänomene subjektiv; es gibt keine „harten“ Kriterien, anhand derer es möglich wäre, die Richtigkeit entsprechender Deutungen zu überprüfen.

Exkurs zum Lesen bei Interesse Der empirisch-analytische Ansatz Was bedeutet "empirisch-analytisch"? Empirisch heißt "erfahrungsmäßig", also auf Erfahrung, Beobachtung, Befragung, Experiment usw. basierend. "Analytisch" heißt zunächst einmal "in seine Bestandteile auflösend": der zu untersuchende Gegenstand wird in seine Bestandteile zerlegt und deren Beziehungen untereinander werden theoretisch rekonstruiert, wobei die Mathematik als Hilfsmittel dient.

Dieser Rückgriff auf mathematisch-naturwissenschaftliche Methoden ist eines der Charakteristika empirisch-analytischen Vorgehens innerhalb der Sozialwissenschaften. So hat sich der Begriff "quantitativ" mittlerweile fast zu einem Synonym für empirisch-analytische Forschung entwickelt.

Das Attribut "qualitativ" soll demgegenüber häufig das Wissenschaftsverständnis einer hermeneutisch orientierten Wissenschaft charakterisieren. Statt des im übrigen recht unpräzisen Begriffspaares "quantitativ versus qualitativ" wird auch die gleichermaßen unscharfe Beziehung "harte versus weiche" Daten verwendet.

Empirismus: philosophische Strömung, die bereits mit dem Ausgang des Mittelalters einsetzt und die nicht Vernunft, sondern in der Erfahrung die Quelle allen Wissens sieht. Im Gegensatz zum klassischen Rationalismus will der Empirismus von der unmittelbar gegebenen Wahrnehmung her durch induktive Schlüsse die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten erschließen. Neuer Formen des E. lassen Erfahrung nicht mehr als Erkenntnisquelle, sondern nur mehr als Bestätigungsinstanz für Aussagen gelten (Lexikon zur Soziologie).

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Naiver Empirismus Historisch betrachtet hat sich die moderne empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung in den Sozialwissenschaften aus dem Empirismus bzw. Positivismus entwickelt. Der ältere Empirismus geht auf R. BACON und den englischen Aufklärer D. HUME zurück und gelangte im 17. und 18. Jahrhundert zu einem Höhepunkt, der neben HUME noch durch zwei weitere Männer gekennzeichnet ist: LOCKE (1632-1704) und BERKELEY (1684-1753). Diese Philosophen lehnten die Vernunft als Grundlage der Erkenntnis ab und postulierten dagegen ein tabula-rasa-Bild des menschlichen Verstandes. Wissenschaft sollte ihrer Meinung nach eine rein empirische (= Erfahrung als Quelle der Erkenntnis) Wissenschaft sein.

Logischer Empirismus Der Wiener Kreis, eine Vereinigung von Philosophen und philosophisch interessierten Naturwissenschaftlern, zu der u.a. E. MACH, M. SCHLICK, R. CARNAP und O. NEURATH entwickelte 50 Jahre später den Positivismus COMTES weiter zum sogenannten Neopositivismus, indem sie eine an den Naturwissenschaften orientierte Methodologie konzipierten, die zur Grundlage aller Wissenschaften, somit auch der Sozial- und Geisteswissenschaften werden sollte. Die logischen Empiristen erkannten, dass einem die Natur nicht sagen kann, was man an ihr beobachten soll. Der Forscher muss schon vorher wissen, was er beobachten will. Er muss "Kriterien" haben, nach denen er aus der unendlichen Menge von "Beobachtbarem" auswählen kann. Mit anderen Worten Wissenschaft beginnt nicht mit der Erfahrung, sondern mit theoretischen Konzeptionen.

Kritischer Rationalismus Der kritische Rationalismus wurde 1934/35 von dem damals 32jährigen KARL R. POPPER mit seinem berühmten Buch "Logik der Forschung" begründet. Der kritische Rationalismus bleibt zwar einerseits in der Tradition empiristischer Wissenschaftstheorien, unterzieht aber gleichzeitig alle Versuche, Wissen als sicheres Wissen zu begründen, einer radikalen Kritik. Nach POPPER sollte ein Wissenschaftler nicht versuchen, Theorien und Hypothesen zu belegen (= verifizieren), sondern er muss versuchen, sie zu widerlegen (= falsifizieren). POPPER geht davon aus, dass am Anfang jeglicher Wissenschaft die Theorie steht und sich jede Beobachtung nur im Licht der Theorie vollzieht (Scheinwerfertheorie): Man gewinnt auf reiner Erfahrungsgrundlage keine neuen Erkenntnisse, sondern nur durch Aufstellung neuer Theorien. Literatur zur Empirischen Forschung

Alemann, Heine von (1977) Der Forschungsprozess. Eine Einführung in die Praxis der empirischen Sozialforschung. Stuttgart: Teubner.

Atteslander, Peter (2003) Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: de Gruyter.

Bortz, Jürgen/Döring, Nicola (2002) Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin, Heidelberg – New York: Springer

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